Schein als Sein - BRLV
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„Mehr <strong>Schein</strong> <strong>als</strong> <strong>Sein</strong>“<br />
Haushaltsentwurf 2009/2010 bringt für die<br />
Bayerische Re<strong>als</strong>chule kaum Fortschritte<br />
Befasst man sich mit dem Doppelhaushalt 2009/<br />
2010 in Kapitel 0518 „Staatliche Re<strong>als</strong>chulen“ (Seiten<br />
374 bis 384) kann man unschwer erkennen, dass<br />
viele der Forderungen, welche der brlv und der Landeselternverband<br />
Bayerischer Re<strong>als</strong>chulen seit Jahren<br />
erheben, unerfüllt bleiben. Nachstehender Vergleich<br />
macht dies deutlich. Danach zeichnet sich für<br />
die Re<strong>als</strong>chulen in den kommenden Jahren keine signifikante<br />
Verbesserung der Rahmenbedingungen ab.<br />
Die sehr angespannte Lehrerversorgung wird sich<br />
fortsetzen und einige Problembereiche drohen, weiter<br />
zu eskalieren.<br />
zusätzliche Planstellen,<br />
über die Fluktuation und<br />
die Rückgabe beim<br />
Arbeitszeitkonto hinaus<br />
Ausbau der Ganztagsbetreuung<br />
pädagogisches Betreuungspersonal:<br />
mehr Anrechnungsstunden<br />
für<br />
Schulpsychologen und<br />
Beratungslehrkräfte<br />
Stellenhebungen für<br />
Seminarlehrer zum<br />
Seminarrektor<br />
Unerfüllte Forderungen<br />
– laut Finanzministerium<br />
„Verbesserungen“<br />
4<br />
brlv 2-09<br />
Anton Huber<br />
Mit dem Aufbau des pädagogischen Betreuungsperson<strong>als</strong><br />
und der integrierten Lehrerreserve für die individuelle<br />
Förderung wäre es möglich, viele unserer<br />
tatsächlichen Probleme (u. a. Pflichtwiederholer, Schulversager)<br />
zu vermeiden. Dieser Tatsache steht die<br />
Befürchtung gegenüber, dass man wohl mit dem Abbau<br />
der Klassen über 30 Schüler große Schwierigkeiten<br />
haben wird, rückt man fortwährend andere Aktivitäten<br />
in den Mittelpunkt, z. B. Aufweichung der<br />
Übertrittsbedingungen, Kooperationsmodelle.<br />
Haushaltsjahr 2009 Haushaltsjahr 2010<br />
brlv-Forderung HH-Entwurf brlv-Forderung HH-Entwurf<br />
700 Planstellen 434 1100 Planstellen 482<br />
zusätzlich + 200 NTHH zusätzlich<br />
(Nachschubliste)<br />
zusätzliche zusätzliche<br />
Planstellen für 0 Planstellen für 0<br />
bedarfsgerechten bedarfsgerechten<br />
Ausbau Ausbau<br />
20 zusätzliche 20 zusätzliche<br />
Planstellen 0 Planstellen 0<br />
(+2 Anrechnungs- (+2 Anrechnungsstunden/RS)<br />
stunden/RS)<br />
220 0 120<br />
Umsetzung der vollen Stunden- ca. 110 Vollzeitäquivalente<br />
tafel in Jgst. 5 und Jgst.6<br />
3. Sportstunde, schlechtester ca. 45 Vollzeitäquivalente<br />
Sportindex (2,2)
Als nicht nur nicht nachvollziehbar, sondern <strong>als</strong> Zumutung<br />
muss empfunden werden, dass die seit Jahren<br />
überfällige Umsetzung der vollen Stundentafel mit<br />
30 Wochenstunden in Jahrgangsstufe 5 und 6 seitens<br />
des Finanzministeriums weiterhin <strong>als</strong> „Verbesserung“<br />
für Re<strong>als</strong>chulen gesehen wird. Und Verbesserungen<br />
werden nicht finanziert, gibt das Finanzministerium<br />
zu verstehen. Erneut fragen wir nach dem<br />
Selbstverständnis bayerischer Bildungspolitik, wenn<br />
bereits Grundforderungen wie die volle Erfüllung der<br />
Stundentafel einer Schulart zur Disposition stehen.<br />
Vielleicht sollte man an dieser Stelle wieder daran erinnern,<br />
dass es mehrere Möglichkeiten gibt, das Schulsystem<br />
eines Bundeslandes zu kippen. Sie reichen<br />
von der Freigabe des Elternwillens, über die Vereinheitlichung<br />
der Schulaufsicht oder der Zusammenlegung<br />
von Schularten bis hin zum „Austrocknen einer<br />
Schulart“, d.h. die sehr viel schlechtere Versorgung<br />
einer Schulart gegenüber anderen, so nach dem Motto<br />
„Schaffen wir gute Sonderbedingungen für die Kooperationsmodelle,<br />
wird die Attraktivität der anderen Re<strong>als</strong>chulen<br />
geringer“.<br />
Seit vielen Jahren lautet das Credo des brlv: „Wir<br />
brauchen Stellen statt Mittel“. Begründet war dies<br />
durch die Tatsache, dass man zwar – um die Personalquote<br />
im Freistaat Bayern insgesamt nicht weiter<br />
zu erhöhen – Geldmittel für die Beschäftigung von Re<strong>als</strong>chullehrkräften<br />
bereitgestellt hat, im Gegenzug dazu<br />
aber keine echten Planstellen schaffen musste. Wie<br />
selbstverständlich traf es wiederum ganz wesentlich<br />
die Bayerische Re<strong>als</strong>chule. So entstand an dieser<br />
Schulart der höchste Anteil an unbefristeten Angestelltenverträgen.<br />
Von diesen ca. 500 Verträgen kann<br />
nun – trotz fester Zusagen – nur ein Teil in Planstellen<br />
umgewandelt werden. Der Rest ist offen. Eine<br />
noch problematischere Perspektive ergibt sich bei der<br />
Schulpsychologie. Der geforderte Stundenpool mit zunächst<br />
zusätzlichen zwei Anrechnungsstunden je<br />
Schule ist nach dem Haushaltsentwurf weiterhin nicht<br />
realisierbar. Dringende schulpsychologische Fälle können<br />
nicht mehr bearbeitet werden. In einigen Bezirken<br />
erhalten Eltern keine Termine mehr, weil die Schulpsychologen<br />
– vor allem wegen der Legasthenie-Gutachten<br />
– völlig überlastet sind. Selbst ihre Freizeit<br />
reicht nicht mehr aus, die Problemfälle zu bedienen.<br />
In diese schwierige Lage kommen nun Meldungen zu<br />
einer weiteren Aufweichung der Übertrittsbedingungen,<br />
zu verstärkten Förderkursen in der Jahrgangsstufe<br />
5 und zu Kooperationsmodellen im Ganztagsschulbetrieb.<br />
Werden alle diese Neuerungen umgesetzt,<br />
dann benötigt die Re<strong>als</strong>chule hunderte von zusätzlichen<br />
Planstellen, um die Schülermehrung von<br />
ca. 2 000 je Jahrgang bewältigen, die Intensivierungskurse<br />
anbieten und den Ganztagsschulbetrieb zumindest<br />
bei den Re<strong>als</strong>chulen in den Kooperationsmodellen<br />
aufnehmen zu können. Die Analyse des Haushaltsentwurfs<br />
ergibt, dass für diese drei neuen Ideen mit<br />
starkem Einfluss auf die Lehrerversorgung nicht eine<br />
einzige Planstelle vorgesehen ist. Und hinzu kommt,<br />
dass spätestens im Haushaltsjahr 2011 aufgrund<br />
der Finanzkrise und der Steuerentwicklung kaum noch<br />
Spielraum für die Beseitigung der enormen Defizite<br />
in der Versorgung der Re<strong>als</strong>chulen sein wird.<br />
Der Bayerische Re<strong>als</strong>chullehrerverband stellt nochm<strong>als</strong><br />
klar, dass bei den Re<strong>als</strong>chulen die Belastungsgrenze<br />
seit Jahren eindeutig überschritten ist und<br />
keinerlei Reserven mehr vorhanden sind. Die Re<strong>als</strong>chule<br />
ist ausgequetscht wie eine Zitrone und die<br />
Lehrkräfte sind mittlerweile nicht nur sauer, sie sind<br />
ungehalten ob der außerordentlich schlechten Perspektiven<br />
für Verbesserungen. Sie werden es keinesfalls<br />
akzeptieren, dass man jetzt die nicht vorhandenen<br />
Steuermittel für fragwürdige Experimente nutzt<br />
und dabei gar das Ziel „Keine Klasse über 30 Schüler“<br />
aufgibt. Für dieses Ziel haben wir fünf Jahre gekämpft.<br />
Es darf nicht leichtfertig der Erfüllung von Koalitionsvereinbarungen<br />
geopfert werden.<br />
Lediglich eine leichte Verbesserung ergibt sich bei<br />
den Beförderungsmöglichkeiten für Re<strong>als</strong>chullehrkräfte.<br />
Diese nehmen im Re<strong>als</strong>chulbereich von einer<br />
Quote von gut 14 % im Jahr 2009 auf dann knapp<br />
35 % zu. Zur Verdeutlichung: An den Re<strong>als</strong>chulen<br />
gab es bisher nur Beförderungsmöglichkeiten für Mitglieder<br />
der Schulleitungen, <strong>als</strong>o für die Schulaufsicht<br />
sowie für einige Seminar- und Beratungsrektoren. Somit<br />
hatten bisher ca. 14 % unserer Kolleginnen und<br />
Kollegen eine Perspektive, befördert werden zu können.<br />
So erklärt sich der Ausdruck „Laufstall“. Diese<br />
Quote steigt mit den 1.750 Beförderungen nach<br />
A13+AZ und zusätzlichen 120 Stellenhebungen für<br />
Seminarrektoren mit dem Haushaltsjahr 2010 auf<br />
ca. 35 % der Lehrkräfte. Unser Ziel wird weiterhin<br />
sein, einen Stellenkegel von ca. 66 % zu verwirklichen,<br />
so wie dieser bei anderen Lehrergruppen seit Jahrzehnten<br />
eine Selbstverständlichkeit ist. Deshalb fordern<br />
wir die „Mittlere Führungs- und Verantwortungsebene“,<br />
die an den MODUS-F-Schulen gegenwärtig –<br />
an den Re<strong>als</strong>chulen zumal – mit sehr großem Erfolg<br />
erprobt wird.<br />
Mit dem Haushaltsentwurf 2009/2010 stellen wir<br />
erneut ein großes Missverhältnis in der Ausstattung<br />
der verschiedenen Schularten fest. Die Re<strong>als</strong>chule ist<br />
weiterhin das Sparschwein bayerischer Bildungspolitik,<br />
das selbst noch mit der Lehrerausbildung die eigene<br />
Schulart mitfinanziert. Andererseits bringt diese<br />
Schulart beste Ergebnisse und sie ist wohl die effektivste<br />
Schulart weit über die Landesgrenzen hinweg.<br />
Für sie gilt tatsächlich „Mehr <strong>Sein</strong> <strong>als</strong> <strong>Schein</strong>“; für den<br />
Haushalt jedoch gilt: „Mehr <strong>Schein</strong> <strong>als</strong> <strong>Sein</strong>“.<br />
Anton Huber, Vorsitzender<br />
brlv 2-09<br />
5
6<br />
brlv verhindert Fusion von Hauptschule und Re<strong>als</strong>chule<br />
Liebe Kolleginnen und Kollegen,<br />
Anton Huber<br />
im Koalitionsvertrag wurde im Herbst 2008 festgelegt,<br />
dass es Kooperationsmodelle zwischen Hauptschulen<br />
und Re<strong>als</strong>chulen geben wird. Dabei wurde<br />
aber auch festgezurrt, dass es keinen gemeinsamen<br />
Unterricht in Pflichtfächern geben wird und die Eigenständigkeit<br />
der beiden Schularten erhalten bleibt.<br />
In den letzten Monaten wurden jedoch – trotz eindeutiger<br />
Festlegungen im Koalitionsvertrag von CSU und<br />
FDP – zahlreiche Initiativen entwickelt, die Zusammenlegung<br />
von Hauptschule und Re<strong>als</strong>chule in Bayern zu<br />
erreichen. Ich habe mich diesbezüglich unmittelbar<br />
nach der Kabinettssitzung vom 10. März 2009 mit<br />
einer ausführlichen Beschreibung der Vorgänge an<br />
die Schulleitungen und an die Kollegien der Bayerischen<br />
Re<strong>als</strong>chulen gewandt. Nachstehend sind die<br />
Beschlüsse der Kabinettssitzung in einer Kurzfassung<br />
abgedruckt. Sie können aus den Festlegungen selbst<br />
ableiten, dass es dem Bayerischen Re<strong>als</strong>chullehrerverband<br />
erneut gelungen ist, wie bereits bei den Koalitionsgesprächen<br />
nach der Landtagswahl selbst, die<br />
Selbstständigkeit der Re<strong>als</strong>chule unmissverständlich<br />
zu verankern. So gesehen haben wir einen weiteren<br />
Etappensieg gegen die Fusionsbefürworter errungen.<br />
Allerdings gilt es wachsam zu sein, denn in<br />
diesen Tagen ist die Halbwertszeit dessen, was vertragsmäßig<br />
vereinbart worden ist, sehr gering. Ein<br />
Vergleich der Pressemitteilung der FDP vom 9. März<br />
2009 mit den Kriterien für die Kooperationsmodelle<br />
zeigt, dass einige das, was man im Vorfeld der Kabinettssitzung<br />
vom 10. März 2009 zwischen CSU und<br />
FDP in mühsamen und stundenlangen Gesprächen<br />
vereinbart hat, unmittelbar danach wieder in Frage<br />
gestellt wird.<br />
brlv 2-09 Kooperationsmodelle in Bayern<br />
Ferner müssen wir damit rechnen, dass die Gesamtschulbefürworter<br />
auch weiterhin, unterstützt durch<br />
eine überaus einseitige Darstellung von Sachverhalten<br />
in den Medien und Schreiben an die Gemeinden,<br />
nichts unversucht lassen, über die zwischenzeitliche<br />
Zusammenlegung von Hauptschule und Re<strong>als</strong>chule<br />
die Gleichmacherei bis hin zur Gesamtschule fortzuführen.<br />
Die Bildungsqualität spielt dabei keine Rolle<br />
mehr, deshalb braucht es an der Schule auch keine<br />
Noten mehr und gar das Wiederholen. Der Leistungsgedanke<br />
soll systematisch aus den Schulen verbannt<br />
werden. Dazu ist jedes Mittel recht, sogar die Ausschlachtung<br />
des Massakers in Winnenden. Das ist<br />
zwar sehr beschämend, aber das ist nun auch ein<br />
Teil der Wahrheit in der bildungspolitischen Auseinandersetzung.<br />
Die Werteerziehung wird angesichts<br />
dieser Machenschaften, auch und gerade von dem<br />
Lehrerverbandsfunktionär Herrn Wenzel, auf den Kopf<br />
gestellt.<br />
Wir in Bayern sagen:<br />
Kooperation ja, wenn sie dem Wohl der Schüler<br />
dient<br />
und<br />
Fusion nein, weil diese den Kindern und Jugendlichen<br />
Bildungschancen nimmt.<br />
Deshalb gibt des auch keine Kooperationsschulen sondern<br />
es gibt Kooperationsmodelle, die ergebnisoffen<br />
erprobt werden.<br />
Anton Huber