Die Angst des Pflegepersonals in der Psychiatrie und

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Von den vielen möglichen Ursachen, die Angst beim Pflegepersonal in der Psychiatrie bedingen, greife ich diejenigen heraus, die meiner Meinung nach wichtig sind, und die in der Regel, natürlich unterschiedlich stark ausgeprägt, auf alle psychiatrischen Kliniken und die darin Beschäftigten zutreffen. 4.1 Psychiatrische Krankheitsbilder Für das Erleben von Angst in der Psychiatrie sind die psychiatrischen Krankheitsbilder von zentraler Bedeutung. Bei fast allen psychischen Erkrankungen spielen Aggression und Gewalt, in welcher Form auch immer, eine Rolle. Um die Angst des Pflegepersonals verstehen und möglicherweise nachvollziehen zu können, erscheint es mir wichtig, die relevanten Krankheitsbilder kurz zu beschreiben. Die moderne Psychiatrie ist, was ich sehr positiv finde, dazu übergegangen, die Patienten nicht mehr ausschließlich mit Diagnosen zu versehen, weil die dadurch entstehenden Auswirkungen eher nachteilig für die Patienten sind, sondern die gezeigten Symptome zu benennen und zu beschreiben, das heißt, dem Patienten ein Syndrom zuzuordnen. Für die Pflege ist es von untergeordneter Bedeutung, ob ein manisches Syndrom im Rahmen einer Schizophrenie oder einer schizoaffektiven Psychose auftritt. Die pflegerische Behandlung ist in der Regel dieselbe. Für den Patienten ist es allerdings ein großer Unterschied, ob er den Stempel "Schizophrenie" aufgedrückt bekommt oder "schizoaffektive Psychose". Die nun folgenden Symptome halte ich für bedeutsam. Wahn kommt bei verschiedenen psychischen Krankheiten vor, am häufigsten bei schizophrenen Psychosen, des weiteren bei akuten organischen Psychosen. Wahn ist per definitionem eine objektive falsche Überzeugung, die mit absoluter Gewißheit festgehalten wird, und durch gegenteilige Evidenz nicht korrigierbar ist. Der Wahn kann verschiedene Themen haben. Im Beziehungswahn bezieht der Kranke Dinge auf sich, zum Beispiel Ansagen im Radio oder Fernsehen, Artikel in der Zeitung, aber auch Äußerungen des Personals, Blicke, Gesten, Handlungen. Im Beeinträchtigungswahn sieht der Kranke das, was um ihn herum geschieht, nicht nur auf sich bezogen, sondern gegen sich gerichtet. Er glaubt, man wolle ihn beleidigen, herabsetzen, schädigen oder gar vernichten. Eine weitere Steigerung des Beeinträchtigungswahns ist der Verfolgungswahn. In ihm werden harmlose Ereignisse in der Umwelt als Anzeichen von Bedrohung und Verfolgung empfunden. Diesen Empfindungen, der sogenannten Wahnspannung, folgt dann eine konkrete Deutung, zum Beispiel, er werde als Mörder gesucht, er werde von Terroristen verfolgt, man trachte ihm nach dem Leben, wolle ihn vergiften. Ein typisches Symptom der manischen Erregung ist der Größenwahn. In ihm überschätzt der Patient seine eigene Person und Bedeutung, seine Fähigkeiten und Leistungen. Er fühlt sich berufen und ausersehen, hält sich für Gott, den Welterlöser. Auch die Umgebung kann in den Wahn miteinbezogen werden. Im psychotischen Erleben sind Wahn und Halluzination eng miteinander verbunden. Die enge Beziehung der Halluzination zum Wahn besteht darin, daß auch hier der Patient fest und unkorrigierbar von der Realität dessen, was er erlebt, überzeugt ist. Halluzinationen sind Sinnestäuschungen und Trugwahrnehmungen und unterscheiden sich von der normalen Wahrnehmung dadurch, daß sie nicht durch einen äußeren Sinnesreiz hervorgerufen werden. Halluzinationen gibt es auf allen Sinnesgebieten. Am bedeutsamsten sind die akustischen und optischen Halluzinationen.
Bei akustischen Halluzinationen hört der Kranke Stimmen oder Geräusche, die das eigene Tun begleiten, das heißt kommentieren, oder aber bestimmen. Diese imperativen Stimmen sind von herausragender Bedeutung, weil der Kranke deren Befehl oftmals ausführt. So können ihm Stimmen befehlen, jemanden zu schlagen oder gar zu töten, aber auch sich selber schwer zu schädigen. Optische Halluzinationen sind für das Delir charakteristisch. Dabei handelt es sich um das halluzinatorische Sehen von Umweltobjekten, häufig kleinen, sich lebhaft bewegenden Tieren. Beeindruckend sind auch katatone Symptome. Damit sind Störungen der Motorik und des Antriebs gemeint. Im Vordergrund steht die psychomotorische Unruhe und Erregung. Die Patienten sind ständig in Bewegung, werden aggressiv, zerstören was ihnen in die Hände kommt, und greifen Mitpatienten und Personal an. Es ist mir noch wichtig zu sagen, daß die gezeigten Symptome ausschließlich Ausdruck einer psychischen Erkrankung sind, das heißt, sie sind vom Patienten nicht willentlich beeinflußbar. Neben den psychotischen Erkrankungen gibt es in der Psychiatrie eine ständig steigende Zahl von Abhängigkeitskranken. Gerade in der Aufnahmesituation sind diese Patienten oft alkoholisiert, dadurch gereizt, rechthaberisch, krankheitsuneinsichtig, und verstehen oft nicht, daß sie in einem psychiatrischen Fachkrankenhaus behandelt werden müssen. Daraus resultieren dann verbale und auch körperliche Aggressionen gegenüber dem Pflegepersonal, das die undankbare Aufgabe hat, sich den oft unerfüllbaren Wünschen der Patienten in den Weg stellen zu müssen. 4.2 Gewalt und Aggression in der Psychiatrie "Gewalt gehört nun einmal zur psychiatrischen Arbeit" ist eine vorherrschende Meinung. Tatsächlich kommen Aggression und Gewalt wohl mindestens einmal pro Tag in einer durchschnittlichen Psychiatrischen Klinik vor. Und mit Sicherheit werden nicht alle Fälle bekanntgemacht. Gewalt und Aggression gibt es in unterschiedlichen Formen und Ausprägungen. Von überragender Bedeutung für das Erleben von Angst ist nach meiner Meinung die körperliche Aggression, das heißt, ein Patient greift einen Pflegenden körperlich an. Aber auch verbale Aggression beeinflußt unser Erleben und unser Tun. Wie stark die Beeinflussung ist, hängt von der subjektiven Beurteilung des Betroffenen ab. Jeder erlebt Aggression und Gewalt anders. Nico Oud hat in seiner Studie 1991 gezeigt, daß 20 Prozent der Pflegenden durchschnittlich einmal pro Woche mit einer für sie schwierigen Situation von Aggression konfrontiert werden. Er hat ermittelt, daß 10 Prozent der Pflegekräfte durchschnittlich einmal pro Monat körperlich angegriffen werden. Viele psychiatrische Kliniken dokumentieren sogenannte besondere Vorkommnisse. Damit sind in der Regel Suizide, Suizidversuche, Entweichungen und Tätlichkeiten gemeint. Tätlichkeiten sowohl zwischen Patienten, als auch zwischen Patient und Personal. Ich habe mir von einer typischen psychiatrischen Aufnahmestation, 25 Betten, gemischtgeschlechtliche Belegung, regionaler Versorgungsauftrag, 15 Planstellen im Pflegebereich, je zur Hälfte mit Krankenschwestern und Krankenpflegern besetzt, die Dokumentation der besonderen Vorfälle angeschaut. In dem Zeitraum von März 1993 bis Mai 1994 erfolgten 43 Tätlichkeiten von Patienten gegenüber dem Pflegepersonal. Die Verletzungen reichten von Ohrfeigen und Kratzwunden über Bißverletzungen und Würgemalen bis hin zu Augenverätzung, Kapselanriß im Kniegelenk und Bänderriß im Sprunggelenk. In sieben Fällen mußte aufgrund der Schwere der Verletzung eine ärztliche Behandlung erfolgen. Dokumentiert sind natürlich nur die äußeren, die sichtbaren Verletzungen. Was aber im Inneren der
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