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SPORT UND FITNESS<br />
Foto: D. Wiechmann.<br />
Die Leidenszeit von Lars Stindl<br />
Stürmer, kein Torjäger<br />
Der Kapitän von Borussia Mönchengladbach<br />
wird seit Wochen „angezählt“. Dem<br />
29-Jährigen will partout kein Tor gelingen.<br />
Seit dem 18. November 2017 beim 4:2<br />
bei Hertha. Fleißig listen die statistischen<br />
Erbsenzähler die Minuten auf, die belegen<br />
sollen: Stindl komme seiner eigentlichen<br />
Arbeit nicht mehrfach. Dabei ist er Stürmer,<br />
ein Torjäger ist er niemals gewesen.<br />
Aber bei Borussia Mönchengladbach verteilt<br />
man die Trefferlast auf mehrere Stürmer bzw.<br />
Nicht-Torjäger. Hazard, Raffael und Stindl<br />
eben. Der ehemalige Hannoveraner bot eine<br />
von drei Schultern, auf denen die Gladbacher<br />
Torquote ruht. Zuletzt war er mit der Flaute<br />
nicht allein, doch für ihn wog die Bürde doppelt<br />
schwer. Als Kapitän musste er in dieser<br />
Zeit der Torlosigkeit verstärkt als Sozialarbeiter<br />
und Psychologe arbeiten: in der Kabine<br />
und auf dem Platz. Das erledigte er gewissenhaft.<br />
So intensiv und engagiert, dass er daran<br />
erinnert werden musste, sich auch selbst aus<br />
dem Leistungsloch zu befreien, sich ein wenig<br />
mehr auf die eigene Befreiung zu konzentrieren.<br />
Das versucht er immer, mit der von<br />
ihm gewohnten Hingabe und einem enormen<br />
läuferischen Aufwand. Fleißig also ist er,<br />
aber das hilft derzeit nicht allzu viel. Nicht<br />
dem Klub, und auch nicht ihm selbst. Stindl<br />
kämpft noch um ein WM-Ticket. Und der Abwärtsstrudel<br />
seines Klubs könnte ihn auch<br />
aus dem Kader für Russland spülen.<br />
Wenn man in Zeiten, in denen ein nachdenklicher<br />
Profi wie Per Mertesacker ehrlich<br />
über den zum Teil unmenschlichen Druck<br />
berichten, den Profis ausgesetzt sind, und<br />
dafür von einem Oberflächen-Champion<br />
wie Lothar Matthäus an den Pranger gestellt<br />
werden, ein Beispiel benötigt, das diesen<br />
Überdruck beschreibt: Voila - Lars Stindl<br />
bietet es. Und bedarf dafür Anerkennung,<br />
Respekt und auch Hilfe. Die Misere seiner<br />
Mannschaft, für die er als Kapitän verantwortlich<br />
ist, seine eigene Tor-Krise, der<br />
Druck, sich unter solch widrigen Verhältnissen<br />
für den Löw-Kader zu empfehlen, - zumindest<br />
nach außen gibt sich der Gladbacher<br />
dafür noch recht gelassen. „Allzu viele<br />
Gedanken über die WM mache ich mir derzeit<br />
nicht. Es geht vor allem um den Verein,<br />
und deshalb versuche ich mich völlig auf<br />
Gladbach zu konzentrieren.“<br />
Dass die Minuten seiner Torlosigkeit gezählt<br />
werden, ist für ihn auch normal. Das<br />
nimmt man dem Routinier ab. Der 29-Jährige<br />
ist so oder so ein Opfer: In der vergangenen<br />
Spielzeit unterlag er dem Dreifachstress<br />
der Borussia besonders stark, weil er<br />
als unersetzbar galt. Und als andere sich<br />
auf den Malediven erholten, spielte er für<br />
die Nationalelf beim Confed-Cup. Da spielte<br />
er sich endgültig in den DFB-Kader.<br />
Doch dieses Schaufenster könnte ihm jetzt<br />
zum Verhängnis werden. Dauergeschunden<br />
kann die Frische auf dem letzten Drittel<br />
der Spielzeit nur fehlen. Aufladen kann<br />
Stindl sein Akku nur, wenn er die WM vor<br />
dem Fernseher erlebt. Tragisch.<br />
Bernhard Kütter<br />
44 | guru-magazin.de