EVENT JOURNAL April-Mai 2018
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14 event journal<br />
HANAU HAFEN INTERVIEW JÖRG KRIEGER<br />
EJ: Nach der Leistungsfähigkeit<br />
des Frankfurter Osthafens steht<br />
der Hanauer Hafen an zweiter<br />
Stelle der <strong>Mai</strong>nhäfen. Liegt das<br />
in erster Linie an der exponierten<br />
Lage oder auch an der attraktiven<br />
Infrastruktur Ihrer Anlagen?<br />
JK: Das liegt mit Sicherheit an<br />
beidem. Wir erhalten sehr oft,<br />
wenn Anfragen für Umschläge<br />
bei uns erfolgen, den Zuschlag,<br />
denn die Verkehrsanbindung<br />
über Autobahn und Schiene ist<br />
enorm. Die B 43A ist mittlerweile<br />
autobahnähnlich ausgebaut<br />
und das ist für die Transporteure<br />
viel attraktiver, als wenn sie<br />
mit dem 30- oder 40-Tonner<br />
durch die Frankfurter Innenstadt<br />
müssten. Dementsprechend<br />
fahren viele lieber nach Hanau<br />
wenn es die Möglichkeit gibt,<br />
dass die Ware bei uns auch<br />
ungeschlagen werden kann.<br />
Das merken wir auch am Tanklager.<br />
Beispielsweise nehmen<br />
diesbezüglich auch Kunden aus<br />
Bad Homburg unsere Dienstleistungen<br />
in Anspruch, obwohl<br />
das geographisch näher an<br />
Frankfurt liegt. Unsere Infrastruktur<br />
entspricht der Ausstattung<br />
unserer Mitbewerber, aber<br />
unser großes Plus liegt wie gesagt<br />
in der völlig unkomplizierten<br />
Logistik via Schiene und<br />
Straße.<br />
EJ: Da möchte ich gerne noch<br />
einhaken. Bestimmt haben Sie<br />
noch Vorschläge bzw. Wünsche<br />
an Politik und Entscheidungsträger.<br />
JK: Ein vernünftiger Ausbau<br />
der B 43 zur A 66 würde unsere<br />
Kapazitäten noch mehr auslasten.<br />
Wir sind darüber auch in<br />
ständigen Gesprächen mit der<br />
IHK. Der momentane zweispurige<br />
Ausbau bis kurz vor dem<br />
Auffahren auf die A 66 bedeutet<br />
zwar verkehrstechnisch schon<br />
eine enorme Erleichterung,<br />
aber es kommt immer wieder<br />
mal zum Stau, vor allem im<br />
Feierabendverkehr. Wenn dieses<br />
letzte Nadelöhr noch beseitigt<br />
werden könnte, wäre es für<br />
den Hanauer Hafen ideal. Alles<br />
andere ist im Prinzip so, wie wir<br />
es uns wünschen und ökonomisch<br />
damit arbeiten können.<br />
EJ: In nächster Nähe zu Ihnen<br />
befindet sich der Frankfurter<br />
Flughafen, auf dem auch Güter<br />
umgeschlagen werden. Bedeutet<br />
das für Sie eine Konkurrenzoder<br />
eine Win-Win-Situation?<br />
JK: Wir sind davon in keiner<br />
Weise betroffen. Der Flughafen<br />
hat keinerlei Auswirkungen auf<br />
unser Geschäft, denn keine<br />
Produktgruppe, die bei uns umgeschlagen<br />
wird, wird per Flugzeug<br />
transportiert. Unsere Güter<br />
können nur per Straßenoder<br />
Schienenverkehr befördert<br />
werden, da die Mengen so riesig<br />
sind. Im Durchschnitt nimmt<br />
ein normales Güterschiff zwischen<br />
2000 und 2500 t mit, das<br />
könnte nur mit zwei bis drei<br />
Flugzeugen erreicht werden.<br />
EJ: Stellen Sie Verlagerungen<br />
vom Schiff auf die Schiene bzw.<br />
Straße fest?<br />
JK: Das bemerken wir in der<br />
Tat immer wieder. Vor kurzem<br />
hatten wir eine angekündigte<br />
Schifffahrtssperre gehabt, weil<br />
alle Schleusen auf dem <strong>Mai</strong>n<br />
instand gesetzt worden sind.<br />
Solche Termine bekommen wir<br />
in der Regel schon vier bis fünf<br />
Jahre<br />
vorher<br />
mitgeteilt<br />
und<br />
zu solchen<br />
besonderen<br />
Zeiten<br />
verlagert<br />
sich<br />
mehr<br />
auf die<br />
Schiene, das Tanklager beispielweise<br />
wird dann mehr mit<br />
der Bahn bedient. Ein weiteres<br />
Problem, vor dem die Schifffahrt<br />
auf dem <strong>Mai</strong>n generell<br />
steht, ist Niedrigwasser auf dem<br />
Rhein. Wir auf dem <strong>Mai</strong>n haben<br />
aufgrund der Schleusen immer<br />
genug Wasser, aber wenn der<br />
Rhein wenig Wasser führt, haben<br />
wir ein Problem. Unsere<br />
Transporter werden mit einer<br />
Tiefe bis zu 2,90 m beladen und<br />
wenn dann in der Rhein-<br />
Fahrrinne nur noch 1,30 m<br />
möglich sind, können unsere<br />
Schiffe dorthin nicht fahren. Das<br />
bedeutet in solchen Situationen<br />
eine tatsächliche Bevorzugung<br />
der Bahn, da ganz große Mengen<br />
auch schlecht per Lkw bewegt<br />
werden können. Wir sprechen<br />
hier immerhin von einer<br />
jährlichen Beförderungsmenge<br />
von 2,8 Millionen t.<br />
EJ: Umgekehrt stellt Hochwasser<br />
für den Schiffsverkehr dann<br />
wahrscheinlich auch eine große<br />
Hürde dar.<br />
JK: Da haben Sie völlig recht.<br />
Es kommt zum Glück nicht oft<br />
vor, da wir gute 3 m Wasser<br />
mehr vertragen können, aber<br />
alles was darüber hinaus geht,<br />
beschert uns Probleme mit den<br />
Brücken. Die Wassermenge an<br />
sich spielt für ein Schiff keine<br />
Rolle, aber die niedrigen Brückenhöhen<br />
führen dazu, dass<br />
sie dann schlicht und einfach<br />
nicht mehr unten durch passen.<br />
Jörg Krieger | Betriebsleiter | Hanau Hafen GmbH<br />
Von geringerem Hochwasser<br />
profitieren die Schiffer sogar,<br />
weil sie ihr Gefährt dann mehr<br />
beladen können.<br />
EJ: Die Abläufe in einem Hafen<br />
sind sehr speziell, deshalb haben<br />
wenige Menschen davon<br />
eine konkrete Vorstellung. Bitte<br />
erklären Sie die Logistik exemplarisch<br />
an einem Produkt, mit<br />
dem jeder im Alltag konfrontiert<br />
ist.<br />
JK: Treibstoff braucht jeder. Sie<br />
betanken Ihr Auto, egal ob das<br />
Super oder Diesel ist, oder<br />
manche haben noch eine Ölheizung<br />
zuhause. Das ist etwas,<br />
das wirklich jeder Mensch<br />
benötigt. Die größte bei uns<br />
umgeschlagene Menge kommt<br />
mit<br />
dem<br />
Tankzug<br />
aus<br />
Leuna<br />
in<br />
Sachsen,<br />
wird<br />
hier<br />
bei<br />
uns<br />
im Tanklager der Firma<br />
Oiltanking untergebracht und<br />
dann per Lkw an die Tankstellen<br />
oder Ölhändler im Umkreis<br />
von 150 km geliefert. Das ist<br />
der Weg per Schiene. Unter Beteiligung<br />
der Wasserwege sieht<br />
das so aus, dass Öl über riesige<br />
Seeschiffe mit Kapazitäten<br />
von Hunderttausende von Tonnen<br />
aus den arabischen Ländern<br />
in die Raffinerie bei Rotterdam<br />
bewegt wird. Von dort<br />
fahren kleinere Binnenschiffe<br />
mit ca. 2 Millionen Litern Fassungsvermögen<br />
mit dem Benzin<br />
unseren Hafen an und<br />
befüllen unsere Tanks. Der<br />
Schwerlastverkehr bringt den<br />
Treibstoff dann zu den Händlern.<br />
Der Anteil der Anlieferer ist<br />
ca. hälftig auf Schiff und Schiene<br />
verteilt. Im Jahr bedeutet<br />
das ungefähr 1,2 Millionen<br />
Tonnen Treibstoff, die wir umschlagen.<br />
Alles was bei uns im<br />
Hafen ankommt, wird auch erst<br />
versteuert. Mineralöl- und<br />
Mehrwertsteuer werden dann<br />
hier in Hanau bezahlt. Die Firma<br />
Oiltanking verfügt über ein<br />
Lagervolumen von 66 Millionen<br />
Litern in ihren Tanks. Diese<br />
Menge wird zweimal im Monat<br />
aufgefüllt und wieder geleert.<br />
EJ: Wenn ich das richtig verstanden<br />
habe, sind die Tanks<br />
also riesig und der Sprit wird<br />
nur nach Sorten getrennt gelagert,<br />
nicht nach Marken.<br />
JK: Das ist so. Es gibt eigene<br />
Tanks für Diesel, Super usw.,<br />
aber in jedem Tank befindet<br />
sich der Treibstoff mehrerer<br />
Firmen.<br />
EJ: Das bedeutet dann, dass<br />
der Kraftstoff bei jeder Tankstelle<br />
derselbe ist, da es logistisch<br />
nicht möglich ist, die einzelnen<br />
Produkte der Mineralölkonzerne<br />
zu trennen. Ich glaube nicht,<br />
dass das jedem Verbraucher<br />
bewusst ist.<br />
JK: Das ist völlig richtig. Es gibt<br />
nur noch die Möglichkeit, über<br />
Additive ein markenspezifisches<br />
Produkt herzustellen. Aber<br />
grundsätzlich ist der Treibstoff<br />
überall der gleiche.<br />
EJ: Es werden sehr viele Gefahrengüter<br />
im Hafen gelöscht.<br />
Hat das Auswirkungen auf die<br />
Wasserqualität?<br />
JK: Wir unterliegen umfassendsten<br />
Verordnungen und<br />
Kontrollen bezüglich der Wasserqualität.<br />
Unser Hafenbecken<br />
ist offen zum <strong>Mai</strong>n und das<br />
Wasser hat, wie im übrigen<br />
<strong>Mai</strong>ngebiet auch, die gleiche<br />
Qualität. Es ist Badewasser.<br />
Aber natürlich ist es verboten<br />
und auch nicht empfehlenswert,<br />
sich hier zwischen den großen<br />
Schiffen ins Wasser zu begeben.<br />
EJ: Ich kann mir vorstellen,<br />
dass ab und zu auch sehr ungewöhnliche<br />
Anliegen an Sie<br />
herangetragen werden.<br />
JK: Ich muss gestehen, es gibt<br />
eine Sache, auf die ich heute<br />
nicht mehr stolz bin. Vor 25<br />
Jahren haben wir hier lebende<br />
Elefanten von einem Zirkus<br />
umgeladen. Das würde ich heute<br />
nicht mehr zulassen. Aber<br />
damals war eben der Zeitgeist<br />
so und ich habe einfach noch<br />
anders darüber gedacht und es<br />
war für uns auch ein Kuriosum,<br />
diese gewaltigen Tiere hier zu<br />
haben. Die sind dann von ihrem<br />
Zugwaggon über die Brücke<br />
nach Steinheim marschiert. Eine<br />
Woche später kamen sie<br />
wieder zurück und wurden mit<br />
dem Zug weiter gefahren.<br />
Scheinbar ging es ihnen auch<br />
gut, aber wie gesagt, heutzutage<br />
wäre das indiskutabel. Generell<br />
würde ich keinen Auftrag<br />
mehr mit lebenden Tieren annehmen.<br />
Auch das Verladen<br />
von Atommüll lehne ich grundsätzlich<br />
ab.<br />
EJ: Vielen Dank für das ausführliche<br />
und interessante Gespräch.<br />
Sonya Hochrein