vorspiel - Burgtheater
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<strong>vorspiel</strong><br />
Das Magazin Des wiener <strong>Burgtheater</strong>s<br />
Dezember 2008 / Jänner 2009<br />
nr. 47<br />
in Kooperation mit<br />
Der Punkt, an dem wir beide uns<br />
treffen könnten, existiert schon<br />
lange nicht mehr.<br />
»Wer hat Angst vor Virgina Woolf ...?« von Edward Albee
iMPressuM<br />
titelbild: Markus Meyer als »nick«, Christiane von<br />
Poelnitz als »Martha« und Joachim Meyerhoff als<br />
» george« in »wer hat angst vor Virgina woolf ...?«<br />
von edward albee<br />
<strong>vorspiel</strong>. Das Magazin des wiener <strong>Burgtheater</strong>s<br />
erscheint fünfmal jährlich als sonderbeilage der<br />
tageszeitung »Der standard«<br />
Medieninhaber und herausgeber:<br />
Direktion <strong>Burgtheater</strong> gesmbh<br />
1010 wien, Dr. Karl Lueger-ring 2<br />
redaktion: Dramaturgie <strong>Burgtheater</strong><br />
gestaltung: thomas Kloyber<br />
Collettiva Design<br />
herstellung: goldmann-zeitungsdruck gesmbh<br />
3430 tulln, Königstetter straße 132<br />
2008/2009 saison<br />
inhalt<br />
inhalt<br />
4 Leitartikel: homer und sein nachdichter – raoul schrott übersetzt die »ilias«<br />
6 »Fantasma« – uraufführung von rené Pollesch<br />
8 helfen mit risiko – ein gespräch mit Felicia zeller<br />
10 »wir sind jung in dem Beruf«– stephan Kimmig im gespräch über »Macbeth«<br />
12 zu thomas Bernhards »Der schein trügt«<br />
14 alle toten fliegen hoch 4: theorie und Praxis – von und mit Joachim Meyerhoff<br />
spieltriebe: schöner lügen – hochstapler bekennen<br />
15 Der Briefwechsel zwischen ingeborg Bachmann und Paul Celan<br />
gelesen von Johanna wokalek und Jens harzer<br />
16 Karlheinz hackl & heinz Marecek: Melodie des Lachens<br />
17 gastspiel thalia theater hamburg – »Maria stuart« inszeniert von stephan Kimmig<br />
18 aufführungen und höhepunkte der Ära Bachler<br />
21 Porträt: Michael König<br />
22 wiederaufnahmen<br />
24 ihr Programm zu weihnachten, silvester und neujahr<br />
26 Junge Porträtgalerie <strong>Burgtheater</strong><br />
27 rückschau auf die werkstatttage 08<br />
28 Magazin<br />
herz|rasen<br />
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3
Leitartikel<br />
4<br />
homer und sein nachdichter<br />
Raoul Schrott übersetzt die »Ilias«<br />
Das Epos vom Trojanischen Krieg, die »Ilias«, dieses 3000 Jahre alte Heldenepos, gilt als<br />
das älteste erhaltene Werk der abendländischen Literatur. Es beginnt mit Achilleus’ Groll auf<br />
Agamemnon und endet mit dem Tod Hektors, der den Untergang Trojas besiegelt. Es erzählt<br />
von den Taten der Helden und vom Streit der olympischen Götter, die den beiden Kriegsparteien<br />
beistehen. Ihr Figurenarsenal und ihre Geschichten sind zum Stoff für populäre Adaptionen<br />
geworden. Das altgriechische Original kennen nur Gräzisten, und die vollständigen deutschen<br />
Übersetzungen von Johann Heinrich Voss (1793) oder Wolfgang Schadewaldt (1975)<br />
verstauben zumeist ungelesen in vielen Bücherschränken. Schrotts Neufassung trägt in heutiger<br />
Sprache die Patina der alten weihevollen Übersetzungs- und Rezeptionsweisen ab und lässt die<br />
»Ilias« als das erste lebenssatte Meisterwerk abendländischer Kultur erstrahlen.<br />
Gleichzeitig wird die »Ilias« seit einem dreiviertel Jahr in den Feuilletons heiß diskutiert. Anlass<br />
ist quasi ein Nebenprodukt von Raoul Schrotts Recherchearbeit. Er war für seine Übersetzung<br />
in die Welt des Epos eingetaucht – und als er wieder auftauchte, hatte er nicht nur eine Neufassung<br />
der Ilias fertig, sondern auch eine neue Erkenntnis: Troja lag nicht dort, wo Heinrich<br />
Schliemann im 19. Jahrhundert den Kampf, die Helden und das hölzerne Pferd vermutete,<br />
nicht am Eingang der Dardanellen, sondern rund 800 Kilometer weiter südlich nahe der kilikischen<br />
Hauptstadt Karatepe an der türkisch-syrischen Grenze. Homer ist für Raoul Schrott<br />
auch kein blinder Dichter aus der Gegend von Smyrna (heute Izmir), sondern ein Schreiber<br />
im Dienst des assyrischen Königs. Plötzlich sah Schrott sich dem Vorwurf ausgesetzt, an den<br />
Festen des Abendlandes zu rütteln.<br />
was schrott über den gründervater des<br />
abendlandes vorträgt, musste altphilologen,<br />
althistoriker, schliemann-Freunde in<br />
rage bringen. ihnen sagt er: alles falsch!<br />
euer großer grieche war gar keiner.<br />
sucht homer nicht länger im ionischen<br />
griechenland – er lebte in Kilikien, in<br />
der heute türkischen Kniebeuge zu syrien<br />
hin, wo sich damals Völker, Mythen, alte<br />
und neue schriftkulturen mischten. Dort<br />
hat er, ein schreiber wohl in assyrischem<br />
Dienst, seine Ilias aus griechischen sagen<br />
und altorientalischen tontafel-epen kompiliert.<br />
und heinrich schliemann und sein<br />
Dardanellen-troja könnt ihr auch vergessen.<br />
Der trojanische Krieg fand ebenfalls<br />
in Kilikien statt. in seinem gewagtesten<br />
Kapitel verlässt schrott die fußnotenbewehrte<br />
Deckung wissenschaftlicher argumentation<br />
und sprüht ihn an die wand,<br />
seinen ganz neuen, orientalischen homer:<br />
»Vielleicht – und dies ist nunmehr reine<br />
spekulation – war ja nur seine Mutter<br />
griechin.« und sein Vater wohl Mesopotamier,<br />
aramäer oder Phönizier. zudem<br />
sei der frühe homer »wohl noch etwas<br />
grün hinter den Ohren« gewesen, anders<br />
als die reife Odyssee wirke seine »ausufernde«<br />
Ilias »wie das typische erstlingswerk<br />
eines ehrgeizigen schriftstellers«.<br />
Dazu die notorische Völlerei bei iliadischen<br />
gelagen. schrott zählt eins und eins<br />
zusammen. »hunger und wissensdurst<br />
als ersatzbefriedigung und sublimationsform<br />
eines eunuchen?« Der Dichter der<br />
15693 hexameter der Ilias – ein orientalischer<br />
schreibstubenkastrat.<br />
schrott ist ein homo Faber der Dichtkunst,<br />
von allüren keine spur. Das aufgeladene,<br />
die superlative, die ihn umwittern,<br />
findet er übertrieben. »ich hatte<br />
griechisch und Latein in der schule, dazu<br />
arabisch und Französisch. ein bisschen<br />
Keltisch habe ich mir angeeignet. alle<br />
Übersetzungen kamen auf Basis philologischer<br />
werke zustande. Dazu ist ja die<br />
Philologie da. es ging mir immer darum,<br />
wie ein gedicht klingt – jedenfalls nicht<br />
wie ein winckelmannscher Beipackzettel<br />
für ein abführendes Medikament!«<br />
er habe bisher das glück gehabt, habilitierter<br />
Komparatist zu sein. »Da ging ich<br />
gerade noch so durch in der Fachwelt.«<br />
entweder man werde auratisiert oder als<br />
scharlatan abgetan.<br />
»ich kann in die homer-Maske schlüpfen.«,<br />
sagt schrott. gräzisten bezweifeln,<br />
dass sie ihm sitzt. »Die sagen«, achselzuckend<br />
referiert er seine gegner, »der<br />
schrott übersetzt wie eine wildsau.« er<br />
habe, beteuert er, tausende Kommentarseiten<br />
zur Ilias gelesen. »Die philologische<br />
Forschungslage ist gut. ich suche mir<br />
raus, was mir am besten scheint. ich will<br />
es wieder poetisieren.«<br />
Vor allem Joachim Latacz kritisiert ihn<br />
dafür scharf. Der Baseler altphilologe und<br />
renommierte homer-experte betreute anfangs<br />
schrotts Ilias-Übersetzung, stieg<br />
aber bald aus. schon vor zwei Jahren publizierte<br />
er seine Kritik in der zeitschrift<br />
Akzente. im Kern geht es darum: schrott<br />
will eine Ilias, die heutiger sprache nahe<br />
ist – damit aber auch heutigem geist.<br />
Für gräzisten der sündenfall. etwa 600<br />
homer-Übersetzungen gibt es bis heute,<br />
darunter eher dichterische und eher akademische.<br />
Latacz lässt beides gelten, wirft<br />
aber schrott vor, er gehe beim Poetisieren<br />
zu weit, er verfälsche den sinn.<br />
Dennoch wird schrotts Ilias bei den Lesern<br />
erfolg haben. Die neue Ilias passt<br />
in die zeit. Man kann das kulturkritisch<br />
deuten: ein sperriges Buch wird popularisiert.<br />
Man kann es aber auch andersherum<br />
sehen: ein held der totgesagten<br />
humanistischen Bildung nimmt seinen<br />
thron wieder ein.<br />
was an dem großen unbekannten namens<br />
homer so faszinierte, ist die ungeheure<br />
Fernwirkung seiner Dichtung. ihre<br />
Macht, dem Vergessenstod von Menschen<br />
zu trotzen, die längst aus der erinnerung<br />
gefallen wären, hätte es nicht diesen sänger<br />
gegeben, der auch noch aufschrieb,<br />
was er sang – die alphabetschrift, in der<br />
das gut ging, hatten die griechen gerade<br />
von den Phöniziern adaptiert.<br />
was aber noch mehr fasziniert als seine<br />
Lieder, ist das geheimnis des sängers,<br />
der selbst so radikal aus aller erinnerung<br />
verschwand, als sei dies der Preis, der für<br />
seinen kühnen wurf zu zahlen war. seine<br />
wurfposition ist der rand jener nacht,<br />
die man die »dunklen Jahrhunderte«<br />
nennt: 1200 bis 800 vor Christus. aus<br />
ihnen taucht er auf – wann? wir wissen<br />
es nicht genau, nur dies: schon bald nach<br />
seinem tod sang, hörte, verehrte man ihn.<br />
Damals entstand die Legende vom blinden<br />
sänger homeros. Keiner hat seine<br />
hexameter, seine helden, seinen namen<br />
so weit durch die Jahrtausende geschleudert<br />
wie er. The singer, not the song. es<br />
lässt uns keine ruhe, nicht zu wissen, wer<br />
er war.<br />
Dass ein temperament wie raoul schrott<br />
sich an dem enigmatischen stoff entzünden<br />
würde, lag nahe. anfangs grub er<br />
sich eher lustlos in die alten gesänge. Das<br />
saison 2008/2009
änderte sich, als er auf Parallelen zum<br />
Gilgamesch-Epos stieß: »Die waren seit<br />
15 Jahren in der wissenschaft bekannt.<br />
aber ich habe die Frage gestellt: warum?«<br />
nun taten sich ihm indizien über indizien<br />
auf, die ihm alle auf Kilikien hinzudeuten<br />
schienen. »ich wartete immer auf die eine<br />
entdeckung, die meinen weg als Blödsinn<br />
überführt. aber sie kam nicht.« stattdessen<br />
erschien das zweite Buch vor dem<br />
ersten: Homers Heimat vor schrotts Ilias<br />
– das thesenbuch vor der neufassung<br />
des epos. Die nebel um homer lichteten<br />
sich, auf einmal war alles klar: homer<br />
musste ein assyrisch gebildeter schreiber<br />
mit zugang zu keilschriftlichen archiven<br />
gewesen sein, in denen er zeugnisse konkreter,<br />
zeitnaher Kriege der assyrischen<br />
weltmacht gegen regionale Fürsten fand<br />
– und vor seiner haustür den Ort, an<br />
dem alles zur griechischen troja-sage zu<br />
passen schien: eine stadt auf dem hügel<br />
Karatepe in der kilikischen ebene. »ich<br />
habe«, sagt er, »einfach eine these aufgestellt<br />
und das Material kompiliert, das<br />
dafür spricht. Das kann man nun debattieren<br />
und kurz und klein hauen.«<br />
Das tun die wenigsten. Fast alle bedeutenden<br />
Fachleute haben sich inzwischen<br />
zu wort gemeldet, die meisten durchaus<br />
moderat. wollte man einen tenor benennen,<br />
so lautete er: Der schrott hat ein interessantes,<br />
mit Verve recherchiertes Buch<br />
geschrieben. wir folgen ihm, wo er das<br />
orientalische Panorama, vor dem homer<br />
auftritt, ins Licht und ins recht setzt –<br />
aber seiner these eines kilikischen homer<br />
folgen wir nicht.<br />
Die homer-Frage steht so scharf, weil<br />
darin eine antwort auf die größere Frage<br />
steckt: wer sind wir?<br />
eigentlich wissen wir das. Der einfluss des<br />
alten Orients auf die griechen ist unstrittig.<br />
Bis in die zeit um 800 vor Christus<br />
waren die hochkulturen des Ostens dominant.<br />
Ja, wir sind auch Kinder des alten<br />
Orients. aber dann! Dann kam der, den<br />
wir seit 2500 Jahren homer nennen, und<br />
machte alles neu. hier beginnt europa –<br />
das, was es unterscheidet. immer nur Bezüge<br />
und einflüsse zu sehen, ist nicht die<br />
ganze wahrheit. wahr ist auch: Manchmal<br />
tritt etwas unerhört neues ins Licht.<br />
Kolumbus, Luther, renaissance, und die<br />
2008/2009 saison<br />
welt war eine andere in ein paar Jahren.<br />
so ein urknall ist homer. was schrott<br />
nicht bestreitet: »er hat das 1000 Jahre<br />
alte gilgamesch-Material benutzt, aber<br />
er geht weit darüber hinaus. er bringt es<br />
zum Leuchten, macht etwas ganz neues<br />
daraus, eine neue welt.«<br />
eine goldene Brücke zu seinen gegnern,<br />
die so feindselig, wie schrott es erwartete,<br />
gar nicht sind. Krux aller homer-Forschung<br />
ist die Frage: als was nehmen wir<br />
seine epen – als texte über historische<br />
tatsachen oder als dichterische Fiktion?<br />
Fand der Krieg um troja wirklich statt?<br />
achilleus, hektor und die anderen – gab<br />
es wenigstens Vorbilder? schrott beantwortet<br />
diese Fragen im Prinzip mit Ja.<br />
auch so kann man ihn lesen: ein neuer,<br />
wild entschlossener anlauf, den über aller<br />
historizität schwebenden geist namens<br />
homer zu verorten. ihn wahrhaben zu<br />
wollen. Wolfgang Büscher<br />
homers heimat<br />
Diskussionen über den Trojanischen Krieg zwischen<br />
Europa und dem Orient<br />
Leitartikel<br />
wie ist der zusammenhang von Orient und Okzident?<br />
Das <strong>Burgtheater</strong> stellt raoul schrotts thesen im gespräch mit Fachleuten der Vor-<br />
und urgeschichte zur Diskussion. u.a. wird Prof. Pernicka von seinen grabungen in<br />
troja berichten und Prof. Danek vorstellen, wie die gesänge der Ilias möglicherweise<br />
geklungen haben könnten. Das Publikum ist eingeladen, sich mit Fragen, Beiträgen<br />
und Meinungen zu beteiligen.<br />
Mit raoul schrott und den Professoren georg Danek (wien), ernst Pernicka<br />
( tübingen), robert rollinger (innsbruck) und Christoph ulf (innsbruck).<br />
gesprächsleitung: Joachim Lux<br />
am 4. Dezember 2008 im aKaDeMietheater<br />
Die 24 gesänge der »ilias«<br />
Lesung aller 24 Gesänge der »Ilias«<br />
in der Übersetzung von Raoul Schrott<br />
Mit raoul schrott, tobias Moretti, u.a.<br />
am 16. und 17. Jänner 2009 im <strong>Burgtheater</strong><br />
5
akademietheater<br />
6<br />
Fantasma<br />
Uraufführung von René Pollesch<br />
René Pollesch, im letzten Jahr für »Das purpurne Muttermal« mit einem Nestroy für<br />
das »beste Stück« bedacht, inszeniert zum mittlerweile vierten Mal am <strong>Burgtheater</strong>.<br />
Die Theatertexte von René Pollesch nehmen – neben Filmen – häufig auf theoretische<br />
Texte anderer Autoren Bezug. Im Falle von »Fantasma« sind bestimmte Schriften des<br />
Kunstwissenschaftlers und Medientheoretikers Boris Groys, des Philosophen Giorgio<br />
Agamben sowie des Sozialwissenschaftlers Wolfgang Pohrt wichtige Prä-Texte,<br />
Ausgangspunkte für Debatten mit den Schauspielern und Antriebsstoffe für Polleschs<br />
Schreiben. Wir drucken im Folgenden Auszüge aus einem Gespräch mit Philipp Sarasin<br />
und Michael Hager im Zürcher Jahrbuch für Wissensgeschichte »Nach Feierabend«<br />
anlässlich der Berliner Inszenierung »Darwin-Win & Martin Loser-Drag King & Hygiene<br />
auf Tauris«, in dem René Pollesch die Notwendigkeit dieser Bezugnahmen und das<br />
Verhältnis seines Theaters zur Theorie (hier am Beispiel Darwins) beschreibt.<br />
rené Pollesch: es ist so, dass im theater meistens<br />
eine Figur auftaucht, die glaubt, für uns<br />
alle sprechen zu können und die geschichte<br />
oder die wahrheit des Menschen zu erzählen,<br />
wie zum Beispiel in gestalt von hamlet. Das<br />
ist eine Figur, die angeblich mit uns allen zu<br />
tun hat. Dabei wird jedoch übersehen, dass<br />
hamlet meistens weiß, männlich und heterosexuell<br />
ist. Dagegen Medea: wenn eine<br />
Frau auf die Bühne tritt und sagt »ich bin<br />
Medea«, dann kann es passieren, dass ein<br />
regisseur, der diesen stoff inszeniert, in sein<br />
Programmheft schreibt - als die Krücke, die<br />
er braucht, um diesen stoff zu inszenieren:<br />
»was wäre, wenn Medea meine Frau wäre?«<br />
Jemand, der hamlet inszeniert, würde nie<br />
schreiben: »was wäre, wenn hamlet mein<br />
Mann wäre?« wenn eine Frau sich dem stoff<br />
mit dieser Frage nähern würde, gäbe es einen<br />
aufschrei und alle würden sagen: »Dies ist<br />
aber nicht die geschichte eines Mannes, dies<br />
ist die geschichte des Menschen«. Das heißt,<br />
die geschichte von uns allen zu erzählen, ist<br />
einer bestimmten Position vorbehalten. Die<br />
ist weiß, männlich, heterosexuell. und alle<br />
anderen im Publikum, die das nicht sind,<br />
müssen daran glauben, dass diese geschichte<br />
sie berührt. es wird ein Plan ausgegeben von<br />
der Ähnlichkeit derer, die anwesend sind,<br />
gleichzeitig jedoch werden ein paar unähnlich<br />
gemacht. weiß ist keine rasse, schwarz<br />
ist eine rasse. Bei weiß denken wir nicht an<br />
rasse, bei männlich denken wir nicht an geschlecht<br />
und bei hetero sexuell denken wir<br />
eben auch nicht an sexuelle ausrichtung.<br />
geschichten produzieren Bedeutungen für<br />
bestimmte Vorgänge und regulieren damit.<br />
es ist natürlich immer die gleiche erzählerposition,<br />
dieser göttliche trick, wie die amerikanische<br />
wissenschaftshistorikerin Donna<br />
haraway sagt, dass aus nur einer Perspektive<br />
erzählt wird. und bei Darwin wird keine perspektivische<br />
geschichte erzählt. ich versuche<br />
jetzt nicht, ein Vokabular zu erfinden, um<br />
dann plötzlich wieder zum geschichteerzählen<br />
zu kommen, auch wenn haraway sagt, es<br />
müssen andere geschichten erzählt werden.<br />
wer erzählt unserem Körper, wer er sei?<br />
Philipp Sarasin: Darwin ist ein unglaublich<br />
starker Signifikant. Gerade wenn man in<br />
Deutschland »Darwin« sagt, assoziieren die<br />
Leute ganz viele Geschichten damit, auch<br />
Geschichte.<br />
rené Pollesch: Das war ein großer Vorteil.<br />
wenn du im theater »Foucault« sagst, dann<br />
denkt jeder an so eine Dramaturgieetage, auf<br />
der die zeitgenössischen Philosophen längst<br />
angekommen sind. nur machen wir nicht<br />
ein theater, das eine halbe stunde vor Probenbeginn<br />
einen text des Philosophen giorgio<br />
agamben aufschlägt und denkt: »ist ja<br />
interessant, was der so geschrieben hat.«, und<br />
dann schlagen wir das Buch zu und proben<br />
hamlet. Man missversteht uns oft als Figuren,<br />
die Latte macchiato trinken und agamben<br />
lesen und das auf die Bühne hieven, um<br />
zu zeigen, was im hippen Berlin Mitte so alles<br />
passiert. wir haben immer versucht, agamben<br />
nicht in der weise zu lesen, dass wir<br />
seine texte irgendwie umsetzen. Vielmehr<br />
versuchen wir das, was er schreibt, in unserem<br />
alltag zu benutzen. ich möchte texte<br />
produzieren, die die schauspieler benutzen<br />
für ihr Leben, in der hoffnung, wir könnten<br />
damit eine arbeit leisten, die das Publikum<br />
sich ansehen kann, ohne von uns eine Botschaft<br />
zu erwarten, ohne von uns zu denken,<br />
die repräsentieren da irgendwelche Figuren.<br />
Der Vorteil von Darwin liegt ganz einfach<br />
darin, dass das zwar ein großer name ist,<br />
aber niemand glaubt, dass der im theater<br />
gelesen wird. wenn man den namen Foucault<br />
hört, kann man sagen: »Jetzt kommen<br />
wieder diese Klugscheißer.« an Darwin aber<br />
kommt man nicht so schnell vorbei.<br />
es kann am theater nicht darum gehen,<br />
Konflikte, die gerade rumschwirren, zu dramatisieren,<br />
sie mit Fleisch und Blut zu versorgen.<br />
Man kann den gedanken auch in einer<br />
ganz einfachen Klarheit ausdrücken, ohne zu<br />
prunken. Das ist der gegenentwurf zu dem,<br />
was man glaubt, im theater zu erkennen.<br />
Michael Hagner: In Darwins Theorie gibt es<br />
keine Leidenden, kein Elend in der Tierwelt.<br />
Er entwickelt eher eine kalte Theorie, wonach<br />
der eine überlebt und der andere eben<br />
nicht. Aber dann sagt er an einer berühmten<br />
Stelle: Der Kampf in der Natur ist kurz und<br />
der Tod tritt schnell ein und kein Tier fürchtet<br />
ihn. Der Tod ist also im Grunde gar nicht<br />
schlimm. Ist das eine Position, die für euch<br />
interessant ist?<br />
rené Pollesch: Die Frage ist vielleicht eher:<br />
»Können wir uns auch keine geschichte vom<br />
sterben erzählen?« warum müssen wir gerade<br />
in einem theaterraum immer den anfang<br />
des abends mit unserem anfang in Beziehung<br />
setzen oder das ende eines abends mit<br />
unserem möglichen ende und die Mitte eines<br />
abends mit unserer Mitte? warum glaubt<br />
man auf dieser Ähnlichkeit eine Konversation<br />
aufbauen zu können? Diese Fragen versuchen<br />
wir durchzugehen. Ob wir uns auch<br />
keine geschichte erzählen können, die den<br />
Menschen als anthropologische Maschine<br />
behandelt.<br />
im theater, heißt es, geht es immer um Körper.<br />
aber das stimmt nicht. im thea ter treten<br />
immer subjektpositionen auf, »hedda gabler«,<br />
»nora«, »hamlet« ... - aber es treten<br />
nie Körper auf. es sind die Körper der schauspieler,<br />
die diese Positionen tragen. also<br />
diese anthropologischen Maschinen. Das<br />
ist wie ein geldschein. wenn ich dir einen<br />
geldschein hinhalte, sehen wir alle 50 euro<br />
und keiner sieht das Papier. Damit hat man<br />
es auch im theater zu tun. Man kann nur die<br />
Verabredung sehen: Das ist ein Mensch, das<br />
ist die geschichte über uns. aber über Körper<br />
kann man im theater nichts erzählen.<br />
Man kann keine aussage machen über uns<br />
jenseits dieser anthropologischen Maschine.<br />
saison 2008/2009
Martin Wuttke, Sophie Rois<br />
Michael Hagner: Man kann über Körper<br />
keine Aussage machen, aber man kann im<br />
Theater vielleicht auf neue Weise Modelle<br />
von Körpern darstellen.<br />
rené Pollesch: Darstellen ist eben das Problem.<br />
Man kann darüber reden. wir haben<br />
mal angefangen mit einem stück über Demokratie,<br />
aber die Biologie ist stärker als die<br />
Demokratie. wir können uns nicht verabschieden<br />
von dem gedanken, dass es da eine<br />
biologische Festlegung gibt, wer die Mutter<br />
und wer der Vater ist. es gibt also innerhalb<br />
der Biologie scheinbar keine wahlmöglichkeit.<br />
würde man sich mit Judith Butler intensiver<br />
beschäftigen, gäbe es da eine, weil es<br />
keine natur gibt jenseits von Konstruktion.<br />
Michael Hagner: Bei aller Sympathie für diesen<br />
Konstruktionsgedanken, es gibt Grenzen<br />
des Körpers, die man nicht überschreiten<br />
kann. Konstruktion heißt auch beliebige<br />
Verfügbarkeit. Ich fürchte, dass der Körper<br />
nicht beliebig verfügbar ist für uns, und<br />
würde eher von einem Changieren zwischen<br />
Ausgeliefertsein und Konstruieren ausgehen.<br />
Wir können mit unseren evolutionären und<br />
genetischen Möglichkeiten einiges gestalten,<br />
aber nicht unbegrenzt. Menschen, die an der<br />
Trisomie 21, an einem Down-Syndrom, leiden,<br />
haben andere Gestaltungsmöglichkeiten<br />
als diejenigen, die nicht darunter leiden. Das<br />
muss man anerkennen.<br />
rené Pollesch: Mit dem satz von Foucault,<br />
dass die Körper zu amorph sind, zu wenig<br />
»fest«, um daran eine grundlage von Ver-<br />
2008/2009 saison<br />
ständigung zu knüpfen, komme ich dahin,<br />
dass wir in der tat sehr unähnlich sind.<br />
wenn mir jetzt jemand sagen würde, ich hätte<br />
trisomie 21, würde ich das auch in mir<br />
erkennen. wenn ich die geschichte der Ähnlichkeit<br />
verlasse, sehe ich auch etwas völlig<br />
anderes. ich kann umkonstruieren.<br />
Michael Hagner: Niemand kann uns daran<br />
hindern, zu sagen: »Dieses Hemd ist rot«, obwohl<br />
es weiß ist. Das kann man wochenlang<br />
durchhalten. Die Frage ist nur, wenn man das<br />
konsequent durchhält, ob es dann noch so<br />
viele Leute gibt, die mit einem reden.<br />
rené Pollesch: [lacht] Ja genau, man wäre<br />
auf das wohlwollen der anderen angewiesen,<br />
diese Verrücktheit zu ertragen, und man<br />
müsste sie selber mit wohlwollen in die welt<br />
setzen. ich will jetzt einfach diese wahrheit,<br />
dass mein hemd rot ist, und die lässt sich ja<br />
nicht abstreiten.<br />
ich glaube, das theater ist eine Vorrichtung,<br />
wo das große Ja zum Leben herrscht, das<br />
große Ja zur Liebe, das große Ja zur wahrheit<br />
des Menschen. wenn du im theater einen<br />
satz sagst wie »Liebe ist kälter als das<br />
Kapital«, gerätst du unter ironieverdacht.<br />
und wenn du darauf bestehst, dass es dein<br />
ernst ist, dann heißt es, der Mann ist zynisch,<br />
weil der Konsens so unverrückbar ist, dass<br />
Liebe warm und Kapital kalt ist. Das im<br />
theater seriös zu untersuchen, geht nicht.<br />
Du kannst im theater keine klare aussage<br />
machen. Du kannst auch nicht sagen: »sarah<br />
Kane sagt nein zum Leben, lass uns darüber<br />
einen theaterabend machen.« wenn ich<br />
akademietheater<br />
sage, agamben erzählt mir was, sage ich das<br />
natürlich nicht als Philosoph; wenn ich sage,<br />
Darwin erzählt mir was, sage ich das nicht<br />
als Biologe, hirnforscher oder historiker,<br />
sondern als theatermensch. aber die themen<br />
müssen hier ankommen. Denn ansonsten<br />
sehe ich um mich herum nur Bagatellen.<br />
ich sehe nichts mehr, was irgendwie wesentlich<br />
ist. immer diese gleiche romantisierung,<br />
dieser wucher mit den ewiggleichen Begriffen.<br />
Leute robben über den Boden, wälzen<br />
sich in Blut, und man denkt: »wow, was<br />
haben die für ein Problem«, und dann sagen<br />
sie nur: »ach – der tOD!, – das LeBen!, -<br />
der MensCh!, – die LieBe!, – die wahrheit!«<br />
Das ist echt keine Kunst. alle wollen<br />
den großen glauben an diese zentralen Begriffe,<br />
die aber so hohl sind, dass ich nichts<br />
mehr mit ihnen anfangen kann.<br />
Das Gespräch fand am 10. Mai 2008 im Intendantenzimmer<br />
der Volksbühne am Rosa-<br />
Luxemburg-Platz in Berlin statt.<br />
Fantasma<br />
von rené Pollesch<br />
regie: rené Pollesch<br />
Bühne: Bert neumann<br />
Kostüme: nina von Mechow<br />
Licht: Felix Dreyer<br />
Video: Meika Dresenkamp<br />
Mit sachiko hara, sophie rois; Daniel Jesch, hermann<br />
scheidleder, stefan wieland, Martin wuttke<br />
H Premiere / Uraufführung<br />
29. november 2008<br />
im aKaDeMietheater<br />
Die gegenwartsdramatik<br />
wird unterstützt von<br />
7
Kasino<br />
8<br />
helfen mit risiko<br />
Ein Gespräch mit Felicia Zeller<br />
In »Kaspar Häuser Meer« setzt sich die Autorin Felicia Zeller mit dem Thema Kindesmisshandlung<br />
auseinander. Entstanden ist nicht ein Sozialdrama, das die Perspektive der<br />
Opfer oder der Täter einnimmt, sondern ein Stück über die Schwierigkeit, Kinder vor<br />
Misshandlung zu schützen. Drei Sozialarbeiterinnen vom Jugendamt versuchen gegen<br />
die alltägliche Überforderung, bestehend aus einem nicht zu bewältigenden Arbeitspensum,<br />
dem Gefühl, immer zu spät zu kommen, und der Angst vor einer falschen Entscheidung,<br />
anzukämpfen. Unter dem steigenden Druck wird die Grenze zwischen den<br />
professionellen Helfern und ihren Klienten zunehmend brüchiger. Die österreichische<br />
Erstaufführung von »Kaspar Häuser Meer« inszeniert Tina Lanik im Kasino.<br />
Felicia Zeller, 1970 in Stuttgart geboren, lebt und arbeitet als freie Schriftstellerin in<br />
Berlin. Vor wenigen Monaten ist ihr erster Prosaband »Einsam lehnen am Bekannten«<br />
erschienen – eine Sammlung humorvoller wie kluger Alltagsbeobachtungen über die<br />
Schieflage des Lebens, das Kunstschaffen und das Nichtstun.<br />
»Kaspar Häuser Meer« ist als Auftragswerk<br />
für das Theater Freiburg entstanden.<br />
Wie war Ihre erste Reaktion auf den<br />
Vorschlag, ein Stück zum Thema Kindesmisshandlung<br />
zu schreiben?<br />
so ein stückauftrag »thema: Kindesmisshandlung«<br />
ist ja noch sehr vage, das ist<br />
für mich noch kein ansatzpunkt zum<br />
schreiben. ich brauche immer eine struktur,<br />
die mich interessiert, die art, wie Leute<br />
sprechen und reagieren.<br />
als der Vorschlag kam, war ich – wie das<br />
öfter mal bei schriftstellern vorkommt<br />
– pleite. ich wusste nicht, wie ich mein<br />
nächstes Jahr finanzieren sollte. ich hatte<br />
schon angst, ich müsse arbeiten gehen!<br />
Lacht. Dann haben die vom theater Freiburg<br />
angerufen, und ich habe zugesagt.<br />
nachdem ich dann aber noch einen stoß<br />
zeitungsartikel von denen bekommen<br />
habe, dachte ich: Das ist alles unmöglich!<br />
ich fing an zu überlegen, was geht und<br />
geht das überhaupt, nee, das geht eigentlich<br />
gar nicht: geschmacklosigkeit, Pietätslosigkeit,<br />
Volkstümlichkeit, Felder, in<br />
denen ich mich nicht bewegen will.<br />
Problemstücke mag ich nicht. wenn stücke<br />
themen auf so eine plumpe, gradlinige art<br />
behandeln. Dinge, die man sich vorher schon<br />
denken konnte, weiß man hinterher auch.<br />
ich wollte fliehen und hab mich dann beim<br />
Baumarkt nebenan als aushilfskassiererin<br />
beworben, sehr lange an meiner Bewerbung<br />
gefeilt, aber ich wurde abgelehnt.<br />
Wie verlief dann Ihre weitere Recherche<br />
zum Thema? Haben Sie mit Sozialarbeitern<br />
gesprochen oder vorrangig Texte<br />
zum Thema gelesen?<br />
Beides. Familiendramen mag ich persönlich<br />
nicht, deswegen habe ich mir überlegt,<br />
was mich interessiert. und mich<br />
hat vor allem interessiert, wie Fachleute<br />
sprechen. ich habe ganz viele zeitungsartikel<br />
zum thema Kindesmisshandlung<br />
gelesen, aber die sind alle immer gleich:<br />
dieser düstere stadtteil. Da läuft dann<br />
der reporter rein und hört Leute hinter<br />
türen schreien. ausführlich wird das<br />
beschrieben, und es hat immer einer versagt.<br />
ich habe in meinem umkreis rumgefragt,<br />
wer sozialarbeiter kennt, es gibt natürlich<br />
eine strenge schweigepflicht… und<br />
Felicia Zeller<br />
ich habe auch viel Fachliteratur gelesen.<br />
alles in allem habe ich ein halbes Jahr<br />
damit verbracht.<br />
Den Zugang zum Thema haben Sie über<br />
die Wahl der Perspektive gefunden?<br />
Mich hat von anfang an interessiert, wie<br />
Menschen, die täglich mit Fällen von Kindesmisshandlung<br />
und Kindesvernachlässigung<br />
zu tun haben, darüber sprechen und<br />
denken. eine geschichte, nicht über Misshandlung,<br />
sondern über die schwierigkeit,<br />
Kinder vor Misshandlung zu schützen.<br />
Die Perspektivisierung von Material im<br />
theater halte ich für sehr wichtig. eine<br />
sozialarbeiterin sagte zu mir, im theater<br />
sitzen dann ja selbst Missbraucher, die<br />
keinerlei Verständnis von schuld haben.<br />
niemand sollte sich zurücklehnen können,<br />
weil er es eh schon kennt oder weil’s<br />
bei ihm zuhause sowieso nicht so schlimm<br />
und pervers zugeht wie bei anderen, denen<br />
er auf der Bühne oder im Fernsehen<br />
bei sendungen wie »Frauentausch« zuschaut.<br />
Abgerissene Sätze, Einschübe, Sprech-<br />
Attacken, Abschweifen in Visionen, das<br />
saison 2008/2009
atemberaubende Tempo, das dem Stück<br />
zugrunde liegt – wie haben Sie zu diesem<br />
sehr eigenen Sprachgestus gefunden?<br />
ich habe mich mit einer sozialarbeiterin<br />
getroffen, die ununterbrochen getextet<br />
hat, vier stunden am stück. sie ist auch<br />
immer von einem zum anderen Fall gesprungen.<br />
eigentlich wollte sie sich positiv<br />
über ihren Beruf äußern, aber innerhalb<br />
der vier stunden wurde immer klarer,<br />
dass sie unter einem großen Druck steht<br />
und die Dinge überhaupt nicht kontrollieren<br />
kann, was natürlich in der natur der<br />
sache liegt. sozialarbeit ist ja eine arbeit,<br />
die keine ergebnisse produziert.<br />
Sprechen Sie den Text für sich im Laufe<br />
des Schreibprozesses immer wieder laut?<br />
Ja, das mache ich immer. Der test ist der<br />
soundtest. Der Klang muss optimal sein.<br />
Deswegen arbeite ich auch zuhause, nicht<br />
mit meinem Laptop im Café, das kann ich<br />
gar nicht. um meine selbstgespräche führen<br />
zu können, arbeite ich im abgeschlossenen<br />
raum.<br />
»Kaspar Häuser Meer« reizt trotz des bedrückenden<br />
Themas immer wieder zum<br />
Lachen. Der Verlag schreibt, wie alle Ihre<br />
Stücke sei es eine Komödie.<br />
Die Verwandtschaft von Komödie und<br />
tragödie ist ja ein alter hut. Der ansatz<br />
ist nicht, jetzt will ich etwas witziges<br />
machen. es sind ganz andere ansätze:<br />
wo liegt – ein komisches wort – inbrunst,<br />
oder der Jammer, oder die not?<br />
ich bin natürlich auch übertreibend tätig,<br />
dadurch entsteht Komik. natürlich entsteht<br />
Komik auch durch absurdität. Jemand<br />
sagt etwas, aber von außen nimmt<br />
man es ganz anders wahr. wie bei den<br />
sozialarbeitern, die selbst zu Klienten<br />
werden.<br />
Was für Reaktionen kamen von Sozialarbeitern<br />
auf das Stück? In Freiburg gab es<br />
ja sogar eine Order, alle Mitarbeiter des<br />
Sozialamtes sollten sich »Kaspar Häuser<br />
Meer« ansehen. Und in Halle lesen Sie<br />
daraus bei einer Fachtagung für systematische<br />
Sozialarbeit.<br />
2008/2009 saison<br />
in Freiburg hatten wir eine spezialvorstellung<br />
– nur Mitarbeiter vom Jugendamt.<br />
Die sozialarbeiter haben über jedes zweite<br />
wort gelacht. Das liegt natürlich an der<br />
wiedererkennung. Das andere Publikum<br />
traut sich aufgrund der thematik meist<br />
nicht, so viel zu lachen. an manchen<br />
stellen war es natürlich auch sehr still.<br />
Danach gab es eine Diskussion, und da<br />
haben viele gerufen: genauso sei es! und<br />
einer ist aufgestanden und hat gesagt, er<br />
hat sich geradezu geoutet, wenn es hart<br />
auf hart käme, dann seien sie doch ganz<br />
alleine. totale einzelkämpfer, keine solidarität<br />
untereinander – das liegt daran,<br />
wie sich das entwickelt hat auf den Ämtern,<br />
wie sie inzwischen verwaltet werden.<br />
in halle zum Beispiel – wo ich dann ja<br />
zu dem Kongress fahre – wurde das Jugendamt<br />
total rationalisiert von einer<br />
unternehmensberatung. Da gab es eine<br />
Dienstanweisung, die wirklich entsetzlich<br />
ist: Bis ende des Jahres sollen 90 % aller<br />
fremduntergebrachten Kinder zurück<br />
in die Familien gebracht werden. Das ist<br />
der Plan, egal, was ist. es wird gerechnet:<br />
heimunterbringung, eine Person kostet so<br />
und soviel euro. wenn man im sozialamt<br />
arbeitet, hat man sich natürlich gut überlegt,<br />
ob und wann man ein Kind aus der<br />
Familie holt, und so eine Dienstanweisung<br />
ist dann total zynisch. Kein wunder also,<br />
dass auch der sozialarbeiter zum zynismus<br />
neigt, ab und zu.<br />
Sie arbeiten nun wieder an einem Stückauftrag<br />
für das Freiburger Theater.<br />
Kommt es bei Auftragswerken vor, dass<br />
Sie Themenvorschläge zurückweisen, weil<br />
Sie damit nichts anfangen können?<br />
ich kann alles bearbeiten. Das mit den<br />
auftragswerken wird häufig zu eng gesehen.<br />
ich hatte schon vor »Kaspar häuser<br />
Meer« den Plan, ein stück über Burnout<br />
zu schreiben. und das habe ich dann damit<br />
ja auch gemacht. Man kann in jedem<br />
thema etwas finden, was einen interessiert.<br />
in dem Fall war es bei mir stillstand<br />
bei hyperaktivität, ein rotieren. Das gibt<br />
es in meinen anderen stücken ja auch<br />
schon. Dass die Leute eine art selbstbehauptung<br />
haben, die durch den sprechakt<br />
entsteht, dass man auf sich hinweist.<br />
Oder auch das Lamento als Form. Oder<br />
die selbstverteidigung: Bevor man agiert,<br />
muss man sich erst einmal positionieren,<br />
darstellen oder verteidigen.<br />
Das den meisten meiner stücke zu grunde<br />
Das den meisten meiner Stücke zu Grunde liegende<br />
Thema ist der Wunsch zu sprechen, auch wenn man<br />
nicht sprechen kann: das Sprechenwollen.<br />
liegende thema ist der wunsch zu sprechen,<br />
auch wenn man nicht sprechen<br />
kann: das sprechenwollen. es herrscht innendruck<br />
bei gleichzeitiger Lähmung.<br />
Und was ist das Thema des neuen Stücks?<br />
Den genauen themenvorschlag von seiten<br />
der Dramaturgie vergesse ich immer wieder.<br />
irgendetwas mit aupair-Mädchen. Bei<br />
mir geht’s mittlerweile um internationale<br />
zusammenarbeit, um spracherwerb, um<br />
Macht durch sprache und um schwerelosigkeit.<br />
es gibt eine raumstation und<br />
Menschen, denen ständig schlecht ist. und<br />
ich will endlich mal astronauten auftreten<br />
lassen, die nicht sagen: Die erde sieht von<br />
oben so klein aus und ist ein fragiler Ort.<br />
aber das schreiben hat erst gerade angefangen,<br />
mal sehen, wohin das noch führt.<br />
Das Gespräch führte Sibylle Dudek.<br />
Kaspar Häuser Meer<br />
von Felicia zeller<br />
regie: tina Lanik<br />
Bühne: Magdalena gut<br />
Kostüme: su sigmund<br />
Musik: rainer Jörissen<br />
Mit alexandra henkel, Barbara Petritsch, adina<br />
Vetter<br />
H Premiere am 14. Dezember 2008 im KasinO<br />
Die gegenwartsdramatik<br />
wird unterstützt von<br />
Kasino<br />
9
akademietheater<br />
10<br />
»wir sind jung in dem Beruf«<br />
Stephan Kimmig im Gespräch über »Macbeth«<br />
Die Welt ist aus den Fugen, der Lauf der Sonne unterbrochen, der Wechsel von Tag und Nacht aufgehoben, Tiere in ihrem<br />
Verhalten widernatürlich, das politische Gefüge zerbrochen. König Duncan wurde ermordet, heimtückisch im Schlaf.<br />
Schicksalsgestalten hatten Lord Macbeth und seiner Lady die Krone Schottlands vorhergesagt. Dieser Weissagung half das Paar<br />
nach, und so beginnt Shakespeares Drama mit einem Mord, mit dem nichts erreicht wurde, außer an jene Macht zu gelangen, die<br />
Mord um Mord zu verteidigen den Rest eines Lebens ausmachen wird.<br />
Mit Birgit Minichmayr und Dietmar König im Zentrum hat Regisseur Stephan Kimmig, der zuletzt Shakespeares 7-stündige<br />
Tudor-Tetralogie um die Rosenkriege auf die Bühne brachte, die Proben zu Shakespeares letzter großen Tragödie begonnen und<br />
wird mit ihr den Shakespeare-Zyklus des <strong>Burgtheater</strong>s beschließen.<br />
Lord und Lady Macbeth seien das »vielleicht<br />
glücklichste Paar«, das Shakespeare<br />
in seinem Werk entworfen hat, urteilt der<br />
renommierte Shakespeareforscher Harold<br />
Bloom. Teilst du diese Einschätzung?<br />
stephan Kimmig: nein. ein glückliches<br />
Paar sind sie sicherlich nicht. es ist aber<br />
ein Paar, das ein gemeinsames Lebenskonzept<br />
hat. Beide sind karriereversessen<br />
und erst zufrieden, wenn sie die höchste<br />
Position erreicht haben. in ihrer Definition<br />
eines glücklichen Lebens sind sie sich<br />
sehr nahe. wir sehen aber in keinem Moment<br />
des stücks, dass sie dieses glück<br />
nach erreichen ihres wunsches genießen<br />
können. glück bedeutet ja, dass man loslässt,<br />
dass man es gewähren lässt, dass<br />
man es sich gefallen lässt, dass man für<br />
einen Moment aus der großen widersprüchlichkeit<br />
und den gegensätzlichkeiten,<br />
die einen im Leben einpressen, aussteigen<br />
kann. stattdessen kommt jedoch<br />
bei ihnen die angst, die das ganze stück<br />
im griff hält.<br />
Das Paar als Täter ist ein Motiv, das sich<br />
seit den frühesten Tragödien durch die<br />
Weltliteratur zieht. Die Tat, das gemeinsame<br />
Verbrechen rückt dabei oft in einen<br />
erotischen Kontext.<br />
auch in »Macbeth« ist die ganze Planung<br />
und ausführung des Königmords<br />
mit sexuellen anspielungen durchsetzt<br />
und wird zu einem erotischen akt bzw.<br />
setzt sich womöglich an die stelle eines<br />
sexuellen akts. Freud hat ja auf das bestimmende<br />
Motiv der Kinderlosigkeit,<br />
die letztlich dem Paar die zukunft verschließt,<br />
hingewiesen.<br />
Als das Urbild des Täterpaares dürften<br />
Adam und Eva gelten. Bei ihnen wie auch<br />
bei den Täterpaaren in der Dramenliteratur<br />
wird gerne nach dem Teil gesucht,<br />
der schuldiger ist als der andere bzw. es<br />
wird gefragt, wie sich die Schuld genau<br />
auf die zwei Täter aufteilt: wer hatte<br />
die Idee, wer ist der Verführte. Auch in<br />
»Macbeth« wird oftmals die Lady als<br />
diejenige gelesen, die die kriminellen<br />
Energien ihres Mannes erst freisetzt und<br />
die eigentlich treibende Kraft ist. Früh<br />
stand für dich fest, dass dir diese Rollenaufteilung<br />
nicht behagt.<br />
ich halte die Klassifizierung der üblen<br />
Frau im hintergrund, der bösen hexe, der<br />
Verführerin, die den armen unschuldigen<br />
Mann in sein unglück treibt, für langweilig<br />
und sexistisch. solch ein Bild von Frau-<br />
en interessiert mich nicht. Leider ist dieses<br />
Bild immer noch stark in unseren Köpfen<br />
drin. Das hat man im wahlkampf in amerika<br />
wieder schön sehen können: was einer<br />
Frau wie hillary Clinton unterstellt wird,<br />
die nach Macht strebt. Das Klischee, dass<br />
die bösartige schlangenhafte Frau das gift<br />
in die welt bringt, ist immer noch sehr verbreitet<br />
in den Köpfen der Menschen. Dem<br />
muss man entschieden entgegentreten und<br />
mit einem anderen Frauenbild arbeiten.<br />
Bei shakespeare ist es übrigens nicht so<br />
eindeutig, wie es zunächst scheint.<br />
Das Raumkonzept für die Inszenierung<br />
ist radikal. Martin Zehetgruber hat einen<br />
Seelenraum entworfen, einen dunklen<br />
Spiegelraum. Im Gegensatz zu Shakespeares<br />
»Rosenkriegen«, die du gerade im<br />
<strong>Burgtheater</strong> inszeniert hast und in denen<br />
ein noch instrumentelles, kaltes Verhältnis<br />
zur Gewalt besteht, steht das Morden<br />
in »Macbeth« unter moralischem Verdacht<br />
und bedarf einer Legitimation.<br />
Diese beiden shakespeare-unternehmungen<br />
sind sehr unterschiedlich. Die »rosen-<br />
kriege« haben wir breit und episch erzählt,<br />
das Kommen und gehen von<br />
Machtstrukturen als einen sich wiederholenden<br />
Mechanismus. Bei »Macbeth«<br />
haben wir die Fassung stark verknappt,<br />
weil wir vor allem in das innenleben der<br />
Figuren Lady Macbeth und Macbeth hin-<br />
Das ist eben interessant bei dem Herrscherpaar<br />
Macbeth und Lady Macbeth, dass sie bei Erreichen<br />
dieser höchsten Position, die immer bedeutet, dass<br />
der politische oder persönliche Gegner in gewisser<br />
Weise erdolcht wird, nicht glücklich werden.<br />
einschauen wollen und uns deren angsträume<br />
interessieren. Die beiden tragen<br />
gefühle wie scham und schuld noch in<br />
sich - diese zeigen sofort auswirkungen<br />
auf Körper und seele und bestimmen<br />
auch ihr sich veränderndes Verhältnis<br />
zueinander. solche schuld- und schamgefühle<br />
würde ich mir eigentlich wünschen<br />
bei den Mächtigen unserer zeit,<br />
z. B. den Bankern in amerika, die Milliardenabfindungen<br />
kassieren dafür, dass<br />
sie alles in den sand gesetzt haben. Doch<br />
die können scheinbar ungerührt weiterleben<br />
und ihren reichtum verprassen<br />
und ihr glück, das aus geld besteht, genießen.<br />
und das ist eben interessant bei<br />
saison 2008/2009
Leseprobe mit Stephan Kimmig und dem Ensemble<br />
dem herrscherpaar Macbeth und Lady<br />
Macbeth, dass sie bei erreichen dieser<br />
höchsten Position, die immer bedeutet,<br />
dass der politische oder persönliche<br />
gegner in gewisser weise erdolcht wird,<br />
nicht glücklich werden. in der Politik ist<br />
es gang und gäbe, über Leichen zu gehen.<br />
am tag unseres Probenbeginns ist in<br />
Deutschland die spitzenkandidatin der<br />
hessen-sPD andrea Ypsilanti politisch<br />
zerstört worden. was wird aus ihr? wird<br />
sie Depressionen bekommen? Diese Frau<br />
ist politisch tot. wird sie tablettensüchtig,<br />
alkoholabhängig, was für ein Leben<br />
wird sie führen können? ich finde schon,<br />
dass man das vergleichen kann und sollte,<br />
denn in wirtschaft und Politik wird<br />
auf dem weg in die höchste Position immer<br />
jemand geopfert.<br />
Bei Lady Macbeth und Macbeth sehen wir,<br />
2008/2009 saison<br />
dass ihre seele scheinbar noch so zart zu<br />
schwingen scheint, dass ihre taten sofort<br />
angst- und unsicherheitsräume aufreißen.<br />
»wir sind jung in dem Beruf« sagen sie<br />
sich, um sich ihre angst zu erklären. was<br />
für ein satz!<br />
Das, was sich in ihrer seele abspielt, wird<br />
übersetzt auf die Bühne, in einen raum, in<br />
dem es möglich sein wird, die angstatmosphäre<br />
körperlich sowohl für den schauspieler<br />
als auch für den zuschauer erfahrbar<br />
zu machen. es geht hier nicht mehr<br />
um eine konkrete Verortung in »schloss«,<br />
»Verhandlungszimmer« oder »Freies Feld«<br />
etc., sondern wir spielen in einem raum,<br />
der innenräume beschreibbar macht. Das<br />
ist eine starke setzung, die wir jetzt in den<br />
Proben untersuchen wollen.<br />
Das Gespräch führte Judith Gerstenberg.<br />
Macbeth<br />
von william shakespeare<br />
Deutsch von angela schanelec<br />
akademietheater<br />
regie: stephan Kimmig<br />
Bühne: Martin zehetgruber<br />
Kostüme: Katharina Kownatzki<br />
Musik: Michael Verhovec<br />
Licht: reinhard traub<br />
Mit Birgit Minichmayr; sven Dolinski, Markus<br />
hering, Dietmar König, Markus Meyer, Martin<br />
reinke, tilo werner<br />
H Premiere am 19. Dezember 2008<br />
im aKaDeMietheater<br />
11
<strong>Burgtheater</strong><br />
12<br />
ein Leben kann man ja nicht einfach so ausbreiten<br />
Thomas Bernhards »Der Schein trügt«<br />
Das stück beginnt am ende des Lebens.<br />
gestorben ist Mathilde. zurückgelassen<br />
hat sie die (halb-)brüder Karl und robert,<br />
den auf einem auge erblindeten Kanarienvogel<br />
Maggi und ihr wochenendhaus.<br />
Dass sie dieses ausgerechnet robert und<br />
nicht ihrem Lebensgefährten Karl hinterlassen<br />
hat, ist für ihn ein schock, der ihn<br />
schmerzlich »irritiert«.<br />
»Das Mieseste ist die Menschheit an und<br />
für sich. Sie können da nicht irgendwen<br />
ausschalten, glaub’ ich. Alles, was man näher<br />
kennenlernt, wird unappetitlich und ungut,<br />
wenn Sie sich näher damit beschäftigen.<br />
Wenn man näher hinschaut, dann ist das<br />
nicht zum Aushalten.«<br />
Karl, der gealterte Jongleur, und robert, der<br />
gealterte schauspieler, sind beide an einem<br />
Punkt ihres Lebens angelangt, an dem die<br />
physische und psychische zersetzung der<br />
existenz bereits fortgeschritten ist. Die zwei<br />
gealterten selbstgesprächskünstler finden<br />
sich jeden Dienstag bei Karl und jeden Donnerstag<br />
bei robert zusammen. sie haben<br />
ihr spiel der nichtigkeiten, der selbsttäuschungen,<br />
der Missverständnisse, der quälenden<br />
nähe, der zwischenmenschlichen<br />
gemeinheiten, der Vorhaltungen und selbstvorwürfe<br />
zum ritual erhoben.<br />
»Ein jeder Mensch will gleichzeitig teilnehmen<br />
und gleichzeitig in Ruhe gelassen sein.<br />
Und da das eigentlich nicht möglich ist,<br />
beides, ist man immer in einem Konflikt.<br />
Man macht hier die Tür zu, um wieder allein<br />
zu sein, in dem Moment, wo man die Tür zumacht,<br />
ist einem gleichzeitig auch bewusst,<br />
dass es falsch, dass es wieder eine falsche<br />
Handlung ist, weil man es im Grund nicht<br />
will; weil man erstens einmal weiß, dass das<br />
Alleinsein viel unangenehmer ist, aber andererseits<br />
können S’ nix machen. «<br />
Die (halb-)brüder – der durchsetzungsfähige<br />
artist und der anlehnungsbedürftige Bühnenkünstler<br />
– verkörpern zwei unterschiedliche<br />
Prinzipien der existenzbewältigung.<br />
in ihrem endlosen Bilanzieren geht es jeden<br />
Dienstag und jeden Donnerstag am abend<br />
der altersdämmerung immer wieder um die<br />
einzige Frage: wer ist der stärkere?<br />
in dieser sich selbst vernichtenden welt der<br />
Thomas Bernhard 1984 in Gaspoltshofen<br />
beiden (halb-)brüder geht nichts auf das Leben,<br />
sondern alles auf den tod zu. Beide haben<br />
sich in ihren wohnungen an einen Ort<br />
geflüchtet, den sie sich selbst zum Kerker machen.<br />
Der Verfall ist nicht aufzuhalten. alles<br />
scheint von schleichender todeskrankheit<br />
besetzt. Den (halb-)brüdern bleibt nur, sich<br />
ein Bewusstsein davon zu verschaffen und zu<br />
erhalten: eine Fluchtbewegung ins resümieren<br />
über das Leben.<br />
»Jeder Mensch hat seinen Weg, und jeder<br />
Weg ist richtig. Und es gibt, glaube ich, jetzt<br />
fünf Milliarden Menschen und fünf Milliarden<br />
richtige Wege. Das Unglück der Menschen<br />
ist eben, dass sie den Weg, den eigenen,<br />
nicht gehen wollen, immer einen<br />
anderen gehen wollen. Sie streben zu etwas<br />
anderem, als sie selbst sind. Es ist ja jeder<br />
eine große Persönlichkeit, ob der da malt<br />
oder zusammenkehrt oder schreibt. Die Leute<br />
wollen immer etwas anderes. Das ist das<br />
Unglück der Welt, achtundneunzig Prozent,<br />
oder geben wir noch ein Prozent dazu. Jedesmal,<br />
wenn S’ mit jemandem reden, ist es ein<br />
Idiot. Aber Sie sind liebenswürdig, weil man<br />
ja kein Spielverderber ist, man redet mit den<br />
Leuten weiter, geht mit ihnen essen und ist<br />
lieb und nett. Und im Grund sind s’ blöd,<br />
weil sie sich gar nicht anstrengen. Was man<br />
nicht gebraucht, verkümmert und stirbt ab.<br />
Da die Leute nur den Mund, aber nicht das<br />
Gehirn gebrauchen, kriegen sie ausgeprägte<br />
Gaumen- und Kinnpartien, aber im Hirn ist<br />
halt nichts mehr da. So ist es meistens.«<br />
sich durch das zurückdenken und selbstbefragen<br />
einen aufschub zu verschaffen, kostet<br />
die beiden naturgemäß Lebenskraft; ebenso<br />
der Versuch, das eigene Denken darzustellen,<br />
sich dem gegenüber mitzuteilen.<br />
»Vortäuschen tun alle, der Satz stimmt eigentlich<br />
immer, dass der eine besser vor-<br />
saison 2008/2009
täuscht als der andere, das kann man nie verneinen.<br />
Ich will ja nur sagen, dass gar nichts<br />
gelingt, dass einem nie was gelingt. Man<br />
will immer und ärgert sich immer über alles,<br />
und das Ende kann nur ein totales Versagen<br />
sein. Und das ist bei jeder Sache, die man<br />
macht, und dann drängt man das wieder zurück.<br />
Man nimmt wieder einen Anlauf, und<br />
insofern entstehen Sachen, aber das, was<br />
man wirklich will oder was die Welt so als<br />
vollendete Sache nimmt, das kommt nie<br />
zustande.«<br />
so existieren zu können, fordert ein beständiges<br />
Kreisen um das eigene ich. Doch da<br />
sich dieses Denken nicht mitteilen lässt und<br />
daher nicht in das (zusammen-)Leben integriert<br />
werden kann, entfernt es sich immer<br />
weiter vom anderen Menschen.<br />
»Man kann ja nicht alles aufzählen; ein Leben<br />
kann man ja nicht einfach so ausbreiten.<br />
Wenn Sie Ihr Leben ausbreiten, dann können<br />
Sie’s ausbeuteln wie einen völlig verschmutzten<br />
Teppich, dann würden Sie sich<br />
auch bedanken, wenn ich Ihnen den ins Gesicht<br />
beutl. Und so ungefähr wäre es, wenn<br />
jemand sein Leben, gleich welches, vor Ihnen<br />
ausbeutelt. Dann würden Sie einen Hustenanfall<br />
kriegen und schon nach einer kurzen<br />
Zeit davonrennen.«<br />
Der erschöpfende Versuch sich mitzuteilen<br />
führt statt zu einem Miteinander in die isolation.<br />
Der vergebliche Versuch, das zur sprache<br />
zu bringen, verzehrt.<br />
»Die Wörter, mit denen wir reden, existieren<br />
eigentlich gar nicht mehr, das ganze Wortinstrumentarium,<br />
das wir gebrauchen, existiert<br />
gar nicht mehr. Aber es ist auch nicht<br />
möglich, vollkommen zu verstummen.«<br />
(Thomas Bernhard, Verstörung)<br />
Da jeder Versuch, sich mittels der vorgegebenen<br />
sprache verständlich zu machen, naturgemäß<br />
scheitern muss, wird der Dialog<br />
zum Kampf. im tummelplatz der worte<br />
und gedanken wird die Leere schmerzhaft<br />
fühlbar.<br />
»Wenn man lange allein ist, wenn man<br />
sich an das Alleinsein gewöhnt hat, wenn<br />
man im Alleinsein geschult ist, entdeckt<br />
2008/2009 saison<br />
man überall dort, wo für andere Menschen<br />
nichts ist, immer mehr.«<br />
Das unaufhörliche Denken vernichtet sich<br />
selbst, indem alles mit unzulänglichen wörtern<br />
zerredet wird. Der verzweifelte widerstandskampf<br />
der innenwelt gegen die andrängende,<br />
sich verändernde außenwelt flüchtet<br />
sich ins Äußerliche. Das Banale überwiegt:<br />
»Durch dieselbe Brille durch welche ich Voltaire<br />
lese / sehe ich meine zehennägel«. (Der<br />
Schein trügt) Die beiden Berufs-Darsteller<br />
(der schauspieler wie der artist) haben ihre<br />
aufgabe abgegeben und sind zu selbstdarstellern<br />
geworden. als sich nach Mathildes<br />
tod das Publikum (vom halb-blinden Kanarienvogel<br />
Maggi einmal abgesehen) auf ein<br />
einziges gegenüber reduziert hat, wird im<br />
gegenüber das eigene kenntlich. so kommt<br />
das Programm abhanden. nichts ist mehr zu<br />
proben (auch nicht der Lear), und keine teller<br />
werden in der Luft jongliert. es bleiben<br />
nur die immergleichen gedanken um das<br />
Vergangene.<br />
»Für zwei Leute können schon ganz verschiedene<br />
Sachen angenehm sein. Und wenn<br />
zwei durch eine Landschaft gehen und es<br />
weht ein angenehmer Wind, sagt der eine:<br />
»Ach, ist dieser Hauch angenehm.« Und<br />
der andere denkt sich: »mir nicht«, sagt<br />
aber entweder nichts oder tut sich damit solidarisieren,<br />
und heuchelt und lügt, weil er<br />
die angenehme Stimmung des anderen nicht<br />
stören will. Und er sagt: »Ja, du hast recht,<br />
wie angenehm«, und tut dann noch mehr<br />
dazu. Oder er will den kränken. Meistens<br />
ist es so, dass es dem einen un angenehm<br />
ist, wenn dem anderen was angenehm ist,<br />
und er findet dann schon das richtige Wort,<br />
so dass dem das Angenehme in dem Moment<br />
jäh abgeschnitten ist. Ja, jetzt werd‘<br />
ich‘s Ihnen sagen: Wie ich Sie g‘sehn hab‘,<br />
war‘s mir äußerst unangenehm und scheußlich,<br />
dann hab‘ ich mich auf die Bank niedergesetzt,<br />
und da hab‘ ich mich derfangen.<br />
Und dann war es plötzlich hier sehr angenehm.<br />
Wie lange das Angenehme andauert,<br />
das kann ja ich nicht wissen. Sie können<br />
was sagen, und das ganze Angenehme ist<br />
plötzlich hin, und in mir fällt alles zusammen,<br />
das weiß ich ja nicht. Ich lebe Perioden,<br />
also tagelang sehr angenehm und wochenlang<br />
sehr unangenehm. Aber was das<br />
<strong>Burgtheater</strong><br />
eigentlich ist, weiß man ja nicht. Das können<br />
auch Sie nicht wissen.<br />
Wenn einem was gelingt, empfindet man<br />
das als angenehm. Das beginnt schon, wenn<br />
man aufsteht, ohne dass einem etwas weh<br />
tut. Wenn einem das Aus-dem-Bett-Steigen<br />
keine Schwierigkeiten macht, das ist irgendwie<br />
schon angenehm. Wenn einem eine erste<br />
Kombination im Kopf gelingt oder irgendein<br />
guter Satz, oder wenn einem etwas<br />
einfällt, was einem bis jetzt noch nicht eingefallen<br />
ist, das ist alles angenehm. Wenn<br />
man sich wiederholt, oder wenn einem was<br />
weh tut, das ist alles unangenehm. Und der<br />
Mensch wird ja nur deshalb alt und kriegt<br />
Runzeln und stirbt, weil die meiste Zeit des<br />
Lebens unangenehm ist. Wenn mehr Angenehmes<br />
wäre, würden die Leute hundertfünfzig<br />
bis dreihundert Jahre alt werden.<br />
Da das meiste unangenehm ist, verschließen<br />
sie sich, verlieren die Zähne und kriegen<br />
ab dreißig verbitterte Gesichter, hassen<br />
alles, was mehr ist als sie. Wenn einer ein<br />
Moped fährt, hasst er den, der eine Honda<br />
fährt um siebzigtausend Schilling. Wer Honda<br />
fährt, hasst den mit dem Mercedes. Der<br />
mit dem Mercedes sagt: »Ein Schloss möcht‘<br />
ich haben.« Der mit dem Schloss möchte eigentlich<br />
Europa besitzen. Sie kommen also<br />
aus dem Unglück nicht heraus. Der Straßenkehrer<br />
bewundert den Wittgenstein, der vorbeigeht<br />
mit seinem Geld. Der Wittgenstein<br />
denkt: »Mein Gott, hätt‘ ich das alles nur<br />
los, meine g‘schmackigen Sockerln und Hoserln<br />
und Schuhe aus London. Wär‘ ich nur<br />
der mit dem Besen da, dann hätt‘ ich meine<br />
Ruh‘, und es wäre sehr angenehm.« Das ist<br />
verrückt. Es empfindet sich niemand als angenehm.<br />
Garantiert kein Mensch empfindet<br />
sich als angenehm.«<br />
alle zitate, soweit nicht anders nachgewiesen,<br />
sind dem Buch »aus gesprächen<br />
mit thomas Bernhard« von Kurt hofmann<br />
entnommen.<br />
Britta Kampert<br />
Der Schein trügt<br />
von thomas Bernhard<br />
regie: nicolas Brieger<br />
Bühne: Mathias Fischer-Dieskau<br />
Kostüme: andrea schmidt-Futterer<br />
Mit Michael König, Martin schwab<br />
H Premiere 3. Jänner 2009 im <strong>Burgtheater</strong><br />
13
Vestibül<br />
14<br />
alle toten fliegen hoch 4:<br />
theorie und Praxis<br />
von und mit Joachim Meyerhoff<br />
An seinem vierzigsten Geburtstag, ich war sechs Jahre alt, sagte<br />
mein Vater zu uns, meiner Mutter und meinen beiden Brüdern, beim<br />
Geburtstagsfrühstück, zu dem es verschiedene Räucherfische gab, Makrele,<br />
Schillerlocken, sehr fetten Aal und die von meinem Vater sehr geschätzten<br />
Kieler Sprotten, die er ganz, mit Kopf, aß, so dass man die Wirbelsäulen<br />
knacken hörte, um so deutlicher, da er seine schönen, von den Fischen fettigen Lippen,<br />
nie geschlossen hatte, bei diesem Geburtstagsfrühstück sagte er zu uns: »Heute<br />
werde ich vierzig. Vor diesem Geburtstag habe ich mich immer gefürchtet. Auch wenn<br />
ich die Formulierung ›runder Geburtstag‹ bescheuert finde, wird dieser sogenannte<br />
runde Geburtstag der letzte in meinem Leben sein, bei dem ich darauf hoffen kann,<br />
noch einmal doppelt so alt zu werden.«<br />
Die ersten drei Teile der Reihe »Alle Toten fliegen hoch« wurden von Zuschauern<br />
wie Kritikern gleichermaßen begeistert aufgenommen. Auch in dieser Spielzeit wird<br />
der passionierte Erzähler Joachim Meyerhoff die Reise durch die eigene Geschichte<br />
fortsetzen. Im Zentrum des vierten Teils stehen Erinnerungen an seinen Vater.<br />
ausstattung: sabine Volz<br />
H Premiere am 17. Dezember 2008 im VESTIBÜL<br />
Spieltriebe 30<br />
schöner lügen<br />
hochstapler bekennen<br />
»es war der gedanke der Vertauschbarkeit,<br />
der sich mir aufdrängte, wenn ich einen augenblick<br />
lang nichts zu tun hatte und in der<br />
eingangshalle die von Dienern umschwänzelte<br />
hotel-gesellschaft überblickte. Den<br />
anzug, die aufmachung gewechselt, hätten<br />
vielfach die Bediensteten ebensogut herrschaft<br />
sein und hätte so mancher von denen,<br />
welche, die zigarette im Mundwinkel, in den<br />
tiefen Korbstühlen sich rekelten – den Kellner<br />
abgeben können. es war der reine zufall,<br />
dass es sich umgekehrt verhielt – der zufall<br />
des reichtums; denn eine aristokratie des<br />
geldes ist eine vertauschbare zufallsaristokratie.«<br />
(Felix Krull)<br />
Der hochstapler ist ein schauspieler, der<br />
sein talent jenseits der Bühne einsetzt.<br />
erst im nachhinein merkt sein Publikum,<br />
dass es einer aufführung beigewohnt und<br />
nicht selten ein hohes eintrittsgeld bezahlt<br />
hat. spätestens seit thomas Manns<br />
Felix Krull sind hochstapler auch in<br />
der Literatur die strahlenden stars unter<br />
den Verbrechern. wie sie mit Charme<br />
und eleganz von einer rolle in die andere<br />
schlüpfen und die wirklichkeit schöner<br />
lügen, führt dazu, dass die welt sich<br />
gern von ihnen betrügen lässt. Denn wer<br />
denkt an Moral, wenn er gerade verführt<br />
wird? und wer hat nicht schon ein-<br />
mal davon geträumt, die grenzen der eigenen<br />
identität zu verschieben oder sich<br />
gar neu zu erfinden?<br />
»schöner lügen« verdichtet spektakuläre<br />
Fälle von hochstaplern zu einer vielstimmigen<br />
Bekenntnis-show.<br />
Leitung: Bastian Kraft, Peter Baur,<br />
Dagmar Bald, Arthur Fussy<br />
Mit Pauline Knof; Hans Dieter Knebel,<br />
Markus Meyer<br />
H Premiere / Uraufführung am 15. November 2008<br />
im VESTIBÜL<br />
2008/2009 saison
herzzeit<br />
Der Briefwechsel zwischen Ingeborg Bachmann und Paul Celan<br />
gelesen von Johanna Wokalek und Jens Harzer<br />
Jens Harzer Johanna Wokalek<br />
Wien, am 24. Nov. 1949<br />
Lieber, lieber Paul,<br />
jetzt ist es November geworden. Mein<br />
Brief, den ich im August geschrieben habe,<br />
liegt noch da – alles ist so traurig. Du hast<br />
vielleicht auf ihn gewartet. Nimmst Du<br />
ihn heute noch?<br />
Ich fühle, dass ich zu wenig sage, dass ich<br />
Dir nicht helfen kann. Ich müsste kommen,<br />
Dich ansehen, Dich herausnehmen,<br />
Dich küssen und halten, damit Du nicht<br />
fortgleitest. Bitte glaub daran, dass ich<br />
eines Tages komme und Dich zurückhole.<br />
Ich sehe mit viel Angst, wie Du in ein<br />
grosses Meer hinaustreibst, aber ich will<br />
mir ein Schiff bauen und Dich heimholen<br />
aus der Verlorenheit. Du musst nur selbst<br />
auch etwas dazutun und es mir nicht zu<br />
schwer machen. Die Zeit und vieles ist gegen<br />
uns, aber sie soll nicht zerstören dürfen,<br />
was wir aus ihr herausretten wollen.<br />
Schreib mir bald, bitte, und schreib, ob<br />
Du noch ein Wort von mir willst, ob Du<br />
meine Zärtlichkeit und meine Liebe noch<br />
nehmen kannst, ob Dir noch etwas hel-<br />
2008/2009 saison<br />
fen kann, ob Du manchmal noch nach<br />
mir greifst und mich verdunkelst mit dem<br />
schweren Traum, in dem ich licht werden<br />
möchte.<br />
Versuche es, schreib mir, frag mich,<br />
schreib Dir alles weg, was auf Dir liegt!<br />
Ich bin sehr bei Dir<br />
Deine Ingeborg.<br />
Der Briefwechsel zwischen 1948 und<br />
1961 ist ein bewegendes zeugnis: zunächst<br />
als das gespräch einer Liebe nach<br />
auschwitz mit allen symptomatischen<br />
Krisen aufgrund der so konträren herkunft<br />
der beiden und ihrer schwer zu vereinbarenden<br />
Lebensentwürfe. aber es ist<br />
auch ein ringen um Freundschaft oder<br />
um wenigstens irgendeine Beziehung.<br />
Die herausgeberin andrea stoll schreibt<br />
anlässlich der neuveröffentlichung des<br />
Briefwechsels in der Faz:<br />
»Der surrealistische Lyriker Paul Celan«<br />
habe sich »herrlicherweise« in sie verliebt,<br />
schreibt ingeborg Bachmann am<br />
20. Mai 1948 ihren eltern. ihr zimmer<br />
<strong>Burgtheater</strong><br />
sei »ein Mohnfeld«, denn er beliebe sie<br />
»mit dieser Blumensorte zu überschütten«.<br />
genau drei tage später widmet<br />
ihr der um entscheidende sechs Jahre ältere<br />
Celan das gedicht »in Ägypten«, ein<br />
Liebesgedicht, das neun gebote der Liebe<br />
und des schreibens nach der schoa<br />
verkündet. Mit diesem gedicht, das den<br />
Briefwechsel eröffnet, reißt Paul Celan<br />
den abgrund auf, der von nun an das<br />
sprechen und schreiben dieser beiden<br />
schriftsteller bestimmt.<br />
Der Lesung des Briefwechsels geht eine<br />
einführung des ingeborg Bachmannexperten<br />
Prof. Dr. hans höller voran.<br />
eine Veranstaltung in Kooperation mit<br />
dem suhrkamp Verlag.<br />
Das Hörbuch mit dem Briefwechsel zwischen<br />
Ingeborg Bachmann und Paul Celan,<br />
gelesen von Johanna Wokalek und<br />
Jens Harzer, erscheint im Dezember<br />
2008 bei speak low.<br />
Am 5. Dezember 2008 im BURGTHEATER<br />
15
<strong>Burgtheater</strong><br />
16<br />
Karlheinz hackl & heinz Marecek: Melodie des Lachens<br />
Ein Jahrhundert lässt Revue passieren<br />
Karlheinz Hackl, Heinz Marecek<br />
Oh, ich liebe das Mädchen mit den drei blauen Augen,<br />
nicht einem, nicht zwei, nein: drei blaue Augen.<br />
Ja, wenn ich in ihre drei Augen schau:<br />
wie blau, wie blau, wie blau.<br />
Es gibt sehr viele Menschen mit zwei blauen Augen,<br />
doch nur mein Mäderl hat drei blaue Augen.<br />
Wenn sie schläft, schließt sie zwei, und mütterlich<br />
wacht das dritte über mich.<br />
Wenn wir zwei spazieren gehen,<br />
Aug in Aug, Aug in Aug - und Aug,<br />
bleibt so manches Mädchen stehen,<br />
die sich denkt: es wäre nett,<br />
wenn sie auch ein drittes hätt.<br />
Oh, wie gern tu ich Küsse von ihren Lippen saugen,<br />
doch noch lieber küss ich die drei blauen Augen.<br />
Ich könnte sie küssen in einem fort:<br />
hier und hier und dort.<br />
Georg Kreisler<br />
100 Jahre Cabaret! schon mit ihrem Programm<br />
»was lachen sie?« gelang den<br />
Publikumslieblingen Karlheinz hackl<br />
und heinz Marecek ein großer erfolg:<br />
Pointenreich und mit höllischem tempo<br />
verkörperten sie die traditionellen Figuren<br />
der Doppelconference, die mit Klugheit,<br />
witz und Menschlichkeit unbedingte<br />
wegbegleiter der zeitkritik sind. in ihrem<br />
neuen Programm streifen Karlheinz hackl<br />
und heinz Marecek nun wieder durch die<br />
welt des Cabarets.<br />
Der Bogen spannt sich von der zeit vor<br />
dem ersten weltkrieg, geht über die 20er<br />
und frühen 30er Jahre, in denen das<br />
Cabaret eine nie wieder erlebte hochblüte<br />
in dieser stadt verzeichnen konnte, bis<br />
zum Jahr 38, in dem alles schlagartig<br />
zu ende war. und weiter, als nach dem<br />
Krieg die ersten Versuche unternommen<br />
wurden – die zeit hatte eine unfassbare<br />
schneise in die Landschaft der autoren<br />
und interpreten geschlagen – in dieser<br />
stadt wieder Cabaret zu machen. alle<br />
großmeister des genres kommen zu<br />
wort: armin Berg, Fritz grünbaum, Franz<br />
engel, Karl Farkas, hermann Leopoldi,<br />
Fritz Löhner-Beda, Peter hammerschlag,<br />
gerhard Bronner, Carl Merz, georg<br />
Kreisler und viele, viele andere.<br />
Karlheinz hackl und heinz Marecek erzählen<br />
in Liedern und texten, wie schön<br />
es nach dem Krieg an der »schönen roten<br />
Donau« wirklich war, über den<br />
»Mann mit dem Überzieher« und von den<br />
» Pollaks, mit denen man nicht verkehren<br />
soll«. sie erkunden, was mit den »novaks<br />
aus Prag« passiert ist, berichten vom »gewissenhaften<br />
Maurer« und vom »Mann<br />
mit dem schwarzen Bart« und widmen<br />
sich dem »g’schupften Ferdl« genauso<br />
wie dem »zirkus, der in Flammen stand«<br />
und dem »Mädchen mit den drei blauen<br />
augen«. zudem verraten die beiden<br />
ihnen vielleicht das geheimnis »wovon<br />
die Leute wirklich leben«.<br />
Melodie des Lachens<br />
von und mit Karlheinz hackl & heinz Marecek<br />
Klavierbegleitung: Florian schäfer<br />
H Premiere am 11. Dezember 2008<br />
im <strong>Burgtheater</strong><br />
saison 2008/2009
Maria stuart<br />
Ein Trauerspiel von Friedrich Schiller<br />
Susanne Wolff, Daniel Hoevels<br />
Fasziniert vom schicksal der laut zeitzeugen<br />
schönen und leidenschaftlichen<br />
Maria stuart, plante schiller bereits nach<br />
der Beendigung von »Kabale und Liebe«<br />
ein Drama über die schottische Königin.<br />
Für ihn bestand die herausforderung bei<br />
der Bearbeitung des stoffes darin, »dass<br />
man die Katastrophe gleich in den ersten<br />
szenen sieht, und, indem die handlung<br />
des stückes sich davon wegzubewegen<br />
scheint, ihr immer näher und näher geführt<br />
wird.«<br />
»Was man scheint, hat<br />
jedermann zum Richter;<br />
was man ist, hat keinen.«<br />
schillers trauerspiel beginnt drei tage vor<br />
Maria stuarts hinrichtung. es erzählt von<br />
der eingekerkerten und ihrem Versuch,<br />
das bereits verkündete todesurteil abzuwenden.<br />
währenddessen ringen verschiedene<br />
politische Lager entweder um die Befreiung<br />
oder die baldige hinrichtung der<br />
gefangenen. elisabeth i., von diesen Kräften<br />
umgeben, schwankt. ein Befreiungsversuch<br />
und ein Mordkomplott schlagen<br />
2008/2009 saison<br />
fehl. Letztlich unterschreibt elisabeth die<br />
hinrichtungsurkunde, und Maria stuarts<br />
Kopf fällt.<br />
schillers Königinnendrama stellt die Frage<br />
nach dem Verhältnis von Macht und<br />
Moral, beschreibt den einfluss von ganz<br />
privaten gefühlen und interessen auf Politik.<br />
Darin drückt sich eine tiefe skepsis<br />
schillers gegenüber der Möglichkeit moralischen,<br />
politischen handelns aus, zu<br />
der nicht zuletzt die Pervertierung der<br />
Französischen revolution beigetragen<br />
hat. es sind dies zweifel, die uns heute, in<br />
anderer Form, wie abwendung von Politik,<br />
in Demokratiebeschimpfung und vor<br />
allem als angst wieder begegnen.<br />
»Die Maria von susanne wolff ist an<br />
händen und Füßen an einen Folterstuhl<br />
gefesselt. zum stillsitzen in grauer anstaltskleidung<br />
und Latschen verdammt,<br />
doch ohne zweifel eine Königin des prallen<br />
Lebens. Macht ist's, die mich hier unterdrückt,<br />
erklärt sie mit spöttischem Lächeln<br />
ihrem Bewacher Paulet ( Christoph<br />
Bantzer). nicht die schuld, die sie zweifellos<br />
auf sich geladen hat, hat sie hier-<br />
gastspiel<br />
her gebracht, sondern Missachtung des<br />
Völkerrechts. entschlossen tritt sie ihrem<br />
schicksal entgegen. selbst beim demütigenden<br />
öffentlichen akt des zähneputzens<br />
schleudert die gefangene ihrem wächter<br />
wortlos Verachtung entgegen. susanne<br />
wolff ist in höchstform.<br />
Die angst der Macht: stephan Kimmig<br />
gelingt am hamburger thalia theater<br />
eine fulminante inszenierung von schillers<br />
Maria stuart.«<br />
Frankfurter rundschau<br />
Die inszenierung, die am 24. Februar<br />
2007 am thalia theater in hamburg Premiere<br />
feierte, war dieses Jahr zum Berliner<br />
theatertreffen eingeladen.<br />
Leitung: stephan Kimmig, Katja haß, anja rabes,<br />
Michael Verhovec, helena ratka<br />
Mit Paula Dombrowski, susanne wolff; Christoph<br />
Bantzer, Moritz grove, Daniel hoevels, Peter<br />
Jordan, helmut Mooshammer, werner wölbern<br />
gastspiel des thalia theater hamburg<br />
am 6. und 7. Dezember 2008 im <strong>Burgtheater</strong><br />
im anschluss an die Vorstellung am 7. Dezember<br />
findet ein Publikumsgespräch statt.<br />
17
edition <strong>Burgtheater</strong><br />
18<br />
<strong>Burgtheater</strong> 1999–2008<br />
15 gefeierte aufführungen und höhepunkte<br />
der Direktion Klaus Bachler<br />
DIE TOTEN HOSEN ��<br />
������ DER STANDARD<br />
edition BURGTHEATER<br />
Nur zu Besuch:<br />
Die Toten Hosen<br />
Unplugged im Wiener <strong>Burgtheater</strong><br />
Jetzt auf DVD!<br />
Die <strong>Burgtheater</strong>-Box mit 15 DVDs. einzelstückpreis euro 19.99 / Box euro 249,– / Produktion: hOanzL<br />
Die DVDs sind im <strong>Burgtheater</strong> in der Buchhandlung Leporello, im akademietheater vor Vorstellungsbeginn, im servicecenter des<br />
<strong>Burgtheater</strong>s und online im e-shop von hoanzl.at, burgtheater.at und leporello.at erhältlich. und natürlich im handel.<br />
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mit e-mail an vertrieb@hoanzl.at sowie im akademietheater und im servicecenter möglich.<br />
saison 2008/2009
wiedersehen mit Franz grillparzer,<br />
Peter handke, elfriede Jelinek, gert Jonke,<br />
Johann nestroy, Friedrich schiller und Oscar wilde<br />
Die spielzeit 2008/2009 ist eine abschiedsspielzeit, in der viele der gefeierten aufführungen der letzten zehn Jahre nochmals zu<br />
sehen sind. Den auftakt macht am 8. Jänner 2009 andrea Breths »Don Carlos« inszenierung.<br />
2008/2009 saison<br />
Don Carlos von Friedrich schiller<br />
Ein »Don Carlos«, dem man sich<br />
vorbehaltlos hingibt. (nzz)<br />
regie: andrea Breth<br />
ab Jänner wieder im <strong>Burgtheater</strong><br />
Das goldene Vließ von Franz grillparzer<br />
Was für ein Triumph! (Der standard)<br />
regie: stephan Kimmig<br />
ab april wieder im <strong>Burgtheater</strong><br />
abschied<br />
König Ottokars Glück und Ende<br />
von Franz grillparzer<br />
Zwei hervorragende Protagonisten – Tobias Moretti und<br />
Michael Maertens. (Münchner Merkur)<br />
regie: Martin Kušej<br />
ab april wieder im <strong>Burgtheater</strong><br />
Höllenangst von Johann nestroy<br />
Grotesker Witz und die dazu gehörige Portion Schärfe. (Kurier)<br />
regie: Martin Kušej<br />
ab Juni wieder im <strong>Burgtheater</strong><br />
Untertagblues von Peter handke<br />
Im Innersten gepackt, bei seinen Herztönen<br />
und deren Frequenz. (Der standard)<br />
regie: Friederike heller<br />
ab März wieder im aKaDeMietheater<br />
Das Werk von elfriede Jelinek<br />
Federleicht, ironisch, frech. (Der tagesspiegel)<br />
regie: nicolas stemann<br />
ab März wieder im aKaDeMietheater<br />
Chorphantasie von gert Jonke<br />
Heiterkeit, Nachdenklichkeit und Momente absoluter Stille,<br />
die in Begeisterung münden. (Die Presse)<br />
regie: Christiane Pohle<br />
ab april wieder im aKaDeMietheater<br />
Ernst ist das Leben (Bunbury) von Oscar wilde<br />
in der Fassung von elfriede Jelinek<br />
Wunderbare Komödianten! (Faz)<br />
regie: Falk richter<br />
ab Juni wieder im aKaDeMietheater<br />
19
nachgefragt:<br />
Michael König, schauspieler<br />
Was wäre für Sie das größte Unglück? Das welches meine Kinder trifft<br />
Wo möchten Sie leben? im himmel<br />
Was ist für Sie das vollkommene irdische Glück? auf erden im himmel zu sein<br />
Welche Fehler entschuldigen Sie am ehesten? Die aus Liebe passieren<br />
Ihre liebste Romanheldin? Diotima<br />
Ihre Lieblingsgestalt in der Geschichte? Jesus Christus<br />
Ihre Lieblingsheldinnen in der Wirklichkeit? Mütter<br />
Ihre Lieblingsheldinnen in der Dichtung? Die Frauen bei Dostojewskij<br />
Ihre Lieblingsmaler? giotto und Francis Bacon<br />
Ihr Lieblingskomponist? J. s. Bach und F. schubert<br />
Welche Eigenschaften schätzen Sie bei Kühnheit und wahre Klugheit<br />
einem Mann am meisten?<br />
Welche Eigenschaften schätzen Sie bei warmherzigkeit und wahre Klugheit<br />
einer Frau am meisten?<br />
Ihre Lieblingstugend? Klugheit und Demut<br />
Ihre Lieblingsbeschäftigung? Lesen<br />
Wer oder was hätten Sie sein mögen? Der ich bin, allerdings als gesprächspartner etwa von Platon,<br />
augustinus, Leonardo, shakespeare, heimito v. Doderer u.v.a.<br />
Ihr Hauptcharakterzug? Müssen andere beurteilen<br />
Was schätzen Sie bei Ihren Freunden am meisten? Bei jedem anderes, aber das reichlich<br />
Ihr größter Fehler? unordnung<br />
Ihr Traum vom Glück? Dass meine Kinder zum segen für andere werden<br />
Was möchten Sie sein? was ich bin, nur besser<br />
Ihre Lieblingsfarbe? Kornblumenblau<br />
Ihre Lieblingsblume? Pfingstrose<br />
Ihr Lieblingsvogel? schneeeule<br />
Ihr Lieblingslyriker? Pindar, hölderlin, rilke und Celan<br />
Ihr Lieblingsdramatiker? Die griechischen tragiker<br />
Ihr Lieblingsstück? Orestie von aischylos<br />
Ihre Helden in der Wirklichkeit? Die für andere, v.a. für Kinder, Verantwortung übernehmen<br />
Ihre Heldinnen in der Geschichte? dito (Die für andere, v.a. für Kinder, Verantwortung übernehmen)<br />
Ihre Lieblingsnamen? Josephine, Benedikt, Magnus, stella Maria, Claudia, Muriel<br />
Was verabscheuen Sie am meisten? Die Vernichter des Lebens (auch des ungeborenen)<br />
Welche geschichtlichen Gestalten verachten alle, die sich ein recht über das Leben anderer anmaßen,<br />
Sie am meisten? und deren exekutoren<br />
Welche militärischen Leistungen bewundern Die Leben retten<br />
Sie am meisten?<br />
Welche Reform bewundern Sie am meisten? griechische Polis und gegenreformation<br />
Welche natürliche Gabe möchten Sie besitzen? schauen können wie Leonardo<br />
Wie möchten Sie sterben? Versöhnt mit gott und Peter stein<br />
Ihre gegenwärtige Geistesverfassung? es ist herrlich, da zu sein<br />
Ihr Motto? heraklit: »����� ���������� ����� ~ « übersetzt<br />
heidegger: »Das immerdaraufgehende dem sichverbergen<br />
schenkt’s seine gunst.«<br />
2008/2009 saison<br />
Porträt<br />
Nach der Schauspielausbildung<br />
an der Otto-Falckenberg-<br />
Schule debütierte der gebürtige<br />
Münchner 1966 in Nestroys »Der<br />
Zerrissene« an den Münchner<br />
Kammerspielen, wo er bis 1967<br />
engagiert war. Dort wie auch<br />
später am Bremer Theater begann<br />
seine prägende Zusammenarbeit<br />
mit Peter Stein. 1970 wechselte<br />
König gemeinsam mit Stein<br />
an die Berliner Schaubühne,<br />
wo er fast drei Jahrzehnte zum<br />
Ensemble gehörte und in den<br />
herausragenden Inszenierungen<br />
von Peter Stein, Luc Bondy<br />
und Andrea Breth mitwirkte.<br />
In dieser Zeit inszenierte König<br />
auch selbst. 1996 fand er den<br />
Weg ins Ensemble der Münchner<br />
Kammerspiele, wo er bis zur<br />
Spielzeit 1999/2000 blieb, bevor<br />
er zu Beginn der Direktion Klaus<br />
Bachlers ans <strong>Burgtheater</strong> geholt<br />
wurde. Hier arbeitete er erneut<br />
sehr eng mit der langjährigen<br />
Hausregisseurin Andrea Breth<br />
zusammen, u. a. in Tschechows<br />
»Onkel Wanja« (2000), Bonds<br />
»Die See« (2000), Horváths »Der<br />
jüngste Tag« (2000), Kleists »Das<br />
Käthchen von Heilbronn« (2001),<br />
Schillers »Maria Stuart« (2001),<br />
Ostermaiers »Letzter Aufruf«<br />
(2002), Lessings »Emilia Galotti«<br />
(2003), Williams’ »Die Katze auf<br />
dem heißen Blechdach« (2004).<br />
Zuletzt spielte Michael König<br />
den Richter in Dimitré Dinevs<br />
»Das Haus des Richters« (Regie:<br />
Niklaus Helbling) und in Bärfuß’<br />
»Die Probe oder Der brave Simon<br />
Korach« die Titelrolle (Regie:<br />
Nicolas Brieger). Seit Mai steht er<br />
in einer Doppelrolle als Somerset<br />
und Stanley in Shakespeares »Die<br />
Rosenkriege« auf der Bühne. Im<br />
Jänner wird er mit Bernhards »Der<br />
Schein trügt« Premiere haben.<br />
21
Die wiederaufnahmen in der Burg<br />
22<br />
Gerrit Jansen, Julia Hartmann, Sven Dolinski<br />
Romeo und Julia<br />
von William Shakespeare<br />
Deutsch von Thomas Brasch<br />
Wallenstein<br />
Ein dramatisches Gedicht von Friedrich Schiller<br />
»Ich denke einen langen Schlaf zu tun,<br />
Denn dieser letzten Tage Qual war groß.«<br />
großartig gespielt von gert Voss, wird der Firmenchef mit dem<br />
weltherrscherstab zum herrscher ohne welt. (Faz)<br />
Leitung: thomas Langhoff, Bernhard Kleber,<br />
Marion Münch, Friedrich rom, Jörg gollasch<br />
Mit: Pauline Knof, Petra Morzé, Kitty speiser; gerd Böckmann, Franz J.<br />
Csencsits, Michael gempart, ronald K. hein, roland Kenda, ignaz Kirchner,<br />
Johannes Krisch, Dieter Mann, Peter Matic´, Juergen Maurer, Christian<br />
nickel, Dirk nocker, robert reinagl, Branko samarovski, heinrich schweiger,<br />
Johannes terne, gert Voss, Dirk warme, Paul wolff-Plottegg u.v.v.<br />
Michael Maertens<br />
ab 12. november 2008 wieder im <strong>Burgtheater</strong><br />
»Mach mich lebendig, daß ich sterben kann.<br />
Dein Mund ist warm.«<br />
hartmanns inszenierung ist eine der lebendigsten und interessantesten<br />
Folgen der bisher siebenteiligen shakespeare-serie des <strong>Burgtheater</strong>s. (Falter)<br />
Leitung: sebastian hartmann, Jürgen Bäckmann, Moritz Müller,<br />
Friedrich rom<br />
Mit: Kirsten Dene, Julia hartmann, Myriam schröder, Mareike sedl;<br />
Patrick O. Beck, Karim Chérif, sven Dolinski, gerrit Jansen, roland<br />
Kenda, Juergen Maurer, Charles Maxwell, Markus Meyer, David<br />
Oberkogler, Martin schwab, Johannes terne<br />
seit 8. november 2008 wieder im <strong>Burgtheater</strong><br />
Kitty Speiser, Gert Voss<br />
Julius Caesar<br />
von William Shakespeare, neu übersetzt von Helmut Krausser<br />
in einer Bearbeitung von Falk Richter<br />
»Sein Leben war erfüllt. Und alles, was dazugehört, so ideal in<br />
ihm verteilt, dass die Natur vor aller Welt verkünden könnte:<br />
Seht! Das war ein Mensch.«<br />
Da springt der Funke über, wird Papier lebendig. (Die welt)<br />
Leitung: Falk richter, Katrin hoffmann, Martin Kraemer, Malte Beckenbach,<br />
Karsten sander, Bjørn Melhus<br />
Mit: sabine haupt, Myriam schröder; Patrick O. Beck, Bernd Birkhahn,<br />
Karim Chérif, sven Dolinski, ronald K. hein, ignaz Kirchner, roland Koch,<br />
Michael Maertens, Michael Masula, Branko samarovski, Peter simonischek,<br />
Moritz Vierboom<br />
ab 25. november 2008 wieder im <strong>Burgtheater</strong><br />
saison 2008/2009
Markus Meyer, Nicholas Ofczarek<br />
2008/2009 saison<br />
Die Brüder Karamasow<br />
von Fjodor M. Dostojewskij<br />
»Es ist einfach der einzige Weg, der mich wirklich<br />
beeindruckt hat, der mir einen Weg bietet<br />
aus dem Dunkel dieser Welt.«<br />
Diese ironische Leichtigkeit kennt man aus den inszenierungen nicolas<br />
stemanns. es fasziniert, wie nicolas stemann erzählung und Diskurs,<br />
emotion und ironie in einen spannungsvollen Dialog stellt. er inszeniert<br />
nicht nur einen Karamasow-Kommentar, sondern bringt wahrhaftig<br />
Dostojewski auf die Bühne. (Frankfurter rundschau)<br />
Leitung: nicolas stemann, Katrin nottrodt, aino Laberenz, thomas<br />
Küstner, sebastian Vogel, rainer Casper, Claudia Lehmann<br />
Mit: sachiko hara, Myriam schröder, Mareike sedl, adina Vetter;<br />
Philipp hochmair, hans Dieter Knebel, thomas Lawinky,<br />
rudolf Melichar, Joachim Meyerhoff, sebastian rudolph,<br />
hermann scheidleder, Martin schwab<br />
ab 16. Jänner 2009 im aKaDeMietheater<br />
Ende gut, alles gut<br />
von William Shakespeare<br />
»Kein Wort mehr von vergangener Zeit.<br />
Packen wir den Augenblick beim Schopf!«<br />
niklaus helbling hört genau hin auf die zwischentöne in scheinbar<br />
platter handlung, ihm ist mit einer siebenköpfigen schauspieltruppe<br />
eine rasante, umwerfend komische aufführung gelungen. (Die Presse)<br />
Leitung: niklaus helbling, Dirk thiele, Judith steinmann,<br />
anne Juren, eva Jantschitsch, imre Bozoki-Lichtenberger,<br />
Moritz wallmüller, elke auer<br />
Mit: Maria happel, Mareike sedl; imre Bozoki-Lichtenberger,<br />
gerrit Jansen, Daniel Jesch, Dietmar König, Jörg ratjen<br />
wegen des großen erfolges ab 11. Jänner 2009 Übernahme ins aKaDeMietheater<br />
Die wiederaufnahmen im akademietheater<br />
Hermann Scheidleder, Hans Dieter Knebel, Rudolf Melichar, Joachim<br />
Meyerhoff, Sebastian Rudolph, Mareike Sedl, Sachiko Hara<br />
Motortown<br />
von Simon Stephens<br />
Deutsch von Barbara Christ<br />
»Das kann hier auch passieren, alles. Passiert wahrscheinlich<br />
auch. Es gibt zu viele Menschen. Wartet ab,<br />
bis das Wasser alle ist. Und der Sauerstoff.«<br />
ein mitreißender, präzise gestalteter abend, der mit schier nicht enden<br />
wollenden Ovationen für andrea Breth und ihr ensemble ausklang.<br />
(wiener zeitung)<br />
Leitung: andrea Breth, annette Murschetz, sabine Volz, Bert wrede,<br />
alexander nefzger, Felix Dreyer<br />
Mit: andrea Clausen, astou Maraszto, Johanna wokalek; Markus<br />
Meyer, wolfgang Michael, nicholas Ofczarek, Jörg ratjen, udo samel<br />
ab 30. Dezember 2008 wieder im aKaDeMietheater<br />
Gerrit Jansen, Dietmar König, Mareike Sedl, Daniel Jesch, Maria Happel, Jörg Ratjen<br />
23
ihr Programm zu weihnach<br />
<strong>Burgtheater</strong><br />
25. und 26. Dezember um 17 uhr<br />
William Shakespeare<br />
Ein Sommernachtstraum<br />
31. Dezember um 16 uhr<br />
Karlheinz Hackl und Heinz Marecek<br />
Melodie des Lachens<br />
31. Dezember um 20 uhr<br />
Über’s Jahr – Silvestergala mit Michael Heltau<br />
und den wiener theatermusikern<br />
01. Jänner um 16 und 20 uhr<br />
Karlheinz Hackl und Heinz Marecek<br />
Melodie des Lachens<br />
akademietheater<br />
25. Dezember um 19 uhr<br />
Theodor Fontane<br />
Effi Briest<br />
26. Dezember um 19 uhr<br />
Karl Schönherr<br />
Der Weibsteufel<br />
31. Dezember um 19 uhr<br />
Karl Schönherr<br />
Der Weibsteufel<br />
31. Dezember um 22:30 uhr<br />
Karlheinz Hackl und Heinz Marecek<br />
Melodie des Lachens<br />
01. Jänner um 19 uhr<br />
Karl Schönherr<br />
Der Weibsteufel
ten, silvester und neujahr<br />
Kasino<br />
18. und 23. Dezember um 20 uhr, 20. Dezember um 16 uhr<br />
Das Duo+1<br />
Morgen, Kinder, wird’s nichts geben<br />
Vestibül<br />
8. Dezember 14 uhr, 21. und 22. Dezember 15 uhr<br />
Friedrich Wolf<br />
Die Weihnachtsgans Auguste
<strong>Burgtheater</strong><br />
26<br />
Junge Porträtgalerie <strong>Burgtheater</strong><br />
Das <strong>Burgtheater</strong> besitzt weltweit eine der<br />
größten sammlungen von schauspielerporträts,<br />
die im auftrag Kaiser Josephs ii.<br />
begonnen und bis in die 80er Jahre des<br />
20. Jahrhunderts weitergeführt wurde.<br />
im Jahr 2006 hatte Klaus Bachler sechs<br />
österreichische Künstler – Christy astuy,<br />
ilse haider, elke Krystufek, Franz graf,<br />
Josef Kern und gregor zivic – eingeladen,<br />
zwölf schauspieler zu porträtieren. in<br />
diesem Jahr wurde das Projekt fortgeführt:<br />
Lucy McKenzie, Maria hahnenkamp,<br />
gabi trinkaus, Maja Vukoje, erwin<br />
wurm und Fabian Fink porträtierten<br />
regina Fritsch, Maria happel, Dorothee<br />
hartinger, Birgit Minichmayr, Petra<br />
Morzé, Johanna wokalek, Philipp hauß,<br />
Philipp hochmair, roland Koch, Johannes<br />
Krisch, Michael Maertens und nicholas<br />
Ofczarek. Kurator der ausstellung ist<br />
Dr. Otmar rychlik.<br />
am 20. Oktober 2008 wurde die »Junge<br />
Porträtgalerie <strong>Burgtheater</strong>« im rahmen<br />
einer Vernissage im 1. Pausenfoyer eröffnet<br />
und ist ab sofort für jeden theaterbesucher<br />
vor Vorstellungsbeginn und<br />
in den Pausen sowie im rahmen einer<br />
<strong>Burgtheater</strong>-Führung zugänglich.<br />
»in der spielzeit 2006/2007 haben wir die<br />
Porträtgalerie des <strong>Burgtheater</strong>s neu begründet,<br />
ihr einen neuen inhalt gegeben,<br />
über das hinaus, was »ehrengalerie« genannt<br />
wurde. wir wollten die zeitgenössische<br />
bildende Kunst in das haus bringen,<br />
mitten in diese bereits ganz und gar altehrwürdige<br />
architektur hinein mit ihrem<br />
wunderbaren Prunk und Pomp – aus einer<br />
buchstäblich in allem geschichte gewordenen<br />
epoche, die viel weiter zurückzuliegen<br />
scheint, als es tatsächlich der Fall ist.<br />
was die neue serie von schauspielerporträts<br />
betrifft, haben wir den bildenden<br />
Künstlern und schauspielern diesmal<br />
ein thema vorgeschlagen, das über die<br />
tatsache des Bildes als individualporträt<br />
hinausgeht und den Körper diskursiv bewusst<br />
mit einschließt. Ob es sich nun um<br />
ein aktporträt oder eines des spiels von<br />
Verhüllung und entblößung handelt – wir<br />
wollten an eine spezifische Kunstgeschichte<br />
anschließen, die den zweck des Porträts<br />
nicht allein in der wiedergabe individueller<br />
Persönlichkeiten sehen wollte, sondern<br />
ein handlungsmoment mit eingefordert<br />
hat. Damit wollten wir der berechtigten<br />
zeitgenössischen Forderung nach einer<br />
Vertiefung der theoretischen reflexion<br />
entsprechen.«<br />
Klaus Bachler<br />
Die Broschüre zur aktuellen Ausstellung<br />
»Junge Porträtgalerie <strong>Burgtheater</strong>« ist in<br />
der Kassenhalle und an der Weinbar im<br />
Pausenfoyer um 2,80 Euro erhältlich.<br />
ermöglicht wurde die erweiterung der Porträtgalerie<br />
durch die großzügige unterstützung der<br />
Österreichischen Post ag.<br />
saison 2008/2009
ückschau auf die werkstatttage 08<br />
zum sechsten Mal fanden heuer die<br />
werkstatttage an der Burg statt. eingeladen<br />
waren acht junge vielversprechende<br />
deutschsprachige Dramatikerinnen und<br />
Dramatiker, um zwei wochen lang ihre<br />
Positionen, schreibhaltungen, theaterkonzepte<br />
und ideen zu überprüfen. in<br />
auseinandersetzung mit theaterleuten<br />
konnten sie am <strong>Burgtheater</strong> in wien an<br />
ihren stücken arbeiten und diese mit ensemblemitgliedern<br />
auf die Probe stellen.<br />
am ende dieser 14 tage voller Diskussionen,<br />
Lesungen, Proben und viel schreibarbeit<br />
stand die werkstattnacht. im ausverkauften<br />
Kasino erlebten die zuschauer<br />
eine Präsentation von auszügen aus texten<br />
von Markus Bauer, Maja Das gupta,<br />
Daniela Janjic, Petra Maria Kraxner,<br />
Daniel Mezger, Kevin rittberger, Frauke<br />
scheffler und Christian winkler.<br />
zwei der vorgestellten theatertexte setzen<br />
sich sehr unterschiedlich mit dem Balkan<br />
2008/2009 saison<br />
werkstatttage<br />
Die WerkstattNacht 2008 mit Stefanie Dvorak, Sylvia Haider, Alexandra Henkel, Karin Lischka, Vivien Löschner, Sylvia Lukan, Caroline Peters,<br />
Barbara Petritsch, Wiltrud Schreiner, Mareike Sedl, Adina Vetter; Patrick O. Beck, Bernd Birkhahn, Sven Dolinski, Yuri Englert, Ronald K. Hein,<br />
Markus Hering, Johannes Krisch, Michael Masula, Peter Matic´, Wolfgang Michael, Dirk Nocker, David Oberkogler, Thomas Reisinger, Moritz<br />
Vierboom, Dirk Warme, Paul Wolff-Plottegg.<br />
auseinander: »tod meiner stadt« von<br />
Daniela Janjic (eingerichtet von Cornelia<br />
rainer) und »Balkanmusik« von Daniel<br />
Mezger (eingerichtet von Jan-Christoph<br />
gockel). um die schwierigkeiten der<br />
Kindererziehung geht es in dem stück<br />
»Vom bösen Kind« von Maja Das<br />
gupta (eingerichtet von Philip Jenkins).<br />
Kevin rittberger widmet sich in seinem<br />
stück »Dritte natur« der Frage nach der<br />
Permeabilität von gefühlen (eingerichtet<br />
von Cornelia rainer), Petra Maria<br />
Kraxner fragt in ihrem text »Kest«<br />
nach der zwischenmenschlichkeit in<br />
der von Konsum dominierten welt<br />
(eingerichtet von Philip Jenkins), und die<br />
drei Protagonisten in Christian winklers<br />
stück »graben« (eingerichtet von Philipp<br />
Becker) suchen nach den sedimenten ihrer<br />
Männerfreundschaft und stoßen auf alte<br />
wunden. Frauke schefflers stück »wale«<br />
(eingerichtet von Cornelia rainer) spielt in<br />
der unwirklichen welt eines abgelegenen<br />
Fischerdorfs, und Markus Bauers stück<br />
»Verbreitet nebel« (eingerichtet von<br />
Philipp Becker) erforscht die Lebenswelten<br />
zweier Paare am rande der gesellschaft.<br />
»Mit der Unterstützung von vier Regisseuren<br />
und einem erfrischenden Schauspielerensemble<br />
wurden die Texte über<br />
Beziehungsschmarotzer, Entzugskapitalismus,<br />
Konsumkritik, gestrandete Wale,<br />
böse hochbegabte Kinder, schwierige Beziehungen<br />
und lebensphilosophische Gefühlsattraktionen<br />
vorgestellt.«<br />
Kronen zeitung<br />
Das <strong>Burgtheater</strong> veranstaltet die Werkstatttage<br />
gemeinsam mit dem Deutschen<br />
Literaturfonds (gefördert von der Kulturstiftung<br />
des Bundes), in Zusammenarbeit<br />
mit der Literarmechana, Wien und der<br />
Schweizer Kulturstiftung Pro Helvetia,<br />
Zürich.<br />
27
Magazin<br />
28<br />
PeYMann VOn a–z<br />
Buchpräsentation<br />
Claus Peymann im gespräch mit<br />
hermann Beil<br />
Keiner hat so ein Fingerspitzengefühl<br />
für streit und skandal wie der theatermensch<br />
Claus Peymann, dessen einmischungslust<br />
legendär ist.<br />
aus Briefen, zwischenrufen, interviews,<br />
reden und den reaktionen von Freunden<br />
und Feinden hat nun der theaterkritiker<br />
und essayist hans-Dieter schütt eine<br />
fast biografische »Peymann-Collage«<br />
komponiert. theaterleute, schriftsteller,<br />
Kollegen, Politiker kommen zu wort<br />
– unter anderem thomas Bernhard,<br />
heinrich Böll, Peter handke, Benjamin<br />
henrichs, hermann Beil, Christoph<br />
ransmayr, Christoph Müller, der<br />
ehemalige stuttgarter Bürgermeister<br />
Manfred rommel, Peter turrini und<br />
viele andere …<br />
nach alphabet sortiert entsteht auf diese<br />
weise ein sehr subjektives Porträt des<br />
öffentlichen und veröffentlichten Claus<br />
Peymann: das höchst widersprüchliche<br />
Lexikon einer über 50 Jahre andauernden<br />
theater-Direktoren-existenz.<br />
Claus Peymann wird am 12. Dezember<br />
an seine einstige wirkungsstätte zurückkehren,<br />
um zusammen mit hermann Beil<br />
das Buch zu präsentieren.<br />
am 12. Dezember 2008 im aKaDeMietheater<br />
gertruD<br />
von einar schleef<br />
am 17. Jänner 2009 wäre einar schleef 65<br />
Jahre alt geworden. als der schriftsteller<br />
und regisseur im Jahr 2001 starb, schrieb<br />
elfriede Jelinek in einem nachruf: »es hat<br />
in Deutschland nur zwei genies gegeben:<br />
im westen Fassbinder, im Osten schleef.«<br />
»Ich baue einen Wortschatz, eine feste Burg,<br />
wie ich als Kind sang, wo keiner hineinkommt,<br />
keiner hinaus, die Burg baue ich<br />
aus Wort an Wort, ohne Brücke, nach jedem<br />
Wort haue ich sie weg, die Worte müssen<br />
sich selbst behaupten, auf weißem Papier,<br />
nach 10 Jahren will ich meine Sprache<br />
behalten, die mein Gehirn längst weggeschickt<br />
hat, die nicht mehr zu gebrauchen<br />
ist, all die Sätze weiß ich.« (einar schleef)<br />
Die theaterfassung von »gertrud« hat das tübinger zimmertheater im Jahr 2006 auf<br />
die Bühne gebracht – als ein-Frau-stück mit der schauspielerin therese affolter.<br />
»als Portrait der einsamkeit hat Vera sturm eine Bühnenfassung des romans behutsam<br />
und mit feinem gespür inszeniert. therese affolter zieht alle register ihres schauspielerischen<br />
Könnens, wenn sie ihre gertrud als lebenslang verzweifelt nach einem<br />
stückchen geborgenheit suchende zeichnet.« stuttgarter nachrichten<br />
Leitung: Vera sturm<br />
Mit therese affolter<br />
gastspiel des tübinger zimmertheaters am 9. und 10. Jänner 2009 im KasinO<br />
nestrOY-Preis 2008<br />
Am 20. November werden die<br />
herausragenden Leistungen im Bereich<br />
Theater mit dem Nestroy-Preis<br />
ausgezeichnet. Das <strong>Burgtheater</strong> ist mit<br />
7 Nominierungen und dem Jury-Preis<br />
für »Das beste Stück – Autorenpreis«<br />
vertreten. Für die beste Regie sind<br />
Stefan Bachmann für seine Inszenierung<br />
von Wajdi Mouawads Stück<br />
»Verbrennungen« und Christiane Pohle<br />
für ihre Inszenierung von Gert Jonkes<br />
Stück »Freier Fall« nominiert.<br />
Als beste Schauspielerin ist Regina<br />
Fritsch für die Rolle der Nawal in<br />
»Verbrennungen« nominiert. Als<br />
beste Schauspieler sind Markus<br />
Hering und Roland Koch nominiert,<br />
Markus Hering für die Rollen als<br />
Erich in »Freier Fall«, als Hermile in<br />
»Verbrennungen« und als C in Mark<br />
Ravenhills Stück »Pool (kein Wasser)«,<br />
Roland Koch für die Rolle des Franzeck<br />
in Lukas Bärfuss’ Stück »Die Probe<br />
(Der brave Simon Korach)«. Für die<br />
beste Nebenrolle sind Johannes Krisch<br />
für die Rolle des Bertl in »Freier Fall«<br />
und Udo Samel für die Rolle des Justin<br />
in Simon Stephens’ Stück »Motortown«<br />
nominiert. Gert Jonke erhält den<br />
Autorenpreis, » Freier Fall« wird mit<br />
dem Nestroy 2008 für das beste Stück<br />
ausgezeichnet.<br />
saison 2008/2009
Brigitta<br />
sylvia haider liest aus adalbert stifters erzählung<br />
Musikalische einrichtung: Otmar Klein<br />
»weil ich«, antwortete sie leise, »keine andere Liebe fordern kann, als die allerhöchste.<br />
ich weiß, dass ich hässlich bin, darum würde ich eine höhere Liebe fordern, als das<br />
schönste Mädchen dieser erde. ich weiß es nicht, wie hoch, aber mir ist, als sollte sie<br />
ohne Maß und ende sein.«<br />
Brigitta ist die geschichte einer radikalen Liebe und der emanzipation einer außergewöhnlichen<br />
Frau. stifter selbst hat sich im zusammenhang mit seinen bildungsreformerischen<br />
theorien schon früh mit der damals vernachlässigten ausbildung der Mädchen<br />
beschäftigt: »Vorbereitung und erfüllung der Mutterpflicht schließt nicht den Kreis<br />
des weibes. ist es nicht auch um seiner selbst willen da? stehen ihm nicht geister- und<br />
Körperreich offen? soll es nicht, wie der Mann, nur in der weise anders, durch sein<br />
schönes Dasein seinen schöpfer verherrlichen?«<br />
Die erzählung erschien erstmals in »gedenke mein! taschenbuch für 1844«, in überarbeiteter<br />
Fassung 1847 im vierten Band der studien. Das werk gilt bis heute als eine der bedeutendsten<br />
erzählungen stifters.<br />
am 20. und 27. Dezember 2008 im VestiBÜL<br />
2008/2009 saison<br />
FreMD.wOrte<br />
Eine Benefizlesung wider das Fremdsein<br />
Zugunsten der Integrationsprojekte des Diakonie Flüchtlingsgdienstes<br />
Magazin<br />
Dieser Abend soll dem scheinbar Fremden eine Stimme geben – eine Stimme der man zuhört<br />
und mit der man sich vielleicht auch selbst identifizieren kann.<br />
Sabine Gruber, Vladimir Vertlib und Josef Haslinger sind eingeladen, gemeinsam mit zwei<br />
Autorinnen der edition exil (Seher Cakir, Julya Rabinowich), Texte zu ihren Erfahrungen des<br />
»fremd seins« zu lesen.<br />
Der Reinerlös des Abends kommt den Wiener Integrationsprojekten (INTO Wien und<br />
ELONGÓ) des Diakonie Flüchtlingsdienstes zugute. INTO Wien fördert anerkannte Flüchtlinge<br />
z.B. im Hinblick auf Deutschkurse, Integrationsworkshops, Zukunftswerkstätten für<br />
Frauen etc. ELONGÓ bedeutet auf Lingala, einer zentralafrikanischen Sprache »zusammen,<br />
gemeinsam«. Hier geht es darum, die österreichische Zivilgesellschaft in die Integrationsarbeit<br />
mit einzubeziehen, um einen Rahmen für die Flüchtlingsfamilien zu schaffen, in dem sie<br />
persönliche Kontakte und Anschluss zu ÖsterreicherInnen finden.<br />
Weitere Informationen unter www.diakonie.at/fluechtlingsdienst<br />
Mit: Sabine Gruber, Josef Haslinger, Vladimir Vertlib, Seher Cakir, Julya Rabinowich;<br />
Musik: Ekaterina Wladigerova (Klavier); Valya Dervenska (Geige)<br />
am 12. Dezember 2008 im KasinO<br />
nieManD ist hier, Der VerstÄnDnis<br />
FÜr MiCh iM ganzen hat<br />
Ignaz Kirchner liest Texte von Franz Kafka<br />
»Franz Kafka ist der Dichter, der unser Jahrhundert am<br />
reinsten ausdrückt.« elias Canetti<br />
»er schreibt die klarste und schönste Prosa, die zur zeit in<br />
deutscher sprache geschaffen wird.« Kurt tucholsky<br />
»Der realismus seiner Bilder übersteigt ständig<br />
die Vorstellungskraft.« andré gide<br />
»er ist für mich der einzige, dem ich immer glauben kann.«<br />
george tabori<br />
Franz Kafka, dessen geburtstag sich heuer zum 125. Mal jährt,<br />
ist der einzige Dichter deutscher zunge, dem die nachwelt ein alltagsgebräuchliches<br />
adjektiv widmet: kafkaesk!<br />
ignaz Kirchner liest Kafkas texte »Der hungerkünstler«, »Das<br />
gesetz« und »in der strafkolonie«.<br />
am 13. Dezember 2008 und am 2. Jänner 2009 im VestiBÜL<br />
29
Magazin<br />
30<br />
Alle Jahre wieder – was schenke ich?<br />
Persönlich und intim soll es sein, schön, repräsentabel und ganz neu, dauerhaft und beeindruckend,<br />
klassisch und doch modern, überraschend und gutes Design, etwas vom mir<br />
selber enthalten, klein oder groß und/oder praktisch, künstlerisch und apart, passend für die<br />
Freizeit, den neuen Job, zur Entspannung oder um das Wissen zu erweitern, als Anerkennung,<br />
statt/zu einer Reise, als Liebesgabe, zum Theaterabo: das passende Buch gibt’s immer:<br />
Ob Business (die neue Warren Buffett Biographie), Belletristik, Philosophie, Kunst oder<br />
Theater: der wunderschöne Jürgen-Flimm- oder Thomas-Bernhard-Bildband, das atemberaubende<br />
»The Circus Book, 1870-1950«, der hinreißende Indien-Monumental-Band (gleich<br />
dazu den sprühend erzählten Roman des Booker Preisträgers 2008 Aravind Adiga).<br />
Oder etwas fürs Herz, Hirn und zum Vorlesen: »Herzzeit«, die Bachmann – Celan Briefe;<br />
da fällt mir auch Warlam Schalamows neuer Band ein: Diese »Erzählungen aus Kolyma«<br />
sind Weltliteratur! – Oder der Krimi für Theater- & Shakespeare-Freunde von Jennifer Lee<br />
Carrell, »Die Shakespeare-Morde« (junge Theaterregisseurin stößt auf Hinweise zu einem<br />
verschollenen Shakespeare-Drama … ) – Oder heuer auch die vielen neuen DVDs: Edition<br />
<strong>Burgtheater</strong> & filmedition suhrkamp (Alexander Kluge!)<br />
Also, der einfachste und kürzeste Weg zu den besten Geschenken ist der Leporello-<br />
Besuch: hier erwarten Sie unsere GeschenkberaterInnen mit mindestens tausend und einer<br />
Idee – versprochen!<br />
Ihre Rotraut Schöberl – Buchhandlung Leporello im Foyer des <strong>Burgtheater</strong>s<br />
suChers LeiDensChaFten<br />
Arthur Schnitzler<br />
er war ein mittelmäßiger Lyriker, ein hervorragender erzähler und Dramatiker und ein kluger,<br />
ganz unzynischer Menschenkenner, wie es wenige gab unter den Literaten des 19. und 20.<br />
Jahrhunderts. in der reihe »suchers Leidenschaften« setzt sich C. Bernd sucher mit dem Leben<br />
und dem werk dieses österreichischen schriftstellers auseinander. Mit einem werk, das sich<br />
auszeichnet durch Lebens- und Liebesweisheiten. Denn Lieben und sterben, träumen und der<br />
zweifel daran, dass es so etwas gibt wie eine gesicherte wirklichkeit, bestimmen das gesamte<br />
schnitzlersche Œuvre. in allen erzählungen und Dramen, in der »traumnovelle« und im »reigen«,<br />
in »Fräulein else« und »Professor Bernhardi«, entdecken wir die gleichen zweifel und<br />
zugleich die gleiche sicherheit: es gibt im Leben nur unsicherheiten.<br />
Mit Dorothee hartinger<br />
am 20. november 2008 im KasinO<br />
August Strindberg<br />
Dieser sich selbst und andere quälende Mann ist eine ausnahmeerscheinung unter den<br />
schriftstellern des 19. und 20. Jahrhunderts. er ist der erzähler und Dramatiker, der sein<br />
Leben als Drama und in Dramen, zugleich auch in novellen und im roman verwirklichte,<br />
darstellte und stilisierte.<br />
C. Bernd sucher wird strindbergs große Dramen nicht unbeachtet lassen, daneben über<br />
strindbergs »inferno«-Krise sprechen und auch über des Dichters üble antisemitische<br />
ausfälle in dem zehn Kapitel umfassenden Buch »Das neue reich. satirische schilderungen<br />
aus dem zeitalter der attentate und der Jubelfeste« berichten. und sucher wird strindbergs<br />
Frauenbild nachzeichnen, das naturgemäß auch sein Männerbild formte. strindberg träumte<br />
nach der uraufführung des »Vater«-Dramas von dem neuen Mann, dem arier, der mit<br />
Brutalität und härte, wenn nötig auch mit grausamkeit seine genialität gegenüber der<br />
Frau durchsetzen müsse. ein großer Dichter, ein schwieriger Charakter.<br />
am 15. Jänner 2009 im KasinO<br />
Sponsor der Porträtgalerie Sponsor der Gegenwartsdramatik<br />
Hauptsponsoren<br />
Freunde und Förderer<br />
agensketterl Druckerei GmbH, AKRIS, Austrian Airlines, Weingut Bründlmayer, Delvista Immobilien GmbH, Fernwärme Wien Gesellschaft mbH, Kammer der<br />
Architekten und Ingenieurkonsulenten für Wien und NÖ und Bgld, Kartenbüro Jirsa, Möbelwerkstätten WITTMANN, ÖsterreichischesVerkehrsbüro AG, Römerquelle,<br />
S-Bausparkasse, Schlumberger Wein- und Sektkellerei AG, Schuhmanufaktur Ludwig Reiter, Staud'sWien, TELEKOM AUSTRIA, waagner-biro, WIENER STÄDTISCHE<br />
VERSICHERUNG, WKO Wirtschaftskammer Österreich<br />
naChweise FOtO: Peter Bauer: s.14/3, 14/4, 14/5, 14/6, 14/7, 14/8; Lukas Beck: s. 16; Christian Brachwitz: s. 19/5; thomas Dashuber: s. 15/1; arno Declair: s. 17, 19/1, 22/3; Diakonie: s. 29/3sepp Dreissinger:<br />
s. 29/2; Meika Dresenkamp: s. 6, 7; Jgern: s. 15/2; alexander gonschior: s. 28/1; Maria hahnenkamp: s. 26/3, 26/7; Lucy McKenzie: s. 26/5, 26/8; Joachim Meyerhoff (privat): s. 14/1, 14/2; hans Jörg Michel: s. 19/<br />
höllenangst, 19/6; Pierre Puget »homer« 1693 (academy of sciences, Lyon): s. 5; gabi trinkhaus: s. 26/6, 26/10; Franziska schmied: s. 12; georg soulek: titel, s. 19/8, 21/2, 22/2, 24, 26/1 (Porträt: Fabian Fink), 26/4 (Porträt:<br />
Maja Vukoje), 26/9 (Porträt: Maja Vukoje), 26/12 (Porträt: Fabian Fink), 28/2; Bernd uhlig: s. 19/2, 23/2, 28/5; reinhard werner: s. 11, s. 19/3, 19/4, 21/1, 21/3, 21/4, 22/1, 23/1, 23/3, 28/3, 28/4, 29/1; Dorothea wimmer:<br />
s. 28/6; Valentin wormbs: s. 8; erwin wurm: s. 26/2, 26/11. teXt: s. 4: wolfgang Büscher, ungekürzt erschienen in Die zeit 17/2008; s. 6: Das gespräch mit rené Pollesch fand am 10. Mai 2008 im intendantenzimmer der<br />
Volksbühne am rosa-Luxemburg-Platz in Berlin statt. transkription: Carmen richard, redaktionelle Bearbeitung: Michael hagner und Philipp sarasin, Die texte auf den seiten 8, 10, 12 sind Originalbeiträge<br />
saison 2008/2009