Zentralregulierung in der Insolvenz - Zentralregulierungsrecht.de
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WM Heft 4912003 Heeseler/Rossel, <strong>Zentralregulierung</strong> <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Insolvenz</strong> 2365<br />
I. Erfüllung durch Leistung an die Verbundgruppe<br />
als Gläubigervertreter<strong>in</strong><br />
Nach § 362 Abs. 1 BGB tritt Erfüllung mit Leistungserbr<strong>in</strong>gung<br />
<strong>de</strong>s Schuldners an <strong>de</strong>n Gläubiger e<strong>in</strong>. Gläubiger<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Kaufpreiszahlung ist vorliegend <strong><strong>de</strong>r</strong> Vertragslieferant.<br />
Grundsätzlich bleibt das Mitgliedsunternehmen<br />
im Rahmen <strong><strong>de</strong>r</strong> Bürgschaft (o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>s Schuldbeitritts)<br />
Hauptschuldner <strong><strong>de</strong>r</strong> Kaufpreiszahlung45•<br />
1. Die Verbundgruppe als Vertreter<strong>in</strong> <strong>de</strong>s<br />
Vertragslieferanten<br />
Zunächst könnte die Verbundgruppe als Gläubigervertreter<strong>in</strong>4ti<br />
im Namen <strong>de</strong>s Lieferanten han<strong>de</strong>ln. Die<br />
Leistung an Vertreter o<strong><strong>de</strong>r</strong> Hilfspersonen (Boten), die<br />
im Namen <strong>de</strong>s Gläubigers auftreten, steht <strong><strong>de</strong>r</strong> Leistung<br />
an <strong>de</strong>n Gläubiger selbst gleich, wenn dadurch <strong><strong>de</strong>r</strong> geschul<strong>de</strong>te<br />
Leistungserfolg herbeigeführt wird47• Die Bewirkung<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Leistung führt dann zur Erfüllung im S<strong>in</strong>ne<br />
<strong>de</strong>s § 362 Abs. 1BGB. Die Verbundgruppe tritt beim<br />
Empfang <strong><strong>de</strong>r</strong> Zahlung aber üblicherweise nicht ausdrücklich<br />
im Namen <strong><strong>de</strong>r</strong> e<strong>in</strong>zelnen Lieferanten auf48,<br />
son<strong><strong>de</strong>r</strong>n zieht im Rahmen e<strong>in</strong>er Sammelrechnung e<strong>in</strong>en<br />
Saldo aus zahlreichen Rechnungen und Gutschriften<br />
e<strong>in</strong>er Perio<strong>de</strong> e<strong>in</strong> bzw. nimmt die Zahlung entgegen.<br />
Die Willenserklärung <strong><strong>de</strong>r</strong> Verbundgruppe gegenüber<br />
<strong>de</strong>m Mitgliedsunternehmen ist daher auszulegen. Die<br />
Offenkundigkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Vertretung ist nach §§ 133, 157<br />
BGB aus <strong>de</strong>m Verhalten <strong>de</strong>s Vertreters aus Sicht <strong>de</strong>s<br />
Dritten unter E<strong>in</strong>beziehung <strong><strong>de</strong>r</strong> Umstän<strong>de</strong> (§ 164 Abs. 1<br />
Satz 2 BGB) zu ermitteln. Die Auslegung muss vorliegend<br />
<strong>de</strong>n Anschlussvertrag als maßgeblichen Umstand<br />
mite<strong>in</strong>beziehen, aus <strong>de</strong>m sich die Kenntnis <strong>de</strong>s Mitgliedsunternehmens<br />
über die Art <strong><strong>de</strong>r</strong> Abwicklung herleitet.<br />
Dar<strong>in</strong> s<strong>in</strong>d meist ke<strong>in</strong>e Regelungen bezüglich e<strong>in</strong>er<br />
Erfüllungswirkung enthalten, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n es ist nur von<br />
ausschließlicher Zahlung an die Verbundgruppe die<br />
Re<strong>de</strong>. Die Verbundgruppe erfüllt ihre vertragliche Verpflichtung<br />
gegenüber <strong>de</strong>m Vertragslieferanten zur<br />
Empfangnahme, Abrechnung und Weiterleitung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Rechnungsbeträge. Sie tritt selbstständig und wie e<strong>in</strong><br />
Gläubiger <strong>de</strong>s Mitgliedsunternehmens auf. Die Verbundgruppe<br />
mahnt die Zahlung, sie erlegt <strong>de</strong>m Mitgliedsunternehmen<br />
vertraglich Obliegenheiten z.B.<br />
h<strong>in</strong>sichtlich Prüfung von Mängeln auf und sie nimmt<br />
Verrechnungen mit Provisionsansprüchen o<strong><strong>de</strong>r</strong> Bonusansprüchen<br />
vor. Je nach Vertragsgestaltung ist die<br />
Verbundgruppe auch bereits vor <strong><strong>de</strong>r</strong> Zahlung an <strong>de</strong>n<br />
Lieferanten Eigentümer<strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Ware gewor<strong>de</strong>n. Daraus<br />
wird ersichtlich, dass sie ausschließlich im eigenen<br />
Namen han<strong>de</strong>lt, wenn sie das Geld <strong>de</strong>s Mitgliedsunternehmens<br />
<strong>in</strong> Empfang nimmt. Die Verbundgruppe<br />
ist somit ke<strong>in</strong>e Empfangsvertreter<strong>in</strong> <strong>de</strong>s Gläubigers.<br />
2. Verbundgruppe als sog. Zahlstelle<br />
Die Verbundgruppe ist auch ke<strong>in</strong>e sog. Zahlstelle49<br />
o<strong><strong>de</strong>r</strong> Erfüllungsmittler<strong>in</strong> wie die Bank bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Zahlung<br />
auf e<strong>in</strong> Bankkonto <strong>de</strong>s Lieferanten. Es entspricht ständiger<br />
Rechtsprechung <strong>de</strong>s BGH, dass <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Überweisung<br />
auf e<strong>in</strong> Bankkonto e<strong>in</strong>e Leistung <strong>de</strong>s Überweisen<strong>de</strong>n<br />
nur an <strong>de</strong>n Überweisungsempfänger, nicht an <strong>de</strong>ssen<br />
Bank, liegt, auch wenn <strong><strong>de</strong>r</strong> Bank die For<strong><strong>de</strong>r</strong>ung abgetreten<br />
wur<strong>de</strong>50• E<strong>in</strong>e Zahlstelle ist gegeben, wenn <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
allgeme<strong>in</strong>e Zahlungsverkehr <strong>de</strong>s Gläubigers über die-<br />
se Stelle abgewickelt wer<strong>de</strong>n kann und wenn aufgrund<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Verträge <strong><strong>de</strong>r</strong> Gläubiger unmittelbar über die For<strong><strong>de</strong>r</strong>ung<br />
verfügen kann. Somit wird durch die Zahlung<br />
e<strong>in</strong>e Leistung im bereicherungsrechtlichen S<strong>in</strong>ne ausgeführt,<br />
womit <strong>in</strong> Folge die For<strong><strong>de</strong>r</strong>ung erfüllt wird. Die<br />
Verbundgruppe dagegen "reguliert" auch dann an <strong>de</strong>n<br />
Gläubiger, wenn das Mitgliedsunternehmen (noch)<br />
nicht an die Verbundgruppe gezahlt hat. Dies geschieht<br />
entwe<strong><strong>de</strong>r</strong> aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Delkre<strong><strong>de</strong>r</strong>ehaftung o<strong><strong>de</strong>r</strong> weil <strong>de</strong>m<br />
MitgIiedsunternehmen bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Verbundgruppe e<strong>in</strong> längeres<br />
Zahlungsziel als Kredit gewährt wur<strong>de</strong> als es mit<br />
<strong>de</strong>m Vertragslieferanten vere<strong>in</strong>bart ist51• Die Verbundgruppe<br />
gewährt <strong>de</strong>m Vertragslieferanten ke<strong>in</strong>e Verfügungsmacht<br />
über das geführte Kontokorrentkonto. Sie<br />
entschei<strong>de</strong>t eigenständig über Art und Höhe <strong><strong>de</strong>r</strong> Auszahlungen,<br />
abhängig von Bonusansprüchen, Delkre<strong><strong>de</strong>r</strong>e<br />
und Skonto. Sie ermöglicht ke<strong>in</strong>en allgeme<strong>in</strong>en Zahlungsverkehr.<br />
Die Verbundgruppe kann, auch weil sie<br />
selbst Rechte und Pflichten aus <strong>de</strong>m Vertrag mit <strong>de</strong>m<br />
Mitgliedsunternehmen hat, nicht als bloße Zahlstelle<br />
<strong>de</strong>s Lieferanten angesehen wer<strong>de</strong>n52•<br />
11.Erfüllung gemäß § 362 Abs. 2 i.V.m. § 185 BGB<br />
durch Leistung an die Verbundgruppe als<br />
Dritten<br />
Die Verbundgruppe ist Dritter <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Leistungsbeziehung<br />
<strong>de</strong>s Mitgliedsunternehmens zu <strong>de</strong>m Vertragslieferanten.<br />
E<strong>in</strong>e Leistung an e<strong>in</strong>en Dritten kann <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Schuldner aber nur <strong>in</strong> beson<strong><strong>de</strong>r</strong>en Fällen vornehmen.<br />
Dazu gehört § 362 Abs. 2 BGB, <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>n Fall betrifft, dass<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Schuldner zur Erfüllung e<strong>in</strong>er eigenen Verb<strong>in</strong>dlichkeit<br />
bewusst nicht an <strong>de</strong>n Gläubiger leisten will53• Die<br />
Leistung an e<strong>in</strong>en Dritten kann schuldbefreiend wirken,<br />
wenn entwe<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Dritte von <strong>de</strong>m Gläubiger ermächtigt<br />
wur<strong>de</strong>, die Leistung mit befreien<strong><strong>de</strong>r</strong> Wirkung<br />
<strong>in</strong> Empfang zu nehmen o<strong><strong>de</strong>r</strong> wenn <strong><strong>de</strong>r</strong> Schuldner vom<br />
Gläubiger ermächtigt wur<strong>de</strong>, die Leistung mit dieser<br />
Wirkung an <strong>de</strong>n Dritten zu erbr<strong>in</strong>gen54•<br />
Also müsste entwe<strong><strong>de</strong>r</strong> die Verbundgruppe vom Vertragslieferanten<br />
zum Empfang ermächtigt se<strong>in</strong>, o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
45 An<strong><strong>de</strong>r</strong>s wäre dies bei <strong><strong>de</strong>r</strong> befreien<strong>de</strong>n Schuldübernahme, die aber von<br />
Lieferantenseite erkennbar nicht gewollt ist; zu<strong>de</strong>m fehlt es an <strong><strong>de</strong>r</strong> Anzeige<br />
nach § 415 Abs. 1 Satz 2 BGB. Für die Annahme e<strong>in</strong>es konklu<strong>de</strong>nten<br />
Schuldübernahmevertrages muss <strong><strong>de</strong>r</strong> Gläubiger <strong>de</strong>n Entlassungswillen<br />
<strong>de</strong>utlich erklären, Pa/andt/He<strong>in</strong>richs, a.a.O. (Fn. 8), § 414<br />
Rdn.1.<br />
46 Ohne Vertretungsmacht, <strong>de</strong>nn e<strong>in</strong>e Vollmacht ist <strong>in</strong> <strong>de</strong>m ZR+D-Vertrag<br />
nicht zu sehen.<br />
41 Vgl. Olzen, <strong>in</strong>: Staud<strong>in</strong>ger, BGB, Buch 2,13. Aufl. 2000, § 362 Rdn. 35;<br />
die Theorie <strong><strong>de</strong>r</strong> realen Leistungsbewirkung als h.M. geht davon aus, dass<br />
Leistung die Herbeiführung <strong>de</strong>s Erfolges be<strong>de</strong>utet, vgl. Palandt/He<strong>in</strong><br />
. richs, a.a.O. (!'<strong>in</strong>. 8), § 362 Rdn. 6 m.w.N. ; vgl. auch BGHZ 87,156,163<br />
= WM 1983, 559.<br />
48 An<strong><strong>de</strong>r</strong>s im Fall <strong>de</strong>s OLG Düsseldorf, Urteil vom 16.5.2003 - 14 U 16/03,<br />
dort war zwischen Verbundgruppe und Lieferanten vere<strong>in</strong>bart, dass die<br />
Verbundgruppe "im Namen und für Rechnung <strong>de</strong>s Lieferanten" e<strong>in</strong>zieht<br />
und damit hat sie Vertretungsmacht; han<strong>de</strong>lt sie trotz<strong>de</strong>m im eigenen Namen,<br />
spielt diese Vertretungsmacht als Verfügungsmacht erst bei § 362<br />
Abs. 2 LV.m. § 185 BGB e<strong>in</strong>e Rolle; vgl. auch OLG Dres<strong>de</strong>n, Urteil vom<br />
10.7.2003 - 16 U 537103.<br />
49 Vgl. AG Augsburg, Urteil vom30A.1997 -7 C 1727/97; LG Hamburg, Urteil<br />
vom 8.10.1990 - 412091/90: statt<strong>de</strong>ssen "Zahlmeister<strong>in</strong>" <strong>de</strong>s Mitgliedsuntemehmens;<br />
allgeme<strong>in</strong> zur Stellung <strong><strong>de</strong>r</strong> Bank als Zahlstelle vgl.<br />
BGHZ 53,139,142 = WM 1970, 191; BGH NJW 1979, 371; BGHZ 72,<br />
316,320 = WM 1979, 13.<br />
50 BGHZ 128, 135, 137 m. w. N = WM 1995, 149 = WuB I D 1. - 3.95 Escher<br />
We<strong>in</strong>gart.<br />
51 In diesem Fall wäre e<strong>in</strong>e Leistung durch e<strong>in</strong>en Dritten gem. § 267 BGB<br />
anzunehmen.<br />
52 Vgl. LG Düsseldorf, Urteil vom 16.7.2002 - 350 17/02; so auch OLG<br />
Düsseldorf, Urteil vom 16.5.2003 - 14 U 16/03.<br />
53 Zeiss, <strong>in</strong>: Kohlhammer, BGB, Bd. 2, 12. Aufl. 1990, § 362 Rdn.14.<br />
54 BGHZ 87,156 f., 162 = WM 1983, 559.