Nordis-Magazin 2/2018
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Reportage<br />
Das Boot direkt<br />
vor der Wohnung.<br />
Hammarby Sjöstad<br />
Neues Bauen<br />
braucht das Land<br />
Hammarby Sjöstad, eine neue Wohnsiedlung am Rande der Stockholmer Innenstadt, lockt<br />
Besucher aus der ganzen Welt an. Allerdings keine Touristen auf Sightseeingtour, sondern Architekten<br />
und Stadtplaner, die sich von neuen Baukonzepten inspirieren lassen wollen.<br />
Text & Fotos: Rasso Knoller<br />
Modernes Bauen mit viel Grün –<br />
auch auf den Dächern.<br />
Überall werden Kinderwagen geschoben.<br />
Gleichberechtigt. Mindestens<br />
ebenso viele Männer wie Frauen sind<br />
mit dem Nachwuchs unterwegs. Ein Plakat<br />
wirbt für ökologische Babykleidung. Davor<br />
eine Frau mit Schwangerschaftsbauch, die es<br />
interessiert und vorausschauend studiert. Im<br />
Steakhouse sind am Nachmittag noch die<br />
Plätze frei, nebenan im Eisladen belohnt eine<br />
Mutter ihr Kind mit einem Vanilleeis. Ein<br />
Mittvierziger mit Bart, Glatze und blauem T-<br />
Shirt startet ein paar Schritte weiter den Motor<br />
seiner Yacht. Sie ist allenfalls fünf Meter<br />
lang, nichts Großes. Vom Hafen von<br />
Hammarby Sjöstad aus sticht der Mittelstand<br />
in See.<br />
Das Viertel am Rande der Innenstadt ist das<br />
neueste Stadtentwicklungsprojekt in der<br />
schwedischen Hauptstadt. In den vergangenen<br />
Jahren sind hier 11.500 Wohnungen<br />
entstanden, zudem wurden hier mehr als<br />
5.000 neue Arbeitsplätze geschaffen. Das<br />
Viertel will Maßstäbe setzen, in Sachen<br />
Nachhaltigkeit ein weltweites Vorbild sein.<br />
Vom Slum zum Vorzeigeprojekt<br />
Doch der Reihe nach. Bis in die 1980er-Jahre<br />
hinein dampften in Lugnets industriområde –<br />
wie Hammarby Sjöstad damals noch hieß – die<br />
Schlote. Die alten Fabriken machten schließlich<br />
eine nach der anderen dicht und hinterließen<br />
ein Gebiet, in dem der Boden voller<br />
Schadstoffe und das Wasser verschmutzt war.<br />
Weil sich niemand für das Areal interessierte,<br />
machte sich in der heruntergekommenen Gegend<br />
bald Stockholms Halbwelt breit. Drogenabhängige<br />
und Obdachlose fanden hier in notdürftig<br />
zusammengezimmerten Hütten ein<br />
Rückzugsgebiet. 1991 reichte Stockholm dann<br />
seine Bewerbung für die Olympischen Spiele<br />
2004 ein. Dabei setzte man voll auf die »Umweltkarte«.<br />
Die Stockholmer Spiele hätten die<br />
»grünsten« aller Zeiten werden sollen, und<br />
Lugnet der Ort für das Olympische Dorf.<br />
Schlussendlich hat Athen die Spiele bekommen;<br />
den Plan einer umweltfreundlichen<br />
Stadt gaben die Schweden aber nicht auf.<br />
1996 rückten die Bagger an, die Industrieruinen<br />
wurden abgerissen, der Boden saniert.<br />
Das Millionenprogramm<br />
Stockholm gehört zu den schnellsten wachsenden<br />
Städten in Europa. Für Leute, die hier-<br />
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