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<strong>SEPTEMBER</strong> <strong>2018</strong><br />
<strong>HABER</strong><br />
<strong>AVRUPA</strong><br />
INTEGRATION - 16<br />
Urlaub – wenn Sprache riecht und schmeckt<br />
Wie sich Ferien positiv auf die Mehrsprachigkeit auswirken, und warum die Zeit im Herkunftsland<br />
der Eltern oder Großeltern keine Gefahr für die deutsche Sprache bedeutet<br />
Für manche Kinder bedeuten Ferien, dass sie<br />
im Herkunftsland ihrer Eltern oder Großeltern<br />
Urlaub machen. Wachsen die Kinder zu Hause<br />
auch mit der Sprache dieses Landes auf, so ist<br />
dieser Urlaub eine große Bereicherung und ein<br />
Aufschwung für diese Sprachkompetenz. Auf<br />
den ersten Blick würde man sagen, ja natürlich,<br />
wegen der sprachlichen Immersion im<br />
Land! Doch es ergeben sich noch weit mehr<br />
motivierende Momente als die Situation, in<br />
einem fremdsprachigen Umfeld eine Sprache<br />
quasi beiläufig zu lernen.<br />
Das Kind taucht nicht nur in eine Sprache ein,<br />
sondern bringt sie tagtäglich in Zusammenhang<br />
mit gesellschaftlichem und kulturellem<br />
Inhalt. Denn darin liegt eine der großen<br />
Herausforderungen der zweisprachigen Erziehung:<br />
Als Eltern geben wir eine Sprache<br />
weiter, die nicht in der Umgebung gesprochen<br />
wird, trotzdem versuchen wir, so gut es geht,<br />
das Kind darin zu sozialisieren. Im Herkunftsland<br />
pulsiert die Sprache, ist aufgefüllt mit<br />
Erfahrungen und Erlebnissen, die schmecken<br />
und riechen, die die Haut streicheln, wenn<br />
man ins Meer geht oder der frische Wind in<br />
den Bergen weht. Und nicht zu vergessen,<br />
auch als Erwachsener lernt man weiter, wenn<br />
man im Herkunftsland ist, denn Sprache<br />
entwickelt sich ständig weiter.<br />
Das Kind lernt mit allen Sinnen Sprache<br />
Als Kind verbrachte ich die Sommermonate in<br />
Bulgarien, auf dem Land bei meinen Großeltern.<br />
Das war Immersion pur. Ich kann bis<br />
heute die Tomaten riechen, die ich frisch im<br />
Garten selbst pflücken durfte, ich sehe den<br />
klaren, mit Sternen übersäten Nachthimmel,<br />
ich spüre die heiße Sommerluft auf der Haut.<br />
Das Sprachliche wird ganz unbewusst mit den<br />
Erlebnissen und sinnlichen Erfahrungen des<br />
Kindes verknüpft. Diese sprachlichen Inhalte<br />
prägen sich samt ihren Färbungen ein und<br />
schaffen einen Lernprozess, wie es keine<br />
Sprachschule oder Sprachförderung jemals<br />
könnte. Vor allem bei Kleinkindern hat diese<br />
sinnlich-sprachliche Erfahrungswelt einen<br />
großen Einfluss auf deren Entwicklung. Denn,<br />
wie die Philologin und Wissenschafterin<br />
Manuela Macedonia sagt, bis zum Alter<br />
von fünf Jahren befinden wir uns im sensiblen<br />
Zeitfenster, und in dieser Zeit lernt das Gehirn<br />
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<strong>JOURNAL</strong><br />
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von Mag. Zwetelina Ortega<br />
besonders gut, auch Sprache.<br />
Motivation von Kind zu Kind<br />
Es entstehen aber auch eine Vielzahl an Situationen,<br />
in denen Sprache passiert, die ortsgebunden<br />
sind und die im deutschsprachigen<br />
Alltag kaum möglich sind. Ich beobachtete<br />
meine Kinder in Spanien, wie sie nach nur<br />
wenigen Tagen für all das Worte hatten, das<br />
sie bis vor kurzem noch nicht einmal gekannt<br />
hatten; spezifische Speisen, Phänomene aus<br />
der Welt der Kinder, die es nur dort gibt,<br />
gesellschaftliche Konzepte, die an Ort, Zeit<br />
und Generationen gebunden sind, denen sie<br />
in Wien nicht begegnen können. Eine Umgebung<br />
reich an sprachlichen Reizen ist schließlich<br />
das Um und Auf für das sprachliche<br />
Wachstum.<br />
Eine große Chance – keine Gefahr<br />
Jeder dieser Aufenthalte kann eine große<br />
Chance sein. Und es ist keine Gefahr für die<br />
deutsche Sprache des Kindes, denn Sprachsysteme<br />
werden in ihrem Wachstum gegenseitig<br />
bereichert. Das Kind lernt durch seine<br />
Sprache, die Welt besser zu verstehen, und das<br />
wirkt sich natürlich auch auf alle weiteren<br />
Zur Autorin:<br />
Mag. Zwetelina Ortega ist Sprachwissenschafterin, Autorin<br />
und Expertin für Mehrsprachigkeit. 2014 gründete sie das<br />
Beratungszentrum Linguamulti. Dort bietet sie Beratung<br />
und Workshops für mehrsprachige Erziehung an. Ortega ist<br />
mit Bulgarisch, Spanisch und Deutsch aufgewachsen. In<br />
diesen drei Sprachen verfasst sie auch ihre literarischen Texte.<br />
2012 erschien der Gedichtband "Aз und tú" (Edition Yara).<br />
Sie lehrt an der Universität Wien und leitet Fortbildungen<br />
unter anderem an der Pädagogischen Hochschule Wien und<br />
am Landesinstitut für Schule in Bremen.<br />
Kontakt: z.ortega@linguamulti.at oder +436769669775<br />
Sprachen positiv aus. Jede neue sprachliche<br />
Errungenschaft ist auch eine kognitive Weiterentwicklung<br />
und letztendlich eine Errungenschaft,<br />
die sich auf das andere Sprachsystem<br />
übertragen lässt.<br />
Ursprünglich erschienen am 26.6.<strong>2018</strong> www.derstandard.at<br />
© Magdalena Possert<br />
Kommende Termine für Eltern:<br />
Ich erziehe mein Kind mehrsprachig - wie es mir gelingt:<br />
Samstag, 06.10.<strong>2018</strong>, 10.00 – 14.00 Uhr<br />
Samstag, 08.12.<strong>2018</strong>, 10.00 – 14.00 Uhr<br />
Beratungszentrum Linguamulti - mehrsprachige Erziehung und kreative Sprachförderung,<br />
Beratung und Workshops für mehrsprachige Erziehung<br />
Therapiezentrum Gersthof, Klostergasse 31-33, 1180 Wien<br />
Anmeldung ist erforderlich: z.ortega@linguamulti.at oder +436769669775<br />
© BMEIA / Mahmoud<br />
Integrationsbericht <strong>2018</strong><br />
Integrationsministerin Karin Kneissl:<br />
„Frauen sind der Motor<br />
der Integration“<br />
<strong>2018</strong> liegt der Fokus des Integraonsberichts,<br />
des jährlichen Berichts des Expertenrates für<br />
Integraon, auf dem Thema Frauen.<br />
„Frauen sind der Motor der Integraon. Sie<br />
nehmen im Integraonsprozess eine besonders<br />
wichge Rolle ein, da sie vor allem in<br />
patriarchalen Systemen die Verantwortung<br />
für Erziehung und Bildung der Kinder tragen.“,<br />
so Karin Kneissl.<br />
Die Verpflichtung zur Teilnahme an Integra-<br />
onsprogrammen für Frauen führte zu einer<br />
Verdoppelung des Frauenanteils in den<br />
Werte- und Orienerungskursen des ÖIF.<br />
Frauen mit Migraonshintergrund sind weiterhin<br />
deutlich seltener erwerbstäg (59% vs.<br />
71%) und weisen häufiger höchstens einen<br />
Pflichtschulabschluss auf als Frauen ohne<br />
Migraonshintergrund (28,6% vs. 12,8%).<br />
Im Integraonsbericht wird auch eine allgemeine<br />
Übersicht über aktuelle Migraonsströme<br />
gegeben. Der Zuzug nach Österreich<br />
ist 2017 im Vergleich zu 2016 gesunken,<br />
der Bevölkerungsanteil von Menschen mit<br />
Migraonshintergrund in Österreich ist in<br />
den vergangenen 10 Jahren von 16% auf 23%<br />
angesegen, das entspricht fast 2 Millionen<br />
Personen.<br />
An Schulen haben rund ein Viertel aller<br />
SchülerInnen österreichweit eine andere<br />
Umgangssprache als Deutsch, an Wiener<br />
Schulen sogar 51% (in NMS sogar 73%). Die<br />
Mitglieder des Expertenrates hielten fest,<br />
dass die bisherigen Ansätze zur Sprachförderung<br />
an Schulen nicht die gewünschten<br />
Ergebnisse erzielt häen. Man müsse<br />
daher neue Maßnahmen in der Sprachförderung<br />
erproben und die neu etablierten<br />
Deutschförderklassen begleitend<br />
evaluieren.<br />
Österreich wies 2017 im EU-Vergleich<br />
weiterhin hohe Asylantragszahlen auf. Mit<br />
2,8 Asylanträgen je 1.000 EinwohnerInnen<br />
lag Österreich proporonal zu seiner Bevölkerung<br />
an 5. Stelle aller EU-Mitgliedstaaten.<br />
„Österreich hat in der Bewälgung der starken<br />
Fluchtmigraon der vergangenen Jahre<br />
viel geleistet und nachhalge Strukturen im<br />
Integraonsbereich etabliert, trotzdem müssen<br />
die noch vor uns liegenden Anstrengungen<br />
im Fokus bleiben“, so Univ.-Prof. Dr.<br />
Katharina Pabel.<br />
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