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Zentralregulierung in der Insolvenz - Zentralregulierungsrecht.de

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WM Heft 49/2003 Heeseler/Rossel, <strong>Zentralregulierung</strong> <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Insolvenz</strong> 2367<br />

aa) Rechnungsaufdruck auf Lieferantenrechnungen<br />

Das AG Augsburg70 hat die Formulierungen "Zahlung<br />

erfolgt durch die Verbundgruppe" und "Zahlung<br />

[bzw. Verrechnung] erfolgt über die Verbund gruppe "<br />

auf <strong>de</strong>n Rechnungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Vertragslieferanten als Empfangsermächtigung<br />

gern. § 362 Abs. 2 BGB LV.m.§ 185<br />

BGBge<strong>de</strong>utet. Dies ergebe sich nach Auslegung <strong><strong>de</strong>r</strong> Erklärungen<br />

gern. §§ 133, 157 BGB aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Übertragung<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> gesamten Abrechnung auf die Verbundgruppe. Es<br />

sei gera<strong>de</strong> ke<strong>in</strong>e Direktzahlung gewünscht, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />

die Weisung abgegeben, dass an die Verbundgruppe zu<br />

zahlen seL<br />

Der Wortlaut <strong><strong>de</strong>r</strong> Rechnungsaufdrucke <strong>de</strong>utet aber<br />

nicht zweifelsfrei auf e<strong>in</strong>e Berechtigung h<strong>in</strong>, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />

stellt nur die Abrechnungsart und die technische Abwicklung<br />

fesF1. Bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Formulierung "über" die Verbundgruppe<br />

sei zu zahlen, ist im Gegenteil <strong><strong>de</strong>r</strong> Wortlaut<br />

eher so zu verstehen, dass die Verbundgruppe die Zahlung<br />

weiterleitet. Sonst müsste "Erfüllung nur durch<br />

Zahlung an die Verbundgruppe" auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Lieferantenrechnung<br />

stehen, was aber <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Praxis nicht vorkommen<br />

wird, da es nicht im Interesse <strong><strong>de</strong>r</strong> Vertragslieferanten<br />

ist.<br />

bb) Regelungen <strong>in</strong> Allgeme<strong>in</strong>en Geschäftsbed<strong>in</strong>gungen<br />

Die Vertragslieferanten könnten <strong>de</strong>n Mitgliedsunternehmen<br />

gegenüber klarstellen, dass e<strong>in</strong>e Erfüllungswirkung<br />

erst mit Regulierung durch die Verbundgruppe<br />

gewollt ist und e<strong>in</strong>e schuldbefreien<strong>de</strong> Wirkung bei<br />

Zahlung an die Verbundgruppe noch nicht e<strong>in</strong>tritt72.<br />

Das könnten sie z.B. auch <strong>in</strong> ihre Allgeme<strong>in</strong>e Geschäftsbed<strong>in</strong>gungen<br />

aufnehmen, was allerd<strong>in</strong>gs selten<br />

praktiziert wird. § 362 Abs. 2 BGBist disponibel und e<strong>in</strong>e<br />

solche Regelung wür<strong>de</strong> auch <strong><strong>de</strong>r</strong> Überprüfung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

AGB grundsätzlich standhalten73. An<strong><strong>de</strong>r</strong>erseits gehen<br />

Individualvere<strong>in</strong>barungen vor und es ist nicht gewährleistet,<br />

dass die Mitgliedsunternehmen nicht gegenteilige<br />

Klauseln <strong>in</strong> ihren E<strong>in</strong>kaufsbed<strong>in</strong>gungen aufnehmen,<br />

womit die Patt-Situation wie<strong><strong>de</strong>r</strong>hergestellt wäre.<br />

Auch hier ist die Unklarheitenregel (§ 305c Abs. 2 BGB)<br />

zu beachten.<br />

ce) Konklu<strong>de</strong>nte Ermächtigung<br />

Betrachtet man <strong>de</strong>n Empfängerhorizont <strong><strong>de</strong>r</strong> zahlen<strong>de</strong>n<br />

Mitgliedsunternehmen, so dul<strong>de</strong>t <strong><strong>de</strong>r</strong> Vertragslieferant<br />

jahrelang die Zahlungen an e<strong>in</strong>en Dritten, ohne<br />

sich zu beschweren und die Leistung nochmals direkt<br />

bei <strong>de</strong>m Schuldner anzufor<strong><strong>de</strong>r</strong>n. Wenn <strong><strong>de</strong>r</strong> Vertragslieferant<br />

dazu noch ke<strong>in</strong>e o<strong><strong>de</strong>r</strong> nur missverständliche Äußerungen<br />

<strong>de</strong>m Schuldner gegenüber tätigt, dass er diese<br />

Leistung nicht als Erfüllung gelten lässt, so könnte<br />

dies als konklu<strong>de</strong>nte Ermächtigung ausgelegt wer<strong>de</strong>n.<br />

Diese Bewertung ist im E<strong>in</strong>zelfall anhand verschie<strong>de</strong>ner<br />

Indizien vorzunehmen und kann hier nicht antizipiert<br />

wer<strong>de</strong>n. Die Übersendung von Orig<strong>in</strong>alrechnungen<br />

an die Verbundgruppe zur Weiterleitung an das<br />

Mitgliedsunternehmen soll z.B. als e<strong>in</strong> Indiz gelten. In<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Praxis wer<strong>de</strong>n meistens· nur Kopien o<strong><strong>de</strong>r</strong> Sal<strong>de</strong>nlisten<br />

an die Verbundgruppe gesen<strong>de</strong>t. Selbst wenn die<br />

Orig<strong>in</strong>ale über die Verbundgruppe weitergereicht wer<strong>de</strong>n,<br />

geschieht dies nur zu Informationszwecken74. Das<br />

Mitgliedsunternehmen wird dieser Verfahrensweise<br />

auch ke<strong>in</strong>en Erklärungswert beimessen, da die <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Rechnung genannten Rechnungsaussteller und Emp-<br />

fänger gleich bleiben. Damit schei<strong>de</strong>t e<strong>in</strong>e konklu<strong>de</strong>nte<br />

Ermächtigung aus.<br />

dd) Leistung an e<strong>in</strong>en "Vertreterkraft Rechtssche<strong>in</strong>s"75<br />

Die Erfüllung an <strong>de</strong>n Vertreter kraft Rechtssche<strong>in</strong>s ist<br />

dadurch gekennzeichnet, dass die auf Seiten <strong>de</strong>s Gläubigers<br />

und <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Namen auftreten<strong>de</strong> Person nicht<br />

vom Gläubiger ermächtigt ist, aber aus Sicht <strong>de</strong>s erfüllungsbereiten<br />

Schuldners als autorisiert ersche<strong>in</strong>t76• So<br />

könnte aus e<strong>in</strong>ern Rechts~che<strong>in</strong> entsprechend §§ 54, 55,<br />

56 HGB o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>n Verkehrsschutzregeln <strong><strong>de</strong>r</strong> §§ 171, 173<br />

BGB e<strong>in</strong>e Empfangszuständigkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Verbundgruppe<br />

hergeleitet o<strong><strong>de</strong>r</strong> § 370 BGB analog angewen<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n.<br />

Allerd<strong>in</strong>gs sollte dabei Zurückhaltung geübt wer<strong>de</strong>n,<br />

zumal die Verbundgruppe wie oben beschrieben<br />

<strong>in</strong> <strong>de</strong>n meisten Fällen nicht im Namen <strong>de</strong>s Lieferanten<br />

auftritt. Das Mitgliedsunternehmen darf <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Regel<br />

ke<strong>in</strong>e Autorisierung <strong><strong>de</strong>r</strong> Verbundgruppe vermuten.<br />

c) Lösung über Treu und Glauben gern. §242 BGB<br />

Verkürzt könnte man sagen, <strong><strong>de</strong>r</strong> Vertragslieferant bekommt<br />

doppelte Schuldnerschaft, das Mitgliedsunternehmen<br />

das doppelte Risiko. Das Verlangen <strong>de</strong>s Vertragslieferanten,<br />

die Mitgliedsunternehmen sollten nochmals<br />

zahlen, könnte als wi<strong><strong>de</strong>r</strong>sprüchliches Verhalten im<br />

S<strong>in</strong>ne <strong>de</strong>s §242 BGBgegen Treu und Glauben verstoßen.<br />

Wichtig für die Beurteilung <strong><strong>de</strong>r</strong> Treuwidrigkeit ist die<br />

Interessenlage <strong><strong>de</strong>r</strong> Beteiligten, die von <strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtsprechung<br />

als Argumentationshilfe herangezogen wird.<br />

Nach <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundi<strong>de</strong>e <strong>de</strong>s ZR+D-Geschäfts soll <strong><strong>de</strong>r</strong> Vertragslieferant<br />

"zwei Schuldner" (Mitgliedsunternehmen<br />

und Verbundgruppe) und nicht <strong><strong>de</strong>r</strong> Schuldner<br />

"zwei Gläubiger" bekommen, was dafür spricht, e<strong>in</strong>e<br />

Erfüllungswirkung <strong><strong>de</strong>r</strong> Zahlung an die Verbundgruppe<br />

zu veme<strong>in</strong>en77. Der genossenschaftliche Charakter, <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

die Verbundgruppe immer z,-v<strong>in</strong>gend <strong>in</strong>s Lager <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedsunternehmen<br />

stellen soll, ist heute nicht mehr<br />

une<strong>in</strong>geschränkt als Argument wirksam. E<strong>in</strong>ige Verbundgruppen<br />

s<strong>in</strong>d mittlerweile <strong>in</strong> Form <strong><strong>de</strong>r</strong> GmbH & Co<br />

KG o<strong><strong>de</strong>r</strong> AG organisiert und verfolgen autonome wirtschaftliche<br />

Interessen, wobei die Mitgliedsunternehmen<br />

die Stellung guter Kun<strong>de</strong>n e<strong>in</strong>nehmen. Ihre Rechtstellung<br />

ist e<strong>in</strong>e ganz an<strong><strong>de</strong>r</strong>e als die <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Genossenschaft nach <strong>de</strong>m GenG. Es ist also auch nicht<br />

zw<strong>in</strong>gend, dass die Mitgliedsunternehmen nach <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Interessenlage die <strong>Insolvenz</strong>risiken "ihrer" Verbundgruppe<br />

zu tragen haben7B.<br />

E<strong>in</strong> Schwerpunkt <strong>de</strong>s Interesses an <strong><strong>de</strong>r</strong> Ab,-vicklung<br />

liegt bei <strong>de</strong>n Mitgliedsunternehmen, sowohl von <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

genossensdhaftlichen Grundi<strong>de</strong>e als auch von <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Weiterentwicklung <strong><strong>de</strong>r</strong> Verbundgruppe zum Dienstleister79.<br />

Das Mitgliedsunternehmen erhält neben beson<strong><strong>de</strong>r</strong>en<br />

Vergünstigungen und Preisvorteilen auch<br />

Skonti und Boni, die e<strong>in</strong> erhebliches wirtschaftliches<br />

70 AG Augsburg, Urteil vom 30.4.1997 - 7 C 1727/97; dagegen LG Hamburg,<br />

Urteil vom 8.10.1990 -412091/90.<br />

71 So auch AG Krefeld, Urteil vom 28.1.1998 - 1328/97 Z.<br />

12 So im zugrun<strong>de</strong>liegen<strong>de</strong>n Fall <strong>de</strong>s LG Hamburg, Urteil vom 8.10.1990 ­<br />

412091/90.<br />

73 So auch im Fall <strong>de</strong>s LG Hamburg, Urteil vom 8.10.1990 - 412091/90<br />

bejaht.<br />

7. Vgl. LG Hamburg, Urteil vom 8.10.1990 - 412091/90.<br />

75 So Taupitz, JuS 1992, 449, 454.<br />

76 Vgl. Taupitz, JuS 1992, 449, 454.<br />

77 Vgl. Schulte, a.a.O. (Fn. 24), S. 62 f.<br />

76 So aber Em<strong>de</strong>, ZfgG 1999, 176, 181.<br />

79 So auch Krolfzig, Der Verbund 1997, 16 ff., 17.

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