backtuell - Backaldrin
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10 <strong>backtuell</strong> 1 | 2010 Lebenswert swert Brot<br />
Sehnsucht<br />
nach Ursprünglichem<br />
››› Worauf »Werte«, »Neupositionierung<br />
im Alltag« und »Bescheidenheit« abzielen,<br />
ist nicht neu. Es ist die Suche nach Sinn<br />
und Erfüllung, »Lebensqualität und Selbstverwirklichung<br />
zu leben und dabei gleichzeitig<br />
ein stimmiges und befriedigendes<br />
Verhältnis zu Mitwelt und Gesellschaft zu<br />
erhalten«, zitiert Rützler die Studie »Sinnmärkte.<br />
Der Wertewandel in den Konsumwelten«<br />
von Eike Wenzel. Carbonaro will<br />
die Bescheidenheit nicht mit Enthaltsamkeit<br />
oder Verzicht, sondern mit Erfüllung<br />
verbunden wissen: »Erfüllung war schon<br />
immer die Aufgabe des Konsums. Das macht<br />
die Menschen glücklich.«<br />
»Bewusste Ernährung«, fassen die Autoren<br />
der Nestlé-Studie »So is(s)t Deutschland.<br />
Ein Spiegel der Gesellschaft« zusammen,<br />
»ist in Deutschland ein Konzept, das weit<br />
über die Ausrichtung auf eine ausgewoge ne<br />
und gesunde Ernährung hinausgeht: es ist<br />
eine weltanschauliche Positionierung, die<br />
auch die Herkunft und Produktionsmethoden<br />
von Lebensmitteln einbezieht. … Die<br />
Präferenzen der Verbraucher zeigen, dass es<br />
weit verbreitet eine Sehnsucht nach dem<br />
Ursprünglichen gibt, nach einer Lebensmittelproduktion,<br />
die von Naturbelassenheit,<br />
artgerechter Tierhaltung und einem<br />
Leben mit den Jahreszeiten gekennzeichnet<br />
ist.« Natürlich ist für viele Verbraucher der<br />
Preis ein wichtiges Kriterium bei der Speisewahl,<br />
bei »krisenresistenten Haushalten<br />
(Deutschland 46 %, Österreich 53 %) jedoch<br />
stehen Qualität, Marke (Premium), Gesundheit,<br />
Bio, Fair Trade und Nachhaltigkeit<br />
nach wie vor ( (auch im Zuge der<br />
Weltwirtschaftskrise, Weltwirtschaftskrise, Anm. dd.<br />
Red.),<br />
mitunter sogar verstärkt im Fokus<br />
der Konsumentenentsch<br />
Konsumentenentscheidun-<br />
gen«, sagt Rützler.<br />
Handwerk stillt Hunger nach Sinn<br />
Der Hunger nach Sinn und das wachsende<br />
Bedürfnis nach Beziehungsqualität<br />
mache die Menschen auch für Produkte<br />
empfänglich, »hinter denen identifi zierbare<br />
Menschen stehen, also regional und<br />
handwerklich erzeugte Lebensmittel«, erklärt<br />
die Trendforscherin. »Weil sie nicht<br />
nur unseren physiologischen Hunger zu<br />
stillen versprechen, sondern auch einen immateriellen<br />
Mehrwert: unseren Hunger<br />
nach Sinn zu stillen.« Regional und handwerklich<br />
erzeugte Lebensmittel würden zu<br />
den aktuellen und zukünftigen Marktgewinnern<br />
zählen.<br />
Gesundheitswert betonen<br />
Zurück zum Brot. Die Symbolkraft des<br />
ältesten Nahrungsmittels der Menschheit<br />
und seine Stellung als »das Lebensmittel«<br />
prädestinieren Brot geradezu, im Angesicht<br />
der Wertedebatte einen besonderen Platz<br />
einzunehmen. Welches Lebensmittel vermag<br />
die Lust nach frisch, regional, ursprünglich<br />
und nachhaltig besser zu befriedigen?<br />
Welches Lebensmittel kann Bescheidenheit<br />
und Fülle, Tradition und Fortschritt<br />
besser vereinen und den zitierten<br />
Hunger nach Sinn besser stillen? Wenn<br />
Brot in unseren Breiten im Hause fehlt,<br />
vermissen wir für uns Wesentliches. Brot<br />
ist immer da, weil es das einzige Nahrungsmittel<br />
ist, an dem man sich nicht überessen<br />
kann.<br />
Brot und Kleingebäck stehen bei 94 von<br />
100 Deutschen und 9 von 10 Österreichern<br />
täglich auf dem Speiseplan. 86 Prozent der<br />
Österreicherinnen und Österreicher könnten<br />
auf ihr täglich Brot niemals verzichten,<br />
89 Prozent sind stolz auf Körniges aus den<br />
Backstuben und für mehr als zwei Drittel<br />
ist »Brot ein wichtiger Bestandteil einer gesunden<br />
Ernährung«. »Mehr Brot!«, fordern<br />
Ernährungswissenschafter, insbesondere<br />
Vollkorn mit wertvollen Vitaminen,<br />
Mineral- und Ballaststoff en. Sie betonen<br />
den Gesundheitswert von Brot, auch wegen<br />
seiner geringen Energie- und hohen<br />
Nährstoff dichte.<br />
Belebt die Sinne<br />
Der Lebensmittelsensori-<br />
ker Klaus Dürrschmid von<br />
der Wiener Universität für r<br />
Bodenkultur sagt: »Triviale e<br />
Lebensmittel werden rasch ch<br />
langweilig. Brot hingegen bie- bietet<br />
viele unterschiedliche Nuancen.«<br />
Sein Kollege Michael elKleinert von der Zürcher Hochschule chule für<br />
Angewandte Wissenschaften n in Wädenswil<br />
will Bäckern wie Verbrauchern brauchern mit<br />
dem Brot-Aromarad nicht nur die Vielfalt<br />
von Geschmacksnuancen, Düften und Aromen<br />
von Brot ins Bewusstsein rufen, sondern<br />
den unvergleichlichen Genusswert<br />
des Lebensmittels entdecken helfen. Die<br />
Sinne beleben und schärfen und das Genießerherz<br />
öff nen für den Wert von Brot.<br />
»Wer im Krieg einmal gehungert hat,<br />
schaut ein Stück Brot anders an«, sagte der<br />
82-jährige Erhard Eppler, der u. a. viele<br />
Jahre Vorsitzender der SPD-Grundwertekommission<br />
war, im Interview mit der<br />
»Süddeutschen Zeitung«: »Ich kann kein<br />
Brot wegwerfen«, ist sein Resümee. Wer<br />
Hunger nicht kennt, weiß trotzdem um<br />
den »Lebenswert Brot«. Denn ein Jausenbrot<br />
im Mülleimer ruft heute wie damals<br />
Eltern sowie Lehrer auf den Plan und eine<br />
Wertedebatte im Mikrokosmos Klassenzimmer<br />
/ Elternhaus ist die Folge. Der gesellschaftliche<br />
Wandel wird daran nichts<br />
ändern.<br />
Hanni Rützler: »Re-Imagine Quality«,<br />
Ernährungs Umschau 9/2009<br />
»Kampfsport Essen«, profi l vom 22. 2. 2010<br />
Nestlé Deutschland AG (Hrsg.): »So is(s)t Deutschland.<br />
Ein Spiegel der Gesellschaft«, Matthaes Verlag,<br />
Stuttgart 2009<br />
»Weniger macht glücklich«, Interview mit der<br />
Konsumpsychologin Simonetta Carbonaro,<br />
Lebensmittel Zeitung vom 8. 1. 2010<br />
© Deutsche Gesellschaft für Ernährung e. V., Bonn<br />
titelstory<br />
<strong>backtuell</strong> 1 | 2010 Lebenswert Brot 11