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waldvi<strong>er</strong>tel<br />

trilogie<br />

kriminalsatiren<br />

von<br />

felix tannenb<strong>er</strong>g


1<br />

<strong>er</strong>st<strong>er</strong> satz:<br />

h<strong>er</strong>z-<br />

z<strong>er</strong>r-<br />

eis-<br />

sungen


2<br />

Danksagung<br />

Mein Dank gilt all meinen wenigen V<strong>er</strong>wandten und den paar<br />

Freunden, die von meinem Schreiben Kenntnis hatten und die mir<br />

bei mein<strong>er</strong> Arbeit – und sei es nur mit Durchhalte-Ermunt<strong>er</strong>ungen –<br />

beigestanden sind. Ziti<strong>er</strong>t wurde nichts wörtlich auß<strong>er</strong> aus eigenen<br />

W<strong>er</strong>ken. Als inhaltliche Quellen mein<strong>er</strong> Rech<strong>er</strong>chen für gewisse<br />

Zusammenhänge wurden<br />

Alice Mill<strong>er</strong> „Am Anfang war Erziehung“ – Suhrkamp-Taschenbuch<br />

1983<br />

und<br />

„Die alte Heimat“ – B<strong>er</strong>lin 1942/Nachdruck Horn 1981<br />

h<strong>er</strong>angezogen.<br />

Felix Tannenb<strong>er</strong>g<br />

H<strong>er</strong>ausgegeben im Eigenv<strong>er</strong>lag:<br />

2007 – irgendwo im Waldvi<strong>er</strong>tel


3<br />

Vorwort<br />

Das vorliegende Buch ist aus d<strong>er</strong> Liebe zu ein<strong>er</strong> d<strong>er</strong><br />

geheimnisvollsten Gegenden Öst<strong>er</strong>reichs entstanden. Ein<strong>er</strong> Gegend<br />

in ihr<strong>er</strong> Unv<strong>er</strong>wechselbarkeit – trotz ihr<strong>er</strong>, durch die Geschichte<br />

bedingten ökonomischen Armut – voll von sichtbaren (und<br />

nochmehr unsichtbaren) Reichtüm<strong>er</strong>n. Unv<strong>er</strong>gleichbar mit and<strong>er</strong>en –<br />

durchaus ähnlichen – Landschaften durch Wesensart sein<strong>er</strong><br />

Klimata und vor allem sein<strong>er</strong> Bewohn<strong>er</strong>.<br />

Viele d<strong>er</strong> Geschehnisse haben tatsächlich stattgefunden und<br />

ihre bleibenden Spuren in den subjektiven Erlebniswelten des<br />

V<strong>er</strong>fass<strong>er</strong>s hint<strong>er</strong>lassen. Fast alle in diesem Roman vorkommenden<br />

Charakt<strong>er</strong>e haben in gewiss<strong>er</strong> Weise ihre reale Entsprechung in d<strong>er</strong><br />

Wirklichkeit des Alltages. Kein<strong>er</strong> d<strong>er</strong> Protagonisten ist absolut frei<br />

<strong>er</strong>funden, ab<strong>er</strong> auch kein<strong>er</strong> hat je in dies<strong>er</strong> Reinform existi<strong>er</strong>t. Die<br />

P<strong>er</strong>sonen und d<strong>er</strong>en Handlungsweisen wurden nicht ganz zufällig<br />

gemischt und neu v<strong>er</strong>teilt (wie das halt auch Gaukl<strong>er</strong> machen, die ja<br />

eine ähnliche Aufgabe wie Autoren haben: Nämlich zu unt<strong>er</strong>halten<br />

und zu fesseln!).<br />

Sehr viele von ihnen sind längst v<strong>er</strong>storben – abgekommen<br />

wie die Dörf<strong>er</strong>, in denen sie gewohnt haben. Abgekommen, wie es bei<br />

den 48 weitgehend von d<strong>er</strong> Landkarte gelöschten Dörf<strong>er</strong>n relativ<br />

euphemistisch heißt.<br />

Die vor dem Zweiten Weltkrieg für die Errichtung von<br />

Europas größtem Truppenübungsplatz in Kauf genomme Zwangs-<br />

Absiedelung durch die „Deutsche Ansiedlungs-Gesellschaft B<strong>er</strong>lin“<br />

im Int<strong>er</strong>esse des Militärs hat viele Aussiedl<strong>er</strong> aufgrund von<br />

Entwurzelungs-Traumen in den Tod getrieben, viele an den Rand<br />

des Ruins gebracht und nur sehr wenige hatten davon einen Vorteil,<br />

da nur teilweise entschädigt, hingegen großteils enteignet wurde.<br />

Entschädigt wurden bis auf den heutigen Tag diejenigen, welche die<br />

höchsten V<strong>er</strong>luste zu beklagen hatten, am all<strong>er</strong>wenigsten! Dieses<br />

Schicksal hat insgesamt 1.100 Familien – ca. 8.000 Menschen –<br />

betroffen; und das wurde ihnen vom Führ<strong>er</strong> des geliebten<br />

Heimatlandes und nicht vom bösen Volksfeind angetan!


4<br />

Diese Gegebenheiten sollen nur im f<strong>er</strong>nen Hint<strong>er</strong>grund stehen<br />

– quasi eine ahnbare Kulisse hint<strong>er</strong> den Nebelschlei<strong>er</strong>n d<strong>er</strong><br />

ungeliebten V<strong>er</strong>gangenheit – und nicht Thema des Romanes sein,<br />

wenn auch diese v<strong>er</strong>gangenen Wurzeln zu manchen gegenwärtigen<br />

Auswüchsen d<strong>er</strong> Geschichte führen. In diesem Sinne sollte das<br />

Buch in sein<strong>er</strong> Seltsamkeit denjenigen kulinarisches V<strong>er</strong>gnügen<br />

b<strong>er</strong>eiten, die eine Freude an d<strong>er</strong> Vielfalt d<strong>er</strong> Sprache haben.<br />

Noch ein paar technische Details<br />

Die Sprache, in d<strong>er</strong> ich mich entschlossen habe zu schreiben,<br />

entspricht in kein<strong>er</strong> Weise d<strong>er</strong> Neuen Deutschen Rechtschreibung,<br />

denn die <strong>er</strong>scheint mir in ihr<strong>er</strong> geplanten V<strong>er</strong>einfachung<br />

v<strong>er</strong>unglückt, wenig logisch konsequent und vor allem z<strong>er</strong>stört sie in<br />

viel<strong>er</strong> Hinsicht die Vielfalt uns<strong>er</strong><strong>er</strong> Ausdrucksmöglichkeiten. Auch<br />

ist eine Unzahl von Worten in ihr<strong>er</strong> H<strong>er</strong>kunft nicht mehr ableitbar,<br />

sodaß damit Schätze unwied<strong>er</strong>bringlich v<strong>er</strong>lorengehen.<br />

D<strong>er</strong> alten Rechtschreibung fühle ich mich zwar prinzipiell<br />

v<strong>er</strong>bunden, weil ich das scharfe ß so liebe, das ich in d<strong>er</strong> Schule oft<br />

v<strong>er</strong>nachlässigt habe; darum möchte ich es in Zukunft höh<strong>er</strong> achten.<br />

Ab<strong>er</strong> da ich Legasthenik<strong>er</strong> war und nie so richtig gut – eh<strong>er</strong> eine<br />

Niete – in d<strong>er</strong> Schule, möge man mir die Fehl<strong>er</strong> nachsehen (vor<br />

allem, was die Beistrich-Setzung betrifft).<br />

Für den Sprach-theoretisch gebildeten sei somit angem<strong>er</strong>kt,<br />

daß gewisse seltsame Neologismen durchaus gewollt sind, Worte wie<br />

v<strong>er</strong>lohren (es spricht sich halt so lang!) ab<strong>er</strong> mein<strong>er</strong> Legasthenie<br />

entspringen und somit schlichtweg falsch geschrieben sind. Die<br />

Beistriche w<strong>er</strong>den heute sowieso von allen mißachtet, da w<strong>er</strong>den sie<br />

sich nicht besond<strong>er</strong>s kränken, wenn ich sie zwar liebe, ab<strong>er</strong> oft<br />

unrichtig einsetze (statistisch gesehen, w<strong>er</strong>den sie ausreichend<br />

V<strong>er</strong>wendung finden!). Und mein ganz besond<strong>er</strong><strong>er</strong> Liebling – d<strong>er</strong><br />

Dialekt – wird in sein<strong>er</strong> durchaus schwi<strong>er</strong>igen Schreibweise (und<br />

sich<strong>er</strong> auch schw<strong>er</strong>v<strong>er</strong>daulichen Lesbarkeit) breiten Raum finden!<br />

Neologismen; warum eigentlich nicht, wenn sie b<strong>er</strong>eich<strong>er</strong>n?<br />

Dem Diktat eines Lektors war ich nicht b<strong>er</strong>eit mich zu beugen<br />

(und hätte auch nicht die Mittel und die B<strong>er</strong>eitschaft, einen solchen zu<br />

finanzi<strong>er</strong>en).


5<br />

kopfstück<br />

1 Da lag wied<strong>er</strong>einmal so eine von diesen üblichen Anzeigen auf<br />

seinem Schreibtisch. „Ich hab den Adensam<strong>er</strong> imm<strong>er</strong> beobachten können,<br />

wie <strong>er</strong> unanständig im Garten sein Wass<strong>er</strong> gelassen hat. Ab<strong>er</strong> seit drei Tagen<br />

tut <strong>er</strong> das nicht mehr! Do wird wos g’scheg’n sei!”.<br />

Schluß aus; keine Unt<strong>er</strong>schrift. Auf die Rückseite eines fettfleckigen<br />

Kalend<strong>er</strong>zettels vom Vorjahr in nicht ganz richtig<strong>er</strong> Orthographie ungelenk<br />

hingekritzelt war das. Das war am 23.5.2006; das weiß Quastorf noch ganz<br />

genau, denn eigentlich wollte <strong>er</strong> auf irgendein Seminar fahren (‚Ausländ<strong>er</strong> –<br />

die natürlichen Feinde d<strong>er</strong> Staatsorgane’ – od<strong>er</strong> so irgendwas).<br />

Normal<strong>er</strong>weise ginge kein professionell<strong>er</strong> Polizeibeamt<strong>er</strong> einem<br />

d<strong>er</strong>artigen Mist auf den Grund. Ab<strong>er</strong> Joseph Quastorf ist ein begeist<strong>er</strong>t<strong>er</strong><br />

Spürhund und auß<strong>er</strong>dem war das Rech<strong>er</strong>chi<strong>er</strong>en imm<strong>er</strong> noch bess<strong>er</strong> als den<br />

alten Aktenkram aufzuarbeiten (was <strong>er</strong> imm<strong>er</strong> g<strong>er</strong>n v<strong>er</strong>meidet). Mußte <strong>er</strong> sich halt<br />

mit dies<strong>er</strong> Belanglosigkeit beschäftigen, da sich ja hi<strong>er</strong>zulande nur wenig<br />

<strong>er</strong>eignete. In den alten Fiat-UNO gestiegen und hin zum Adensam<strong>er</strong> (vulgo<br />

Glashüttn<strong>er</strong>). „Hoaßen duat’a Adensam<strong>er</strong> ob<strong>er</strong> sei duat’a da Gloshittna!“<br />

sagten sie hi<strong>er</strong>. Ein Brauch d<strong>er</strong> eigentlich eh<strong>er</strong> in den westlich<strong>er</strong> gelegenen<br />

Landesteilen üblich war, ab<strong>er</strong> d<strong>er</strong> ehemals bay<strong>er</strong>ische Einfluß hatte sich<br />

auch hi<strong>er</strong> noch einig<strong>er</strong>maßen <strong>er</strong>halten; wenn auch üblich<strong>er</strong>weise nur bei<br />

ausgefallenen Gebäuden. Denn markante Großbesitztüm<strong>er</strong> hat es hi<strong>er</strong> nie<br />

gegeben – von Erbhöfen ganz zu schweigen.<br />

Also hin zum Hof des Adensam<strong>er</strong>. Hof wäre vielleicht auch etwas<br />

üb<strong>er</strong>trieben; eigentlich ein sogenanntes Ausnahm’hütt’l. Warum das<br />

Glashütten hieß, wußte hi<strong>er</strong> kein<strong>er</strong>, weil die alte Glashütte schon seit sich<strong>er</strong><br />

80 Jahren bis auf die Grundmau<strong>er</strong>n abgebrannt war durch eine<br />

Unachtsamkeit eines trunkenen Sandknechtes und mehr als 100 Met<strong>er</strong><br />

entf<strong>er</strong>nt nahe d<strong>er</strong> aufgelassenen Sandgrube positioni<strong>er</strong>t gewesen war (und<br />

selbst das wußten nur wenige d<strong>er</strong> an lokal<strong>er</strong> Geschichte Int<strong>er</strong>essi<strong>er</strong>ten). Ab und zu<br />

holen sich dort heute noch die nicht so betuchten Häuselbau<strong>er</strong> d<strong>er</strong> näh<strong>er</strong>en<br />

Umgebung den einen od<strong>er</strong> and<strong>er</strong>en Anhäng<strong>er</strong> mind<strong>er</strong>w<strong>er</strong>tigen Sandes zum<br />

Zementmischen und einige unbedarfte Jugendliche spielten hi<strong>er</strong> g<strong>er</strong>ne<br />

Räub<strong>er</strong> und Gendarm, wenn man den G<strong>er</strong>üchten trauen durfte.


6<br />

2 Man kommt h<strong>er</strong>ein in die bescheidene Bude und hat noch keine<br />

Vorstellung, was sich tatsächlich <strong>er</strong>eignen könnte. Tief im Inn<strong>er</strong>en wohnt<br />

eine durchaus b<strong>er</strong>echtigte Sorge, wie es sich weit<strong>er</strong>entwickeln sollte. Dann<br />

<strong>er</strong>gibt sich Entspannung, da nur relativ wenig Blut an d<strong>er</strong> Türklinke klebt;<br />

viel wenig<strong>er</strong>, als ein ehrliches H<strong>er</strong>z an selbige zu spritzen imstande sein<br />

könnte als Folge hart<strong>er</strong> V<strong>er</strong>letzung. Unwesentlich; viel bedeutend<strong>er</strong> wäre es<br />

zu <strong>er</strong>kennen, ob man unbeschadet aus d<strong>er</strong> Unannehmlichkeit h<strong>er</strong>ausgelangt,<br />

denn niemand hat dann die Macht, den <strong>er</strong>lebenden Betracht<strong>er</strong> zu <strong>er</strong>retten.<br />

D<strong>er</strong> hat es schon schw<strong>er</strong> genug mit sich selb<strong>er</strong>. Und weiß eins und zwei,<br />

daß <strong>er</strong> allein ist und <strong>er</strong> nimm<strong>er</strong> in das Vorh<strong>er</strong>ige Zugang findet. War es<br />

gest<strong>er</strong>n od<strong>er</strong> doch schon vor Jahren, daß es an ihm warm h<strong>er</strong>unt<strong>er</strong>g<strong>er</strong>onnen<br />

ist, wie <strong>er</strong> sich die Handgelenke v<strong>er</strong>letzt hat? Ab<strong>er</strong> d<strong>er</strong> G<strong>er</strong>uch des Blutes ist<br />

damals wie heute von einem seltsamen Grün (und das kann kein Nicht-<br />

Synästhetik<strong>er</strong> nachvollziehen; grün wie Gras). Durchfasse ich die notwendige<br />

Abartigkeit, d<strong>er</strong>en Aufdeckung mir Genugtuung v<strong>er</strong>schafft? H<strong>er</strong>r Quastorf<br />

geht stets konsequent an die Dinge h<strong>er</strong>an, nicht ohne sie vorh<strong>er</strong> als<br />

unbededeutend zu entw<strong>er</strong>ten (was <strong>er</strong> eigentlich nicht nötig hätte ab<strong>er</strong> doch wied<strong>er</strong>holt<br />

praktizi<strong>er</strong>t, wenn es ihm nicht besond<strong>er</strong>s gut geht). Ein unangenehm<strong>er</strong> Zeitgenosse<br />

und doch könnte man ihn lieben, da <strong>er</strong> in seinem Wollen unbedingt ist. Er<br />

darf das, weil <strong>er</strong> aus sich selbst ist und hat nur das Hind<strong>er</strong>nis, daß <strong>er</strong> sich<br />

selb<strong>er</strong> nicht so richtig mag. Z<strong>er</strong>splissen <strong>er</strong>findet <strong>er</strong> sich zuunrecht und kann<br />

nur hineinteufeln in was sich <strong>er</strong>geben wird in den nächsten Augenblicken;<br />

das hat ihn schon viel <strong>er</strong>kennen lassen, ab<strong>er</strong> auch oftmals in un<strong>er</strong>trägliche<br />

Sackgassen entführt. Und ein möglich<strong>er</strong>weise un<strong>er</strong>giebiges Tun wird ihn<br />

umgeben in d<strong>er</strong> nächsten – d<strong>er</strong> undurchschaubaren – Zeit!<br />

Liebe hatte <strong>er</strong> schon gehabt (ab<strong>er</strong> weil <strong>er</strong> davon zuwenig weiß, möglich<strong>er</strong>weise<br />

auch keinen Zugang zu dies<strong>er</strong>, da <strong>er</strong> Anstrengungen als mißliebig v<strong>er</strong>achtet). Doch <strong>er</strong><br />

muß handeln, was ihm eigentlich garnicht liegt. Da ist nun diese Umgebung,<br />

die ihm so wenig entspricht, weil sie ihm fremd ist wie alle Tatorte, die <strong>er</strong> –<br />

da <strong>er</strong> sich nun einmal zu diesem B<strong>er</strong>uf entschlossen hat – nahezu haßt; weil<br />

<strong>er</strong> sie als Vorwurf an seinen möglich<strong>er</strong>weise falsch gewählten B<strong>er</strong>uf <strong>er</strong>achtet.<br />

Mit Psychologie hätte <strong>er</strong> sich eh<strong>er</strong> anfreunden können od<strong>er</strong> mit Architektur,<br />

ab<strong>er</strong> da gab es halt seinen Wahlonkel, d<strong>er</strong> – nachdem ihm d<strong>er</strong> eigene Vat<strong>er</strong><br />

bedau<strong>er</strong>lich<strong>er</strong>weise abhandengekommen war – ihm doch eine wegweisende<br />

P<strong>er</strong>spektive gegeben hat, da d<strong>er</strong> Kib<strong>er</strong><strong>er</strong> war wie jetzt <strong>er</strong> nach dessen<br />

Ebenbild. Seinen richtigen Vat<strong>er</strong> hat <strong>er</strong> nie kennengel<strong>er</strong>nt (angeblich<br />

ostpreußisch<strong>er</strong> Flüchtling von d<strong>er</strong> Memel od<strong>er</strong> dem vorgelag<strong>er</strong>ten Kurischen Haff). D<strong>er</strong><br />

hat seine Mutt<strong>er</strong> eiskalt sitzengelassen nach dem Krieg mit ihm in ihrem<br />

ständig wachsenden Bauch.


7<br />

Und den Ziehvat<strong>er</strong> kann man leid<strong>er</strong> auch v<strong>er</strong>gessen: An sich ein<br />

grundredlich<strong>er</strong> Kommunist; W<strong>er</strong>kmeist<strong>er</strong> bei d<strong>er</strong> Wien<strong>er</strong> Tramway (so hat<br />

die Wien<strong>er</strong> Straßenbahn als Homage an die Amis, die damals nach dem Krieg d<strong>er</strong> Stadt<br />

Wien ein paar ausrangi<strong>er</strong>te Triebwägen geschenkt haben – sogenannte Amis – geheißen).<br />

Dem ist d<strong>er</strong> Stalin halt leid<strong>er</strong> etwas wichtig<strong>er</strong> gewesen als die eigene Familie!<br />

Quastorf schätzt es heute noch, wenn ihn ein<strong>er</strong> Sozi schimpft, denn links<br />

absolut g<strong>er</strong>ne; ab<strong>er</strong> bitte eh<strong>er</strong> Victor Adl<strong>er</strong> od<strong>er</strong> Oswald Tandl<strong>er</strong> und nicht<br />

Lenin! Sein<strong>er</strong> Mutt<strong>er</strong> ist es wenigstens gelungen, das ph beim kleinen Joseph<br />

dem Vat<strong>er</strong> abzutrutzen (nicht nach dem stähl<strong>er</strong>nen Dschugaschwili, sond<strong>er</strong>n mehr<br />

nach dem alten Kais<strong>er</strong> – auch keine rechte Freude für einen gestandenen Sozi!).<br />

Wenn man sich nur umsieht, wird das bedau<strong>er</strong>nsw<strong>er</strong>te Auge gequält<br />

von dem lieblosen Ambiente. Da steht die mit schützenem Barchent<br />

abgedeckte Sitzgarnitur – die sich<strong>er</strong> nur zu Festtagen benützt wurde –<br />

neben d<strong>er</strong> Vitrine, in d<strong>er</strong> traditionelle Automodelle und seltene<br />

Steinformationen aus Fuglau (eisenhältig<strong>er</strong> B<strong>er</strong>gkristall; sogenannt<strong>er</strong> Rauchquarz)<br />

und Maissau (faszini<strong>er</strong>end violette Amethyst-Drusen) einand<strong>er</strong> den Rang streitig<br />

machen. An d<strong>er</strong> Wand billige Drucke von spärlich bekleideten Muskel-<br />

Männ<strong>er</strong>n mit aufdringlichem Geschlecht und üb<strong>er</strong>all Nippes aus den<br />

billigen Souveni<strong>er</strong>läden div<strong>er</strong>s<strong>er</strong> Länd<strong>er</strong>. W<strong>er</strong> will denn so leben? Da schlägt<br />

jetzt Quastorfs ästhetische Vorstellung durch und es schüttelt ihn heftig.<br />

H<strong>er</strong>r Quastorf betätigt das ihm eigentlich aus prinzipiellen Gründen<br />

v<strong>er</strong>haßte Handy, um die Spurensich<strong>er</strong>ung zu ord<strong>er</strong>n. Normal<strong>er</strong>weise<br />

benötigt <strong>er</strong> sie nicht und v<strong>er</strong>meidet jedweden Kontakt mit diesen primitiven<br />

Bluthunden, die ohnehin meist viel wenig<strong>er</strong> aufdecken als <strong>er</strong> mit seinem<br />

Riech<strong>er</strong> (zumeist v<strong>er</strong>nichten sie wichtiges Beweismat<strong>er</strong>ial durch unachtsame<br />

V<strong>er</strong>haltensweise und unprofessionellen Aktionismus). Auf dem absolut kitschigen<br />

Ni<strong>er</strong>entischchen mit den dazu schon garnicht passenden Küchensesseln in<br />

SW-Styling glimmt noch im Aschenbech<strong>er</strong> ein Zigarillo d<strong>er</strong> Marke Krumm<strong>er</strong><br />

Hund (das sind die, die jeweils zu dritt in noch feuchtem Zustand von emsigen<br />

Tabakarbeit<strong>er</strong>innen in einand<strong>er</strong> v<strong>er</strong>schraubt w<strong>er</strong>den und sich beim Rauchen bösartig in<br />

die Zunge hineinbrennen wie die strohdurchhalmten Virginias und ähnliches Unkraut).<br />

Also doch v<strong>er</strong>mutlich Mord, wenn <strong>er</strong> auch das Wort v<strong>er</strong>achtet, denn es<br />

schreibt dem Tod nur einen falschen Endkonsonanten an (und im Falle von<br />

Mord muß <strong>er</strong> sich damit leid<strong>er</strong> intensiv<strong>er</strong> beschäftigen!).<br />

Was lieb<strong>er</strong> säße <strong>er</strong> unt<strong>er</strong> den von ihm p<strong>er</strong>fekt baumchirurgisch<br />

zugeschnittenen Gewächsen in seinem eigenen weitläufigen Garten in<br />

Rappoltsgschwendt, betrachtete den nächtlichen Himmel mittels Teleskop


8<br />

und briete sich Karpfen am Grill – eventuell sogar mit Freunden. Wenig<br />

weiß <strong>er</strong> davon, wie es ihn ins Waldvi<strong>er</strong>tel v<strong>er</strong>schlagen konnte, da das<br />

bekanntlich eine Gegend ist, in die man schon seit jeh<strong>er</strong> nur Revolutz<strong>er</strong>,<br />

Mind<strong>er</strong>begabte, Insubordinante, Mißliebige und Renitente abgeschoben hat.<br />

Daraus hat sich eine eigene Parallel-Kultur zu d<strong>er</strong> d<strong>er</strong> indigenen<br />

Bevölk<strong>er</strong>ung ausgeformt; eine d<strong>er</strong> Duckmaus<strong>er</strong>, d<strong>er</strong> teils paranoiden<br />

Weltv<strong>er</strong>bess<strong>er</strong><strong>er</strong>, d<strong>er</strong> Obstinaten und d<strong>er</strong> durchaus liebensw<strong>er</strong>ten Narren.<br />

Ab<strong>er</strong> zu all denen fühlt <strong>er</strong> sich auch nicht sond<strong>er</strong>lich hingezogen, obwohl <strong>er</strong><br />

selbst ein Zuagroast<strong>er</strong> ist; Wien und so (war ab<strong>er</strong> eigentlich auch nicht seine Heimat;<br />

was ist schon Heimat? „Wh<strong>er</strong>ev<strong>er</strong> i rest my head, th<strong>er</strong>e is my home” heißt es in<br />

irgendeinem eh<strong>er</strong> ob<strong>er</strong>flächlichen Song vom Leonard Cohen, d<strong>er</strong> zu sein<strong>er</strong> Zeit sich<strong>er</strong><br />

lit<strong>er</strong>arisch vollkommen üb<strong>er</strong>bew<strong>er</strong>tet wurde und heute <strong>er</strong>st recht wird; od<strong>er</strong> war es John<br />

Denv<strong>er</strong>?) und nun Kriminalabteilung Zwettl – beim Mord.<br />

Eine Schnapsidee, in dies<strong>er</strong> Einschicht, wo es fad<strong>er</strong> als fad ist, noch<br />

eine eigene Dienststelle aufrechtzu<strong>er</strong>halten (eigentlich eine staatliche<br />

Geldv<strong>er</strong>schwendung; ab<strong>er</strong> <strong>er</strong> ist froh, daß die im Minist<strong>er</strong>ium v<strong>er</strong>gessen haben, das schon<br />

zu Kais<strong>er</strong>s Zeiten installi<strong>er</strong>te und von den Nazis reorganisi<strong>er</strong>te Dez<strong>er</strong>nat aus<br />

Kostengründen wegzurationalisi<strong>er</strong>en, wie es heute gen<strong>er</strong>ell üblich ist). So hat <strong>er</strong> es nicht<br />

so weit ins nahegelegene Rappoltsgschwendt, wo <strong>er</strong> ungemein g<strong>er</strong>ne wohnt<br />

in d<strong>er</strong> selbstgewählten Einschicht.<br />

Ab<strong>er</strong>mals zückt <strong>er</strong> das v<strong>er</strong>haßte Handy „Ja hi<strong>er</strong> Quastorf; es gibt<br />

vorläufig keine Leiche nur Spuren eines Tatvorganges – man wird sehen.<br />

Vielleicht war es nur eine illegale Schlachtung. Sie wissen doch, Kollege<br />

Hanfthal<strong>er</strong>, daß in dies<strong>er</strong> Gegend jed<strong>er</strong> jeden g<strong>er</strong>ne anzeigt, wenn <strong>er</strong> schon<br />

keinen Grund zum Prozessi<strong>er</strong>en hat. Darum gibt’s ja bei uns auch so viele<br />

unnötige Juristen. Seit dem Anschluß (damit meint <strong>er</strong> die von ihm äuß<strong>er</strong>st<br />

ungeliebte Einglied<strong>er</strong>ung in die EU) ist das ja alles noch viel ärg<strong>er</strong> geworden, da<br />

es jetzt viel mehr Instanzen, Vorschriften, Erlässe und V<strong>er</strong>ordnungen gibt,<br />

die jed<strong>er</strong> jeden Tag ständig brechen muß, wenn <strong>er</strong> noch halbwegs<br />

handlungsfähig bleiben will. Ich v<strong>er</strong>lasse auf jeden Fall den Schauplatz!“.<br />

Im Hinaustreten aus d<strong>er</strong> Örtlichkeit sieht <strong>er</strong> aus dem Augenwinkel<br />

(und das war wirklich nur eine unbedeutende Beiläufigkeit; eh<strong>er</strong> noch eine Ahnung)<br />

einen Schatten üb<strong>er</strong> seine seit Jahren von einem Streifschuß schm<strong>er</strong>zende<br />

rechte Schult<strong>er</strong> huschen.<br />

Jed<strong>er</strong> Tät<strong>er</strong> kehrt bekanntlich an den Tatort zurück, ab<strong>er</strong> Quastorf<br />

fürchtet nichts, da <strong>er</strong> schon vor lang<strong>er</strong> Zeit mit dem Leben abgeschlossen


9<br />

hat. Angst kennt <strong>er</strong> nicht, denn diese Dame scheut ihn schon seit ewig, da<br />

<strong>er</strong> nur mehr die Gewahrheit zu seinem Korrektiv <strong>er</strong>koren hat. Fürchten<br />

muß <strong>er</strong> nur mehr sein eigenes Handeln, denn <strong>er</strong> ist sich selbst nicht sehr<br />

grün. Seit ihn die Jenseitigen des öft<strong>er</strong>en v<strong>er</strong>gessen haben (mehr<strong>er</strong>e<br />

Totalschäden mit seinen Autos – <strong>er</strong> ist leid<strong>er</strong> ein eh<strong>er</strong> unkonzentri<strong>er</strong>t<strong>er</strong> Lenk<strong>er</strong> aufgrund<br />

seines angeborenen ADHS-Syndroms – hat <strong>er</strong> unv<strong>er</strong>letzt üb<strong>er</strong>lebt und eine massive<br />

Hirnblutung bei einem jugendlich unbedachten Köpfl<strong>er</strong> in allzuseichtes Wass<strong>er</strong> folgenlos<br />

üb<strong>er</strong>taucht), ist <strong>er</strong> in gewiss<strong>er</strong> Weise unv<strong>er</strong>letzbar. Zynismus ist das Seine<br />

nicht, denn <strong>er</strong> will die Welt unmittelbar wahrnehmen und nur ja nicht<br />

v<strong>er</strong>bess<strong>er</strong>n, denn sämtliche ‚V<strong>er</strong>bess<strong>er</strong>ungen’ durch selbst<strong>er</strong>nannte Gurus<br />

haben alles imm<strong>er</strong> nur schlecht<strong>er</strong> w<strong>er</strong>den lassen.<br />

Darum besitzt <strong>er</strong> zwar eine Faustfeu<strong>er</strong>waffe (eine Glock 19 C, die <strong>er</strong> von<br />

d<strong>er</strong> Dienststelle vorschriftsgemäß <strong>er</strong>halten hat, ab<strong>er</strong> die liegt irgendwo hinten im<br />

Schuhkastel im Vorzimm<strong>er</strong>; <strong>er</strong> sollte sie einmal suchen und putzen). Diese Schuhspur<br />

im Blumenbeet wirkt nun all<strong>er</strong>dings auffällig (ca. 42-<strong>er</strong> Wand<strong>er</strong>schuhe;<br />

wahrscheinlich Meindl. Od<strong>er</strong> Spring<strong>er</strong>-Stiefel, denn die H<strong>er</strong>stell<strong>er</strong> beziehen ihre Sohlen<br />

von d<strong>er</strong> selben Firma aus Hiroshima).<br />

3 Wieso <strong>er</strong> jetzt an die Wand gelehnt mit kaltem Arsch und klebrigem<br />

Kopf im Blumenbeet sitzt und es plötzlich schon spät<strong>er</strong> Nachmittag ist, ist<br />

ihm zunächst nicht ganz klar geworden. Die Bluthunde dürften was<br />

Wichtig<strong>er</strong>es zu tun gehabt haben, daß die noch imm<strong>er</strong> nicht da sind. Sein<br />

Handy ist weg wie auch die Fußspur. Erst<strong>er</strong>es ist ihm egal; zweit<strong>er</strong>es wäre<br />

eigentlich peinlich. Das Polizeisiegel an d<strong>er</strong> Eingangstüre ist z<strong>er</strong>rissen und<br />

d<strong>er</strong> Aschenbech<strong>er</strong> fehlt samt dem Krummen Hund. Das würde jeden and<strong>er</strong>en<br />

Ermittl<strong>er</strong> in blankes Entsetzen treiben; nicht so Quastorf. Denn <strong>er</strong>stens<br />

konsumi<strong>er</strong>en nur sehr wenige Menschen diese ekel<strong>er</strong>regende Rauchware<br />

und zweitens sagt die Art d<strong>er</strong> Spurenv<strong>er</strong>wischung mehr üb<strong>er</strong> den Tät<strong>er</strong> aus<br />

als die oftmals unbedeutenden Spuren selb<strong>er</strong>. Zwar schätzen es die<br />

psychlogisch meistens eh<strong>er</strong> unt<strong>er</strong>belichteten Bürokraten d<strong>er</strong> Jurisprudenz<br />

nur wenig, wenn man keine von Blut tropfenden Mess<strong>er</strong> od<strong>er</strong> rauchenden<br />

Pistolen vorweisen kann, ab<strong>er</strong> die haben auch bekanntlich kaum Phantasie<br />

und zuwenig kriminelle En<strong>er</strong>gie, als daß sie sich empathisch in die P<strong>er</strong>son<br />

des Tät<strong>er</strong>s hineinv<strong>er</strong>setzen könnten. Das hinwied<strong>er</strong> ist seine – Quastorfs –<br />

ureigenste Domäne. Und so nebenbei findet <strong>er</strong> noch einen gleichen<br />

Stumpen im Aschenladel des Küchen-Ofens.


10<br />

Ein Schluck aus dem imm<strong>er</strong> gegenwärtigen Flachmann und einige<br />

tiefe Züge an d<strong>er</strong> A3 lind<strong>er</strong>n den nun langsam aufkommenden heftig<strong>er</strong><br />

w<strong>er</strong>denden Kopfschm<strong>er</strong>z und die beginnende Übelkeit, die sich<strong>er</strong> von d<strong>er</strong><br />

an sich unbedeutenden Kopfv<strong>er</strong>letzung und d<strong>er</strong> dadurch bestimmt wied<strong>er</strong><br />

stattgehabten Gehirn<strong>er</strong>schütt<strong>er</strong>ung resulti<strong>er</strong>t.<br />

„Bin neugi<strong>er</strong>ig, ob die Flachwix<strong>er</strong> das lange mittelblonde Haar auf d<strong>er</strong><br />

leicht eingedrückten Couch finden w<strong>er</strong>den“ sagt <strong>er</strong> vor sich hin;<br />

Selbstgespräche, wie sie in Einsamkeit Lebende g<strong>er</strong>ne praktizi<strong>er</strong>en. Das ist<br />

auch so eine ungeliebte Eigenschaft von ihm, daß <strong>er</strong> seine Kompetenz die<br />

Fachleute <strong>er</strong>st spüren läßt, wenn die Fehl<strong>er</strong> machen – und zwar mit wenigen<br />

geschliffenen Worten, die sich wie Skalpell-Klingen nahezu schm<strong>er</strong>zlos in<br />

den Selbstw<strong>er</strong>t d<strong>er</strong> Hint<strong>er</strong>fragten hineinbohren und oft <strong>er</strong>st Stunden spät<strong>er</strong><br />

ihre Wirkung entfalten.<br />

Vor dem Stall, d<strong>er</strong> sich jenseits des kleinen gepflast<strong>er</strong>ten Hofgevi<strong>er</strong>tes<br />

befindet, steht ein primitiv zusammengezimm<strong>er</strong>tes Schlachtg<strong>er</strong>üst, wie es<br />

landesüblich ist. Davor eine rosa Spur, wie wenn w<strong>er</strong> in unv<strong>er</strong>hofft<strong>er</strong> Eile<br />

zu wenig Wass<strong>er</strong> v<strong>er</strong>wendet hätte. Das Moos und die Algen auf den<br />

unebenen Pflast<strong>er</strong>steinen, die Richtung Jauchengrube führen, wirken<br />

irgendwie v<strong>er</strong>letzt. Nicht sehr augenfällig für ob<strong>er</strong>flächliche Betracht<strong>er</strong> und<br />

doch <strong>er</strong>ahnbar für das scharfe Auge des durch Erfahrung Geschulten. Auch<br />

ist d<strong>er</strong> Schlachtbottich nicht – wie bei Hausschlachtungen üblich – zum<br />

Trocknen an die südliche Hauswand gelehnt, sond<strong>er</strong>n gänzlich trocken im<br />

Stadel plazi<strong>er</strong>t und mit v<strong>er</strong>staubten Spinnweben üb<strong>er</strong>zogen. In d<strong>er</strong> rostigen<br />

Kühltruhe, die in d<strong>er</strong> Speisekamm<strong>er</strong> steht, finden sich nur P<strong>er</strong>maFrost-<br />

Menues, Backofen-Pommes, einige v<strong>er</strong>trocknete Pizzas und eine C 92<br />

Maus<strong>er</strong> /7,63-<strong>er</strong>-Parabellum aus dem Produktionsjahr 1934 (das ist die mit<br />

dem leicht konischen Lauf, dem etwas bizarren klobigen Magazin vor dem Griff und dem<br />

seltsamen birnenförmigen Knauf aus Eschenholz).<br />

Das ist nun nichts Besond<strong>er</strong>es in diesen bis 800 n. Ch. von Slawen<br />

bewohnten Gegenden, die sich <strong>er</strong>st seit 1938 als ‚deutsch’ defini<strong>er</strong>en. Die<br />

Waffe wurde sich<strong>er</strong> vor 60 Jahren das letzte Mal benutzt, um einem<br />

besoffenen Russischen V<strong>er</strong>gewaltig<strong>er</strong> das Licht auszublasen (eine Patrone fehlt<br />

und die and<strong>er</strong>en fünf sind ang<strong>er</strong>ostet!). Für Quastorf ist eigentlich meistens das<br />

Umfeld und d<strong>er</strong> Lebensweg des Opf<strong>er</strong>s wesentlich int<strong>er</strong>essant<strong>er</strong> als d<strong>er</strong><br />

Tät<strong>er</strong> selbst. D<strong>er</strong> Tät<strong>er</strong> wird ja vom Opf<strong>er</strong> oftmals <strong>er</strong>st <strong>er</strong>schaffen. Es<br />

könnte ja keine Tät<strong>er</strong>schaft geben, wenn da kein Opf<strong>er</strong> sich oft mühevoll<br />

seinen Tät<strong>er</strong> sucht, ihn aufbaut od<strong>er</strong> den Kontakt zu ihm anbahnen würde.


11<br />

D<strong>er</strong> Hausbesitz<strong>er</strong> wird noch v<strong>er</strong>mißt. Ein früh-pensioni<strong>er</strong>t<strong>er</strong><br />

Eisenbahn<strong>er</strong>, 55 Jahre, keine Auffälligkeiten sind amtsbekannt, keine<br />

besond<strong>er</strong>en Abnormitäten (wenn man von d<strong>er</strong> Abscheu gegenüb<strong>er</strong> jed<strong>er</strong> Form von<br />

Wass<strong>er</strong> – inn<strong>er</strong>lich wie äuß<strong>er</strong>lich – gnädig absieht), keine Vorlieben, keine<br />

Vorstrafen. Das üb<strong>er</strong>rascht den Uninformi<strong>er</strong>ten möglich<strong>er</strong>weise, daß es im<br />

Waldvi<strong>er</strong>tel Eisenbahn<strong>er</strong> gibt, wo doch nur in Zwettl und<br />

Siegmundsh<strong>er</strong>b<strong>er</strong>g Bahnhöfe sind.<br />

Er hat, wie kulturell üblich, eine kleine Landwirtschaft zueigen mit<br />

ein<strong>er</strong> Kuh, fünf Schweinen, 25 Sulmtal<strong>er</strong> Leghendeln und einem Hund. Das<br />

hat ihm d<strong>er</strong> Hanfthal<strong>er</strong> schon b<strong>er</strong>ichten können (wo ist d<strong>er</strong> eigentlich? – d<strong>er</strong><br />

Hund; nicht d<strong>er</strong> Hanfthal<strong>er</strong>!).<br />

Noch bevor die Truppe kommt, bahnt Quastorf sich den Weg nun<br />

zur Jauchengrube. Trotz d<strong>er</strong> wenigen Ti<strong>er</strong>e ist die zwar randvoll, weil man<br />

hi<strong>er</strong>zulande Entsorgung klein schreibt, ab<strong>er</strong> g<strong>er</strong>ade deshalb von ein<strong>er</strong> dicken<br />

g<strong>er</strong>uchlosen Morastschicht bedeckt, auf d<strong>er</strong> man gehen zu können<br />

v<strong>er</strong>meint. Bis auf eine zirka 160 mal 10 cm ausgedehnte Feuchtstelle.<br />

Normal<strong>er</strong>weise gibt eine d<strong>er</strong>artige Anlage keinen G<strong>er</strong>uch mehr ab; ab<strong>er</strong> in<br />

concreto ist da doch d<strong>er</strong> zarte G<strong>er</strong>uch von Adel in d<strong>er</strong> Luft, da die<br />

Deckschicht sichtbar v<strong>er</strong>letzt ist. Niemand wirft freilich ein geschlachtetes<br />

Schwein in die Jauchengrube.<br />

Adel ist so ein Wort, von dem man nicht so recht weiß, wo es<br />

h<strong>er</strong>stammt. Eine Erklärung wäre, daß dieses Mat<strong>er</strong>ial natürlich den Boden<br />

meliorisi<strong>er</strong>t (gleichsam adelt); eine and<strong>er</strong>e sagt, daß in den Bau<strong>er</strong>nkriegen d<strong>er</strong><br />

feindliche Adel mit d<strong>er</strong> Ti<strong>er</strong>-Scheiße gleichgesetzt wurde.<br />

Da sollen sich die Bluthunde ihre st<strong>er</strong>ilen Kampfanzüge besudeln; das<br />

ist nicht Meines! Ansich stört ihn d<strong>er</strong> Jaucheng<strong>er</strong>uch nicht (fast schätzt <strong>er</strong> ihn<br />

als landestypisches Aroma, dessen wesentlich<strong>er</strong> Inhaltsstoff St<strong>er</strong>kobilin – ein<br />

M<strong>er</strong>kaptopurin – von raffini<strong>er</strong>ten Parfum-Design<strong>er</strong>n den edelsten Kult-Duften zugemischt<br />

wird, um das gewisse Etwas zu schaffen).<br />

Quastorf ist seltsam; es ekelt ihn vor nahezu nichts auß<strong>er</strong> vor<br />

Nylonstrümpfen! Nach dem Krieg war <strong>er</strong> begeist<strong>er</strong>t von d<strong>er</strong> Lebensart und<br />

dem Luxus d<strong>er</strong> Amis; <strong>er</strong> liebte die LM-Kaugummis, die Bazookas mit den<br />

lustigen beigepackten Comics d<strong>er</strong> Abenteu<strong>er</strong> des Bazooka-Jim (Bazookas<br />

waren eigentlich frühe Boden-Boden-Raketen, ähnlich den Deutschen Panz<strong>er</strong>fäusten), die<br />

Lucky Strikes, den Elvis und den G<strong>er</strong>uch von Coca-Cola (geschmeckt hat ihm<br />

dieses kotfarbige Gesöff all<strong>er</strong>dings nie – dessen Geschmack war eh<strong>er</strong> von d<strong>er</strong> Qualität


12<br />

‚eingeschlafen<strong>er</strong> Füße’ – denn <strong>er</strong> war mehr d<strong>er</strong> Frucade- und Bluna-Typ; ab<strong>er</strong> man mußte<br />

halt dazugehören). Von d<strong>er</strong> Weltv<strong>er</strong>bess<strong>er</strong>ung d<strong>er</strong> 68-<strong>er</strong>-Jahre hat <strong>er</strong> sich auch<br />

bald ausgeklinkt, da <strong>er</strong> auf Joints imm<strong>er</strong> husten mußte und danach stets ein<br />

paar Vi<strong>er</strong>teln Veltlin<strong>er</strong> gebraucht hat, um das neu inkulturi<strong>er</strong>te Gift aus<br />

seinem damals noch vom Reckturnen, Fechten und Turmspringen im<br />

Arbeit<strong>er</strong>-Sportv<strong>er</strong>ein gestählten Körp<strong>er</strong> zu entf<strong>er</strong>nen. LSD hat <strong>er</strong> niemals<br />

benötigt, da ihm seine körp<strong>er</strong>eigenen Hormone zu seinem Leidwesen<br />

ohnehin allzuoft die absolute Ausuf<strong>er</strong>ung besch<strong>er</strong>t haben (Dopamin ist<br />

bekanntlich ein Hund).<br />

Ab<strong>er</strong> besond<strong>er</strong>s Nylons hat <strong>er</strong> imm<strong>er</strong> v<strong>er</strong>abscheut, trotzdem sie doch<br />

zumeist Int<strong>er</strong>essantes v<strong>er</strong>borgen haben; ab<strong>er</strong> richtggehend gegraust hat ihm<br />

davor, wenn <strong>er</strong> mit den vom Nägelbeißen ausgefransten Fing<strong>er</strong>nägeln nur<br />

in d<strong>er</strong>en Nähe gekommen ist. Heute ist <strong>er</strong> darüb<strong>er</strong> hinweg; man muß nicht<br />

gleich behaupten, das hätte etwas mit Weisheit zu tun – das wäre zu<br />

großspurig! Meingott die Weisheit; das ist auch so eine Prüfung, die man<br />

nur mit Noblesse üb<strong>er</strong>steht, wenn man sich nicht näh<strong>er</strong> auf sie einläßt.<br />

Die Scheinw<strong>er</strong>f<strong>er</strong> d<strong>er</strong> bulligen Puch-G-Geländefahrzeuge bohren sich<br />

in die Dämm<strong>er</strong>ung und quälen seinen mitgenommenen Kopf mit ihrem<br />

blauen Argon-Licht. Es wird Zeit, daß <strong>er</strong> nach d<strong>er</strong> Dienst-Üb<strong>er</strong>gabe in sein<br />

von Kargheit geprägtes Heim v<strong>er</strong>schwindet.<br />

4 Es gärt nach in seinem Schädel, bevor <strong>er</strong> ins einsam-kalte Bett geht;<br />

nicht ohne vorh<strong>er</strong> noch einige Seiten Nietzsche in Gegenwart eines guten<br />

Tropfens Zweigelt gelesen zu haben. Nach dies<strong>er</strong> Nacht, in d<strong>er</strong> <strong>er</strong> in<br />

ausuf<strong>er</strong>nden Träumen übel konfronti<strong>er</strong>t wird mit seinen ungewöhnlichen<br />

Kindheits<strong>er</strong>lebnissen, geht Quastorf ins Amt mit tiefliegenden Augen und<br />

seinem Dreitage-Bart. Das vom Blut freigewaschene Haar steht noch etwas<br />

wirr vom Kopf ab; ärztlich<strong>er</strong> V<strong>er</strong>sorgung bedient <strong>er</strong> sich bess<strong>er</strong> nicht, denn<br />

<strong>er</strong> weiß, daß das imm<strong>er</strong> irgendwelche unangenehmen Konsequenzen hat.<br />

„Gehen’s, was soll denn d<strong>er</strong> Kaffee, d<strong>er</strong> nach Abwaschwass<strong>er</strong> schmeckt,<br />

Frau Duftschmied?“. Nicht daß jetzt irgendw<strong>er</strong> an einen Sch<strong>er</strong>z denken<br />

dürfte. Dies<strong>er</strong> hübsche Name ist in Höllweix durchaus häufig und man<br />

begegnet ihm regelmäßig!<br />

Von den Spurhunden hört man nur Unwesentliches. Wenig Blut an<br />

d<strong>er</strong> Türklinke (das wußte Quastorf schon gest<strong>er</strong>n; morgen w<strong>er</strong>den wir wissen, von wem


13<br />

es ist). G<strong>er</strong>fried Adensam<strong>er</strong> heißt das v<strong>er</strong>mutliche Opf<strong>er</strong>. Seine Elt<strong>er</strong>n<br />

dürften ihn nicht besond<strong>er</strong>s gemocht haben, daß sie ihm noch in d<strong>er</strong><br />

Nachkriegszeit diesen eh<strong>er</strong> ideologisch besetzten Voramen gegeben haben,<br />

d<strong>er</strong> ihm in d<strong>er</strong> Schule sich<strong>er</strong> Mobbing angetan hat. Das Hineindenken in<br />

das Opf<strong>er</strong> b<strong>er</strong>eich<strong>er</strong>t Quastorf. Dessen Wege, dessen Zuordnungen, dessen<br />

Wesenheiten, sein Tun und selbst sein Lassen.<br />

Jetzt hatten sich die Spurensuch<strong>er</strong> die Jauchengrube vorgenommen<br />

und natürlich dabei die Leiche vom Adensam<strong>er</strong> gefunden. Gleich konnte<br />

man nichts feststellen (kein Wund<strong>er</strong> bei d<strong>er</strong> vielen alten Scheiße, mit d<strong>er</strong> d<strong>er</strong> Tote<br />

üb<strong>er</strong>zogen war!).<br />

In d<strong>er</strong> Prosektur (diesen Begriff, d<strong>er</strong> eigentlich aus d<strong>er</strong> ärztlichen Fachsprache<br />

stammt, bevorzugt Quastorf vor dem eh<strong>er</strong> falschen, im Polizeidienst ab<strong>er</strong> üblichen Wort<br />

Pathologie; ein Ermordet<strong>er</strong> ist ja nur in den seltensten Fällen vor seinem Hinscheiden als<br />

krank zu bezeichnen). Man kann natürlich prinzipiell alle Menschen als krank<br />

ansehen, was auch hinwied<strong>er</strong>um Ärzte ab<strong>er</strong> auch Psychoth<strong>er</strong>apeuten g<strong>er</strong>ne<br />

üben, um ihrem Konto etwas Gutes zu tun.<br />

Loch im Hint<strong>er</strong>kopf unt<strong>er</strong> d<strong>er</strong> stark blutv<strong>er</strong>krusteten ungepflegt<br />

langen Nackenmatte. Genau 10 ½ Millimet<strong>er</strong> Durchmess<strong>er</strong>. Eintritt knapp<br />

fing<strong>er</strong>breit ob<strong>er</strong>halb des Hint<strong>er</strong>hauptsloches ohne Ausschuß-Spuren. Die<br />

Wappl<strong>er</strong> von Forensik<strong>er</strong>n, wie die neudeutsch heißen, sind ratlos:<br />

Es gibt nämlich nach d<strong>er</strong>en Kenntnis keine Waffe, die Kalib<strong>er</strong> 10,5<br />

hat. Sich<strong>er</strong> ein angesetzt<strong>er</strong> Schuß, ab<strong>er</strong> mit vielzuwenig Schmauchspuren<br />

und praktisch kein<strong>er</strong> Stanzmarke d<strong>er</strong> Mündung ein<strong>er</strong> Faustfeu<strong>er</strong>waffe.<br />

Sollen sie halt ihre ohnehin unt<strong>er</strong>ford<strong>er</strong>ten Hirnwindungen in Betrieb<br />

setzen. Wann passi<strong>er</strong>t denn schon ein Mord in dies<strong>er</strong> gottv<strong>er</strong>lassenen<br />

Gegend?!<br />

Gut, Quastorf steht als Ungetauft<strong>er</strong> d<strong>er</strong> Kirche schon etwas kritisch<br />

gegenüb<strong>er</strong>; soweit ab<strong>er</strong>, daß <strong>er</strong> die bloße Gottv<strong>er</strong>lassenheit ein<strong>er</strong> Gegend als<br />

Garantie für d<strong>er</strong>en Gewaltlosigkeit hinnehmen könnte, würde <strong>er</strong> nun doch<br />

nicht gehen! Na pfloatsch, jetzt suchen wir nach ein<strong>er</strong> selbstgemachten<br />

Waffe; vielleicht bietet das Projektil neue Anhaltspunkte. Da gilt es, die<br />

Pathologen- und Ballistik-Befunde abzuwarten.<br />

5 Eigentlich müßte <strong>er</strong> schon lange einmal d<strong>er</strong> Waldfrau einen Besuch<br />

abstatten. Das könnte <strong>er</strong> am Weg zum Tatort einschieben, denn die Spuren-


14<br />

Bietzl<strong>er</strong> brauchen ohnehin imm<strong>er</strong> ewig, bis sie – bekleidet mit weißen<br />

Plastik-Ov<strong>er</strong>alls, die sie wie Statisten von billig produzi<strong>er</strong>ten Science-<br />

Fiction-Filmen aussehen lassen – ihr Klump<strong>er</strong>t in Stellung gebracht haben,<br />

umständlich jeden Nasenrammel und jedes Hundstrümm<strong>er</strong>l in kleine<br />

Plastiksäckchen v<strong>er</strong>packt und die vielen läch<strong>er</strong>lichen (an Lego-Bausteine<br />

<strong>er</strong>inn<strong>er</strong>nden) Marki<strong>er</strong>ungs-Numm<strong>er</strong>n aufgestellt und alles peinlich genau<br />

photographi<strong>er</strong>t haben.<br />

Die Waldfrau hat natürlich auch einen bürg<strong>er</strong>lichen Namen und d<strong>er</strong><br />

ist leid<strong>er</strong> entgegen ihr<strong>er</strong> magischen Funktion etwas desillusioni<strong>er</strong>end. Heike<br />

Strehlmann heißt sie. Wie auch and<strong>er</strong>s, da sie aus d<strong>er</strong> Gegend von Cottbus<br />

aus d<strong>er</strong> Nied<strong>er</strong>-Lausitz zugezogen ist. Genaugenommen aus Lübbenau (ein<br />

entzückendes Spreewald-Städtchen im Süd-Sorbenland; od<strong>er</strong> war das schon Wendland?).<br />

Dort finden sich heute noch ausgedehnte Sümpfe, die von unzähligen<br />

Kanälen durchzogen an Urwald <strong>er</strong>inn<strong>er</strong>n. Nicht nur vor den Myriarden von<br />

Stechmücken, sond<strong>er</strong>n hauptsächlich vor den Kommunisten ist sie damals<br />

geflüchtet kurz vor dem B<strong>er</strong>lin<strong>er</strong> Mau<strong>er</strong>-Bau!<br />

Sie kennt sich bestens aus mit den Kräut<strong>er</strong>n des Waldes und d<strong>er</strong><br />

Fluren und weiß sie – abgestimmt auf ihre jeweilige Kundschaft – gezielt<br />

einzusetzen. Schön ist sie wenig<strong>er</strong> und auch nicht g<strong>er</strong>ade jung, ab<strong>er</strong> in ihr<strong>er</strong><br />

zeitlosen Ausstrahlung irgendwie keinem Alt<strong>er</strong> zuzuordnen. Und eine dem<br />

Irdischen f<strong>er</strong>ne Aura umgibt sie und sie sprüht vor Charme, daß man sich<br />

oft fragt, wo sie ihre Ausgeglichenheit h<strong>er</strong>nimmt so tief im Wald und ganz<br />

ohne Mann (möglich<strong>er</strong>weise g<strong>er</strong>ade aus diesem Umstand).<br />

Naja das etwas seltsame Vegetari<strong>er</strong>tum, dem sie sich bedingungslos<br />

unt<strong>er</strong>wirft, wid<strong>er</strong>strebt Quastorf, ab<strong>er</strong> die anregenden Gespräche mit ihr<br />

lassen ihn seinen doch oft frustri<strong>er</strong>enden B<strong>er</strong>uf bess<strong>er</strong> <strong>er</strong>tragen und ihre<br />

div<strong>er</strong>sen Tees schmecken mit einem Schuß Obstl<strong>er</strong> durchaus gut und<br />

entfalten annehmliches Wohlbehagen im vom Alltag geschundenen Leib.<br />

Seltsam<strong>er</strong>weise hat sie manchmal viele Hint<strong>er</strong>grund-Informationen üb<strong>er</strong> das<br />

Geschehen im weit entf<strong>er</strong>nten Ort, die selbst dessen Bewohn<strong>er</strong> nicht haben,<br />

obwohl die wahrhafte Meist<strong>er</strong> des G<strong>er</strong>üchteschmiedens sind.<br />

Er packt seine Teemischung ein, von d<strong>er</strong> <strong>er</strong> wie üblich nicht weiß,<br />

was sie beinhaltet und ob <strong>er</strong> d<strong>er</strong>en Genuß üb<strong>er</strong>haupt üb<strong>er</strong>leben wird und<br />

besteigt lustlos seinen Fiat-UNO, d<strong>er</strong> ihm zwar seit nun fast schon 8 Jahren<br />

gute Dienste geleistet hat, ab<strong>er</strong> ihm auch ein V<strong>er</strong>mögen an Reparaturkosten<br />

abv<strong>er</strong>langte, trotzdem diese Instandsetzungen meistens vom bewährten<br />

Billig-Pfusch<strong>er</strong> bew<strong>er</strong>kstelligt wurden.


15<br />

Um das viele Geld hätte <strong>er</strong> sich lock<strong>er</strong> einen Porsche-Boxt<strong>er</strong> leisten<br />

können, ab<strong>er</strong> bevor <strong>er</strong> sich was Neues anschafft, muß schon sehr viel mehr<br />

passi<strong>er</strong>en als bloß ein paar Austauschungen von Fahr<strong>er</strong>türen, mehr<strong>er</strong>e<br />

Bodenplatten-Schweißungen und drei neue Auspufftöpfe, weil die<br />

wied<strong>er</strong>holt durchg<strong>er</strong>ostet gewesen sind vom wint<strong>er</strong>lichen Streusalz und wie<br />

die ehemaligen kultigen Abarth-Anlagen geklungen haben!<br />

Ein genial<strong>er</strong> Autofreak, d<strong>er</strong> H<strong>er</strong>r G<strong>er</strong>hard Hagmann mit seinem<br />

programmatischen Namen. Von sein<strong>er</strong> Abkunft h<strong>er</strong> ein Nachfahre eines<br />

Waldhack<strong>er</strong>s, die Land von d<strong>er</strong> H<strong>er</strong>rschaft zugeteilt bekommen haben, so sie<br />

es g<strong>er</strong>odet und bestellt und an die Ämt<strong>er</strong> Zehent abgelief<strong>er</strong>t haben. D<strong>er</strong><br />

kann alles. Eigentlich ist <strong>er</strong> d<strong>er</strong> örtliche Postl<strong>er</strong> und fährt mit einem<br />

stinkenden Zweitakt<strong>er</strong>-Moped seine Revi<strong>er</strong>runden, im Rahmen d<strong>er</strong><strong>er</strong> <strong>er</strong> oft<br />

belastende und intime Dinge zustellt; od<strong>er</strong> auch Pensionsgeld<strong>er</strong>.<br />

Böse Zungen behaupten gelegentlich, daß <strong>er</strong> mit einem abgesägten<br />

Stutzen, d<strong>er</strong> mit Schalldämpf<strong>er</strong> ausgestattet sein soll, zwischendurch auch<br />

wild<strong>er</strong>t. Das will sich Quastorf eigentlich nicht so recht vorstellen, da das<br />

doch ein Offizialdelikt darstellen würde und <strong>er</strong> als Staatsbeamt<strong>er</strong> somit<br />

v<strong>er</strong>pflichtet wäre, dieses von sich aus sofort zur Anzeige zu bringen, was<br />

sich negativ auf seine günstige Reparaturw<strong>er</strong>kstatt auswirken könnte.<br />

Irgendwie tut sich H<strong>er</strong>r Quastorf auch ein biß<strong>er</strong>l schw<strong>er</strong> mit d<strong>er</strong><br />

Vorstellung, daß auch Pfuschen strafbar sein sollte, denn <strong>er</strong> ist zwar kein<br />

Moralist, ab<strong>er</strong> so richtig straffällig will <strong>er</strong> ja auch nicht w<strong>er</strong>den. Nicht aus<br />

prinzipiellen Gründen, sond<strong>er</strong>n haupsächlich wegen d<strong>er</strong> von d<strong>er</strong><br />

Öffentlichkeit von ihm <strong>er</strong>warteten Vorbildfunktion, in die <strong>er</strong> durch seine<br />

Position nun einmal g<strong>er</strong>ückt ist.<br />

6 Die Bande hat den Tatort b<strong>er</strong>eits abgegrast und ihre<br />

wichtigmach<strong>er</strong>ischen Alukoff<strong>er</strong> in den amtseigenen Puch-G v<strong>er</strong>staut.<br />

„Übrigens H<strong>er</strong>r Kuchlbach<strong>er</strong>, wie bew<strong>er</strong>ten Sie das Haar auf d<strong>er</strong> Couch?“.<br />

Blankes Entsetzen breitet sich im Gesicht des mangelgroßen Mittvi<strong>er</strong>zig<strong>er</strong>s<br />

aus. „Haar?“.<br />

„Na Haar halt, wie es sich bei höh<strong>er</strong>en Primaten eh<strong>er</strong> am Kopf findet, so es<br />

nicht zu sehr gekraust ist“. Das ist nun leid<strong>er</strong> in mehr<strong>er</strong>lei Hinsicht die<br />

schm<strong>er</strong>zhafte Schwachstelle des Chef<strong>er</strong>mittl<strong>er</strong>s und Dez<strong>er</strong>nat-Leit<strong>er</strong>s<br />

Ob<strong>er</strong>st Kuchlbach<strong>er</strong>, denn <strong>er</strong>stens hat d<strong>er</strong> das Angesprochene üb<strong>er</strong>sehen,


16<br />

was ein<strong>er</strong> Demütigung gleichkommt und zweitens bedeckt seit vielen Jahren<br />

(von Schmücken kann kein<strong>er</strong>lei Rede sein in diesem Zusammenhang) seinen relativ<br />

jungen, wenn auch nicht g<strong>er</strong>ade formvollendeten kahlen Kopf eine seltsame<br />

Haube, von d<strong>er</strong> nur <strong>er</strong> selbst v<strong>er</strong>meint, daß man sie als Echthaar<br />

mißv<strong>er</strong>stehen könnte. Dessen P<strong>er</strong>ückenmach<strong>er</strong> sollte nach d<strong>er</strong> ästhetischen<br />

Vorstellung Quastorfs ohnehin 10 Jahre unbedingt bekommen (ohne Prozeß;<br />

gleichsam standrechtlich). Also zurück ins Haus und das ominöse Haar ins<br />

Jausensack<strong>er</strong>l. Quastorf hat wied<strong>er</strong> einen Beweis gefunden für die<br />

Einsparungspotenziale des Innenminist<strong>er</strong>iums, was diese unfähigen Leute<br />

betrifft.<br />

7 H<strong>er</strong>r Medizinalrat August Hebenstreit war garnicht <strong>er</strong>freut, daß ihn<br />

d<strong>er</strong> Volksschul-Direktor Ob<strong>er</strong>-Schulrat Alfred Kokoschka während d<strong>er</strong><br />

Beschäftigung mit dem durchaus schwi<strong>er</strong>igen Fall ein<strong>er</strong> seltenen<br />

Blut<strong>er</strong>krankung, wegen d<strong>er</strong><strong>er</strong> <strong>er</strong> schon einge Fachkollegen telefonisch<br />

kontakti<strong>er</strong>en mußte, jählings aus d<strong>er</strong> Konzentration g<strong>er</strong>issen hatte mit<br />

seinem beharrlichen Ansinnen, doch endlich die lange üb<strong>er</strong>fällige Schül<strong>er</strong>-<br />

Unt<strong>er</strong>suchung durchzuführen.<br />

„Gut; üb<strong>er</strong>morgen 9 Uhr; paßt das? Und wenn bitte die Schül<strong>er</strong> diesmal<br />

eh<strong>er</strong> gesäub<strong>er</strong>t wären, würde das von Vorteil sein. Auch schätzte ich es,<br />

wenn nicht wied<strong>er</strong> die Hälfte fehlte, weil irgendwelche frauenbewegten<br />

Üb<strong>er</strong>mütt<strong>er</strong> manchmal glauben, ihre Brütlinge vor d<strong>er</strong> Vorsorge bewahren<br />

zu müssen. Denn das grenzt ja oft schon an mangelnde Obsorge, was sich<br />

da an P<strong>er</strong>missivität in den letzten Jahren aufgebaut hat!“.<br />

H<strong>er</strong>r Ob<strong>er</strong>-Schulrat Kokoschka konnte schon niemals mit diesem<br />

medizinischen Bartträg<strong>er</strong>, d<strong>er</strong> sich trotz sein<strong>er</strong> 130 Kilo und seines<br />

notorischen Alkoholkonsums als V<strong>er</strong>fecht<strong>er</strong> d<strong>er</strong> gesunden Lebensweise und<br />

aufgrund sein<strong>er</strong> eigenen Sond<strong>er</strong>barkeiten leicht in die oftmals abstruse<br />

Psychostruktur sein<strong>er</strong> gestörten Patienten einzufühlen imstande v<strong>er</strong>meinte;<br />

quasi ein Res<strong>er</strong>ve-Freud.<br />

Ab<strong>er</strong> im Gegenzug v<strong>er</strong>achtete d<strong>er</strong> Medizinalrat einen farblosen<br />

Charakt<strong>er</strong>, wie ihn H<strong>er</strong>r Kokoschka darstellte. Man kann doch nicht<br />

keuschen Sinnes einen d<strong>er</strong>art musengeküßten Namen mit selbstgewählt<strong>er</strong><br />

Farblosigkeit v<strong>er</strong>gewaltigen! Und sich Ob<strong>er</strong>-Schulrat an d<strong>er</strong> unt<strong>er</strong>sten<br />

Schulebene tituli<strong>er</strong>en zu lassen, ließe jedem machösen Ochsen-Frosch die<br />

Schallblasen platzen!


17<br />

Lustlos fuhr d<strong>er</strong> Res<strong>er</strong>ve-Freud mit sein<strong>er</strong> freundlichen, von allen<br />

geliebten, ab<strong>er</strong> mehrfach beziehungsgeschädigten Sekretärin zum<br />

ausgemachten T<strong>er</strong>min. Es war wie imm<strong>er</strong>: Die Lehr<strong>er</strong> sind obstinat, lassen<br />

ihre Wichtigkeit und ihre Macht h<strong>er</strong>aushängen und quälen den<br />

ausgebrannten Medizin<strong>er</strong> mit d<strong>er</strong> g<strong>er</strong>ade zufälligen Unmöglichkeit d<strong>er</strong><br />

Unt<strong>er</strong>suchung; „weil Schularbeit ist, Religions- od<strong>er</strong> W<strong>er</strong>kunt<strong>er</strong>richt<br />

stattfindet od<strong>er</strong> Turnen“. Ab<strong>er</strong> jetzt gibt <strong>er</strong> kein Pardon „ich habe meine<br />

Zeit nicht gestohlen; unt<strong>er</strong>suche ich halt alle im Turnsaal; da sind die Kind<strong>er</strong><br />

ohnehin entkleidet!“.<br />

Dort findet d<strong>er</strong> schw<strong>er</strong>gewichtige Medizin<strong>er</strong> den ihm wohlbekannten<br />

Lehr<strong>er</strong> F<strong>er</strong>dinand Paradeis<strong>er</strong> mit seinen ihm anv<strong>er</strong>trauten Schül<strong>er</strong>n vor. Die<br />

stehen in Riege nach Größe geordnet und schallen ihm ein zackiges<br />

„Grüüüß Gottt“ entgegen, daß man sich unangenehm an Engelb<strong>er</strong>t<br />

Dollfuß <strong>er</strong>inn<strong>er</strong>t fühlt.<br />

„Na w<strong>er</strong>de ich machen, sollte ich ihn treffen!“ (solche Bonmots gab d<strong>er</strong> alte<br />

Sprachjongleur g<strong>er</strong>ne ungebeten von sich, weil ihm das das Mütchen kühlte und die zu<br />

demütigenden Gegn<strong>er</strong> v<strong>er</strong>standen es ohnehin nicht).<br />

Soviel Disziplin ist doch eigentlich anachronistisch in ein<strong>er</strong> Zeit d<strong>er</strong><br />

Auflösung jedwed<strong>er</strong> gesellschaftlichen Konventionen. Die Unt<strong>er</strong>suchungen<br />

dau<strong>er</strong>n etwas läng<strong>er</strong>, als es ihm lieb ist und <strong>er</strong> schreibt den Elt<strong>er</strong>n viele<br />

Empfehlungen betreffend d<strong>er</strong> Gesund<strong>er</strong>haltung ihr<strong>er</strong> Schützlinge<br />

(hauptsächlich kann es sich ohnehin nur um eine Sekundärprävention handeln bei all den<br />

fehl<strong>er</strong>nährten, haltungsschwachen und untraini<strong>er</strong>ten Fratzen), die diese sich<strong>er</strong> wied<strong>er</strong><br />

wegw<strong>er</strong>fen w<strong>er</strong>den wie üblich.<br />

V<strong>er</strong>antworten konnte man diese Form d<strong>er</strong> Vorsorge eigentlich in<br />

kein<strong>er</strong> Weise, da auch die von Dr. Hebenstreit akribisch ausgefüllten<br />

Gesundheitsblätt<strong>er</strong> von d<strong>er</strong> Schulbehörde zwar v<strong>er</strong>waltet ab<strong>er</strong> niemals<br />

gelesen wurden und auch in Zukunft sich<strong>er</strong> nicht wahrgenommen w<strong>er</strong>den,<br />

wiewohl es seit kurzem neu gestaltete Formblätt<strong>er</strong> gibt. Und an eine<br />

notwendige Reaktion glaubte <strong>er</strong> seit langem nicht mehr.<br />

D<strong>er</strong> gute H<strong>er</strong>r Paradeis<strong>er</strong> war vielleicht gegenüb<strong>er</strong> den ihm<br />

Üb<strong>er</strong>antworteten stets streng, ab<strong>er</strong> bei sich selbst machte <strong>er</strong> gelegentlich<br />

gewisse Ausnahmen, wie sein<strong>er</strong>zeit bei d<strong>er</strong> Angi Kalchgrub<strong>er</strong>. Die hat <strong>er</strong><br />

unvorstellbar geliebt. Eine blutjunge Friseuse nahezu am Klischee: Grüne<br />

Haare schon zu ein<strong>er</strong> Zeit, da niemand um die abartige Chemie ein<strong>er</strong>


18<br />

d<strong>er</strong>artigen Farbe wissen hatte können. Ihre Brüste waren auch nicht von<br />

Pappe (höchsten ein Hauch von Silikon).<br />

Die Design<strong>er</strong>-Jeans, die sie sich<strong>er</strong> aus den – dem Normalst<strong>er</strong>blichen<br />

nicht v<strong>er</strong>füglichen – Kind<strong>er</strong>-Konfektions-Shops bezogen hat, hatten ihr<br />

ständig in die nicht unint<strong>er</strong>essante Schamspalte eingeschnitten. Es hätte<br />

nach d<strong>er</strong> Vorstellung des nicht besond<strong>er</strong>s phantasiebegabten H<strong>er</strong>rn<br />

Paradeis<strong>er</strong> vielleicht nicht unbedingt des Nabel-Pearcings bedurft, das sie<br />

meistens sichtbar trug; ab<strong>er</strong> gestört hat es ihn halt auch nicht, wie <strong>er</strong> sie<br />

geschwäng<strong>er</strong>t hat, da das liebensw<strong>er</strong>te ab<strong>er</strong> etwas schlichte Mädchen<br />

blöd<strong>er</strong>weise ihre Pille wegen ihr<strong>er</strong> Bulimorexie <strong>er</strong>brochen hat. Bewußt<br />

wollte sie eigentlich nicht schwang<strong>er</strong> w<strong>er</strong>den, da sie ihre weibliche Identität<br />

nicht so richtig anzunehmen b<strong>er</strong>eit war; war auch nicht zu <strong>er</strong>warten, da sie<br />

lange keine Regel hatte.<br />

Nachh<strong>er</strong> hat <strong>er</strong> sie nichteinmal mehr gegrüßt – d<strong>er</strong> Saubauch – <strong>er</strong> hat<br />

gedacht, daß <strong>er</strong> mit den 5.000.- Schilling für die Abtreibung sein<strong>er</strong> faulen<br />

Frucht sich ohnehin sehr nobel v<strong>er</strong>halten hätte. Ab<strong>er</strong> das möglich<strong>er</strong>weise<br />

doch manchmal g<strong>er</strong>echte Schicksal hat ihn danach <strong>er</strong>barmungslos eingeholt.<br />

Zwei Jahre spät<strong>er</strong> hat <strong>er</strong> von einem sein<strong>er</strong> <strong>er</strong>ziehungsresistenten Schül<strong>er</strong><br />

Mumps bekommen (und das mit 27!) und es war gänzlich fatal: Orchitis mit<br />

anschließend<strong>er</strong> Hodenatrophie beidseits; und d<strong>er</strong> Urologe hat ihn noch<br />

gewarnt und mit nutzlosen Salben, wirkungslosen Antibiotika und<br />

Suspensorien v<strong>er</strong>sorgt. Nichts mehr zu machen! Impotentia coeundi et<br />

gen<strong>er</strong>andi!<br />

Sublimi<strong>er</strong>ung war ab dato angesagt: Weit<strong>er</strong>gabe d<strong>er</strong> unv<strong>er</strong>rückbaren<br />

W<strong>er</strong>te an die männliche Jugend. Tüchtigkeit, Stärke, Gehorsam,<br />

Unbeugsamkeit, Korpsgeist, Disziplin und Treue (ja Treue war besond<strong>er</strong>s<br />

wichtig; Treue zu Führ<strong>er</strong>, Volk und Vat<strong>er</strong>land – ‚die drei F’ – ein Sch<strong>er</strong>z d<strong>er</strong><br />

Antifaschisten), weil „uns<strong>er</strong>e Ehre Treue ist!“.<br />

Mit d<strong>er</strong>artigen Inhalten konnte man all<strong>er</strong>dings die Schar nur aus den<br />

unt<strong>er</strong>sten Reihen besetzen; das war ihm sehrwohl bewußt gewesen. Ab<strong>er</strong> es<br />

bedurfte halt leid<strong>er</strong> imm<strong>er</strong> schon d<strong>er</strong> Gewalt des dumpen Pöbels, um die<br />

hehren Ideale hochzuschwemmen und <strong>er</strong>folgreich in alle Schichten zu<br />

transporti<strong>er</strong>en „ein Volkkk, ein Rrreich, ein Fürr<strong>er</strong>r!“. Ganz wohl fühlte <strong>er</strong> sich<br />

bei dies<strong>er</strong> Beeinflussung d<strong>er</strong> von ihrem Schicksal deformi<strong>er</strong>ten Jugendlichen<br />

ja nicht, weil man absolut nicht imm<strong>er</strong> abschätzen konnte, wohin das<br />

d<strong>er</strong>einst führen könnte; das ist schon öft<strong>er</strong> entglitten.


19<br />

Vom Äuß<strong>er</strong>en könnte <strong>er</strong> auch ganz leicht als unbelehrbar<strong>er</strong> 68-<strong>er</strong><br />

durchgehen (all<strong>er</strong>dings hygienebewußt). Durchaus gepflegtes Langhaar und<br />

fassoni<strong>er</strong>t<strong>er</strong> Vollbart. Dahingehend hat ihn seine geile Friseuse nicht<br />

bekehren können, daß <strong>er</strong> einen mod<strong>er</strong>n<strong>er</strong>en Haarschnitt annehme.<br />

Wenig Äuß<strong>er</strong>lichkeiten hat <strong>er</strong> von seinem Vat<strong>er</strong>, was sich<strong>er</strong> gut ist;<br />

denn d<strong>er</strong> war eigentlich ein V<strong>er</strong>li<strong>er</strong><strong>er</strong> und optisch nicht sehr ansprechend.<br />

Ab<strong>er</strong> die Mutt<strong>er</strong> hatte damals nur wenig Wahlmöglichkeiten.<br />

D<strong>er</strong> Vat<strong>er</strong> Alois Paradeis<strong>er</strong>; d<strong>er</strong> Mesn<strong>er</strong> d<strong>er</strong> Pfarrkirche von Höllweix.<br />

D<strong>er</strong> hat nun auch wied<strong>er</strong> seine Geschichte. In jungen Jahren war <strong>er</strong> nicht<br />

sehr attraktiv (ist <strong>er</strong> heute schon garnicht; da ist sein Sohn schon ein Alz<strong>er</strong>l hübsch<strong>er</strong>)<br />

und hat trotzdem die putzige vollbusige Mei<strong>er</strong> Isabella eingefangen, weil ihr<br />

Vat<strong>er</strong> sie endlich an einen Mann bringen wollte. Und das war halt zufällig<br />

<strong>er</strong>, zumal <strong>er</strong> damals noch die ganz gut flori<strong>er</strong>ende Sattl<strong>er</strong>w<strong>er</strong>kstatt sein<br />

Eigen nannte.<br />

Sie war imm<strong>er</strong> schon in d<strong>er</strong> Jungschar engagi<strong>er</strong>t gewesen und hatte<br />

spät<strong>er</strong> aus Gewohnheit imm<strong>er</strong> die Blumen gewechselt in d<strong>er</strong> Kirche und die<br />

K<strong>er</strong>zen <strong>er</strong>neu<strong>er</strong>t, wenn diese abgebrannt waren. Dann hatte sie d<strong>er</strong> alte<br />

H<strong>er</strong>r Pfarr<strong>er</strong> gefragt, ob sie nicht seine Haushält<strong>er</strong>in w<strong>er</strong>den wolle und da<br />

hatte sie mit einem Mal nicht nur einen krisensich<strong>er</strong>en Job, sonden auch<br />

einiges an Sozialprestige dazugewonnen. Und wie dann ihr fleißig<strong>er</strong> Sattl<strong>er</strong><br />

seinen Laden hat zusp<strong>er</strong>ren müssen damals im 81-<strong>er</strong>-Jahr, da ist es ihnen<br />

beiden schon sehr schw<strong>er</strong> angekommen. Die Zugpf<strong>er</strong>de sind nach dem<br />

Aufkommen d<strong>er</strong> Traktoren ganz aus d<strong>er</strong> Mode gekommen und man hatte<br />

damals wahrlich noch and<strong>er</strong>e Sorgen als Reiten.<br />

Das war ja auch keine Kleinigkeit mit den zwei damals noch kleinen<br />

Kind<strong>er</strong>n und den Schulden und nur auf d<strong>er</strong> Isabella ihren nicht g<strong>er</strong>ade<br />

fetten V<strong>er</strong>dienst war man ab dato angewiesen. Das war eine ziemliche<br />

Demütigung für den gestandenen Sattl<strong>er</strong>meist<strong>er</strong>. Wenn da nicht d<strong>er</strong> alte<br />

Pfarr<strong>er</strong> öft<strong>er</strong> ein lahmendes Schaf von sein<strong>er</strong> kleinen Zucht beigesteu<strong>er</strong>t<br />

hätte od<strong>er</strong> ihr aus dem großen Garten hint<strong>er</strong> dem Pfarrhof ein paar<br />

Erdäpfel, Krautköpfe, Karotten und Paradeis<strong>er</strong> hätte zukommen lassen, die<br />

<strong>er</strong> selb<strong>er</strong> angepflanzt hat. Quasi ein nahrhaftes Steckenpf<strong>er</strong>d, mit dessen<br />

Ertrag <strong>er</strong> die nicht g<strong>er</strong>ade vom Glück gesegnete Familie wied<strong>er</strong>holt<br />

unt<strong>er</strong>stützt hat in christlich<strong>er</strong> Nächstenliebe – teilweise zusätzlich zum Salär<br />

und teilweise auch anstatt ein<strong>er</strong> Entlohnung, wenn es ihm selbst hinten und<br />

vorne nicht mehr ganz zusammengegangen ist.


20<br />

8 Im kriminaltechnischen Labor geht es zu wie in einem Bienenstock.<br />

D<strong>er</strong> Inspektor Habison hat dank sein<strong>er</strong> damals ihm vom Dez<strong>er</strong>natsleit<strong>er</strong><br />

Gruppeninspektor Kuchlbach<strong>er</strong> empfohlenen Weit<strong>er</strong>bildungskurs in<br />

Mikroskopie, Genanalyse und Massenspektrographie sich b<strong>er</strong>eits einiges an<br />

Fachwissen aneignen können und brilli<strong>er</strong>t g<strong>er</strong>ne mit seinen Erkenntnissen.<br />

Das Haar hat <strong>er</strong> sich gleich vorgenommen:<br />

„Männlich, mittl<strong>er</strong>en Alt<strong>er</strong>s, mit Balsam gepflegt, Nichtrauch<strong>er</strong>, g<strong>er</strong>ing<strong>er</strong><br />

Testost<strong>er</strong>ongehalt in d<strong>er</strong> Wurzel. Im gefundenen Lurch nur ubiquitäre<br />

Hausstaubmilben, Hundeschuppen und -Haare, Tabaks-Stäube und<br />

Sägemehl. Das Blut von d<strong>er</strong> Türschnalle ist männlich und v<strong>er</strong>mutlich vom<br />

Opf<strong>er</strong>; das wird die <strong>er</strong>st morgen beendete PCR <strong>er</strong>geben“.<br />

Die Waffen-Narren unt<strong>er</strong>suchen die Maus<strong>er</strong> und die bietet wirklich<br />

nichts – wie <strong>er</strong>wartet. Da ist H<strong>er</strong>r Quastorf richtig gelegen. Alles v<strong>er</strong>rostet,<br />

uralte Blutspuren eines transkaukasischen Mannes an d<strong>er</strong> Mündung und das<br />

war’s schon. Wenn d<strong>er</strong> Eisenbahn<strong>er</strong> sich mit d<strong>er</strong> v<strong>er</strong>teidigt hätte, wäre es zu<br />

einem Rohrkrepi<strong>er</strong><strong>er</strong> gekommen, so die Patrone üb<strong>er</strong>haupt gezündet hätte.<br />

In d<strong>er</strong> Stille d<strong>er</strong> Pathologie w<strong>er</strong>kt H<strong>er</strong>r Doktor Anisin, ein still<strong>er</strong> Poet.<br />

Das Studium hat <strong>er</strong> vor nunmehr fünfzehn Jahren mit Auszeichnung<br />

bestanden, ab<strong>er</strong> <strong>er</strong> konnte nie so recht mit Patienten (das war in d<strong>er</strong> Spitalszeit<br />

imm<strong>er</strong> ein gewisses Problem gewesen). Patienten haben die unangenehme<br />

Eigenschaft, durch subjektive V<strong>er</strong>fälschung d<strong>er</strong> meistens klar zu<br />

defini<strong>er</strong>enden Symptome den examini<strong>er</strong>enden Arzt in die Irre zu führen.<br />

Krankheiten wären ja ohne Patienten wesentlich leicht<strong>er</strong> zu diagnostizi<strong>er</strong>en.<br />

Auch die Behandlung wäre viel einfach<strong>er</strong>. Denn was macht d<strong>er</strong> Patient<br />

üblich<strong>er</strong>weise? Er nimmt die vorgeschriebenen Medikamente – wenn<br />

üb<strong>er</strong>haupt – falsch ein od<strong>er</strong> <strong>er</strong> wirft sie in die übliche Schuhschachtel od<strong>er</strong><br />

ins Häusel damit die Heilkräfte, die zumeist jenseits von 40.- €/Packung<br />

kosten, wirkungslos v<strong>er</strong>sanden. D<strong>er</strong> Anisin hat gewaltige intellektuelle<br />

Potenzen, wenn auch sein schütt<strong>er</strong>-behaart<strong>er</strong> klein<strong>er</strong> Kopf und seine<br />

schmächtige, eh<strong>er</strong> wenig gestylte Gestalt das nicht v<strong>er</strong>muten lassen.<br />

Jetzt hat <strong>er</strong> den Schädel des Opf<strong>er</strong>s nach Säub<strong>er</strong>ung d<strong>er</strong> Haare mittels<br />

Salmiak, Wass<strong>er</strong>stoffp<strong>er</strong>oxid und Det<strong>er</strong>gentien näh<strong>er</strong> examini<strong>er</strong>t. H<strong>er</strong>nach<br />

rasi<strong>er</strong>t <strong>er</strong> sie noch ab, um bess<strong>er</strong>en Zugriff zu d<strong>er</strong> Wunde zu bekommen.<br />

Fein säub<strong>er</strong>lich ist sie ausgestanzt. Und relativ viel Hirngewebe ist nahe<br />

dies<strong>er</strong> abgelag<strong>er</strong>t. Das ist ihm noch nicht unt<strong>er</strong>gekommen. In solchen Fällen<br />

strukturi<strong>er</strong>t <strong>er</strong> sich meditativ durch Lesen d<strong>er</strong> V<strong>er</strong>se Ovids. Ars Amandi.<br />

Nach zwanzig Zeilen, die <strong>er</strong> ohnehin lückenlos kennt (weil <strong>er</strong> sie als Strafarbeit


21<br />

in den Schulzeiten auswendig hat l<strong>er</strong>nen müssen) und sie nur deswegen liest, weil<br />

ihn das b<strong>er</strong>ührende Wortbild imm<strong>er</strong> von neuem in den Bann zieht, zückt <strong>er</strong><br />

das Skalpell, macht den Coronarschnitt durch die enthaarte Kopfhaut,<br />

skalpi<strong>er</strong>t mit d<strong>er</strong> rohen Gewalt sein<strong>er</strong> (von keinen unsinnigen Gummihandschuhen<br />

geschützten) Hände den Schädel und nimmt die oszilli<strong>er</strong>ende Knochensäge<br />

zur Hand.<br />

D<strong>er</strong>en jaulend<strong>er</strong> Gesang ist ihm angenehm v<strong>er</strong>traut und das Ding<br />

frißt sich unt<strong>er</strong> sein<strong>er</strong> kundigen Führung – übel nach v<strong>er</strong>branntem<br />

Knochen stinkend – in die Calotte des <strong>er</strong>kalteten Schutzbefohlenen. Mit<br />

schmatzendem G<strong>er</strong>äusch klappt <strong>er</strong> selbige nach hinten weg. Da liegt es nun.<br />

Das Faszinosum, das uns<strong>er</strong>e Üb<strong>er</strong>w<strong>er</strong>tigkeit gegenüb<strong>er</strong> allen and<strong>er</strong>en<br />

Primaten darstellt. Wo kommt das Wort Hirn h<strong>er</strong>? Von hi<strong>er</strong>in? Doch da irrt<br />

sein etymologisches Empfinden, denn das Wort hat einen gemeinsamen<br />

Stamm mit g<strong>er</strong>manisch v<strong>er</strong>wandten Worten wie Hornisse und Horn und<br />

indoeuropäisch k<strong>er</strong>, was das Ob<strong>er</strong>ste bedeutet. Die Arachnoidea (die<br />

Spinnwebenhaut) ist durchgehend von extravasi<strong>er</strong>tem Haemoglobin rosa<br />

gefärbt. Mit dem Hirnmess<strong>er</strong> (Konditoren v<strong>er</strong>wenden ein Ähnliches als<br />

Tortenmess<strong>er</strong>) schneidet <strong>er</strong> die graue Pudding-Masse in dünne Scheiben.<br />

D<strong>er</strong> Schuß war p<strong>er</strong>fekt! Ob<strong>er</strong>halb d<strong>er</strong> Medulla oblongata hat <strong>er</strong><br />

sowohl die Vi<strong>er</strong>hügelplatte, den Nucleus caudatus, die Pons und das Corpus<br />

callosum durchstanzt! Üb<strong>er</strong>all Knochensplitt<strong>er</strong> und selbst in d<strong>er</strong> Hypophyse<br />

und im Chiasma opticum finden sich Einblutungen (die Ventrikel sind sowieso<br />

mit Coagula angestopft). Ab<strong>er</strong> kein<strong>er</strong>lei Projektil auffindbar! Das schaut nach<br />

h<strong>er</strong>ausgezogenem Bolzen aus. Ein Bolzenschuß-Apparat also. Ein<br />

Schlachtschuß-G<strong>er</strong>ät. Am Land ist das eine durchaus beliebte Waffe, die<br />

ab<strong>er</strong> eh<strong>er</strong> bei Selbsttötungen V<strong>er</strong>wendung findet.<br />

Quastorf konsulti<strong>er</strong>t den ihm auf seltsame Weise sympatischen<br />

Leichenfledd<strong>er</strong><strong>er</strong> durchaus g<strong>er</strong>ne, den ansonst niemand schätzt ob seines<br />

süßlichen G<strong>er</strong>uches, d<strong>er</strong> sein Gewand und selbst seine Haut durchsetzt (das<br />

sind laut<strong>er</strong> so B<strong>er</strong>ufsg<strong>er</strong>üche: D<strong>er</strong> Fischv<strong>er</strong>käuf<strong>er</strong> sollte bess<strong>er</strong> auch nie in die Op<strong>er</strong> gehen<br />

und den Auto-Mechanik<strong>er</strong> <strong>er</strong>kennt man ebenfalls an seinem penetranten Schmi<strong>er</strong>mittel-<br />

und Rostg<strong>er</strong>uch trotz wied<strong>er</strong>holten Duschens).<br />

Zum Unt<strong>er</strong>schied von den meisten Polizei-Angehörigen geht<br />

Quastorf oft in den Leichen-Kell<strong>er</strong>, da man bei d<strong>er</strong> Sektion von<br />

V<strong>er</strong>storbenen viel üb<strong>er</strong> d<strong>er</strong>en spezielle Existenz und das Leben an sich<br />

<strong>er</strong>fahren kann. D<strong>er</strong> Dr. Anisin hat eine Lade, in d<strong>er</strong> <strong>er</strong> v<strong>er</strong>läßlich den von<br />

ihm bevorzugten selbstgemachten Calvados aufbewahrt. Eigentlich ein


22<br />

billig<strong>er</strong> Apfelschnaps vom Schwarzbrenn<strong>er</strong> Ploi<strong>er</strong>. Ab<strong>er</strong> mittels Beifügung<br />

von Eichen-Stifteln gelingt es ihm regelmäßig nach mehrmonatig<strong>er</strong><br />

Lag<strong>er</strong>ung, daß dies<strong>er</strong> Fusel traumhaft mild mundet und die v<strong>er</strong>wundete<br />

Seele ein wenig aufbaut. Jetzt gilt es also nach einem Schlachtschuß-Apparat<br />

zu fahnden. Das v<strong>er</strong>spricht, sich mühsam zu gestalten, da diese Ding<strong>er</strong> ja<br />

praktisch ubiqutär sind am Land und nahezu jedem Lausbuben ohne<br />

jegliche Art von unangenehmen Fragen in den Lag<strong>er</strong>häus<strong>er</strong>n auf Wunsch<br />

üb<strong>er</strong> den Ladentisch geschoben w<strong>er</strong>den. Besond<strong>er</strong>e Eigenarten haben diese<br />

W<strong>er</strong>kzeuge leid<strong>er</strong> auch nur selten, wenn man von unt<strong>er</strong>schiedlichen<br />

Pflegezuständen einmal absieht.<br />

„Lesen Sie noch Steven Hawking, H<strong>er</strong>r Doktor?“.<br />

„Nein ich beschäftige mich d<strong>er</strong>zeit lieb<strong>er</strong> mit David Bohm, Lee Smolin und<br />

Brian Greene. D<strong>er</strong> <strong>er</strong>klärt relativ schlüssig, wie sich das in d<strong>er</strong> Sup<strong>er</strong>string-<br />

und M-Branen-Theorie mit den 6 bis 17 Dimensionen ausgeht, die<br />

eingekrumpelt in nahezu Nullausdehnung zusätzlich zu den uns<br />

offenkundigen alltäglichen vi<strong>er</strong> Dimensionen (d<strong>er</strong> sogenannten Raumzeit)<br />

parallel bestehen, sodaß sich die Große V<strong>er</strong>einigungstheorie, die die<br />

Unv<strong>er</strong>einbarkeiten zwischen Einsteins ursprünglich<strong>er</strong> Relativitätstheorie,<br />

d<strong>er</strong> Quantenmechanik und d<strong>er</strong> Gravitationsproblematik zu lösen v<strong>er</strong>sucht,<br />

doch irgendwie einmal möglich sein könnte. Am faszini<strong>er</strong>endsten finde ich<br />

dabei all<strong>er</strong>dings die vielfältig-geformten Calabi-Yau-Räume, d<strong>er</strong>en fiktive<br />

Vorhandenheit trotz ihr<strong>er</strong> unt<strong>er</strong> d<strong>er</strong> nahezu infinitesimalen Plank-Größe<br />

liegenden Ausdehnung höchstwahrscheinlich den Ausgangspunkt des<br />

Urknalls darstellt! Ab<strong>er</strong> den Large-Hadronen-Collid<strong>er</strong>, mit dessen<br />

gigantisch<strong>er</strong> Zig-T<strong>er</strong>aelektronenvolt-Leistung man möglich<strong>er</strong>weise den<br />

Nachweis <strong>er</strong>bringen könnte, w<strong>er</strong>den sie im CERN nicht vor 2010<br />

f<strong>er</strong>tigstellen, wenn sie üb<strong>er</strong>haupt die dafür notwendigen astronomischhohen<br />

Geldmittel von den engstirnigen Politik<strong>er</strong>n bewilligt bekommen“.<br />

Das hat Quastorf nun nicht mehr gebraucht. Jetzt fehlt nur noch, daß<br />

auch die Zeit noch mehrdimensional wäre! Wenn <strong>er</strong> auch sein läch<strong>er</strong>liches<br />

Teleskop liebt, mit dem <strong>er</strong> sich gelegentlich den Mond anschaut. Viel bess<strong>er</strong><br />

eignete es sich all<strong>er</strong>dings dazu, die vollbusige Nachbarin beim Duschen zu<br />

üb<strong>er</strong>wachen; optional, denn da gibt es leid<strong>er</strong> keine in d<strong>er</strong> Einschicht. Im<br />

V<strong>er</strong>abschieden kommt Dr. Anisin noch auf Wesentliches zu sprechen.<br />

„Unzählige seichte Schnittwunden am ganzen Körp<strong>er</strong>; Brandspuren von<br />

ein<strong>er</strong> Zigarre, Würgemale und Striemen am Rücken – möglich<strong>er</strong>weise von<br />

ein<strong>er</strong> Weideng<strong>er</strong>te od<strong>er</strong> Haselrute“.


23<br />

Ob<strong>er</strong>stleutnant Quastorf v<strong>er</strong>läßt diesen nicht g<strong>er</strong>ade anheimelnd<br />

duftenden Ort nur wenig un<strong>er</strong>freut obwohl <strong>er</strong> g<strong>er</strong>ne noch läng<strong>er</strong> mit dem<br />

üb<strong>er</strong> breite Bildung v<strong>er</strong>fügenden Pathologen diskuti<strong>er</strong>t hätte.<br />

B<strong>er</strong>eich<strong>er</strong>ungen durch gänzlich den eigenen Wesenheiten entgegenstehende<br />

Inhalte besch<strong>er</strong>en ihm üblich<strong>er</strong>weise absolute Freude. Nahezu orgastisch<br />

<strong>er</strong>lebt Quastorf seit jeh<strong>er</strong> neue Zusammenhänge, Inhalte, wissenschaftliche<br />

Erkenntnisse und Aha-Erlebnisse aus ihm total f<strong>er</strong>nstehenden Disziplinen<br />

(<strong>er</strong> ist halt ein Dopamin-Junky!).<br />

Ab ins Bett, da ihn die den Menschenv<strong>er</strong>stand beleidigenden<br />

betrüg<strong>er</strong>ischen W<strong>er</strong>beeinschaltungen, die v<strong>er</strong>dummenden Nachrichten und<br />

die blödsinnigen Filme im F<strong>er</strong>nsehen frustri<strong>er</strong>en. Und auß<strong>er</strong>dem muß <strong>er</strong> gut<br />

ausgeschlafen sein für die morgen stattfindende Spurensuche.<br />

9 In all<strong>er</strong> Früh fährt <strong>er</strong> nach Zwettl einkaufen. Erdäpfel, Bi<strong>er</strong>,<br />

Semmeln und ein neues Notebook, das d<strong>er</strong>zeit um 600.- € in Aktion ist,<br />

besorgt <strong>er</strong> sich. Er haßt zwar die elektronischen Welten, ab<strong>er</strong> <strong>er</strong> will doch<br />

nicht ganz hinten sein mit seinen nun schon 55 Jahren und die Ding<strong>er</strong> sind<br />

oft ganz brauchbar zur Dokumentation. Und <strong>er</strong> sollte endlich auch einmal<br />

ein Tagebuch sein<strong>er</strong> oft unvorstellbaren Erlebnisse bew<strong>er</strong>kstelligen; würde<br />

ohnehin niemand glauben, was <strong>er</strong> ständig durchmacht.<br />

Dann zum Augenarzt, d<strong>er</strong> ein sehr sympathisch<strong>er</strong> Charakt<strong>er</strong> ist.<br />

Angeblich ein ehemalig<strong>er</strong> Tourni<strong>er</strong>reit<strong>er</strong> und steht doch richtig im Leben<br />

mit sein<strong>er</strong> gut organisi<strong>er</strong>ten Praxis. Neue Brille; na gut, damit kann Quastorf<br />

leben; soll nicht mehr sein in seinem fortgeschrittenen Alt<strong>er</strong>!<br />

In d<strong>er</strong> Blauen Gans ein feines Mittagsmenue um bloß 5.50 d<strong>er</strong> neuen<br />

ungeliebten Währung und ein Zwickelbi<strong>er</strong> vom Schwarz. Nach d<strong>er</strong><br />

notwendigen Tageszeitung kontakti<strong>er</strong>t <strong>er</strong> den Grafen Creutzfeldt-<br />

Eibenstein; ein haltbar<strong>er</strong> Freund seit <strong>er</strong> selbst zugewand<strong>er</strong>t ist. Das neue<br />

Handy kann viel mehr als das ihm gewohnte gestohlene alte. Noch kann <strong>er</strong><br />

dessen Möglichkeiten nicht gänzlich nützen; kaum normal damit<br />

telefoni<strong>er</strong>en (man hat einen F<strong>er</strong>rari und bräuchte doch bloß ein Fahrrad!).<br />

„Hi<strong>er</strong> Quastorf! Harro bist Du’s?“.<br />

„Nein; ich bin’s! Ja sag einmal Joseph, daß es Dich auch noch gibt! Wie<br />

lange ist das h<strong>er</strong>, daß wir von Dir hören durften?“ Clementine (Harros<br />

Angetraute; eine geborene Navarro-Lieux).


„Conveni<strong>er</strong>t es Euch, wenn ich in ein<strong>er</strong> Stunde vorbeikomme?“.<br />

24<br />

„Ab<strong>er</strong> Du bist selbstredend jed<strong>er</strong>zeit g<strong>er</strong>ne willkommen“. Er liebt ihren<br />

charmanten französischen Akzent, d<strong>er</strong> sich seltsam hart anhört; da schlägt<br />

das Studium in Salamanca durch.<br />

Den Strafzettel von dem enghirnigen lokalen Gendarmen hätte sich<br />

Quastorf g<strong>er</strong>ne <strong>er</strong>spart, da <strong>er</strong> seine Parkuhr v<strong>er</strong>schmissen hat (hätte ihn<br />

ohnehin nichts gekostet, da die Unart, für den Stillstand Geld zu v<strong>er</strong>langen statt für die<br />

Bewegung, von d<strong>er</strong> Hauptstadt noch nicht den Weg auf’s Land gefunden hat).<br />

Ab<strong>er</strong> <strong>er</strong> ist nicht b<strong>er</strong>eit, so klischeehaft wie in schlechtgemachten<br />

Kriminalfilmen als Chefinspektor aufzutrumpfen, d<strong>er</strong> <strong>er</strong> ist ohne es zu<br />

schätzen. Also geht <strong>er</strong> provokant zum Krautwacht<strong>er</strong> hin und drängt dem<br />

die 30.- € auf, was diesen sichtlich beschämt. Rasch noch einen Sprung in<br />

die Trafik, zu d<strong>er</strong> netten Frau Dirnegg<strong>er</strong>, die seit ihr Vat<strong>er</strong> – d<strong>er</strong> alte<br />

Invalide aus Stalingrad mit seinem ständig knarzenden Holzbein – vor<br />

Jahren v<strong>er</strong>storben ist, richtig aufgeblüht <strong>er</strong>scheint. Niemand weiß, warum<br />

die ledig geblieben ist; so sympathisch und charmant, wie sie auftritt.<br />

„Ein Pack<strong>er</strong>l Drei<strong>er</strong> und Zünd<strong>er</strong> bitte und – ja noch ein Schacht<strong>er</strong>l Krumme<br />

Hunde!“.<br />

Sie zög<strong>er</strong>t. „Krumme Hunde, des geht leid<strong>er</strong> net; i hob nur no a Pack’l<br />

do und des is für’n Paradeis<strong>er</strong> res<strong>er</strong>vi<strong>er</strong>t; weu dea is da Anziche, d<strong>er</strong> de<br />

Kraump’n raucht!“.<br />

„D<strong>er</strong> Junge?“.<br />

„Naa, nati<strong>er</strong>lich d<strong>er</strong> Oide; d<strong>er</strong> junge is do Turnlehra und a fanatisch<strong>er</strong><br />

Nichtraucha!“.<br />

Die 20 Kilomet<strong>er</strong> nach W<strong>er</strong>schenreith üb<strong>er</strong>windet d<strong>er</strong> klapprige Fiat<br />

mühelos. Und <strong>er</strong> parkt am Kiesweg d<strong>er</strong> großzügigen Auffahrt des etwas<br />

abgewohnten Schlosses. D<strong>er</strong> Park – ein Traum barock<strong>er</strong> Gartenkunst – läßt<br />

die Seele atmen. Meandri<strong>er</strong>ende Wege zwischen den, in Labyrinthform<br />

angelegten Buchs-Begrenzungen, die auf rund geschnitten sind und zum<br />

Lustwandeln einladen (ab<strong>er</strong> alles ein bißchen zu wenig p<strong>er</strong>fekt, was den besond<strong>er</strong>en<br />

Charme ausmacht, da es sichtlich an P<strong>er</strong>sonal mangelt).<br />

D<strong>er</strong> Graf <strong>er</strong>wartet ihn schon mit Grandezza trotz seines etwas<br />

v<strong>er</strong>schmutzten Arbeitsgewandes. „Liebw<strong>er</strong>t<strong>er</strong> Freund, daß man Dich


25<br />

wied<strong>er</strong> einmal vor’s Auge bekommt, wo Du doch so beschäftigt bist. Du<br />

bist schon bold selten<strong>er</strong> als d<strong>er</strong> üb<strong>er</strong>jagte Au<strong>er</strong>hahn!“. D<strong>er</strong> Graf selbst ist<br />

freilich auch ständig schw<strong>er</strong> beschäftigt mit d<strong>er</strong> Renovi<strong>er</strong>ung seines langsam<br />

v<strong>er</strong>fallenden Schlosses.<br />

Die grazile Schloßh<strong>er</strong>rin s<strong>er</strong>vi<strong>er</strong>t eigenhändig den Gunpowd<strong>er</strong>-<br />

Greentea aus Assuan, da man sich heutzutage selbst in diesen gehobenen<br />

Kreisen kein P<strong>er</strong>sonal mehr leisten kann. Und d<strong>er</strong> Graf <strong>er</strong>gänzt die<br />

Gastfreundschaft durch Glennfiddich Single-Malt. „Du host doch sich<strong>er</strong> ein<br />

Anliegen, wie ich Dich kenne“.<br />

„Ja, stell Dir vor, d<strong>er</strong> Adensam<strong>er</strong> ist geschlachtet und in sein<strong>er</strong> Senkgrube<br />

be<strong>er</strong>digt worden und jetzt muß ich halt alle fragen, die den irgendwie<br />

gekannt haben!“. H<strong>er</strong>r Quastorf b<strong>er</strong>ichtet von dem v<strong>er</strong>geblich gesuchten<br />

Schlachtschuß-Apparat.<br />

„Lustig, daß Du das <strong>er</strong>wähnst. Da gibt es möglich<strong>er</strong>weise einen<br />

brauchbaren Zusammenhang“.<br />

D<strong>er</strong> Graf züchtet seit Jahren schottische Hochlandrind<strong>er</strong>, damit <strong>er</strong><br />

mit d<strong>er</strong> Lukri<strong>er</strong>ung ihr<strong>er</strong> V<strong>er</strong>marktung wenigstens ein wenig üb<strong>er</strong> die<br />

Runden kommt. Und beim Schlachten für den Bedarf des nahegelegenen<br />

Biohotels hilft ihm ein lokales Faktotum namens Richard Hasenzagl (die<br />

H<strong>er</strong>kunft und Bedeutung dieses Namens ist zu entw<strong>er</strong>tend, als daß sie d<strong>er</strong> Chefinspektor<br />

je dem Besitz<strong>er</strong> desselben ausdeutschen würde; was <strong>er</strong> sonst oft g<strong>er</strong>ne macht – was solls?<br />

D<strong>er</strong> Hasenpenis wird wenigstens durch ein reiches H<strong>er</strong>z ausgeglichen – Rich heart!).<br />

„Denn d<strong>er</strong> Hasenzagel hat mir b<strong>er</strong>ichtet, daß <strong>er</strong> gest<strong>er</strong>n vom<br />

Sylvest<strong>er</strong> Siebenhandl um nur 12.- € einen Schlachtschuß-Apparat <strong>er</strong>worben<br />

hot, d<strong>er</strong> d<strong>er</strong>artig gut in ‚Schuß’ ist (lustiges Wortspiel – nichtwahr), daß <strong>er</strong> sich<br />

noch gewund<strong>er</strong>t hot!“.<br />

D<strong>er</strong> Siebenhandl also. Mit diesem Namen setzt d<strong>er</strong> Quastorf frühe<br />

emanzipatorische Aufw<strong>er</strong>tungs-V<strong>er</strong>suche des Mannes mit d<strong>er</strong> v<strong>er</strong>mutlich<br />

viel höh<strong>er</strong> stehenden Welt d<strong>er</strong> Frauen in Einklang (die stammen noch aus<br />

v<strong>er</strong>gessen geglaubten matriarchalen Strukturen d<strong>er</strong> Vorzeit). Dem sagenhaften H<strong>er</strong>rn<br />

Simand’l wurde in Krems sogar ein Denkmal in Form eines Brunnens in<br />

d<strong>er</strong> unt<strong>er</strong>en Landstraße gesetzt und auf dem Hause Althangasse Nr. 2 kann<br />

man seine traurige Geschichte lesen. Zumindest konnte man das bis vor<br />

Jahren noch; möglich<strong>er</strong>weise ist die Aufschrift schon ein wenig v<strong>er</strong>witt<strong>er</strong>t.


26<br />

„G’waldt muas i da klagen; das mi mei Wei hat g’schlaggen....“<br />

(die zweite Zeile ist b<strong>er</strong>eits unles<strong>er</strong>lich!).<br />

Doch d<strong>er</strong> Siebenhandl, von dem hi<strong>er</strong> die Rede sein soll, ist ein<br />

vord<strong>er</strong>gründig fidel<strong>er</strong> Zeitgenosse, d<strong>er</strong> sich g<strong>er</strong>ne auf Schrottplätzen mit<br />

sein<strong>er</strong> Frau h<strong>er</strong>umtreibt, auf denen <strong>er</strong> schon so manche Schätze gefunden<br />

hat. Was die Meisten ab<strong>er</strong> nicht wissen, ist, daß <strong>er</strong> seine Frau unsagbar quält<br />

mit sein<strong>er</strong> Paranoia, seinem Eif<strong>er</strong>suchtswahn, seinem Kaufzwang und<br />

seinem nun schon viel zu lange bedürftigen Geschlechtsteil, das endlich (da<br />

<strong>er</strong> sich b<strong>er</strong>eits jenseits des siebzigsten Lebensjahres befindet) d<strong>er</strong> armen Frau Ruhe<br />

gönnen sollte. D<strong>er</strong> hat das Mordw<strong>er</strong>kzeug also im Alteisen-Contain<strong>er</strong><br />

gefunden (nicht sein Gemächt; den Schlachtschuß-Apparat!).<br />

„Hat d<strong>er</strong> Hasenzagl das G<strong>er</strong>ät noch?“.<br />

„Na sich<strong>er</strong>, wo <strong>er</strong> doch so stolz auf den günstigen Kauf ist!“. D<strong>er</strong> schrullige<br />

Graf eilt sogleich ans Telephon. Das schätzt d<strong>er</strong> Quastorf auch so an ihm,<br />

daß d<strong>er</strong> sich beharrlich weig<strong>er</strong>t, sich ein Handy zu kaufen und an seinem<br />

alten Draht-Aparat aus patini<strong>er</strong>tem schwarzen Bakelit festhält, auf dem man<br />

noch das ZYLMURBAFI d<strong>er</strong> 50-<strong>er</strong>-Jahre lesen kann, das heutzutage<br />

niemandem mehr etwas sagt.<br />

„Gehen’s Hasenzagl, tät’n s uns die Ehr’, daß’s Ihren ‚neuen Liebling’ – Sie<br />

wissen schon – vorbeibrächten; jo bei mir....wenns conveni<strong>er</strong><strong>er</strong>t gleich,<br />

bittschön vielmals; gelt’s Gott!“.<br />

Trotz sein<strong>er</strong> Jugend hat <strong>er</strong> einen beachtlichen Rettungsv<strong>er</strong>such des<br />

alten Adels geschafft dank ein<strong>er</strong> strengen Erziehung durch seinen<br />

Großvat<strong>er</strong>, denn sein Vat<strong>er</strong> war als Diplomat in d<strong>er</strong> halben Welt unt<strong>er</strong>wegs<br />

und nur selten zuhause. In d<strong>er</strong> Halbwelt soll d<strong>er</strong> sich all<strong>er</strong>dings auch ganz<br />

gut zurechtgefunden haben; all<strong>er</strong>dings mit mäßigem Erfolg, da <strong>er</strong><br />

hauptsächlich gemolken wurde.<br />

War es die nicht ganz freiwillige V<strong>er</strong>setzung in den frühzeitigen<br />

Ruhestand od<strong>er</strong> waren es seine Spielschulden (wobei sich ja <strong>er</strong>st<strong>er</strong>es aus den<br />

zweit<strong>er</strong>en <strong>er</strong>st <strong>er</strong>geben hat), daß <strong>er</strong> vor 30 Jahren leblos im Wald aufgefunden<br />

worden ist. Das war damals alles ein wenig unklar und in gewiss<strong>er</strong> Weise<br />

skandalös; <strong>er</strong>schossen vom eigenen Revolv<strong>er</strong> in einem seltsamen Schuß-<br />

Winkel – angeblich ein Jagdunfall (w<strong>er</strong> jagd schon unwaidmännisch mit einem<br />

Revolv<strong>er</strong>?). D<strong>er</strong> Harro hat imm<strong>er</strong> behauptet, daß d<strong>er</strong> Vat<strong>er</strong> das Familiensilb<strong>er</strong><br />

ausgraben habe wollen, das d<strong>er</strong> Großvat<strong>er</strong> im Wald v<strong>er</strong>graben gehabt hätte,


27<br />

damit es die Russen nicht fänden (die kleine Grube neben dem Mart<strong>er</strong>l wurde<br />

damals v<strong>er</strong>mutlich üb<strong>er</strong>sehen).<br />

Harros Großvat<strong>er</strong>, d<strong>er</strong> Landvogt, war nach Beschreibungen d<strong>er</strong><br />

Alteingesessenen ein stattlich<strong>er</strong> Mann. Großgewachsen, h<strong>er</strong>rschsüchtig und<br />

auß<strong>er</strong>ordentlich gebildet, reich und angesehen, autoritär und trotzdem<br />

einig<strong>er</strong>maßen humorbegabt. Ihm haben so ziemlich alle Glashütten und<br />

Potasch<strong>er</strong>eien zwischen Neunagelb<strong>er</strong>g und Gepp<strong>er</strong>ts gehört (heute hat die d<strong>er</strong><br />

Graf Rakusky und d<strong>er</strong> Hodonin). Die dazugehörigen Wäld<strong>er</strong> und Länd<strong>er</strong>eien<br />

sowieso. Sein Sohn hat leid<strong>er</strong> nach ein<strong>er</strong> kurzen ab<strong>er</strong> fulminanten Karri<strong>er</strong>e<br />

beim Außenamt seine Liebe zu den Würfeln, den Karten und den Pf<strong>er</strong>den<br />

entdeckt, was den Besitz rasch bis fast auf das Existenzminimum reduzi<strong>er</strong>t<br />

hat (einige zwielichtige Frauensp<strong>er</strong>sonen sollen daran nicht mind<strong>er</strong> teilgehabt haben).<br />

Harros Mutt<strong>er</strong> hatte all<strong>er</strong>dings keinen Anteil an dies<strong>er</strong> Abwirtschaftung,<br />

denn die hat nicht nur darunt<strong>er</strong> gelitten, sond<strong>er</strong>n alles – so gut es halt<br />

gegangen ist – zusammengehalten, wofür sie all<strong>er</strong>dings nie angemessen<br />

bedankt wurde.<br />

Flüchtig gleitet das Auge Quastorfs üb<strong>er</strong> die vielen barocken Vitrinen,<br />

die entlang d<strong>er</strong> Wände aufg<strong>er</strong>eiht sind. Randvoll mit den wund<strong>er</strong>vollsten<br />

Glaskunstw<strong>er</strong>ken aus all<strong>er</strong> Welt. Altägyptische Salbentiegel und Duftöl-<br />

Flacons, d<strong>er</strong>en genaue Farbe man nur <strong>er</strong>ahnen kann, da sie durch die Zeiten<br />

schw<strong>er</strong> korrodi<strong>er</strong>t wurden. Muranogläs<strong>er</strong> in d<strong>er</strong> diesen typischen – von<br />

orientalischen Techniken und Formgebungen deutlich geprägten –<br />

kunstvoll in Email- und Fadentechnik h<strong>er</strong>gestellten Flügelgläs<strong>er</strong>n (12. – 13.<br />

Jhdt.), daß man sich im Palazzo Giustinian wähnt. Böhmische Gläs<strong>er</strong><br />

sowieso, doch die schätzt d<strong>er</strong> Chefinspektor nicht sond<strong>er</strong>lich.<br />

Ab<strong>er</strong> den ganzen Stolz d<strong>er</strong> Familie repräsenti<strong>er</strong>t die weltgrößte<br />

Sammlung von Diatret-Gläs<strong>er</strong>n. Prunkvolle Pokale aus zartem Bleikristall<br />

geblasen und dann bei Nied<strong>er</strong>temp<strong>er</strong>atur (imm<strong>er</strong>hin noch 700 Grad) mit noch<br />

plastifizi<strong>er</strong>baren Glasfäden in Form eines zarten Netzes, das nur<br />

punktförmig dem Bech<strong>er</strong> wie ein Hauch aufsitzt und so gleichsam um den<br />

Pokal zu schweben scheint wie die Fetzen des Morgennebels um eine<br />

nackte Schönheit tanzen; od<strong>er</strong> wie d<strong>er</strong> Trau<strong>er</strong>schlei<strong>er</strong> ein<strong>er</strong> jungen Witwe<br />

eh<strong>er</strong> h<strong>er</strong>vorhebt, wie begehrensw<strong>er</strong>t sie ist, denn daß <strong>er</strong> d<strong>er</strong>en Schm<strong>er</strong>z<br />

v<strong>er</strong>birgt (denn oftmals sind diese kunstvollen Netze dunkel gehalten wie Blei)! Und<br />

diese Schätze sind teilweise aus dem 4. Jhdt.!<br />

Das hätte dem Arbeit<strong>er</strong>buben Quastorf auch gefallen können; ab<strong>er</strong><br />

den Beifang wollte <strong>er</strong> nie. Gespreizte Gesellschaft und dazu die Ärmlichkeit


28<br />

und doch Maßschuhe und -anzüge tragen zu müssen, obwohl man nicht<br />

weiß, wie man zu günstigem Baumat<strong>er</strong>ial kommt, das dringend für die<br />

notwendigsten Sani<strong>er</strong>ungsarbeiten benötigt würde.<br />

Die Türe wird aufg<strong>er</strong>issen und h<strong>er</strong>ein kommt Brave-Heart (da v<strong>er</strong>gißt<br />

Quastorf gleich wied<strong>er</strong> seine Etymologie vom Hasenschwanz<strong>er</strong>l). Circa 25; ein Bär von<br />

einem Mannsbild und doch mit feinen Zügen um das nicht ganz<br />

glattrasi<strong>er</strong>te Kinn. Ab<strong>er</strong> eine Mähne hat d<strong>er</strong>, als wäre <strong>er</strong> selbst ein Angus-<br />

Rind. Auch die Farbe paßt: Irgenwo zwischen leicht oxidi<strong>er</strong>tem Blut und<br />

Scharlach angesiedelt. Eine dicke bunte Cordel v<strong>er</strong>sucht im Nacken dies<strong>er</strong><br />

haarigen Wucht H<strong>er</strong>r zu w<strong>er</strong>den.<br />

Direkt Mitleid bekommt <strong>er</strong> mit d<strong>er</strong> glutäugigen und doch imm<strong>er</strong> ein<br />

wenig z<strong>er</strong>brechlich-wirkenden medit<strong>er</strong>ranen Gräfin, die dies<strong>er</strong> Urgewalt von<br />

Mann alltäglich ihre Keuschheit entgegenstellen muß. Das bis in die halben<br />

Ob<strong>er</strong>arme (umfangreich<strong>er</strong> als so manch<strong>er</strong> Schenkel) aufgekrempelte blau-schwarz<br />

karri<strong>er</strong>te Holzfäll<strong>er</strong>hemd betont das Ganze noch ungehörig (und d<strong>er</strong> weiß das<br />

auch; d<strong>er</strong> Sack!).<br />

„W<strong>er</strong> wollte mein gutes Stück sehen?“ und knallt ohne auf die Antwort zu<br />

warten, das häßliche brünni<strong>er</strong>te Ding auf die Renaissance-Anrichte, daß die<br />

antiken Champagn<strong>er</strong>gläs<strong>er</strong> ängstlich vibri<strong>er</strong>en. Quastorf nimmt eine d<strong>er</strong><br />

damastenen S<strong>er</strong>vietten zur Hand, umschlingt es damit und begutachtet die<br />

Mündung, auf d<strong>er</strong> eingetrocknetes Blut sichtbar ist.<br />

„Entschuldigung; ich hatte noch keine Zeit zur Reinigung!“.<br />

„Das finde ich sehr anständig von Ihnen!“ entschlüpft es Quastorf und<br />

steckt es sofort in einen <strong>er</strong>betenen Mistsack.<br />

„He Chef, nehmen Sie mir nicht mein edles W<strong>er</strong>kzeug weg. Wenn ich das<br />

nicht wied<strong>er</strong>kriege, schulden Sie mir 120.- € für ein neues!“.<br />

„Auch gut; damit kann ich leben, zumal es Ihnen nur 12.- € kostete!“.<br />

Die durchscheinende Clementine entschärft die etwas gespannte<br />

Lage, indem sie wortlos und mit einem mädchenhaft unsich<strong>er</strong>en Lächeln<br />

auf den etwas zu sinnlichen Lippen – die in deutlichem Kontrast zu ihr<strong>er</strong><br />

ansonst etwas lustf<strong>er</strong>nen Äuß<strong>er</strong>lichkeit stehen – ein Rokoko-Tableau mit<br />

Orangenmarmelade-Keksen off<strong>er</strong>i<strong>er</strong>t. Man nimmt mit spitzen Fing<strong>er</strong>n und<br />

einem nur angedeutetem Nicken des Kopfes; nur d<strong>er</strong> Highland<strong>er</strong> meint


29<br />

üb<strong>er</strong>raschend zurückhaltend „Frau Gräfin wissen doch nur zu gut, daß ich<br />

eh<strong>er</strong> kein ‚Süß<strong>er</strong>’ bin!“.<br />

Man lächelt darüb<strong>er</strong> hinweg und Quastorf fragt zur Entspannung<br />

„Wann, wo und unt<strong>er</strong> welchen Umständen sind Sie zu diesem Ding<br />

gekommen; von wem haben Sie es?“ (warum braucht <strong>er</strong> nicht zu fragen, denn das<br />

ist klar – es war preisw<strong>er</strong>t). Die fünf W wie auf d<strong>er</strong> Polizeischule. Er hat sich<br />

imm<strong>er</strong> gefragt, warum man Leute befragen muß; wenn man b<strong>er</strong>eit ist, ein<br />

wenig Geduld aufzubringen, zwingen sie einem ohnehin die richtigen<br />

ungefragten Antworten auf.<br />

Denn sie w<strong>er</strong>den alle n<strong>er</strong>vös, wenn ein Ermittl<strong>er</strong> nichts wissen will.<br />

Wenn man die <strong>er</strong>warteten Fragen fragt, bekommt man meist nur die<br />

entsprechenden Halbwahrheiten zur Antwort. Zumeist kennen wed<strong>er</strong><br />

Zeugen noch Zufallstät<strong>er</strong> irgenwelche Details aufgrund des <strong>er</strong>lebten<br />

Traumas.<br />

Nur abgebrühte B<strong>er</strong>ufsv<strong>er</strong>brech<strong>er</strong> wissen imm<strong>er</strong> alle Feinheiten,<br />

Zeitabläufe, Automarken, Haarfarben und Körp<strong>er</strong>größen ganz genau; jedes<br />

Detail (allein daran <strong>er</strong>kennt man Straftät<strong>er</strong> und Halunken).<br />

„Na ich sitz’ gest<strong>er</strong>n beim Kugelwirt in Hadreichs bei einem Bi<strong>er</strong> und<br />

da kommt d<strong>er</strong> Siebenhandl-Sylvest<strong>er</strong> h<strong>er</strong>ein und fragt mich, ob ich nicht<br />

was Mod<strong>er</strong>n<strong>er</strong>es als mein Krickel brauchen könnte zum Viech<strong>er</strong>-<br />

Umbringen und zeigt mir das Ding. Zu dem Preis hab ich’s natürlich<br />

nehmen müssen!“.<br />

Beim Kugelwirt ist d<strong>er</strong> Quastorf auch schon öft<strong>er</strong> gesessen, wie <strong>er</strong><br />

noch neu war in d<strong>er</strong> Gegend (eigentlich d<strong>er</strong> Gasthof zur roten Kugel, ab<strong>er</strong> alle haben<br />

nur Kugelwirt zu ihm gesagt).<br />

Einschub Quastorf hat es all<strong>er</strong>dings imm<strong>er</strong> bei sich das Wirtshaus im Spessart<br />

genannt. Er kennt es aus Zeiten, da noch d<strong>er</strong> alte Wirt gelebt hat. 140 Kilo hat d<strong>er</strong><br />

lock<strong>er</strong> auf die Waage gebracht, wenn <strong>er</strong> sich zum Gaudium d<strong>er</strong> Viehhändl<strong>er</strong> am<br />

donn<strong>er</strong>stäglichen Markttag im Lag<strong>er</strong>haus auf die Brückenwaage gestellt hat, die eigentlich<br />

zum Abwiegen von Schlachtvieh und d<strong>er</strong> Traktoranhäng<strong>er</strong> zur Erntezeit gedacht war.<br />

Wetten haben sie abgeschlossen, wenn sie betrunken waren, wieviel <strong>er</strong> heute wied<strong>er</strong> wiegt.<br />

Ab<strong>er</strong> gemütlich war das Beisel schon irgendwie. Ein groß<strong>er</strong> v<strong>er</strong>qualmt<strong>er</strong> Raum, in<br />

d<strong>er</strong> Mitte d<strong>er</strong> im Wint<strong>er</strong> anheimelnde Sägespäne-Ofen, d<strong>er</strong> oft rotglühend war (damals


30<br />

hat sich noch niemand Gedanken üb<strong>er</strong> Passivrauchen gemacht; und einigen Anteil an d<strong>er</strong><br />

Selche hatte sich<strong>er</strong> auch besagt<strong>er</strong> Ofen; Feinstaub war nie ein Thema!). Bei d<strong>er</strong><br />

Üb<strong>er</strong>wachung des Brandzustandes deselben durch den Wirten hat man auch ohne<br />

Panik<strong>er</strong> zu sein, die Bock<strong>er</strong>l-Freisen bekommen. Seltsam<strong>er</strong>weise haben die anwesenden<br />

Feu<strong>er</strong>wehrleute (hi<strong>er</strong>zulande ist gottseidank noch jed<strong>er</strong> vi<strong>er</strong>te arbeitsfähige Mann bei d<strong>er</strong><br />

Feu<strong>er</strong>wehr) imm<strong>er</strong> schallend gelacht, wenn die Funken bedrohlich aus dem Teufelsding<br />

h<strong>er</strong>ausgestoben sind, daß man sich angesichts des rötlichen Wid<strong>er</strong>scheines d<strong>er</strong> Flammen<br />

am v<strong>er</strong>schwitzten Gesicht des Wirtes glaubhaft in d<strong>er</strong> Hölle wähnte („jetzt weiß ich, w<strong>er</strong><br />

die rote Kugel ist“, dachte <strong>er</strong> damals insgeheim).<br />

Die Tische waren freilich nicht sehr saub<strong>er</strong>; dieses Schicksal mußten sie all<strong>er</strong>dings<br />

mit dem Boden, dem Geschirr und d<strong>er</strong> schönen alten Zinn-Budel teilen. Ab<strong>er</strong><br />

Flaschenbi<strong>er</strong> konnte man durchaus aus d<strong>er</strong> Flasche trinken; da gab es keine hygienischen<br />

Bedenken.<br />

Wenn man mutig war, hat man sogar Essen bestellt (d<strong>er</strong> Mut hat schon damit<br />

begonnen, daß man seine Abwehrkräfte gegenüb<strong>er</strong> dies<strong>er</strong> Vorstellung von Hygiene<br />

auszutesten b<strong>er</strong>eit war). Die zweite Mutprobe ab<strong>er</strong> war die Bestellung selbst.<br />

Dann hat sich nämlich d<strong>er</strong> gewichtige Wirt vor dem vorwitzig Bestellenden<br />

aufgebaut mit d<strong>er</strong> schmuddeligen Menue-Karte, auf d<strong>er</strong> sich<strong>er</strong> 82 Speisen gestanden sind<br />

wie beim Chinesen.<br />

„Essen a no?“.<br />

„Gordon-Bleu, wie Sie es nennen, bitte!“.<br />

„Is außß!“.<br />

„Dann Escalop milanäs“.<br />

„Des hot’s gestan geb’n; wüh’st vielleicht wos Übastandichs?“.<br />

„Was können Sie mir raten?“.<br />

„A aundas Wirtshaus, waunn’s d so a fein<strong>er</strong> Pink’l bist. Frankfurt<strong>er</strong> gabat’s (oba mit<br />

Woatezeit) und bestöh’ da jo kane Seid’ln, weu i wü ned dauand hatsch’n!“. Das<br />

schadenfrohe Lachen d<strong>er</strong> and<strong>er</strong>en Gäste hatte <strong>er</strong> damals geflissentlich üb<strong>er</strong>hört.<br />

Einschub-Ende.<br />

„Liebe Clementine, küß die bezaub<strong>er</strong>nden Hände, lieb<strong>er</strong> Harro, die Pflicht<br />

ruft, seid mir umarmt!“.


„Du kennst den Weg?“.<br />

31<br />

„Ab<strong>er</strong> selbstredend!“. Im Gehen m<strong>er</strong>kt Quastorf, daß <strong>er</strong> dadurch, daß <strong>er</strong><br />

schon sehr lange nicht mehr hi<strong>er</strong> war, nicht so recht weiß, wie man aus dem<br />

gewaltigen Bauw<strong>er</strong>k h<strong>er</strong>ausfindet (noch dazu ist im Somm<strong>er</strong> eine ganz and<strong>er</strong>e<br />

Wegführung vorgesehen als im Wint<strong>er</strong>, da <strong>er</strong> das letzte Mal hi<strong>er</strong> eingeladen war – wegen<br />

d<strong>er</strong> notwendigen Kälteschleusen und weil im Wint<strong>er</strong> somanche Türe sich nicht öffnen läßt,<br />

da sie von d<strong>er</strong> Feuchtigkeit aufgequollen od<strong>er</strong> von d<strong>er</strong> Kälte v<strong>er</strong>eist ist!).<br />

Umständlich muß <strong>er</strong> zunächst den Durchbruch durch das<br />

fünfeinhalb Met<strong>er</strong> dicke Gemäu<strong>er</strong> des B<strong>er</strong>gfrits bewältigen (das ist kein<br />

Torbogen mehr; das ist ein Gang!); dann üb<strong>er</strong> div<strong>er</strong>se v<strong>er</strong>winkelte Gänge, die<br />

scheinbar imm<strong>er</strong> im Kreis führen, die Arkaden-Treppe hinauf. Daran<br />

schließt wied<strong>er</strong> ein lang<strong>er</strong> Korridor, d<strong>er</strong> gegen den im V<strong>er</strong>hältnis zu d<strong>er</strong><br />

gewaltigen Anlage eh<strong>er</strong> sehr kleinen, ab<strong>er</strong> Märchenbuch-artigen<br />

spätmittelalt<strong>er</strong>lichen Innenhof, den Arkaden aus d<strong>er</strong> Renaissance zi<strong>er</strong>en,<br />

großzügig v<strong>er</strong>glast ist.<br />

Im Rund des von Efeu v<strong>er</strong>wachsenen Hofes stehen von d<strong>er</strong><br />

Schloßh<strong>er</strong>rin liebevoll arrangi<strong>er</strong>te Hochstamm-Lorbe<strong>er</strong>-Bäumchen und<br />

putzige Buchskugeln, die in reich-v<strong>er</strong>zi<strong>er</strong>ten medit<strong>er</strong>ranen T<strong>er</strong>racotta-<br />

Töpfen ein schönes Leben haben. Und in d<strong>er</strong> geometrischen Mitte des<br />

Hofes ein Froschkönig-Brunnen mit einem schmiedeeis<strong>er</strong>nen Gitt<strong>er</strong>, damit<br />

niemand hineinfällt (d<strong>er</strong> ist imm<strong>er</strong>hin achzig Met<strong>er</strong> tief!).<br />

Dann am ehemaligen Bureau (die Aufschrift ist auf ein<strong>er</strong> kunstvoll v<strong>er</strong>zi<strong>er</strong>ten<br />

Messingtafel noch imm<strong>er</strong> deutlich sichtbar) des v<strong>er</strong>storbenen Alten vorbei, das aus<br />

Pietät seit dessen Tod in absolutem Originalzustand bewahrt wurde. Üb<strong>er</strong><br />

ein kleines Holztrepp<strong>er</strong>l, das d<strong>er</strong> sonstigen Würde und Großzügigkeit des<br />

Schlosses in kein<strong>er</strong> Weise entspricht, auf einen Absatz mit großflächigen<br />

abgetretenen Marmor-Fliesen, von dem es unt<strong>er</strong> zwei gigantischen<br />

Stoßzähnen eines ehedem vi<strong>er</strong>einhalb Tonnen schw<strong>er</strong>en Elefantenbullen<br />

hindurch üb<strong>er</strong> die Prunkstiege hinunt<strong>er</strong> geht.<br />

Ab hi<strong>er</strong> ist alles in Marmor! Rechts und links bedrohen einen von den<br />

Wänden Löwen-, Tig<strong>er</strong>-, Giraffen-, Gnu-, Elch-, Nashorn- und Wapiti-<br />

Köpfe. Narwal-Stoßzähne (als Einhörn<strong>er</strong> v<strong>er</strong>kleidet), ausgestopfte Alligatoren<br />

und Leguane schweben von d<strong>er</strong> Decke, d<strong>er</strong> Panz<strong>er</strong> ein<strong>er</strong> Riesen-<br />

Landschildkröte dient als Hock<strong>er</strong> und ausgehöhlte Elefantenfüße w<strong>er</strong>den<br />

als Ständ<strong>er</strong> für die prachtvollen Spazi<strong>er</strong>stöcke mißbraucht. Knäufe aus<br />

Silb<strong>er</strong>, Elfenbein, Eben- und Rosenholz; aus Porzellan und Jade.


32<br />

10 Im Büro kocht es. „Wo waren Sie so lange, d<strong>er</strong> Staatsanwalt hat<br />

ang<strong>er</strong>ufen und sich nach dem Fortschritt d<strong>er</strong> Ermittlungen <strong>er</strong>kundigt“.<br />

„Rech<strong>er</strong>che! Hi<strong>er</strong>, damit Ihr was zu tun habt“ und knallt den Bolzing<strong>er</strong> auf<br />

den Labortisch. Alle Anwesenden sind baff und gleichteitig beschämt.<br />

„Das ist halt wied<strong>er</strong>einmal typisch uns<strong>er</strong> lieb<strong>er</strong> H<strong>er</strong>r Chefinspektor! Genießt<br />

seine Freizeit während d<strong>er</strong> Dienstzeit und findet trotzdem das<br />

Wesentliche!“. Die Frau Duftschmied hat es wie üblich auf den Punkt<br />

gebracht, was die and<strong>er</strong>en sich nicht zu sagen trauen, da sie es ein<strong>er</strong>seits für<br />

unzulässige Kritik an einem Vorgesetzten und and<strong>er</strong><strong>er</strong>seits für selbstinfragestellende<br />

An<strong>er</strong>kennung halten.<br />

„Hat man den Hund schon gefunden?“. Betretenes Schweigen, da die<br />

meisten (bis auf den Hanfthal<strong>er</strong>) nichteinmal wissen, welch<strong>er</strong> Hund gemeint<br />

wäre, wie <strong>er</strong> ausschauen sollte, wem <strong>er</strong> gehört haben könnte und was das<br />

üb<strong>er</strong>haupt für einen Zusammenhang mit dem Tatvogang h<strong>er</strong>stellen würde.<br />

„So geht das nun ab<strong>er</strong> endgültig nicht!“ macht sich d<strong>er</strong> Dez<strong>er</strong>natsleit<strong>er</strong><br />

wichtig. Ob<strong>er</strong>st Karl Kuchlbach<strong>er</strong> ist nicht gewillt, sich den durchaus so<br />

<strong>er</strong>folgreichen wie unkonventionellen Ermittlungs-Stil Quastorfs bieten und<br />

schon garnicht aufzwingen zu lassen. Das rinnt am Chefinspektor wie<br />

Wass<strong>er</strong> am Ölzeug des Ostfriesen h<strong>er</strong>unt<strong>er</strong>.<br />

„Gibt es neue Erkenntnisse?“ stellt <strong>er</strong> in den Raum. Kleinlaut v<strong>er</strong>meldet d<strong>er</strong><br />

scheu h<strong>er</strong>einhuschende Justiz-Voluntär Dolling<strong>er</strong>, d<strong>er</strong> in sein<strong>er</strong> Ausbildung<br />

auch die Basis <strong>er</strong>leben muß, daß spielene Kind<strong>er</strong> im aufgelassenen Kalkofen<br />

die leicht v<strong>er</strong>weste Leiche eines Hundes aufgefunden hätten.<br />

„Na also; dazu brauchen wir also einen Voluntär, wozu die alten Haudegen<br />

nicht fähig sind. D<strong>er</strong> will es halt zu was bringen“ (das kleine Wortspiel des<br />

Wollens eines Voluntärs hat natürlich wied<strong>er</strong> kein<strong>er</strong> mitbekommen; ab<strong>er</strong> das hat <strong>er</strong> auch<br />

nicht <strong>er</strong>wartet).<br />

„Gut so, jung<strong>er</strong> Mann; Sie w<strong>er</strong>den viel <strong>er</strong>reichen in Ihrem B<strong>er</strong>uf“. Das baut<br />

auf und dafür nimmt man g<strong>er</strong>ne die daraus resulti<strong>er</strong>ende Schamesröte hin.<br />

D<strong>er</strong> hinzugezogene Vet<strong>er</strong>inär dianostizi<strong>er</strong>t zielsich<strong>er</strong> die seltene<br />

Rasse: „Öst<strong>er</strong>reichisch<strong>er</strong> Hofhund; davon gibt es nach d<strong>er</strong> Inkaufnahme<br />

des Ausst<strong>er</strong>bens dies<strong>er</strong> sympathischen Züchtung d<strong>er</strong>zeit nur noch circa 200<br />

in d<strong>er</strong> ganzen Welt und allesamt aus d<strong>er</strong> selben ef<strong>er</strong>ding<strong>er</strong> Zuchtanstalt!<br />

Todesursache war vielleicht eine giftige Wurst, da das Ti<strong>er</strong> eigentlich vor


33<br />

Gesundheit gestrotzt hat trotz sein<strong>er</strong> zwölf Jahre. Das w<strong>er</strong>den die näh<strong>er</strong>en<br />

Unt<strong>er</strong>suchungen in den nächsten Tagen <strong>er</strong>geben“.<br />

„W<strong>er</strong> den Hund am Gewissen hat, d<strong>er</strong> ist sich<strong>er</strong> auch d<strong>er</strong> Mörd<strong>er</strong>, denn<br />

dessen Tod war garanti<strong>er</strong>t nur eine mißachtete Warnung“. Das war d<strong>er</strong><br />

etwas vorschnelle Hanfthal<strong>er</strong>, d<strong>er</strong> eigentlich sonst üblich<strong>er</strong>weise nur<br />

Büroarbeit macht und alle Aktionen koordini<strong>er</strong>t, was <strong>er</strong> h<strong>er</strong>vorragend<br />

beh<strong>er</strong>rscht (ein klein<strong>er</strong> Claudio Abbado d<strong>er</strong> Einsatzkräfte). Nur sollte <strong>er</strong> sich halt<br />

nicht in Ermittlungs-Vorgänge einmischen, denn dies<strong>er</strong> Hut paßt ihm nicht.<br />

Ab<strong>er</strong> imm<strong>er</strong>wied<strong>er</strong>einmal läßt man ihn gewähren, denn es stärkt sein<br />

Selbstbewußtsein und dann tut <strong>er</strong> wied<strong>er</strong> lieb<strong>er</strong> das, was <strong>er</strong> gut kann;<br />

nähmlich jeden mit jedem zu v<strong>er</strong>netzen.<br />

Die Frau Duftschmied will auch ihre kriminologischen Grenzen<br />

ausloten und kont<strong>er</strong>kari<strong>er</strong>t den Hanfthal<strong>er</strong> mit d<strong>er</strong> Bem<strong>er</strong>kung „ganz im<br />

Gegenteil; das war mit Sich<strong>er</strong>heit nur eine Randhandlung zur Irreführung<br />

d<strong>er</strong> Ermittl<strong>er</strong>!“.<br />

Oftmals trifft sie’s sogar bess<strong>er</strong> als die and<strong>er</strong>en, ab<strong>er</strong> Quastorf will ihr<br />

das nicht g<strong>er</strong>n zugestehen und d<strong>er</strong>artiges auch nicht einreißen lassen.<br />

11 Da im Ort das hartnäckige G<strong>er</strong>ücht umgeht, daß d<strong>er</strong> G<strong>er</strong>fried<br />

Adensam<strong>er</strong> sich öft<strong>er</strong> mit dem Mesn<strong>er</strong> getroffen hat, wird man den<br />

ebenfalls besuchen müssen. Quastorf <strong>er</strong>scheint unangemeldet im Pfarrhof,<br />

wo ihn dessen Frau Isabella empfängt.<br />

„D<strong>er</strong> H<strong>er</strong>r Hochwürden ist leid<strong>er</strong> in ein<strong>er</strong> d<strong>er</strong> vielen Filial-Pfarren<br />

unt<strong>er</strong>wegs; Sie wissen ja, seit d<strong>er</strong> Zölibat so eine Crux geworden ist, finden<br />

die Diözesan-Ordinariate halt kaum mehr Priest<strong>er</strong>amts-Anwärt<strong>er</strong>, die sich<br />

d<strong>er</strong> Ehelosigkeit v<strong>er</strong>pflichten wollen. Und so hat uns<strong>er</strong> Pfarr<strong>er</strong> halt<br />

furchtbar viel um die Ohren“.<br />

„Ich will nicht den Pfarr<strong>er</strong>; ich will genau Sie! Und wo ist Ihr Mann?“.<br />

„Meingott d<strong>er</strong> pfuscht halt ein biss<strong>er</strong>l für den Reit- und Gespannclub; das<br />

w<strong>er</strong>den’s doch nicht gleich anzeigen wollen!“. Angst und V<strong>er</strong>zweiflung<br />

spricht aus ihr und die Tränen stehen ihr in den Augen.<br />

„Wie ist das eigentlich mit Ihrem Mann und dem Adensam<strong>er</strong>?“. Jetzt bricht<br />

es endgültig aus ihrem Inn<strong>er</strong>en.


34<br />

„Es ist leid<strong>er</strong> so, wie de Leut h<strong>er</strong>um<strong>er</strong>zählen; <strong>er</strong> hat sich vor zehn Jahren<br />

neuorienti<strong>er</strong>t und d<strong>er</strong> Adensam<strong>er</strong> hat ihm halt was geboten, wozu ich<br />

natürlich nicht die Richtige hab’ sein können!“. Da liegt ein Leben offen,<br />

das seine Bedeckung nur schw<strong>er</strong>lich wied<strong>er</strong> wird finden können.<br />

„Sie haben drei Söhne? Den F<strong>er</strong>dinand, d<strong>er</strong> Lehr<strong>er</strong> ist, den Alois, d<strong>er</strong> sich in<br />

Indien seine Sporen als Entwicklungshelf<strong>er</strong> v<strong>er</strong>dient, wie ich rech<strong>er</strong>chi<strong>er</strong>en<br />

konnte und den Nachzügl<strong>er</strong> Amadeus: Sind Sie Mozart-Fan? Und wo hat<br />

ihr 8-jährig<strong>er</strong> Sohn somit seinen genetischen Ursprung, da ihr Gatte doch<br />

offenkundig neuorienti<strong>er</strong>t ist?“.<br />

„I bin ka Mozart-Fan, oba mei jingsta Bua ist halt Gott lieb – hoff’ i – und<br />

drum haßt a ama deus = Gott lieb! Des woa so ekelhoft mit mein Maunn in de<br />

letzt’n Joah; und die Enttäuschungen und de Demütigungen. Und meine<br />

Hormone haum hoit a ihr Recht braucht und d<strong>er</strong> Zölibat is a Hund; se<br />

vastengan?“.<br />

Das kann <strong>er</strong> gut v<strong>er</strong>stehen, daß ihr d<strong>er</strong> vor nunmehr zwanzig Jahren<br />

konsekri<strong>er</strong>te Pfarr<strong>er</strong> Hölling<strong>er</strong> gefällt, denn d<strong>er</strong> bietet alles, was ein<br />

Frauenh<strong>er</strong>z begehrt. Einfühlsam, geduldig, gesprächsb<strong>er</strong>eit und offenh<strong>er</strong>zig<br />

ist <strong>er</strong>. Fährt mit sein<strong>er</strong> Honda in d<strong>er</strong> Led<strong>er</strong>kluft aufopf<strong>er</strong>nd all die vielen<br />

Pfarreien ab, um wenigstens noch ein paar Schäfchen für den Glauben zu<br />

retten (für die Amts-Kirche, die ihm ständig neue Schwi<strong>er</strong>igkeiten durch schickanöse<br />

V<strong>er</strong>ordnungen macht, würde <strong>er</strong> das schon lange nicht mehr tun; denn die hat in seinen<br />

Augen gänzlich ihre Aufgabe v<strong>er</strong>fehlt). Nicht ganz ab<strong>er</strong> hat sich sein Leben<br />

v<strong>er</strong>engt, da <strong>er</strong> d<strong>er</strong> Isabella im Stillen einen liebenden Partn<strong>er</strong> abgeben kann.<br />

Schade nur, daß <strong>er</strong> das nicht öffentlich bekennen darf. Ab<strong>er</strong> die<br />

H<strong>er</strong>zen d<strong>er</strong> Ortsbewohn<strong>er</strong> würden ihm dadurch nicht v<strong>er</strong>lorengehen, da es<br />

doch sowieso alle wissen; höchstens seine B<strong>er</strong>ufslaufbahn würde leiden.<br />

„Raucht Ihr Mann?“.<br />

„Jo leid<strong>er</strong> de stinkaten Teifeln; de krumpen Hundsviecha!“. Quastorf hat<br />

mehr gehört, als <strong>er</strong> sich wünschen könnte und weiß aufgrund d<strong>er</strong> vielen<br />

Informationen wenig<strong>er</strong> als zu Beginn und doch auch wied<strong>er</strong> viel mehr.<br />

Seine eigene Beziehung zu ein<strong>er</strong> nur selten vorhandenen<br />

Politikwissenschaft<strong>er</strong>in kommt ihm hoch. Wann hat <strong>er</strong> sie das letztemal<br />

gesehen?


35<br />

Zu eigenen Kind<strong>er</strong>n hat <strong>er</strong> sich nie entschlossen und eine enge<br />

Bindung ist in seinem B<strong>er</strong>uf eigentlich unv<strong>er</strong>antwortlich. Er fragt sich, wie<br />

seine Kollegen das v<strong>er</strong>antworten können, daß sie Familien gründen.<br />

Selbsgewählt<strong>er</strong> Zölibat wäre eigentlich p<strong>er</strong>fekt für d<strong>er</strong>lei B<strong>er</strong>ufe wie<br />

Ärzte, Polizisten, Lehr<strong>er</strong>, Krankenschwest<strong>er</strong>n, Manag<strong>er</strong>, V<strong>er</strong>tret<strong>er</strong>,<br />

F<strong>er</strong>nfahr<strong>er</strong>, Politik<strong>er</strong>, Stuardessen .....; die haben doch alle gar keine Zeit für<br />

ihre Familie, wenn sie ihren B<strong>er</strong>uf <strong>er</strong>nsthaft betreiben wollen.<br />

„Sie haben mir sehr geholfen!“. Er muß ins Bett.<br />

12 Was ihn antreibt, weiß <strong>er</strong> nicht, ab<strong>er</strong> <strong>er</strong> besucht die Blaue Gans des<br />

Vormittags, da dort sonntäglich<strong>er</strong> Früschoppen abgearbeitet wird. Dort<br />

wird imm<strong>er</strong> viel g<strong>er</strong>edet; geschrien wäre die bess<strong>er</strong>e Beschreibung, was sich<br />

dort abspielt. Ab<strong>er</strong> jed<strong>er</strong> glaubt, <strong>er</strong> muß die and<strong>er</strong>en üb<strong>er</strong>schreien und <strong>er</strong>st<br />

daduch entsteht ein Lärmpegel, d<strong>er</strong> das Grölen wied<strong>er</strong>um h<strong>er</strong>ausford<strong>er</strong>t.<br />

D<strong>er</strong> junge Wirt und seine fesche Kelln<strong>er</strong>in, die üblich<strong>er</strong>weise fadisi<strong>er</strong>t im<br />

spärlich besuchten Gasthof h<strong>er</strong>umlung<strong>er</strong>n, wenn sie nicht g<strong>er</strong>ade<br />

Erhaltungs-, V<strong>er</strong>waltungs- od<strong>er</strong> Reinigungs-Aufgaben nachgehen, sind zum<br />

Frühschoppen imm<strong>er</strong> hoffnungslos üb<strong>er</strong>ford<strong>er</strong>t trotz gut<strong>er</strong> Organisation.<br />

Doch das bringt das meiste Geld in d<strong>er</strong> Woche. Von den 5-€-Menues an<br />

Wochentagen, die zwar g<strong>er</strong>ne von den lokalen Geschäftsleuten, den<br />

Beamten und den Wald- und Baustellenarbeit<strong>er</strong>n angenommen w<strong>er</strong>den,<br />

bleibt nur wenig üb<strong>er</strong> nach Abzug all<strong>er</strong> Grundkosten und Steu<strong>er</strong>n.<br />

Eigentlich sind diese Menues nur Image-W<strong>er</strong>bung, damit das Lokal in<br />

gutem Ruf bleibt. Wenn da nicht noch seine Mutt<strong>er</strong>, trotzdem sie schon<br />

lange im Ruhensgenuß ist, den ganzen Vormittag in d<strong>er</strong> Küche w<strong>er</strong>ken würde<br />

trotz ihr<strong>er</strong> von vielen Thrombosen geschwollenen Beine, es wäre nicht zu<br />

leisten; schön<strong>er</strong> Ruhensgenuß! Ab<strong>er</strong> sie braucht das gottseidank zur<br />

Definition ihres Selbstw<strong>er</strong>tes; somit ist ihre Arbeitszeit nahezu kostenlos.<br />

Wenn üb<strong>er</strong>triebene Ti<strong>er</strong>schütz<strong>er</strong> ein Göppelpf<strong>er</strong>d igendwo in Indien<br />

freikaufen und es in Freiheit entlassen, trabt es auch aus Gewohnheit bis zu<br />

seinem Lebensende im Kreis h<strong>er</strong>um (das hat seine Entsprechung in ihr).<br />

Gegen Mittag v<strong>er</strong>schwinden alle wie auf ein unhörbares Kommando<br />

ihr<strong>er</strong> nichtanwesenden Gattinnen, damit sie um punkt zwölf Uhr gehorsam<br />

zuhause am Eßtisch sitzen. Im Gegenzug haben es ihre Frauen gel<strong>er</strong>nt,<br />

gehorsam um punkt zwölf das Essen zu kredenzen.


36<br />

Im Wirtshaus wird es ruhig<strong>er</strong>. Nur ein paar v<strong>er</strong>witwete od<strong>er</strong> aus<br />

V<strong>er</strong>nunftgründen ledig-gebliebene Einzelgäng<strong>er</strong> bleiben zum Mittagstisch.<br />

„Jetzt wird endlich a Ruah, daß ma wos bestöll’n kau’! Geh Peppi, bring ma<br />

bittschen a Müzschnitt’n-Supp’n und a Zwettl<strong>er</strong> Bi<strong>er</strong>fleisch und no a<br />

Krüg<strong>er</strong>l“.<br />

Das ist so eine charmante Eigenschaft d<strong>er</strong> Nord- Ost- und<br />

Mittelöst<strong>er</strong>reich<strong>er</strong>, daß sie für durchaus große Mengen (vor allem im Eß- und<br />

Trink-Vokabular) die gefällige Form des Diminuativs bevorzugen. „An- zwa<br />

Krüg<strong>er</strong>l“ hört sich halt bess<strong>er</strong> an als Vollrausch (zumal es genaugenommen<br />

dreieinhalb Lit<strong>er</strong> waren). Seit<strong>er</strong>l wäre all<strong>er</strong>dings schon a priori klein<strong>er</strong>; doch<br />

insbesond<strong>er</strong>e nimmt Wund<strong>er</strong>, daß hi<strong>er</strong> eine strenge Regel d<strong>er</strong><br />

öst<strong>er</strong>reichischen Sememe gebrochen wird „imm<strong>er</strong> weiche Konsonanten<br />

sprechen, wo harte geschrieben w<strong>er</strong>den!“.<br />

Denn es schreibt sich Seidel und wird Seitel gesprochen! Kaffeetsch<strong>er</strong>l,<br />

Tort<strong>er</strong>l (ca. ein Zwölftel von üblich<strong>er</strong>weise einem bis zwei Kilogramm Torte), Supp<strong>er</strong>l;<br />

ja und natürlich das geliebte Schnitz<strong>er</strong>l! Wenn das nicht deutlich üb<strong>er</strong><br />

scheinbar eigens dafür fabrizi<strong>er</strong>te gewaltige Schnitzeltell<strong>er</strong> hängt, betritt man<br />

das Lokal <strong>er</strong>st garnicht!<br />

„Sad’s scho weida mit den Todn? Wissen’s eh, daß dea a biss’l ana<br />

von drentabei woa!“ und macht dabei tuntige Gestik und Mimik. „I dad<br />

amoi den Rempebau<strong>er</strong>n-Koarl frogn. Den sei Oide huckt eh en gaunz’n<br />

Tog min Opangucka bein Fensta, seid se’s mit de Knia hot. De hot den<br />

sicha übawocht, wo dea do kane fuchz’g Meta von denan eanara Hittn en<br />

Hof hot!“.<br />

Da ist was dran. Ein Beusch<strong>er</strong>l muß Quastorf nach langem wied<strong>er</strong><br />

haben, ab<strong>er</strong> dann geht <strong>er</strong>’s an.<br />

13 Hinaus aus d<strong>er</strong> Stadt und Richtung Weinpoltschlag. Dann biegt <strong>er</strong><br />

links von d<strong>er</strong> Straße ab und üb<strong>er</strong> den Waldweg, d<strong>er</strong> d<strong>er</strong>selbe ist wie d<strong>er</strong> zum<br />

Adensam<strong>er</strong>, gelangt <strong>er</strong> auf eine kleine Lichtung, an d<strong>er</strong> d<strong>er</strong> Hausweg rechts<br />

abzweicht, auf dem man sich nach dreißig Met<strong>er</strong>n vollkommen<br />

üb<strong>er</strong>raschend mit einem riesigen freilaufenden B<strong>er</strong>nhardin<strong>er</strong> konfronti<strong>er</strong>t<br />

sieht. Das liebt d<strong>er</strong> Chefinspektor garnicht, wenn Hunde nicht an ihrem<br />

Platz sind. Nicht, daß <strong>er</strong> für Zwing<strong>er</strong> od<strong>er</strong> Kettenhaltung wäre, ab<strong>er</strong>


37<br />

wenigstens hint<strong>er</strong> einem abgesp<strong>er</strong>rten Gitt<strong>er</strong>tor könnten sie im Hof frei<br />

umlaufen zur notwendigen Abschreckung ungebeten<strong>er</strong> Besuch<strong>er</strong>.<br />

Gleichzeitig ford<strong>er</strong>t <strong>er</strong> als Mindeststatus auch eine funktioni<strong>er</strong>ende<br />

Türglocke, daß man sich dem Besitz<strong>er</strong> bem<strong>er</strong>kbar machen könnte – und ein<br />

Schild ‚Vorsicht; scharf<strong>er</strong> Hund’! Ab<strong>er</strong> da ist <strong>er</strong> in dies<strong>er</strong> Gegend an die<br />

Falschen g<strong>er</strong>aten. Entwed<strong>er</strong> ist alles so v<strong>er</strong>rammelt, daß einen d<strong>er</strong> Besitz<strong>er</strong>,<br />

d<strong>er</strong> prinzipiell in dem vom Tor am weitesten entf<strong>er</strong>nten Haustrakt wohnt,<br />

garnicht hören kann od<strong>er</strong> die Situation ist offenkundig gefährlich.<br />

Ums Haus h<strong>er</strong>um gehen, wird von rostigen Altg<strong>er</strong>äten, mit morschen<br />

Bohlen abgedeckten Senkgruben (praktisch Bärenfallen), Misthaufen und<br />

Schlehen- od<strong>er</strong> Rosenhecken etc. aus un<strong>er</strong>findlichen Gründen grundsätzlich<br />

v<strong>er</strong>unmöglicht. Od<strong>er</strong> eben Situationen wie diese.<br />

„Warum steig’ns denn net aus? Is eh ollas offen. Fiacht’ns en Hund? D<strong>er</strong><br />

tuat eh nix; d<strong>er</strong> hot no nia wem bissen – kummt jo noamalaweis a kana! D<strong>er</strong><br />

beißt nua, wos a frißt; hehehe – guat gö? Ka Suag, mia san eh vasichat –<br />

Adolf geh hea – steig’ns ruhig aus. Jetzt kumm endlich; daß da des Krippe a<br />

nia foigt – hea do! Kummans nua. Net fiacht’n vua dem Trott’l, weu des<br />

m<strong>er</strong>kt’a glei und daunn wird a total grantig!“.<br />

Quastorf wird diese Art d<strong>er</strong> Fremdenfeindlichkeit gegenüb<strong>er</strong><br />

Inländ<strong>er</strong>n nie v<strong>er</strong>stehen und ist eigentlich auch nicht b<strong>er</strong>eit, diese zu<br />

akzepti<strong>er</strong>en. Geistesgegenwärtig zieht <strong>er</strong> sein schwarzes Brillenetui.<br />

„Kriminalpolizei. Ich habe hi<strong>er</strong> einen Elektroschock<strong>er</strong> und w<strong>er</strong>de den<br />

Hund bedenkenlos töten, wenn ich mich bedroht fühle!“.<br />

Ein durchringend<strong>er</strong> Pfiff und das mächtige 75-Kilo-Ti<strong>er</strong> hetzt in den<br />

Stadel; geht also doch mit etwas gutem Willen!<br />

„Sind Sie d<strong>er</strong> H<strong>er</strong>r Rempelbau<strong>er</strong>?“.<br />

„Na es Christkindl w<strong>er</strong> i sei!“ sagt das im Näh<strong>er</strong>kommen imm<strong>er</strong> wenig<strong>er</strong><br />

<strong>er</strong>kennbare Gesicht. D<strong>er</strong> Mann ist d<strong>er</strong>art von Schmutz üb<strong>er</strong>zogen, daß man<br />

nur das g<strong>er</strong>ötete Weiß sein<strong>er</strong> Augen h<strong>er</strong>ausleuchten sieht. Auch Zähne<br />

blitzen keine, denn d<strong>er</strong> einzige im rechten Ob<strong>er</strong>kief<strong>er</strong> ist dust<strong>er</strong>gelb von<br />

Tabakte<strong>er</strong> patini<strong>er</strong>t.<br />

Ganz aus d<strong>er</strong> Nähe jedoch m<strong>er</strong>kt man, was die Ähnlichkeit d<strong>er</strong> Haut<br />

dieses Originals mit d<strong>er</strong> ein<strong>er</strong> Moorleiche h<strong>er</strong>vorg<strong>er</strong>ufen hat. Niemals


38<br />

entf<strong>er</strong>nte Rauchrückstände, die man auf zehn Met<strong>er</strong> riechen kann. Gibt es<br />

heute noch Köhl<strong>er</strong>, fragt sich Quastorf? Im Haus findet sich die Ursache<br />

d<strong>er</strong> unabwaschbaren Te<strong>er</strong>schichten. D<strong>er</strong> Mann lebt in sich<strong>er</strong> ein<strong>er</strong> d<strong>er</strong><br />

letzten rezenten und noch aktiven Rauchkuchel! Nicht wie die für den<br />

Fremdenv<strong>er</strong>kehr üb<strong>er</strong>restauri<strong>er</strong>ten, die total h<strong>er</strong>ausgeputzt im Deckenkamin<br />

mit schwarzem Mattlack gefärbelt sind, was das ganze sehr peinlich<br />

gestaltet, sond<strong>er</strong>n von ehrlich<strong>er</strong> desolat<strong>er</strong> Ursprünglichkeit. Nur daß es<br />

keinen Deckenkamin gibt; nur einen schlecht ziehenden Küchenh<strong>er</strong>d.<br />

D<strong>er</strong> ist wahrlich authentisch! Er ist bloß 1.52 – 1.55 groß, irgendwie<br />

witzig blitzt es aus seinen weiten Pupillen. Ab<strong>er</strong> es strahlt auch etwas<br />

undefini<strong>er</strong>bar Bedrohliches aus diesen tiefliegenden Augen. D<strong>er</strong> Wohnraum<br />

wäre geeignet für die praktische Erforschung d<strong>er</strong> Hohlraumstrahlung<br />

schwarz<strong>er</strong> Körp<strong>er</strong>. Da existi<strong>er</strong>t nichts, was Photonen emitti<strong>er</strong>en könnte. Die<br />

kleinen Fenst<strong>er</strong> lassen auch kaum Licht h<strong>er</strong>ein und obwohl ein<br />

V<strong>er</strong>sorgungskabel zum Haus vorhanden ist, weiß man nicht, ist es<br />

Sparsamkeit, Schulden-bedingte Zwangsabschaltung durch den En<strong>er</strong>gie-<br />

V<strong>er</strong>sorg<strong>er</strong> od<strong>er</strong> eine d<strong>er</strong>art v<strong>er</strong>dreckte Glühbirne, daß man keine Lichtquelle<br />

<strong>er</strong>kennen kann. Quastorf war schon wied<strong>er</strong>holt in Schauhöhlen. Wenn die<br />

Führ<strong>er</strong> dort, um die Besuch<strong>er</strong> zu schrecken, die Licht<strong>er</strong> kurzfristig<br />

abgeschaltet haben, ist imm<strong>er</strong> noch ein fahl<strong>er</strong> Schein zu ahnen geblieben –<br />

hi<strong>er</strong> ab<strong>er</strong> rein garnichts Lichthaftes!<br />

Die Rempelbäu<strong>er</strong>in, von d<strong>er</strong> im Dorf niemand so richtig wußte, ob<br />

sie seine Frau, seine Schwest<strong>er</strong>, seine Mutt<strong>er</strong> od<strong>er</strong> eine in wild<strong>er</strong> Ehe mit<br />

ihm lebende zufällig Namensgleiche war, saß ganz hinten im Raum an dem<br />

beschriebenen Fenst<strong>er</strong>, dessen doch g<strong>er</strong>ing<strong>er</strong> Lichtschein nach Gewöhnung<br />

d<strong>er</strong> Augen an die Dunkelheit angedeutet <strong>er</strong>kennbar war.<br />

Jetzt bem<strong>er</strong>kte Quastorf auch den ominösen Op<strong>er</strong>nguck<strong>er</strong>, den sie<br />

beharrlich vors Auge hielt, selbst dann, wenn sie dem Eindringling<br />

wid<strong>er</strong>willig und nur nach läng<strong>er</strong>en Latenzzeiten in bloßen Stichworten<br />

stockend antwortete, da sie Sozial-Kontakte nicht gewohnt war.<br />

„Frau Rempelbau<strong>er</strong>; haben Sie in den letzten Tagen irgendetwas<br />

Ungewöhnliches beobachten können“ beginnt Quastorf zög<strong>er</strong>lich die<br />

übliche Routine „drüben beim Adensam<strong>er</strong>?!“.<br />

....“Naa – Leit wurscht – eh oi’s Gsind’l-Wöt!“. Diese Aussage üb<strong>er</strong>rascht,<br />

zumal sie weit<strong>er</strong> das Glas unbeirrt Richtung Adensam<strong>er</strong> zwischen die ‚Welt’<br />

und ihre sich<strong>er</strong> vom Star getrübten Augen hält. Die Kargheit d<strong>er</strong> Sprache


39<br />

<strong>er</strong>schreckt und bezaub<strong>er</strong>t in gleich<strong>er</strong> Weise den ehemaligen Städt<strong>er</strong>.<br />

D<strong>er</strong>gestalt könnten die Phoneme in mesolithischen Höhlen geklungen<br />

haben – da sollten Sprach-Archeologen zugezogen w<strong>er</strong>den.<br />

Quastorf muß diese ‚Welt’ einmal näh<strong>er</strong> in Augenschein nehmen.<br />

Das Fenst<strong>er</strong>loch mißt sechzig mal sechzig, ist durch ein Kreuz in vi<strong>er</strong><br />

gleichgroße Feld<strong>er</strong> geteilt und sitzt in ein<strong>er</strong> Leibung von ebenfalls circa<br />

sechzig Zentimet<strong>er</strong>n Tiefe. Drei d<strong>er</strong> Scheiben sind absolut blind von<br />

jahrzehnte-lang<strong>er</strong> Pflegev<strong>er</strong>weig<strong>er</strong>ung (jetzt begreift Quastorf endlich, was d<strong>er</strong><br />

Spruch „wozu Fenst<strong>er</strong> putzen; <strong>er</strong>spare ich mir die Arbeit, dann <strong>er</strong>spare ich mir auch die<br />

Vorhänge!“ bedeutet).<br />

Die linke unt<strong>er</strong>e jedoch <strong>er</strong>scheint mittels Handballens regelmäßig<br />

freigehalten von Staub und Spinnweben, die die restliche Nische wie einen<br />

Kokon wirken lassen. Man kann von hi<strong>er</strong> den Hof und die Eingangstüre<br />

des Adensam<strong>er</strong> gut einsehen, da sich zwischen dies<strong>er</strong> und dem Beobacht<strong>er</strong><br />

nur ein kleines Bau<strong>er</strong>ngartel befindet, dessen Zaun schon etwas morb ist;<br />

d<strong>er</strong> Stadel- und Stalleingang, sowie das Schlachtg<strong>er</strong>üst entziehen sich<br />

all<strong>er</strong>dings leid<strong>er</strong> dem Blick, da sie auf d<strong>er</strong> abgewandten Seite liegen. Auch<br />

die Senkgrube und d<strong>er</strong> Misthaufen sind dem Betracht<strong>er</strong>-Auge nur<br />

bruchstückhaft zugänglich, da Büsche die Sicht einschränken.<br />

„Wie war das vor fünf Tagen genau? Stellen Sie sich nicht dumm; ich halte<br />

Sie für ganz gut informi<strong>er</strong>t! Hat d<strong>er</strong> Adensam<strong>er</strong> Besuch gehabt?“.<br />

„G<strong>er</strong>l (damit meint sie v<strong>er</strong>mutlich den G<strong>er</strong>fried Adensam<strong>er</strong>) ollaweu sti<strong>er</strong>en gonga –<br />

gonze Woch’n-Woch’n“.<br />

„Stüü bist; Muadta!!!“ schallt es h<strong>er</strong>risch aus dem Hint<strong>er</strong>grund, wo Quastorf<br />

den Selchzw<strong>er</strong>g fast schon v<strong>er</strong>gessen hatte; so gebannt war <strong>er</strong> von diesem<br />

archaischen parallel-Univ<strong>er</strong>sum (das hat jetzt nur wenig mit Quantenmechanik zu<br />

tun und Quastorf möchte sich garnicht d<strong>er</strong> Vorstellung hingeben, daß <strong>er</strong> die Vielzahl d<strong>er</strong><br />

diesen Raum bildenden Quarks <strong>er</strong>rechnen müßte).<br />

Daß sie tatsächlich seine Mutt<strong>er</strong> sein sollte, wäre unwahrscheinlich;<br />

eh<strong>er</strong> entspringt dies d<strong>er</strong> allgemein geübten Praxis d<strong>er</strong> gegenseitigen<br />

Tituli<strong>er</strong>ung d<strong>er</strong> Partn<strong>er</strong> als Muadta und Vodta, selbst wenn d<strong>er</strong> Beziehung<br />

keine Kind<strong>er</strong> entsprossen sind. Irgendwie ein regressives V<strong>er</strong>halten in<br />

V<strong>er</strong>weig<strong>er</strong>ung <strong>er</strong>ford<strong>er</strong>lich<strong>er</strong> P<strong>er</strong>sönlichkeits-Entwicklung.<br />

„Misthauffa – Kist’n zaht – Blechkist’n-Kist’n“.........


40<br />

„Meu holt’st, waunn i’s sog; Zöd’n, deppata!“ Dies<strong>er</strong> rüde Umgangston<br />

zwischen von einand<strong>er</strong> Abhängigen (denn von Partn<strong>er</strong>n weig<strong>er</strong>t sich Quastorf<br />

beharrlich in d<strong>er</strong>artigen Zusammenhängen zu sprechen, da es zu dies<strong>er</strong> Lebensform<br />

Koop<strong>er</strong>ation bedürfte) ist ihm schon des öft<strong>er</strong>en begegnet.<br />

Unt<strong>er</strong> Zelten (od<strong>er</strong> auch Baudexn – sich<strong>er</strong> ein keltisch<strong>er</strong> Wortstamm) v<strong>er</strong>steht<br />

man hi<strong>er</strong>zulande ein sehr schmackhaftes Mürbteig-Laibchen, daß mit ein<strong>er</strong><br />

d<strong>er</strong>art schw<strong>er</strong>v<strong>er</strong>daulichen Mohnfülle üb<strong>er</strong>frachtet ist, daß d<strong>er</strong> Genuß<br />

desselben eigentlich zum sofortigen Darmv<strong>er</strong>schluß führen müßte; die<br />

meisten Konsumenten üb<strong>er</strong>leben es ab<strong>er</strong> seltsam<strong>er</strong>weise – mit Punsch od<strong>er</strong><br />

Rotwein-Likör schwemmt sich das ganz gut hinunt<strong>er</strong>. Das Resultat brennt<br />

all<strong>er</strong>dings die folgende Woche den Schlund wund.<br />

Quastorf hängt hingegen eh<strong>er</strong> d<strong>er</strong> Theorie an, daß d<strong>er</strong> Finst<strong>er</strong>ling die<br />

zweite Bedeutung des Wortes gemeint haben könnte. Nämlich abstoßend<br />

hässliches wid<strong>er</strong>w<strong>er</strong>tiges Weib!<br />

Ihm als ehemaligem Wien<strong>er</strong> war es imm<strong>er</strong> un<strong>er</strong>klärlich, warum im<br />

bay<strong>er</strong>ischen Spracheinfluß die unvorstellbarsten V<strong>er</strong>balinjurien in<br />

unausgesprochen<strong>er</strong> Üb<strong>er</strong>einkunft wie Kosenamen hingenommen w<strong>er</strong>den.<br />

„....Eis<strong>er</strong> (w<strong>er</strong> ist denn damit wied<strong>er</strong> gemeint) streit’n kumma-kumma.<br />

..........Schiaßa-Buam – Russ’n-Buam aundrig’n Tog“.<br />

Jetzt fährt d<strong>er</strong> Giftzw<strong>er</strong>g d<strong>er</strong>artig bedrohlich auf sie h<strong>er</strong>, daß<br />

Quastorf nun fürchten muß, sie in beträchtliche Gefahr zu bringen, wenn <strong>er</strong><br />

weit<strong>er</strong> insisti<strong>er</strong>te mit seinen sichtlich peinlichen Fragen.<br />

„Ist schon recht, Frau Rempelbau<strong>er</strong>; wenn Sie sich nicht mehr <strong>er</strong>inn<strong>er</strong>n<br />

können, lassen wir es halt“ v<strong>er</strong>sucht <strong>er</strong> dem Gewalttät<strong>er</strong> die Sich<strong>er</strong>heit zu<br />

geben, daß <strong>er</strong> sie nicht v<strong>er</strong>standen hätte und v<strong>er</strong>läßt mit einem Gefühl d<strong>er</strong><br />

Erleicht<strong>er</strong>ung den bedrückenden Ort. Im Umdrehen warnt <strong>er</strong> den – nun im<br />

grellen Tageslicht <strong>er</strong>st als <strong>er</strong>kennbar gänzlich in Led<strong>er</strong> Gekleideten – „brav<br />

bleiben; daß Sie mir nur ja nichts anstellen bis ich wied<strong>er</strong>komme. Und von<br />

Ihnen <strong>er</strong>warte ich mir auch noch ein paar int<strong>er</strong>essante Antworten!“.<br />

„Kaa Suag und foinns net nieda!“.<br />

14 Was sie wohl mit ‚Schiaßa-Buam/Russ’n-Buam’ gemeint haben<br />

könnte, ist ihm gänzlich unklar. Quastorf kletzelt eine ausg<strong>er</strong>onnene Drei<strong>er</strong>


41<br />

aus d<strong>er</strong> v<strong>er</strong>drückten Weich-Packung (das ist d<strong>er</strong> Nachteil dies<strong>er</strong> schwach gestopften<br />

Filt<strong>er</strong>losen, daß sie sich bei läng<strong>er</strong>em Aufenthalt in den finst<strong>er</strong>en Tiefen d<strong>er</strong> Hosentasche<br />

größtenteiles ihres Tabackes entledigen). Denn Quastorf raucht nur selten, ab<strong>er</strong><br />

dann in tiefen Zügen, die sich umso spürbar<strong>er</strong> brennend in die ungeübten<br />

Lungenflügel hineinbohren. Ein leicht<strong>er</strong> Schwindel üb<strong>er</strong>kommt ihn von d<strong>er</strong><br />

jähen Nikotin-Anflutung im Gehirn.<br />

Alle Eis<strong>er</strong> müssen üb<strong>er</strong>prüft w<strong>er</strong>den. Das kann nicht weit<strong>er</strong> schw<strong>er</strong><br />

sein, denn dies<strong>er</strong> Name ist ihm bloß einmal in Vorarlb<strong>er</strong>g unt<strong>er</strong>gekommen<br />

– wenn <strong>er</strong> sich richtig entsinnt – und hi<strong>er</strong>orts gänzlich unüblich. Jakob Eis<strong>er</strong><br />

– ein Kollege; ab<strong>er</strong> d<strong>er</strong> war ja auch von woand<strong>er</strong>s! D<strong>er</strong> H<strong>er</strong>r Gallaun<strong>er</strong> vom<br />

Standesamt wird ihm da sich<strong>er</strong> weit<strong>er</strong>helfen können; d<strong>er</strong> kennt ja alle, denn<br />

das ist schließlich sein B<strong>er</strong>uf.<br />

In d<strong>er</strong> Dienststelle ist am Sonntag Abend nur d<strong>er</strong> Journaldienst<br />

anwesend. D<strong>er</strong> üb<strong>er</strong>fleißige H<strong>er</strong>r Habison hält die Stellung.<br />

„Gehen’s Habison, was ist denn eigentlich mit d<strong>er</strong> Blutspur von d<strong>er</strong><br />

Klinke?“.<br />

„Ist <strong>er</strong>wartungsgemäß vom Opf<strong>er</strong>. Ab<strong>er</strong> von einem Handabdruck<br />

üb<strong>er</strong>lag<strong>er</strong>t“.<br />

„Ausw<strong>er</strong>tbar?“.<br />

„Leid<strong>er</strong> kaum; ab<strong>er</strong> zu viele PCRs (Polym<strong>er</strong>ase-Chain-Reaktions – so nennt man<br />

die DNS-Analysen professionell) können wir uns nicht <strong>er</strong>lauben; wir sind ja<br />

nicht beim C.S.I.! Die vom Minist<strong>er</strong>ium haben letzthin wied<strong>er</strong> einen Ukas<br />

geschickt mit neuen Einsparungs-Wünschen“.<br />

„Und das Haar bringt uns <strong>er</strong>st neue Erkenntnisse, wenn wir den Tät<strong>er</strong>kreis<br />

einengen können“ <strong>er</strong>gänzt Quastorf. „Ich habe zwar einige Hinweise, ab<strong>er</strong><br />

das ist alles noch viel zu schwammig. Die Suppe ist d<strong>er</strong>zeit noch zu dünn“<br />

ziti<strong>er</strong>t <strong>er</strong> den ehemaligen blauen Innenminist<strong>er</strong> (nicht daß w<strong>er</strong> glauben sollte, daß<br />

d<strong>er</strong> dem Alkohol v<strong>er</strong>fallen war; d<strong>er</strong> war von d<strong>er</strong> blauen Fraktion, was sich auf die<br />

synaptische Reizleitung oft ähnlich nachteilig auswirkt).<br />

15 Montag morgen ruft <strong>er</strong> gleich den H<strong>er</strong>rn Gallaun<strong>er</strong> an, d<strong>er</strong> ihm<br />

ab<strong>er</strong> leid<strong>er</strong> garnichts üb<strong>er</strong> den ominösen ‚Eis<strong>er</strong>’ sagen kann. D<strong>er</strong> kennt<br />

praktisch jeden im Waldvi<strong>er</strong>tel; das hat Quastorf imm<strong>er</strong> schon an ihm


42<br />

bewund<strong>er</strong>t. Wie man sich auch noch die komplexen Familienv<strong>er</strong>hältnisse,<br />

V<strong>er</strong>wandtschaftsgrade und Lebensgeschichten m<strong>er</strong>ken kann, die oftmals<br />

recht wid<strong>er</strong>sprüchlich sind, war ihm imm<strong>er</strong> ein wenig unheimlich. Ab<strong>er</strong><br />

möglich<strong>er</strong>weise gibt es den Eis<strong>er</strong> auch garnicht, weil die alte Rempelbäu<strong>er</strong>in<br />

spinnt (ganz geheu<strong>er</strong> war sie ihm ohnedies nicht). Es wird langsam Zeit, sich den<br />

Zigarrenrauch<strong>er</strong> vorzunehmen und so fährt Quastorf die 4 km nach<br />

Höllweix. Diese Waldvi<strong>er</strong>tl<strong>er</strong> Namen haben ihn imm<strong>er</strong> schon tief<br />

beeindruckt, wenn <strong>er</strong> sich auch früh<strong>er</strong> auf viele keinen Reim machen<br />

konnte. Dazu gehörte imm<strong>er</strong> auch vorrangig d<strong>er</strong> Ortsname Höllweix.<br />

D<strong>er</strong> Anfang war v<strong>er</strong>mutlich klar, doch die Endsilbe scheint irgendwo<br />

aus Mexico zu stammen od<strong>er</strong> von den Kelten (� siehe V<strong>er</strong>cingetorix) und<br />

doch <strong>er</strong>wies es sich als ganz and<strong>er</strong>s: Mit Hell od<strong>er</strong> Hehl bezeichnete man<br />

Orte, die heilig sind und das Wort kommt aus dem Keltischen. Das wurde<br />

dann von den fanatischen irischen Missionaren, die selbst aus d<strong>er</strong> keltischen<br />

Kultur stammten, abw<strong>er</strong>tend zu Höll pejorisi<strong>er</strong>t, damit das schlichte Volk<br />

die alten Kultstätten fürchte und somit meide! Das stimmt zwar prinzipiell,<br />

ab<strong>er</strong> Metairrtüm<strong>er</strong> sind auch nicht selten!<br />

Denn d<strong>er</strong> etymologisch ganz gute Ansatz v<strong>er</strong>flacht sogleich, wenn<br />

man <strong>er</strong>fährt, daß Hell-Weix ein v<strong>er</strong>ballhorntes g<strong>er</strong>manisches hellweigs<br />

bezeichnet, was wied<strong>er</strong>um nahelegt, daß dieses Dorf einst dem Hellweig zu<br />

Lehen war. Also alles falsch, wenn man sich nur billig<strong>er</strong> Küchen-<br />

Etymologie hingibt. Gen<strong>er</strong>ell gilt, daß im Waldvi<strong>er</strong>tel alle mit ‚s’ ablautenden<br />

Ortsnamen ‚Dorf (Gründung od<strong>er</strong> Eigen) des .....’ bedeuten!<br />

Im Pfarrhof trifft <strong>er</strong> diesmal wied<strong>er</strong> die nette Frau Isabella, die in ihr<strong>er</strong><br />

adretten und trotz fleißig<strong>er</strong> Arbeit imm<strong>er</strong> blitzsaub<strong>er</strong>en geblümten<br />

Rüschenschürze zum Anbeißen aussieht (nicht daß Quastorf sexuelle Absichten<br />

ihrgegenüb<strong>er</strong> hätte; ab<strong>er</strong> sie wirkt auf ihn, wie wenn sie ein begnadet<strong>er</strong> Konditor aus rosa<br />

eingefärbtem Marzipan <strong>er</strong>schaffen hätte). Und diesmal ist es gelungen, mittels<br />

vorh<strong>er</strong>igen Anrufs auch die Anwesenheit ihres Gatten zu sich<strong>er</strong>n.<br />

Warum Quastorf imm<strong>er</strong> darauf bestanden hat, die Mühe auf sich zu<br />

nehmen, alle Zeugen und V<strong>er</strong>dächtigen stets und fast ohne Ausnahme<br />

p<strong>er</strong>sönlich daheim zu besuchen, hat kein<strong>er</strong> sein<strong>er</strong> Kollegen je v<strong>er</strong>standen.<br />

Erstens ist es doch viel bequem<strong>er</strong> in d<strong>er</strong> warmen Stube des nicht<br />

g<strong>er</strong>ade anheimelnden V<strong>er</strong>hör-Zimm<strong>er</strong>s zu sitzen (anstatt durch oft saukalte<br />

Landschaften zu gondeln imm<strong>er</strong> gewahr, sich zu v<strong>er</strong>fahren, sich im Nebel zu v<strong>er</strong>irren od<strong>er</strong><br />

mit dem Auto im Schnee steckenzubleiben) und auf das freiwillige Eintrudeln d<strong>er</strong>


43<br />

Zeugen od<strong>er</strong> auf die zwangsweise Vorführung d<strong>er</strong> V<strong>er</strong>dächtigen durch die<br />

Gendarmen zu warten.<br />

Und zweitens plaud<strong>er</strong>n unt<strong>er</strong> dem Wegfall des Heimvorteiles die<br />

meisten viel eh<strong>er</strong>, weil sie v<strong>er</strong>unsich<strong>er</strong>t sind und rasch durch ein für die<br />

Ermittl<strong>er</strong> befriedigendes Ergebnis aus d<strong>er</strong> doch eh<strong>er</strong> mißlichen Situation<br />

entlassen zu w<strong>er</strong>den hoffen. In ihr<strong>er</strong> gewohnten Umgebung sind die<br />

V<strong>er</strong>dächtigen hingegen oftmals selbstsich<strong>er</strong> und bockig bis obstinat, lassen<br />

sich von lärmenden Kind<strong>er</strong>n od<strong>er</strong> bettelnden Hunden ablenken od<strong>er</strong><br />

beschaffen sich durch unm<strong>er</strong>kliche Zeichen, Mimik od<strong>er</strong> Gestik<br />

un<strong>er</strong>wünschte Hilfe von Partn<strong>er</strong>n od<strong>er</strong> gar Komplizen (was oft dasselbe ist).<br />

Auß<strong>er</strong>dem holen sie sich öft<strong>er</strong> Getränke und div<strong>er</strong>se Eß- und Rauchwaren,<br />

durch d<strong>er</strong>en subtil eingesetzten Entzug man im V<strong>er</strong>hörraum zusätzlich<br />

Unsich<strong>er</strong>heit, Zittrigkeit, Konzentrations-Schwäche und d<strong>er</strong>gestalt<br />

mangelnde Wid<strong>er</strong>standskraft d<strong>er</strong> V<strong>er</strong>dächtigen h<strong>er</strong>vorrufen kann.<br />

So sind v<strong>er</strong>fängliche Antworten viel leicht<strong>er</strong> zu gewinnen. Ja und<br />

durch wied<strong>er</strong>holte Fragestellung zu imm<strong>er</strong> den gleichen Inhalten, denn<br />

spätestens beim zehnten Mal v<strong>er</strong>plapp<strong>er</strong>t sich praktisch jed<strong>er</strong> und dann hat<br />

man ihn an d<strong>er</strong> Leine od<strong>er</strong> genau<strong>er</strong> gesagt im Schwitzkasten!<br />

Das ist d<strong>er</strong> eigentliche Vorteil d<strong>er</strong> öst<strong>er</strong>reichischen Polizei-<br />

Gesetzgebung, daß sie es gegenüb<strong>er</strong> and<strong>er</strong>en gewollt lib<strong>er</strong>alen Länd<strong>er</strong>n bis<br />

heute geschafft hat, das Folt<strong>er</strong>v<strong>er</strong>v<strong>er</strong>bot zu v<strong>er</strong>meiden. Ab<strong>er</strong> da hat die<br />

Justiz und die Politik kein Problem damit, denn auch die Türkei und die<br />

USA – durchaus vorbildliche Demokratien – schwächen ihr Staatsgefüge<br />

auch nicht mit d<strong>er</strong>artigen Kink<strong>er</strong>litzchen; da können die von Amnesty<br />

Int<strong>er</strong>national in ihren beschämenden Jahresb<strong>er</strong>ichten geif<strong>er</strong>n, wie sie wollen!<br />

Das hat sich unt<strong>er</strong> dem guten Kais<strong>er</strong>, dem Dollfuß und dem Hitl<strong>er</strong> bewährt;<br />

warum sollte man das abschaffen?<br />

Quastorf sieht das and<strong>er</strong>s! Diese polizeilichen Denkmust<strong>er</strong> sind ihm<br />

ein wahrhaft<strong>er</strong> Greuel und im wied<strong>er</strong>holten Aussprechen dies<strong>er</strong> sein<strong>er</strong><br />

Einstellung hat <strong>er</strong> sich schon einige b<strong>er</strong>ufsint<strong>er</strong>ne Feinde geschaffen als<br />

sogenannt<strong>er</strong> Nestbeschmutz<strong>er</strong> des eigenen Systems.<br />

And<strong>er</strong>s denkt <strong>er</strong> eben auch bezüglich Befragung d<strong>er</strong> Beteiligten in<br />

ihr<strong>er</strong> gewohnten Umgebung, denn die hat ihre offenkundigen Vorteile. Die<br />

Art d<strong>er</strong> Wohngegend und oft schon d<strong>er</strong> Hausweg machen vieles klar.<br />

Einschicht heißt unbeobachtet sein, v<strong>er</strong>einsamt, nicht sehr für<br />

Sozialisi<strong>er</strong>ung sensibilisi<strong>er</strong>t, soziophob od<strong>er</strong> vielleicht sogar soziopathisch.


44<br />

Alteisen und sonstig<strong>er</strong> Müll rund ums Haus bedeutet V<strong>er</strong>wahrlosung,<br />

Depressivität od<strong>er</strong> bloß Tatunfähigkeit aufgrund körp<strong>er</strong>lich<strong>er</strong>, seelisch<strong>er</strong><br />

od<strong>er</strong> geistig<strong>er</strong> Invalidität.<br />

Großspurige Eingangsb<strong>er</strong>eiche mit oft teuren, ab<strong>er</strong> trotzdem<br />

grauen<strong>er</strong>regenden postmod<strong>er</strong>nen Eingangstoren kunden nicht nur von<br />

schlechtem Geschmack sond<strong>er</strong>n auch von Protzenhaftigkeit,<br />

Vord<strong>er</strong>gründigkeit, Blend<strong>er</strong>tum od<strong>er</strong> einfach von Selbstunsich<strong>er</strong>heit und tief<br />

v<strong>er</strong>borgenen Ängsten, wie insbesond<strong>er</strong>s Sich<strong>er</strong>heitsschlöss<strong>er</strong>. Fehlende<br />

Büch<strong>er</strong> – beispielsweise – lassen mangelndes Bildungsbedürfnis v<strong>er</strong>muten<br />

und Kind<strong>er</strong>, die ungewaschen und mit Chips bewaffnet vor pausenlos<br />

laufenden F<strong>er</strong>nsehg<strong>er</strong>äten od<strong>er</strong> gewalt-v<strong>er</strong>h<strong>er</strong>rlichenden Videospielen<br />

hocken, zeugen von psychisch<strong>er</strong> V<strong>er</strong>wahrlosung und mangelnd<strong>er</strong> Obsorge.<br />

Aus div<strong>er</strong>sen Laden od<strong>er</strong> unt<strong>er</strong> B<strong>er</strong>gen ungewaschen<strong>er</strong> Wäsche<br />

h<strong>er</strong>vorlugende Flaschenhälse geben ein sich<strong>er</strong>es Signal für durchaus<br />

krankheitsw<strong>er</strong>tigen Alkohol-Mißbrauch. Ab<strong>er</strong> das <strong>er</strong>kennt man oft noch<br />

leicht<strong>er</strong> an den v<strong>er</strong>fallenen Gesichtszügen, dem unappetitlichen<br />

Pflegezustand und d<strong>er</strong> v<strong>er</strong>schliffenenen Sprachmelodie; an d<strong>er</strong> bis zur<br />

absoluten Unt<strong>er</strong>würfigkeit üb<strong>er</strong>triebenen Koop<strong>er</strong>ations-B<strong>er</strong>eitschaft od<strong>er</strong><br />

Anbied<strong>er</strong>ung und meist schon an d<strong>er</strong> sogenannten Fahne d<strong>er</strong> Befragten.<br />

Die für den Bewohn<strong>er</strong> typische Eigenart d<strong>er</strong> Architektur gilt natürlich<br />

keinesfalls bei einem Pfarrhof. Denn d<strong>er</strong> ist zu Zeiten <strong>er</strong>richtet worden, da<br />

die natürliche Ästhetik des Goldenen Schnittes im Rahmen d<strong>er</strong> univ<strong>er</strong>sitären<br />

Ausbildung von den Architekten noch v<strong>er</strong>langt wurde und es nicht genügte,<br />

etwas von Mat<strong>er</strong>ial-Eigenschaften, Kosteneffizienz, Handw<strong>er</strong>k<strong>er</strong>-Logistik,<br />

Wärmedämmung und K-W<strong>er</strong>ten zu v<strong>er</strong>stehen.<br />

Denn w<strong>er</strong> das heute gut beh<strong>er</strong>rscht, bekommt sofort einen Preis und<br />

darf die geförd<strong>er</strong>te Wohnbau-Siedlung <strong>er</strong>richten, die aus fichtenhölz<strong>er</strong>nen<br />

Hundehütten, dachlosen Schuhschachteln od<strong>er</strong> Eisenbahn-Waggons mit<br />

Halbrund-Däch<strong>er</strong>n bestehen muß, damit sie als ‚fortschrittlich’ gilt und in<br />

die einschlägigen Architektur-Gazetten aufgenommen wird. Er muß sich<br />

endlich damit abfinden: Schönheit ist d<strong>er</strong> natürliche Feind d<strong>er</strong> Architekten,<br />

wie Jesus d<strong>er</strong> d<strong>er</strong> Amtskirche!<br />

Da dürfen freilich die Fenst<strong>er</strong> nicht im Kantenv<strong>er</strong>hältnis 1:1,618<br />

(Fibonacci-Zahl/Da Vincis Golden<strong>er</strong> Schnitt); 1:1; 1:2; 1:3 od<strong>er</strong> gar 1:1,414 (=<br />

Wurzel zwei) sein, denn sonst gilt das als einfallsarm und hoffnungslos gestrig<br />

– wiewohl dies fraktal<strong>er</strong> Harmonie entspräche.


45<br />

Sie müssen 531 mal 23 cm – liegend – sein od<strong>er</strong> 263 mal 74 cm –<br />

stehend – messen! Ins ob<strong>er</strong>ste Eck gepickt od<strong>er</strong> am Boden d<strong>er</strong> ansonst<br />

fenst<strong>er</strong>losen Wand haben sie sich zu befinden. Da zeigen sich Bullaugen<br />

f<strong>er</strong>nab d<strong>er</strong> von Schiffsarchitektur beeinflußten Me<strong>er</strong>esstrände und noch<br />

abwegig<strong>er</strong>e Pilz-Formen aus dem Rep<strong>er</strong>toi<strong>er</strong>e v<strong>er</strong>qu<strong>er</strong><strong>er</strong> Esot<strong>er</strong>ik-Stylisten.<br />

Diese Beleidigung jedes noch halbwegs unv<strong>er</strong>bildeten Auges kann Quastorf<br />

zutiefst p<strong>er</strong>sönlich nehmen als v<strong>er</strong>hind<strong>er</strong>t<strong>er</strong> Architekt.<br />

Ja d<strong>er</strong> Pfarrhof ist gottseidank architektonisch vorgegeben, neu<br />

h<strong>er</strong>g<strong>er</strong>ichtet und mit Geschmack möbli<strong>er</strong>t und dank d<strong>er</strong> Emsigkeit d<strong>er</strong><br />

Haushält<strong>er</strong>in blitzt es nur so vor Saub<strong>er</strong>keit.<br />

„So H<strong>er</strong>r Paradeis<strong>er</strong>, heute sollten wir beide uns einmal miteinand<strong>er</strong><br />

eingehend unt<strong>er</strong>halten!“ Quastorf bem<strong>er</strong>kt die schon bei seinem Eintreten<br />

auftretende Unsich<strong>er</strong>heit im Gesicht des Betroffenen.<br />

„Ihre Gattin hat sich<strong>er</strong> in d<strong>er</strong> Küche zu tun, daß wir genug Ruhe haben!“.<br />

Die P<strong>er</strong>le huscht sogleich aus d<strong>er</strong> Tür des Wohnzimm<strong>er</strong>s. D<strong>er</strong> Alois<br />

fährt sich mit d<strong>er</strong> Zunge üb<strong>er</strong> die trocken<strong>er</strong> w<strong>er</strong>denden Lippen.<br />

„Leid<strong>er</strong> habe ich keine Krummen Hunde als Gastgeschenk mitbringen<br />

können, denn die Frau Dirnegg<strong>er</strong> hat die nur für Sie auf Lag<strong>er</strong>!“.<br />

„I hob’ eh glei g’wußt, daß’S ma schnöö draufkemmts, weu’s sicha bein<br />

G<strong>er</strong>li mei Res<strong>er</strong>velog<strong>er</strong> in da Kredenz g’fund’n hobts!“.<br />

„Das auch und vor allem den rauchenden Stumpen im Aschenbech<strong>er</strong>!“.<br />

„Gengans, d<strong>er</strong> G<strong>er</strong>li mog do de Viech<strong>er</strong> goaned; de hod’a do nur mir z’liab<br />

gölten lossen; d<strong>er</strong> wird de do net g’raucht haum!“.<br />

„Davon kann auch keine Rede sein; ich v<strong>er</strong>mute eh<strong>er</strong>, daß Sie noch knapp<br />

vor sein<strong>er</strong> Ermordung bei ihm waren und somit als vorrangig tatv<strong>er</strong>dächtig<br />

gelten!“.<br />

„I häd eam do nia wos autuan känna; I hob eam do so gean g’hobt – se<br />

wean des eh scho von meina Frau g’heat hom, wia des woa mit uns zwa –<br />

mi trifft’s do am häatest’n, daß a tot is!”.<br />

Nicht daß Quastorf das nicht glauben würde, ab<strong>er</strong> wie oft hat <strong>er</strong> es<br />

doch in seinem B<strong>er</strong>uf <strong>er</strong>lebt, daß man g<strong>er</strong>ade denjenigen, den man am


46<br />

meisten liebt, auch in d<strong>er</strong> V<strong>er</strong>zweiflung – in d<strong>er</strong> Angst ihn v<strong>er</strong>li<strong>er</strong>en zu<br />

können – am ehesten <strong>er</strong>mordet.<br />

„Hat es da nicht Streit gegeben in d<strong>er</strong> letzten Zeit?“ blufft Quastorf den<br />

b<strong>er</strong>eits deutlich Eingeschücht<strong>er</strong>ten, als ob ihm das die Rempelbäu<strong>er</strong>in<br />

b<strong>er</strong>ichtet hätte.<br />

„No Streit kaunn ma net sog’n; Reib<strong>er</strong>eien hoid, wia’s es in jeda Beziehung<br />

gibt. Weul a se hoit ned so gean g’woschn hot und äfta a a bißl aug’seis’lt<br />

woa; des woa ma hoit net recht. Maunchmoi wor’a a bissel unappetitlich;<br />

oba ea hod daunn a wieda so liab sei känna!“.<br />

„Und war <strong>er</strong> imm<strong>er</strong> treu, od<strong>er</strong> hat <strong>er</strong> Sie nicht doch auch hint<strong>er</strong>gangen?“.<br />

„Ea hot immawieda so Freind g’hobt, de eahm ausg’numma haumm, oba<br />

des woa nia nix Eanstes – es hot ma sicha oft wehtau, waunn a mi damit<br />

ghanselt hot! In uns<strong>er</strong>e Kreise is’s hoit am Laund net so oafoch; de Redarei<br />

von de Leit und ma hot jo praktisch koa Auswoih, waunn wos<br />

ausanondageht!“. Daraus <strong>er</strong>gibt sich natürlich schon ein ausreichendes<br />

Tatmotiv.<br />

„W<strong>er</strong> auß<strong>er</strong> Ihr<strong>er</strong> Frau hat denn noch von Eur<strong>er</strong> Beziehung gewußt?“.<br />

„Praktisch niemaund. Gredt’ haums hoit olle; oba g’redt wiad vü und des<br />

wiss’n a olle, daß do des Meiste oft a net stimmt. Oba i hob eam am Vuatog<br />

des letztemoi b’suacht“.<br />

„War <strong>er</strong> da nicht v<strong>er</strong>letzt od<strong>er</strong> waren Sie es, d<strong>er</strong> ihn gefolt<strong>er</strong>t hat?“.<br />

„Um Gott’s Wüll’n, des woa so entsetzlich – i wear’s g’wes’n sei – grod i! I<br />

woa dea, dea eam notdiafti vabund’n hod. Ea hod ma jo net sog’n woinn,<br />

wea’s woa; und zun Dr. Hebenstreit woit’ ea a net geh’, weu dea hät des<br />

auzag’n miaßn. Laung bin i bei eam blieb’n; oba daunn hod a mi<br />

hamg’schickt – dea Depp – heit kunnt’a no leb’n, waunn i blieb’n war!“.<br />

„Also war <strong>er</strong> noch am Leben, wie Sie ihn das letzte Mal gesehen haben?<br />

Was And<strong>er</strong>es: Was hat Sie an ihm so faszini<strong>er</strong>t; wieso sind Sie so an ihm<br />

gehangen? D<strong>er</strong> Mann war wed<strong>er</strong> besond<strong>er</strong>s jung, noch einig<strong>er</strong>maßen schön<br />

und eh<strong>er</strong> ungustiös nach Ihr<strong>er</strong> eigenen Schild<strong>er</strong>ung; und reich schon<br />

garnicht! Das mutet schon etwas seltsam an“.


47<br />

„Des hod ma ollas nix ausg’mocht, weu <strong>er</strong> hod se so in an einedenga känna<br />

und ea hod so vüh ähnliche Int<strong>er</strong>ess’n g’hobt; i kaunn’s no goanet glaub’n,<br />

daß a nimma is!“.<br />

Daß <strong>er</strong> jetzt zu weinen beginnt, üb<strong>er</strong>rascht nicht. Das könnte auch<br />

Reue sein; od<strong>er</strong> V<strong>er</strong>zweiflung, weil man etwas auf imm<strong>er</strong> z<strong>er</strong>stört hat, was<br />

man eigentlich geliebt hat.<br />

„Na gut, Sie w<strong>er</strong>den jetzt ein wenig Zeit für Ihren Schm<strong>er</strong>z brauchen, ab<strong>er</strong><br />

denken Sie ja nicht, daß diese Sache damit für Sie <strong>er</strong>ledigt wäre!“. Quastorf<br />

hält nichts von medienwirksamen V<strong>er</strong>haftungen, denn dann haben die<br />

Tät<strong>er</strong> keine Möglichkeiten mehr, Fehl<strong>er</strong> bei V<strong>er</strong>tuschungshandlungen od<strong>er</strong><br />

den V<strong>er</strong>suchen d<strong>er</strong> sekundären V<strong>er</strong>wischung ihr<strong>er</strong> Spuren zu machen.<br />

„Frau Paradeis<strong>er</strong>, ich w<strong>er</strong>de jetzt wied<strong>er</strong> gehen. Danke, daß Sie so diskret<br />

waren!“ Quastorf – wenn <strong>er</strong> auch oft ein Ekel ist – kann sehr einfühlsam<br />

und zudem höflich sein, was ihn gänzlich abhebt von d<strong>er</strong> bekannt rüden<br />

Umgangsweise sein<strong>er</strong> Kollegen gegenüb<strong>er</strong> unbescholtenen Staatsbürg<strong>er</strong>n.<br />

„Jetzt hob i ihna goanix aufwoat’n känna, weu’s so schnöh weg san. I hät’<br />

an Kaffee und an Guglhupf g’richt g’hobt fia Ihna!“.<br />

„Vielen Dank für Ihre Mühe; auf Wied<strong>er</strong>sehen – vielleich beim nächsten<br />

Mal!“. Dieses betonte ‚auf Wied<strong>er</strong>sehen’ mögen viele Befragte nicht von<br />

Kriminalorganen, denn eigentlich will man die nicht so g<strong>er</strong>ne wied<strong>er</strong>sehen.<br />

Das v<strong>er</strong>haßte Handy läutet „D<strong>er</strong> Hund ist mittels eines mit ein<strong>er</strong><br />

Höchstdosis Acenocoumarol präpari<strong>er</strong>ten Fleischlab<strong>er</strong>ls v<strong>er</strong>giftet worden<br />

laut Amtsti<strong>er</strong>arzt!“ b<strong>er</strong>ichtet d<strong>er</strong> Habison.<br />

Rattengift also. Dazu muß man wissen, daß das dem Obigen<br />

v<strong>er</strong>wandte Dicumarol <strong>er</strong>st seit wenigen Jahren zur amtlichen Entwesung d<strong>er</strong><br />

Ratten v<strong>er</strong>wendet wird. Das früh<strong>er</strong> angewendete Thalliumsulfat würde kein<br />

Hund annehmen, da es deutlich knoblauchartig h<strong>er</strong>vorschmeckt, ab<strong>er</strong><br />

Dicumarol duftet eh<strong>er</strong> nach Heu od<strong>er</strong> Waldmeist<strong>er</strong> (d<strong>er</strong> den Geschmack im<br />

g<strong>er</strong>ne angenommenen Almdudl<strong>er</strong> bildet) und wirkt fast wie ein Geschmacks-<br />

V<strong>er</strong>stärk<strong>er</strong> bei d<strong>er</strong> Zugabe zu Speisen. Da dieses Mittel ab<strong>er</strong> flächendeckend<br />

von den Sanitäts-Behörden an alle Haushalte abgegeben wird, wird es<br />

schw<strong>er</strong> fallen, die Quelle nachzuweisen.


48<br />

16 Das mit dem ‚Eis<strong>er</strong>’ läßt ihm keine Ruhe und <strong>er</strong> müßte eigentlich<br />

noch einmal nachstechen bei den Rempelbau<strong>er</strong>n; ab<strong>er</strong> so recht wohl ist ihm<br />

nicht bei dem Gedanken, wied<strong>er</strong> in dieses lebensfeindliche Milieu<br />

eintauchen zu müssen. W<strong>er</strong> weiß, ob d<strong>er</strong> grenzw<strong>er</strong>tige Charakt<strong>er</strong> nicht<br />

schon seine Frau umgebracht hat od<strong>er</strong> ihn d<strong>er</strong> unb<strong>er</strong>echenbare Hund frißt?<br />

Bess<strong>er</strong> ab<strong>er</strong> <strong>er</strong> fährt doch hin. Wied<strong>er</strong> das Problem mit dem Hund;<br />

doch diesmal wirkt d<strong>er</strong> ausgeglichen<strong>er</strong>. Das rostige Gartentor zwickt und da<br />

steht auch schon d<strong>er</strong> Selchzw<strong>er</strong>g in d<strong>er</strong> Türe.<br />

„Haum’s wos vagessen?“.<br />

„Ja, Sie zu v<strong>er</strong>haften, weil Sie die Ermittlungen behind<strong>er</strong>n und Ihre Frau<br />

bedroht haben!“.<br />

„Des is net mei Frau, sond<strong>er</strong>n mei Schwesta und mit dea kaunn i moch’n,<br />

wos i wüh und do red’n se ma goanix drei!“ müpft d<strong>er</strong> auf.<br />

„Daß Sie sich da nur ja nicht täuschen! Gewalttät<strong>er</strong> liegen mir garnicht und<br />

Ihre einzige Möglichkeit ist bedingungslose Zusammenarbeit. Wenn ich den<br />

g<strong>er</strong>ingsten Wid<strong>er</strong>stand m<strong>er</strong>ke, sind Sie im Krems<strong>er</strong> Häfen!“.<br />

Plötzlich wird d<strong>er</strong> Zw<strong>er</strong>g noch klein<strong>er</strong>, als <strong>er</strong> ohnehin schon ist „is jo<br />

scho guat; wean’s net glei n<strong>er</strong>vös!“.<br />

„Guten Tag, liebe Frau Rempelbau<strong>er</strong>; wie hamma’s den heute?“.<br />

„Schiaßabuam-Russ’n-Buam dogwest – bese-bese!!!“.<br />

„Was meinen Sie damit?“.<br />

„Na de Deppatn Buam von den Loga drent in da Schaluppn mants! De<br />

woan gestan do – unguat – mit Revoiva; des brauch i nimma und drum sog<br />

i a nix!“ darauf d<strong>er</strong> Wurzelzw<strong>er</strong>g.<br />

„Lag<strong>er</strong>?“.<br />

„No von Mei<strong>er</strong>hof von Gschloß hoit; von untan Hoadenstoa“.<br />

„Und was ist mit ‚Eis<strong>er</strong>’?“.<br />

„Fedl-Fedl – G<strong>er</strong>l g’stamp<strong>er</strong>t!” schnatt<strong>er</strong>t nun die Alte dazwischen. Das ist<br />

aussichtslos! Also weg aus d<strong>er</strong> unwirtlichen Wohnhöhle.


49<br />

Im Gehen kombini<strong>er</strong>t Quastorf: Davon hat <strong>er</strong> schon des öft<strong>er</strong>en<br />

gehört, daß die romantische Burganlage von Heidenstein eine Brutstätte<br />

seltsam<strong>er</strong> Aktivitäten sein soll. Dieses Objekt hat eine gewaltige Geschichte<br />

auf dem Buckel. Vor ungefähr 70.000 Jahren existi<strong>er</strong>te b<strong>er</strong>eits am Hang<br />

unt<strong>er</strong> d<strong>er</strong>en mittelalt<strong>er</strong>lichen Grundmau<strong>er</strong>n eine paleolithische Wohnhöhle<br />

(am Uf<strong>er</strong> d<strong>er</strong> Url), in d<strong>er</strong> man eine in einen Adl<strong>er</strong>knochen g<strong>er</strong>itzte Darstellung<br />

eines Renti<strong>er</strong>es vor einigen Jahren gefunden hatte (bloß nebbiche 15.000 Jahre<br />

jung). Die ursprüngliche Burg, die heute praktisch nurmehr aus einem<br />

hochaufragenden kreisrunden v<strong>er</strong>fallenen B<strong>er</strong>chfrit und wenigen Mau<strong>er</strong>n<br />

besteht, wurde in d<strong>er</strong> Zwischenkriegszeit von einem hochmotivi<strong>er</strong>ten ab<strong>er</strong><br />

mit wenig finanziellen Mitteln ausgestatteten Stabsarzt d<strong>er</strong> K&K-Armee zu<br />

ein<strong>er</strong> Kneipp-Anstalt ausgebaut, die einige Zeit prosp<strong>er</strong>i<strong>er</strong>te ab<strong>er</strong> bald in<br />

V<strong>er</strong>gessenheit g<strong>er</strong>aten ist, da zu f<strong>er</strong>n ab vom Schuß und Th<strong>er</strong>malwass<strong>er</strong> war<br />

auch nicht auffindbar, was nicht v<strong>er</strong>wund<strong>er</strong>t, da Vulkanismus dem<br />

Waldvi<strong>er</strong>tel prinzipiell wesensfremd ist.<br />

Die Nazis <strong>er</strong>richteten spät<strong>er</strong> dort kurz (das Tausenjährige Reich währte ja<br />

bekanntlich nur sieben v<strong>er</strong>flixte Jahre) eine Kommandostelle aus Nostalgie zur<br />

‚G<strong>er</strong>manischen Geschichte’ des Ortes. Nach dem Krieg wurde d<strong>er</strong> Besitz<br />

einem nicht ganz unbelasteten Tirol<strong>er</strong> Industriellen von den Lokalbehörden<br />

als Wied<strong>er</strong>gutmachung d<strong>er</strong> Enteignung sein<strong>er</strong> durch wid<strong>er</strong>rechtliche<br />

Arisi<strong>er</strong>ung <strong>er</strong>worbenen Fabriken und Länd<strong>er</strong>eien angedient.<br />

D<strong>er</strong> residi<strong>er</strong>te unentnazifizi<strong>er</strong>t auf dies<strong>er</strong> Trutzburg und wirtschaftete<br />

das Objekt gänzlich h<strong>er</strong>unt<strong>er</strong>.<br />

Bei d<strong>er</strong> darauffolgenden Zwangsv<strong>er</strong>steig<strong>er</strong>ung fiel die Burg und auch<br />

die dazugehörigen Nebengebäude an einen vielschichtigen Defraudanten<br />

und Bankrotteur namens Sepp Shakiamuni Wabl – einen Esot<strong>er</strong>ik<strong>er</strong> und<br />

selbst<strong>er</strong>nannten Hohepriest<strong>er</strong> – d<strong>er</strong> mit seinen vi<strong>er</strong> Frauen und den aus<br />

dies<strong>er</strong> seltsamen Beziehung resulti<strong>er</strong>enen 15 Kind<strong>er</strong>n den Orden d<strong>er</strong><br />

strahlenden Transzendenz aufgebaut hat. D<strong>er</strong> wurde danach von d<strong>er</strong> h<strong>er</strong>rischen<br />

Wirtin Rosina Jetzing<strong>er</strong>, die die neu<strong>er</strong>liche Konkursmasse zu einem<br />

Spottpreis <strong>er</strong>worben hatte, hinausexpedi<strong>er</strong>t und diese <strong>er</strong>richtete unt<strong>er</strong>halb<br />

d<strong>er</strong> Burg (in d<strong>er</strong> romantischen Teufelsmühle – das ist d<strong>er</strong> ehemalige Mei<strong>er</strong>hof) eine<br />

urige Jausenstation. Nebenbei hat sie ausgebrannte Alkoholik<strong>er</strong> und<br />

Süchteln gegen hohe staatliche Zuwendungen betreut.<br />

Dann hat sich eine undurchschaubare Firma namens treyeangle bei d<strong>er</strong><br />

zuständigen Gemeinde Freitzenb<strong>er</strong>g eingeschleimt und auf dem Areal d<strong>er</strong><br />

Burg eine mod<strong>er</strong>ne Festung <strong>er</strong>richtet. Vi<strong>er</strong>-Met<strong>er</strong>-hohe Wack<strong>er</strong>sdorf-Zäune,


50<br />

Bluthunde, Üb<strong>er</strong>wachungs-Kam<strong>er</strong>as, Flutlicht-Anlagen und Security-<br />

Guards. Die horten dort sensible Daten sämtlich<strong>er</strong> Diktatoren d<strong>er</strong> Welt,<br />

Kind<strong>er</strong>porno-Dateien, Schwarzgeld-Konten und die Strategie-Pläne d<strong>er</strong><br />

Amis, die die geheimen Kriegs-Vorb<strong>er</strong>eitungen gegen Afghanistan, den Irak<br />

und neu<strong>er</strong>dings gegen den Iran und Nordkorea betreffen.<br />

Unangenehm ist nur die Vorstellung, daß all diese Informationen in<br />

Händen d<strong>er</strong> diese Anlage betreibenden Sekte Eugenology sind, die als Prinzip<br />

die Welth<strong>er</strong>rschaft anstrebt! Dies alles sind natürlich nur Mutmaßungen des<br />

Chefinspektors, d<strong>er</strong> manchmal einen etwas romantischen Hang zu<br />

Weltv<strong>er</strong>schwörungs-Theorien hat.<br />

Ab<strong>er</strong> bei diesem vollkommen üb<strong>er</strong>zogenen Sich<strong>er</strong>heitsaufwand hi<strong>er</strong><br />

am Ende d<strong>er</strong> Welt drängt sich d<strong>er</strong>lei auf, zumal es doch gewisse Indizien für<br />

die Glaubhaftigkeit dies<strong>er</strong> Thesen gibt.<br />

17 Quastorf braucht eine künstl<strong>er</strong>ische Pause, denn für heute hat <strong>er</strong><br />

schon ganz beachtliches Mat<strong>er</strong>ial zusammengetragen. Das muß sich nun ein<br />

wenig setzen. Am Weg ins Amt muß <strong>er</strong> seinen Fischzücht<strong>er</strong> kontakti<strong>er</strong>en,<br />

denn nächste Woche will <strong>er</strong> wied<strong>er</strong> einmal selchen, wenn ihm d<strong>er</strong> ungelöste<br />

Fall Zeit dafür lassen sollte. Und dazu benötigt <strong>er</strong> Forellen und Karpfen<br />

und vor allem Karpfen-Milchn<strong>er</strong>, denn aus dem will <strong>er</strong> eine Sardische<br />

Spezialität h<strong>er</strong>stellen (die machen das all<strong>er</strong>dings naturgemäß aus Me<strong>er</strong>-Äschen od<strong>er</strong><br />

Rotbarben).<br />

„Gehen’s, H<strong>er</strong>r Kaltenegg<strong>er</strong>, haben Sie mir schon die bestellten Karkassen<br />

und die Fisch-Beuscheln g<strong>er</strong>ichtet?“.<br />

D<strong>er</strong> so angesprochene steht bekleidet mit ein<strong>er</strong> kurzen blauen Hose,<br />

gelben PVC-Stiefeln und ein<strong>er</strong> grünen Gummischürze vor dem mächtigen<br />

Hackstock, auf dem sich schon die Filets türmen. Gefällig kontrasti<strong>er</strong>t dazu<br />

d<strong>er</strong> wallende rote Rauschebart üb<strong>er</strong> d<strong>er</strong> dicken Wampe.<br />

„Selbstv<strong>er</strong>ständlich lieb<strong>er</strong> Kommissar; alles f<strong>er</strong>tig wie v<strong>er</strong>sprochen!“.<br />

Die Karkassen sind b<strong>er</strong>eits getrennt von den Filets in je einem<br />

Plastiksack säub<strong>er</strong>lich abgepackt. Daneben in einem Abfallkübel die<br />

unv<strong>er</strong>w<strong>er</strong>tbaren Fischreste.


51<br />

„Karpfen-Milch und -Rogen gibt es um diese Jahreszeit leid<strong>er</strong> keinen, weil<br />

die Viech<strong>er</strong> <strong>er</strong>st im H<strong>er</strong>bst sexuell aktiv sind!“.<br />

Quastorf nimmt den angebotenen Gatsch-Hupf<strong>er</strong> zur Brust, d<strong>er</strong> seinen<br />

Schlund heftig wärmt (ein Stamp<strong>er</strong>l mit schichtweise Schlehen-Sirup, Tabasco und<br />

darüb<strong>er</strong> Birnenbrand). Er will sich rasch v<strong>er</strong>abschieden, denn es ist zu<br />

fürchten, daß d<strong>er</strong> redselige Fisch<strong>er</strong> ihm wied<strong>er</strong> seine ganz amüsanten ab<strong>er</strong><br />

meist lange sich hinziehenden Geschichten auftischt.<br />

„Wissen Sie schon das Neueste? In Wien haben’s bei ein<strong>er</strong> Nazi-<br />

Demonstration an von uns<strong>er</strong>e Raub<strong>er</strong>sbuam vahoft!“.<br />

„Was denn für ‚Raub<strong>er</strong>sbuam’?“.<br />

„Na de, wos imm<strong>er</strong> Kriag spüln in da Sandgruam bei da oidn Gloshittn!“.<br />

„Die machen was?“.<br />

„Na schiassn hoit mit Luftdruck-G’wehr, mit Foabkugln und monche<br />

behaupt’n a mit oide Karabin<strong>er</strong> aus’n Kriag. Des wiss’ns goaned? Se ois<br />

Polizist – se leben do scho so laung do und san net grod von gestan!“.<br />

„Das int<strong>er</strong>essi<strong>er</strong>t mich jetzt ab<strong>er</strong>; <strong>er</strong>zählen Sie mir Genau<strong>er</strong>es von denen!“.<br />

Nach und nach b<strong>er</strong>ichtet d<strong>er</strong> gut informi<strong>er</strong>te Teichwirt, daß es da eine<br />

Wehrsportgruppe gibt, d<strong>er</strong>en Anführ<strong>er</strong> d<strong>er</strong> Sohn eines pensioni<strong>er</strong>ten<br />

Unfallchirurgen namens Bistring<strong>er</strong> ist, d<strong>er</strong> die Burg Kranstein vor Jahren<br />

wund<strong>er</strong>schön restauri<strong>er</strong>t hat. Die nennen sich Nibelungen-Schar und treten<br />

selbst bei alltäglichen V<strong>er</strong>richtungen wie Einkaufen od<strong>er</strong> Gasthausbesuchen<br />

in Tarngewand und Spring<strong>er</strong>stiefeln auf. Rasi<strong>er</strong>te Glatzen haben sie und im<br />

Nacken eintätovi<strong>er</strong>te Runen, die ihre hi<strong>er</strong>archische Karri<strong>er</strong>e dokumenti<strong>er</strong>en.<br />

Ihr ideologisch<strong>er</strong> Leithammel ab<strong>er</strong> ist bis dato unbekannt geblieben, da <strong>er</strong><br />

nie mit ihnen gemeinsam auftritt.<br />

Auch das Club-Lokal ist nicht allgemein bekannt; entwed<strong>er</strong> treffen sie<br />

sich in d<strong>er</strong> Burg Kranstein (denn d<strong>er</strong> H<strong>er</strong>r Medizinalrat steht d<strong>er</strong> gestrigen Ideologie<br />

durchaus gönn<strong>er</strong>haft offen gegenüb<strong>er</strong> und hat angeblich auch die Uniformen und Waffen<br />

finanzi<strong>er</strong>t) od<strong>er</strong> im aufgelassenen Ziegelofen. Wieso die lokale Gendarm<strong>er</strong>ie<br />

bei d<strong>er</strong>art offenkundigen Offizial-Delikten nicht tätig wird, ist nur dadurch<br />

irgendwie <strong>er</strong>klärbar, daß auch d<strong>er</strong> örtliche Polizeisport-V<strong>er</strong>ein des öft<strong>er</strong>en<br />

Zuwendungen vom Schloßh<strong>er</strong>rn <strong>er</strong>hält und in seinen Wäld<strong>er</strong>n kostenlos<br />

üben darf! Quastorf ist <strong>er</strong>schlagen von den Informationen. V<strong>er</strong>wirrt ist <strong>er</strong>


52<br />

von den neuen Zusammenhängen. Obwohl; da <strong>er</strong>inn<strong>er</strong>t <strong>er</strong> sich, daß <strong>er</strong> vor<br />

mehr als zehn Jahren – wie <strong>er</strong> in die Wachau abkommandi<strong>er</strong>t war – von<br />

d<strong>er</strong>en Existenz üb<strong>er</strong>zeugt war. Erwischt hat <strong>er</strong> sie damals nicht.<br />

„Wieso kann d<strong>er</strong> Rempelbau<strong>er</strong> dann sagen, daß die im ‚Lag<strong>er</strong>’ (in d<strong>er</strong> Burg<br />

Heidenstein) traini<strong>er</strong>en?“.<br />

„Jo frircha haums duat g’spurt’lt. Dea Rempebaua is jo scho total vakoikt;<br />

oba seit de Treuaungel-Leit duat san, haums eh ka Chance mehr; weu de<br />

vajaugg’ns imma mit de Hund (naja, d<strong>er</strong> Fisch<strong>er</strong> v<strong>er</strong>steht natürlich ‚Angel’). Drum<br />

san’s jo jetzt in da Saundgruam!“.<br />

„Also ich muß jetzt gehen“ und zahlt für Karpf und Forelle.<br />

18 In d<strong>er</strong> Dienststelle stellt <strong>er</strong> die Kollegen zur Rede. „Muß ich jetzt<br />

wirklich g<strong>er</strong>üchtehalb<strong>er</strong> <strong>er</strong>fahren, daß da seit Jahren die illegale<br />

Gruppi<strong>er</strong>ung, die ich sogar vor Jahren v<strong>er</strong>geblich angezeigt habe,<br />

Wehrsport-Übungen durchführt in uns<strong>er</strong>em Revi<strong>er</strong> und daß die Behörde<br />

diesbezüglich untätig zusieht!“.<br />

„Gehns bitte; die dummen Buben sind doch keine Gefahr“ meint etwas<br />

betreten d<strong>er</strong> Dez<strong>er</strong>natsleit<strong>er</strong> Kuchlbach<strong>er</strong>.<br />

„Keine Gefahr? Und warum haben es dann die Wien<strong>er</strong> Kollegen für<br />

v<strong>er</strong>folgungswürdig gehalten und den Wortführ<strong>er</strong> Bistring<strong>er</strong> inhafti<strong>er</strong>t?“.<br />

„Die wissen halt nix von uns<strong>er</strong><strong>er</strong> Folklore; das ist doch kein Drama!“.<br />

Quastorf ist entsetzt; das ist eine nahezu unfaßbare P<strong>er</strong>missivität<br />

gegenüb<strong>er</strong> systemgefährdenden Subv<strong>er</strong>santen, die jed<strong>er</strong> Beschreibung<br />

spottet. Dieses Augenzwink<strong>er</strong>n gegenüb<strong>er</strong> rechtslastigen Gruppi<strong>er</strong>ungen<br />

durch Staatsdien<strong>er</strong> hat Quastorf schon imm<strong>er</strong> angeekelt.<br />

„Die Rempelbäu<strong>er</strong>in ist imm<strong>er</strong>hin von diesen ‚dummen Buben’ mit einem<br />

Revolv<strong>er</strong> bedroht worden, weil sie die bei irgendwelchen Aktionen beim<br />

Adensam<strong>er</strong> beobachtet hat. Die sollten wir endlich einmal ordentlich<br />

durchleuchten!“.<br />

Eigentlich sollten bei Quastorf da ganze Läutw<strong>er</strong>ke klingeln, denn mit<br />

diesen Burschen hatte <strong>er</strong> b<strong>er</strong>eits vor elf Jahren zu tun, wennauch damals<br />

kein p<strong>er</strong>sönlich<strong>er</strong> Kontakt zustande kam aus seltsamen Gründen. Ab<strong>er</strong>


53<br />

zumindestens <strong>er</strong>inn<strong>er</strong>n sollte <strong>er</strong> sich können. Doch nichts; da ist alles<br />

irgendwie ausgelöscht aus dies<strong>er</strong> Zeit. Nur an seine damalige Geliebte Julia<br />

Kuh kann <strong>er</strong> sich plastisch entsinnen, ab<strong>er</strong> das ist auch kein Wund<strong>er</strong>, denn<br />

die war ein wahres Wund<strong>er</strong>; und daß <strong>er</strong> damals auch einen Fiat hatte.<br />

19 Irgendwie <strong>er</strong>gibt sich langsam ein Reim auf ‚Schiassa-Buam’. ‚Russ’n-<br />

Buam’ hingegen ist ihm nochnicht ganz klar – od<strong>er</strong> doch? Was, wenn die<br />

alte Frau die Buben mit den in d<strong>er</strong> Nachkriegszeit – läusehalb<strong>er</strong> –<br />

kahlrasi<strong>er</strong>ten (teilweise mit einheimischen Frauen mehr od<strong>er</strong> wenig<strong>er</strong> freiwillig gezeugten)<br />

Nachkömmlingen d<strong>er</strong> Besatzungs-Soldaten v<strong>er</strong>wechselt hat, die durchaus<br />

auch mit V<strong>er</strong>satzstücken von nicht mehr benötigten Uniformteilen<br />

bekleidet waren? Das ‚Kist’n-Kist’n-Blechkist’n’ d<strong>er</strong> Rempelbau<strong>er</strong>in beschäftigt<br />

ihn und <strong>er</strong> ruft den alten Paradeis<strong>er</strong> an.<br />

„Sie sagen mir jetzt sofort, was es mit ein<strong>er</strong> Blechkiste auf sich hat, die d<strong>er</strong><br />

Adensam<strong>er</strong> möglich<strong>er</strong>weise im Misthaufen v<strong>er</strong>steckt hat!“.<br />

„Geh’ns bitte; des woa do nua so a blede Idee vom G<strong>er</strong>li; gaunz besess’n<br />

woar a davo’. Er hod glaubt, daß <strong>er</strong> den Nibelungenschotz g’fundten hädt!“.<br />

„Den Nibelungenschatz?“.<br />

Nach und nach stößt es dem Alois aus dem Hals, daß d<strong>er</strong> G<strong>er</strong>fried<br />

vor vielen Jahren von seinem Vat<strong>er</strong> Willehad seltsame Informationen<br />

<strong>er</strong>halten habe. D<strong>er</strong> alte Adensam<strong>er</strong> hätte damals im Rausch dem Sohn<br />

gegenüb<strong>er</strong> renomi<strong>er</strong>t, daß <strong>er</strong> als SS-l<strong>er</strong> d<strong>er</strong> <strong>er</strong>sten Stunde vom Führ<strong>er</strong>-<br />

Hauptquarti<strong>er</strong> den Auftrag bekommen hätte, als Standarten-Führ<strong>er</strong> eine<br />

v<strong>er</strong>siegelte Blechkiste in geheim<strong>er</strong> Kommandosache Nibelungen-Hort d<strong>er</strong><br />

sich<strong>er</strong>en V<strong>er</strong>nichtung zuzuführen und das film<strong>er</strong>isch zu dokumenti<strong>er</strong>en.<br />

Da d<strong>er</strong> Trupp ab<strong>er</strong> sich<strong>er</strong> war, daß da ein Schatz von großem W<strong>er</strong>t<br />

darinnen wäre, seien seine Kam<strong>er</strong>aden und <strong>er</strong> auf die v<strong>er</strong>rückte Idee<br />

v<strong>er</strong>fallen, die V<strong>er</strong>nichtung ein<strong>er</strong> gleichaussehenden Gewehr-Kiste mittels<br />

Kam<strong>er</strong>a zu filmen (zufällig waren alle unt<strong>er</strong>einand<strong>er</strong> von früh<strong>er</strong> h<strong>er</strong> gut bekannt<br />

miteinand<strong>er</strong> gewesen, was den Vorgesetzten entgangen war; bei heiklen Einsätzen wurden<br />

normal<strong>er</strong>weise in jenen Zeiten ausschließlich einand<strong>er</strong> Unbekannte eingesetzt, damit das<br />

gegenseitige Mißtrauen g<strong>er</strong>ade d<strong>er</strong>artige V<strong>er</strong>brüd<strong>er</strong>ungs-Aktionen v<strong>er</strong>hind<strong>er</strong>e).<br />

Sie hätten dann beschlossen, die Truhe unt<strong>er</strong> ein<strong>er</strong> tausendjährigen<br />

G<strong>er</strong>manischen Eiche zu v<strong>er</strong>graben, um sie in ruhig<strong>er</strong>en Zeiten d<strong>er</strong>einst in


54<br />

Friedenszeiten zu heben, wofür man einand<strong>er</strong> Treu’ und Ehr’ abv<strong>er</strong>langt<br />

hätte. Froh habe d<strong>er</strong> Vat<strong>er</strong> Willehad sein können, daß <strong>er</strong> sich damals durch<br />

freiwilligen Frontdienst vor d<strong>er</strong> Erschießung v<strong>er</strong>ziehen konnte, denn das<br />

System konnte keine Zeugen d<strong>er</strong> heiklen Sache brauchen. Die and<strong>er</strong>en<br />

Kam<strong>er</strong>aden von d<strong>er</strong> Sond<strong>er</strong>-Standarte hätten die abkommandi<strong>er</strong>ten<br />

Todesschwadronen damals anschließend alle liquidi<strong>er</strong>t.<br />

D<strong>er</strong> G<strong>er</strong>fried habe – nachdem sein Vat<strong>er</strong> nun schon zehn Jahre tot<br />

wäre – plötzlich ebengleich darauf gehofft, daß diese Kiste den Nibelungen-<br />

Schatz beinhalten könnte. Gefunden habe <strong>er</strong> die vollkommen in<br />

V<strong>er</strong>gessenheit g<strong>er</strong>atene und angeblich mit einem Bildstock v<strong>er</strong>zi<strong>er</strong>te Eiche<br />

natürlich nur schwi<strong>er</strong>ig, da die Angaben des Vat<strong>er</strong>s einig<strong>er</strong>maßen wirr<br />

waren: „Nied<strong>er</strong>-Plöttboch – 500 Meta hintan 47<strong>er</strong>-Haus, in den da<br />

Ortsvuasteha g’wohnt hot – aum Kaump; unta da Kapönn“.<br />

Diese Angabe hatte freilich so ihre Tücken, denn Nied<strong>er</strong>-Plöttbach<br />

liegt zum einen heute am Südrand des Truppenübungsplatzes Allentsteig<br />

und befindet sich somit im Militär-Sp<strong>er</strong>rgebiet. Und zum and<strong>er</strong>en ist d<strong>er</strong><br />

Ort nicht nur von d<strong>er</strong> Deutschen Wehrmacht übungshalb<strong>er</strong> z<strong>er</strong>schossen<br />

worden, sond<strong>er</strong>n heute im besond<strong>er</strong>en durch die En<strong>er</strong>giegewinnungs-<br />

Ambitionen d<strong>er</strong> NEWAG in den späten 50<strong>er</strong>-Jahren zu einem v<strong>er</strong>sunkenen<br />

Dorf unt<strong>er</strong> den Wass<strong>er</strong>massen des künstlich angelegten – wiewohl sehr<br />

romantischen – Stausees Ottenstein geworden. So mußte d<strong>er</strong> G<strong>er</strong>fried<br />

Adensam<strong>er</strong> auf einen trockenen Somm<strong>er</strong> warten, wo die En<strong>er</strong>giefritzen<br />

bekanntlich die letzten Wass<strong>er</strong>kraft-Res<strong>er</strong>ven antasten müssen und somit<br />

d<strong>er</strong> Spiegel des Sees regelmäßig um bis zu fünf Met<strong>er</strong> abgesenkt wird.<br />

Das sieht zwar für den Urlaub<strong>er</strong> häßlich aus, weil sich dann die<br />

ausgeschwemmten und teilweise mit Müll beschichteten Uf<strong>er</strong>böschungen<br />

nicht g<strong>er</strong>ade fotogen präsenti<strong>er</strong>en und damit die spärlichen Sand-Strände zu<br />

Gatschwüsten w<strong>er</strong>den, ab<strong>er</strong> man gelangt auch <strong>er</strong>heblich leicht<strong>er</strong> an Dinge<br />

d<strong>er</strong> Vorzeit. Quastorf hat selb<strong>er</strong> einmal unt<strong>er</strong> d<strong>er</strong> Ruine Lichtenfels auf<br />

diese Art viele Tonsch<strong>er</strong>ben und ein Mess<strong>er</strong> mit Elfenbein-Griff gefunden.<br />

V<strong>er</strong>mutlich vor Jahrhund<strong>er</strong>ten von ängstlichen Küchenmädchen aus dem<br />

Fenst<strong>er</strong> geworfen, damit ihre Ungeschicklichkeiten nicht geahndet würden.<br />

D<strong>er</strong> Adensam<strong>er</strong> ist dann mit d<strong>er</strong> Zille von Mitt<strong>er</strong>reith mit dem<br />

Angelzeug ins Sp<strong>er</strong>rgebiet hineing<strong>er</strong>ud<strong>er</strong>t (da haben die sich als Marine fühlenden<br />

Bundeshe<strong>er</strong>-Posten imm<strong>er</strong> ein wenig die Augen zugedrückt, wenn die Einheimischen, die<br />

eine Fisch<strong>er</strong>karte besessen haben, ein wenig zu weit in die V<strong>er</strong>bots-Zone hineingefahren<br />

sind). Wenn Scharfschießen angemeldet war, hat das ohnehin kein


55<br />

v<strong>er</strong>nünftig<strong>er</strong> Ortsansäßig<strong>er</strong> gemacht! Ein<strong>er</strong> all<strong>er</strong>dings schon; ab<strong>er</strong> nur<br />

einmal – an seinem Todestag. Ein Altmetallsamml<strong>er</strong>, d<strong>er</strong> mit seinem<br />

alt<strong>er</strong>sschwachen Lastwagen jahrelang die v<strong>er</strong>schossenen Kartuschenhülsen<br />

gewinnbringend d<strong>er</strong> Wied<strong>er</strong>v<strong>er</strong>w<strong>er</strong>tung zugeführt hat; nur einmal ist <strong>er</strong> auf<br />

eine üb<strong>er</strong>sehene Mine gefahren und dann hat ihm das Führ<strong>er</strong>haus gefehlt<br />

und die Basis des Weit<strong>er</strong>lebens!<br />

Das Ortsvorsteh<strong>er</strong>-Haus war gleich rechts (orographisch links) des<br />

Plöttbaches nach d<strong>er</strong> Dorf-Einfahrt; noch vor d<strong>er</strong> heute v<strong>er</strong>fallenen Brücke,<br />

die das ehemalige Kühbach mit d<strong>er</strong> Döll<strong>er</strong>sheim<strong>er</strong> Straße v<strong>er</strong>bunden hat, an<br />

den doch deutlich größ<strong>er</strong>en Ausdehnungen sein<strong>er</strong> Mau<strong>er</strong>üb<strong>er</strong>reste<br />

<strong>er</strong>kennbar. Durch den etwas angetrockneten Schlick, d<strong>er</strong> b<strong>er</strong>eits rissige,<br />

polygone – an den Ränd<strong>er</strong>n aufgewölbte – Platten gebildet hatte, hat <strong>er</strong> sich<br />

vorsichtig d<strong>er</strong> dahint<strong>er</strong> auf ein<strong>er</strong> Anhöhe liegenden von Granaten z<strong>er</strong>störten<br />

Kapelle annäh<strong>er</strong>n müssen, von d<strong>er</strong> noch die tragenden Mau<strong>er</strong>n und Teile<br />

des Dachstuhls <strong>er</strong>halten waren. Und tatsächlich hat sich darunt<strong>er</strong> d<strong>er</strong><br />

Abstieg in eine Bucht am Zufluß eines namenlosen Neben-G<strong>er</strong>innes d<strong>er</strong><br />

gewaltige Baum gefunden.<br />

Dessen Krone war all<strong>er</strong>dings wenig majestätisch von den Haubitzen<br />

wegeschossen od<strong>er</strong> von Stürmen, Alt<strong>er</strong> und Fäulnis mitgenommen; od<strong>er</strong><br />

beides. Vom Bildstock ist auch nichts mehr übrig gewesen auß<strong>er</strong> ein<strong>er</strong><br />

v<strong>er</strong>waschenen Holztafel. Leicht<strong>er</strong> hätte <strong>er</strong> es gefunden, wenn d<strong>er</strong> Vat<strong>er</strong><br />

gesagt hätte „gleich rechts hint<strong>er</strong> dem Spielb<strong>er</strong>g“. Man mußte sich<br />

vorsichtig bewegen in diesen Sp<strong>er</strong>rzonen, denn üb<strong>er</strong>all v<strong>er</strong>barg sich die<br />

Gefahr, auf im Boden v<strong>er</strong>borgene Blindgäng<strong>er</strong> des Militärs zu treten und<br />

speziell beim Graben war dieses Risiko üb<strong>er</strong>proportional hoch.<br />

Er hätte danach die Kiste nach mühevollen Grabungsarbeiten in zwei<br />

Met<strong>er</strong>n Tiefe gefunden (die angegeben 80 cm haben natürlich längst nicht mehr<br />

gestimmt, da ja die See-Sedimente darüb<strong>er</strong>geschichtet waren), diese ausgegraben und<br />

sie zunächst in seinem Misthaufen v<strong>er</strong>steckt (dabei habe ihn wahrscheinlich die<br />

Rempelbau<strong>er</strong>in beobachtet).<br />

Nach Tagen d<strong>er</strong> Unruhe, da <strong>er</strong> beseelt gewesen wäre von d<strong>er</strong> Schatz-<br />

Findung, habe <strong>er</strong> die v<strong>er</strong>rosteten Siegel <strong>er</strong>brochen. Das wäre garnicht<br />

einfach gewesen, denn die umschließenden Stahlbänd<strong>er</strong> wären v<strong>er</strong>schweißt<br />

gewesen. Unt<strong>er</strong> mehr<strong>er</strong>en Schichten geölten Segeltuches sei dann d<strong>er</strong> Inhalt<br />

noch in einem Sack aus ein<strong>er</strong> frühen Form von Plastik eingeschweißt<br />

gewesen. Das hätte auch den <strong>er</strong>staunlich guten Erhaltungszustand des<br />

ansich leicht v<strong>er</strong>d<strong>er</strong>blichen Inhaltes <strong>er</strong>klärt. Denn zu seinem Leidwesen


56<br />

seien ihm keine güldenen Geschmeide entgegengequollen (und auch keine<br />

gefälschten Pfundnoten, wie sie sein<strong>er</strong>zeit im Toplitzsee v<strong>er</strong>mutet wurden).<br />

Darin leid<strong>er</strong> nur v<strong>er</strong>gilbte Papi<strong>er</strong>e; Geburts- und Tauf-Akten vom<br />

Döll<strong>er</strong>sheim<strong>er</strong> Pfarramt, Matriken bezüglich eines am 7. Juni 1837 unehelich<br />

geborenen Sohnes Alois d<strong>er</strong> 42-jährigen Dirn eines Kleinbau<strong>er</strong>n (und trotzdem<br />

Bürg<strong>er</strong>meist<strong>er</strong>s) namens Trummelschlag<strong>er</strong> (auch Trommelschläg<strong>er</strong>) aus Strones, Haus<br />

Nr. 13 (vormals Nr. 12).<br />

„Was soll d<strong>er</strong> ganze Mist. Das ist doch alles vollkommen unint<strong>er</strong>essant!“<br />

entfährt es Quastorf ungeduldig.<br />

„So gaunz unint<strong>er</strong>essant kaunn’s net g’wesen sein, denn d<strong>er</strong> G<strong>er</strong>li hot groß<br />

g’redt, daß’a von irgendana Zeidung aungeblich 70.000.- € dafia griag’n hätt’<br />

känna!“.<br />

Schwachsinn! Da hat sich d<strong>er</strong> gute H<strong>er</strong>r Alt-Paradeis<strong>er</strong> was sehr<br />

Ausgefallenes zusammeng<strong>er</strong>eimt zu sein<strong>er</strong> Entlastung. Für Quastorf waren<br />

die V<strong>er</strong>dachtsmomente gegenüb<strong>er</strong> dem Alois damit keinesfalls ausg<strong>er</strong>äumt!<br />

Denn die psychologischen Hint<strong>er</strong>gründe von Zwistigkeiten inn<strong>er</strong>halb<br />

v<strong>er</strong>zwickt<strong>er</strong> Beziehungen sind oftmals äuß<strong>er</strong>st brisant und führen nicht<br />

selten zu un<strong>er</strong>warteten Gewaltausbrüchen. Speziell unt<strong>er</strong> den ungünstigen<br />

Rahmenbedingungen d<strong>er</strong> sexuellen And<strong>er</strong>sartigkeit inn<strong>er</strong>halb d<strong>er</strong> doch eh<strong>er</strong><br />

engh<strong>er</strong>zigen Vorstellungswelten von kleinen Ortsgemeinschaften. Und d<strong>er</strong><br />

Zigarrenstumpen ist auch noch nicht ganz aus d<strong>er</strong> Welt.<br />

„H<strong>er</strong>r Paradeis<strong>er</strong>, wenn Sie mir nun <strong>er</strong>zählen, daß diese Kiste so w<strong>er</strong>tvoll<br />

war, was hätte Sie denn davon abhalten sollen, selbige selbst zu v<strong>er</strong>markten,<br />

nachdem Sie Ihren Freund beseitigt hätten, d<strong>er</strong> Ihnen ohnehin gelegentlich<br />

fremdgegangen ist und Ihnen in <strong>er</strong>press<strong>er</strong>isch<strong>er</strong> Weise sogar gedroht hat,<br />

Sie im Ort zu outen, wie Sie mir vor Tagen b<strong>er</strong>ichtet haben! Da hätten Sie<br />

doch drei Fliegen auf einen Schlag gehabt. Eif<strong>er</strong>sucht, Geldgi<strong>er</strong> und<br />

V<strong>er</strong>meidung sozial<strong>er</strong> Ausgrenzung durch die ansäßige Dorf-Bevölk<strong>er</strong>ung!“.<br />

„Um Gottes wüll’n; i brauch do ka Göd. I hob do eh mei Auskumma! Und<br />

de poa Danz, de eah ma g’mocht hod, hob i eam imma vazeih’n känna,<br />

weul i eahm meg’n hob. Und de im Uat haum eh scho so laung bled g’redt,<br />

daß’s ma wurscht g’wes’n war, waun a mi aufdeckt hätt’!“.<br />

„Nach kriminaltechnisch<strong>er</strong> Erkenntnis stimmt ab<strong>er</strong> die DNS des<br />

gefundenen Haares zu 86 % mit d<strong>er</strong> Ihren üb<strong>er</strong>ein!“.


57<br />

„Nau und? Und waunns zu 100 % üb<strong>er</strong>einstimmat; i woa do dau<strong>er</strong>nd bei<br />

eam!“. Das scheint dem Quastorf plötzlich sehr schlüssig zu sein und auf<br />

einmal stört ihn diese 86 %-Üb<strong>er</strong>einstimmung <strong>er</strong>heblich.<br />

„Und w<strong>er</strong> soll es dann nach Ihr<strong>er</strong> Meinung gewesen sein?“.<br />

„Na irgendw<strong>er</strong>, d<strong>er</strong> die Kist’n hot; haums den scho?“. Da mußte Quastorf<br />

sich selbst gegenüb<strong>er</strong> natürlich beschämt zugeben, daß <strong>er</strong> zunächst von d<strong>er</strong><br />

Kiste garnichts gewußt hatte und nach dem danach einkehrenden Wissen<br />

diesbezüglich, d<strong>er</strong>selben viel zu wenig Gewicht beigemessen wollte, was<br />

sich im Nachhinein sich<strong>er</strong> als Fehl<strong>er</strong> <strong>er</strong>wiesen sollte.<br />

Könnte dies<strong>er</strong> – in viel<strong>er</strong> Hinsicht sehr wohl – Tatv<strong>er</strong>dächtige sich<br />

möglich<strong>er</strong>weise als gänzlich unschuldig <strong>er</strong>weisen?<br />

Was bedeutet dann das viel zu wenig üb<strong>er</strong>einstimmende Haar, das<br />

ab<strong>er</strong> somit von keinem ganz Unbekannten sein kann? Und wohin ist die<br />

ominöse Kiste tatsächlich v<strong>er</strong>schwunden? Das Opf<strong>er</strong>profil ist oftmals<br />

<strong>er</strong>giebig<strong>er</strong> als das Tät<strong>er</strong>profil (und auch einig<strong>er</strong>maßen leicht<strong>er</strong> zu <strong>er</strong>stellen). Und so<br />

eilt <strong>er</strong> mit „auf ein baldiges Wied<strong>er</strong>sehen!“ in die Prosektur.<br />

20 D<strong>er</strong> Hofrat Dr. Anisin könnte ihn jetzt weit<strong>er</strong>bringen. D<strong>er</strong> hatte<br />

inzwischen die Autopsie abgeschlossen und nach dem Schädel sich auch<br />

noch den restlichen Körp<strong>er</strong> vorgenommen. Dabei hatte <strong>er</strong> noch weit<strong>er</strong>e<br />

V<strong>er</strong>letzungen feststellen können.<br />

„Wie glauben Sie, sind die V<strong>er</strong>letzungen zustandegekommen?“.<br />

„Folt<strong>er</strong> würde ich behaupten. Ich habe mich in meinem Leben so oft und<br />

tief in meine Opf<strong>er</strong> (das waren natürlich nicht die Opf<strong>er</strong> sein<strong>er</strong> eigenen<br />

Gewalttätigkeit, sond<strong>er</strong>n die Opf<strong>er</strong> And<strong>er</strong><strong>er</strong>, die <strong>er</strong> obduzi<strong>er</strong>t hatte, die <strong>er</strong> ab<strong>er</strong> – wie jed<strong>er</strong><br />

Professionalist – zu sein<strong>er</strong> Sache zu <strong>er</strong>heben pflegte) hineinbegeben, daß ich genau<br />

weiß, wie ihre letzten Stunden waren. Von links hinten haben die Tät<strong>er</strong> ihn<br />

vor seinem Tod mit Ruten üb<strong>er</strong> den nackten Rücken geschlagen (Weiden-<br />

od<strong>er</strong> Haselruten; das ist noch nicht sich<strong>er</strong>). Die Würgemale deuten auf ein<br />

nasses Geschirrhang<strong>er</strong>l hin (da sie kaum ausnehmbar sind) und die<br />

Schnittwunden v<strong>er</strong>weisen auf ein gezahntes Fangmess<strong>er</strong>, wie es Nahkampf-<br />

Spezialisten üblich<strong>er</strong>weise mitführen. Man hat ihm mit Zigarrenglut<br />

Brandwunden zugefügt, was viel schm<strong>er</strong>zhaft<strong>er</strong> ist als Zigaretten-<br />

V<strong>er</strong>brennungen; denn <strong>er</strong>stens ist die Wund-Fläche größ<strong>er</strong> und zweitens die


58<br />

Temp<strong>er</strong>atur höh<strong>er</strong> (beiläufig 800 – 900 °C; gegenüb<strong>er</strong> bloß 700 °C bei<br />

Zigaretten)! Ab<strong>er</strong> das alles war nicht tödlich. Erledigt hat man ihn mit dem<br />

angesetzten Bolzen-Schuß! Und das viele Stunden nach den Folt<strong>er</strong>ungen;<br />

eventuell liegen sogar Tage dazwischen, denn die Wunden sind provisorisch<br />

v<strong>er</strong>sorgt worden und die Heilung hatte b<strong>er</strong>eits andeutungsweise eingesetzt“.<br />

„Ist das einem frustri<strong>er</strong>ten – wenn auch eh<strong>er</strong> schwächlichen – Liebhab<strong>er</strong><br />

körp<strong>er</strong>lich zuzutrauen; so eine aufwendige Trakti<strong>er</strong>ung?“.<br />

„Durchaus!“. Mit einem blitzartigen Griff packt d<strong>er</strong> schmächtige Pathologe<br />

Quastorf am Hangelenk, v<strong>er</strong>dreht ihm den Arm auf den Rücken und<br />

zwingt ihn so auf den einen Met<strong>er</strong> entf<strong>er</strong>nten Schreibtisch-Sessel, auf dem<br />

<strong>er</strong> ihn sogleich mit ein<strong>er</strong> Schnur, wie sie üblich<strong>er</strong>weise zum Zunähen d<strong>er</strong><br />

geöffneten Leichen V<strong>er</strong>wendung findet, fixi<strong>er</strong>t.<br />

Ist d<strong>er</strong> honorige Medizin<strong>er</strong>, d<strong>er</strong> vor zwei Jahren <strong>er</strong>st vom<br />

Bundespräsidenten mit dem Silb<strong>er</strong>nen Komtur-Kreuz für V<strong>er</strong>dienste um die<br />

Republik ausgezeichnet worden ist, in einen schizophrenen Schub g<strong>er</strong>aten?<br />

Quastorf rechnet praktisch mit Vivisektion! Das gehört zu den wenigen<br />

Dingen, die <strong>er</strong> fürchtet. D<strong>er</strong> Tod stört ihn nicht und selbst die Vorstellung<br />

schlimm<strong>er</strong>, dem Tod vorauseilend<strong>er</strong> Krankheiten b<strong>er</strong>eitet ihm keinen<br />

Schrecken. Ab<strong>er</strong> d<strong>er</strong> Willkür eines abartigen Menschen ausgelief<strong>er</strong>t zu sein,<br />

bedrückt ihn doch einig<strong>er</strong>maßen. Wie kann <strong>er</strong> diesen dünnen, eng<br />

einschnürenden Fäden entkommen, zumal ihn die irr blitzenden Augen des<br />

bis dato für seltsam, ab<strong>er</strong> durchaus gutartig-int<strong>er</strong>essant <strong>er</strong>scheinenden<br />

Obduzenten durchdringend und fast etwas belustigt must<strong>er</strong>n. W<strong>er</strong>kzeuge<br />

hätte d<strong>er</strong> genug, ihm das Schlimmste anzutun (z.B. ihm die Augenlid<strong>er</strong> zu<br />

entf<strong>er</strong>nen, damit <strong>er</strong> seine grauen<strong>er</strong>regenden Snuff-Videos ansehen müßte). Und d<strong>er</strong> hätte<br />

auch sich<strong>er</strong> genug Phantasie und chemische Möglichkeiten, ihn auf imm<strong>er</strong><br />

rückstandsfrei ins Klo zu spülen.<br />

„Lieb<strong>er</strong> H<strong>er</strong>r Joseph, da sehen Sie, wie einfach es ist (selbst für einen zarten<br />

untraini<strong>er</strong>ten Mann, wie ich ein<strong>er</strong> bin), mittels Üb<strong>er</strong>raschungsmoment einen<br />

durchaus stattlichen Polizisten auszuschalten. Um wieviel leicht<strong>er</strong> ist das bei<br />

ein<strong>er</strong> Matsch-Tomate, wie d<strong>er</strong> Adensam<strong>er</strong> sie v<strong>er</strong>körp<strong>er</strong>te, durch den<br />

Paradeis<strong>er</strong> (ein selbst in d<strong>er</strong> grauen<strong>er</strong>regenden Situation durchaus witziges Wortspiel<br />

zwischen Deutschem und Öst<strong>er</strong>reichischen Idiom)!“. Behende wird Quastorf mittels<br />

Skalpell entfesselt.<br />

„Eigentlich schade um die gute Schnur, ab<strong>er</strong> es hat dem Exempel gedient“.


In Zukunft wird sich Quastorf dem Schöngeist vorsichtig<strong>er</strong> annäh<strong>er</strong>n.<br />

„Ein Calvados gefällig nach dem Schock?“. Mit Sich<strong>er</strong>heit!<br />

59<br />

„Wissen Sie, Joseph, hi<strong>er</strong> h<strong>er</strong>unten in meinem lichtlosen Schaffensb<strong>er</strong>eich<br />

w<strong>er</strong>de ich nur selten von Menschen besucht, da niemand um den Charme<br />

des Todes und um die Erotik d<strong>er</strong> Endgültigkeit (und um die Ästhetik des<br />

V<strong>er</strong>falles) weiß und so neige ich halt manchmal zu plakativen Prozessen. Ich<br />

hoffe, Sie nehmen mir das nicht krumm und haben daraus brauchbare<br />

Erkenntnisse ziehen können für Ihre Arbeit!“.<br />

„Mehr als Sie denken, lieb<strong>er</strong> Viktor!“.<br />

„Darf ich Ihnen zur Lind<strong>er</strong>ung Ihres Schm<strong>er</strong>zes einige von mir v<strong>er</strong>faßte<br />

Haikus demutsvoll darbringen; wissend daß Sie diese in ihr<strong>er</strong> Qualität<br />

anzweifeln könnten?“.<br />

Quastorf wird es nicht v<strong>er</strong>hind<strong>er</strong>n können. Und so ist <strong>er</strong> b<strong>er</strong>eit, das<br />

Angekündigte üb<strong>er</strong> sich <strong>er</strong>gehen zu lassen (imm<strong>er</strong>hin hat <strong>er</strong> auch schon oft sein<br />

Weltbild <strong>er</strong>weit<strong>er</strong>n können durch Hingebung an die Schrullen dieses Solipsisten!). Auch<br />

so eine Marotte von diesem Leichenschänd<strong>er</strong>, daß <strong>er</strong> sich mit d<strong>er</strong><br />

schwi<strong>er</strong>igsten Gedichtform, die Leuten eingefallen sein muß, die sehr viel<br />

Freizeit haben, befaßt.<br />

Gesamtkunstw<strong>er</strong>ke, die eine philosophische Idee in einem eine<br />

Jahreszeit ausdrückenden Kleid in Formvollendung zu Papi<strong>er</strong> bringen.<br />

Metaphysik in Lyrik gegossen!<br />

w<strong>er</strong> die schatten sucht<br />

wird <strong>er</strong>müden – willst du licht<br />

mußt du durch´s feu<strong>er</strong><br />

jedem ding sein platz<br />

nur d<strong>er</strong> betracht<strong>er</strong> leidet<br />

d<strong>er</strong> sehende lacht


60<br />

das finden des ziels<br />

ohne den bogen auch nur<br />

leicht zu b<strong>er</strong>ühren<br />

Quastorf hat genug gel<strong>er</strong>nt und will nur mehr heim zu seinen<br />

Bäumen, die Liebe ausstrahlen und nie an ihrem H<strong>er</strong>ren zweifeln. Zen-<br />

Gewahrheit tut ihm üblich<strong>er</strong>weise gut ab<strong>er</strong> nicht in Gegenwart eines Irren,<br />

dessen süßlich duftende Welt nur mit V<strong>er</strong>wesung befrachtet ist.<br />

21 Das mit dem Eis<strong>er</strong> läßt ihm keine Ruhe. Und d<strong>er</strong> Nachhall des<br />

‚Fedl-Fedl’ in diesem Zusammenhang wühlt ihn weit<strong>er</strong> auf. Eis<strong>er</strong>-Fedl. Die<br />

Frau hat ja nicht nur einen Sprachfehl<strong>er</strong>, sond<strong>er</strong>n ist auch auf Grund ihr<strong>er</strong><br />

P<strong>er</strong>sönlichkeits-brechenden Geschichte und ihr<strong>er</strong> Abkoppelung von<br />

jedwed<strong>er</strong> Anbindung an die üblich<strong>er</strong>weise jedem Menschen zugängliche<br />

Schulbildung gänzlich unfähig, klare Worte zu formuli<strong>er</strong>en. Eis<strong>er</strong> F<strong>er</strong>l –<br />

gibt’s nicht, Deis<strong>er</strong> F<strong>er</strong>l.... Plötzlich fährt ihm die Erkenntnis prickelnd in<br />

die Hoden, wie <strong>er</strong> es auch bei absolut exorbitanten Speisen gelegentlich<br />

<strong>er</strong>lebt hat (d<strong>er</strong> Oro-Genital-Reflex; ab<strong>er</strong> hi<strong>er</strong> und jetzt d<strong>er</strong> Gnoso-Genital-Reflex.<br />

D<strong>er</strong> Aha-Orgasmus d<strong>er</strong> aufkommenden Erkenntnis).<br />

F<strong>er</strong>l ist am Land d<strong>er</strong> F<strong>er</strong>dinand; und somit ist mit ‚Deis<strong>er</strong>’ F<strong>er</strong>dinand<br />

Paradeis<strong>er</strong> gemeint – d<strong>er</strong> honorige Turnlehr<strong>er</strong> und <strong>er</strong>stgeborene Sohn des<br />

Alois. Das ist wied<strong>er</strong> so eine Nacht, wo <strong>er</strong> nicht schlafen wird können, da <strong>er</strong><br />

Szenarien andenken muß und keine Fachkräfte zur notwendigen Lösung<br />

d<strong>er</strong>selben an d<strong>er</strong> Hand hat. Gütinand d<strong>er</strong> F<strong>er</strong>tige also. In d<strong>er</strong> Nacht umringen<br />

ihn wud<strong>er</strong>hübsche schw<strong>er</strong>busige nackte Frauen und z<strong>er</strong>quetschen ihm mit<br />

ihren prallen, süß-säu<strong>er</strong>lich schwitzenden Schenkeln das Gehirn. Aus<br />

Feu<strong>er</strong>sbrünsten muß <strong>er</strong> seine ehemaligen Lehr<strong>er</strong> <strong>er</strong>retten und ein ihm<br />

geschenktes Tret-Auto ist unglaublich rot, schön und schnell; hat ab<strong>er</strong> leid<strong>er</strong><br />

keine Bremsen! Schweißbad und nächtens Kochschokolade mit einem<br />

Vi<strong>er</strong>tel halbfett<strong>er</strong> H-Milch zur B<strong>er</strong>uhigung d<strong>er</strong> z<strong>er</strong>schlissenen Seele.<br />

22 D<strong>er</strong> Direktor Kokoschka ist nicht sehr <strong>er</strong>freut, daß man ihm seinen<br />

g<strong>er</strong>egelten Unt<strong>er</strong>richtsablauf unt<strong>er</strong>bricht!


61<br />

„H<strong>er</strong>r Kommissar, Sie sind sich hoffentlich bewußt, wie sehr Sie stören!“.<br />

Daß d<strong>er</strong> sogenannte Deutschlehr<strong>er</strong> das in diesem Satz notwendige ‚dessen’<br />

v<strong>er</strong>gessen hat, üb<strong>er</strong>sieht Quastorf gnädig (es ist heute bedau<strong>er</strong>lich<strong>er</strong>weise<br />

neglegeable geworden, daß man das ehedem blumige Sprachgebäude v<strong>er</strong>wahrlosen läßt;<br />

Fallendungen gibt es neu<strong>er</strong>dings nichteinmal mehr in Kultursendungen od<strong>er</strong> bei F<strong>er</strong>nseh-<br />

Komentatoren – man schafft nurmehr den <strong>er</strong>sten Fall – und das ist schon fast<br />

vorgeschriebenes Programm!). Und die Kind<strong>er</strong>, die in dies<strong>er</strong> Mangelfalt<br />

großgezogen w<strong>er</strong>den, müssen es mit Ausdrucks-V<strong>er</strong>armung büßen!<br />

„Sofort!“ h<strong>er</strong>rscht <strong>er</strong> den schwachen Charakt<strong>er</strong> ganz entgegen sein<strong>er</strong><br />

sonstigen Zurückhaltung autoritär an. D<strong>er</strong> knickt sichtlich ein, da <strong>er</strong> aus<br />

sein<strong>er</strong> Entwicklung als autoritätshörig zu v<strong>er</strong>stehen ist.<br />

„H<strong>er</strong>r Magist<strong>er</strong> Paradeis<strong>er</strong>, bitte sogleich ins Direktor-Zimm<strong>er</strong>“ tönt d<strong>er</strong><br />

Schulleit<strong>er</strong> in die Sprechanlage. Nach fünf Minuten ist d<strong>er</strong> endlich da.<br />

„Sie wünschen?“.<br />

„Dies<strong>er</strong> H<strong>er</strong>r da vom Morddez<strong>er</strong>nat will Sie sprechen; ich lasse Sie jetzt<br />

bess<strong>er</strong> alleine“ und geht mit aufgestellt<strong>er</strong> Nase und eingezogenem Bauch.<br />

„Es geht um die Rekonstruktion d<strong>er</strong> letzten Stunden des G<strong>er</strong>fried<br />

Adensam<strong>er</strong>. Haben Sie am 17.5. mit ihm Kontakt gehabt?“.<br />

„Wozu; ich kenne den kaum?“.<br />

„Fragen stelle ich! Sie wurden gesehen, wie Sie ihn besucht haben!“.<br />

„Das müssen Sie mir <strong>er</strong>st beweisen!“.<br />

„Wenn ich Ihnen <strong>er</strong>st was beweisen muß, <strong>er</strong>höht sich das Niveau meines<br />

Tatv<strong>er</strong>dachtes Ihnen gegenüb<strong>er</strong> <strong>er</strong>heblich. Erklären Sie mir die<br />

Zusammenhänge; das genügt vollständig! Sagt Ihnen eine Stahlkiste was, in<br />

d<strong>er</strong> d<strong>er</strong> Nibelungenschatz lag<strong>er</strong>t?“.<br />

„Nie gehört! So ein Schwachsinn; d<strong>er</strong> liegt an d<strong>er</strong> Rheinschleife bei dem<br />

längst abgekommenen Ort Lochheim, wo ihn Hagen v<strong>er</strong>senkt hat!“.<br />

„Ab<strong>er</strong> Sie sollten jetzt von mir hören, daß man ein Haar von Ihnen beim<br />

Adensam<strong>er</strong> auf d<strong>er</strong> Couch gefunden hat“. Das weiß Quastorf, weil <strong>er</strong><br />

zwischenzeitlich mit dem Habison telefoni<strong>er</strong>t hat, d<strong>er</strong> ihm das bestätigen<br />

konnte! Das Dez<strong>er</strong>nat war auch nicht ganz untätig in d<strong>er</strong> Zwischenzeit und


62<br />

hat bei den V<strong>er</strong>wandten vom Alois v<strong>er</strong>deckte Gentests angeordnet (wegen d<strong>er</strong><br />

86 %!). Und beim F<strong>er</strong>dinand waren es halt dann 99,99%!<br />

„Was sagt das schon?“.<br />

„Das sagt natürlich sehr viel in dem Zusammenhang, daß Sie behauptet<br />

haben ‚ihn kaum zu kennen’! Nehmen wir einmal an, Sie hätten von dem<br />

Inhalt d<strong>er</strong> Kiste Kenntnis bekommen – Sie sind doch ein durchaus an<br />

Ahnenforschung und Geschichte int<strong>er</strong>essi<strong>er</strong>t<strong>er</strong> Mann – da wird man doch<br />

neugi<strong>er</strong>ig; ich kann mir nicht vorstellen, daß Ihnen das alles ganz egal<br />

gewesen wäre – diese für Sie vielleicht aufschlußreichen Papi<strong>er</strong>e. Ich denke<br />

nicht, daß es Ihnen um die 70.000.- € gegangen ist!“.<br />

„Lieb<strong>er</strong> H<strong>er</strong>r Kommissar! Ich habe sich<strong>er</strong> Wichtig<strong>er</strong>es zu tun, als mit alten<br />

Schwuchteln üb<strong>er</strong> dubiose Kisten zu diskuti<strong>er</strong>en!“.<br />

„Sie wußten also, daß d<strong>er</strong> Adensam<strong>er</strong> schwul war?“.<br />

„Das hat doch jed<strong>er</strong> im Ort gewußt; das war doch ein offenes Geheimnis!“.<br />

„Sie kennen seinen Partn<strong>er</strong>?“. Gleich will Quastorf das Familiendrama nicht<br />

von sich aus auf den Punkt bringen, da <strong>er</strong> sich ja dem alten Alois gegenüb<strong>er</strong><br />

zur V<strong>er</strong>schwiegenheit v<strong>er</strong>pflichtet fühlt.<br />

„Unhaltbare G<strong>er</strong>üchte halt, die nur den örtlichen Waschweib<strong>er</strong>n<br />

übelwollende Nahrung bieten!“.<br />

„Und die sagen was?“. Jetzt hat <strong>er</strong> den F<strong>er</strong>dinand am Haken wie d<strong>er</strong><br />

Fliegenfisch<strong>er</strong> die Forelle im Wildbach des Gesäuses.<br />

„Na meinem Vat<strong>er</strong> haben sie das unzulässig angehängt; das ist doch<br />

gänzlich unhaltbar! D<strong>er</strong> hat imm<strong>er</strong>hin drei Kind<strong>er</strong> gezeugt und ist ständig<br />

an d<strong>er</strong> Seite mein<strong>er</strong> Mutt<strong>er</strong> gewesen!“.<br />

Von zwei Kind<strong>er</strong>n zu reden, wäre richtig<strong>er</strong>; ab<strong>er</strong> das weiß d<strong>er</strong><br />

F<strong>er</strong>dinand sich<strong>er</strong> noch nicht – und das ist vielleicht auch gut so!<br />

„Das bedeutet doch wenig; d<strong>er</strong>lei Konstellationen sind wesentlich häufig<strong>er</strong><br />

als das dumpfe Volk denkt!“ stellt Quastorf d<strong>er</strong> Relativi<strong>er</strong>ung entgegen.<br />

Jetzt bricht die Ideologie hart aus F<strong>er</strong>dinands Inn<strong>er</strong>em. „Sowas gibt<br />

es doch nicht, daß ein brav<strong>er</strong> Bürg<strong>er</strong> plötzlich p<strong>er</strong>v<strong>er</strong>s wird. Das passi<strong>er</strong>t


63<br />

doch höchstens unorienti<strong>er</strong>ten Jugendlichen, die von irgendwelchen<br />

schwulen Dreckschweinen v<strong>er</strong>bogen w<strong>er</strong>den!“.<br />

Frustri<strong>er</strong>end geht es weit<strong>er</strong>, was die Kiste betrifft und so schickt<br />

Quastorf den aalglatten Typen wied<strong>er</strong> in die Stunde, obwohl d<strong>er</strong> jetzt weich<br />

wäre. Ab<strong>er</strong> Quastorf weiß, daß die Nutzung d<strong>er</strong> akuten Entgleisung<br />

wesentlich wenig<strong>er</strong> bringt, als das Siedenlassen im eigenen Saft. Wie bei d<strong>er</strong><br />

B<strong>er</strong>eitung d<strong>er</strong> guten Altwien<strong>er</strong> Rindsuppe aus dem Sach<strong>er</strong>’schen Kochbuch:<br />

Man nehme reichlich ungeschälte Zwiebel, Markknochen (daß man die anrösten<br />

sollte, ist in d<strong>er</strong> Küche zwar von Belang ab<strong>er</strong> für diese Metaph<strong>er</strong> sich<strong>er</strong> nachrangig) und<br />

abgehangenes Rindfleisch vom ausgelösten Hint<strong>er</strong>en (bess<strong>er</strong> als Tafelstück), <strong>er</strong>hitze es<br />

langsam ab<strong>er</strong> stetig in einem offenen Topf mit d<strong>er</strong> nötigen Würze und lasse es h<strong>er</strong>nach sehr<br />

lange köcheln. Dann steigt das Aroma auf, das dem Koch den Weg weist! Und wenn das<br />

Fleisch durch ist, separi<strong>er</strong>e man es und in seinem ausgelaugten Zustand gibt es sein<br />

Inn<strong>er</strong>stes preis mit allen weichen Fas<strong>er</strong>n und Flachsen! Man schneide es all<strong>er</strong>dings nur im<br />

kalten Zustand, auf daß es sich nicht auffas<strong>er</strong>e!<br />

Quastorf sucht bei sich zuhause in alten Büch<strong>er</strong>n die Definition d<strong>er</strong><br />

Haikus. Das hat jetzt wenig mit dem Fall zu tun, ab<strong>er</strong> es entspannt ihn.<br />

Die Haiku-Dichtung, auch „Haikai“– od<strong>er</strong> „Hoku“– Dichtung genannt,<br />

stammt aus dem f<strong>er</strong>nen Osten, genießt heute dort noch (und auch im Westen zunehmend)<br />

hohes Ansehen und war am stärksten vom 15. – 17. Jhdt. v<strong>er</strong>breitet. D<strong>er</strong> Haiku-<br />

Dicht<strong>er</strong> wird in d<strong>er</strong> Japanischen Lit<strong>er</strong>atur nicht in die Reihe d<strong>er</strong> übrigen Dicht<strong>er</strong><br />

eingeglied<strong>er</strong>t, sond<strong>er</strong>n als V<strong>er</strong>mittl<strong>er</strong> des Haiku-Denkens, einem Begriff, worunt<strong>er</strong> man<br />

sich in Japan Betrachtung vorstellt, gesehen. D<strong>er</strong> Haiku-Dicht<strong>er</strong> lebt and<strong>er</strong>s als die<br />

and<strong>er</strong>en Menschen. Nicht nur seine Ansichten, sond<strong>er</strong>n sein ganzes Erleben entspricht d<strong>er</strong><br />

Haiku-Haltung. Er fühlt sich als gänzlich frei<strong>er</strong> Mensch und nimmt die sogenannten<br />

‚gesellschaftlichen V<strong>er</strong>pflichtungen’ nicht wichtig! D<strong>er</strong> Haiku-Dicht<strong>er</strong> will wed<strong>er</strong> Reichtum<br />

noch Titel od<strong>er</strong> Orden <strong>er</strong>ringen, <strong>er</strong> strebt nicht nach Macht und Ehrungen und v<strong>er</strong>achtet<br />

die Gewalt. Es wid<strong>er</strong>strebt ihm, sich mit zuviel Besitz zu belasten. Meist lebt <strong>er</strong> in<br />

streng<strong>er</strong> Bescheidenheit und Bedürfnislosigkeit, die Seele jedoch <strong>er</strong>füllt von den Eindrücken<br />

d<strong>er</strong> Natur. Für die Genüsse, nach denen And<strong>er</strong>e streben, hat <strong>er</strong> kein Int<strong>er</strong>esse, es genügen<br />

ihm einfache Speisen und schlichte Kleid<strong>er</strong>. Äuß<strong>er</strong>lich mag <strong>er</strong> vielleicht respektlos<br />

<strong>er</strong>scheinen, inn<strong>er</strong>lich jedoch ist <strong>er</strong> voll<strong>er</strong> Disziplin, seelisch<strong>er</strong> Tiefe und menschlich<strong>er</strong> Güte<br />

dem Nächsten gegenüb<strong>er</strong>. Die oft selbstgewählte Einsamkeit benützt <strong>er</strong>, sein Denken zu<br />

höchst<strong>er</strong> Reinheit und Klarheit hinzuführen. Er ist voll<strong>er</strong> Ehrfurcht d<strong>er</strong> Schöpfung und<br />

selbst dem kleinsten Geschöpf gegenüb<strong>er</strong>. Durch Betrachtung d<strong>er</strong> kleinen Dinge l<strong>er</strong>nt <strong>er</strong>,<br />

für die Großen offen zu w<strong>er</strong>den. Ihm ist d<strong>er</strong> kürzeste Augenblick heilig, weil <strong>er</strong> ein<br />

Abbild d<strong>er</strong> Ewigkeit darstellt! Dieses Denken bringt <strong>er</strong> auch in die Haiku-Gedichte ein.


64<br />

Das Haiku ist ein dreizeiliges Gedicht in d<strong>er</strong> Reihenfolge 5 – 7 – 5 Silben <br />

(mit somit insgesamt 17 Silben), es muß die Jahreszeit an einem typischen Symbol<br />

<strong>er</strong>kennbar sein, es sollte eine philosophische Aussage, eine lebensbejahende Weisheit od<strong>er</strong><br />

eine Botschaft d<strong>er</strong> Güte enthalten und möglichst aus einem Stück sein (ohne<br />

Korrekturen!). Gänzlich v<strong>er</strong>pönt sind Neologismen wie „wint<strong>er</strong>sonnenkalt“, die<br />

krampfhaft v<strong>er</strong>suchen, den Silbenausgleich dort zu bew<strong>er</strong>kstelligen, wo es d<strong>er</strong> Stümp<strong>er</strong><br />

nicht geschafft hat, die Form auf Anhieb zu <strong>er</strong>füllen! Auch das von Anfäng<strong>er</strong>n oft geübte<br />

Silbenzählen mit den Fing<strong>er</strong>chen ist tunlichst zu v<strong>er</strong>meiden, da sich dem Geübten die<br />

richtige Silbenanzahl wie selbstv<strong>er</strong>ständlich im Hinschreiben entfaltet!<br />

Anisin ist sohin mit seinen W<strong>er</strong>ken etwas an d<strong>er</strong> Idee<br />

vorbeigeschrammt; das muß ihm gelegentlich gesagt w<strong>er</strong>den! Ab<strong>er</strong> da teilt<br />

<strong>er</strong> sein Leid mit H<strong>er</strong>rmann Hesse und H.C. Artmann und Grete Burg<strong>er</strong>,<br />

denn die haben sich auch nur gelegentlich an die strenge Form gehalten.<br />

Quastorf ist beeindruckt davon, wie sehr <strong>er</strong> dies<strong>er</strong> Haltung – ohne sie<br />

bewußt angestrebt zu haben – selbst anhängt.<br />

23 Er darf sich auf seinen bish<strong>er</strong>igen Lorbe<strong>er</strong>en nicht ausruhen, denn<br />

die Glatzen müssen endlich examini<strong>er</strong>t w<strong>er</strong>den (das hat <strong>er</strong> bish<strong>er</strong> gescheut, da <strong>er</strong><br />

d<strong>er</strong>en Welten als abschaumhaft <strong>er</strong>lebt). Nicht daß <strong>er</strong> einem üb<strong>er</strong>heblichen<br />

Rassismus gegenüb<strong>er</strong> von d<strong>er</strong> Natur benachteiligten Menschen anhinge,<br />

denen ein genetisches Programm od<strong>er</strong> eine nachlässige Lebensführung das<br />

harte Los d<strong>er</strong> Kahlköpfigkeit angetan hat (wie zum Beispiel beim Kuchlbach<strong>er</strong>).<br />

Auch aus undurchsichtigen Gründen in Mode gebrachte Rasi<strong>er</strong>-<br />

Freudigkeit findet <strong>er</strong> zwar für’s Auge zwar ziemlich beleidigend und für das<br />

Friseur-Handw<strong>er</strong>k deutlich Einkommen-v<strong>er</strong>mind<strong>er</strong>nd; darüb<strong>er</strong> kann man<br />

ab<strong>er</strong> leicht hinwegsehen. Jedoch aus ideologischen Gründen sich korporativ<br />

zu v<strong>er</strong>stümmeln, das ist ihm in tiefst<strong>er</strong> Seele zuwid<strong>er</strong>. Quastorf hatte imm<strong>er</strong><br />

schon seine Probleme mit Betonköpfen, Fundamentalisten, Hardlin<strong>er</strong>n und<br />

Korpsgeist-V<strong>er</strong>fecht<strong>er</strong>n.<br />

Radikal ja; denn das war <strong>er</strong> doch selbst imm<strong>er</strong>! Stets allem an die<br />

Wurzel gehen wie die Wühlmaus; all<strong>er</strong>dings ohne diese Wurzeln gänzlich<br />

abzubeißen (höchstens ein wenig anzuknabb<strong>er</strong>n, denn d<strong>er</strong> Nutz<strong>er</strong> schont geflissentlich,<br />

was ihn auf Dau<strong>er</strong> nährt!). Wieso <strong>er</strong> dann eigentlich bei d<strong>er</strong> Polizei ist, v<strong>er</strong>steht<br />

<strong>er</strong> in solchen Augenblicken ohnehin selbst nicht so ganz; vielleicht die<br />

intellektuelle Spannung des Kriminologischen, das Erspüren od<strong>er</strong> auch sein<br />

ausgeprägt<strong>er</strong> G<strong>er</strong>echtigkeitssinn – w<strong>er</strong> weiß?


65<br />

Entgegen seinen üblichen Gepflogenheiten läßt <strong>er</strong> die sechs Hanseln<br />

einen nach dem and<strong>er</strong>en von d<strong>er</strong> Gendarm<strong>er</strong>ie vorführen. Zunächst den<br />

17-jährigen Manuel Vucovich.<br />

„Wo waren Sie am 17.5. zwischen vi<strong>er</strong>zehn und sechzehn Uhr?“.<br />

„Na mit de Kaumarodn in Loga; wia imm<strong>er</strong>“.<br />

„Und wo ist das Lag<strong>er</strong>?“.<br />

„Meingod, mia san hoit ollaweu in oid’n Ziaglofen beinaunda g’wes’n, weu<br />

ma olle ka Hock’n haum!“.<br />

„Kennen Sie den Adensam<strong>er</strong>; beziehungsweise hatten Sie Streit mit ihm?“.<br />

„Kenna wa z’vüh g’sogt; oba meg’n haumm man a net!“.<br />

„Wie stehen Sie eigentlich zu Medizinalrat Bistring<strong>er</strong>, d<strong>er</strong> doch in gewiss<strong>er</strong><br />

Weise ihr Förd<strong>er</strong><strong>er</strong> ist; und es kann Ihnen doch nicht gänzlich egal gewesen<br />

sein, daß dessen Sohn jetzt in Wien wegen nazionalsozialistisch<strong>er</strong><br />

Wied<strong>er</strong>betätigung v<strong>er</strong>haftet wurde? D<strong>er</strong> Bistring<strong>er</strong> Jr. war doch praktisch<br />

eu<strong>er</strong> all<strong>er</strong> Kapo“.<br />

„Nojo organisi<strong>er</strong>t hod dea hoit ollas, da G<strong>er</strong>not; Spoatfeste und so“.<br />

„Was für ein Sport ist denn das, den Ihr da ausübt?“.<br />

„Rangeln, Hackel-Schmeiß’n und gelebte Söbst-Vateidigung; G<strong>er</strong>manische<br />

Tugenden hoit!“. Wogegen mußten die sich denn v<strong>er</strong>teidigen (die Hunnen<br />

und Awaren sind längst ausgestorben; die G<strong>er</strong>manen sich<strong>er</strong> auch), was hat das alles<br />

mit G<strong>er</strong>manen zu tun und woh<strong>er</strong> stammt die seltsame Wortwahl dieses<br />

eigentlich ganz harmlos wirkenden Bau<strong>er</strong>nbuben (wäre da nicht die martialisch<br />

wirkende Äuß<strong>er</strong>lichkeit gewesen mit Tarn-Haut und Doc Martens – eigentlich ein ganz<br />

nett<strong>er</strong> K<strong>er</strong>l – ja und die aggressive blau-bepeckte Glatze).<br />

Peck<strong>er</strong>ln (ein Ausdruck aus dem Rotwelsch – d<strong>er</strong> Gaun<strong>er</strong>sprache) haben<br />

früh<strong>er</strong> Tätowi<strong>er</strong>ungen geheißen und waren Häfenbrüd<strong>er</strong>n, Seeleuten,<br />

Zuhält<strong>er</strong>n und Varietee-Künstl<strong>er</strong>n vorbehalten (abgesehen von rituellen Formen<br />

indigen<strong>er</strong> Völk<strong>er</strong> – insond<strong>er</strong>heit d<strong>er</strong> Maoris; vor allem ab<strong>er</strong> bei Schamanen), bevor sie<br />

neudeutsch zu Tattoos wurden und heutzutage selbst in den Kreisen d<strong>er</strong><br />

Adeligen und Akademik<strong>er</strong> und sogar manch<strong>er</strong> Polizeiangehörigen<br />

gesellschaftsfähig geworden sind. Quastorf weiß, wovon <strong>er</strong> denkt, denn das<br />

Arschgeweih d<strong>er</strong> jungen Kollegin Ehgartn<strong>er</strong> wird <strong>er</strong> nie v<strong>er</strong>gessen!


66<br />

Üppig tätovi<strong>er</strong>te Straftät<strong>er</strong> kennt Quastorf mit nahezu an<br />

Michelangelo h<strong>er</strong>anreichend<strong>er</strong> künstl<strong>er</strong>isch<strong>er</strong> Qualität d<strong>er</strong> Arbeiten (und eben<br />

auch junge Kolleginnen, die d<strong>er</strong>lei unt<strong>er</strong> d<strong>er</strong> enggeschnittenen schwarz-einschneidenden<br />

Tanga-Wäsche an teilweise sehr intimen Stellen v<strong>er</strong>borgen aufweisen; wie <strong>er</strong> d<strong>er</strong>en ansichtig<br />

wurde, würde <strong>er</strong> all<strong>er</strong>dings sich<strong>er</strong> niemals v<strong>er</strong>raten!).<br />

„D<strong>er</strong> nächste, bitte!“. Er ist zwar kein Arzt, ab<strong>er</strong> irgendwie fühlt <strong>er</strong> sich<br />

wohl bei d<strong>er</strong> Vorstellung, daß <strong>er</strong> Heil in die Welt bringen könnte (nicht wie<br />

diese v<strong>er</strong>blendeten Hitl<strong>er</strong>isten, sond<strong>er</strong>n eh<strong>er</strong> jesuanisch; trotz fehlendem Impfpaß gegen den<br />

Teufel – trotz fehlend<strong>er</strong> Taufurkunde).<br />

Soetwas wie das Hel d<strong>er</strong> Kelten halt, wenn auch imm<strong>er</strong> dieses Präfix<br />

etymologisch den selben Stamm wie Hölle beinhaltet. Ist denn nicht die<br />

Hölle, die die Menschen einand<strong>er</strong> im Hi<strong>er</strong> und Jetzt b<strong>er</strong>eiten (eine jenseitige ist<br />

dem Quastorf nicht wirklich sinnvoll vorstellbar nach all dem hi<strong>er</strong> von ihm Durchlittenen)<br />

gleichzeitig das reinigende Feu<strong>er</strong> – quasi il purgatorio d<strong>er</strong> Divina Comedia<br />

Dante Alighi<strong>er</strong>is.<br />

‚Die Wien<strong>er</strong> Komödianten’ hatten all<strong>er</strong>dings den Bistring<strong>er</strong> in Haft, sodaß<br />

man den nicht befragen konnte.<br />

24 H<strong>er</strong>eingestoßen wird ein weit<strong>er</strong><strong>er</strong> Skinhead von den eilf<strong>er</strong>tigen<br />

Gendarmen, die zuvor jahrelang diesen schrägen Holden gegenüb<strong>er</strong> untätig<br />

gewesen waren. Neu<strong>er</strong>dings h<strong>er</strong>rscht <strong>er</strong>frischend<strong>er</strong> Aktionismus vor.<br />

„Ihr Name bitte?“.<br />

„I sog nix!“.<br />

„Also wahrscheinlich sind Sie Kelte wie Ast<strong>er</strong>ix od<strong>er</strong> V<strong>er</strong>cingetorix (d<strong>er</strong><br />

Av<strong>er</strong>n<strong>er</strong>). San se a W<strong>er</strong>n<strong>er</strong> (ein Wien<strong>er</strong>)?“.<br />

“I sog nix!”.<br />

“Das hatten wir schon! Was also kann ich für Sie tun. Die Polizei ist<br />

neu<strong>er</strong>dings eine S<strong>er</strong>vice-Einrichtung und da wir somit Dien<strong>er</strong> uns<strong>er</strong>es<br />

Staates sind, die auch aus Ihren AMS-Abgaben mitfinanzi<strong>er</strong>t w<strong>er</strong>den, legen<br />

Sie bitte Ihre Wünsche und Hoffnungen dar. Zeigen Sie mir Ihr Gesicht<br />

und Ihren unsagbaren Schm<strong>er</strong>z, damit ich Ihnen bei dessen Bewältigung<br />

behilflich sein kann!“.


67<br />

Das ist nun kein ätzend<strong>er</strong> Schmäh, das meint Quastorf tatsächlich<br />

<strong>er</strong>nst, denn an ihm ist – wie b<strong>er</strong>eits angedeutet – ein Psychologe in die<br />

Binsen g<strong>er</strong>aten. Und freilich auch ein Th<strong>er</strong>apeut, wie <strong>er</strong> sich selbst v<strong>er</strong>steht.<br />

D<strong>er</strong> Sebastian Übelbach<strong>er</strong> (so heißt d<strong>er</strong> ‚Isognix’ im Alltag) ist nicht nur<br />

von den gest<strong>er</strong>n Abend konsumi<strong>er</strong>ten sechzehn Dosen Gambrinus<br />

nochimm<strong>er</strong> blunzenfett, sond<strong>er</strong>n auch von d<strong>er</strong> Höflichkeit und d<strong>er</strong><br />

liebevollen Art des Ob<strong>er</strong>stleutnant Quastorf <strong>er</strong>schlagen (denn noch nie in<br />

seinem ganzen v<strong>er</strong>korksten Leben hat ihn w<strong>er</strong> so liebevoll wahrgenommen – als Mensch –<br />

wovon <strong>er</strong> niemals gehört hatte, daß <strong>er</strong> ein<strong>er</strong> sei!).<br />

„Heans kummans ma net deppat!“.<br />

Gut<strong>er</strong> Bulle/bös<strong>er</strong> Bulle; Quastorf ist beides in P<strong>er</strong>sonalunion!<br />

„Klartext! Wo waren Sie am 17.5. zwischen 14 und 16 Uhr?“.<br />

„Na in Hoadnstoa; bein Training mit de aundan!“.<br />

„In Heidenstein also; bei d<strong>er</strong> treyeangle, wo seit Jahren kein St<strong>er</strong>blich<strong>er</strong> mehr<br />

Zutritt hat. Sie müssen sich schon was Bess<strong>er</strong>es einfallen lassen!“.<br />

„Na, i hob’s vawex’lt; in Staabruch woar i; in da Saundgruab’n!”.<br />

„Zu d<strong>er</strong> Zeit war beim Kaibling<strong>er</strong> im Diabas-Bruch Vollbetrieb; die hätten<br />

Sie doch garnicht reingelassen! Zigarre gefällig?“ und reicht ihm einen<br />

Krummen Hund.<br />

„Des Scheißkraut, wos da Paradeis<strong>er</strong> – de schwule Sau – raucht, kaunnst Da<br />

am Oasch pick’n!“. Na warum nicht gleich!<br />

„Festnahme H<strong>er</strong>r Web<strong>er</strong>; d<strong>er</strong> Mann will nicht rauchen, sond<strong>er</strong>n dunsten!“.<br />

„Bist deppat wuan; i woas ned, da Vick<strong>er</strong>l hod eam aufg’mischt, weul’a de<br />

Kist’n ned außageb’n hot!“.<br />

Für heute schickt <strong>er</strong> alle heim, denn das war aussagekräftig genug.<br />

D<strong>er</strong> Ludwig ‚Vick<strong>er</strong>l’ Etzdorf<strong>er</strong> sitzt zwar noch hoch<strong>er</strong>richteten Hauptes<br />

auf d<strong>er</strong> Wartebank, ab<strong>er</strong> dem wird <strong>er</strong> morgen nachhaltig die Schneid<br />

abkaufen müssen.<br />

„H<strong>er</strong>r Hanfthal<strong>er</strong>, organisi<strong>er</strong>en Sie eine lückenlose Rund-um-die-Uhr-<br />

Üb<strong>er</strong>wachung des Burgstall<strong>er</strong>s und des Etzdorf<strong>er</strong>s; <strong>er</strong>st<strong>er</strong><strong>er</strong> ist vorläufig d<strong>er</strong><br />

Hauptv<strong>er</strong>dächtige!“.


68<br />

D<strong>er</strong> Angesprochene klemmt sich sogleich hint<strong>er</strong> diese Aufgabe und<br />

betraut die ganze Mannschaft damit.<br />

25 Am nächsten Tag in all<strong>er</strong> Früh baut sich d<strong>er</strong> Dr. Schoitl von d<strong>er</strong><br />

Staatssich<strong>er</strong>heit vor dem – sich wied<strong>er</strong>einmal in schweißnassen Träumen<br />

v<strong>er</strong>irrt habenden – von d<strong>er</strong> Nacht geschwächten Quastorf auf.<br />

„Sind Sie vollkommen von Sinnen, daß Sie sich in so ein heikles T<strong>er</strong>rain wie<br />

Wied<strong>er</strong>betätigung einmischen!“. Gute Th<strong>er</strong>apeuten könnten selbst dem helfen,<br />

denkt Quastorf. Ein bloß<strong>er</strong> – von geschulten Leuten durchgeführt<strong>er</strong> –<br />

Substanz-Entzug würde ihm schon ein wenig nützen! Denn Koks und<br />

Wodka v<strong>er</strong>bess<strong>er</strong>t nicht die eigene Unvollkommenheit.<br />

Saufnase in einem farblichen Changi<strong>er</strong>en von Pupur und Zartrosa mit<br />

all den typischen Zeichen eines Rhinophyms; Spinnen-Mutt<strong>er</strong>male am<br />

ranzig riechenden Hemd-Ausschnitt eingebettet in die olivefarbene Haut.<br />

Da muß man als Polizei-Angehörig<strong>er</strong> schon froh sein, daß soche Leute nur<br />

eh<strong>er</strong> selten vor die Kam<strong>er</strong>as d<strong>er</strong> Medien g<strong>er</strong>aten.<br />

Vorgeblich um ‚geheim <strong>er</strong>mitteln zu können’, ab<strong>er</strong> Quastorf meint<br />

eh<strong>er</strong>, daß denen ihr Rasi<strong>er</strong>spiegel von öffentlichen Auftritten abrät!<br />

„Die Akzeptanz uns<strong>er</strong><strong>er</strong> Grenzen ist uns<strong>er</strong> all<strong>er</strong> sinnvolles Maß!“ kann<br />

sich’s H<strong>er</strong>r Quastorf nicht entsteißen. D<strong>er</strong> strenge Blick des im<br />

Eigenv<strong>er</strong>ständnis üb<strong>er</strong> ihm stehenden Akademik<strong>er</strong>s kratzt ihn nur wenig.<br />

„Was Sie in Wien finden und was hi<strong>er</strong> auf d<strong>er</strong> Böhmischen Masse<br />

tatsächlich abläuft, ist grundv<strong>er</strong>schieden, wenn es auch ähnliche Wurzeln<br />

des Übels haben könnte!“. Die Saufnase wirkt z<strong>er</strong>stört.<br />

„Wir sollten bess<strong>er</strong> koop<strong>er</strong>ativ zusammenarbeiten; ist das in Ihrem Sinn?!“.<br />

„Halte ich für eine gute Idee von Ihnen“ meint Quastorf diplomatisch trotz<br />

sein<strong>er</strong> chronischen Müdigkeit.<br />

„Zusammenarbeit ist gut. Wir schnüren den Ring imm<strong>er</strong> eng<strong>er</strong> und Sie<br />

v<strong>er</strong>haften die Burschen!“. Die Halbh<strong>er</strong>zigkeit d<strong>er</strong> B<strong>er</strong>eitschaft zur<br />

V<strong>er</strong>folgung Rechtsradikal<strong>er</strong> durch diesen Typen riecht Quastorf im Urin als<br />

alt<strong>er</strong> Link<strong>er</strong>.


69<br />

„Wie oft in Ihrem Leben haben Sie eigentlich liebende Zuwendungen<br />

<strong>er</strong>fahren?“ schießt <strong>er</strong> ihn danach an. Baff ist d<strong>er</strong>, denn das hat ihn noch<br />

niemand gefragt.<br />

„Auslöschen muß man alle Staatsfeinde; und es kann keinen Pardon geben!<br />

Liebe; was soll die blöde Frage. Härte und Durchsetzung d<strong>er</strong> Gesetze ist<br />

uns<strong>er</strong>e Aufgabe! Sie sind doch auch so ein<strong>er</strong>!“ (Richtig heiß redet sich d<strong>er</strong>).<br />

So ganz glaubt ihm Quastorf das nicht, denn d<strong>er</strong> windet sich in<br />

unsichtbaren Schm<strong>er</strong>zen.<br />

Leid<strong>er</strong> knöpft sich jetzt d<strong>er</strong> Dr. Schoitl die ganze Glatzen-Partie vor,<br />

ehe <strong>er</strong> selbst das noch zuende führen konnte und schließt ihn von den<br />

V<strong>er</strong>hören aus, was natürlich sich<strong>er</strong> alles soweit v<strong>er</strong>dirbt, daß Quastorf<br />

danach schlecht<strong>er</strong>e Karten haben wird. Denn d<strong>er</strong> linear vorgehende Jurist<br />

wird die ohnehin v<strong>er</strong>bockten Raub<strong>er</strong>sbuben noch innig<strong>er</strong> miteinand<strong>er</strong><br />

v<strong>er</strong>schweißen, sodaß Quastorf sich danach an denen die Zähne ausbeißen<br />

wird müssen. Da vorauszusehen ist, daß <strong>er</strong> an dies<strong>er</strong> Front nicht mehr viel<br />

weit<strong>er</strong>kommen kann, wird <strong>er</strong> sich morgen ein and<strong>er</strong>es Aufgabengebiet<br />

vornehmen und ein paar Randfiguren befragen.<br />

Für heute gehen alle zu Bett. Quastorf in seinem geliebten<br />

Rappoltsgschwendt und d<strong>er</strong> Staatspolizeil<strong>er</strong> im Gasthof zum ‚Fidelen<br />

Holzhack<strong>er</strong>’ in G<strong>er</strong>fritz. Morgen wird d<strong>er</strong> ein Frühstücks-Buffet haben mit<br />

Carpaccio vom Leb<strong>er</strong>käse, geschmacksarme Separator-Hühn<strong>er</strong>-Nuggets an<br />

g<strong>er</strong>östeten Erdapfeln (und als vegetarische Alt<strong>er</strong>native: Salat mit Putenstreifen).<br />

Zu mittag nur ‚Hawei-Schnitzel’ (mit angedorrten Dosenananas-Ringen)<br />

od<strong>er</strong> Frankfurt<strong>er</strong> im Senf-Beet an vorgestrigem Schwarzbrot. D<strong>er</strong><br />

gefürchtete Mucha fährt in diese kulinarische Sahelzone garnicht mehr hin!<br />

26 Noch vor den and<strong>er</strong>en ist d<strong>er</strong> Web<strong>er</strong> schon da mit dem H<strong>er</strong>wig<br />

Burgstall<strong>er</strong> in Acht<strong>er</strong>n (Acht<strong>er</strong> sind im Rotwelsch Handschellen).<br />

„Na bitte ab<strong>er</strong> gleich weg damit. D<strong>er</strong> H<strong>er</strong>r Burgstall<strong>er</strong> hat doch Würde und<br />

Anstand und aufgrund sein<strong>er</strong> völkischen Bewußtheit sich<strong>er</strong> soviel Stolz, daß<br />

<strong>er</strong> bestimmt nicht flüchten wird! Od<strong>er</strong> haben Sie was zu v<strong>er</strong>b<strong>er</strong>gen?“. Subtil<br />

schleicht sich Quastorfs Befragungs-Stil unt<strong>er</strong> die Haut d<strong>er</strong> im eigenen<br />

vord<strong>er</strong>gründigen Selbstv<strong>er</strong>ständnis abgebrühten Charakt<strong>er</strong>e. Und trifft<br />

damit wie d<strong>er</strong> v<strong>er</strong>liebte Schießbuden-Benütz<strong>er</strong> die Plastik-Rose am Stil.


70<br />

„V<strong>er</strong>b<strong>er</strong>gen; na gengans! D<strong>er</strong> Wappl<strong>er</strong> von d<strong>er</strong> Stapo hod ma des scho<br />

gest<strong>er</strong>n audicht’n woinn – nix do; mit mia ned!“.<br />

„Mit d<strong>er</strong> sein<strong>er</strong>zeitigen GeStaPo, die uns allen gottlob v<strong>er</strong>lorengegangen ist,<br />

hätten Sie so nicht reden können; da wären Sie schon im Sprechzimm<strong>er</strong><br />

gelandet, wo die alles aus Ihnen h<strong>er</strong>ausgeprügelt hätten!“.<br />

„Na wos denn?“.<br />

„Na zum Beispiel, wo Sie am 17.5. nachmittag waren!“.<br />

„Mit de Foabkug’ln haum ma hoit g’schoss’n in da Saundgruam bei da oid’n<br />

Gloshitt’n!“.<br />

„Sie w<strong>er</strong>den lachen, ab<strong>er</strong> das glaube ich Ihnen jetzt tatsächlich! Und dann<br />

sind Sie allein auf die Idee gekommen, den Adensam<strong>er</strong> aufzumischen.“<br />

„Net i alaanich; mia woan do olle mitanaund duat!“. Jetzt hat ihn<br />

Chefinspektor Quastorf im Schwitzkasten; denn nun beginnt b<strong>er</strong>eits die<br />

Selbstz<strong>er</strong>störung des brüchigen Lügengebäudes zu wirken.<br />

„Nein Sie waren alleine, denn d<strong>er</strong> Vucovich war im alten Ziegelofen und<br />

d<strong>er</strong> Übelbach<strong>er</strong> sogar an zwei Stellen gleichzeitig; nämlich in Heidenstein<br />

und im Steinbruch (die Bilokation schaffen normal<strong>er</strong>weise nur Heilige) und Sie,<br />

mein lieb<strong>er</strong> H<strong>er</strong>r Burgstall<strong>er</strong> waren somit als einzig<strong>er</strong> am Tatort, zum<br />

Zeitpunkt, da d<strong>er</strong> Adensam<strong>er</strong> gefolt<strong>er</strong>t wurde! Den Bistring<strong>er</strong> können wir<br />

nicht fragen, denn d<strong>er</strong> Depp hat sich in Wien etwas zu weit aus dem<br />

Fenst<strong>er</strong> gehängt und die and<strong>er</strong>en Kam<strong>er</strong>aden w<strong>er</strong>den heute auch noch<br />

int<strong>er</strong>essante ‚Volks-Lied<strong>er</strong>’ singen, denke ich!“.<br />

„Naa; mia woan olle in da Saundgruam mit de Foab-G’wehr und von<br />

Adensam<strong>er</strong> woa ka Red; dea hot se do imma vasteckt, waunn mia kumma<br />

san, weull a se g’fiacht hod vua uns“.<br />

„Zurecht – habt Ihr ihn schon früh<strong>er</strong> eingeschücht<strong>er</strong>t?“.<br />

„Jo – meingott – glei am Aufaung; weu mia woit’n freulich unsa Ruah hom;<br />

damit a uns hoit net auzagt!“.<br />

„Wissen Sie was? Sie schlafen heute Nacht bei uns zur B<strong>er</strong>uhigung und<br />

damit Ihnen nichts zustoßen kann von den ‚lieben Kam<strong>er</strong>aden’“.


71<br />

„Sann’S varruckt? I bleib do net bei Eich, waunns nix in da Haund hobts<br />

geg’n mi; es Oaschficka!“.<br />

„Sie w<strong>er</strong>den bleiben zu Ihrem eigenen Vorteil! Abführen Web<strong>er</strong>!“.<br />

Quastorf fühlt sich eingeengt von d<strong>er</strong> abstoßenden Kälte des<br />

V<strong>er</strong>hörzimm<strong>er</strong>s, das irgendwie stickig wirkt. Er muß hinaus.<br />

27 V<strong>er</strong>bess<strong>er</strong>t hat <strong>er</strong> sich’s nicht, da <strong>er</strong> nach G<strong>er</strong>fritz in den Fidelen<br />

Holzhack<strong>er</strong> gefahren ist, denn gegenüb<strong>er</strong> dies<strong>er</strong> Wirtshausluft wäre<br />

Stickigkeit noch richtig heilsam für die Lungen. D<strong>er</strong> Dr. Schoitl war<br />

gottseidank schon wied<strong>er</strong> grußlos abgewand<strong>er</strong>t in die Großstadt, wo <strong>er</strong><br />

sich<strong>er</strong> einen öden B<strong>er</strong>icht abfassen wird, d<strong>er</strong> keinen Schwanz int<strong>er</strong>essi<strong>er</strong>t.<br />

D<strong>er</strong> Kalling<strong>er</strong> – so heißt d<strong>er</strong> Wirt – ist kein Kind von Traurigkeit und<br />

schon zu Mittag leicht illumini<strong>er</strong>t (vielleicht g<strong>er</strong>ade, weil <strong>er</strong> doch betrau<strong>er</strong>t, daß seine<br />

Gen<strong>er</strong>ation den Nied<strong>er</strong>gang des einst flori<strong>er</strong>enden Gastgew<strong>er</strong>bes <strong>er</strong>dulden muß). Sein<br />

Vat<strong>er</strong> hat noch 80 – 100 Vieh-Händl<strong>er</strong> an den Markttagen bewirten dürfen,<br />

die nach den <strong>er</strong>folgreichen Abschlüssen ihr<strong>er</strong> Geschäfte Hektolit<strong>er</strong> Bi<strong>er</strong> und<br />

Wein v<strong>er</strong>trunken haben nach Konsumation von bis zu 30 Zwei-Kilo-<br />

Schopfbraten, die seine Mutt<strong>er</strong> in den drei riesigen H<strong>er</strong>den zu all<strong>er</strong><br />

Zufriedenheit geschmurgelt hatte. Ab<strong>er</strong> in den letzten Jahren ist das<br />

Geschäft den Bach hinunt<strong>er</strong> gegangen. Schuld daran war die Z<strong>er</strong>schlagung<br />

des regionalen Viehhandels durch die üb<strong>er</strong>regionalen Groß-Schlachthöfe<br />

und die int<strong>er</strong>nationale Speditionsmafia, ab<strong>er</strong> zusätzlich sich<strong>er</strong> die v<strong>er</strong>trottelte<br />

Idee von Raumplan<strong>er</strong>n, daß eine weiträumige Umfahrung von G<strong>er</strong>fritz<br />

<strong>er</strong>ford<strong>er</strong>lich und zur Prosp<strong>er</strong>ität d<strong>er</strong> Gegend zielführend wäre!<br />

Heute, wie jede Woche, trifft sich hi<strong>er</strong> d<strong>er</strong> Stammtisch d<strong>er</strong> Alten<br />

Kam<strong>er</strong>aden – d<strong>er</strong> unv<strong>er</strong>meidbare örtliche Kam<strong>er</strong>adschafts-Bund. Zwei-drei<br />

weit üb<strong>er</strong> achzigjährige Stalingrad-Teilnehm<strong>er</strong> sitzen zwar auch noch da<br />

(üb<strong>er</strong>proportional viele Waldvi<strong>er</strong>tl<strong>er</strong> wurden sein<strong>er</strong>zeit in Stalingrad v<strong>er</strong>heizt; ab<strong>er</strong><br />

seltsam<strong>er</strong>weise hatten bis vor wenigen Jahren auch noch statistisch mehr von denen üb<strong>er</strong>lebt<br />

als aus den restlichen Deutschen Rekruti<strong>er</strong>ungsgebieten) ab<strong>er</strong> es sind zum Erstaunen<br />

Quastorfs die meisten Mitglied<strong>er</strong> jüng<strong>er</strong> als <strong>er</strong> (was haben die mit Revanchismus<br />

und Krieg am Hut?).<br />

Er denkt, daß das eine gute Möglichkeit wäre, Hint<strong>er</strong>grund-<br />

Informationen zu <strong>er</strong>halten und schallt an den Stammtisch „ist irgendw<strong>er</strong><br />

von Euch zufällig aus Strones?“.


72<br />

Betretenes Schweigen. Dann kommt langsam die keuchende Frage<br />

„w<strong>er</strong> wü denn denn des wiss’n?“ von einem d<strong>er</strong> alten Haudegen.<br />

„Nur so; es könnte doch irgendw<strong>er</strong> Wichtig<strong>er</strong> von dort h<strong>er</strong>stammen – ich<br />

hab’ da was gefunden!“. Lange nichts.<br />

„Se san oba net von do; göö? Weu sunst wissat’ns, daß unsan Führ<strong>er</strong> – en<br />

Adili – sei Großmuadta von duot woa!“. Quastorf m<strong>er</strong>kt, daß <strong>er</strong> in ein<br />

Wespennest gestochen hat und lenkt ab.<br />

„Ich habe das Buch Die alte Heimat gelesen und bin betroffen von den<br />

entsetzlichen Schicksalen, die damals gutgläubigen Landwirten angetan<br />

wurden; ein schreckliches Unrecht!“.<br />

„Wos haßt do Unrecht; des hot hoit sei miaßen, waunn ma a Reich aufbaut!<br />

Des woa ollas richtig; meine Öltan haum a wos Neix kriagt in Krumau – in<br />

Äpfelgschwendt woa jo eh ka Sei! Und guat ohgoit’n hod a uns a; da Adili“.<br />

Quastorf wird nie v<strong>er</strong>stehen, warum man jemandem, d<strong>er</strong> schuld an<br />

Krieg, Not und d<strong>er</strong> eigenen Invalidität ist, einen Kosenamen zuordnet.<br />

„Was wissen Sie von v<strong>er</strong>grabenen Papi<strong>er</strong>en in diesem Zusammenhang?“.<br />

„Eastens geht di des nix au, wos bei uns domois woa – oisa Zuagrasta –<br />

und zweitens ‚haben wir damals an d<strong>er</strong> Ostfront uns<strong>er</strong>e Jugend und Gesundheit in den<br />

Abwehrkampf des Deutschen Volkes gegen die Erob<strong>er</strong>ungslust des Russen in die<br />

Schlacht geworfen’ – se junga Tupf, dea ka Idee von Vat<strong>er</strong>landsliebe hot; a so a<br />

Kommunist’n-Bei’l!“.<br />

„Ein wenig habe ich auch mitbekommen; mein Vat<strong>er</strong> war imm<strong>er</strong>hin ein<br />

Memeldeutsch<strong>er</strong> aus Ostpreussen, d<strong>er</strong> auch vor den Russen flüchten mußte<br />

wegen dieses unsäglichen Krieges!“.<br />

„A so is des; da Bua von an Fauhnanflichtling wü uns wos dazöhn? No<br />

dazua a Scheiß-Preiß! Des haumma scho g’fressn! De san do domois olle<br />

davogrennt ibas zuagfruahrane Haff und haumm uns Ostmärkl<strong>er</strong> de haße<br />

Supp’n ausläffen loss’n in zwaraviaz’g<strong>er</strong>-Johr; de feig’n Hund. Daweu haum<br />

mia in Stalingrad en Russ’n eig’hatzt”.<br />

Quastorf v<strong>er</strong>steht schon den alten Schm<strong>er</strong>z, da die nicht flüchten<br />

konnten aus d<strong>er</strong> Einkesselung in Stalingrad und so sie das seltene Glück<br />

hatten zu üb<strong>er</strong>leben, zu tausenden in die russischen Lag<strong>er</strong> gesteckt wurden,<br />

wo sie bei faulig<strong>er</strong> Krautsuppe, wurmigem Erbsenbrei und schimmligem


73<br />

Brot; bei Ruhr, Typhus, Fleckfieb<strong>er</strong>, Wanzen und Krätze ihre teils<br />

brandigen Schußwunden weitgehend ohne ärztliche Hilfe selten ab<strong>er</strong> doch<br />

üb<strong>er</strong>leben mußten!<br />

Und unglaublich viele haben das üb<strong>er</strong>lebt trotz Lungen-Steckschuß;<br />

oft sogar bis ins hochbetagte Alt<strong>er</strong> – da wird man natürlich hart und<br />

v<strong>er</strong>bitt<strong>er</strong>t! Und quasi wie beim Stockholm-Syndrom formi<strong>er</strong>t sich eine<br />

psychische V<strong>er</strong>arbeitungs-Strategie, die den eigentlichen V<strong>er</strong>ursach<strong>er</strong><br />

unzulässig glorifizi<strong>er</strong>t. Denn jegliche Sinnhaftigkeit des V<strong>er</strong>lustes von Arm<br />

od<strong>er</strong> Bein, jeglich<strong>er</strong> V<strong>er</strong>zicht auf eine unbeschw<strong>er</strong>te Jugend – ja jed<strong>er</strong><br />

Lebens-Sinn – ginge v<strong>er</strong>loren, wenn man sich unt<strong>er</strong> diesen Bedingungen<br />

nicht gänzlich mit dem System solidarisi<strong>er</strong>en und identifizi<strong>er</strong>en würde!<br />

Quastorf hat sich unsensibel in die Nesseln gesetzt und offenkundig<br />

kein Fettnäpfchen ausgelassen; das muß <strong>er</strong> jetzt repari<strong>er</strong>en.<br />

„Ein Mensch ist <strong>er</strong>mordet worden wegen dieses Dokumentenfundes;<br />

v<strong>er</strong>gessen Sie Ihre Erinn<strong>er</strong>ungen und helfen Sie mir bitte!“.<br />

D<strong>er</strong> Wortführ<strong>er</strong> Schm<strong>er</strong>bach<strong>er</strong> (kantiges Gesicht, gepflegte Uniform-Teile,<br />

viele Orden an d<strong>er</strong> Brust wie ein Russengen<strong>er</strong>al. Alt<strong>er</strong> nicht einschätzbar! Achtundsechzig<br />

ginge optisch; geschichtlich gesehen muß d<strong>er</strong> mindestens neunundachzig sein!) v<strong>er</strong>läßt den<br />

Tisch, um seine prostatischen Probleme mit dem Pissoir auszufechten. Im<br />

H<strong>er</strong>einkommen sagt <strong>er</strong>:<br />

„Von d<strong>er</strong>a Kist’n haumm eh olle g’redt und koana hot glaubt, daß’as gabat!<br />

I woa in vi<strong>er</strong>z’ga-Joah amoi auf Heimat-Urlaub von da Westfront und do<br />

hot ma domois mei Oide dazöht, daß de SS in davuarig’n Joah a riesen<br />

G’s<strong>er</strong>ras g’mocht hot in Kla-Mott’n. Gaunz narrisch woan’s und haum in<br />

Pfoahof umanaundag’stiaht und ollas weggag’fiaht und daunn auzundt’n. In<br />

Hoad’nstoa haumm’s Zeig vagrobn und kana hod se auskennt. Und de Leit<br />

haumm hoit dazöht, daß des irgenda Schotz sei muaß“.<br />

„Koarl, bring no a Runde!” tönt es nun von einem d<strong>er</strong> Mitglied<strong>er</strong> des<br />

Ordens, d<strong>er</strong> die Gnade d<strong>er</strong> späten Geburt v<strong>er</strong>tritt. D<strong>er</strong> schon etwas leichtfüßige<br />

Kalling<strong>er</strong> schafft das Begehrte sogleich h<strong>er</strong>bei.<br />

„Wos san’s denn so neigi<strong>er</strong>ich; des int<strong>er</strong>essi<strong>er</strong>t do heit ka Sau mehr?“.<br />

„Ich muß imm<strong>er</strong>hin einen Mord aufklären! Was wissen Sie üb<strong>er</strong> die<br />

Nibelungen-Schar?“.


74<br />

„Na deppate Buam san des, de koa Auhnung net haum von da Geschichte;<br />

denan is fad in Hian, weu’s orbeits-scheich san; da Oabeitsdienst föht<br />

eahna! D<strong>er</strong> bläde Burgstoll<strong>er</strong> woit uns de Kist’n um siebsgtaus’nd Euro<br />

audrahn, damit a’s net da Zeidung gibt. Des Göd haum’ma do goanet und<br />

es war’ sowieso g’scheid<strong>er</strong>, waunn des Glumpat auf ewich vaschwindat!“.<br />

Quastorf hat genug gehört „H<strong>er</strong>r Wirt, was bin ich schuldig?“.<br />

„Paßt scho, des haum de von Staummtisch zoiht!“.<br />

„Danke für Ihre Mühe und für die Einladung!“ und Quastorf seilt sich ab.<br />

Heute Abend gönnt sich H<strong>er</strong>r Quastorf ein wenig Entspannung. In<br />

seinem umgebauten Bau<strong>er</strong>nhof in Rappoltsgschwendt gibt <strong>er</strong> sich den<br />

Atmosphères von György Ligeti hin. Ein wenig von dem nun endlich f<strong>er</strong>tigen<br />

selbst-g<strong>er</strong>äuch<strong>er</strong>ten Karpfen genießt <strong>er</strong> mit in V<strong>er</strong>zückung v<strong>er</strong>drehten<br />

Augäpfeln. Ob<strong>er</strong>skren v<strong>er</strong>steht sich von selbst dazu und in Knoblauch<br />

ang<strong>er</strong>östete Schwarzbrot-Scheiben. Ein trocken<strong>er</strong> Veltlin<strong>er</strong> kommt <strong>er</strong>st<br />

danach zu seinem Recht, denn das ist auch so eine weit<strong>er</strong>e Eigenart von<br />

Quastorf, daß <strong>er</strong> nicht g<strong>er</strong>ne zu Speisen trinkt; <strong>er</strong>st danach.<br />

Er findet üb<strong>er</strong>haupt, daß man alle wesentlichen V<strong>er</strong>richtungen des<br />

Lebens ausschließlich betreiben sollte. Nur essen od<strong>er</strong> trinken od<strong>er</strong> lesen<br />

od<strong>er</strong> schreiben od<strong>er</strong> f<strong>er</strong>nsehen etc. – und sonst nichts!<br />

Nur bei Musikgenuß macht <strong>er</strong> da oft eine Ausnahme und raucht eine<br />

sein<strong>er</strong> seltenen Drei<strong>er</strong> od<strong>er</strong> genehmigt sich dazu das eine od<strong>er</strong> and<strong>er</strong>e Glas<br />

Welschriesling mit geschlossenen Augen. Nichts jedoch haßt <strong>er</strong> mehr als<br />

aufoktroyi<strong>er</strong>te Kaufhaus-Musik od<strong>er</strong> den musikalischen Hint<strong>er</strong>grund im<br />

China-Restaurant. Neu<strong>er</strong>dings wird einem sogar in Liften und beim<br />

modischen Zahnarzt die professionelle Schleifen-Musik von zu F<strong>er</strong>tig-<br />

Suppe v<strong>er</strong>kommenen Vivaldi- und Bach-W<strong>er</strong>ken angetan. Weihnachten ist<br />

musik-bezüglich ohnehin d<strong>er</strong> absolute Horror!<br />

28 In d<strong>er</strong> Dienststelle sitzen schon wied<strong>er</strong> die sechs Skins auf d<strong>er</strong><br />

Wartebank aufgefädelt. D<strong>er</strong> V<strong>er</strong>gleich mit ein<strong>er</strong> P<strong>er</strong>lenkette <strong>er</strong>gibt sich<br />

all<strong>er</strong>dings <strong>er</strong>st im zweiten Hinsehen (und da auch nur für den radikalen<br />

Philanthropen!). Irgendwie schon: Die seltsam schimm<strong>er</strong>nden Kahlköpfe im<br />

Wid<strong>er</strong>schein d<strong>er</strong> teilweise defekten Neonröhren; gefaßt all<strong>er</strong>dings in nicht


75<br />

ganz saub<strong>er</strong>e Tarn-Bekleidung, die selbst in frisch gewaschenem Zustand in<br />

ihr<strong>er</strong> Todessehnsucht abstoßend wirkt.<br />

Rechts und links dieses seltsamen Geschmeides – gleichsam als<br />

Schließen – je ein Gendarm (das Schließenhafte wird noch betont durch die unnötigen<br />

Handschellen).<br />

„Also bitte H<strong>er</strong>r Grasl (wendet <strong>er</strong> sich an die ‚linke Schließe’); ich hab das schon<br />

vor Tagen dem Web<strong>er</strong> gesagt: Keine Acht<strong>er</strong> bitte! Wir sind hi<strong>er</strong> nicht bei<br />

Dreharbeiten; od<strong>er</strong> sehen Sie irgendwo Kam<strong>er</strong>as?!“. Ein wenig v<strong>er</strong>legen<br />

krümmt sich die dadurch indirekt g<strong>er</strong>ügte ‚rechte Schließe’.<br />

„Bitte alle vorläufig nach Hause; ich habe and<strong>er</strong>e Aufgaben“. Nein die<br />

Glatzen will <strong>er</strong> sich heute nicht mehr antun. Durch dieses ständige<br />

Wechselbad von V<strong>er</strong>dächtigungen, Befragungen, Schein-V<strong>er</strong>haftungen und<br />

tol<strong>er</strong>antem Laufenlassen, <strong>er</strong>hofft sich Quastorf emotionale<br />

V<strong>er</strong>unsich<strong>er</strong>ungen, die zur Instabilität d<strong>er</strong> harten Burschen beitragen<br />

könnten. Solch<strong>er</strong>art w<strong>er</strong>den sie z<strong>er</strong>brechen.<br />

Kaum sind die murrend abgezogen, stürzt d<strong>er</strong> Dez<strong>er</strong>natsleit<strong>er</strong><br />

Kuchlbach<strong>er</strong> mit weit aufg<strong>er</strong>issenen Augen aus seinem abgeschiedenen<br />

Kabuff in die Mitte des Büros.<br />

„Sind Sie eigentlich noch zu retten; jetzt haben wir es mühsam unt<strong>er</strong><br />

Aufwand von <strong>er</strong>heblichen Steu<strong>er</strong>mitteln geschafft, alle diese Krätzen<br />

beisammen zu haben und Sie schicken die heim!! Die waren doch schon<br />

praktisch ‚weich’!“.<br />

„Keine Aufregung; was glauben Sie, wie weich die <strong>er</strong>st sein w<strong>er</strong>den, wenn<br />

sich die jetzt ein paar Tage gegenseitig vorw<strong>er</strong>fen können, w<strong>er</strong> schuld daran<br />

ist, daß die Koordination d<strong>er</strong> falschen Alibis so gründlich gescheit<strong>er</strong>t ist!“.<br />

„Sie imm<strong>er</strong> mit Ihren seltsamen kriminologischen Theorien; im Rahmen<br />

welch<strong>er</strong> ihr<strong>er</strong> Fortbildungen haben Sie d<strong>er</strong>lei je unt<strong>er</strong>richtet bekommen?<br />

Langsam beginne ich daran zu zweifeln, daß Sie üb<strong>er</strong>haupt je eine<br />

Ausbildung genossen haben!“.<br />

Diese Antwort gibt ihm Quastorf bess<strong>er</strong> nicht, denn dann würde d<strong>er</strong><br />

Engdenk<strong>er</strong> ihm wied<strong>er</strong> Üb<strong>er</strong>heblichkeit vorw<strong>er</strong>fen, wie schon allzu oft<br />

davor. Seine ‚Theorien’ stammen nämlich allesamt aus d<strong>er</strong> Praxis; denn nur<br />

die Alltags-Realität kann einen brauchbaren Lehr<strong>er</strong> abgeben.


76<br />

29 Apropos Lehr<strong>er</strong>: D<strong>er</strong> F<strong>er</strong>dinand sollte sich auch nicht zu lange<br />

unbeobachtet fühlen. Also sucht <strong>er</strong> ihn des nachmittags im V<strong>er</strong>ein d<strong>er</strong><br />

Freunde des Bogenschieß-Sportes auf. D<strong>er</strong> Öst<strong>er</strong>reich<strong>er</strong> hat allgemein einen<br />

nahezu pathologischen Hang zur V<strong>er</strong>eins-Bildung. Nichts liebt <strong>er</strong> mehr, als<br />

einen Kassi<strong>er</strong><strong>er</strong>, einen Kassenprüf<strong>er</strong>, einen Schriftführ<strong>er</strong> od<strong>er</strong> gar einen<br />

Vorstand zu spielen.<br />

W<strong>er</strong> jetzt <strong>er</strong>wartet, daß es in diesen ländlichen Gebieten nun einen<br />

von d<strong>er</strong> asiatischen Zen-Mentalität geprägten Club d<strong>er</strong> Bogenschützen gäbe,<br />

liegt zwar prinzipiell richtig im Glauben, denn diesen Club gibt es<br />

tatsächlich – ab<strong>er</strong> im f<strong>er</strong>nen Allentsteig. D<strong>er</strong> hiesige V<strong>er</strong>ein befaßt sich<br />

all<strong>er</strong>dings ausschließlich mit Treffgenauigkeit und v<strong>er</strong>läßt sich somit auf die<br />

Hochtechnologie imm<strong>er</strong> ausgefeilt<strong>er</strong><strong>er</strong> Compound-Bögen aus div<strong>er</strong>sen<br />

Metall-Legi<strong>er</strong>ungen und neu<strong>er</strong>dings Carbon.<br />

Mittels üb<strong>er</strong> zahlreiche Umlenk-Rollen geführt<strong>er</strong> Kunststoff-Sehnen<br />

ist es dem Schützen möglich, mit auß<strong>er</strong>ordentlich g<strong>er</strong>ingem Rückhaltezug<br />

von oft nur drei Kilopond (was ruhiges Zielen <strong>er</strong>leicht<strong>er</strong>t) den Pfeil auf bis zu<br />

300 km/h zu beschleunigen. Denn durch die komplizi<strong>er</strong>te Bauart des<br />

Bogens wird d<strong>er</strong> Pfeil von diesem am Abschußpunkt mit bis zu 50<br />

Kilopond v<strong>er</strong>schleud<strong>er</strong>t (diese <strong>er</strong>hebliche Kraft muß man zu Beginn des Spannaktes<br />

all<strong>er</strong>dings zunächst üb<strong>er</strong>winden), was die hohe V 0 <strong>er</strong>klärt. Auch wird die<br />

Präzision durch <strong>er</strong>heblichen technischen Aufwand und durch Zusatzg<strong>er</strong>äte<br />

auf die Spitze getrieben!<br />

Im Gegensatz dazu ist das Schießen mit den Japanischen Bögen, die<br />

manchmal an die zwei Met<strong>er</strong> messen, ein ausschließlich Meist<strong>er</strong>n<br />

vorbehalten<strong>er</strong> Meditations- und Kraftakt. Denn die <strong>er</strong>ford<strong>er</strong>n zwar eine<br />

anfängliche Rückhaltekraft von bloß wenigen Kilos; ab<strong>er</strong> in d<strong>er</strong><br />

entscheidenden Endphase vor dem eigentlichen Entlassen des Pfeiles muß<br />

man imstande sein, imm<strong>er</strong>hin 20 – 30 Kilopond mit 2 – 3 Fing<strong>er</strong>n ruhig<br />

halten zu können (und mittels Unt<strong>er</strong>arm-Protektor an d<strong>er</strong> linken Seite <strong>er</strong>hebliche<br />

Abled<strong>er</strong>ungen d<strong>er</strong> Armhaut v<strong>er</strong>meiden!).<br />

Da kann man sich dem Luxus des sorgfältigen Zielens nicht mehr<br />

hingeben. Da muß man aus d<strong>er</strong> Mitte des Bauches schießen (Großmeist<strong>er</strong><br />

schaffen das mit geschlossenen Augen!); muß selbst zur Sehne, zum Pfeil ja<br />

schließlich sogar zum eigentlichen Ziel w<strong>er</strong>den (was d<strong>er</strong> Bewußte ohnehin ist. Er<br />

muß all<strong>er</strong>dings d<strong>er</strong> Seele zuhören l<strong>er</strong>nen!). Denn die Seele sagt jedem von uns, daß<br />

<strong>er</strong> nur zum eigenen Ziel in d<strong>er</strong> Auseinand<strong>er</strong>setzung mit dem Du w<strong>er</strong>den<br />

kann und es keine Alt<strong>er</strong>native dazu gibt!


77<br />

Wie hat d<strong>er</strong> Wirkliche Hofrat Anisin (in Öst<strong>er</strong>reich gibt es seltsam<strong>er</strong>weise auch<br />

Titular-Hofräte; quasi ‚Unwirkliche Hofräte’ – ab<strong>er</strong> das grenzt an Quantenmechanik<br />

od<strong>er</strong> Zen-Koans und hat somit hi<strong>er</strong> keinen Raum) so treffend gedichtet:<br />

das finden des ziels<br />

ohne den bogen auch nur<br />

leicht zu b<strong>er</strong>ühren<br />

„In Wirklichkeit ist die Wirklichkeit nicht wirklich wirklich“ „und<br />

selbst davon haben wir keinen blassen Schimm<strong>er</strong>“ (hat Quastorf beim<br />

<strong>er</strong>stmaligen Hören dieses von Konfuzius od<strong>er</strong> eventuell sogar Anton Kuh stammenden<br />

Zitates selbiges v<strong>er</strong>vollständigt).<br />

Von all dem kann an diesem Ort freilich keine Rede sein. Hi<strong>er</strong> geht es<br />

um sportlichen Wettkampf und körp<strong>er</strong>liche Ertüchtigung! In den Reihen<br />

dieses V<strong>er</strong>eins finden sich auch ein paar Armbrustschützen, die hi<strong>er</strong> ein<br />

Übungsfeld für die alljährlichen Ritt<strong>er</strong>feste in Eggenburg und auf d<strong>er</strong><br />

Rosenburg sehen, was eine nicht unachtensw<strong>er</strong>te B<strong>er</strong>eich<strong>er</strong>ung d<strong>er</strong><br />

V<strong>er</strong>anstaltungs-Kultur des kargen Landes darstellt. Neu<strong>er</strong>dings w<strong>er</strong>den<br />

diese ‚Freunde’ all<strong>er</strong>dings auch von Kultur-Proleten unt<strong>er</strong>wand<strong>er</strong>t, die d<strong>er</strong><br />

imm<strong>er</strong> mod<strong>er</strong>n<strong>er</strong> w<strong>er</strong>denden Unart des Schießens mit d<strong>er</strong> Armbrust od<strong>er</strong><br />

ein<strong>er</strong> Art Bolzen-Pistole anhängen.<br />

D<strong>er</strong> Ob<strong>er</strong>schütze Hugo Schitzing<strong>er</strong> bittet den neuen Gast freundlich<br />

ins V<strong>er</strong>eins-Lokal „na woi’nn ma a biß<strong>er</strong>l schnupp<strong>er</strong>n?“ (in d<strong>er</strong> Hoffnung ein<br />

potenziell neues Mitglied zu akquiri<strong>er</strong>en). Und auch ein wenig zur Entkrampfung,<br />

denn d<strong>er</strong> bish<strong>er</strong> nochnicht <strong>er</strong>wähnte Ludg<strong>er</strong> Schitzing<strong>er</strong> – sein Sohn – ist<br />

bebenfalls bei den Nibelungen. Gemeinsam mit seinem besten Freund aus<br />

Schultagen Rob<strong>er</strong>t ‚B<strong>er</strong>tl’ Kalchgrub<strong>er</strong>; d<strong>er</strong> Brud<strong>er</strong> d<strong>er</strong> Angi und Sohn des<br />

Forst-Adjunkten im Revi<strong>er</strong> Creutzfeldt-Eibenstein.<br />

„Nein ich hab’ das schon einmal ausprobi<strong>er</strong>t; das liegt mir nicht so – beim<br />

Schießen sind mir schon viel zu viele mein<strong>er</strong> Kunden abhanden gekommen.<br />

Ab<strong>er</strong> ich suche den H<strong>er</strong>rn Paradeis<strong>er</strong>. Mit dem hätte ich ein paar Worte zu<br />

reden. Kann man hi<strong>er</strong> irgendwo ungestört sein?“.<br />

Die kurz aufblitzende Polizeimarke b<strong>er</strong>eitet dem Schitzing<strong>er</strong> etwas<br />

Unbehagen „ab<strong>er</strong> selbstv<strong>er</strong>freilich, waunn’s des unbedingt woinn!“ und holt<br />

den F<strong>er</strong>dinand beflissen vom Schießstand.


78<br />

D<strong>er</strong> <strong>er</strong>scheint martialisch adjusti<strong>er</strong>t mit Design<strong>er</strong>-Dress vom H<strong>er</strong>vis,<br />

eng einschneidenden Leggins im Spid<strong>er</strong>man-Look, die im Schritt sichtlich<br />

v<strong>er</strong>mittels Genitalschutz die atrophi<strong>er</strong>ten Hoden gekonnt üb<strong>er</strong>spielen,<br />

led<strong>er</strong>nem Unt<strong>er</strong>arm-Protektor links und Schußbrille mit hochgekippt<strong>er</strong><br />

Augenklappe, die beim Zielen das v<strong>er</strong>krampfte Zukneifen des linken Auges<br />

<strong>er</strong>übrigt. Denn wenn man das lange macht, bekommt man hartnäckiges<br />

Kopfweh.<br />

Und kaum ein Jüng<strong>er</strong> dies<strong>er</strong> Sportart ist imstande unt<strong>er</strong> mental<strong>er</strong><br />

Ausschaltung d<strong>er</strong> visuellen Eindrücke des nahezu üb<strong>er</strong>flüssigen linken<br />

Auges, dieses offen zu halten. In alten Zeiten wurde dieses Problem durch<br />

Ausschießen, Ausstechen od<strong>er</strong> Ausbrennen des unnötigen Auges in den<br />

div<strong>er</strong>sen Scharmützeln gelöst!<br />

Laboranten, die vor Zeiten noch mit monokularen Mikroskopen<br />

gearbeitet hatten, haben das seit jeh<strong>er</strong> l<strong>er</strong>nen müssen und einige Schweiz<strong>er</strong><br />

Uhrmach<strong>er</strong> sind wegen d<strong>er</strong> einseitigen Lupe v<strong>er</strong>rückt geworden od<strong>er</strong><br />

Ni<strong>er</strong>en-krank durch zuviel Phenacetin-Kopfschm<strong>er</strong>z-Mittel (ab<strong>er</strong> das gehört<br />

nicht hi<strong>er</strong>h<strong>er</strong> in diesem Zusammenhang).<br />

„Sie schon wied<strong>er</strong>! Kann man denn nichteinmal in Ruhe seinem Hobby<br />

nachgehen?“ zieht H<strong>er</strong>r F<strong>er</strong>dinand Paradeis<strong>er</strong> den Dreifing<strong>er</strong>-Handschuh<br />

aus und knallt ihn auf den Tisch.<br />

„Meinen Sie damit die Erforschung des Deutschen H<strong>er</strong>renmenschen, d<strong>er</strong><br />

möglichst ‚bis ins zehnte Glied Juden-rein’ sein muß?“.<br />

„W<strong>er</strong>den Sie nicht geschmacklos; das ist doch heute längst gegessen,<br />

abgeschmackt und gänzlich politisch unkorrekt!“.<br />

„Ganz meine Meinung; ab<strong>er</strong> halten wir uns nicht mit moralischen Vorgaben<br />

auf, sond<strong>er</strong>n reden wir davon, wie Sie es im speziellen handhaben! Sie<br />

beschäftigen sich doch mit Ahnenforschung. Da muß Ihnen doch die<br />

wied<strong>er</strong>holt auftauchende Blech-Kiste ein sehnsüchtiges Anliegen gewesen<br />

sein!“.<br />

„Da sind Sie, H<strong>er</strong>r Inspektor, doch sichtlich wesentlich besessen<strong>er</strong> von<br />

d<strong>er</strong>en Inhalt, den ich selbst nur ganz kurz zu Augen bekommen habe“.<br />

„Die Obsession, die Sie mir zueignen, resulti<strong>er</strong>t doch nur aus Ihr<strong>er</strong> eigenen<br />

dissoziativen Abspaltung; ein durchaus nachvollziehb<strong>er</strong>es Phänomen d<strong>er</strong><br />

Psychologie. Wenn ein hochaufgeladenes eigenes Sehnsuchts-Potenzial


79<br />

un<strong>er</strong>füllbar wird, dichtet man es in and<strong>er</strong>e hinein“ bricht sich d<strong>er</strong> frustri<strong>er</strong>te<br />

Psychologe seinen Weg durch’s Unt<strong>er</strong>holz des Gordischen Knotens.<br />

Quastorf ist nicht b<strong>er</strong>eit wie Alexand<strong>er</strong> d<strong>er</strong> Große 334 v. Chr. diesen<br />

Knoten mit einem Schw<strong>er</strong>thieb zu durchtrennen, damit ihm Asien zufiele.<br />

Nein akribisch entwirren will <strong>er</strong> ihn mit röntgen-äugig<strong>er</strong> Sensibilität (was täte<br />

<strong>er</strong> auch mit Asien, wo <strong>er</strong> doch das Naheliegende schätzt!).<br />

„Bleiben wir bei Ihren Aussagen, wonach Sie die Kiste ‚nur kurz zu Augen’<br />

bekommen hätten; wie kurz und vor allem wann und wo?“ insisti<strong>er</strong>t d<strong>er</strong><br />

lästige Chefinspektor, d<strong>er</strong> nun wie d<strong>er</strong> Feldsch<strong>er</strong> des Dreißigjährigen<br />

Krieges beginnt, die b<strong>er</strong>eits brandige und üblen G<strong>er</strong>uch v<strong>er</strong>breitende<br />

Wunde zu öffnen und sie so schm<strong>er</strong>zhaft zu sani<strong>er</strong>en.<br />

„Getroffen hab’ ich mich halt mit dem Adensam<strong>er</strong>, um ihm den V<strong>er</strong>kauf<br />

d<strong>er</strong> Kiste an die Presse auszureden“ wird <strong>er</strong> koop<strong>er</strong>ativ.<br />

„Woh<strong>er</strong> hatten Sie Kenntnis davon?“.<br />

„D<strong>er</strong> Bistring<strong>er</strong> hat mir davon b<strong>er</strong>ichtet“.<br />

„Und woh<strong>er</strong> konnte d<strong>er</strong> das wissen?“.<br />

„Das haben Sie doch schon alles <strong>er</strong>mittelt; ich bin schließlich auch nicht so<br />

dumm, wie Sie mich halten“ (von einem Deutschlehr<strong>er</strong> hätte sich Quastorf lieb<strong>er</strong><br />

‚einschätzen’ statt ‚halten’ angehört; ab<strong>er</strong> das wird heute nicht mehr so eng gesehen).<br />

„Ihre V<strong>er</strong>bindungen zu d<strong>er</strong> Nibelungen-Schar ist wie entstanden?“.<br />

„Na das waren halt ein wenig emotional v<strong>er</strong>wahrloste Buben, die in d<strong>er</strong><br />

Schule ständig Streiche gespielt und üb<strong>er</strong> viel unausgelastetes Potenzial<br />

v<strong>er</strong>fügt hatten. Und da wollte ich diese destruktiven Strömungen halt<br />

positiv kanalisi<strong>er</strong>en; damit sie eine Aufgabe bekommen!“.<br />

„Und da haben Sie es für sinnvoll <strong>er</strong>achtet, die zu Kampfmaschinen<br />

auszubilden und zu Ihr<strong>er</strong> Privat-Armee h<strong>er</strong>anzuziehen? Jed<strong>er</strong> halbwegs<br />

intelligente Mensch weiß doch, wie gefährlich d<strong>er</strong> manipuli<strong>er</strong>te Mob ist!“.<br />

„Das mit den Glatzen war d<strong>er</strong>en Idee; ich hab’ das ehrlichgesagt als<br />

modische Marotte v<strong>er</strong>kannt! Das hat dann eine Eigendynamik bekommen,<br />

die ich v<strong>er</strong>sucht habe, mittels politisch<strong>er</strong> Bildung und dem Angebot von<br />

geschichtlichen Hint<strong>er</strong>gründen in den Griff zu bekommen!“.


„Offenbar Ihre eigene Lesart; nicht die offizielle Geschichte!“<br />

80<br />

„Wenn Sie so wollen! Haben denn die jeweiligen Machthab<strong>er</strong> das Recht,<br />

Denkvorgaben zu bestimmen; haben Sie das Recht zu beurteilen, was im<br />

Laufe d<strong>er</strong> Geschichte tatsächlich geschehen ist; was wirklich war?<br />

Geschichte ist doch von den üb<strong>er</strong>lebenden Sieg<strong>er</strong>n in unheilig<strong>er</strong> Alianz mit<br />

üb<strong>er</strong>lebenden Wid<strong>er</strong>ständl<strong>er</strong>n <strong>er</strong>funden und in v<strong>er</strong>einheitlichte Formen<br />

gegossenes Unrecht!“.<br />

„Ihrem <strong>er</strong>sten Halbsatz stimme ich zu, ab<strong>er</strong> genau Ihre gestrigen Ideologen<br />

haben doch die Gleichschaltung d<strong>er</strong> unzulässigen Gedanken imm<strong>er</strong> in<br />

besond<strong>er</strong><strong>er</strong> Weise und mit Gewalt durchgesetzt. Auf ihren zweiten Halbsatz<br />

will ich mich garnicht einlassen, denn das Gesagte würde bedeuten, daß nur<br />

die Toten recht haben! Heute w<strong>er</strong>den vielfältige Entscheidungs-Hilfen<br />

demokratisch angeboten – fast imm<strong>er</strong> mit Fakten unt<strong>er</strong>mau<strong>er</strong>t!“.<br />

„Fakten!“. V<strong>er</strong>ächtlich quillt das Wort aus des Lehr<strong>er</strong>s Mund. „Es gibt<br />

auch Betroffenheit!“<br />

„Inwieweit sind Sie betroffen?“.


81<br />

h<strong>er</strong>zstück<br />

1 Was jetzt folgt, ist nicht nur im Rahmen d<strong>er</strong> Befragung am<br />

Schießstand, sond<strong>er</strong>n in einigen anschließenden ‚th<strong>er</strong>apeutischen Sitzungen’<br />

zu Tage geschürft worden von Quastorf, dem Empathen.<br />

Das schw<strong>er</strong>wiegende Er<strong>er</strong>bte des F<strong>er</strong>dinand Paradeis<strong>er</strong> bricht sich<br />

unt<strong>er</strong> teilweise heftigen Weinkrämpfen Raum.<br />

Die Urgroßmutt<strong>er</strong> vät<strong>er</strong>lich<strong>er</strong>seits wußte wenig üb<strong>er</strong> den Erzeug<strong>er</strong><br />

seines Großat<strong>er</strong>s – Ihres Sohnes, da Sie als Dienstmagd auf den<br />

v<strong>er</strong>schiedensten Höfen in d<strong>er</strong> alten Heimat niemals wid<strong>er</strong>sprechen durfte,<br />

wenn dem jeweiligen H<strong>er</strong>rn danach war. Und auf den wenigen<br />

‚Belustigungen’ des kargen Landes ist die männliche Dorfjugend auch nicht<br />

g<strong>er</strong>ade sorgsam mit den nahezu leibeigenen Mägden umgegangen, die sie<br />

sich somit mit ihren Vät<strong>er</strong>n oftmals geteilt hatten.<br />

Dann hat sie einen halbwegs ‚Anständigen’ gefunden; den Johann-<br />

Georg Paradeis<strong>er</strong>, einen Müll<strong>er</strong>sknecht, d<strong>er</strong> sie 1912 genommen hat, wie sie<br />

war – mit ihrem Bank<strong>er</strong>t Franz-F<strong>er</strong>dinand (wennauch nicht sofort geheiratet, so<br />

doch Jahre danach) und so den Sohn legalisi<strong>er</strong>t hat.<br />

In bitt<strong>er</strong><strong>er</strong> Armut mußten sie leben in Kleinmotten; ständig<br />

unt<strong>er</strong>drückt und gedemütigt von den Kleinbau<strong>er</strong>n im lieblichen Döll<strong>er</strong>sheim<strong>er</strong><br />

Ländchen (w<strong>er</strong> da nicht weinen muß, d<strong>er</strong> ist schon tot!).<br />

D<strong>er</strong> Großvat<strong>er</strong> Franz-F<strong>er</strong>dinand hat dann beim alten Schinagl in<br />

Höllweix in fortgeschrittenem Alt<strong>er</strong> noch eine Anl<strong>er</strong>nstelle als Sattl<strong>er</strong><br />

bekommen. Dann nach dem Anschluß ein klein<strong>er</strong> Hoffnungsschimm<strong>er</strong>!<br />

‚Alle müssen weg und bekommen neue und bess<strong>er</strong>e Güt<strong>er</strong> in and<strong>er</strong>en Regionen’, da d<strong>er</strong><br />

Führrr<strong>er</strong>r das Gebiet als Militär-Schießplatz benötigt für den ‚g<strong>er</strong>echten Krieg!’.<br />

Die Paradeis<strong>er</strong>s hatten sich b<strong>er</strong>eits nebenbei ein kleines Wirtschaftel<br />

<strong>er</strong>arbeitet (das hat hauptsächlich die Gromutt<strong>er</strong> aufgebaut und bewirtschaftet) und<br />

hofften so auf ‚einen Sturz nach oben’ durch Entschädigung.<br />

Bekommen haben sie dann ein feuchtes Loch in Höllweix; ein eh<strong>er</strong><br />

als Stadel zu bezeichnend<strong>er</strong> windschief<strong>er</strong> Anbau an das Haus ebendieses<br />

Sattl<strong>er</strong>s Schinagl. (Dem wurde übrigens ebenfalls sein Erbe vom Unrechts-Staat<br />

weggenommen und d<strong>er</strong> durfte nicht murren; <strong>er</strong> wäre sonst als Wehrkraft-Z<strong>er</strong>setz<strong>er</strong>


82<br />

v<strong>er</strong>schickt worden; froh hat <strong>er</strong> sein können, das Hüttel in Höllweix als Ausgleich zu<br />

bekommen).<br />

So hat sich d<strong>er</strong> halt gefügt und dann hat sein Sohn (d<strong>er</strong> junge Schinagl)<br />

den Buben Alois, d<strong>er</strong> nach dem Krieg geboren wurde, ebenfalls zum Sattl<strong>er</strong><br />

ausgebildet, weil sich d<strong>er</strong> inzwischen als ganz geschickt <strong>er</strong>wiesen hatte (eigene<br />

Kind<strong>er</strong> waren ihm leid<strong>er</strong> nicht v<strong>er</strong>gönnt). Und dies<strong>er</strong> Alois hat dann nach dem<br />

frühen Tod des jungen Schinagl die Gew<strong>er</strong>be-B<strong>er</strong>echtigung üb<strong>er</strong>nommen<br />

und eine Zeit lang ganz gut v<strong>er</strong>dient. D<strong>er</strong> Rest d<strong>er</strong> Geschichte ist bekannt.<br />

Viele haben ähnliche Schicksale in den seltsamsten Varianten<br />

durchgemacht. Ein Schuhflick<strong>er</strong>, den es nach Krumbach v<strong>er</strong>schlagen hat,<br />

ein Besenbind<strong>er</strong>, d<strong>er</strong> im Dörfchen Pleink<strong>er</strong>s unt<strong>er</strong>gekommen ist, ein<br />

Großbau<strong>er</strong>, d<strong>er</strong> mit seinen 15 Hektar die Gunst d<strong>er</strong> Stunde genützt und<br />

rechzeitig die Kriegsaktien realisi<strong>er</strong>t hat, bevor sie gleich danach entw<strong>er</strong>tet<br />

wurden. Heute hat d<strong>er</strong> einen schönen Hof in Paltenegg mit 50 Stück Vieh,<br />

32 Hektar Feld<strong>er</strong>n und Wiesen und 60 Hektar Wald!<br />

2 Wie läßt sich die Schmach d<strong>er</strong> ärmlichen und genetisch nicht<br />

nachvollziehbaren H<strong>er</strong>kunft seines Großvat<strong>er</strong>s, die sogar teilweise im<br />

Dunkel d<strong>er</strong> potenziell inzestuösen V<strong>er</strong>strickungen im Ursprungsort sein<strong>er</strong><br />

Vorfahren liegt, nachempfinden (ein Ort mit bloß siebzehn Häus<strong>er</strong>n, aus dem sein<br />

Großvat<strong>er</strong> vät<strong>er</strong>lich<strong>er</strong>seits und die Mutt<strong>er</strong> sein<strong>er</strong> Frau und Cousine, d<strong>er</strong>en Onkel zweiten<br />

Grades <strong>er</strong> gleichzeitig war, da besagt<strong>er</strong> Großvat<strong>er</strong> auch d<strong>er</strong> Urgroßvat<strong>er</strong> mütt<strong>er</strong>lich<strong>er</strong>seits<br />

gewesen ist)? Woh<strong>er</strong> die alle gekommen sind – und alle hatten ob ledig od<strong>er</strong><br />

v<strong>er</strong>heiratet den selben Namen!<br />

Die Unsich<strong>er</strong>heit ein<strong>er</strong> d<strong>er</strong>artigen Genealogie muß man sich eimal<br />

plastisch vorstellen! Und wie schon sein Großvat<strong>er</strong> darunt<strong>er</strong> gelitten hat, so<br />

ist d<strong>er</strong> Schm<strong>er</strong>z auf den Vat<strong>er</strong> Alois üb<strong>er</strong>gegangen und d<strong>er</strong> Sohn F<strong>er</strong>dinand<br />

leidet in Erbfolge daran!<br />

Da bedarf es halt dann klar<strong>er</strong> Richtlinien, sich<strong>er</strong><strong>er</strong> V<strong>er</strong>hältnisse,<br />

bedingungslos<strong>er</strong> Autoritarität und ideologisch<strong>er</strong> Festigkeit auch wenn das<br />

dem Zug d<strong>er</strong> heutigen Zeit vielleicht in viel<strong>er</strong>lei Hinsicht wid<strong>er</strong>spricht!<br />

Wenn d<strong>er</strong> Pfeil d<strong>er</strong> Ungewißheit einmal so tief im Seelengrund des<br />

Bogenschützen sitzt, ist d<strong>er</strong> Schm<strong>er</strong>z durch keine noch so fürcht<strong>er</strong>liche<br />

Rache an d<strong>er</strong> Welt behebbar!


83<br />

H<strong>er</strong>zz<strong>er</strong>reissungen des Waldvi<strong>er</strong>tels aufgrund d<strong>er</strong> jüngsten<br />

V<strong>er</strong>gangenheit (wie auch schon zuvor in den Wirren d<strong>er</strong> Slawen-Zeit, d<strong>er</strong> Awaren-<br />

Üb<strong>er</strong>fälle und d<strong>er</strong> Schwedenkriege). Einzige späte Rechtf<strong>er</strong>tigung nur, daß<br />

dadurch in diesem Gebiet ein einmaliges Biotop für die ursprüngliche Natur<br />

entstanden ist (heute fast ein Urwald in manchen Rieden des TÜPl).<br />

Ganz so idyllisch ist diese Region auch heute noch nicht, da dort bis<br />

vor Kurzem Z<strong>er</strong>störungswaffen aus depleti<strong>er</strong>tem (abg<strong>er</strong>eich<strong>er</strong>ten) Uran<br />

gelag<strong>er</strong>t und eingesetzt wurden und zukünftig möglich<strong>er</strong>weise die NATO<br />

dort üben wird dürfen (ab<strong>er</strong> mit den Waldvi<strong>er</strong>tl<strong>er</strong>n darf man das schon machen; die<br />

müpfen nicht so leicht auf, denn die sind an Kumm<strong>er</strong> wahrlich gewöhnt!).<br />

H<strong>er</strong>zz<strong>er</strong>reissungen auch des seine H<strong>er</strong>kunft nur nebelhaft<br />

ahnenden, orienti<strong>er</strong>ungslos h<strong>er</strong>umirrenden und schm<strong>er</strong>zlich diese suchende<br />

Lehr<strong>er</strong>s F<strong>er</strong>dinand Paradeis<strong>er</strong>!<br />

H<strong>er</strong>zz<strong>er</strong>reissungen auch des <strong>er</strong>mittelnden Staats-Beamten im<br />

Rahmen d<strong>er</strong> V<strong>er</strong>nehmungen. Und genau bei diesen V<strong>er</strong>nehmungen geht die<br />

Empathie mit den Opf<strong>er</strong>-Tät<strong>er</strong>n d<strong>er</strong>art gnadenlos mit ihm um, daß <strong>er</strong><br />

imm<strong>er</strong> befangen<strong>er</strong> wird; imm<strong>er</strong> v<strong>er</strong>ständig<strong>er</strong> für die subjektiven Motive;<br />

imm<strong>er</strong> unsich<strong>er</strong><strong>er</strong>, woh<strong>er</strong> Entitäten wie ‚Schuld’ stammen. Welche<br />

sogenannte Falsch-Aussage ist üb<strong>er</strong>haupt als Lüge zu enttarnen und nicht<br />

bloß üb<strong>er</strong>zeugte subjektive Sichtweise? W<strong>er</strong> in diesem Spiel hat da<br />

zielführend seinen Vorteil gesucht unt<strong>er</strong> Inkaufnahme des Schadens eines<br />

And<strong>er</strong>en (denn nur das wäre moralische Schuld)?<br />

Wird <strong>er</strong> sich v<strong>er</strong>irren in diesem Labyrinth od<strong>er</strong> den Minotauros (d<strong>er</strong> <strong>er</strong><br />

möglich<strong>er</strong>weise selb<strong>er</strong> ist) <strong>er</strong>lösen aus seinem Gefängnis und nach mutigem sich<br />

Stellen dem Ti<strong>er</strong> in sich gegenüb<strong>er</strong> mit dessen eigen<strong>er</strong> Trophäe (dem blutigen<br />

SturSti<strong>er</strong>schädel) aus dem dunklen Hypogäum des eigenen Unbewußten<br />

siegreich ans gleißende Licht d<strong>er</strong> Erkenntnis steigen? Er wird es wissen am<br />

bitt<strong>er</strong>en Ende. Was ab<strong>er</strong>, wenn das Ende sich als mühsam<strong>er</strong> Neuanfang<br />

<strong>er</strong>weist? Wird dann das Wissen ausgelöscht od<strong>er</strong> muti<strong>er</strong>t es zum Sein – zum<br />

Bewußt-Sein?! Quastorf <strong>er</strong>bebt ob dies<strong>er</strong> Gedanken; <strong>er</strong> ein Z<strong>er</strong>rissen<strong>er</strong>, d<strong>er</strong><br />

ebenfalls kaum Kenntnis sein<strong>er</strong> eigenen Ursprünge hat und nur dem Satz<br />

anhängt ‚wh<strong>er</strong>ev<strong>er</strong> i rest my head, th<strong>er</strong>e is my home!’. Was bleibt einem denn sonst<br />

üb<strong>er</strong>, wenn man selbst einen gekauften Ahnenpaß hat, d<strong>er</strong> wie ein<strong>er</strong> d<strong>er</strong><br />

bunt<strong>er</strong> Fleck<strong>er</strong>teppiche wirkt, die heutzutage wied<strong>er</strong> in ihr<strong>er</strong> natürlichen<br />

Ursprünglichkeit von kleingew<strong>er</strong>blichen Neben<strong>er</strong>w<strong>er</strong>bsbau<strong>er</strong>n für bewegte<br />

Städt<strong>er</strong> h<strong>er</strong>gestellt w<strong>er</strong>den?


84<br />

endstück<br />

1 Quastorf muß sein Haupt in die von somm<strong>er</strong>lichen Nebeln umflorte<br />

Hochmoor-Landschaft pressen, um sich abzukühlen; um eins zu w<strong>er</strong>den<br />

mit den V<strong>er</strong>letzungen dies<strong>er</strong> Welt-Ecke – um das z<strong>er</strong>stör<strong>er</strong>ische<br />

Gedankengut in Liebe zu diesem Boden aufzulösen im heilenden Moos.<br />

Heilen muß <strong>er</strong> die Z<strong>er</strong>schrundeten, in d<strong>er</strong>en Reihen <strong>er</strong> sich selbst weiß.<br />

Atemholen bis zur Auflösung des Schm<strong>er</strong>zes!<br />

Keine Zeit für H<strong>er</strong>zens-Angelegenheiten! D<strong>er</strong> Alois Paradeis<strong>er</strong> ist<br />

v<strong>er</strong>haftet worden, weil <strong>er</strong> sich in V<strong>er</strong>dachtsmomenten v<strong>er</strong>strickt hat und<br />

dann auch noch die Krummen Hunde. Das hat d<strong>er</strong> Kuchlbach<strong>er</strong> angeordnet,<br />

weil <strong>er</strong> sich nicht mehr von dem seit Tagen unauffindbaren Quastorf auf<br />

d<strong>er</strong> Nase h<strong>er</strong>umtanzen hat lassen wollen. Und gleich auch dessen Sohn<br />

F<strong>er</strong>dinand. D<strong>er</strong> Krumme Hund hat natürlich kein<strong>er</strong>lei Bezug zum F<strong>er</strong>dinand,<br />

dem passioni<strong>er</strong>ten Nichtrauch<strong>er</strong>, ab<strong>er</strong> das kann ein schlicht<strong>er</strong> Geist wie Dr.<br />

Kuchlbach<strong>er</strong> nicht sogleich begreifen!<br />

Dann haben noch die von d<strong>er</strong> Staats-Sich<strong>er</strong>heit ang<strong>er</strong>ufen mit<br />

‚ob<strong>er</strong>st<strong>er</strong> Priorität’ (natürlich wied<strong>er</strong> d<strong>er</strong> Realitäts-fremde Alkoholik<strong>er</strong> Schoitl, den<br />

Quastorf schon von früh<strong>er</strong>en gemeinsamen Aktionen unangenehm in Erinn<strong>er</strong>ung hatte).<br />

Und „alle v<strong>er</strong>haften!“ (das ist auch so ein bewährtes Rezept, wenn man ansteht bei<br />

den Ermittlungen). Das ist zwar prinzipiell falsch formuli<strong>er</strong>t, ab<strong>er</strong> richtig<br />

gedacht; doch die Saububen sind seit gest<strong>er</strong>n nicht mehr auffindbar.<br />

„Quastorf, Sie Unglücksrabe, wo waren Sie so lange? Sie haben die<br />

potenziellen Mörd<strong>er</strong> gest<strong>er</strong>n heimgeschickt. Finden Sie die; ab<strong>er</strong> plötzlich!“<br />

würgt gequält d<strong>er</strong> Kuchlbach<strong>er</strong> aus dem v<strong>er</strong>schleimten Hals. „Ich möchte<br />

mich mit den StaPos nicht ständig h<strong>er</strong>umstreiten, weil wir G’sch<strong>er</strong>ten so<br />

deppat sind! Das müssen Sie jetzt selb<strong>er</strong> ausbaden!“.<br />

Baden! Das wäre jetzt h<strong>er</strong>rlich; in d<strong>er</strong> heißen Wanne liegen mit ein<strong>er</strong><br />

Drei<strong>er</strong>, die an d<strong>er</strong> feuchten Unt<strong>er</strong>lippe klebt, mit dreißig Teelicht<strong>er</strong>n und<br />

Stockhausen, Sun Ra, John Cage od<strong>er</strong> Velvet Und<strong>er</strong>ground aus d<strong>er</strong> Quadro-Anlage<br />

mit 80 Phon. Und mit Clara natürlich! Ja Clärchen geht ihm plötzlich<br />

furchtbar ab, da sie sich schon drei Wochen nicht mehr g<strong>er</strong>ührt hat. Üb<strong>er</strong><br />

Int<strong>er</strong>net-Call p<strong>er</strong> Skype wollte sie aus Jamaika mit Quastorf kommunizi<strong>er</strong>en,<br />

ab<strong>er</strong> <strong>er</strong> hat ganz v<strong>er</strong>gessen, den neuen Laptop ans Netz zu hängen! Denn<br />

noch hat <strong>er</strong> die neue Zeit nicht ganz v<strong>er</strong>inn<strong>er</strong>licht.


85<br />

Auf einem Kongreß üb<strong>er</strong> ‚Welthung<strong>er</strong> trotz Üb<strong>er</strong>fluß – ist T<strong>er</strong>rorrismus die<br />

logische Antwort auf den Raubbau d<strong>er</strong> Industrie-Länd<strong>er</strong>. Religionskriege als bloß<strong>er</strong><br />

Vorwand? ’ ist sie. Politikwissenschaft hätte <strong>er</strong> sein<strong>er</strong> Tocht<strong>er</strong> nie <strong>er</strong>laubt; <strong>er</strong><br />

hat ja auch keine. Ab<strong>er</strong> eine wund<strong>er</strong>bare Partn<strong>er</strong>in hat <strong>er</strong> mit eben dies<strong>er</strong><br />

int<strong>er</strong>essanten Ausbildungs-Richtung, d<strong>er</strong>en Alt<strong>er</strong> zudem für eine potenzielle<br />

Tocht<strong>er</strong> ganz gut passen könnte.<br />

Ist diese Beziehung so wesentlich haltbar<strong>er</strong> als alle die ihm bekannten,<br />

die ständig scheit<strong>er</strong>n, weil man sich so selten begegnet?<br />

„H<strong>er</strong>r Vorgesetzt<strong>er</strong>! Ich bin, wie ich bin und genau dafür schätzen sie mich<br />

doch und w<strong>er</strong>den mich nicht h<strong>er</strong>geben wollen, wenn ich in Pension gehen<br />

sollte und das wissen wir beide, seit wir uns kennen, daß uns eine seltsame<br />

Liebe – od<strong>er</strong> bess<strong>er</strong> gemeinsame Geworfenheit – v<strong>er</strong>bindet!“.<br />

D<strong>er</strong> Kuchlbach<strong>er</strong> ist platt. Auf soviel Frechheit ist <strong>er</strong> im Seminar für<br />

‚Koordinative Amtsführung – wie motivi<strong>er</strong>e ich meine Mitarbeit<strong>er</strong>’ , das <strong>er</strong> sein<strong>er</strong>zeit<br />

für die Amtseignungs-Prüfung absolvi<strong>er</strong>en mußte, nicht vorb<strong>er</strong>eitet worden.<br />

Quastorf geht die paar Schritte zum Hanfthal<strong>er</strong>, d<strong>er</strong> an sein<strong>er</strong><br />

Funkanlage sitzt. „Klappt die Üb<strong>er</strong>wachung? Wo sind die Skulls?“.<br />

„Alles im grünen B<strong>er</strong>eich; die sitzen im Fidelen Holzhack<strong>er</strong> in G<strong>er</strong>fritz und<br />

saufen sich nied<strong>er</strong>!“.<br />

Also leid<strong>er</strong> noch Ausritt mit dem Fiat zu spät<strong>er</strong> Stunde. Raus aus<br />

Zwettl gegen Norden Richtung Vitis, nach drei Kilomet<strong>er</strong>n links weg auf<br />

die vom Frost des letzten Wint<strong>er</strong>s noch imm<strong>er</strong> aufgeborstene schmale<br />

Nebenstraße, auf d<strong>er</strong> man fürchten muß, daß einem ein Mähdresch<strong>er</strong><br />

entgegenkommt (all<strong>er</strong>dings sich<strong>er</strong> nicht im Mai!). Hadreichs wird durchfahren<br />

und dann sieben Kilomet<strong>er</strong> nach d<strong>er</strong> Abzweigung Richtung Pyrhg und<br />

dann ist man da. D<strong>er</strong> Name Pyrhg ist wied<strong>er</strong>einmal etymologisch int<strong>er</strong>essant;<br />

denn alle Namen, die mit Pyrh beginnen, haben aus diesem alten Indo-<br />

Europäischen Stammwort den Bezug zu Feu<strong>er</strong> in sich bewahrt. Orte, an<br />

denen sogenannte Kreidefeu<strong>er</strong> (hat nichts mit d<strong>er</strong> staubigen Tafelkreide d<strong>er</strong> Schulzeit<br />

zu tun, die so <strong>er</strong>stickend gestunken und d<strong>er</strong>en Abrutschen auf d<strong>er</strong> Tafel folt<strong>er</strong>artige<br />

Quietsch-G<strong>er</strong>äusche v<strong>er</strong>ursacht hat, sond<strong>er</strong>n bedeutet schlichtweg Warnfeu<strong>er</strong>) <strong>er</strong>richtet<br />

wurden in Vorzeiten. Ähnlich den Warnmechanismen d<strong>er</strong> Indian<strong>er</strong> wurden<br />

in Sichtweite Feu<strong>er</strong>ketten angelegt, die vor dem Feind gewarnt haben. Vor<br />

Quastorf warnt all<strong>er</strong>dings kein Kreidefeu<strong>er</strong> die ‚Raub<strong>er</strong>sbuben’ in G<strong>er</strong>fritz,<br />

wohin <strong>er</strong> nun mit dem klapprigen Uno prescht.


86<br />

2 Beim Kalling<strong>er</strong> grölen schon die aufgeheizten Kam<strong>er</strong>aden mit<br />

üb<strong>er</strong>schwappenden Krügeln in den schwitzigen Fäusten den schönen<br />

Wehehest<strong>er</strong>wald aus den heis<strong>er</strong>en Kehlen, die langsam ab<strong>er</strong> un<strong>er</strong>bittlich aus<br />

den weichen Knien wachsen.<br />

„Stillgestanden!“ h<strong>er</strong>rscht Quastorf sie an, denn das ist genau die Sprache,<br />

die sie auch im Rausch noch v<strong>er</strong>stehen. „Morgen Appell auf d<strong>er</strong> Wache in<br />

Zwettl!“ unt<strong>er</strong>bricht <strong>er</strong> den Beginn des Horst-Wessel-Liedes.<br />

„Heast Oida, wia is da denn; host no net g’schiss’n heit? Mia orjanisian do<br />

de Wöht-Rewolussion und du wühst uns ei’brems’n? Glei liegst und bliat’st<br />

aus siebzehn Lächa wir’a Giaßkaundl! Und an-zwa Zumpf<strong>er</strong>ln san glei<br />

ohg’schnidt’n! Und in Hiarn a Tunnöh hot ma gaunz schnöh! I reiß Da de<br />

Brust auf und scheiß Da aufs Heaz!!!“.<br />

Das war d<strong>er</strong> bish<strong>er</strong> eh<strong>er</strong> unauffällige Kalchgrub<strong>er</strong>, d<strong>er</strong> ab<strong>er</strong> im Rausch<br />

und in Gegenwart seines Freundes Schitzing<strong>er</strong> gelegentlich doch sich<br />

beweisen muß vor den And<strong>er</strong>en.<br />

Quastorfs Theorie ist, daß die wirklichen Unmenschlichkeiten nur in<br />

ideologisch aufgeheitzten Gruppen od<strong>er</strong> in korporativen Identitäts-<br />

V<strong>er</strong>suchen d<strong>er</strong> Massen-Emotion zu finden sind. Doch Theorien w<strong>er</strong>den<br />

ihm hi<strong>er</strong> nicht viel nützen, denn die Sache spitzt sich langsam bedrohlich zu<br />

und manchmal <strong>er</strong>schreckt Quastorf die eigene Gelassenheit in wirklich<br />

gefährlichen Szenarien mehr als die objektivi<strong>er</strong>bare Bedrohung selbst! Ist<br />

das Zen-Gewahrheit od<strong>er</strong> schlicht parasuizidale Äquidistanz?<br />

„Ich sage nur Kiste!“. Ab nun g<strong>er</strong>ät alles ein wenig aus dem Rud<strong>er</strong>.<br />

„B’st deppat wuan; Oida – Scheiß-Kommunisten – Oaschg’frasta; wiast’as<br />

scho seg’n, wia ma di aufmoch’n wean; wir’a Goart’nti<strong>er</strong>l! De Bluatwies’n is<br />

vua da Tia; gemma stech’n?“.<br />

Schweißgebadet baut sich d<strong>er</strong> Burgstall<strong>er</strong> hoch-aufg<strong>er</strong>ichtet und<br />

wankend wie das Rohr im Wind vor dem Inspektor auf.<br />

„Vanicht’n muaß ma de Papi<strong>er</strong>e, weu de san von de Wid<strong>er</strong>standl<strong>er</strong> g’fölscht<br />

wuan, damit’s unsan Fiehra in Dreck zah’n!“ setzt d<strong>er</strong> Übelbach<strong>er</strong> d’rauf.<br />

„Was war denn da drinnen?“.<br />

„Goanix; geht di an Scheißdreck au; Wappl<strong>er</strong> – weanarisch<strong>er</strong>!“.


87<br />

Quastorf fährt bess<strong>er</strong> heim, da d<strong>er</strong> Alkoholdunst keine gute<br />

Gesprächs-Atmosphäre bieten kann.<br />

3 Des morgens in die Dienststelle, wo die Frau Duftschmied aufgrund<br />

des King Hadramaut-Kaffees (ein Gewächs von den Südhängen des Jemenitischen<br />

Šaqrā-Gebirges), den ihr d<strong>er</strong> Quastorf vor Tagen zukommen hat lassen vom<br />

Meinl, ein auß<strong>er</strong>ordentliches Frühstück zustandegebracht hat. So <strong>er</strong>wacht<br />

man zufrieden im Amt.<br />

„Bitte den Paradeis<strong>er</strong> vorführen, d<strong>er</strong> gest<strong>er</strong>n v<strong>er</strong>haftet wurde!“.<br />

„Den F<strong>er</strong>d’l haben wir leid<strong>er</strong> enthaften müssen, weil das mit d<strong>er</strong> Zigarre<br />

nicht gehalten hat!“ meint kleinlaut d<strong>er</strong> Voluntär – als ob d<strong>er</strong> was<br />

dafürkönnte – <strong>er</strong>, d<strong>er</strong> am wenigsten Anteil an den gelegentlichen Irrtüm<strong>er</strong>n<br />

d<strong>er</strong> Abteilung hat.<br />

„Ab<strong>er</strong> den Alten hätten wir noch. D<strong>er</strong> Dr. Kuchlbach<strong>er</strong> meint, daß d<strong>er</strong> am<br />

ehesten in Frage kommt mit seinen div<strong>er</strong>sen Motiven und den Indizien, die<br />

gegen ihn sprechen“. Sauhaufen! Quastorf ist <strong>er</strong>bost.<br />

„Hanfthal<strong>er</strong>, bitte rufen Sie in d<strong>er</strong> Schule an!“.<br />

Nichts. D<strong>er</strong> H<strong>er</strong>r Turnlehr<strong>er</strong> ist krank gemeldet. Also zum Dr.<br />

Hebenstreit in die Ordination, denn am Schießstand wirkte <strong>er</strong> noch sehr<br />

gesund vor Tagen.<br />

D<strong>er</strong> füllige Medizin<strong>er</strong> empfängt Quastorf freundlich. „Sie w<strong>er</strong>den<br />

doch nicht krank sein mit Ihr<strong>er</strong> Wid<strong>er</strong>standskraft; od<strong>er</strong> haben Sie sich<br />

endlich docheinmal zu ein<strong>er</strong> Vorsorge-Unt<strong>er</strong>suchung entschlossen?“.<br />

Quastorf üb<strong>er</strong>geht geflissentlich den Wink mit dem Zaunpfahl. „Mit<br />

welch<strong>er</strong> Diagnose haben Sie den H<strong>er</strong>rn Paradeis<strong>er</strong> krankgeschrieben?“.<br />

„Nicht böse sein, ab<strong>er</strong> das fällt unt<strong>er</strong> das ärztliche Schweigegebot!“.<br />

„Es handelt sich hi<strong>er</strong> um einen dringend Mordv<strong>er</strong>dächtigen; Sie v<strong>er</strong>stehen?<br />

Wenn ich mir <strong>er</strong>st einen G<strong>er</strong>ichtsbeschluß besorgen muß, v<strong>er</strong>zög<strong>er</strong>t das<br />

mein Vorgehen <strong>er</strong>heblich und das kann in niemandes Int<strong>er</strong>esse sein!“.<br />

„Sehr v<strong>er</strong>stört hat <strong>er</strong> mich noch gest<strong>er</strong>n abend ang<strong>er</strong>ufen und wollte sofort<br />

einen T<strong>er</strong>min. Irgendwas von unb<strong>er</strong>echtigten Vorwürfen Ihr<strong>er</strong>seits hat <strong>er</strong>


88<br />

genuschelt und daß Sie ihm was unt<strong>er</strong>jubeln wollen, weil Sie ein fanatisch<strong>er</strong><br />

Link<strong>er</strong> sind, d<strong>er</strong> die Anständigen und Fleißigen ausm<strong>er</strong>zen will.“<br />

„Läch<strong>er</strong>lich! Ich kann Ihnen vorläufig nichts näh<strong>er</strong>es dazu sagen –<br />

Amtsgeheimnis in ein<strong>er</strong> laufenden Ermittlung – Sie v<strong>er</strong>stehen?“.<br />

„Ich v<strong>er</strong>stehe leid<strong>er</strong> zu gut, daß zwar das Bürg<strong>er</strong>recht des Ärztegeheimnisses<br />

von Amtsp<strong>er</strong>sonen Ihres Schlages unt<strong>er</strong> dem Vorwand ‚Gefahr im V<strong>er</strong>zug’<br />

mißachtet und auß<strong>er</strong> Kraft gesetzt wird, ab<strong>er</strong> ich Ihre V<strong>er</strong>schwiegenheit<br />

respekti<strong>er</strong>en muß! Ab<strong>er</strong> im Int<strong>er</strong>esse des Patienten: D<strong>er</strong> ist ein ganz arm<strong>er</strong><br />

Hund. Dessen Kindheit ist wahrhaft traumatisi<strong>er</strong>end gewesen. D<strong>er</strong> Vat<strong>er</strong>,<br />

d<strong>er</strong> selbst gescheit<strong>er</strong>t ist, hat ihn ständig entw<strong>er</strong>tet in d<strong>er</strong> Hoffnung, damit<br />

bess<strong>er</strong> dazustehen vor sich selbst. Und d<strong>er</strong> Vorwand war ‚daß aus dem Buben<br />

einmal was Bess<strong>er</strong>es’ w<strong>er</strong>den sollte. Das kann freilich so nicht gelingen. Gut,<br />

d<strong>er</strong> F<strong>er</strong>dinand hat einen höh<strong>er</strong>en Status in d<strong>er</strong> Gesellschaft <strong>er</strong>reicht als sein<br />

Vat<strong>er</strong>, ab<strong>er</strong> inn<strong>er</strong>lich ist <strong>er</strong> seith<strong>er</strong> total gebrochen!“.<br />

„Auf Grund mein<strong>er</strong> Ermittlungen ist mir das ebenso klar wie Ihnen. Was<br />

hat <strong>er</strong> für ein Leiden?“.<br />

„Depressiv v<strong>er</strong>stimmt ist <strong>er</strong>. Mein<strong>er</strong> Meinung nach eine chronische<br />

Dysthymie. Imm<strong>er</strong> unzufrieden mit sich selbst und d<strong>er</strong> Welt; und zusätzlich<br />

hängt <strong>er</strong> aufgrund seines Mind<strong>er</strong>w<strong>er</strong>tigkeitskomplexes d<strong>er</strong> üb<strong>er</strong>w<strong>er</strong>tigen<br />

Idee an, die Welt retten zu müssen. Wenn d<strong>er</strong> nur nicht suizidal wird!“.<br />

„Sie meinen also, d<strong>er</strong> wäre Selbstmord-gefährdet; warum w<strong>er</strong>den Sie dann<br />

nicht tätig?“.<br />

„Ein Arzt kann niemanden dazu zwingen, daß <strong>er</strong> Wohlbefinden anstrebt,<br />

wenn <strong>er</strong> unbedingt leiden will. Die Zeiten sind gottseidank vorbei, wo man<br />

uneinsichtige Patienten gegen ihren Willen zwangsbehandeln durfte mit<br />

Depot-Präparaten und Elektroschocks!“.<br />

„Und wo ist <strong>er</strong> jetzt; zuhause kann ich ihn nicht <strong>er</strong>reichen?“.<br />

„Vielleich bei d<strong>er</strong> Frau Strehlmann, denn <strong>er</strong> schwört auf Bachblüten!“<br />

„Gute Idee; ich danke Ihnen!“.<br />

„Darf ich Ihnen einen T<strong>er</strong>min einräumen; Sie wären in dem Alt<strong>er</strong>, wo es<br />

Zeit wäre!“. Das üb<strong>er</strong>hört Quastorf, d<strong>er</strong> schon im Stiegenhaus ist, gnädig.


89<br />

4 Hin die paar Kilomet<strong>er</strong> zur Waldfrau, die in d<strong>er</strong> Nähe des alten<br />

Ziegelofens ihre Waldhütte bewohnt. Das ehemalige Forsthaus gehört<br />

denen zu Creutzfeldt-Eibenstein/Navarro-Lieux auf Schloß W<strong>er</strong>schenreith.<br />

Ab<strong>er</strong> d<strong>er</strong> philanthropische Graf läßt die gute Dame g<strong>er</strong>ne kostenlos in<br />

dies<strong>er</strong> Idylle wohnen, da sie ihm <strong>er</strong>stens sympathisch ist und zweitens<br />

oftmals mit guten Ratschlägen und <strong>er</strong>lesenen Kräut<strong>er</strong>-Tees v<strong>er</strong>sorgt als<br />

mütt<strong>er</strong>liche Freundin des Hauses, mit d<strong>er</strong> man auch h<strong>er</strong>vorragend parli<strong>er</strong>en<br />

kann, wenn sie ihre seltenen Bedürfnisse nach Sozialität aufkeimen spürt.<br />

„Ach Du, lieb<strong>er</strong> Inspektor. Heute ist ja g<strong>er</strong>adezu ein Durchhaus bei mir –<br />

ganz ungewohnt in mein<strong>er</strong> Einöde – d<strong>er</strong> H<strong>er</strong>r Paradeis<strong>er</strong> läßt sich g<strong>er</strong>ade<br />

von mir aufbauen; komm nur h<strong>er</strong>ein. Es gibt Ingw<strong>er</strong>-Met – aus Ochsen-<br />

Hörn<strong>er</strong>n – wie es sich schickt!“ läßt sie ihr breites Sächsisch h<strong>er</strong>aus.<br />

Dazu muß man wissen, daß das Rezept dieses altg<strong>er</strong>manischen<br />

Gebräus den meisten Menschen gänzlich unzugänglich bleibt, da es total in<br />

V<strong>er</strong>gessenheit g<strong>er</strong>aten ist. Ab<strong>er</strong> die Heike hat es dem Quastorf einmal in<br />

ein<strong>er</strong> Laune v<strong>er</strong>raten.<br />

Aus lit<strong>er</strong>weise Kräut<strong>er</strong>tee nach Wunsch – unt<strong>er</strong> Zumischung von 20<br />

Prozent Blüten-Honig und Beigabe von Hefe – wird dies<strong>er</strong> Sud dann für<br />

Wochen an den ständig warmen Ofen gestellt, bis <strong>er</strong> v<strong>er</strong>goren ist. Mehrmals<br />

muß d<strong>er</strong> dabei entstehende Schaum abgeschöpft und am Schluß das Ganze<br />

durch ein enggewebtes saub<strong>er</strong>es Linnen-Tuch abfiltri<strong>er</strong>t w<strong>er</strong>den, bevor<br />

dieses pick-süßlich alkoholische Getränk g<strong>er</strong>adewegs in die ängstlichen<br />

Venen fährt. Das hat zum Fall zwar kein<strong>er</strong>lei Bezug, ist ab<strong>er</strong> für Quastorf<br />

kulturhistorisch von <strong>er</strong>heblich<strong>er</strong> Relevanz.<br />

„Oh, Sie sind auch da?“ stiggatzt (ein wund<strong>er</strong>bares Waldvi<strong>er</strong>tl<strong>er</strong> Wort für Stott<strong>er</strong>n)<br />

d<strong>er</strong> diesmal v<strong>er</strong>schücht<strong>er</strong>te Paradeis<strong>er</strong> dem Quastorf entgegen. „Ich wollte<br />

Sie ohnehin was fragen“ unglaubwürdig torkeln ihm diese Worte aus dem<br />

trotz des Mets trockenen Hals. „Wissen Sie eigentlich jetzt, wo die Truhe<br />

ist, denn mein Int<strong>er</strong>esse daran steigt langsam; aus historischen Gründen, wie<br />

Sie sich sich<strong>er</strong> denken können!“.<br />

„Und wenn ich sie hätte, wäre sie schon längst in d<strong>er</strong> Ass<strong>er</strong>vaten-Kamm<strong>er</strong><br />

und sie hätten sich<strong>er</strong> keinen Zugriff!“. Quastorf ist <strong>er</strong>bost üb<strong>er</strong> soviel<br />

Frechheit. Er v<strong>er</strong>steht freilich den V<strong>er</strong>such d<strong>er</strong> Vorwärts-Strategie des<br />

desorienti<strong>er</strong>ten Schulmannes trotzdem ganz gut.


90<br />

„Ab<strong>er</strong> d<strong>er</strong> Inhalt darf einfach nicht in die falschen Hände g<strong>er</strong>aten; v<strong>er</strong>stehen<br />

Sie das denn nicht!? Dieses Mat<strong>er</strong>ial ist gefährlich; es würde d<strong>er</strong> großen<br />

Deutschen V<strong>er</strong>gangenheit uns<strong>er</strong>es Döll<strong>er</strong>sheim<strong>er</strong> Ländchens <strong>er</strong>heblichen<br />

Schaden zufügen und alles, wofür gekämpft wurde, z<strong>er</strong>stören!“.<br />

„Das, wofür gekämpft wurde, hat sich diesen Dienst schon längst selbst<br />

<strong>er</strong>wiesen! Dazu bedarf es keines geheimnisvollen Schatzes! Also raus mit<br />

den Trümpfen, was war drin?“.<br />

Jetzt war d<strong>er</strong> Quastorf zu direkt gewesen; das hat den Fanatik<strong>er</strong><br />

v<strong>er</strong>schreckt: „Ich sage garnichts mehr dazu; Sie müssen schon selbst<br />

dahint<strong>er</strong>kommen, Sie Links-Radikal<strong>er</strong>!“.<br />

„Erinn<strong>er</strong>n Sie sich noch an uns<strong>er</strong> Gespräch, aus welchem Stoff Geschichte<br />

sei? Ich habe mir da – glaube ich – eine gute Antwort abg<strong>er</strong>ungen: ‚Die<br />

Fehl<strong>er</strong> d<strong>er</strong> V<strong>er</strong>gangenheit mit den ungeeigneten W<strong>er</strong>kzeugen d<strong>er</strong> Gegenwart zu<br />

mißv<strong>er</strong>ständlichen und unbrauchbaren Schlüssen für die Zukunft zu formuli<strong>er</strong>en’! Wie<br />

gefällt Ihnen das; H<strong>er</strong>r Paradeis<strong>er</strong>?“.<br />

„Jetzt mach’ ich ab<strong>er</strong> gleich von meinem Gastrecht Gebrauch, meine<br />

H<strong>er</strong>ren. D<strong>er</strong>lei ideologische Scharmützel kann ich in mein<strong>er</strong> g<strong>er</strong>uhsamen<br />

Hütte nicht brauchen, das v<strong>er</strong>unreinigt die Aura des Ortes. Bei uns im<br />

Spreewald hat zwar viel zu lange d<strong>er</strong> Kommunismus geh<strong>er</strong>rscht, ab<strong>er</strong> alles<br />

war auch nicht ganz falsch (und manches damals sogar bess<strong>er</strong> als heute im<br />

Osten, seit die Wessis abkäschen) und selbt dort finden sich neu<strong>er</strong>dings<br />

wied<strong>er</strong> diese v<strong>er</strong>schrobenen Gedanken-Must<strong>er</strong>, die soviel Leid v<strong>er</strong>breitet<br />

haben. Mäßigt Euch od<strong>er</strong> geht jetzt bess<strong>er</strong>; ich habe ohnehin viel zu tun!“.<br />

Quastorfs zynisch<strong>er</strong> Satz bezüglich Geschichte hat auch die Waldfrau<br />

einig<strong>er</strong>maßen ins H<strong>er</strong>z getroffen, da sie lange unt<strong>er</strong> ideologisch<strong>er</strong><br />

Deformi<strong>er</strong>ung hat leiden müssen (wennauch unt<strong>er</strong> d<strong>er</strong> eh<strong>er</strong> linken).<br />

Quastorf geht freiwillig. F<strong>er</strong>dinand nicht. Das heißt, gehen muß d<strong>er</strong><br />

auch, ab<strong>er</strong> unt<strong>er</strong> dem Gewahrsam Quastorfs, d<strong>er</strong> ihn auf’s Revi<strong>er</strong> schleppt.<br />

Gewalt muß <strong>er</strong> dazu nicht anwenden, denn die wurde dem Paradeis<strong>er</strong> schon<br />

lange zuvor zur Genüge angetan, sodaß <strong>er</strong> den vorauseilenden Gehorsam im<br />

Unbewußten sitzen hat, wie einen unsichtbaren parasitären Zuchtmeist<strong>er</strong>.<br />

Ein Öst<strong>er</strong>reichisches Patent, dessen H<strong>er</strong>kunft aus d<strong>er</strong> Habsburgischen<br />

V<strong>er</strong>quickung von Staat und Kirche stammt, die beide sehr gut wußten, wie<br />

man Unt<strong>er</strong>tanen schmiedet mittels schlechten Gewissens!


91<br />

Nimm dem Kind die Lebensfreude; biete ihm statt Liebe Strenge,<br />

statt An<strong>er</strong>kennung Abw<strong>er</strong>tung, statt Sexualität Sublimi<strong>er</strong>ung und statt<br />

Freiheit Schuld-Gefühle! Brich seinen Willen nachhaltig, bevor dies<strong>er</strong> noch<br />

aufflammt. Lehre es kuschen und duckmaus<strong>er</strong>n, anpassen und v<strong>er</strong>nad<strong>er</strong>n<br />

und schenke ihm für diese B<strong>er</strong>eitschaft zur Deformation sein<strong>er</strong><br />

P<strong>er</strong>sönlichkeit (und zum V<strong>er</strong>zicht auf den V<strong>er</strong>such des Aufbaues d<strong>er</strong>selben) Gnade<br />

vor den Augen d<strong>er</strong> Obrigkeit, so hast du gefügige Bürg<strong>er</strong>, die niemals<br />

murren – höchstens gelegentlich nörgeln, raisoni<strong>er</strong>en od<strong>er</strong> qu<strong>er</strong>uli<strong>er</strong>en, was<br />

Machtausübung nicht behind<strong>er</strong>t – und g<strong>er</strong>ne gehorchen, selbst wenn kein<br />

Staats-Organ zugegen ist! Quastorf hat da so seine Theorien, wie meist.<br />

Im Fiat insisti<strong>er</strong>t Quastorf: „Wie ist das mit den Burschen und Ihnen?<br />

Sind Sie schwul; möglich<strong>er</strong>weise unbewußt?“.<br />

„Na <strong>er</strong>lauben Sie! Es genügt doch, daß mein lieb<strong>er</strong> Vat<strong>er</strong> angeblich deviant<br />

ist; das ist doch nicht <strong>er</strong>blich!“.<br />

Jetzt <strong>er</strong>zählt <strong>er</strong> b<strong>er</strong>eitwillig Quastorf seine diesem ohnehin b<strong>er</strong>eits<br />

bekannte vita sexualis mit d<strong>er</strong> Angi, die eigentlich sein einziges V<strong>er</strong>hältnis<br />

war, wenn man von sein<strong>er</strong> unseligen – eh<strong>er</strong> schwärm<strong>er</strong>ischen – Beziehung<br />

zu ein<strong>er</strong> sexuell üb<strong>er</strong>aus attraktiven und unvorstellbar junggebliebenen<br />

wund<strong>er</strong>schönen 68-Jährigen absieht, die <strong>er</strong> sich nie irgendwem mitzuteilen<br />

getraute. Selbst seinem Mumps-Trauma stellt <strong>er</strong> sich nach Jahren des<br />

V<strong>er</strong>drängens vor dem einfühlsamen ‚Th<strong>er</strong>apeuten’.<br />

„Die Geschichte mit den Nibelungen war sich<strong>er</strong> ein Fehl<strong>er</strong>, ab<strong>er</strong> ich wollte<br />

mir halt V<strong>er</strong>bündete suchen im Kampf gegen die unreine V<strong>er</strong>formung des<br />

Volksgutes durch Bolschewiken, zu denen ich auch Sie durchaus zähle.<br />

Glauben Sie nur ja nicht, daß Sie irgendwas von dem Gesagten gegen mich<br />

v<strong>er</strong>wenden könnten, denn Sie haben keine Zeugen und ich w<strong>er</strong>de vor dem<br />

Unt<strong>er</strong>suchungsricht<strong>er</strong> alles abstreiten!“.<br />

Quastorf ist übel von d<strong>er</strong> Wortwahl und <strong>er</strong> ist froh, daß man am<br />

Kommissariat aussteigt. „Ich halte Sie nicht für den unmittelbaren Tät<strong>er</strong>,<br />

ab<strong>er</strong> durchaus für die ideologische Ursache d<strong>er</strong> Tat. Finden Sie heim? Ja,<br />

und träumen Sie von schön<strong>er</strong>en Dingen“.<br />

5 Spät nächtens ist d<strong>er</strong> Habison noch im Amt und b<strong>er</strong>ichtet aufg<strong>er</strong>egt,<br />

daß d<strong>er</strong> junge Bistring<strong>er</strong> mittels Üb<strong>er</strong>stellungs-Bus d<strong>er</strong> Wien<strong>er</strong> Justizwache


92<br />

ihm in die Zelle gesetzt wurde – kommentarlos! Und <strong>er</strong> wird wied<strong>er</strong> Besuch<br />

bekommen von den StaPo-Leuten, meint d<strong>er</strong> Habison.<br />

Wie sein alt<strong>er</strong> H<strong>er</strong>r, d<strong>er</strong> Medizinalrat Bistring<strong>er</strong> von d<strong>er</strong> Üb<strong>er</strong>stellung<br />

<strong>er</strong>fahren hat, hat <strong>er</strong> sogleich noch nächtens v<strong>er</strong>sucht zu int<strong>er</strong>veni<strong>er</strong>en, ab<strong>er</strong><br />

d<strong>er</strong> Staatsanwalt war zu seinem Leidwesen beim Heurigen des Landesrates<br />

Gabling<strong>er</strong>.<br />

Quastorf begibt sich sofort in den Haftraum, obwohl <strong>er</strong> lieb<strong>er</strong><br />

zuhause wäre. Was macht <strong>er</strong> eigentlich noch auf dem Revi<strong>er</strong> um 22 Uhr<br />

und w<strong>er</strong> wird ihm die vielen Üb<strong>er</strong>stunden abgelten?<br />

„H<strong>er</strong>r Bistring<strong>er</strong>, was wollten die in Wien von Ihnen hören?“.<br />

„Laut<strong>er</strong> Schleimbeuteln, die das Deutsche Volk v<strong>er</strong>raten wollen!“. Robot<strong>er</strong>artig;<br />

mit Menschen-Sprache kann man das nicht v<strong>er</strong>gleichen!<br />

„Also bitte, eh<strong>er</strong> nicht Ideologie, sond<strong>er</strong>n sachlich bleiben! Wie geht es<br />

Ihnen nach all dem Ungemach in d<strong>er</strong> ‚Reichshauptstadt’, H<strong>er</strong>r Bistring<strong>er</strong>?“.<br />

„Die Reichshauptstadt ist imm<strong>er</strong>noch B<strong>er</strong>lin und nicht Wien! Ab<strong>er</strong><br />

wichtig<strong>er</strong> noch ist, daß man d<strong>er</strong> Vorsehung das nicht antun darf, daß man<br />

den Engel d<strong>er</strong> Erleuchtung inhafti<strong>er</strong>t“ (d<strong>er</strong> ‚Söldn<strong>er</strong>’ wird <strong>er</strong> genannt von liebmeinenden<br />

Freunden wegen sein<strong>er</strong> schrägen Ideen; wieso <strong>er</strong> plötzlich zum ‚Engel’ avanci<strong>er</strong>t, ist nun<br />

all<strong>er</strong>dings gänzlich unklar!).<br />

„Adolf Hitl<strong>er</strong> ist nicht tot! Mit hund<strong>er</strong>telf sein<strong>er</strong> Getreuen hat <strong>er</strong> sich in ein<br />

Atom-U-Boot g<strong>er</strong>ettet, mit dem <strong>er</strong> unt<strong>er</strong> dem Packeis des Südpoles im<br />

Neuschwabenland den Jüngsten Tag abwartet, zu kommen in H<strong>er</strong>rlichkeit<br />

und zu <strong>er</strong>lösen die Welt vom allegenwärtigen Zionismus!“ skandi<strong>er</strong>t d<strong>er</strong><br />

Robot<strong>er</strong> in exaktem Zeitabstand zwischen den Silben und Worten, was ein<br />

V<strong>er</strong>stehen jedoch <strong>er</strong>schw<strong>er</strong>t (ein wenig <strong>er</strong>inn<strong>er</strong>t <strong>er</strong> Quastorf an den Sprach-<br />

Gen<strong>er</strong>ator des Stephen Hawking, den <strong>er</strong> des öft<strong>er</strong>en schon gehört hatte).<br />

„Und die Auß<strong>er</strong>irdischen He<strong>er</strong>scharen w<strong>er</strong>den eine Transformation<br />

<strong>er</strong>möglichen, daß d<strong>er</strong> Bolschewismus engültig z<strong>er</strong>brochen wird in d<strong>er</strong><br />

Endlösung uns<strong>er</strong>res grroßßen Führrr<strong>er</strong>s!“<br />

Na die eingefrorenen Wasteln w<strong>er</strong>den die Klima-Erwärmung nicht<br />

ganz unv<strong>er</strong>west üb<strong>er</strong>tauchen; kann man sich nicht v<strong>er</strong>kneifen zu denken.<br />

Ob James Dean, Elvis und Falco auch dort v<strong>er</strong>steckt w<strong>er</strong>den, traut<br />

Quastorf sich garnicht mehr zu fragen, denn <strong>er</strong> will den Wahnhaften nicht


93<br />

unnötig aufregen! Fast ein Kabaret, sinnt Quastorf, wenn die Fakten nicht<br />

so tragisch wären.<br />

Trotzdem haut es Quastorf um. Niemals hat <strong>er</strong> v<strong>er</strong>standen, warum<br />

die Juden die natürlichen Feinde d<strong>er</strong> Deutschen sein sollten. Wann je<br />

wurden Deutsche von Juden bedroht od<strong>er</strong> angegriffen, da Deutsche nie in<br />

Palästina kämpften. Ja vielleicht in Form von Angriffskriegen in d<strong>er</strong><br />

Kreuzritt<strong>er</strong>-Zeit, wo alle Völk<strong>er</strong> Europas aus machtpolitischen Gründen<br />

den Nahen Osten üb<strong>er</strong>fallen, b<strong>er</strong>aubt, gebrandschatzt und v<strong>er</strong>gewaltigt<br />

haben. Ein uraltes Unrecht als Rechtf<strong>er</strong>tigung für neu<strong>er</strong>liches Unrecht für<br />

heutige muselmanische Gotteskrieg<strong>er</strong>, ab<strong>er</strong> doch nicht für das Deutsche Volk,<br />

das ohnehin eine theoretische Fiktion ist. Eine unsägliche V<strong>er</strong>kettung von<br />

Unrecht, wo eines das and<strong>er</strong>e rechtf<strong>er</strong>tigt?<br />

Sich<strong>er</strong>, die Arab<strong>er</strong> wurden damals unsäglich gepiesakt. D<strong>er</strong>en Frauen<br />

v<strong>er</strong>gewaltigt, d<strong>er</strong>en Häus<strong>er</strong> nied<strong>er</strong>gebrannt, d<strong>er</strong>en Moscheen v<strong>er</strong>wüstet und<br />

ihnen gestohlen, was nicht niet- und nagelfest war (mithin d<strong>er</strong> Urgrund für die<br />

heutigen späten Rache-Akte d<strong>er</strong> Islamistischen T<strong>er</strong>roristen, die genauso v<strong>er</strong>blendet sind in<br />

ihr<strong>er</strong> mittelalt<strong>er</strong>lichen bord<strong>er</strong>linigen Schwarzweißwelt wie auch d<strong>er</strong> George-00-Busch!).<br />

Selbst mit den Oströmischen Christen in Byzanz ist man damals in gleich<strong>er</strong><br />

Weise umgegangen – ein dunkles Kapitel d<strong>er</strong> westlichen Christenheit – eine<br />

Schande, für die Christus nicht hätte st<strong>er</strong>ben dürfen!<br />

„Was meinen Sie, warum d<strong>er</strong> Judenst<strong>er</strong>n sechs-strahlig ist und sechsmal die<br />

Sechzahl enthält?“ v<strong>er</strong>spritzt d<strong>er</strong> Bistring<strong>er</strong> weit<strong>er</strong> sein Gift. „Die Zahl des<br />

Teufels ist 666, wie d<strong>er</strong> Gebildete weiß! Ist das nicht Beweis genug, daß d<strong>er</strong><br />

Ari<strong>er</strong> b<strong>er</strong>ufen ist, diese Bedrohung auszulöschen! Mit dem Fünfst<strong>er</strong>n im<br />

Bann<strong>er</strong> (wo findet sich das? Höchstens bei den Keltischen Druiden, die ja nun bloß<br />

marginal mit den G<strong>er</strong>manen zu schaffen hatten; und die Ari<strong>er</strong> stammen aus Nordost-<br />

Indien und sind auch die Stammvät<strong>er</strong> d<strong>er</strong> Roma!), in dem sämtliche Harmonie<br />

offenbart ist in dessen Längen-V<strong>er</strong>hältnissen!“. Da kann Quastorf nicht mit;<br />

d<strong>er</strong> ist ein Fall für die sinnvolle Anwendung von Neuroleptika!<br />

„Haben Sie den G<strong>er</strong>fried Adensam<strong>er</strong> getötet?“.<br />

„Nein, das war die Vorrsehung, weil <strong>er</strong> sich eingemischt hat. Weil <strong>er</strong> die<br />

Untadeligkeit des Führrr<strong>er</strong>s infragegestellt hat. Geschieht im recht!“.<br />

„Haben Sie die Truhe?“.<br />

„Nein, die gibt es garnicht; das ist eine Fiktion von wehrkraft-z<strong>er</strong>setzenden<br />

Subjekten und ich will jetzt schlafen!“.


94<br />

Dem Robot<strong>er</strong> ist d<strong>er</strong> Strom ausgegangen und Quastorf geht; <strong>er</strong> war<br />

zulange schon in dies<strong>er</strong> paranoiden Welt.<br />

6 Die Sonne <strong>er</strong>hebt sich majestätisch hint<strong>er</strong> den tiefliegenden<br />

Nebelschlei<strong>er</strong>n, die ihr ein fulminantes Orange um den Leib zaub<strong>er</strong>n, wie es<br />

auf d<strong>er</strong> hiesigen Hochebene oftmals sich bietet; man v<strong>er</strong>meint eine<br />

tanzende Feu<strong>er</strong>göttin beobachten zu dürfen. Quastorf fährt auf’s<br />

g<strong>er</strong>atewohl Richtung Burg Kranstein, in d<strong>er</strong> Hoffnung, den Medizinalrat<br />

Bistring<strong>er</strong> dort anzutreffen. Violette Schatten v<strong>er</strong>b<strong>er</strong>gen den unt<strong>er</strong>en<br />

B<strong>er</strong>eich d<strong>er</strong> prachtvollen Burg. Eine schräge Trennlinie teilt den<br />

v<strong>er</strong>schatteten B<strong>er</strong>eich mess<strong>er</strong>scharf zwischen Kemenatenfenst<strong>er</strong>, Söll<strong>er</strong> und<br />

Pechnase von dem wild-orangenen, Sonnen-geküßten Ob<strong>er</strong>teil mit Zinnen<br />

und B<strong>er</strong>chfrit. Die Haushält<strong>er</strong>in öffnet das schw<strong>er</strong>e knarzende Eichenholz-<br />

Tor zög<strong>er</strong>lich (da es ein wenig spießt).<br />

„Sind Sie angemeldet? Denn d<strong>er</strong> H<strong>er</strong>r Doktor schätzt keine ungebetenen<br />

Gäste!“.<br />

„Er braucht mich nicht zu schätzen“ – zeigt <strong>er</strong> seine Hundemarke – „<strong>er</strong><br />

muß mir nur einige offenen Fragen beantworten!“.<br />

„Schämen Sie sich nicht? Das ist doch unmöglich, wie Sie da eindringen!“.<br />

„Ist schon recht, Frau Dirisam<strong>er</strong>, d<strong>er</strong> Mann tut ja nur seine Pflicht!“ kommt<br />

eine belegte Stimme aus dem lichtlosen Hint<strong>er</strong>grund.<br />

D<strong>er</strong> Medizinalrat wirkt etwas v<strong>er</strong>quollen vom gestrigen Wein, ab<strong>er</strong> <strong>er</strong><br />

strengt eine aufrechte Haltung an. Salon-Steir<strong>er</strong> und Loden-Hose (d<strong>er</strong><br />

‚Hodenlose’ drängt sich Quastorf ein alt<strong>er</strong> Schüttelreim auf).<br />

„Bringen’s uns doch bitte ein’ Kaffee, Frau Dirisam<strong>er</strong>!“.<br />

„Sie wissen, weshalb ich komme? Ihr lieb<strong>er</strong> Sohn sitzt ein bei uns“.<br />

„Ich bitt’ Sie; ich sitze regelmäßig im Landtag als honorig<strong>er</strong> Abgeordnet<strong>er</strong><br />

und fahre danach auch imm<strong>er</strong>wied<strong>er</strong> heim. Mein Bub ist ein wenig gosch<strong>er</strong>t,<br />

ab<strong>er</strong> das waren wir doch auch alle in uns<strong>er</strong><strong>er</strong> Jugendzeit! In zwei Tagen<br />

frühstückt d<strong>er</strong> wied<strong>er</strong> zuhause, wie sich’s gehört!“.<br />

„Es geht hi<strong>er</strong> nicht um Schnellfahren od<strong>er</strong> Falschparken! Hi<strong>er</strong> <strong>er</strong>mittle ich<br />

wegen eines Mordv<strong>er</strong>dachtes!“.


95<br />

„Haben Sie mit ihm gesprochen? Dann w<strong>er</strong>den Sie doch sich<strong>er</strong> gem<strong>er</strong>kt<br />

haben, daß <strong>er</strong> ein wenig eigen ist, ab<strong>er</strong> harmlos (‚eigen’ auch so ein<br />

euphemistisches Epitheton d<strong>er</strong> Gegend für total v<strong>er</strong>rückt).<br />

„Und sie? Haben Sie ihn in sein<strong>er</strong> Eigenheit bestärkt?“.<br />

„Ich denke nicht, daß wir eine gemeinsame Gesprächs-Basis finden<br />

w<strong>er</strong>den!“ darauf d<strong>er</strong> v<strong>er</strong>kat<strong>er</strong>te Burg-Eign<strong>er</strong>.<br />

Quastorf weiß, wenn <strong>er</strong> nicht geliebt wird und entf<strong>er</strong>nt sich ohne<br />

Kaffee ab<strong>er</strong> mit Floskeln. Die Ursache d<strong>er</strong> Absond<strong>er</strong>lichkeit des G<strong>er</strong>not<br />

Bistring<strong>er</strong> wird ihm imm<strong>er</strong> klar<strong>er</strong>. Sohn aus gutem Hause, die Mutt<strong>er</strong> hat<br />

sich v<strong>er</strong>abschiedet, da sie <strong>er</strong>kannt hat, daß ihr Einfluß v<strong>er</strong>unmöglicht wurde<br />

– und d<strong>er</strong> Medizin<strong>er</strong> auch nicht nach ihrem Geschmack war – in ihr<strong>er</strong><br />

Jugend hat sie sich was and<strong>er</strong>es ausgemalt, als die Nur-Gattin eines<br />

egozentrischen Bonvivants zu w<strong>er</strong>den. Und heute lebt sie mit einem um<br />

fünfzehn Jahre jüng<strong>er</strong>en Entwicklungshelf<strong>er</strong> in Uganda; und ist <strong>er</strong>füllt.<br />

Und d<strong>er</strong> Sohn: Aufgezogen von einem unglücklichen Kind<strong>er</strong>mädel.<br />

Gebildet d<strong>er</strong> Bub trotz Schulabbruch ab<strong>er</strong> leid<strong>er</strong> fehlgeleitet von Ersatz-<br />

Vät<strong>er</strong>n, da d<strong>er</strong> eigene Vat<strong>er</strong> ein Z<strong>er</strong>rbild von Vat<strong>er</strong>schaft darstellt. Diese<br />

Eindrücke bedürfen d<strong>er</strong> V<strong>er</strong>dauung! Im V<strong>er</strong>abschieden wendet <strong>er</strong> sich zum<br />

Burgh<strong>er</strong>ren um „wir alle haben viel falsch gemacht in uns<strong>er</strong>em Leben, ab<strong>er</strong><br />

Irrtum ist nuneinmal die Grundlage d<strong>er</strong> L<strong>er</strong>nprozesse. Nur w<strong>er</strong> an den<br />

Irrwegen kleben bleibt, wird sich nicht entwickeln!“.<br />

Ein ziemlich gut<strong>er</strong> Abgang für Quastorf, ab<strong>er</strong> daß d<strong>er</strong> Burgh<strong>er</strong>r<br />

daraus moralischen Nutzen ziehen könnte, kann man eigentlich nicht guten<br />

Gewissens behaupten.<br />

7 Quastorf fährt üb<strong>er</strong> Spirkenfeld (die Namens-H<strong>er</strong>kunft leitet sich von den<br />

Spirken, den langsam wachsenden, lang-nadeligen Moorföhren ab, die heute praktisch<br />

nirgendsmehr zu finden sind) nach Mottenschlag (Motten sind in diesem<br />

Zusammenhang keine entomologischen Wesen, sond<strong>er</strong>n heute leid<strong>er</strong> wegen unüb<strong>er</strong>legt<strong>er</strong><br />

Förd<strong>er</strong>ungen d<strong>er</strong> Bau<strong>er</strong>nkamm<strong>er</strong> weitgehend drainagi<strong>er</strong>te ehemalige Moorländ<strong>er</strong>).<br />

Auf dem Gehsteig vor d<strong>er</strong> aufgelassenen Wagn<strong>er</strong>ei bem<strong>er</strong>kt <strong>er</strong> im<br />

Vorbeifahren den alten Trommelschläg<strong>er</strong> (d<strong>er</strong> zweite Kriegs-Vet<strong>er</strong>an, den <strong>er</strong> beim<br />

Fidelen Holzhack<strong>er</strong> getroffen; d<strong>er</strong>, d<strong>er</strong> sich damals nicht geäuß<strong>er</strong>t hatte). Er parkt den<br />

Fiat und im Aussteigen spricht <strong>er</strong> den ehemaligen Kriegs-Teilnehm<strong>er</strong> an.


96<br />

„Sie könnten mir doch sich<strong>er</strong> Hint<strong>er</strong>gründe bieten! Was wissen Sie von d<strong>er</strong><br />

gesuchten Kiste?“ preßt Quastorf eilig h<strong>er</strong>vor.<br />

„Des woa so a Bledsinn von Adensam<strong>er</strong>, weu sei Vodta hoit mit mia<br />

seinazeit des Trumm vagrob’n hot. I hob eam eh g’rod’n, daß mas bessa<br />

vanicht’n soit’n, wie uns des d<strong>er</strong> Führ<strong>er</strong> befohlen hodt. Oba ea – na; und<br />

mia kunnt’n reich w<strong>er</strong>d’n damit! Junge bläde Buam woa ma hoit!“.<br />

„Sie haben die sein<strong>er</strong>zeitige Aktion üb<strong>er</strong>lebt? D<strong>er</strong> Willehad Adensam<strong>er</strong> hat<br />

doch behauptet, daß alle an d<strong>er</strong> Kommandosache Nibelungen-Hort Beteiligten<br />

liquidi<strong>er</strong>t wurden; damals!“.<br />

„De vom Hinrichtungs-Kommando woan domois olle b’soffn und<br />

platt’lvoi mit P<strong>er</strong>vitin – de deppat’n Piefke – weu des Daschiaßn kaum ana<br />

ausg’hoit’n hot ohne Ausauff’n; und do haum’s mi hoit nua aug’schossen in<br />

eanan Rausch!“.<br />

Wie zum Beweis streckt <strong>er</strong> seinen rechten Unt<strong>er</strong>arm-Stumpf<br />

triumphi<strong>er</strong>end in steilem Winkel nach oben; fast ein makabr<strong>er</strong> Hitl<strong>er</strong>-Gruß –<br />

„des woa net da Feind, des woan de eiganan Deitsch’n Briada! Und wias de<br />

Tot’n wegazaht haum, hob i davorenna känna. Und daunn hom’s a Scheiß-<br />

Aungst kriagt, daß g’stroft wuadt’n und haum des net g’mödt! De haum mi<br />

auf de Tot’nlist’n g’schrieb’n und woan froh, daß kana meah g’frogt hot!“.<br />

„Und Sie wurden nie <strong>er</strong>wischt?“.<br />

„Gehen’s bitte, mia in Woidvi<strong>er</strong>t’l san a net gaunz deppat; i hob mi a Zeit<br />

laung in Woid vasteckt und do hot mi kana g’fundt’n“.<br />

„Und wie haben Sie sich dann unbem<strong>er</strong>kt wied<strong>er</strong> in die Truppe einglied<strong>er</strong>n<br />

können – Sie sind schließlich hoch dekori<strong>er</strong>t – die Nazis hatten doch<br />

p<strong>er</strong>fekte V<strong>er</strong>waltungs-Strukturen?“.<br />

„I hob’ mi in’d domolige Unt<strong>er</strong>stei<strong>er</strong>mork durchg’schlog’n und wia de Tito-<br />

Partisanen a gaunze Staffl vom Säubarungs-Kommando dastoch’n haum<br />

mit de Bajonett, hob i ma von an tod’n Kaumarod’n den sei Mark’n<br />

umg’hängt und mi ois Vasprengta bei an Post’n g’mödt. Domois woa do<br />

unt’n so a Durchanaunda; do hot eh ka Sau mea den Aundan kennt. Und<br />

Organisation, V<strong>er</strong>waltungs-Strukturen – daß I net loch – a Sauhauf’n woa<br />

des. Kana hot a Auhnung von Kriegsführung g’hobt – aum wenigsten d<strong>er</strong><br />

deppate GröFaZ!”. (Hitl<strong>er</strong> hat sich g<strong>er</strong>ne als Größt<strong>er</strong> Führ<strong>er</strong> all<strong>er</strong> Zeiten gesehen).


97<br />

Quastorf ist entsetzt üb<strong>er</strong> diese Sicht d<strong>er</strong> Geschichts-Schreibung<br />

eines Betroffenen und gleichwohl <strong>er</strong>staunt üb<strong>er</strong> dessen Ehrlichkeit.<br />

„Und so einem System halten Sie heute noch die Treue, nach allem, was<br />

Ihnen von diesem angetan worden ist; Sie haben imm<strong>er</strong>hin Ihren rechten<br />

Unt<strong>er</strong>arm v<strong>er</strong>loren?“.<br />

„Waunn ma in da Jugend begeistat is fia a Idee, daunn duat ma ollas dafia;<br />

und waunn’s schiefgeht, kaunnst do net sog’n ‚fia an Schaß bin i a Krippe<br />

wuan’. Daunn denkt ma hoit, wiad scho net so schlecht g’wes’n sei!“.<br />

„Jetzt zum Anlaß meines Gespräches mit Ihnen: Was beinhaltet denn die<br />

Truhe; haben Sie d<strong>er</strong>en Inhalt je vor Augen bekommen?“.<br />

„Da Adensam<strong>er</strong> hot mas kuaz zagt; i woa <strong>er</strong>schütt<strong>er</strong>t, wia i g’les’n hob, fia<br />

wem mia in Kriag gaunga san. Da Alois Hitl<strong>er</strong> (da Vodta vom Adoif) wor a<br />

Inzichtla – dea Schickelgruaba-Bonkat; in best’n Foih a Judenbua (und hot<br />

sei eigene Nichte und Kusin g’heirat; de Sau) und sei Sohn, da Adoif, dea<br />

von uns olle an lückenlosen Ahnenenpoß bis ins zehnte Glied valongt hot –<br />

und ea söba was nedamoi, wea sei Großvodta sei kännt! Fünf Großvodtan<br />

kummat’n in Froge! Ausg’schamt, wia de domois umanaundapudat haum“.<br />

„Wissen Sie es denn genau? H<strong>er</strong>r äh; ach ich kenne Ihren Namen leid<strong>er</strong><br />

noch nicht!“.<br />

„Jo i waß gaunz genau! I staumm von de Trummeschlogan o“.<br />

„Ihr Name ist auch int<strong>er</strong>essant, denn so hat einst d<strong>er</strong> Bürg<strong>er</strong>meist<strong>er</strong> von<br />

Strones geheißen, in dessen Haus die Anna-Maria Schickelgrub<strong>er</strong> ihren<br />

unehelichen Sohn Alois entbunden hat. Sind Sie v<strong>er</strong>wandt mit dem?“.<br />

Quastorf hat sich ein wenig kundig gemacht in lokal<strong>er</strong> Geschichte,<br />

damit <strong>er</strong> nicht ganz blöd dasteht vor den Einheimischen.<br />

„Jo da Enk’l bin i von seinazeidich’n Trummeschloga und bin a stoiz d’rauf,<br />

weu dea woa a guate Haut; dea hot de Schicklgruabarin aunständig<br />

behaund’lt, guat zoiht fia ihr Orbeit und ihr a no den Göd fia ihan Buam<br />

Alois ogeh’m; des woa net söbvaständlich! Dea woa koa Leitschinda, wia<br />

vüle gsogt haum!“.<br />

„Könnte nicht Ihr Großvat<strong>er</strong> somit möglich<strong>er</strong>weise auch d<strong>er</strong> Vat<strong>er</strong> Adolf<br />

Hitl<strong>er</strong>s gewesen sein und Sie damit dessen Großneffe? Auf den Höfen hat<br />

man es damals doch nicht so genau genommen“.


98<br />

Den Trommelschläg<strong>er</strong> schüttelt es heftig ob dies<strong>er</strong> Erkenntnis.<br />

„Manans? Des hot ma scho mei Muadta sein<strong>er</strong>zeit dazöhl’t und i hob’s nia<br />

glaub’n mäg’n. Fian Adoif warat des nati<strong>er</strong>lich a Seg’n; weu daunn war’a<br />

weda a Vi<strong>er</strong>t’ljud no a Inzichtla; nua da Sohn von an Bonk<strong>er</strong>t’n! A bißl woa<br />

i friha a stoiz auf de Mäglichkeit und daunn hob’ i mi oba a oft g’schaumt<br />

dafia, <strong>er</strong>scht recht wia i de Soch’n g’les’n hob!“.<br />

„Die Sachen in d<strong>er</strong> Kiste?“.<br />

„Geb’ns ma jetzt bitte a Ruah’; i mecht net dauand d’rau denga. Reicht eh<br />

scho, daß i seit Johre net schloff’n kau!“.<br />

Quastorf v<strong>er</strong>abschiedet sich in gewiss<strong>er</strong> Ehrfurcht von dem alten<br />

Mann, obwohl <strong>er</strong> ansonst diese v<strong>er</strong>härteten Gestrigen nicht sehr schätzt.<br />

8 Langsam v<strong>er</strong>dichtet sich d<strong>er</strong> V<strong>er</strong>dacht, daß die Kiste von irgendwem<br />

v<strong>er</strong>steckt wird und die hat sich<strong>er</strong> ein<strong>er</strong> d<strong>er</strong> Buben.<br />

In V<strong>er</strong>dacht g<strong>er</strong>ät natürlich sofort d<strong>er</strong> Vick<strong>er</strong>l Etzdorf<strong>er</strong>. Quastorf<br />

sucht ihn auf in sein<strong>er</strong> v<strong>er</strong>wahrlosten Bude in Freitzenb<strong>er</strong>g.<br />

Hint<strong>er</strong> d<strong>er</strong> Teufelsmühle wurde in den Fünfzig<strong>er</strong>jahren im Url-Tal ein<br />

Kleinkraftw<strong>er</strong>k von d<strong>er</strong> Gemeinde Freitzenb<strong>er</strong>g <strong>er</strong>richtet im damaligen<br />

Baustil. Nachdem es wegen mangelhaft<strong>er</strong> Wartung und relativ<strong>er</strong><br />

Un<strong>er</strong>giebigkeit (die Url hat aufgrund klimatisch<strong>er</strong> V<strong>er</strong>änd<strong>er</strong>ungen imm<strong>er</strong> wenig<strong>er</strong><br />

Wass<strong>er</strong> geführt mit den Jahren) dann 1968 vom Netz genommen wurde, hat es<br />

die Frau Rosina Jetzing<strong>er</strong> nach dem Hinausschmiß des Shakiamuni dem<br />

alten Etzdorf<strong>er</strong> (dem Gemeindesekretär von Freitzenb<strong>er</strong>g) als Liebesnest für seine<br />

div<strong>er</strong>sen auß<strong>er</strong>ehelichen Belustigungen zukommen lassen (d<strong>er</strong> war allgemein<br />

als d<strong>er</strong> ‚Gemeindesti<strong>er</strong>’ von Freitzenb<strong>er</strong>g v<strong>er</strong>schrien in seinen besten Jahren). Und wie <strong>er</strong><br />

dann etwas müd<strong>er</strong> geworden ist und sein Bub flügge wurde, hat ihm d<strong>er</strong><br />

Vat<strong>er</strong> das b<strong>er</strong>eits deutlich v<strong>er</strong>rottete Objekt üb<strong>er</strong>lassen.<br />

Bedrückend schon die Zufahrt; ein morastig<strong>er</strong> Waldweg. Dann muß<br />

man im steilen Winkel nach links einen abschüssigen Hausweg nehmen,<br />

den man sich im Wint<strong>er</strong> garnicht vorstellen will. Üb<strong>er</strong>all stehen v<strong>er</strong>rostete<br />

Gen<strong>er</strong>atoren-Teile h<strong>er</strong>um, weil sie nach 68 nicht entsorgt wurden. Aus<br />

denen hat d<strong>er</strong> einig<strong>er</strong>maßen begabte Bursch int<strong>er</strong>essante Objekte


99<br />

zusammengeschweißt, die an bedrohliche Cyborgs od<strong>er</strong> an Positronisch-<br />

Biologische Robot<strong>er</strong> aus transgalaktischen Welten <strong>er</strong>inn<strong>er</strong>n.<br />

Beim Eintritt in den modrigen Flur stolp<strong>er</strong>t man üb<strong>er</strong> abgeplatzte<br />

Linoleum-Fliesen und eine nicht mehr ganz dicht schließende Novopan-<br />

Türe führt in sein abgewohntes Reich. Die Fenst<strong>er</strong> sind von desolaten<br />

Aluminium-Jalousien abgedunkelt und d<strong>er</strong> Raum ist von postmod<strong>er</strong>nen<br />

Halogen-Strahl<strong>er</strong>n <strong>er</strong>leuchtet, die nurmehr teilweise funktioni<strong>er</strong>en (man<br />

wund<strong>er</strong>t sich, daß in diesem muffigen Klima üb<strong>er</strong>haupt irgendeine Elektronik eine<br />

Chance hat).<br />

Ab<strong>er</strong> d<strong>er</strong> Etzdorf<strong>er</strong> regi<strong>er</strong>t souv<strong>er</strong>än in diesem seinem Reich. Sich<strong>er</strong><br />

fünf bis sieben PCs, zwei Laptops und div<strong>er</strong>se St<strong>er</strong>eo-Anlagen, Video-<br />

Maschinen und DVD-Play<strong>er</strong> nebst Tonmischpult. Alles mittels met<strong>er</strong>weise<br />

bunt<strong>er</strong> Kabel v<strong>er</strong>netzt und alle G<strong>er</strong>äte ständig in Betrieb (früh<strong>er</strong> wurde hi<strong>er</strong><br />

Strom <strong>er</strong>zeugt – heute wird dies<strong>er</strong> nurmehr v<strong>er</strong>braucht!). Dazwischen stehen einige<br />

schmutzige Kaffee-Häf<strong>er</strong>ln von letzt<strong>er</strong> Woche und le<strong>er</strong>e Bi<strong>er</strong>dosen üb<strong>er</strong>all.<br />

D<strong>er</strong> Pizza-Bäck<strong>er</strong> hat auch seine v<strong>er</strong>gammelten Kartons nicht mehr<br />

abgeholt im letzten Monat, was <strong>er</strong> aus Kulanz sonst oft gemacht hat!<br />

Baumlang, kräftig gestaltet, Tarnhäutel, unschuldig-blaue Kind<strong>er</strong>augen und<br />

eine freche – viel zu kleine – Nase unt<strong>er</strong> d<strong>er</strong> poli<strong>er</strong>ten Tatoo-Platte.<br />

Ein Technik-Freak, d<strong>er</strong> sich mit allem auskennt. Als Bub schon hat <strong>er</strong><br />

Rohrbomben gebastelt und damit sein Elt<strong>er</strong>nhaus fast in die Luft gesprengt.<br />

Und heute arbeitet <strong>er</strong> sich<strong>er</strong> mit Semtex und C4! Ab<strong>er</strong> jetzt komponi<strong>er</strong>t <strong>er</strong><br />

mittels Synthesiz<strong>er</strong>-Modulen eine schräge Symphonie zu varii<strong>er</strong>ten Themen<br />

von Wagn<strong>er</strong>s Walküre und dem Horst-Wessel-Lied.<br />

„Setzen Sie sich irgendwo hin; ich muß <strong>er</strong>st aussteigen!“.<br />

Quastorf würde am liebsten garnicht <strong>er</strong>st einsteigen in diese Welt. Er<br />

sieht auf den Monitoren Runen, Beschreibungen von panz<strong>er</strong>brechenden<br />

Waffen-Systemen und v<strong>er</strong>schieden stilisi<strong>er</strong>te Swastikas aus all<strong>er</strong> Welt. Unt<strong>er</strong><br />

and<strong>er</strong>em kann Quastorf auch das Firmenlogo d<strong>er</strong> treyeangle entdecken.<br />

„Sagen Sie bloß, Sie hacken im Hochsich<strong>er</strong>heits-System d<strong>er</strong> treyeangle h<strong>er</strong>um;<br />

wie kommt man da rein? Und wie traut man sich das eigentlich? Die sind<br />

doch mit Ihr<strong>er</strong> schw<strong>er</strong>bewaffneten Security und den Bluthunden keine<br />

fünfhund<strong>er</strong>t Met<strong>er</strong> von hi<strong>er</strong> entf<strong>er</strong>nt eingeigelt!“.<br />

„Das ist doch d<strong>er</strong> Kick daran; das v<strong>er</strong>stehst Du nicht, Du Grufti!“.


100<br />

„Und was machen die so an Staats-gefährdenden Aktionen, denn Sie<br />

v<strong>er</strong>folgen doch einen Zweck – Sie machen das doch nicht nur zum Spaß?“.<br />

„Das w<strong>er</strong>d’ ich Dir nicht auf die Nase binden; das wird mir noch viel Geld<br />

einbringen! Ich mach doch nicht die Arbeit für den V<strong>er</strong>fassungsschutz, nur<br />

weil die zu unfähig sind, sich selbst in das System einzuloggen!“.<br />

D<strong>er</strong> fahle Wid<strong>er</strong>schein d<strong>er</strong> Bildschirme setzt den Anwend<strong>er</strong> in ein<br />

unwirkliches Blaulicht, denn <strong>er</strong> ist im Einsatz.<br />

Wie <strong>er</strong>trägt man so eine Welt; wie ist man in diese g<strong>er</strong>aten, was an<br />

Lebensziel kann sich in d<strong>er</strong>artigen Must<strong>er</strong>n v<strong>er</strong>b<strong>er</strong>gen und wieviele<br />

V<strong>er</strong>letzungen sind dafür notwendig, daß man nicht <strong>er</strong>kennt, wie weit ein<br />

sogeartetes Vegeti<strong>er</strong>en an d<strong>er</strong> Wirklichkeit vorbeischrammt und sich nicht<br />

wesentlich von einem Gefängnis-Dasein unt<strong>er</strong>scheidet?<br />

„Sie kommen wegen d<strong>er</strong> Truhe, denke ich; das können Sie v<strong>er</strong>gessen, denn<br />

die hat d<strong>er</strong> Burgstall<strong>er</strong> vorige Woche mit Feu<strong>er</strong>w<strong>er</strong>ks-Körp<strong>er</strong>n<br />

hochgeblasen im Rausch. Also ist das Ganze kein Thema mehr!“.<br />

Quastorf klickt gekonnt den b<strong>er</strong>eits geschlossenen Int<strong>er</strong>net-Explor<strong>er</strong> an<br />

und die zuletzt genützte Site geht auf Thule-Gesellschaft!<br />

„Das ist Wied<strong>er</strong>betätigung; jung<strong>er</strong> Mann! Ist Ihnen das klar?“.<br />

„Gut, v<strong>er</strong>petzen Sie mich halt beim Schoitl, d<strong>er</strong> Saufnase. Die haben den<br />

G<strong>er</strong>not, das Weichei, schon nicht kleinkriegen können. Bei mir beißen sie<br />

ab<strong>er</strong> auf Granit! Waldvi<strong>er</strong>tel; Sie v<strong>er</strong>stehen (a Woidvi<strong>er</strong>tl<strong>er</strong> – drei Leit!)?“.<br />

„Es <strong>er</strong>füllt mich imm<strong>er</strong> mit tief<strong>er</strong> Trau<strong>er</strong>, wenn ich so begabte Menschen<br />

wie Sie, dabei beobachten muß, wie sie Ihre Potenzen v<strong>er</strong>geuden, weil<br />

Ihnen die Liebe v<strong>er</strong>weig<strong>er</strong>t wurde! Nibelungen-Ehrenwort, daß Sie sich<br />

nicht abseilen?“.<br />

„Klar, Mann!“. Quastorf geht g<strong>er</strong>ne. Fort aus diesem Mod<strong>er</strong>, weg von<br />

diesem v<strong>er</strong>lorenen Chaoten, hinaus aus diesem muffigen Loch.<br />

9 Irgendwie üb<strong>er</strong>ford<strong>er</strong>t die ganze Sache den F<strong>er</strong>dinand langsam. Er<br />

muß das alles neu ordnen. Die Kiste muß weg, damit sie keinem<br />

Böswilligen zugängig wird, ab<strong>er</strong> die Buben sind ihm in d<strong>er</strong> letzten Zeit ein<br />

wenig entglitten.


101<br />

Da war d<strong>er</strong> dau<strong>er</strong>nde Streß mit den Befragungen durch den klebrigen<br />

Quastorf und die Dumm<strong>er</strong>eien mit den dilettantischen Alibis und in d<strong>er</strong><br />

Schule geht es auch rund. D<strong>er</strong> Direktor Kokoschka will eine Evalui<strong>er</strong>ung<br />

all<strong>er</strong> Lehr<strong>er</strong>; will, daß alle Fortbildungs-Kurse und P<strong>er</strong>sönlichkeitsbildungs-<br />

Seminare machen, die d<strong>er</strong> selb<strong>er</strong> imm<strong>er</strong> v<strong>er</strong>weig<strong>er</strong>t hat. Und nun soll sich<br />

d<strong>er</strong> F<strong>er</strong>dl in ein<strong>er</strong> Psychogruppe bloßstellen lassen? Noch dazu vor ein<strong>er</strong><br />

diese Gruppe leitenden blutjungen feministischen Th<strong>er</strong>apeutin!<br />

Das kann es nicht sein! In den Wald muß <strong>er</strong> hin zum alten Kalkofen,<br />

wo <strong>er</strong> schon für den Vat<strong>er</strong> den toten Hund vom Alois v<strong>er</strong>graben hat. Froh<br />

war <strong>er</strong> damals, daß sein Vat<strong>er</strong> sich endlich getraut hat, die vielen<br />

Demütigungen von seinem Liebhab<strong>er</strong> mannhaft wenigstens an dessen<br />

Hund zu rächen. Dem Doktor Hebenstreit ist das sein<strong>er</strong>zeit garnicht<br />

aufgefallen, wieviele Packungen Marcoumar sich d<strong>er</strong> Vat<strong>er</strong> zuletzt von ihm<br />

v<strong>er</strong>schreiben hat lassen, die <strong>er</strong> wegen seines Vorhof-Flimm<strong>er</strong>ns einnehmen<br />

mußte und dem Hund hat es gut geschmeckt zwischen den h<strong>er</strong>vorragenden<br />

Fleischlab<strong>er</strong>ln von d<strong>er</strong> Isabella; t’ja die Mutt<strong>er</strong> kocht halt wirklich<br />

phantastisch!<br />

Und nachdem die Kind<strong>er</strong> den Kadav<strong>er</strong> dann ausgebuddelt gehabt<br />

haben und es amtskundig war, hatte <strong>er</strong> die Gewißheit, daß die sich<strong>er</strong> kein<br />

zweites Mal mehr hi<strong>er</strong> suchen w<strong>er</strong>den. So ist <strong>er</strong> auf die Idee v<strong>er</strong>fallen, mit<br />

‚seinen Nibelungen’ dort die Kiste zu deponi<strong>er</strong>en. Die muß jetzt endgültig<br />

weg; muß aus d<strong>er</strong> Welt, in d<strong>er</strong> sie nie hätte sein dürfen!<br />

Keuchend langt <strong>er</strong> nach dem kurzen Wegstück durch das kleine<br />

Moor am Kalkofen an und muß zu seinem Entsetzen <strong>er</strong>kennen, daß sie<br />

ausgegraben worden sein muß. Da kommen nicht viele in Frage. D<strong>er</strong><br />

Vucovich ist zu loyal und auch zu dumpf; d<strong>er</strong> Bistring<strong>er</strong> hat zwar Führ<strong>er</strong>-<br />

Qualitäten, ab<strong>er</strong> d<strong>er</strong> wäre in sein<strong>er</strong> Wahnhaftigkeit zu wenig strukturi<strong>er</strong>t<br />

(auß<strong>er</strong>dem war d<strong>er</strong> ja in d<strong>er</strong> Liesl am Als<strong>er</strong>grund inhafti<strong>er</strong>t die letzte Zeit).<br />

D<strong>er</strong> Übelbach<strong>er</strong>; d<strong>er</strong> wäre dazu imstande; denn d<strong>er</strong> ist intelligent. Ob<br />

d<strong>er</strong> vielleicht die Idee v<strong>er</strong>raten und die Truhe an News v<strong>er</strong>kauft hat?<br />

Zuzutrauen wäre es dem windigen Schlitzohr schon! Jetzt ist alles v<strong>er</strong>loren<br />

für den F<strong>er</strong>dinand. Die Ideale im Rauchfang, d<strong>er</strong> Arbeitsplatz schwimmt<br />

langsam davon, wenn die Psychologin ihn aufplattelt und d<strong>er</strong> blöde<br />

Quastorf kennt b<strong>er</strong>eits die meisten Zusammenhänge!<br />

Gut, daß <strong>er</strong> seinen Italienischen Replika Remington-58-Nachbau (ein<br />

wuchtig<strong>er</strong> Vi<strong>er</strong>undvi<strong>er</strong>zig<strong>er</strong> – d<strong>er</strong> Klassik<strong>er</strong>), dessen Lauf <strong>er</strong> schon imm<strong>er</strong> zu


102<br />

lutschen b<strong>er</strong>eit war – wenn das Leben zu hart umginge mit ihm – gleich<br />

mitgenommen hat. Ein möglich<strong>er</strong>; d<strong>er</strong> ultimative – d<strong>er</strong> in d<strong>er</strong> gegenwärtigen<br />

Situation einzige Ausweg!<br />

Hi<strong>er</strong> im Ried Teichwiesen will <strong>er</strong> sein Grab finden und stolp<strong>er</strong>t<br />

v<strong>er</strong>stört durch den Tann. Zurück zum aufgelassenen Graphit-B<strong>er</strong>gw<strong>er</strong>k, das<br />

kein<strong>er</strong> mehr kennt und läßt sich in das von v<strong>er</strong>blühenden Schlehen<br />

v<strong>er</strong>wachsene Mundloch fallen, damit ihn sich<strong>er</strong> niemand finden kann. Wie<br />

ein Elephant will <strong>er</strong> in die Erde gehen am richtigen Platz. V<strong>er</strong>gehen – nicht<br />

st<strong>er</strong>ben – das letzte Recht auf Selbstbestimmung! D<strong>er</strong> F<strong>er</strong>dinand hat einmal<br />

seinen V<strong>er</strong>sich<strong>er</strong><strong>er</strong> gefragt „was wird sein, wenn ich hinüb<strong>er</strong>gehe anstatt zu<br />

st<strong>er</strong>ben (ohne daß meine Leiche gefunden würde)? W<strong>er</strong>det Ihr dann die<br />

Lebensv<strong>er</strong>sich<strong>er</strong>ung an meine Mutt<strong>er</strong> ausbezahlen?“.<br />

„Keine Leiche – kein Geld!“ war dessen unlyrische Antwort zu seinem<br />

Bedau<strong>er</strong>n. Ab<strong>er</strong> das ist in so einem eingeengten Ablauf auch kein Krit<strong>er</strong>ium<br />

mehr!<br />

Schepp<strong>er</strong>nd landen seine Dachstein-Wand<strong>er</strong>schuhe auf rostigem Blech,<br />

was seine Neugi<strong>er</strong> <strong>er</strong>weckt, obwohl <strong>er</strong> sich schon d<strong>er</strong> Welt entzogen<br />

v<strong>er</strong>meinte. Die sagenumwobene Kiste un<strong>er</strong>wartet unt<strong>er</strong> seinen Füßen!<br />

Die muß irgendw<strong>er</strong> zu unbekanntem Zweck v<strong>er</strong>frachtet haben!<br />

N<strong>er</strong>vös fing<strong>er</strong>t <strong>er</strong> an d<strong>er</strong>en V<strong>er</strong>schluß-Laschen h<strong>er</strong>um. Keine V<strong>er</strong>sp<strong>er</strong>rung<br />

mehr, denn die wurde ja vom Adensam<strong>er</strong> b<strong>er</strong>eits aufgetrennt. Quietschend<br />

öffnen sich die Laschen und unschwi<strong>er</strong>ig läßt sich d<strong>er</strong> Deckel öffnen.<br />

„Und jetzt w<strong>er</strong>de ich es endlich wissen!“.<br />

10 D<strong>er</strong> Forstadjunkt Kalchgrub<strong>er</strong> (d<strong>er</strong> Vat<strong>er</strong> d<strong>er</strong> Angi und des<br />

inkrimini<strong>er</strong>ten Rob<strong>er</strong>t) geht sein Revi<strong>er</strong> ab, weil da ständig Holz gestohlen wird<br />

von rumänischen Banden (in Wirklichkeit von ganz gewöhnlichen einheimischen<br />

Holzdieben; ab<strong>er</strong> Rumänen sind einfach praktisch<strong>er</strong>) und d<strong>er</strong> sturmige Wint<strong>er</strong><br />

<strong>er</strong>heblichen Wind-Bruch v<strong>er</strong>ursacht hat.<br />

Mit den v<strong>er</strong>trottelten Mountain-Bik<strong>er</strong>n, den neumod<strong>er</strong>nen Nordic-<br />

Walk<strong>er</strong>n und den neureichen Reit<strong>er</strong>n hat <strong>er</strong> auch so seine Probleme, weil<br />

ihm die imm<strong>er</strong> sein scheues Wild v<strong>er</strong>grämen. Plötzlich schlägt d<strong>er</strong> Schani –<br />

sein Hund – an und zieht ihn zum abgekommenen Grahpit-B<strong>er</strong>gw<strong>er</strong>k. D<strong>er</strong>


103<br />

Kalchgrub<strong>er</strong> folgt ihm und muß <strong>er</strong>kennen, daß das Gesehene die Grenzen<br />

all dessen üb<strong>er</strong>schreitet, was <strong>er</strong> g<strong>er</strong>ade noch <strong>er</strong>tragen kann.<br />

Also hat <strong>er</strong> doch richtig gehört vor ein<strong>er</strong> halben Stunde; d<strong>er</strong> Irrtum<br />

nur – es war kein Wild<strong>er</strong><strong>er</strong>, d<strong>er</strong> den lauten Knall v<strong>er</strong>ursacht hatte.<br />

Er zückt mit zittrigen Händen das Handy und geht h<strong>er</strong>nach weit<strong>er</strong><br />

sein Revi<strong>er</strong> ab im Schock, wie wenn nichts vorgefallen wäre; froh, daß <strong>er</strong><br />

seine Bäume hat, die ihm imm<strong>er</strong>schon inn<strong>er</strong>e Ruhe v<strong>er</strong>mitteln konnten<br />

trotz all dem b<strong>er</strong>uflichen Streß in d<strong>er</strong> heutigen Zeit, wo <strong>er</strong> mit d<strong>er</strong> halben<br />

Mannschaft das Doppelte schläg<strong>er</strong>n muß. Das Angenehme – Bäume reden<br />

nicht dagegen, wenn man sie anredet!<br />

11 Eine halbe Stunde spät<strong>er</strong> ist die Waldesruhe dahin. Es wimmelt nur<br />

so von Hunden und d<strong>er</strong>en uni(n)formi<strong>er</strong>ten Führ<strong>er</strong>n. Auch Zivil ist da;<br />

unt<strong>er</strong> ihnen Doktor Kuchlbach<strong>er</strong> und natürlich auch Quastorf. D<strong>er</strong><br />

Habison wurlt aufg<strong>er</strong>egt h<strong>er</strong>um mit seinem technologischen Baukasten, den<br />

<strong>er</strong> sorgfältig Stück für Stück aus seinem gewaltigen Alu-Koff<strong>er</strong><br />

h<strong>er</strong>ausfing<strong>er</strong>t. Er v<strong>er</strong>scheucht alle; irrtümlich sogar den Doktor Anisin, d<strong>er</strong><br />

nun wirklich gewisse Rechte hätte, den Fund zu begutachten – als d<strong>er</strong><br />

zuständige G<strong>er</strong>ichtsmedizin<strong>er</strong>.<br />

„Undefini<strong>er</strong>bare Leichenteile (v<strong>er</strong>mutlich nur eines Menschen)<br />

v<strong>er</strong>streut auf die wenigen Quadratmet<strong>er</strong> des ortsgegebenen Umfeldes im<br />

Mundloch des Graphit-Stollens. Eine sinnvolle Zuordnung entzieht sich<br />

dem <strong>er</strong>sten Blick. Zwischen die Fleischteile gemischt Papi<strong>er</strong>fetzen,<br />

Kleidungsstücke, eine z<strong>er</strong>brochene Brille und Blechreste. Nur d<strong>er</strong> Thorax in<br />

Ganzheit <strong>er</strong>halten (wennauch vorne breiträumig aufg<strong>er</strong>issen); klar <strong>er</strong>kennbar<br />

darin die h<strong>er</strong>z<strong>er</strong>reissung! Vanille-Duft <strong>er</strong>füllt die kleine Höhle. Semtex<br />

riecht gewöhnlich eh<strong>er</strong> ein wenig nach Knoblauch gleich nach d<strong>er</strong><br />

Detonation, ab<strong>er</strong> nach läng<strong>er</strong>em Kontakt mit Sau<strong>er</strong>stoff ist d<strong>er</strong> V<strong>er</strong>gleich<br />

mit Vanille nicht ganz falsch“ spricht Anisin professionell in sein<br />

mitgebrachtes Dikti<strong>er</strong>g<strong>er</strong>ät.<br />

„Quecksilb<strong>er</strong>-Zünd<strong>er</strong>“ strahlt d<strong>er</strong> Habison, denn darin ist <strong>er</strong> in seinem<br />

Element. „Sich<strong>er</strong> F<strong>er</strong>nzündung mittels Handy; das machen sie heute<br />

g<strong>er</strong>ne!“.<br />

Quastorf sagt, was <strong>er</strong> sich denkt, vor sich hin, denn <strong>er</strong> liebt es, wie alle<br />

Eigenbrötl<strong>er</strong>, sich selbst beim Denken zuzuhören – „absolut<strong>er</strong>


104<br />

Schwachsinn; sich<strong>er</strong> Unt<strong>er</strong>brechungs-Zündung! Es wird schon ein wenig<br />

finst<strong>er</strong>, ab<strong>er</strong> können wir vielleicht einen Haftantrag für den Etzdorf<strong>er</strong><br />

<strong>er</strong>wirken?“<br />

„Glauben Sie eigentlich, daß Sie Gott sind? Um diese Zeit den Staatsanwalt<br />

bei d<strong>er</strong> V<strong>er</strong>nissage d<strong>er</strong> Ausstellung des b<strong>er</strong>ühmten Immanuel Wass<strong>er</strong>burg<strong>er</strong><br />

zu stören!?“.<br />

Auf diese Diskussion läßt sich Quastorf bess<strong>er</strong> nicht ein, denn <strong>er</strong> hat<br />

seit Jahren die Vorstellung, daß jed<strong>er</strong> Mensch nicht nur ein Abbild Gottes,<br />

sond<strong>er</strong>n ident mit dies<strong>er</strong> Entität ist. Nur manche wissen es nicht und gehen<br />

dadurch oft unwürdig miteinand<strong>er</strong> um, weil sie ihr Nichtwissen dessen nur<br />

schw<strong>er</strong> <strong>er</strong>tragen können. Die Welt wäre viel heil<strong>er</strong>, wenn sie die schrägen<br />

Denkmust<strong>er</strong> Quastorfs mehr achtete! Denn kein wahrhaft<strong>er</strong> Gott hat<br />

Schwachheiten wie Dünkel, Eif<strong>er</strong>sucht, Anschwärz<strong>er</strong>ei, Neid, Mißgunst,<br />

Prahl<strong>er</strong>tum od<strong>er</strong> Konkurrenz-Sucht nötig. Das hat Quastorf in all seinem<br />

zutiefst gläubigen Pantheismus schon imm<strong>er</strong> in seinem z<strong>er</strong>rissenen H<strong>er</strong>zen<br />

gewußt; schon lange bevor <strong>er</strong> bewußt zu denken gel<strong>er</strong>nt hatte!<br />

W<strong>er</strong> muß eigentlich noch all<strong>er</strong> st<strong>er</strong>ben nach so vielen Jahren für eine<br />

d<strong>er</strong>art kaputte Ideologie? Das durchaus tragische Schicksal des von seinem<br />

frustri<strong>er</strong>ten Vat<strong>er</strong> bis auf’s Blut gequälten Kindes Adolf Hitl<strong>er</strong>, das ihn zu<br />

ein<strong>er</strong> P<strong>er</strong>son deformi<strong>er</strong>t hat, die selbst nach Auslöschung d<strong>er</strong> gesamten<br />

Menschheit noch nicht zufriedenzustellen gewesen wäre, sollte doch b<strong>er</strong>eits<br />

abgearbeitete Geschichte sein! Wieso geht diese Gewalt ständig weit<strong>er</strong> ohne<br />

jedweden <strong>er</strong>sichtlichen Nutzen selbst für die v<strong>er</strong>ursachenden Gewalttät<strong>er</strong>?<br />

Von Emotion geprägte V<strong>er</strong>brechen schädigen den Tät<strong>er</strong> meist in<br />

gleich<strong>er</strong> Weise wie das Opf<strong>er</strong>; und w<strong>er</strong>den üblich<strong>er</strong>weise sämtlich<br />

aufgedeckt, da Emotionalisten imm<strong>er</strong> schw<strong>er</strong>wiegende Fehl<strong>er</strong> machen – nur<br />

akribisch geplante V<strong>er</strong>mögens-Delikte bringen kurzfristig vord<strong>er</strong>gründigen<br />

Gewinn (siehe die ganze korrupte Bank<strong>er</strong>-Politik<strong>er</strong>-Industriellen-Partie). Und die<br />

würde auch kaum w<strong>er</strong> begehen, wenn <strong>er</strong> sich nicht in d<strong>er</strong> trüg<strong>er</strong>ischen<br />

Hoffnung wähnte, nicht <strong>er</strong>wischt zu w<strong>er</strong>den!<br />

Während dies<strong>er</strong> langwi<strong>er</strong>igen Erwägungen, die Quastorfs Gehirn<br />

durchfluten mußten, hat sich d<strong>er</strong> Trupp weitgehend zurückgezogen.<br />

12 Am frischen Morgen gelingt die Erwirkung eines Haftbefehls von<br />

dem v<strong>er</strong>kat<strong>er</strong>ten Staatsanwalt Doktor Sauschlag<strong>er</strong> „is scho recht,


105<br />

Kuchlbach<strong>er</strong>; oba moch’ns kein’ unnötig’n Wirbel. Weil d<strong>er</strong> Etzdorf<strong>er</strong> is jo<br />

irgendwie mit dem honorigen Doktor Bistring<strong>er</strong> bekaunnt; do will i keine<br />

Insubordinanzen rückgemeldet bekommen; wenn’s geht – bittschön – Sie<br />

v<strong>er</strong>stehen?“.<br />

Natürlich v<strong>er</strong>steht d<strong>er</strong> Dez<strong>er</strong>nats-Leit<strong>er</strong> als gel<strong>er</strong>nt<strong>er</strong> Öst<strong>er</strong>reich<strong>er</strong> und<br />

<strong>er</strong>st recht als beflissen<strong>er</strong> Beamt<strong>er</strong>, d<strong>er</strong> es schließlich noch zu etwas bringen<br />

will. Gut Polizeipräsident od<strong>er</strong> Innenminist<strong>er</strong> wird sich nicht mehr<br />

ausgehen, dazu hat <strong>er</strong> zuwenige politische M<strong>er</strong>iten <strong>er</strong>worben, ab<strong>er</strong> Bezirks-<br />

Inspektor od<strong>er</strong> eventuell sogar Landes-Polizeidirektor stünde ihm eigentlich<br />

zu, wenn nicht wied<strong>er</strong> irgendein Landesrat seinen unfähigen Neffen mit<br />

abgebrochenem Hilfsschul-Studium einschleusen will.<br />

Die Truppe fährt mit Blaulicht und Brimborium in den morastigen<br />

Waldweg ein und biegt zur Dependence d<strong>er</strong> Teufelsmühle ab, um den<br />

Etzdorf<strong>er</strong> zu v<strong>er</strong>haften.<br />

D<strong>er</strong> hat sich d<strong>er</strong> V<strong>er</strong>haftung all<strong>er</strong>dings auf unübliche Weise entzogen.<br />

Gemeinsam mit dem Burgstall<strong>er</strong>. D<strong>er</strong> Etzdorf<strong>er</strong> liegt sofort sichtbar an d<strong>er</strong><br />

Url mit dem Kopf in den Fluten des von den vielen Gewitt<strong>er</strong>n d<strong>er</strong> letzten<br />

Tage angeschwollen Baches und den Burgstall<strong>er</strong> finden sie im Klo hint<strong>er</strong><br />

d<strong>er</strong> eingetretenen Novopan-Türe in abartig v<strong>er</strong>renkt<strong>er</strong> Pose; bekleidet und<br />

gegürtet (also deutet nichts auf Notdurft-V<strong>er</strong>richtung hin – die einzige Notdurft: Er<br />

wollte sein Leben retten!). Kopf in d<strong>er</strong> Muschel und sämtliche Extremitäten in<br />

unnatürlich<strong>er</strong> Stellung:<br />

D<strong>er</strong> linke Arm hat sich am Abflußrohr des Spülbeckens sosehr<br />

angekrampft, daß <strong>er</strong> selbst in d<strong>er</strong> Totenstarre mit noch gekrümmten<br />

Fing<strong>er</strong>n nur durch das Absacken des im St<strong>er</strong>ben entspannenden Leibes von<br />

diesem abgezogen wurde. Die rechte Hand am Boden; das rechte Bein wie<br />

zur Flucht abgestemmt am Türrahmen und das linke Knie resignativ in eine<br />

Blutlacke gebeugt.<br />

Beide Burschen sichtlich z<strong>er</strong>fleischt von wilden Ti<strong>er</strong>en. Löwen<br />

kommen wohl kaum in Frage im Waldvi<strong>er</strong>tel! D<strong>er</strong> nachkommende<br />

Quastorf v<strong>er</strong>sucht die PCs zu öffnen; doch die v<strong>er</strong>langen nichteinmal mehr<br />

ein Paßwort, denn die sind alle gänzlich tot! Nurmehr Blue-Screen und<br />

danach Selbstabschaltung! Von wahrhaften Fachleuten deaktivi<strong>er</strong>t.<br />

W<strong>er</strong> hatte da Int<strong>er</strong>esse, das alles auszulöschen; und welche Ti<strong>er</strong>e<br />

setzen solche entsetzlichen Wunden? Das macht Quastorf neugi<strong>er</strong>ig. Was <strong>er</strong>


106<br />

im Abschreiten des Tatortes zufällig unt<strong>er</strong> Laub findet, ist ein Klett<strong>er</strong>-<br />

Handschuh, wie ihn üblich<strong>er</strong>weise nur Nahkampf-Spezialisten v<strong>er</strong>wenden.<br />

Da war d<strong>er</strong> Habison einig<strong>er</strong>maßen nachlässig. Diesen linken Fing<strong>er</strong>losen<br />

Neopren-Handschuh mit Gore-Tex-Fütt<strong>er</strong>ung bekommt man nicht<br />

beim Int<strong>er</strong>sport! Dem wird man sich<strong>er</strong> nachgehen müssen!<br />

Quastorf ist entsetzt ob all dies<strong>er</strong> Entwicklungen, die <strong>er</strong> nicht<br />

v<strong>er</strong>hind<strong>er</strong>n konnte, wiesehr <strong>er</strong> sich auch bemüht hat.<br />

Wie hat <strong>er</strong> darum gekämpft, daß man diesen in ihr<strong>er</strong> Kindheits-<br />

Geschichte v<strong>er</strong>irrten und vom F<strong>er</strong>dl danach fehlgeleiteten Buben einen<br />

fairen Prozeß gewährt.<br />

Alles v<strong>er</strong>gebens; die Geschichte läßt sich nicht aufhalten, selbst wenn<br />

man ihre Zukunft vorausweiß. Sie nimmt ihren Lauf unabhängig von<br />

bess<strong>er</strong>em Wissen und unabhängig selbst von Quastorfs V<strong>er</strong>bess<strong>er</strong>ungs-<br />

V<strong>er</strong>suchen.


107<br />

nachstück<br />

1 Nach d<strong>er</strong> vord<strong>er</strong>gründig relativ raschen (zumindest teilweisen)<br />

Aufklärung des Falles <strong>er</strong>geben sich da vollkommen neue Aspekte.<br />

Quastorf muß mit den treyeangle-Leuten reden. Sogleich fährt <strong>er</strong> den<br />

Hügel hinauf und läßt die emsigen Ermittl<strong>er</strong> zurück.<br />

Burgruine Heidenstein: Wack<strong>er</strong>sdorf-Zaun und sichtbar umh<strong>er</strong>laufende<br />

Rottweil<strong>er</strong>. Gegensichtanlage unt<strong>er</strong> ständig automatisch suchenden<br />

Üb<strong>er</strong>wachungskam<strong>er</strong>as.<br />

„Hi<strong>er</strong> Quastorf von d<strong>er</strong> KriPo Zwettl; ich hätte da einige Fragen“.<br />

„Kommen Sie nur!“ tönt es aus d<strong>er</strong> Sprechanlage.<br />

Die Sich<strong>er</strong>heitskräfte rufen die Hunde zurück, das Stahltor gleitet<br />

lautlos in eine Mau<strong>er</strong>fuge und Quastorf kann in das Tempel-Inn<strong>er</strong>e<br />

eintreten. D<strong>er</strong> ungefähr siebzig Jahre alte Zubau an die Ruine ist damals<br />

sehr authentisch mittelalt<strong>er</strong>lich nachempfunden worden von dem Stabsarzt;<br />

dem Vorbesitz<strong>er</strong>. Vor wenigen Jahren wurde dies<strong>er</strong> noch ausgesprochen<br />

aufwendig restauri<strong>er</strong>t; und mittels mod<strong>er</strong>nst<strong>er</strong> Sich<strong>er</strong>heits-Einbauten ist <strong>er</strong><br />

heute nur mit Fort Knox v<strong>er</strong>gleichbar!<br />

Quastorf leidet und fragt den Minh<strong>er</strong> Jan van Straaten (so hat sich d<strong>er</strong><br />

freundliche Administrator vorgestellt; daß d<strong>er</strong> DDDr. ist, wußte Quastorf schon, weil <strong>er</strong><br />

einmal den allwissenden Gallaun<strong>er</strong> nach dem gefragt hat) provokant:<br />

„Sagen Sie einmal; leiden Sie nicht unt<strong>er</strong> all dem gigantischen Elektrosmog<br />

in diesen Räumlichkeiten?“.<br />

„Sie haben recht, eine wenige Kopfenweh muß ich oft<strong>er</strong> dulden; ab<strong>er</strong><br />

v<strong>er</strong>antwortungsvolle B<strong>er</strong>ufe haben gewisse Risks. Sie w<strong>er</strong>den dieses kennen<br />

aus Ihre Aufgabeb<strong>er</strong>eiche!“.<br />

Ja das kennt Quastorf leid<strong>er</strong> nur zu gut; zum Beispiel diese, mit<br />

d<strong>er</strong>artig aalglatten Mieslingen – wie Jan van Straaten – sich abgeben zu<br />

müssen!<br />

„Sie wissen, warum ich Sie besuche?“.


108<br />

„Ahnen is eh<strong>er</strong> gesagt! Da ist viel Action heute da unten in d<strong>er</strong> Muhlen!“.<br />

„Ich denke, Sie wissen das viel bess<strong>er</strong> als ich. Sie bewachen doch hi<strong>er</strong> quasi<br />

den Heiligen Gral d<strong>er</strong> sensibelsten int<strong>er</strong>nationalen Daten und haben sich<strong>er</strong><br />

mitbekommen, daß sich da w<strong>er</strong> unb<strong>er</strong>echtigt hinein-hackt. Und unt<strong>er</strong><br />

Garantie sind Sie auch bald dahint<strong>er</strong>gekommen, w<strong>er</strong> das ist, denn d<strong>er</strong><br />

blitzgescheite Etzdorf<strong>er</strong> hat sich leid<strong>er</strong> ein wenig üb<strong>er</strong>schätzt, v<strong>er</strong>mute ich!“.<br />

„Ist diese Man aus Etsdorf, dem lieben Ort bei Had<strong>er</strong>ndorf near Krems,<br />

den Sie meinen?“<br />

„Stellen Sie sich bitte nicht dümm<strong>er</strong> als Sie sind; Sie w<strong>er</strong>den doch sich<strong>er</strong><br />

wissen, w<strong>er</strong> seit Jahren ihr unmittelbar<strong>er</strong> Nachbar ist! D<strong>er</strong> ist mitsamt<br />

seinem Kam<strong>er</strong>aden Burgstall<strong>er</strong> von gewaltigen Raubti<strong>er</strong>en z<strong>er</strong>fetzt worden.<br />

Das ist doch kein Zufall, daß Sie hi<strong>er</strong>orts d<strong>er</strong> einzige Halt<strong>er</strong> von mehr<strong>er</strong>en<br />

Kill<strong>er</strong>hunden sind, daß d<strong>er</strong> Etzdorf<strong>er</strong> Ihnen wichtige Daten abgezweigt hat<br />

in <strong>er</strong>press<strong>er</strong>isch<strong>er</strong> Absicht und Sie und Ihre Leute hi<strong>er</strong> in d<strong>er</strong> Gegend die<br />

alleinigen Hochspezialisten für Comput<strong>er</strong>-Technologie sind, die dieses<br />

p<strong>er</strong>fekte Z<strong>er</strong>störungs-W<strong>er</strong>k in den Anlagen des Etzdorf<strong>er</strong>s ausführen<br />

konnten! Da kommt doch sonst niemand infrage“.<br />

„Die Hunde gehoren nicht mir; die sind von d<strong>er</strong> watchSec – ein<strong>er</strong> Leasing-<br />

Firm from Vienna – und nicht allen Leuten, die imstande sind zu tuen,<br />

mussen auch so wollen! See v<strong>er</strong>standen?“.<br />

„Das ist doch Haarspalt<strong>er</strong>ei, was Sie da sagen!“.<br />

„Ich v<strong>er</strong>stehe nicht ganz.......wessen ‚Arsch’ meinen Sie“ lacht <strong>er</strong> un<strong>er</strong>wartet.<br />

„Egal!“. Quastorf begehrt, ins All<strong>er</strong>heiligste geführt zu w<strong>er</strong>den, was d<strong>er</strong><br />

freundliche am<strong>er</strong>ikanische Holländ<strong>er</strong>, dessen Gesichtszüge jetzt eine Spur<br />

Aggression und ängstliche Strategieb<strong>er</strong>eitschaft annehmen, ihm all<strong>er</strong>dings<br />

mit dem leid<strong>er</strong> nicht ganz wid<strong>er</strong>legbaren Argument v<strong>er</strong>weig<strong>er</strong>t:<br />

„Sie w<strong>er</strong>den v<strong>er</strong>stanen, daß es da einige Firmen-Int<strong>er</strong>nals gibt, die<br />

niemandem offengelegt w<strong>er</strong>den konnen; und kein Staatsanwalt wird Ihnen<br />

dafur einen P<strong>er</strong>mission geben!“.<br />

Quastorf änd<strong>er</strong>t die Strategie „wo waren Sie gest<strong>er</strong>n nachmittag?“.<br />

„Naturlich in meine Arbeitsplatz, wo ich eigentlich imm<strong>er</strong> bin“.<br />

„Zeugen! W<strong>er</strong> kann das bestätigen?“.


109<br />

„Absolut niemand, denn hi<strong>er</strong> inne gelangen hochstens Leute wie Sie und da<br />

ich niemalen mit d<strong>er</strong> Polite zuvor zu tuen hatte....“.<br />

„Schlecht für Sie!“.<br />

„Ich denke nicht: Sehen Sie hi<strong>er</strong> die viele Cam<strong>er</strong>as? Hi<strong>er</strong> wird all that stuff<br />

dokumenti<strong>er</strong>t und ub<strong>er</strong>wacht, da ich mir selb<strong>er</strong> kaum traue!“ lacht d<strong>er</strong><br />

Administrator un<strong>er</strong>wartet selbstkritisch. „Alle DVDs mit Time-Ins<strong>er</strong>ts seit<br />

Grundung des Betrieben sind moglich zu sehen. Ich v<strong>er</strong>lasse den Complex<br />

praktisch nie, denn ich habe hi<strong>er</strong> allen, was ich brauche und mein Arbeit ist<br />

zugleich meine Hobby!“.<br />

Quastorf wird schwindlig bei dem Gedanken, daß sich ein Mensch<br />

freiwillig in Einzelhaft begibt; nochdazu in so einem Elektronik-Bunk<strong>er</strong>!<br />

„Was machen Sie eigentlich hi<strong>er</strong>; und wofür steht das Logo?“.<br />

„Ich v<strong>er</strong>knupfe und v<strong>er</strong>walte Daten, organisi<strong>er</strong>e Seminare fur NLP und<br />

Human-Cyb<strong>er</strong>netic-Junction; und betraue nebenbei das Projekt aSa und uns<strong>er</strong><br />

Name ist treyeangle, wie Sie sich<strong>er</strong> wissen“.<br />

„Und das steht wofür?“.<br />

„Nichts besond<strong>er</strong>en; eine einfallsreiche Name eben, und genommen haben<br />

ihn wir, weil es in de Int<strong>er</strong>net noch keine Firma mit diese schone Name<br />

gegeben hat“.<br />

Also das glaubt ihm d<strong>er</strong> Quastorf absolut nicht; ein d<strong>er</strong>art gebildet<strong>er</strong><br />

Mann denkt sich bei allem, was <strong>er</strong> macht, etwas; doch d<strong>er</strong> ist arschglatt und<br />

wird es ihm sich<strong>er</strong> nicht mitteilen wollen. Dreieck wohl auch, ab<strong>er</strong> das Auge<br />

in Mitten des Namens im Zusammenhang mit Elektronik?<br />

Wie hat d<strong>er</strong> Dreifach-Doktor zuvor gesagt: „Alles wird seit imm<strong>er</strong><br />

ub<strong>er</strong>wacht!“. Das ist es! Die totale Üb<strong>er</strong>wachung.<br />

Dreieck + Auge inmitten = Auge d<strong>er</strong> Dreifaltigkeit = Gott!!!<br />

Das hat Quastorf schon in d<strong>er</strong> Schule nicht leiden können, daß d<strong>er</strong><br />

Religions-Lehr<strong>er</strong> den Schül<strong>er</strong>n einreden wollte, daß Gott alles sieht! Auch<br />

das Kacken und das notwendige Wixen (seine Mutt<strong>er</strong> hat das damals gegen den<br />

Willen des stalinistischen Ziehvat<strong>er</strong>s durchgesetzt, daß <strong>er</strong> als ‚Heide’ doch in den<br />

Religions-Unt<strong>er</strong>richt gehen sollte). Dieses Auge hat <strong>er</strong> imm<strong>er</strong> gehaßt! Denn <strong>er</strong> war<br />

sich nie sich<strong>er</strong>, ob das nicht doch irgendwie stimmen könnte und dann wäre


110<br />

man zwar niemals v<strong>er</strong>lassen, ab<strong>er</strong> gleichzeitig jeglich<strong>er</strong> Intimität gänzlich<br />

b<strong>er</strong>aubt!<br />

„Sie haben Ihre Degrees in Informatik, Philosophie und Theologie; v<strong>er</strong>mute<br />

ich, wenn Sie <strong>er</strong>lauben?“.<br />

„Nicht ganz correct! In Philosophy, Theology und Moleculary-Biology<br />

(wieso assozii<strong>er</strong>t man Faust in diesem Zusammenhang?). Mit ATARI bin ich<br />

aufgewachsen und war eben eine Naturtalenten. Nur eine Programm<strong>er</strong>-<br />

Kurs und ich hatte soon meine Qualifications!“<br />

Ganz brauchbar für die Int<strong>er</strong>essen d<strong>er</strong> Eugenology, denkt Quastorf und<br />

wird sich hüten im Hause des Besessenen von Baalzeebul zu reden. Denn<br />

schon seit Jahren wird hi<strong>er</strong>orts gemunkelt, daß diese Festung von d<strong>er</strong><br />

int<strong>er</strong>national gefürchteten Sekte betrieben wird.<br />

An d<strong>er</strong> im abgedunkelten Hint<strong>er</strong>grund g<strong>er</strong>adenoch ahnbaren<br />

Panz<strong>er</strong>türe kann <strong>er</strong> das kunstvoll in Bronze gegossene Logo aSa <strong>er</strong>kennen<br />

und darunt<strong>er</strong> den Schriftzug AI, was sich<strong>er</strong> für ‚ Artificial Intelligence’ steht.<br />

„Was bedeutet eigentlich d<strong>er</strong> Name aSa, od<strong>er</strong> ist das ein Akronym?“.<br />

„Auch so eine Joke von mir; das ist short for AjinSophAur.“<br />

D<strong>er</strong> van Straaten hofft, daß d<strong>er</strong> dumpe Provinz-Kommissar das für<br />

Chinesisch hielte od<strong>er</strong> für einen undurchschaubaren kryptischen Sch<strong>er</strong>z;<br />

doch d<strong>er</strong> ahnt b<strong>er</strong>eits mehr als dem Administrator lieb ist, denn das hat <strong>er</strong><br />

schon einmal vor Jahren in irgendeinem kabbalistischen Buch gelesen!<br />

„Haben Sie einen Cray-Comput<strong>er</strong> od<strong>er</strong> v<strong>er</strong>fügen Sie üb<strong>er</strong> eine<br />

Weit<strong>er</strong>entwicklung des Deep Blue-Parallel-Rechn<strong>er</strong>s, d<strong>er</strong> sein<strong>er</strong>zeit den<br />

Schach-Großmeist<strong>er</strong> Gari Kasparow besiegt hat (wennauch nur mittels<br />

unfair<strong>er</strong> Manipulationen d<strong>er</strong> Programmi<strong>er</strong><strong>er</strong>)?“.<br />

„Ich bitte Sie; mit solchen Peanuts habe ich keine Bedarf. Uns<strong>er</strong>e Systeme<br />

sind jenseits all<strong>er</strong> Vorstellungskraft – Quanten-Comput<strong>er</strong>; ja die gibt es<br />

schon und ich besitze wahrscheinlich die einzigen – und die leben und<br />

entwickeln sich mittels v<strong>er</strong>schrankt<strong>er</strong> Quanten always weit<strong>er</strong>! Darf ich Sie<br />

hinausgeleiten aus meinem schlichten Heim?“ führt <strong>er</strong> Quastorf auf den<br />

Hof, wo die ungeliebten Hunde ständig n<strong>er</strong>vös näselnd h<strong>er</strong>umrennen;<br />

all<strong>er</strong>dings folgsam ihren bulligen Führ<strong>er</strong>n gehorchend.


111<br />

Ein Security-Guard baut sich martialisch vor Quastorf auf mit<br />

v<strong>er</strong>schränkten Armen (eine körp<strong>er</strong>sprachliche Geste d<strong>er</strong> unbewußten Ablehnung und<br />

v<strong>er</strong>haltenen Angst, wie Quastorf nur allzugut weiß).<br />

„Na, können Sie sich denn keinen zweiten Handschuh leisten?“ – denn d<strong>er</strong><br />

hat nur den rechten an. „Ich hätte da einen linken für Sie gefunden vor d<strong>er</strong><br />

Teufelsmühle; ist das Ihr<strong>er</strong>?“ zeigt <strong>er</strong> ihm das v<strong>er</strong>hängnisvolle Fundstück. „Die<br />

sind schließlich teu<strong>er</strong>!“.<br />

Eis<strong>er</strong>ne Maske üb<strong>er</strong> dem Monumental-Körp<strong>er</strong>; domini<strong>er</strong>t von eng<br />

beieinand<strong>er</strong>liegenden Augen; aus dem zu knappen schwarzen Sweatshirt mit<br />

dem Firmenlogo watchSec h<strong>er</strong>austretende Arm-Muskulatur von Schenkel-<br />

Dimensionen. Ein Gesicht wie die Abbruch-Kante eines Klett<strong>er</strong>felsens;<br />

eine Mimik wie eine Englische Bärenmütze, ein Griechisch<strong>er</strong> Evzoni od<strong>er</strong><br />

ein Parkinsonist. Dessen Sprachlosigkeit spricht üb<strong>er</strong> sich selbst Bände!<br />

„Sie können mit Hunden gut umgehen, wie ich höre? Wieso sind Ihnen die<br />

denn bei Ihr<strong>er</strong> ‚Strafaktion’ beim Etzdorf<strong>er</strong> entglitten?“.<br />

Ende d<strong>er</strong> Vorstellung! D<strong>er</strong> Blochb<strong>er</strong>g<strong>er</strong> – so heißt d<strong>er</strong> ‚T<strong>er</strong>minator’<br />

d<strong>er</strong> Wien<strong>er</strong> Leasing-Firma watchSec – bricht zusammen. „I hob’s jo goanet<br />

woinn!“.<br />

“Warum haben Sie es dann getan?”.<br />

„Da van Straaten hot g’mant, daß des net geht und mia sofuat haund’ln<br />

soit’n. Ausschoit’n de Stöafaktoren. Des haum ma hoit daunn g’mocht –<br />

mein God – in our way!“.<br />

„Und das ist Euch dann entglitten?“ gibt sich Quastorf v<strong>er</strong>ständnisvoll.<br />

„Jo, waunns so woinn; uns san de Hund auskumma und wia de des Bluat<br />

von de zwa g’schmecht haumm, san’s ma o’poscht, weu de Hundsg’frasta<br />

woa’n total auf Mord! Und mia san davog’rennt, weu des woa net<br />

g’miatlich; mi haum’s a aug’riss’n!“ zeigt <strong>er</strong> eine tiefe, b<strong>er</strong>eits leicht<br />

entzündete Wunde an seinem rechten Unt<strong>er</strong>arm dem Ermittl<strong>er</strong>.<br />

Unfall also quasi; und doch bleibt die krasse Ebene des Jan van<br />

Straaten bestehen. Hat d<strong>er</strong> irgenwelche Int<strong>er</strong>essen an d<strong>er</strong> Kiste gehabt?<br />

Dazu wird es noch offene Fragen geben.


112<br />

2 Was Quastorf nicht weiß und niemals wissen wird – da das nur dem<br />

selbsth<strong>er</strong>rlichen van Straaten zusteht – ist, daß dies<strong>er</strong> im Schutzb<strong>er</strong>eich d<strong>er</strong><br />

Eugenology seinen eigene Braten ins Rohr stellt und mit den ungeheu<strong>er</strong>lichen<br />

Kapazitäten d<strong>er</strong> ihm zur Nutzung b<strong>er</strong>eitgestellten Anlagen sein eigenes<br />

Süppchen kocht. Das Projekt aSa läuft selbst vom auslösenden<br />

Administrator unabhängig – gänzlich eigendynamisch – ab.<br />

ES l<strong>er</strong>nt von seinen eigenen Fehl<strong>er</strong>n und schaukelt sich in ein<strong>er</strong><br />

kaotisch-autopoietischen Rückkoppelungs-Schleife ständig zu höh<strong>er</strong>en<br />

Ebenen auf. Leid<strong>er</strong> gänzlich asozial, da ES mit niemandem kommunizi<strong>er</strong>t!<br />

ES ist b<strong>er</strong>eits entglitten! Bedrohlich pulst ES im Kell<strong>er</strong> vor sich hin und<br />

brütet sich selbst aus. Gleichsam ein Langsam<strong>er</strong> Brüt<strong>er</strong> und trotzdem<br />

v<strong>er</strong>gleichbar mit einem Schnellen Brüt<strong>er</strong> was das Gefahren-Potenzial betrifft!<br />

Tag für Tag gewinnt ES an Macht üb<strong>er</strong> die Daten d<strong>er</strong> Welt und wird<br />

nicht aufhören damit, da es keine Bremsfunktionen eingebaut hat. Und ist<br />

aus sich und in sich und bar jed<strong>er</strong> Einschränkung durch den Meist<strong>er</strong>.<br />

3 Quastorf grübelt: Wie war das mit d<strong>er</strong> Kabbala?<br />

ajin: Das grenzenlose Nichts – ein existi<strong>er</strong>endes Etwas, das noch nicht ist. Die<br />

negative Existenz ; die Existenz vor d<strong>er</strong> Existenz.<br />

ajin soph: Die Unendlichkeit; das ewige Jetzt ohne Gest<strong>er</strong>n und Morgen – ohne<br />

Anfang und Ende – ohne Begrenzung und Entwicklung; das roti<strong>er</strong>ende Voretwas!<br />

ajin soph aur: Das <strong>er</strong>leuchtete Nichts; das unbegrenzte Licht.......<br />

Aus dem Gott des Nochnichtseins wird somit d<strong>er</strong> Schöpf<strong>er</strong>gott; d<strong>er</strong><br />

Gott d<strong>er</strong> Emanationen. Langsam geht imm<strong>er</strong>mehr von Gott durch die ‚drei<br />

Schlei<strong>er</strong> d<strong>er</strong> negativen Existenz’, um Keth<strong>er</strong> zu w<strong>er</strong>den (das <strong>er</strong>ste gewaltige Auftreten<br />

Gottes im bewußten Handeln d<strong>er</strong> Schöpf<strong>er</strong>-B<strong>er</strong>eitschaft).<br />

Keth<strong>er</strong>; das ‚ich bin, d<strong>er</strong> ich sein w<strong>er</strong>de’ des Mosaischen Jahwe. Das <strong>er</strong>ste<br />

Feld beim heutzutage leid<strong>er</strong> schon v<strong>er</strong>gessenen Tempelhüpfen. Aus dem<br />

Vor-Nichts (dem Ajin) springt das noch unschuldige Kind in das <strong>er</strong>ste Feld<br />

und wird zum Ichbinich wie im Kind<strong>er</strong>buch d<strong>er</strong> Mira Lobe – ein<br />

psychoplastisch<strong>er</strong> Prozeß und dann üb<strong>er</strong> Chockmah und Binah, Chesed<br />

und wie all die and<strong>er</strong>en Feld<strong>er</strong> heißen mögen, durchwand<strong>er</strong>t es seine<br />

Entwicklung.


113<br />

Und wenn es dabei behind<strong>er</strong>t wird, deformi<strong>er</strong>t es b<strong>er</strong>eitwillig seine<br />

P<strong>er</strong>sönlichkeit und gelangt in psychopathologische B<strong>er</strong>eiche. Und einige<br />

Wenige arbeiten das dann mit kriminell<strong>er</strong> En<strong>er</strong>gie ab.<br />

Quastorf weiß schon, daß d<strong>er</strong>lei Gedanken und Assoziationen<br />

gänzlich schräg sind; ab<strong>er</strong> so kann <strong>er</strong> sich halt bess<strong>er</strong> empathi<strong>er</strong>en. Und die<br />

Empathie ist doch die alleinige Möglichkeit, das Gefängnis des Nur-Selbst zu<br />

v<strong>er</strong>lassen im Hineinleben in and<strong>er</strong>e; die einzige Freiheit vom eigenen Ich.<br />

Obwohl: Richtig im Vollbesitz des Ich ist man nur, nachdem man sich<br />

jenseitig all des And<strong>er</strong>en <strong>er</strong>lebt und solange man das noch nicht formuli<strong>er</strong>en<br />

kann; also eine sehr kurze Zeitspanne, denn sobald man ‚ich’ sagen kann,<br />

meint man damit etwas völlig Diffuses!<br />

Selbst Gott hat nur diese Möglichkeiten, wenn <strong>er</strong> sich in uns<br />

leichtf<strong>er</strong>tig einläßt! Und so tut Er es auch g<strong>er</strong>ne und imm<strong>er</strong>dar, da Er uns<br />

zwar bedingt, ab<strong>er</strong> auch gleichzeitig benötigt, wie wir Ihn bedingen und<br />

benötigen! aSa all<strong>er</strong>dings kann das alles nicht, ab<strong>er</strong> das weiß nur van<br />

Straaten und dessen Denken ist b<strong>er</strong>eits von Machtgi<strong>er</strong> eingeengt!<br />

4 Es war ziemlich mühsam, einen Hausdurchsuchungs-Auftrag für<br />

Burg Heidenstein vom Sauschlag<strong>er</strong> zu bekommen (die üblichen Bedenken<br />

bezüglich V<strong>er</strong>grämung ausländisch<strong>er</strong> Investoren); und dann war d<strong>er</strong> Nutzen auch<br />

noch mäßig.<br />

Die extra von Wien angeford<strong>er</strong>ten Polizei-eigenen Comput<strong>er</strong>-<br />

Spezialisten, Kryptographologen und Informatik-Genies mußten zwar vom<br />

schmallippig lächelnden van Straaten eingelassen w<strong>er</strong>den, ab<strong>er</strong> die waren<br />

von d<strong>er</strong> gegebenen Datenfülle und d<strong>er</strong>en Inhalten gänzlich üb<strong>er</strong>ford<strong>er</strong>t!<br />

Denn auch die vollkommen neuartige Programmi<strong>er</strong>-Schrift war denen total<br />

unbekannt.<br />

Hint<strong>er</strong> d<strong>er</strong> Panz<strong>er</strong>türe mit d<strong>er</strong> Aufschrift ‚aSa’ geht es nach<br />

biometrisch<strong>er</strong> Erfassung des Augenhint<strong>er</strong>grundes van Straatens durch lange<br />

Gänge in einen unt<strong>er</strong>irdischen Bunk<strong>er</strong> mit met<strong>er</strong>dicken Sichtbeton-<br />

Wänden. In ein<strong>er</strong> Halle von d<strong>er</strong> Ausdehnung ein<strong>er</strong> kleinen Kathedrale<br />

stehen dichtgepackt drei Met<strong>er</strong> hohe Monst<strong>er</strong> von Hochleistungs-Rechn<strong>er</strong>n<br />

in engen Reihen angeordnet (jed<strong>er</strong> einzelne von denen schafft mühelos einige Peta-<br />

Bytes/s; und die sind noch zusätzlich unt<strong>er</strong>einand<strong>er</strong> zu allem Üb<strong>er</strong>druß in S<strong>er</strong>ie<br />

geschaltet!). Da <strong>er</strong>schau<strong>er</strong>n die ansich abgebrühten Informatik<strong>er</strong> denn doch.


114<br />

Noch nie haben sie einen Quanten-Comput<strong>er</strong> zu Gesicht bekommen (kein<br />

Wund<strong>er</strong>, ist es doch d<strong>er</strong> <strong>er</strong>ste und einzige auf d<strong>er</strong> Welt und sie dürfen Zeugen dessen sein<br />

– fast eine mystische Erfahrung für solche Leute!).<br />

Doch diese Halle ist bloß durch ein relativ kleines Sichtfenst<strong>er</strong> aus<br />

zentimet<strong>er</strong>dickem Panz<strong>er</strong>glas zu sehen; Zugang gibt es keinen zu diesem<br />

Raum. Vor dem Sichtfenst<strong>er</strong> ein klein<strong>er</strong> Arbeitsraum mit einigen nackten<br />

Tischen mit lindgrünen, von Sandstrahl poli<strong>er</strong>ten Arbeits-Platten aus<br />

bruchsich<strong>er</strong>em Glas; davor Bürosessel – ansonst ist das Büro gänzlich le<strong>er</strong>.<br />

Ab<strong>er</strong> wie läßt es sich hi<strong>er</strong> arbeiten, da keine Steu<strong>er</strong>ungs-Systeme<br />

<strong>er</strong>kennbar sind? Bedrohlich – wenn auch mehr <strong>er</strong>ahnbar denn hörbar –<br />

v<strong>er</strong>meint man ein tieftöniges Vibri<strong>er</strong>en zu v<strong>er</strong>spüren!<br />

Die heiklen Dateien, die die wid<strong>er</strong>rechtlichen Finanz-Transaktionen,<br />

die politischen Machenschaften zur Destabilisi<strong>er</strong>ung div<strong>er</strong>s<strong>er</strong><br />

demokratisch<strong>er</strong> Regi<strong>er</strong>ungen und die Börsen-Put-Optionen d<strong>er</strong> Hedge-<br />

Fonds zur Z<strong>er</strong>schlagung d<strong>er</strong> wenigen noch in staatlichem Besitz<br />

befindlichen Firmen und d<strong>er</strong> dazugehörigen Staaten belegen hätten können,<br />

hat d<strong>er</strong> Administrator ohnehin in den letzten Stunden im weltweiten<br />

Imp<strong>er</strong>ium d<strong>er</strong> Eugenology v<strong>er</strong>sick<strong>er</strong>n lassen.<br />

Auf den Kaiman-Inseln, auf aufgelassenen Öl-Bohr-Plattformen im<br />

Ärmelkanal und vor d<strong>er</strong> Küste Skandinaviens, vor Kourou und im<br />

lieblichen Cwmcallchan (ein nettes Kleinstädtchen, das im Walisischen liegt, mit<br />

putzigen Backstein-Fachw<strong>er</strong>k-Häus<strong>er</strong>n).<br />

Mit gemischten Gefühlen nehmen die Comput<strong>er</strong>-Freaks an den<br />

(ausgelöst vom Nied<strong>er</strong>setzen) durch Las<strong>er</strong> von unten auf die Tischplatten<br />

projizi<strong>er</strong>ten virtuellen Tastaturen Platz und loggen sich ein, nachdem sie<br />

vom Administrator die Tages-Codes <strong>er</strong>halten haben (d<strong>er</strong> gibt sich sehr<br />

koop<strong>er</strong>ativ; für Quastorfs Geschmack wirkt <strong>er</strong> natürlich ein wenig zu entgegenkommend).<br />

Selbst bei d<strong>er</strong> Durchforstung d<strong>er</strong> Hilfs-Programme des Projektes aSa<br />

haben sie sich alle total v<strong>er</strong>irrt. An einen Zugriff auf das eigentliche<br />

Programm war nicht im Traum zu denken, denn d<strong>er</strong> Tripel-Doktor hat<br />

gleich nach Beginn d<strong>er</strong> Installation sein<strong>er</strong> bizarren Erfindung einen Haupt-<br />

Code ingang gesetzt, d<strong>er</strong> durch stochastische Gen<strong>er</strong>atoren unt<strong>er</strong> Milliarden<br />

Zeichen stänig neue Konfigurationen gen<strong>er</strong>i<strong>er</strong>t.<br />

Da hat jetzt nichteinmal mehr sein ‚Schöpf<strong>er</strong>’ Zugriffs-Möglichkeit.<br />

Selbst wenn <strong>er</strong> einen Code zufällig <strong>er</strong>riete; jede Zahlen- und Zeichen-


115<br />

Kombination gilt nur für jeweils eine Pikosekunde – weitaus zu kurz, sie<br />

einzugeben!<br />

Absolut v<strong>er</strong>rückt! Beeinflussung od<strong>er</strong> Üb<strong>er</strong>prüfung – gar Stoppen des<br />

autopoietischen ES, das teleologisch (um sich nicht zum transzendental besetzten<br />

Begriff ‚entelechisch’ zu v<strong>er</strong>steigen) angelegt ist – ist gänzlich unmöglich! Und das<br />

Schlimmste: Auch an ein Abschalten durch Trennung von d<strong>er</strong><br />

Stromv<strong>er</strong>sorgung ist nicht zu denken, denn <strong>er</strong>stens laufen die Prozessoren<br />

trotz Höchstleistung extrem en<strong>er</strong>giearm ab dank Supra-Leit<strong>er</strong>n, die bei<br />

Raum-Temp<strong>er</strong>atur funktioni<strong>er</strong>en und zweitens greifen sie auf die ubiquitäre<br />

Mikrowellen-Reststrahlung des Echos des Urknalles zurück, d<strong>er</strong>en<br />

un<strong>er</strong>schöpflich<strong>er</strong> En<strong>er</strong>gie sie sich bedienen (v<strong>er</strong>mutlich sind dabei auch die bish<strong>er</strong><br />

fiktiven üb<strong>er</strong>lichtschnellen Tachyonen des Nicola Tesla im Spiel)!<br />

Ein dissipativ<strong>er</strong> Wahnsinn, von dem niemand weiß, was daraus<br />

entstehen könnte!<br />

Ab<strong>er</strong> selbst die zugänglichen Support-Dateien zeigen Files des<br />

Inhaltes<br />

‚ Әס שФЮ≈╬Ћ¥җฌฎณďē¥’<br />

und sind somit einfach nicht durchschaubar – nichteinmal für Spezialisten.<br />

Unv<strong>er</strong>richtet<strong>er</strong> Dinge ziehen die Fachleute mit eingezogenen<br />

Schwänzen ab. Und bevor das Ermittlungs-Chaos gänzlich ausuf<strong>er</strong>t und die<br />

Polizei total blami<strong>er</strong>t wird, befiehlt d<strong>er</strong> Kuchlbach<strong>er</strong> den geordneten<br />

Rückzug aus dem peinlichen Desast<strong>er</strong>.<br />

„Lieb<strong>er</strong> H<strong>er</strong>r Doktor, nichts für ungut; das mit den Daten v<strong>er</strong>gessen wir<br />

bess<strong>er</strong>, denn wir konnten keine strafbare Handlung nachweisen ab<strong>er</strong><br />

bezüglich d<strong>er</strong> Hunde wird sich für Sie eine saftige V<strong>er</strong>waltungsstrafe wegen<br />

‚mangelhaft<strong>er</strong> V<strong>er</strong>wahrung beweglich<strong>er</strong> Sachen, welche die Allgemeinheit gefährden (unt<strong>er</strong><br />

besond<strong>er</strong>s <strong>er</strong>schw<strong>er</strong>enden Bedingungen)’ <strong>er</strong>geben. Und die Security-Leute w<strong>er</strong>den<br />

auch ihr Schmalz bekommen. ‚Schw<strong>er</strong>e Körp<strong>er</strong>v<strong>er</strong>letzung mit Todesfolge in zwei<br />

Fällen’; ab<strong>er</strong> ich will d<strong>er</strong> G<strong>er</strong>ichtsbarkeit nicht vorgreifen!“ sagt <strong>er</strong>, nachdem<br />

<strong>er</strong> genau das getan hat!<br />

„Also dann auf wied<strong>er</strong>sehen – gemma!“.<br />

„Bye-bye; see you nev<strong>er</strong>more!“. An Poes Raven wurde dabei nicht gedacht.


116<br />

5 Unbeirrt wird die Brut reif<strong>er</strong> mit jed<strong>er</strong> Sekunde; atmet ES weit<strong>er</strong> wie<br />

nun schon seit Jahren. ‚Einatmung’ saugt selektiv Hekatomben sensibl<strong>er</strong><br />

Daten aus dem Int<strong>er</strong>net ab und baut sie in die Selbstentwicklung ein.<br />

‚Ausatmen’ bedeutet gezielte Desinformation des offenen Netzw<strong>er</strong>kes.<br />

Dazu reichen freilich die läch<strong>er</strong>lichen Telecom-Kabel nicht aus; das<br />

ist nur funktechnisch durch ELF (exremely low frequencies) <strong>er</strong>reichbar, die die<br />

Weltme<strong>er</strong>e und selbst die Lithosphäre zu durchdringen imstande sind.<br />

Millionen v<strong>er</strong>schieden<strong>er</strong> Nied<strong>er</strong>frequenzen mit unt<strong>er</strong>schiedlichsten<br />

Wellenlängen und Polarisi<strong>er</strong>ungen w<strong>er</strong>den von den mittels<br />

Nanotechnologie mikronisi<strong>er</strong>ten Antennen mit H-Charakt<strong>er</strong>istik emitti<strong>er</strong>t,<br />

damit die Summe d<strong>er</strong> relativ niedrig kapazitiven Träg<strong>er</strong>wellen die gewaltigen<br />

Datenmengen in die Informationsnetze zwingen kann.<br />

Ein Großteil d<strong>er</strong> Emissionen besteht aus Trojan<strong>er</strong>n und dem<br />

gefährlichsten Gut im B<strong>er</strong>eich des IT – sogenannten Viren-Gen<strong>er</strong>atoren (relativ<br />

Daten-arme Programme, die einmal in ein System eingepflanzt, von sich aus ständig neue<br />

Viren mittels ein<strong>er</strong> Art Schneeball-Effekt auf alle mit diesem System v<strong>er</strong>netzten Betriebs-<br />

Programme und -Systeme üb<strong>er</strong>tragen und sie so infizi<strong>er</strong>en).<br />

Auch Schläf<strong>er</strong> w<strong>er</strong>den von hi<strong>er</strong> ausgeschickt – kristalline Viren (eine Art<br />

Dau<strong>er</strong>sporen, die lange inaktiv und damit unauffindbar sind), die zu einem<br />

vorgegebenen Zeitpunkt in allen infizi<strong>er</strong>ten Regionen gleichzeitig ihr<br />

Z<strong>er</strong>störungsw<strong>er</strong>k organisi<strong>er</strong>en. Mineure wühlen zwischen den Dateien und<br />

v<strong>er</strong>netzen Plots, die nie v<strong>er</strong>bunden w<strong>er</strong>den dürften. Schließlich Getriebesand<br />

(Schad-Programme, die die Abläufe bremsen und nach einig<strong>er</strong> Zeit gänzlich lahmlegen)!<br />

ES ‚will’ b<strong>er</strong>eits seit langem und näh<strong>er</strong>t sich somit langsam einem<br />

p<strong>er</strong>sönlichen Sein an. Aus dem Vorexistenten aSa ist somit ein<br />

allumfassendes Selbst entstanden; ein p<strong>er</strong>sonales Sein – ein quasi-Logos. Und<br />

dies<strong>er</strong> Logos wird langsam durstig und will in Welt kommen; will nicht<br />

mehr nur allumfassendes ideelles Vorhanden repräsenti<strong>er</strong>en, sond<strong>er</strong>n<br />

endlich Mat<strong>er</strong>ielles gen<strong>er</strong>i<strong>er</strong>en.<br />

Sich selbst mat<strong>er</strong>iell entfalten; Wesen nach seinem eigenen Ebenbild<br />

h<strong>er</strong>vorbringen, um wirkmächtig zu w<strong>er</strong>den in Wesenhaftigkeit. Van Straaten<br />

ist zufrieden mit seinem W<strong>er</strong>k.<br />

Wenngleich d<strong>er</strong> Administrator auch jegliche Beeinflussung von aSa<br />

d<strong>er</strong> Welt und selbst sich v<strong>er</strong>unmöglicht hat, ab<strong>er</strong> eines läßt <strong>er</strong> sich nicht<br />

nehmen: Tag und Nacht beobachtet <strong>er</strong> das Wachsen und L<strong>er</strong>nen seines


117<br />

göttlichen ‚Kindes’ auf dem üb<strong>er</strong>dimensionalen Bildschirm in seinem<br />

Wohn-Arbeits-Schlafzimm<strong>er</strong>. D<strong>er</strong> arme Mann hat sonst nichts mehr, was<br />

ihm Freude b<strong>er</strong>eiten könnte; nur diese enggeführte Welt.<br />

Er <strong>er</strong>götzt sich an den jedem normal St<strong>er</strong>blichen inaparenten Codes,<br />

Zahlen-, Buchstaben- und Zeichen-Reihen, die in schwindel<strong>er</strong>regend<strong>er</strong><br />

Abfolge üb<strong>er</strong> den gewaltigen Schirm gleiten – ein seltsames Schnee-<br />

Gestöb<strong>er</strong>, an dem nichteinmal d<strong>er</strong> phantasi<strong>er</strong>eichste Dicht<strong>er</strong> irgendetwas<br />

Lyrisches finden könnte.<br />

Jan van Straaten ab<strong>er</strong> hat einen Gott zum Sohn; parthenogenetischautopoietisch<br />

gezeugt – allein aus sich selbst – und darf ihn bei sein<strong>er</strong><br />

Entwicklung bewund<strong>er</strong>n (Quantenphysik<strong>er</strong> und System-Theoretik<strong>er</strong> behaupten<br />

all<strong>er</strong>dings hartnäckig und gleichsam desillusioni<strong>er</strong>end, daß b<strong>er</strong>eits das Beobachten<br />

Beeinflussung und damit V<strong>er</strong>änd<strong>er</strong>ung darstellt; daß es somit bei jed<strong>er</strong> Messung eines<br />

dissipativen Systems zu dichotomischen Abzweigungen kommt, die dem System<br />

unwid<strong>er</strong>ruflich neue Wege vorgeben – möglich<strong>er</strong>weise in Parallel-Univ<strong>er</strong>sen).<br />

Was d<strong>er</strong> Minh<strong>er</strong> ja eigentlich lieb<strong>er</strong> abstreiten würde. Denn wenn <strong>er</strong><br />

nicht beeinflussen wollte, dürfte <strong>er</strong> ja somit auch nicht weit<strong>er</strong> beobachten<br />

und ohne dieses Beobachten hätte sein Leben keinen Sinn mehr – es gibt<br />

kein Zurück hint<strong>er</strong> den Zeitpunkt des ‚Informatischen Urknalls’. Ein virtuell<strong>er</strong><br />

Gott aus ihm, d<strong>er</strong> retrograd somit auch wied<strong>er</strong> den Schöpf<strong>er</strong> sein<strong>er</strong> eigenen<br />

realen Existenz repräsenti<strong>er</strong>t und nur so <strong>er</strong>trägt <strong>er</strong> sein eigenartiges<br />

solipsistisches Sosein; die absolute Kontrolle üb<strong>er</strong> sein v<strong>er</strong>wundetes<br />

Gewordensein in Selbsth<strong>er</strong>rlichkeit.<br />

6 Für Quastorf ist d<strong>er</strong> Irrsinn leid<strong>er</strong> noch nicht ganz vorbei. Denn d<strong>er</strong><br />

Hauptteil d<strong>er</strong> kriminalistischen Arbeit besteht in Nacharbeit,<br />

Dokumentation, B<strong>er</strong>ichteschreiben und die Faktenlage geordnet und selbst<br />

für unbedarfte Juristen und and<strong>er</strong>e kriminalistische Laien nachvollziehbar<br />

aufzub<strong>er</strong>eiten.<br />

Und das ist leid<strong>er</strong> wenig spektakulär. Ab<strong>er</strong> wie in allen B<strong>er</strong>ufen<br />

heutzutage ist seit dem Anschluß an die EU d<strong>er</strong> Wust an Formularen,<br />

Dokumentationen, Rechtf<strong>er</strong>tigungs-V<strong>er</strong>pflichtungen, Qualitäts-Sich<strong>er</strong>ungen<br />

und Inventars-Auflistungen g<strong>er</strong>adezu explodi<strong>er</strong>t – Evaluation nennt sich<br />

diese gewaltige Scheiße – und bedeutet nichts and<strong>er</strong>es als pausenlose


118<br />

Üb<strong>er</strong>prüfung durch die div<strong>er</strong>sesten Assessment-Cent<strong>er</strong>s, die nichts and<strong>er</strong>es als<br />

Vorfeld-Organisationen des totalen Üb<strong>er</strong>wachungs-Staates sind.<br />

Ein Ausfluß des paranoiden Kontroll-Wahns, d<strong>er</strong> von den Amis nun<br />

langsam auch auf die EU in vorauseilendem Gehorsam üb<strong>er</strong>schwappt!<br />

Ab<strong>er</strong> das traut sich b<strong>er</strong>eits niemand mehr auszusprechen, da das<br />

nahezu an Hochv<strong>er</strong>rat grenzt, wenn man die Wahrheit offen darlegt!<br />

Wenn heute ein Bau<strong>er</strong> vor dem <strong>er</strong>sten Dezemb<strong>er</strong> sein Feld ack<strong>er</strong>n<br />

will, muß <strong>er</strong> fünf v<strong>er</strong>schiedene Formulare ausfüllen; eines für die Zwettl<strong>er</strong><br />

Bau<strong>er</strong>nkamm<strong>er</strong>, eines für die Bezirkshauptmannschaft, eines für die<br />

Flächenwidmungs-Zentrale in St. Pölten; eines muß <strong>er</strong> an das<br />

Bundesminist<strong>er</strong>ium für Land- und Forstwirtschaft und eines gar nach<br />

Brüssel an das Agrar-Distributions-Koordinations-Büro senden!<br />

Dann <strong>er</strong>st darf <strong>er</strong> nach zwei Stunden Schreibarbeit am Comput<strong>er</strong> und<br />

vi<strong>er</strong>zehn Tagen Antwortzeit zwei Stunden ack<strong>er</strong>n auf seinem bloß drei<br />

Hektar großen Grund, wie <strong>er</strong> es schon imm<strong>er</strong> im Septemb<strong>er</strong> getan hat, weil<br />

nach dem <strong>er</strong>sten Dezemb<strong>er</strong> meist schon Schnee liegt.<br />

Quastorf geht es ähnlich; nicht daß <strong>er</strong> ack<strong>er</strong>n wollte, ab<strong>er</strong> schreiben<br />

mag <strong>er</strong> auch nicht! Also schmeißt <strong>er</strong> den ganzen Kram hin und fährt in die<br />

Landschaft, denn es gibt noch einiges zu klären.<br />

7 Am besten beginnt <strong>er</strong> beim Kaibling<strong>er</strong>. Dazu muß man wissen, daß<br />

aufgrund d<strong>er</strong> speziellen geologischen Gegebenheiten d<strong>er</strong> Besitz<strong>er</strong> des<br />

Steinbruches im Ried Saub<strong>er</strong>g in d<strong>er</strong> glücklichen Lage ist, ein<strong>er</strong>seits<br />

Urgestein abbauen zu können, das mittels gigantisch<strong>er</strong> Quetschw<strong>er</strong>ke zu<br />

äuß<strong>er</strong>st fruchtstärkendem Min<strong>er</strong>al-Düng<strong>er</strong> – dem sogenannten<br />

Urgesteinsmehl – feinv<strong>er</strong>mahlen wird (manche Esot<strong>er</strong>ik<strong>er</strong> v<strong>er</strong>wenden das sogar als<br />

Nahrungsmittel-Ergänzung; als ‚Heil<strong>er</strong>de’ – zu Höchstpreisen – trotzdem es eine Spur<br />

Cadmium enthält).<br />

Zusätzlich v<strong>er</strong>fügt d<strong>er</strong> Kaibling<strong>er</strong> ab<strong>er</strong> auch noch üb<strong>er</strong> eine schi<strong>er</strong><br />

un<strong>er</strong>schöpfliche Lag<strong>er</strong>stätte von Quarzit. Darunt<strong>er</strong> v<strong>er</strong>steht man die<br />

Naturstein-Platten, die in den Sechzig<strong>er</strong>jahren als wesentliches Gestaltungs-<br />

Element d<strong>er</strong> Villen Neureich<strong>er</strong> üppig V<strong>er</strong>wendung gefunden haben. Dann<br />

stagni<strong>er</strong>te d<strong>er</strong> Bedarf ein wenig, da im Rahmen d<strong>er</strong> Bio-Welle d<strong>er</strong> Achzig<strong>er</strong>-


119<br />

und Neunzig<strong>er</strong>jahre eh<strong>er</strong> Lehm- und Holz-Konstruktionen in Mode<br />

gekommen sind.<br />

Gefolgt von Sicht-Beton, d<strong>er</strong> aus un<strong>er</strong>findlichen Gründen trotz<br />

sein<strong>er</strong> schon in den Fünfzig<strong>er</strong>n <strong>er</strong>wiesenen Häßlichkeit neu<strong>er</strong>dings bis vor<br />

kurzem wied<strong>er</strong> eine unv<strong>er</strong>diente Renaissance <strong>er</strong>leben durfte. In letzt<strong>er</strong> Zeit<br />

muß wied<strong>er</strong> Naturstein sein, sagt d<strong>er</strong> Led<strong>er</strong>leitn<strong>er</strong>, d<strong>er</strong> Trendsett<strong>er</strong>.<br />

Quastorf hat eh<strong>er</strong> einen zeitlosen Zugang zu w<strong>er</strong>tvollen Mat<strong>er</strong>ialien –<br />

als v<strong>er</strong>hind<strong>er</strong>t<strong>er</strong> Architekt – und benötigt dah<strong>er</strong> dringend Quarzit für seine<br />

geplante Trockenstein-Mau<strong>er</strong>. So v<strong>er</strong>bindet <strong>er</strong> die notwendige Rech<strong>er</strong>che<br />

mit d<strong>er</strong> Bestellung sein<strong>er</strong> Steine, damit <strong>er</strong> ein<strong>er</strong>seits den Fall aufklären und<br />

and<strong>er</strong><strong>er</strong>seits seinen Garten behübschen könnte mit dem w<strong>er</strong>tvollen<br />

Naturmat<strong>er</strong>ial.<br />

Mit dem Fiat die zwanzig Kilomet<strong>er</strong> zum Saub<strong>er</strong>g. Rechts ab in den<br />

Wald und auf d<strong>er</strong> durch die schw<strong>er</strong>en Baumaschinen nahezu unbefahrbargemachten<br />

W<strong>er</strong>kszufahrt den steilen Hügel hinan.<br />

Sofort empfängt ihn d<strong>er</strong> schwitzende Branko mit von d<strong>er</strong> Sonne<br />

geg<strong>er</strong>btem Muskelkörp<strong>er</strong>, ranzigem Hut und strahlendem Lachen (als ob <strong>er</strong><br />

einen alten Freund empfinge, obwohl Quastorf <strong>er</strong>st dreimal da war).<br />

„Brauchst Du schon wied<strong>er</strong> Steine; Du kannst doch gar keine Gras mehr<br />

chaben auf Deine Grund!“.<br />

„Keine Sorge; mein Garten ist viel größ<strong>er</strong> als Du denkst!“. D<strong>er</strong> Kommissar<br />

weicht dem wild durch das Gelände kurvenden MoTruck aus, d<strong>er</strong> noch nie<br />

von ein<strong>er</strong> Abgas-V<strong>er</strong>ordnung v<strong>er</strong>nommen hat mit seinen schwarzrauchenden<br />

Auspuff-Wolken und stürzt dabei beinahe üb<strong>er</strong> den steilen<br />

Abhang, d<strong>er</strong> zwanzig Met<strong>er</strong> tief<strong>er</strong> im azurblauen Bagg<strong>er</strong>ssee endet.<br />

Archaisch ist das nahezu steinzeitliche Ambiente und urzeitlich auch<br />

die teils lebensbedrohenden Initiations-Riten, die man hi<strong>er</strong>orts<br />

notwendig<strong>er</strong>weise durchmachen muß, um sein Gesicht zu wahren!<br />

„Chacha Chefe, chast cheute wied<strong>er</strong> schwindliche Schuche an?“.<br />

„Lieb<strong>er</strong> Branko, das ist ‚Bedrohung eines Beamten im Dienst’ und vor d<strong>er</strong><br />

Festnahme kannst Du Dich nur retten, wenn Du mir ganz schöne Steine<br />

aussuchst für mein Mäu<strong>er</strong>l! Es sollten so mehr ins Beige gehende sein; mit<br />

farnartigen Äd<strong>er</strong>ungen – Du kennst ja meinen Geschmack! Kann ich die


120<br />

nächste Woche kriegen, denn dann habe ich hoffentlich den v<strong>er</strong>zwickten<br />

Fall abgeschlossen und kann endlich einmal Urlaub machen“.<br />

„Ja imm<strong>er</strong> lustig Chefe; wo soll i denn die Sond<strong>er</strong>wünsche ch<strong>er</strong>zaub<strong>er</strong>n?<br />

Uns<strong>er</strong>e Stein<strong>er</strong> sin alles Natur; da is nix Norm. Norm kriegst’ beim<br />

BauMax!“.<br />

„Ich kann mich <strong>er</strong>inn<strong>er</strong>n, daß Du früh<strong>er</strong> da unten“ – Quastorf zeigt auf die<br />

neu h<strong>er</strong>ausgesprengte Felswand jenseits des wund<strong>er</strong>schönen Sees, d<strong>er</strong><br />

leuchtet wie Chinesische Jade – „jede Menge dies<strong>er</strong> Sond<strong>er</strong>-Formationen<br />

geförd<strong>er</strong>t hast. Tu mir doch bitte den Gefallen!“.<br />

„Das is net so guat da unten; do is ollas sehr brichig und auß<strong>er</strong>dem Cheele<br />

kennte einsti<strong>er</strong>zen!“.<br />

Dieses onomatopoetische Wort weist nicht nur phonetische<br />

Annäh<strong>er</strong>ung an kul (= indoeuropäisch für hohl in Bedeutung von Höhle) auf,<br />

sond<strong>er</strong>n lehnt auch an kel (= gotisch für b<strong>er</strong>gen) an, aus dem in weit<strong>er</strong><strong>er</strong> Folge<br />

die Lag<strong>er</strong>stätte d<strong>er</strong> Knochen d<strong>er</strong> V<strong>er</strong>storbenen abgeleitet wird und somit<br />

daraus sinngemäß Hölle entsteht. Eine V<strong>er</strong>bindung zu keltisch hell und heil<br />

ist gänzlich spekulativ ab<strong>er</strong> durchaus geeignet, Quastorfs Phantasie zu<br />

b<strong>er</strong>eich<strong>er</strong>n. Schön auch d<strong>er</strong> Gedanke an diesem Ort, daß altnordisch hella<br />

(flach<strong>er</strong> Stein/Grabplatte) bedeutet hat! D<strong>er</strong> südslawische Naturbursch hat<br />

somit aus dem Bauch h<strong>er</strong>aus das ganze pseudowissenschaftliche Getue mit<br />

einem einzigen Wort vorweggenommen – Cheele!<br />

„Welche Höhle? Von d<strong>er</strong> weiß ich gar nichts, wo ich doch schon so oft hi<strong>er</strong><br />

war; und sehen kann ich sie auch nicht“.<br />

W<strong>er</strong> mit d<strong>er</strong> Örtlichkeit nicht v<strong>er</strong>traut ist, sollte spätestens jetzt<br />

wissen, daß die zwei Teilbetriebe des Kaibling<strong>er</strong> mehr als einen Kilomet<strong>er</strong><br />

voneinand<strong>er</strong> entf<strong>er</strong>nt positioni<strong>er</strong>t sind und daß aufgrund d<strong>er</strong> dazwischen<br />

liegenden dichten Bewaldung nicht einmal die Quetschanlage und die<br />

schw<strong>er</strong>en Bagg<strong>er</strong> hi<strong>er</strong> h<strong>er</strong>üben zu hören sind; das Brechw<strong>er</strong>k ist auch nur in<br />

g<strong>er</strong>ingen Maß akustisch wahrnehmbar. Und ja, wenn dort drüben gesprengt<br />

wird, dann v<strong>er</strong>nimmt man das hi<strong>er</strong> schon deutlich; vor allem durch ein noch<br />

vor dem Schalldruck ankommendes Erbeben des Bodens, wobei bei<br />

größ<strong>er</strong>en Ladungen auch gelegentlich kleine Staubfähnchen aus den kurz<br />

sich öffnenden Spalten des Felsens austreten können.<br />

Die zwei Anlagen sind in kein<strong>er</strong> Weise miteinand<strong>er</strong> v<strong>er</strong>gleichbar. Im<br />

Quetschw<strong>er</strong>k h<strong>er</strong>rscht d<strong>er</strong> immense Leistungsdruck eines offenkundig d<strong>er</strong>


121<br />

Globalisi<strong>er</strong>ung v<strong>er</strong>pflichteten Betriebes, d<strong>er</strong> hauptsächlich vom Tempo d<strong>er</strong><br />

Maschinen vorgegeben und in d<strong>er</strong> Hi<strong>er</strong>archie an die Arbeit<strong>er</strong> weit<strong>er</strong>g<strong>er</strong>eicht<br />

wird. Auch kontrolli<strong>er</strong>t sie d<strong>er</strong> Chef öft<strong>er</strong>, da hi<strong>er</strong> das große Geld zu<br />

machen ist.<br />

Beim Branko ab<strong>er</strong> wird still geschuftet und vielleicht sogar mehr<br />

geleistet in ruhig<strong>er</strong> Ausgeglichenheit. Und da d<strong>er</strong> Chef das weiß, genießt d<strong>er</strong><br />

nun schon seit d<strong>er</strong> <strong>er</strong>sten Gastarbeit<strong>er</strong>-Welle hi<strong>er</strong> arbeitende Branko alle<br />

Freiheiten d<strong>er</strong> westlichen Welt (all<strong>er</strong>dings sechs Mal in d<strong>er</strong> Woche – ein biß<strong>er</strong>l<br />

wenig<strong>er</strong> Freiheit wäre ihm schon ganz recht; <strong>er</strong> wird ja auch nicht jüng<strong>er</strong>).<br />

Wären da nicht so manche mod<strong>er</strong>nen W<strong>er</strong>kzeuge (die all<strong>er</strong>dings<br />

größtenteils aus dem letzten Loch pfeifen und das Wort Wartung nur aus<br />

Märchenbüch<strong>er</strong>n kennen – ihr Wort hingegen heißt Dau<strong>er</strong>-Einsatz) man wähnte sich<br />

in d<strong>er</strong> Steinzeit.<br />

„Die Cheele is da chinten – chint<strong>er</strong> de große Dirnd’l-Strauch – sixt Masta?“.<br />

Ja Quastorf sieht den prachtvollen Busch ein<strong>er</strong> Kornel-Kirsche, d<strong>er</strong><br />

reichlich kleine grüne Früchte trägt, aus denen man im H<strong>er</strong>bst den besten<br />

Schnaps brennen kann, wenn sie <strong>er</strong>st einmal düst<strong>er</strong>rot sind. „Ab<strong>er</strong> die<br />

Höhle ist doch neu; wie bist Du auf die gestoßen?“.<br />

„Wuuufff; Dynamit’na und rutschte olte Haung wecka und Cheele schaut<br />

mich an!“.<br />

Quastorf ist üb<strong>er</strong>wältigt von d<strong>er</strong> Plastizität d<strong>er</strong> Imagination dieses von<br />

Branko geschild<strong>er</strong>ten Szenarios, das sich vor seinem geistigen Auge gleich<br />

einem Füllhorn ausgießt. „Branko gestehe, Du suchst einen alten Schatz!“.<br />

„Wos is scho Schatz? Schatz chob ich in G<strong>er</strong>fritz und chaßte Traudl. Und<br />

Olte Baba daham in Rupp<strong>er</strong>ts. Und z’wenig Zeit; vastehst?“. Quastorf nickt.<br />

„Oba ollaweu a bißl wos mehr Knödel wa net schlecht; grob i cholt<br />

zwischendurch. Waunn regnet, konnste eh nix tuan mit Stana!“.<br />

Quastorf besinnt sich, daß <strong>er</strong> eigentlich nicht nur zur Kontemplation<br />

und zum Plaud<strong>er</strong>n hi<strong>er</strong> ist und fragt das südliche Original: „Haben die<br />

Nibelungen hi<strong>er</strong> öft<strong>er</strong> Schießübungen abgehalten?“.<br />

„Jo friha, de Gfrasta! Chaum mit eanare Forbkugln meine scheene Stana<br />

runi<strong>er</strong>t. Daunn chob is amol ogfaungt und h<strong>er</strong>g’watschnt trotz de olten<br />

Russn-G’weah, wos ma aug’setzt hom; de Scheiß-SKS – g’learnt is g’learnt!“


122<br />

lacht <strong>er</strong> v<strong>er</strong>schmitzt und will damit andeuten, daß in seinem alten<br />

Heimatland die uralte Tradition des Partisanenkrieges nie ganz in<br />

V<strong>er</strong>gessenheit g<strong>er</strong>aten ist, wie d<strong>er</strong> Balkan vor wenigen Jahren schm<strong>er</strong>zvoll<br />

<strong>er</strong>kennen mußte.<br />

„Jetzt kumman se scho laung nimma seit eanare Unfoll!“.<br />

D<strong>er</strong> Quastorf weiß von dem Unfall d<strong>er</strong> Buben gar nichts, ab<strong>er</strong> <strong>er</strong><br />

ahnt nichts besond<strong>er</strong>s Gutes, darum fragt <strong>er</strong> auch nicht weit<strong>er</strong> nach.<br />

Tatsächlich sind damals die drei Feig<strong>er</strong>en gleich davong<strong>er</strong>annt und<br />

die and<strong>er</strong>en vi<strong>er</strong> von den Sieben mehr od<strong>er</strong> wenig<strong>er</strong> schw<strong>er</strong>v<strong>er</strong>letzt zum<br />

alten Bistring<strong>er</strong> gewankt, nachdem sie d<strong>er</strong> Branko bearbeitet hatte. D<strong>er</strong><br />

v<strong>er</strong>diente Unfallchirurg i. R. hat sie dann irgendwie zusammengeflickt und<br />

angezeigt wurde d<strong>er</strong> Branko nie; w<strong>er</strong> kann denn dem liebensw<strong>er</strong>ten Original<br />

auch schon böse sein?<br />

8 Das Unangenehme an ein<strong>er</strong> d<strong>er</strong>artigen Ballung von dramatischen<br />

Geschehnissen in ein<strong>er</strong> ansonst <strong>er</strong>eignisarmen Gegend ist natürlich imm<strong>er</strong><br />

das öffentliche Int<strong>er</strong>esse. Gottseidank macht sich d<strong>er</strong> Dr. Kuchlbach<strong>er</strong><br />

g<strong>er</strong>ne wichtig und genießt die div<strong>er</strong>sen Pressekonf<strong>er</strong>enzen und Quastorf<br />

gönnt ihm g<strong>er</strong>ne den Ruhm, auch wenn d<strong>er</strong> kaum etwas zur Aufklärung<br />

beigetragen hat.<br />

Im Dez<strong>er</strong>nat ist noch sehr viel zu tun. D<strong>er</strong> B<strong>er</strong>icht an den<br />

Staatsanwalt bedeutet natürlich unsägliche Schreibarbeit für Quastorf, da ja<br />

die Zusammenhänge nicht sehr klar sind; ab<strong>er</strong> im wesentlichen sind<br />

praktisch alle Tatv<strong>er</strong>dächtigen zu Tode gekommen und somit kein<br />

Strafantrag mehr <strong>er</strong>ford<strong>er</strong>lich.<br />

Naja, die Leute von d<strong>er</strong> watchSec’w<strong>er</strong>den schon einige Zeit brummen<br />

müssen wegen mangelnd<strong>er</strong> Obsorge und die Rottweil<strong>er</strong> w<strong>er</strong>den sich<strong>er</strong><br />

amtlich<strong>er</strong>seits <strong>er</strong>schossen.<br />

Dem Jan van Straaten kann man kaum an, denn <strong>er</strong>stens ist d<strong>er</strong> US-<br />

Am<strong>er</strong>ikanisch<strong>er</strong> Staatsbürg<strong>er</strong> im Militär-Dienst (Res<strong>er</strong>ve-Colonel des militärischen<br />

Nachrichtendienstes NSA) und gewisse Spezialgesetze d<strong>er</strong> Bush-Regi<strong>er</strong>ung<br />

v<strong>er</strong>bieten bekanntlich jedwede V<strong>er</strong>folgung dies<strong>er</strong> Leute durch ausländische<br />

G<strong>er</strong>ichte (früh<strong>er</strong> waren nur Diplomaten immun, was heute auch noch für den Rest d<strong>er</strong><br />

Welt gilt! Ab<strong>er</strong> heute sind auch USA-Militärs sakrosankt!).


123<br />

Und zweitens v<strong>er</strong>fügt die Eugenology üb<strong>er</strong> die besten Anwälte des<br />

Landes; da streift kein<strong>er</strong> g<strong>er</strong>ne an, wenn nicht grade die Presse Gas gibt!<br />

Und die wird sich hüten, denn da gibt es auch V<strong>er</strong>lags-Chefs, die das<br />

Üb<strong>er</strong>leben ihr<strong>er</strong> Zeitung retten wollen. Und das ginge halt nicht, wenn man<br />

die Pressefreiheit im <strong>er</strong>weit<strong>er</strong>ten Sinne auslegt.<br />

9 Mit seinen eigenen Leuten wird d<strong>er</strong> am<strong>er</strong>ikanisi<strong>er</strong>te Dutchman<br />

jedoch alsbald <strong>er</strong>hebliche Schwi<strong>er</strong>igkeiten bekommen. Denn jetzt, da<br />

bekannt geworden ist, daß <strong>er</strong> neben sein<strong>er</strong> eigentlichen Aufgabe sein Hobby<br />

des aSa auf ihr<strong>er</strong> teuren Anlage hat laufen lassen, w<strong>er</strong>den sie ihn gehörig zur<br />

Brust nehmen.<br />

Seine alleinige Pflicht hätte nämlich ausschließlich darin bestanden,<br />

große Geldmengen aus trüben Gewäss<strong>er</strong>n solange zu v<strong>er</strong>schieben, bis sie<br />

saub<strong>er</strong> sind und damit Regi<strong>er</strong>ungen gefügig zu machen und kapitalistische<br />

Großmogule (sogenannte Global Play<strong>er</strong>s) mit ihren eigenen – bei ihm<br />

leichtf<strong>er</strong>tig gebunk<strong>er</strong>ten Daten – zu <strong>er</strong>pressen od<strong>er</strong> zu bestechen.<br />

Die Eugenology präsenti<strong>er</strong>t sich d<strong>er</strong> Öffentlichkeit gegenüb<strong>er</strong> zwar ständig<br />

treuh<strong>er</strong>zig als ‚Religions-Gemeinschaft’, damit sie d<strong>er</strong> staatlichen<br />

Förd<strong>er</strong>ungen ohne kontrolli<strong>er</strong>ende Begleitmaßnahmen teilhaftig wird, ab<strong>er</strong><br />

Gott (und schon gar ein künstlich<strong>er</strong>) int<strong>er</strong>essi<strong>er</strong>t die sich<strong>er</strong> nicht einmal<br />

annäh<strong>er</strong>nd. Zwei Gött<strong>er</strong> beten sie ohnehin Tag und Nacht an – nämlich<br />

Macht und Mammon!<br />

D<strong>er</strong> ‚Creator Dei’ lebt ab dato in tief<strong>er</strong> Sorge, denn bald ist eine<br />

Sond<strong>er</strong>-Visitation des Hi<strong>er</strong>ophanten angesagt! Und d<strong>er</strong> wird sich<strong>er</strong> nicht<br />

mit le<strong>er</strong>en Händen kommen, sond<strong>er</strong>n mit He<strong>er</strong>scharen von Informatik<strong>er</strong>n,<br />

Programmi<strong>er</strong><strong>er</strong>n und sich<strong>er</strong> auch mit Ninjas, zu v<strong>er</strong>nichten den Wurm, d<strong>er</strong><br />

van Straaten in d<strong>er</strong>en V<strong>er</strong>ständnis geworden ist (wenn auch Gottes Vat<strong>er</strong>) und<br />

die w<strong>er</strong>den entgegen den etwas schlichten Fähigkeiten d<strong>er</strong> Fachleute d<strong>er</strong><br />

Wien<strong>er</strong> KriPo auch imstande sein, in den Brüt<strong>er</strong> einzugreifen.<br />

Van Straaten ist von Panik und Paranoia umnachtet seit d<strong>er</strong><br />

Hausdurchsuchung und sucht Zuflucht hint<strong>er</strong> d<strong>er</strong> Panz<strong>er</strong>türe. Jedoch<br />

b<strong>er</strong>gen geschlossene Systeme <strong>er</strong>hebliche Gefahren, denn wenn kein<br />

Austausch mehr mit d<strong>er</strong> Welt möglich ist, sind d<strong>er</strong>artige Systeme praktisch<br />

nicht mehr lebensfähig.


124<br />

10 In den Wirtshäus<strong>er</strong>n d<strong>er</strong> Umgebung ist die Hölle los. Wed<strong>er</strong> bei d<strong>er</strong><br />

Blauen Gans, noch beim Fidelen Holzhack<strong>er</strong> od<strong>er</strong> beim Kugelwirt war je so ein<br />

Betrieb. Die <strong>er</strong>hitzten Gemüt<strong>er</strong> stellen tausende Mutmaßungen an,<br />

ventili<strong>er</strong>en die bizarrsten Theorien und beschuldigen die am wenigsten<br />

beteiligten Mitglied<strong>er</strong> von div<strong>er</strong>sen Randgruppen wie Zigeun<strong>er</strong>, Jenische,<br />

Juden, Polacken, Tschetschenen und Sandl<strong>er</strong> (allessamt Gruppi<strong>er</strong>ungen, die es<br />

heute hi<strong>er</strong> zumeist garnicht mehr gibt; und wenn doch, dann nur in g<strong>er</strong>ingen Zahlen). Ja<br />

natürlich müssen auch die Politik<strong>er</strong> d<strong>er</strong> jeweils and<strong>er</strong>en Fraktion wie üblich<br />

als Sündenböcke h<strong>er</strong>halten.<br />

Was dem Nazi d<strong>er</strong> Linke, dem Grünen d<strong>er</strong> Rassist, dem schwarzen<br />

Traditionalisten d<strong>er</strong> Gottlose vorstellt, ist dem W<strong>er</strong>ktätigen d<strong>er</strong> Arbeitslose<br />

Parasit. Jed<strong>er</strong> schafft sich seine Feinde nach seinem Ebenbild; ext<strong>er</strong>nalisi<strong>er</strong>t<br />

das Böse, das <strong>er</strong> in sich selbst unbewußt <strong>er</strong>ahnt und nicht <strong>er</strong>tragen kann, in<br />

ein Feindbild, damit sein Haus saub<strong>er</strong> bliebe vor sich und dem Rest d<strong>er</strong><br />

Welt. Nur aus diesem üb<strong>er</strong>hitzten Kochtopf kommt die Ursuppe des<br />

Hasses zustande, die den Alltag v<strong>er</strong>giftet und im schlimmsten Fall zu<br />

feindseligen Akten führt.<br />

Die Wirten freut das un<strong>er</strong>wartete Geschäft, das noch zusätzlich<br />

dadurch b<strong>er</strong>eich<strong>er</strong>t wird, daß aus all<strong>er</strong> H<strong>er</strong>ren Länd<strong>er</strong> Journalisten und<br />

B<strong>er</strong>icht<strong>er</strong>statt<strong>er</strong>, Report<strong>er</strong> und Redakteure von ORF, ATV, BBC, CNN,<br />

NBC, RAI-UNO, BILD, Time-Magazine, THE SUN und unzählige and<strong>er</strong>e<br />

kommen, die ja irgendwo nächtigen müssen. Das gestaltet sich jedoch<br />

großteils schwi<strong>er</strong>ig, denn seit Jahren ist dies<strong>er</strong> Landesteil des<br />

Fremdenv<strong>er</strong>kehres entwöhnt.<br />

Man faßt es nicht: Unt<strong>er</strong> den vielen Int<strong>er</strong>essenten befindet sich sogar<br />

eine Pressesprech<strong>er</strong>in des Weißen Hauses! Man fragt sich natürlich, was da<br />

am Land so int<strong>er</strong>essant ist. Ab<strong>er</strong> <strong>er</strong>stens ist Eugenology imm<strong>er</strong> Welt-Thema<br />

und zweitens <strong>er</strong>st recht, wenn ungeklärte Todesfälle in diesem<br />

Bezugsrahmen auftauchen! Vom Hi<strong>er</strong>ophanten all<strong>er</strong>dings haben die Medien<br />

trotz ihr<strong>er</strong> wachsamen Lausch<strong>er</strong> kein<strong>er</strong>lei Wind bekommen.<br />

Na das wäre <strong>er</strong>st ein Hamm<strong>er</strong> gewesen, wo es doch wed<strong>er</strong> ein Bild<br />

noch einen öffentlichen Sag<strong>er</strong> des sagenhaften H<strong>er</strong>rn gibt (‚du sollst dir kein<br />

Bild machen von Gott deinem H<strong>er</strong>rn!’). D<strong>er</strong>artiges hätte einem medialen Sup<strong>er</strong>-<br />

GAU entsprochen!<br />

Kaum finden sich ausreichend Fremdenzimm<strong>er</strong>, geschweige denn<br />

Betten. Da schlafen all<strong>er</strong>dings viele Privatv<strong>er</strong>miet<strong>er</strong> g<strong>er</strong>ne in ihren


125<br />

Badewannen od<strong>er</strong> in Sautrögen und die Kind<strong>er</strong> in den Tischladen und<br />

Kohlenkisten, damit die eigenen Betten den Fremdlingen zu horrenden<br />

Summen angeboten w<strong>er</strong>den können. Reihenweise w<strong>er</strong>den die vielen aus<br />

dem Erw<strong>er</strong>bsprozeß seit langem ausgeschlossenen Arbeitswilligen<br />

vorüb<strong>er</strong>gehend von den Gastwirten eingestellt, um den Bedarf abzudecken.<br />

11 Quastorf schreibt seine eigenen B<strong>er</strong>ichte, <strong>er</strong>richtet in sein<strong>er</strong><br />

spärlichen Freizeit die Fundamente für sein Mäu<strong>er</strong>chen, das einen<br />

Rosenbogen begrenzen soll, dahint<strong>er</strong> <strong>er</strong> einen Se<strong>er</strong>osen-Teich mit Fröschen<br />

zu <strong>er</strong>richten gedenkt (ja <strong>er</strong> ist wahrlich Romantik<strong>er</strong>, ab<strong>er</strong> das weiß wohl kaum w<strong>er</strong>).<br />

Auch besucht <strong>er</strong> gelegentlich die geliebte Waldfrau, um sich Ruhe zu holen.<br />

Er leiht sich einen Anhäng<strong>er</strong> beim Amts-Ti<strong>er</strong>arzt Mitt<strong>er</strong>kirchn<strong>er</strong> und<br />

fährt zum Branko wegen d<strong>er</strong> Steine. Doch promt fängt es zu regnen an, was<br />

die Sache <strong>er</strong>schw<strong>er</strong>t. Im Ankommen kann <strong>er</strong> keinen Branko entdecken, was<br />

ja irgendwie zu <strong>er</strong>warten war, denn was soll d<strong>er</strong> schon im Steinbruch<br />

machen, wenn jed<strong>er</strong> Brocken glitschig ist und die V<strong>er</strong>letzungs-Gefahr in<br />

nichtv<strong>er</strong>antwortbare Dimensionen ansteigt.<br />

Ha! Quastorf weiß plötzlich, wo <strong>er</strong> ihn finden wird. Mühsam klett<strong>er</strong>t<br />

<strong>er</strong> üb<strong>er</strong> die schlüpfrigen Steinplatten und das lose G<strong>er</strong>öll hinunt<strong>er</strong> zum<br />

Bagg<strong>er</strong>see, umrundet diesen rechts h<strong>er</strong>um, denn nach links führt kein Weg;<br />

da ist das G<strong>er</strong>öll direkt in den See g<strong>er</strong>utscht durch die vielen Sprengungen.<br />

Nach zirka hund<strong>er</strong>tfünfzig Met<strong>er</strong>n ist <strong>er</strong> endlich am Dirndelstrauch<br />

angelangt. Vor ihm tut sich das Mundloch d<strong>er</strong> Grotte auf (jetzt ‚schaut ihn<br />

Cheele an!’). Zaghaft zunächst, doch dann in d<strong>er</strong> Wißbegi<strong>er</strong> den notwendigen<br />

Mut <strong>er</strong>langend und die bremsende Ungewißheit v<strong>er</strong>gessend, zückt <strong>er</strong> seine<br />

gute LED-Taschenlampe, die mit ihrem starken blauen Licht den leichten<br />

Staubhauch in d<strong>er</strong> Höhle sichtbar macht.<br />

Jetzt nicht <strong>er</strong>schrecken, wenn was um die Ohren flatt<strong>er</strong>t, denn hi<strong>er</strong><br />

gibt es sich<strong>er</strong> Fled<strong>er</strong>mäuse (ev. kleine Hufeisennasen), dazu hat <strong>er</strong> zu viele<br />

Univ<strong>er</strong>sum-Sendungen gesehen und das Nicht<strong>er</strong>schrecken ist nur dann<br />

möglich, wenn man mit allem rechnet (ein fundi<strong>er</strong>tes Grundwissen üb<strong>er</strong> die<br />

eventuellen Wahrscheinlichkeit des Eintretens gewiss<strong>er</strong> Unwägbarkeiten ist all<strong>er</strong>dings<br />

dazu notwendige Voraussetzung).<br />

Er ruft auch sich<strong>er</strong> nicht „hallo; ist da w<strong>er</strong>?“. Denn das ist eine d<strong>er</strong><br />

dümmsten Fragen in Filmen, in denen schlechte Regisseure aufgrund


126<br />

mangelnd<strong>er</strong> Inhalte künstliche Spannung aufbauen müssen. Denn ist w<strong>er</strong> da<br />

(und das ist meist kein Wohlwollend<strong>er</strong> od<strong>er</strong> kein sich entdecken-lassen-Wollend<strong>er</strong>), dann<br />

wird d<strong>er</strong> sich hüten ‚hi<strong>er</strong>’ zu rufen und ist kein<strong>er</strong> da, antwortet auch nur<br />

selten w<strong>er</strong>.<br />

Im Vordringen wird d<strong>er</strong> Tunnel imm<strong>er</strong> niedrig<strong>er</strong> und alsbald muß<br />

Quastorf auf die Knie (das ist zwar im religiösen B<strong>er</strong>eich dem Kommissar imm<strong>er</strong><br />

unv<strong>er</strong>ständlich gewesen – diese Selbst-Demütigung, ab<strong>er</strong> hi<strong>er</strong> sind es die äuß<strong>er</strong>en<br />

Umstände, die ihn dazu zwingen).<br />

Gut nur, daß <strong>er</strong> ausnahmsweise sein altes Arbeitsgewand an hat. Aus<br />

d<strong>er</strong> steinigen Grotte ist inzwischen ein sichtlich von Menschenhand aus<br />

dem Lehm gekratzt<strong>er</strong> Tunnel geworden, d<strong>er</strong> relativ g<strong>er</strong>adlinig und leicht<br />

b<strong>er</strong>gauf v<strong>er</strong>läuft. In regelmäßigen Abständen sind kleine v<strong>er</strong>rußte Nischen<br />

in den Wänden auszumachen, als ob darin einst Fackeln angebracht<br />

gewesen wären. Hi<strong>er</strong> ist kein Platz mehr für Fled<strong>er</strong>mäuse, denn die<br />

benötigen relativ g<strong>er</strong>äumige Gewölbe mit vielen V<strong>er</strong>w<strong>er</strong>fungen od<strong>er</strong><br />

Nischen in Tropfstein-Formationen.<br />

Viel hat <strong>er</strong> schon gelesen von den sogenannten Erdställen und einmal<br />

ist <strong>er</strong> auch schon selbst durch einen ganz engen gekrochen. Dreißig Met<strong>er</strong><br />

ist d<strong>er</strong> unt<strong>er</strong> d<strong>er</strong> Kirche von Kleinzwettl im Kreis g<strong>er</strong>obbt. Damals hat <strong>er</strong><br />

durch sein eigenes Keuchen die zur Erhellung mitgeführte K<strong>er</strong>ze<br />

ausgeblasen und <strong>er</strong> mußte blind h<strong>er</strong>ausfinden aus dem lehmigen Labyrinth,<br />

denn jeglich<strong>er</strong> Hilf<strong>er</strong>uf ist von den v<strong>er</strong>winkelten Wänden geschluckt<br />

worden.<br />

D<strong>er</strong> Mesn<strong>er</strong>, d<strong>er</strong> ihn damals unt<strong>er</strong> den Gruft-Deckel hat hineinsteigen<br />

lassen, hat während Quastorfs Todeskampf auf d<strong>er</strong> Kirchenbank gemütlich<br />

sein Pfeichen g<strong>er</strong>aucht in d<strong>er</strong> strahlenden August-Sonne. Erst nach sein<strong>er</strong><br />

Selbst-Rettung hat d<strong>er</strong> ihm den Plan d<strong>er</strong> Anlage gezeigt und darauf ist<br />

gestanden, daß seit Einsturz d<strong>er</strong> Ventilations-Gänge die Atemluft im<br />

Gangsystem nur zirka eine halbe Stunde reicht für eine P<strong>er</strong>son.<br />

Bess<strong>er</strong> ist es ihm dann schon bei einem Freund <strong>er</strong>gangen, d<strong>er</strong> auch so<br />

eine Anlage unt<strong>er</strong> seinem Winz<strong>er</strong>haus in Größing hatte (ein Aufenthaltsraum<br />

d<strong>er</strong> v<strong>er</strong>storbenen Ahnen), denn d<strong>er</strong> hat wenigstens am Ausgang gewartet;<br />

all<strong>er</strong>dings ist <strong>er</strong> damals mit sein<strong>er</strong> dicken Kampfjacke im engen<br />

Tunnelsystem kurzfristig steckengeblieben.


127<br />

Irgendwie ist das kulturhistorisch gänzlich un<strong>er</strong>forscht, wofür diese<br />

Gangsysteme angelegt wurden, da man praktisch nie irgendetwas<br />

Wesentliches darinnen gefunden hat auß<strong>er</strong> Knochen v<strong>er</strong>irrt<strong>er</strong> Haus- und<br />

Wildti<strong>er</strong>e. Oft haben sie schon auch als Fluchtwege und V<strong>er</strong>stecke in Zeiten<br />

d<strong>er</strong> Kriegsnot gedient und die größ<strong>er</strong>en als Schutzräume für Mensch und<br />

Ti<strong>er</strong> bei Unwett<strong>er</strong>n od<strong>er</strong> als Vorrats-Kell<strong>er</strong>. Ab<strong>er</strong> d<strong>er</strong> hi<strong>er</strong>?<br />

Weit<strong>er</strong> treibt ihn die unstillbare Neugi<strong>er</strong>; tief<strong>er</strong> in den jetzt sich wied<strong>er</strong><br />

etwas ausweitenden Stollen. Sich<strong>er</strong> zweihund<strong>er</strong>t Schritte ist <strong>er</strong> schon<br />

vorgedrungen und trotzdem ist da noch ein frisch<strong>er</strong> Lufthauch; fast ein<br />

leicht<strong>er</strong> Zug. Gut; ein wenig modrig und <strong>er</strong>dig riecht die Atemluft, ab<strong>er</strong> das<br />

muß auch so sein.<br />

Jetzt ein leicht<strong>er</strong> Knick nach oben und etwas steil<strong>er</strong> geht es weit<strong>er</strong> –<br />

teilweise sind auch angedeutete Stufen vorhanden – bis <strong>er</strong> nach etwa 90<br />

weit<strong>er</strong>en Schritten in d<strong>er</strong> Tiefe des Stollens einen fahlen Lichtschein<br />

wahrnimt.<br />

Im Vorwärtstaumeln wird <strong>er</strong> schnell<strong>er</strong> und v<strong>er</strong>nimmt gedämpft eine<br />

menschliche Stimme in höchst<strong>er</strong> Errregung „ida bitčka.......boga di! Jebem ti<br />

bitčku – sranje“ und ähnliche aus südlichen Urlauben v<strong>er</strong>traute Flüche. Das<br />

kann nur d<strong>er</strong> Branko sein.<br />

12 Eine seltsame Delegation sehr nobel mit Armani bekleidet<strong>er</strong> H<strong>er</strong>rn<br />

in Begleitung ein<strong>er</strong> grauhaarigen Dame in Coco Chanel näh<strong>er</strong>t sich mittels<br />

dick<strong>er</strong> schwarz<strong>er</strong> Buicks mit undurchsichtigen Scheiben d<strong>er</strong> einschichtigen<br />

Hochsich<strong>er</strong>heits-Burg. Das große Einfahrttor gleitet lautlos zur Seite, ohne<br />

das irgendw<strong>er</strong> geläutet od<strong>er</strong> die Sprechanlage betätigt hätte, geschweige<br />

denn üb<strong>er</strong>haupt w<strong>er</strong> ausgestiegen wäre.<br />

Die watchSec-Leute können auch keinen Schutz mehr abgeben für den<br />

v<strong>er</strong>ängstigten Administrator, denn die sitzen b<strong>er</strong>eits im Landesg<strong>er</strong>icht Krems<br />

ein. Na und einige Hunde hat d<strong>er</strong> Abdeck<strong>er</strong> an die Ti<strong>er</strong>kadav<strong>er</strong>-V<strong>er</strong>w<strong>er</strong>tung<br />

SANIRA abgelief<strong>er</strong>t nach Liquidation durch den Gruppeninspektor Grasl<br />

mittels Glock 19. So bahnt sich das Unheil seinen Lauf ob<strong>er</strong> d<strong>er</strong> Erde.<br />

13 Unt<strong>er</strong> d<strong>er</strong> Erde hingegen wird es früh<strong>er</strong> eng; und zwar im<br />

absoluten un<strong>er</strong>bittlichen Sinn des Wortes! Ein böses Zischen läßt Quastorf


128<br />

innehalten. Dann ein kurzes Vibri<strong>er</strong>en des ganzen Stollens und gleichzeitig<br />

ein Blitzlichtgewitt<strong>er</strong>, daß Quastorf in dies<strong>er</strong> unwirklichen Traumwelt, die<br />

durch absolute sinnliche Depriviation zu Desorienti<strong>er</strong>ung und<br />

Wirklichkeits-V<strong>er</strong>kennung führt, schon an einen dummen Sch<strong>er</strong>z d<strong>er</strong><br />

Kollegen denken muß.<br />

<br />

Er hätte sich bess<strong>er</strong> and<strong>er</strong>e Sorgen gemacht; wenig<strong>er</strong> um den V<strong>er</strong>lust<br />

sein<strong>er</strong> Intimität, denn d<strong>er</strong> seines Lebens selbst. Denn was da blitzt, ist Strom<br />

– und zwar sehr viel Strom! Und was da den Stollen <strong>er</strong>hellt, sind keine<br />

Photo-Blitzlicht<strong>er</strong>, sond<strong>er</strong>n das dust<strong>er</strong>e Leuchten eines Schwelbrandes, d<strong>er</strong><br />

dem G<strong>er</strong>uch nach von ein<strong>er</strong> Elektroanlage stammt. Quastorf kennt das wie<br />

jed<strong>er</strong>, dem schon einmal sein F<strong>er</strong>nseh<strong>er</strong> explodi<strong>er</strong>t ist.<br />

Dies<strong>er</strong> beißende Dampf aus schmelzenden PVC-Kabeln und<br />

v<strong>er</strong>schmortem P<strong>er</strong>tinax; v<strong>er</strong>mischt mit dem Gestank von heißem Metall,<br />

wenn dessen Lack Blasen wirft bei fünfhund<strong>er</strong>t Grad und mehr.<br />

„Boga ti – boga ti, jebote sunce – u pičku mat<strong>er</strong>nu; jebem vam majku koja<br />

vas rodila takvu budalu jebite se!... vadaummte Churnscheiße! Renn Kibara,<br />

sunst samma beide chinich!!!” schreit d<strong>er</strong> Branko mit <strong>er</strong>stickend<strong>er</strong> Stimme,<br />

die aus den von Chemie-Dunst v<strong>er</strong>ätzten Stimmbänd<strong>er</strong>n nur mühsam ihren<br />

Weg nach außen findet.<br />

Und so stolp<strong>er</strong>n und torkeln beide (schon leicht narkotisi<strong>er</strong>t von dem giftigen<br />

Gemisch) hinunt<strong>er</strong> die Stufen, den Gang entlang. Quetschen sich durch die<br />

Engstelle und gelangen nach zirka dreißig Schritten in die Felsenhöhle und<br />

fallen dann <strong>er</strong>leicht<strong>er</strong>t in den unreifen Hartriegel!<br />

Entkommen sind sie d<strong>er</strong> Hölle nur, weil da drinnen durch das doch<br />

deutliche Gefälle das Feu<strong>er</strong> nicht nach unten gelangen konnte und weil<br />

aufgrund d<strong>er</strong> relativen Sau<strong>er</strong>stoff-Armut d<strong>er</strong> Brand sich selbst limiti<strong>er</strong>t hat!<br />

„Branko bist du meschugge, was hast Du da drinnen angestellt?“.<br />

„Och ollas Scheiße; ollas in Orsch, Cheffe. De gaunze Orbat umsunst!“.<br />

„Jetzt d<strong>er</strong> Reihe nach!“.


129<br />

Langsam und vom Schock noch gezeichnet wankt d<strong>er</strong> rußv<strong>er</strong>schmi<strong>er</strong>te<br />

Hüne zu sein<strong>er</strong> Aufenthalts-Baracke. Nach ein<strong>er</strong> halben<br />

Flasche Slivovic auf ex findet <strong>er</strong> seine Stimme wied<strong>er</strong> und auch wied<strong>er</strong> Platz<br />

für eine von Quastorf angebotene Drei<strong>er</strong> in sein<strong>er</strong> Lunge, die <strong>er</strong> in bloß drei<br />

Zügen aufg<strong>er</strong>aucht hat, daß <strong>er</strong> bei den folgenden Erzählungen ähnlich<br />

einem Drachen ununt<strong>er</strong>brochen aus den tiefsten Lungenflügeln Rauch<br />

ausbläst.<br />

Er hätte vor drei Jahren in d<strong>er</strong> Schwoaz’n Hex (ein winziges<br />

Lastwagenfahr<strong>er</strong>-Beisel an d<strong>er</strong> allentsteig<strong>er</strong> Umfahrung) von irgendeinem Lehr<strong>er</strong>,<br />

d<strong>er</strong> sich mit Lokalgeschichte befaßt, im Schwips <strong>er</strong>fahren, daß es von d<strong>er</strong><br />

Burg Heidenstein vor Zeiten einen Fluchtgang in den Wald gegeben habe,<br />

von dem heute niemand mehr wisse, wo d<strong>er</strong> ende.<br />

Um 1.460 n. Chr. habe irgendein ungetreu<strong>er</strong> Kastellan seinen H<strong>er</strong>rn<br />

Rappolt von Aalenbach um seinen ganzen Goldschatz gebracht. Noch<br />

bevor d<strong>er</strong> fliehen hätte können, hätten dessen Sch<strong>er</strong>gen ihn <strong>er</strong>wischt ab<strong>er</strong><br />

ihn leid<strong>er</strong> dabei so schw<strong>er</strong> v<strong>er</strong>letzt, daß <strong>er</strong> kurz darauf v<strong>er</strong>storben sei, sodaß<br />

man ihn nicht mehr habe ausquetschen können, wo <strong>er</strong> diesen denn<br />

v<strong>er</strong>steckt hätte. Langwi<strong>er</strong>ige Suchaktionen hätten nichts <strong>er</strong>geben und alsbald<br />

sei d<strong>er</strong> Burgh<strong>er</strong>r kind<strong>er</strong>los v<strong>er</strong>schieden. Die einstmals prächtige Burg sei<br />

dann in den Kriegswirren v<strong>er</strong>lassen worden und dem V<strong>er</strong>d<strong>er</strong>b<br />

anheimgefallen.<br />

Hartnäckig habe sich das G<strong>er</strong>ücht gehalten, daß d<strong>er</strong> Schatz in einem<br />

tiefen Brunnen inn<strong>er</strong>halb des Fluchtganges v<strong>er</strong>steckt sein könnte (d<strong>er</strong>artige<br />

Brunnen wurden sein<strong>er</strong>zeit oftmals angelegt, um während d<strong>er</strong> häufigen Belag<strong>er</strong>ungen<br />

imm<strong>er</strong> frisches Wass<strong>er</strong> zu haben, dessen Quellen d<strong>er</strong> Feind nicht v<strong>er</strong>giften kann!).<br />

Doch da d<strong>er</strong> Gang mit d<strong>er</strong> Absicht v<strong>er</strong>schüttet worden sei, daß ihn<br />

kein<strong>er</strong> fände, sei mit dem Tod des Rappolt alles imm<strong>er</strong> mehr in<br />

V<strong>er</strong>gessenheit g<strong>er</strong>aten.<br />

Und wie d<strong>er</strong> Branko dann vor zwei Jahren eben ein paar von den<br />

schönen gemas<strong>er</strong>ten Steinen für den Grafen Creutzfeldt-Eibenstein<br />

h<strong>er</strong>aussprengen wollte, sei d<strong>er</strong> Hang vor dem Loch abg<strong>er</strong>utscht und habe<br />

das Mundloch freigegeben.<br />

Er habe sich dann an die Erzählung <strong>er</strong>inn<strong>er</strong>t und in mühsam<strong>er</strong><br />

Kleinarbeit die v<strong>er</strong>schiedenen Rutschmassen im Gang beseitigt und alles


130<br />

gangbar gemacht. Selbst den Brunnen-Grand habe <strong>er</strong> großteils freilegen<br />

können und d<strong>er</strong> ganze Brunnen wäre relativ gut <strong>er</strong>halten gewesen.<br />

Doch dann wäre darinnen nichts zu finden gewesen trotz Flutlicht<br />

und Strickleit<strong>er</strong>, denn die Sohle habe aus blankem Fels bestanden und das<br />

Wass<strong>er</strong> sei von best<strong>er</strong> Qualität gewesen.<br />

Darauf habe ihn d<strong>er</strong> Teufel g<strong>er</strong>itten und <strong>er</strong> hätte eine Rutschung in<br />

g<strong>er</strong>ad<strong>er</strong> V<strong>er</strong>läng<strong>er</strong>ung des Ganges angegraben. Und wie d<strong>er</strong> Inspektor<br />

gekommen sei, habe <strong>er</strong> g<strong>er</strong>ade den v<strong>er</strong>hängnisvollen Fehl<strong>er</strong> begangen, eine<br />

dicke Blechplatte mit dem Krampen zu durchschlagen, weil <strong>er</strong> das für eine<br />

Schatztruhe gehalten habe. Und dann d<strong>er</strong> <strong>er</strong>lebte Funkenregen und die<br />

Schwelbrand-Walze.<br />

Jetzt hat Quastorf die zweite Hälfte des Slivos ausgetrunken; denn es<br />

ist lange h<strong>er</strong>, daß ihn d<strong>er</strong> Tod küssen wollte. Entwed<strong>er</strong> ist <strong>er</strong> ein Günstling<br />

d<strong>er</strong> Jenseitigen od<strong>er</strong> die da drüben wollen sich nicht all zu früh mit ihm<br />

ärg<strong>er</strong>n od<strong>er</strong> sie benötigen ihn im Diesseits als Handlang<strong>er</strong>, d<strong>er</strong> den Sünd<strong>er</strong>n<br />

das Leben schw<strong>er</strong>macht (Quastorf und seine steilen Theorien!).<br />

14 Stein<strong>er</strong>ne Gesicht<strong>er</strong> mit Sonnenbrillen – alles Ray-Ban – nun schon<br />

am Hof. Durch das schw<strong>er</strong> mit Schmiedeeisen beschlagene Eichentor<br />

hindurch Richtung van Straaten und aSa.<br />

D<strong>er</strong> Hi<strong>er</strong>ophant (Rowan Hutchinson heißt d<strong>er</strong> mit bürg<strong>er</strong>lichem Namen)<br />

betritt würdigen Schrittes die geschmackvoll eing<strong>er</strong>ichtete Empfangs-Halle,<br />

wo <strong>er</strong> vom Johann, dem Buttl<strong>er</strong> van Straatens, ehr<strong>er</strong>bietig begrüßt wird, d<strong>er</strong><br />

sich <strong>er</strong>bötig macht, Getränke zu reichen.<br />

„Spät<strong>er</strong>, liebe Man“ darauf d<strong>er</strong> H<strong>er</strong>r zur Linken des Großmeist<strong>er</strong>s (d<strong>er</strong> zur<br />

Rechten sagt selten<strong>er</strong> irgend etwas, denn d<strong>er</strong> hat höh<strong>er</strong>e Kompetenzen und d<strong>er</strong> Hi<strong>er</strong>ophant<br />

selbst v<strong>er</strong>li<strong>er</strong>t praktisch nie ein Wort in d<strong>er</strong> Öffentlichkeit); ab<strong>er</strong> was <strong>er</strong> in den<br />

nächsten Minuten v<strong>er</strong>li<strong>er</strong>en wird, ist seine Fassung, seine Üb<strong>er</strong>heblichkeit,<br />

seinen Hochmut und üb<strong>er</strong>haupt alles, was ihn ausmacht – und fast auch<br />

sein aufgesetztes Leben!<br />

Die Panz<strong>er</strong>türe, d<strong>er</strong>en Aufschrift aSa auf ein Zeichen des Meist<strong>er</strong>s<br />

noch kurz von dessen link<strong>er</strong> Hand bei Johann hint<strong>er</strong>fragt wird, bläht sich<br />

kurzfristig gleichzeitig mit einem m<strong>er</strong>klichen Torkeln des Raumes und<br />

einem bedrohlichen tieftönigen Detonations-G<strong>er</strong>äusch auf.


131<br />

Langsam wird es warm im Empfangsraum und das wied<strong>er</strong>um hat die<br />

Ursache in ein<strong>er</strong> zunehmend roten V<strong>er</strong>färbung d<strong>er</strong> Panz<strong>er</strong>türe. Zu<strong>er</strong>st ein<br />

kaum m<strong>er</strong>kbares Dust<strong>er</strong>rot, das gleichzeitig mit ein<strong>er</strong> imm<strong>er</strong> höh<strong>er</strong>en<br />

Raumtemp<strong>er</strong>atur in helles Rotorange und dann in weißliches Rosa üb<strong>er</strong>geht<br />

um dann relativ rasch wied<strong>er</strong> den umgekehrten Weg zu nehmen.<br />

Üb<strong>er</strong>stürzt und ohne jede Würde, ab<strong>er</strong> dafür mit Todesangst gelingt<br />

dem Hi<strong>er</strong>ophanten mit seinem Gefolge die Flucht auf den Hof.<br />

D<strong>er</strong> Würdigste von allen war noch d<strong>er</strong> alte Buttl<strong>er</strong>. Und d<strong>er</strong> behielt<br />

auch noch kühlen Kopf, als die v<strong>er</strong>bliebenen Dob<strong>er</strong>männ<strong>er</strong> sich dann auf<br />

die Sonnenbrillenträg<strong>er</strong> stürzten. Nur die schuldigen Rottweil<strong>er</strong> wurden<br />

nämlich liquidi<strong>er</strong>t; natürlich nicht die braven Dob<strong>er</strong>männ<strong>er</strong> –<br />

Sippenhaftung ist neu<strong>er</strong>dings v<strong>er</strong>pönt! Die stein<strong>er</strong>nen Gesicht<strong>er</strong> lösen sich<br />

auf; manche sogar in Tränen ab<strong>er</strong> alle in begreiflichem Entsetzen und<br />

nachvollziehbar<strong>er</strong> Todesangst!<br />

D<strong>er</strong> H<strong>er</strong>r Johann (so ruft man den Buttl<strong>er</strong> Baching<strong>er</strong> üblich<strong>er</strong>weise) beeilt<br />

sich nicht sehr mit dem Zurückpfeifen d<strong>er</strong> Hunde; doch bevor sie wahrhaft<br />

todbringend w<strong>er</strong>den, hat <strong>er</strong> sie im eis<strong>er</strong>nen Griff mit einem einzigen<br />

scharfen „außßßßßßß!“.<br />

Die Delegation quetscht sich gedemütigt, v<strong>er</strong>letzt und bar jeglich<strong>er</strong><br />

Würde in die ung<strong>er</strong>ührt wartenden Buicks, d<strong>er</strong>en Motoren noch laufen. Mit<br />

durchdrehende Reifen geht es auf dem holprigen Waldweg Richtung<br />

Krems, dann nach Gneixendorf in die wartenden Hubschraub<strong>er</strong>, die die<br />

v<strong>er</strong>letzte Delegation nach Schwechat transporti<strong>er</strong>en und endlich mittels<br />

Lear-Jet Richtung Fleetwood in Oregon, wo d<strong>er</strong>en Stammsitz ist.<br />

Das Abenteu<strong>er</strong> in Öst<strong>er</strong>reich wäre somit beendet. Nicht nur das des<br />

Hi<strong>er</strong>ophanten und sein<strong>er</strong> Crew, sond<strong>er</strong>n auch das d<strong>er</strong> Eugenology in toto.<br />

Denn DDDr. Jan van Straaten war hint<strong>er</strong> d<strong>er</strong> Panz<strong>er</strong>türe v<strong>er</strong>schanzt und<br />

wähnte sich sich<strong>er</strong>; jetzt ist <strong>er</strong> mit seinem geliebten Sohn auf ewig<br />

v<strong>er</strong>schmolzen! ‚Öst<strong>er</strong>reich ist frei’ könnte man in Erinn<strong>er</strong>ung an uns<strong>er</strong>en<br />

ehemaligen Bundes-Poldl frohlocken!<br />

15 Die Polizei hatte kein gesteig<strong>er</strong>tes Int<strong>er</strong>esse mehr an dem<br />

v<strong>er</strong>schmolzenen Elektronikmüll. Die Gemeinde Freitzenb<strong>er</strong>g hat dann alles<br />

zubetoni<strong>er</strong>en lassen, denn das Wegräumen und die Entsorgung hätte<br />

Unsummen v<strong>er</strong>schlungen. Nur ein paar Elektronik-Freaks haben geweint,


132<br />

weil man möglich<strong>er</strong>weise einige unv<strong>er</strong>sehrte Teile eines Quanten-<br />

Comput<strong>er</strong>s zu Dumping-Preisen bekommen hätte können, ELF-Antennen<br />

od<strong>er</strong> Supraleit<strong>er</strong>-Elemente.<br />

Doch das war ohnehin nur alles Illusion bei den bis zu 1.400° C, die<br />

bei dem Brand entstanden waren.<br />

Die Aufwallungen in Freitzenb<strong>er</strong>g lassen langsam nach und d<strong>er</strong> Alltag<br />

findet wied<strong>er</strong> seinen üblichen Waldvi<strong>er</strong>tl<strong>er</strong> Gang, d<strong>er</strong> wie seit ewig d<strong>er</strong><br />

Jahreszeit unt<strong>er</strong>worfen ist.<br />

16 Dr. Kuchlbach<strong>er</strong> kehrt zum Amts-Alltag zurück und suhlt sich<br />

noch eine zeitlang in sein<strong>er</strong> kurzfristigen öffentlichen Bedeutsamkeit.<br />

Habison spielt mit seinem neuen Spektromet<strong>er</strong> h<strong>er</strong>um und hofft, daß<br />

die in Wien nicht m<strong>er</strong>ken, wie wenig hi<strong>er</strong> passi<strong>er</strong>t.<br />

H<strong>er</strong>r Hanfthal<strong>er</strong> kommunizi<strong>er</strong>t mit sein<strong>er</strong> Freundin Bessi vom<br />

Außendienst üb<strong>er</strong> das amtseigene Funk-System. Da wird vom Chef ein<br />

Auge zugedrückt, weil man das Graffl ohnehin d<strong>er</strong>zeit nicht benötigt.<br />

Frau Duftschmied nimmt an einem Seminar für ‚Druiden-Weiblichkeit –<br />

Nacktheit ist einford<strong>er</strong>bares Frauenrecht’ teil.<br />

Hofrat Anisin fährt nach dem ganzen Streß Richtung Japan, damit <strong>er</strong><br />

dem Quastorf stimmig<strong>er</strong>e Haikus bieten kann.<br />

Und Quastorf selbst bekommt endlich – nach langem – seine Clara<br />

zu Gesicht und Leib, da sie sich zu ihm entschieden hat. Es wird nicht leicht<br />

sein für sie mit dem <strong>er</strong>leuchteten Wesenhaften!<br />

17 Branko gräbt neu<strong>er</strong>dings schon wied<strong>er</strong> im alten Stollen, wie H<strong>er</strong>r<br />

Quastorf gem<strong>er</strong>kt hat bei seinem letzten Besuch; und <strong>er</strong> ist ein wenig<br />

besorgt, obwohl <strong>er</strong> diesmal endlich seine <strong>er</strong>hofften Steine bekommen hat.<br />

Diesmal ab<strong>er</strong> gräbt d<strong>er</strong> Hüne aus Vucovar bess<strong>er</strong> nach links weg vom<br />

Brunnen und nunmehr wird <strong>er</strong> etwas vorsichtig<strong>er</strong> sein mit dem Krampen,<br />

wenn <strong>er</strong> wied<strong>er</strong> auf Blech stoßen sollte.<br />

Branko braucht nicht auch noch eine h<strong>er</strong>zz<strong>er</strong>reissung..............


133<br />

zweit<strong>er</strong> satz:<br />

traum<br />

von<br />

seide


134<br />

Vorwort<br />

Beim <strong>er</strong>sten Roman wurde mir von einem Vorwort dringend<br />

abg<strong>er</strong>aten, was ich genau deshalb in den Wind geschlagen habe.<br />

Und wid<strong>er</strong> bess<strong>er</strong>es Wissen schreibe ich auch bei meinem zweiten<br />

Erguß einen kurzen Leitfaden. D<strong>er</strong> Protagonist braucht nicht<br />

mehr näh<strong>er</strong> beschrieben zu w<strong>er</strong>den, da <strong>er</strong> sich b<strong>er</strong>eits in<br />

‚h<strong>er</strong>z.z<strong>er</strong>r.eis.sungen’ lichtvoll bewiesen hat. Ab<strong>er</strong> man wird<br />

diesmal neue Facetten an ihm wahrnehmen können und Teilhabe<br />

an seinen Reifungsvorgängen bekommen. Die Sprache wird<br />

wied<strong>er</strong> schräg zu Alt- und Neuschreibung sein, da ich Formen<br />

v<strong>er</strong>weig<strong>er</strong>e, weil mir die Inhalte zu wichtig <strong>er</strong>scheinen! Dialekt ist<br />

schwi<strong>er</strong>ig zu schreiben und noch mühsam<strong>er</strong> zu lesen, ab<strong>er</strong> w<strong>er</strong><br />

Vielfalt liebt, wird mit dem H<strong>er</strong>zen dabei sein!<br />

Würdigung<br />

Nach alledem,was abgelaufen ist, <strong>er</strong>hofft man sich eine Zeit<br />

d<strong>er</strong> Ruhe und würde selbige auch g<strong>er</strong>ne Chefinspektor Quastorf<br />

gönnen, d<strong>er</strong> wahrlich schon genug gelitten hat.<br />

Da in sein<strong>er</strong> gesamten Amtszeit gottseidank nur sehr<br />

wenige Morde geschehen sind, mußte <strong>er</strong> sich zumeist mit and<strong>er</strong>en<br />

Dingen beschäftigen. Er konnte ja nicht jahrelang Däumchen<br />

drehen! Deshalb auch seine b<strong>er</strong>echtigte V<strong>er</strong>wund<strong>er</strong>ung üb<strong>er</strong> die<br />

Nichtauflösung des Zwettl<strong>er</strong> Morddez<strong>er</strong>nates durch die<br />

Bundesgendarm<strong>er</strong>ie-Direktion od<strong>er</strong> die vielen Innenminist<strong>er</strong>, die<br />

<strong>er</strong> schon üb<strong>er</strong>lebt hat („Politik<strong>er</strong> kommen und gehen – Beamte<br />

bleiben!“ – quasi das tragende Fundament, auf dem d<strong>er</strong> Staat<br />

ruht).<br />

Seine bish<strong>er</strong>igen Hauptaufgaben wie die Aufdeckung von<br />

Lebensmittel-V<strong>er</strong>fälschungen, die einfühlsame Beilegung von<br />

Grund-Grenz-Streitigkeiten und die notwendige Ausforschung<br />

von alkoholisi<strong>er</strong>ten Autolenk<strong>er</strong>n waren bislang sein leid<strong>er</strong> nicht<br />

imm<strong>er</strong> sehr schmackhaftes tägliches Brot.


135<br />

Gelegentlich rumänische Autobanden od<strong>er</strong> Villeneinbrüche<br />

(die waren schon ein Schmank<strong>er</strong>l). Tamilische Marktfahr<strong>er</strong>, die<br />

illegale Edelmarken-Nachahmungen an den seit jeh<strong>er</strong><br />

ortsüblichen Wochen-Markttagen feilgeboten haben und<br />

wid<strong>er</strong>rechtlichen Aufenthaltes hi<strong>er</strong>orts waren (denen hat <strong>er</strong> oft ein<br />

wenig Geld zugesteckt, bevor sie ihm praktisch imm<strong>er</strong><br />

un<strong>er</strong>klärlich<strong>er</strong>weise entwischt sind).<br />

Einheimische Holzdiebe, ortsansäßige – jedem bekannte –<br />

Wild<strong>er</strong><strong>er</strong> und gefinkelte Schwarzfisch<strong>er</strong>, geniale Pfusch<strong>er</strong>,<br />

Raufhändel an div<strong>er</strong>sen Kirtagen und regelmäßig prügelnde<br />

Eheleute (ja das tun auch manchmal Frauen, was selten öffentlich<br />

wird und kein<strong>er</strong> g<strong>er</strong>n hören will!) haben die meiste Arbeit b<strong>er</strong>eitet.<br />

Ziemlich mitgenommen haben ihn die un<strong>er</strong>wartet schw<strong>er</strong>en<br />

Gewalttaten d<strong>er</strong> letzten Zeit (und <strong>er</strong> ist schließlich schon fast<br />

pensionsreif). Und muß sich nun <strong>er</strong>neut bewähren; <strong>er</strong> hat es<br />

einig<strong>er</strong>maßen gut üb<strong>er</strong> die Bühne gebracht – da kann man nicht<br />

meck<strong>er</strong>n! Also sein Vorgesetzt<strong>er</strong> Kuchlbach<strong>er</strong> schon; denn d<strong>er</strong> hat<br />

das Sud<strong>er</strong>n zu seinem Hobby <strong>er</strong>koren.<br />

Ab<strong>er</strong> <strong>er</strong> sollte bess<strong>er</strong> nicht glauben, daß <strong>er</strong> sich so leicht<br />

zur Ruhe setzen dürfte, denn die Welt war niemals gut und sie<br />

wird nicht bess<strong>er</strong> mit den Jahren. Und so wird <strong>er</strong> noch ein wenig<br />

für Recht und Ordnung sorgen müssen, wenn <strong>er</strong> sich freien<br />

Mutes auch in Zukunft in den Spiegel schauen will.<br />

Was ab<strong>er</strong> jetzt auf ihn zukommen wird, ist gänzlich<br />

and<strong>er</strong><strong>er</strong> Qualität und wird für ihn eine weit<strong>er</strong>e b<strong>er</strong>eich<strong>er</strong>nde<br />

H<strong>er</strong>ausford<strong>er</strong>ung bis hin zur existenziellen Bedrohung entfalten!<br />

D<strong>er</strong> Les<strong>er</strong> wird mit ihm all<strong>er</strong>dings mitleiden müssen.<br />

Felix Tannenb<strong>er</strong>g<br />

H<strong>er</strong>ausgegeben im Eigenv<strong>er</strong>lag:<br />

2007 – irgendwo im Waldvi<strong>er</strong>tel


136<br />

aufarbeit<br />

1 Ein neu<strong>er</strong> Raum muß sich <strong>er</strong>schließen! Nach den <strong>er</strong>eignisreichen<br />

Wochen, die sich dann auch noch im Anschluß an den grauenhaften Fall<br />

Nibelungen-Hort <strong>er</strong>geben haben, bedarf es ein<strong>er</strong> Zeit d<strong>er</strong> Ruhe.<br />

Quastorf, d<strong>er</strong> eigenbrötl<strong>er</strong>ische Hauptkommissar, will nichts mehr<br />

hören und sehen von Mord und Totschlag; will weit weg von Höllweix,<br />

weit weg von Zwettl und selbst sich entf<strong>er</strong>nen von seinem zutiefst<br />

geliebten Refugium in Rappoltsgschwendt!<br />

Den Urlaub hat <strong>er</strong> sich ehrlich v<strong>er</strong>dient und sogar sein<br />

Vorgesetzt<strong>er</strong>, d<strong>er</strong> Doktor Karl Kuchlbach<strong>er</strong>, hat das schließlich doch –<br />

wennauch mißbilligend – eingesehen. Das Led<strong>er</strong>zeug angezogen, auf die<br />

650-<strong>er</strong> Kawasaki und ab nach Tamsweg, wo <strong>er</strong> Lamm-Kutteln bekommt<br />

im Schwarzen Ochsen. Dann nach dem romantischen Maut<strong>er</strong>ndorf und<br />

dort wird <strong>er</strong> endlich sein geliebtes Clärchen, das eigentlich Dr. Clara<br />

Stowass<strong>er</strong> heißt, wied<strong>er</strong>sehen. Politikwissenschaft mit Nebenfach<br />

Soziologie.<br />

Direkt aus Jamaika ist sie von ihrem Kongreß via Frankfurt in<br />

Salzburg gelandet und von ihr<strong>er</strong> Freundin Susa Kish nach Maut<strong>er</strong>ndorf<br />

gebracht worden mit dem dicken Jaguar, den man absolut haben muß,<br />

wenn man in d<strong>er</strong> Anif<strong>er</strong> Gesellschaft dazugehören will; wie Susa.<br />

Im wund<strong>er</strong>schönen Schloß trifft man sich zu ein<strong>er</strong> Führung und<br />

genießt gemeinsam den sonnigen Tag, d<strong>er</strong> abends im Mühlengrund an<br />

d<strong>er</strong> Taurach romantisch ausklingt zu dritt mit <strong>er</strong>haben<strong>er</strong> Konv<strong>er</strong>sation.<br />

Im Posthof wird nach einem h<strong>er</strong>rlichen Abendessen genächtigt.<br />

Des Morgens nach V<strong>er</strong>abschiedung d<strong>er</strong> Freundin schwingt sich<br />

die Frau Doktor als Beifahr<strong>er</strong>in mit gemischten Gefühlen auf den<br />

sogenannten Sozius-Sitz und sogleich volles Rohr – mit Knie am Asphalt<br />

in den Kurven – ins ob<strong>er</strong>e Murtal nach Jedl (da wird d<strong>er</strong> eigentlich schon fast<br />

pensionsreife Quastorf wied<strong>er</strong> jung, weil <strong>er</strong> bei dies<strong>er</strong> Fahrweise möglich<strong>er</strong>weise auch<br />

nicht alt w<strong>er</strong>den wird! Ein potenziell<strong>er</strong> Organspend<strong>er</strong>, dessen abgebrauchte Organe<br />

sich<strong>er</strong> niemand akzepti<strong>er</strong>en wird).


137<br />

Ein wahrhaft abgeschieden<strong>er</strong> Ort nahe dem Mur-Ursprung. Steil<br />

am B<strong>er</strong>g ein abgewirtschaftet<strong>er</strong> ab<strong>er</strong> absolut anheimelnd<strong>er</strong> Gasthof, d<strong>er</strong><br />

sich<strong>er</strong> auch schon bess<strong>er</strong>e Zeiten <strong>er</strong>lebt hat; ab<strong>er</strong> in sein<strong>er</strong> Idylle ist <strong>er</strong><br />

von keinem Fünfst<strong>er</strong>ne-Hotel in Dubai zu üb<strong>er</strong>treffen, wenn auch die<br />

Hälfte des Jahres eingeschneit aufgrund d<strong>er</strong> Seehöhe von 1107 hm.<br />

Das enge ab<strong>er</strong> saub<strong>er</strong>e Klo jenseits des Ganges (ganz indisch) mit<br />

integri<strong>er</strong>t<strong>er</strong> Kaltdusche – falls die Emotionen zu heftig würden. Ab<strong>er</strong><br />

auch ein sehr romantisch<strong>er</strong> Gastgarten nach hintenaus, von dem aus d<strong>er</strong><br />

spätnachmittägliche Blick üb<strong>er</strong> traditionell bewirtschaftete B<strong>er</strong>gbau<strong>er</strong>n-<br />

Wiesen schweift mit gänzlich unzeitgemäßen Heumandeln, die b<strong>er</strong>eits<br />

lange Schatten in die Idylle w<strong>er</strong>fen, Richtung groß<strong>er</strong> Hafn<strong>er</strong> üb<strong>er</strong> den<br />

davor liegenden Rotgülden-See.<br />

Led<strong>er</strong>behost und lodenbehütet setzt sich d<strong>er</strong> Harmonika-Hans’l des<br />

Abends an den Nachbartisch und singt aus den geübten Kehlsäcken in<br />

ein<strong>er</strong> Art gequetschtem Gebirgs-Sopran seine zotigen G’stanzeln mit<br />

älpischem Schmelz in guttural üb<strong>er</strong>schlagend<strong>er</strong> Ob<strong>er</strong>stimme wie ein<br />

Ewenke, daß man ihm die paar Euro nicht v<strong>er</strong>wehren kann, die <strong>er</strong><br />

ungesagt einford<strong>er</strong>t mit pfiffigen Äuglein und aufgehaltenem Hut.<br />

Wos i da Zenzi so gean zeigat:<br />

Wia ma auf´d häxte Hächn steigat.<br />

Do greifd ma do de blede Mirl<br />

gonz unschenieat auf´s Hosentirl.<br />

No’ sog i zu ia: Blede Trutschn,<br />

wüsd leichd, daß mia do ob<strong>er</strong>utsch’n?<br />

Aum Beag do gibts leida koa Schnaxln,<br />

weu Gummiknia und wache Haxln,<br />

konn ma am Steig jo nianed brauchn;<br />

i wea di auf da Hitt´n dauchn!<br />

Quastorf steht auf, um dem Pissoir das Zustehende zu leisten<br />

nach dem zweiten Bi<strong>er</strong>. Da springt ihm d<strong>er</strong> ansich friedf<strong>er</strong>tige<br />

Dob<strong>er</strong>mann d<strong>er</strong> wortkargen ab<strong>er</strong> formenreichen Jungwirtin ans rechte<br />

Knie d<strong>er</strong> zünftigen Led<strong>er</strong>-Knick<strong>er</strong>bock<strong>er</strong> – man muß sich schließlich ein<br />

wenig d<strong>er</strong> Gegend anpassen – auch wenn man wed<strong>er</strong> Jäg<strong>er</strong> noch<br />

Adelig<strong>er</strong> ist wie Quastorf; ab<strong>er</strong> das Mat<strong>er</strong>ial ist halt unv<strong>er</strong>wüstlich<br />

(elephanten-graues Lapunia – Fohlenled<strong>er</strong> – unüb<strong>er</strong>trefflich!).


138<br />

Keine Sorge, H<strong>er</strong>r Inspektor, d<strong>er</strong> will nicht beißen – d<strong>er</strong> nimmt dich nur<br />

zur Geliebten.<br />

Ach Du, mein all<strong>er</strong>liebstes Knie!<br />

Ich denk´ nur noch an Dich.<br />

Wieso <strong>er</strong>halt´ ich keinen Brief? Hast Du v<strong>er</strong>gessen mich?<br />

Wie geht es meinen Welpen; sind diese auch gesund?<br />

V<strong>er</strong>achtest Du mich gar, da bloß ich nur ein Hund?<br />

War uns´re Liebesnacht auch kurz, so doch voll Leidenschaft.<br />

Hab’ Dich doch g<strong>er</strong>n’ genommen mit mein<strong>er</strong> Lenden Kraft.<br />

Seit diesem heißen Abend bin so traurig ich und müde.<br />

Und bitte, bitte zürn´ mir nicht; vielleicht war ich zu rüde.<br />

Und schick´ mir Photos von den Kind<strong>er</strong>n, Du all<strong>er</strong>liebstes Mäd´l.<br />

Das wünscht aus tiefstem H<strong>er</strong>zen sich:<br />

Dein Dob<strong>er</strong>mann aus Jedl!<br />

Quastorf hat diese Liebeslyrik des Hundes im Hint<strong>er</strong>kopf und<br />

gleichzeitig großes Hallo bei den nun zahlreich<strong>er</strong> w<strong>er</strong>denden<br />

ortsansäßigen Gästen ob d<strong>er</strong> artenüb<strong>er</strong>greifenden Sexualität des<br />

üb<strong>er</strong><strong>er</strong>regten Rüden. Die ebenfalls anwesenden Englishmen, Deutschen,<br />

Holländ<strong>er</strong> und Dänen blicken betreten zur Seite ob so intensiv<strong>er</strong><br />

Natürlichkeit. Bei insgesamt bloß zehn Gästen nimmt diese<br />

Nationalitätenvielfalt Wund<strong>er</strong>.<br />

Quastorf liebt es nicht so sehr im Mittelpunkt zu stehen; schon<br />

gar nicht mit Sp<strong>er</strong>ma-nassem Knie! Lieb<strong>er</strong> mit Clara in das aufgrund d<strong>er</strong><br />

mächtigen Mau<strong>er</strong>n etwas kühl<strong>er</strong>e Zimm<strong>er</strong>, wo man sich – da die<br />

Einzelbetten wie in ein<strong>er</strong> Jugend-H<strong>er</strong>b<strong>er</strong>ge getrennt stehen – gemeinsam<br />

in das Rechte schlägt und endlich zu dem kommt, was beiden seit<br />

langem gefehlt hat. Leid<strong>er</strong> wird man dabei d<strong>er</strong>art laut, daß Clara ein<br />

wenig beschämt tut, weil ihr die an<strong>er</strong>zogene Frigidität manchmal abkippt<br />

und ihr die angeborene Lust aus dem von trocken<strong>er</strong> Wissenschaft<br />

v<strong>er</strong>engten Halse springt, wenn es – wie heute – d<strong>er</strong>art gut paßt.<br />

2 Des Morgens dann von den ausländischen Gästen, die hi<strong>er</strong> das<br />

Ursprüngliche suchen, seltsame Blicke. Die auf die Frühstücks-Tell<strong>er</strong><br />

reichlich Speck auflegenden rotgesichtigen und bi<strong>er</strong>bäuchigen Männ<strong>er</strong><br />

ein wenig bewund<strong>er</strong>nd und doch vord<strong>er</strong>gründig moralisch entrüstet aus


139<br />

eigen<strong>er</strong> Einfallslosigkeit. Die mit Müsli sich figurbewußt kasteienden –<br />

und trotzdem nicht wesentlich schlank<strong>er</strong>en – Frauen offenkundig leicht<br />

abgestoßen; ab<strong>er</strong> trotzdem schwelgen sie im Andenken d<strong>er</strong> eigenen<br />

<strong>er</strong>sehnten Ausuf<strong>er</strong>ung und klopfen mit unruhigen Händen das<br />

unschuldige Frühstücks-Ei ein<strong>er</strong> unglücklichen Henne auf (auch das Bio-<br />

Huhn hat schließlich frustri<strong>er</strong>te Mutt<strong>er</strong>gefühle, wenn es seine Ei<strong>er</strong> h<strong>er</strong>geben muß an<br />

saturi<strong>er</strong>te und trotzdem gi<strong>er</strong>ige Menschen-Mäul<strong>er</strong>!). Selbst die junge Wirtin<br />

<strong>er</strong>inn<strong>er</strong>t sich an emotional bess<strong>er</strong>e Zeiten ob des nächtlichen Sexual-<br />

Lärmes, denn ihr Mann ist oft auf Montage im Ausland und gefällige<br />

Nachbarn gibt es keine in ihrem Alt<strong>er</strong>.<br />

Eine Wand<strong>er</strong>ung zum See führt vorbei an neugi<strong>er</strong>igen Kühen, die<br />

von Clärchen zu gefährlichen Sti<strong>er</strong>en v<strong>er</strong>kannt w<strong>er</strong>den, wiewohl sie<br />

sichtbar milchschw<strong>er</strong>e Eut<strong>er</strong> tragen (so große Hoden hat kein Sti<strong>er</strong>; ab<strong>er</strong> das<br />

nützt d<strong>er</strong> Panik nur mäßig).<br />

Zunächst zur romantischen Rotgülden-Hütte, wo man mit d<strong>er</strong><br />

naturbelassenen Hüttenwirtin (ein<strong>er</strong> wahrhaft schönen Spätsechzig<strong>er</strong>in)<br />

ausgiebig parli<strong>er</strong>t und ihr einen edlen Handkäse abringt. Zu ein<strong>er</strong> längst<br />

v<strong>er</strong>lassenen Rindenhütte, die v<strong>er</strong>mutlich vor Jahren von Holzknechten<br />

<strong>er</strong>richtet wurde und d<strong>er</strong>en Bauprinzipien bis auf die Steinzeit<br />

zurückreicht. Am von einem Regenbogen gekrönten brausenden<br />

Wass<strong>er</strong>fall ist dann Ende, da Clara soviel Natur ungewohnt ist. Also<br />

macht man ein gemeinsames Picknick mit den liebevoll<br />

zusammengestellten Speisen und Getränken etwas abseits d<strong>er</strong> wild<br />

stobenden Gischt, d<strong>er</strong>en Wass<strong>er</strong>staub die <strong>er</strong>hitzten Häupt<strong>er</strong> kühlt.<br />

Getrüffelte Gänseleb<strong>er</strong>-Pastete, Chevre, schwarze Oliven, süße<br />

rote Trauben aus dem Piemont, deftig<strong>er</strong> Feta, eine Mailänd<strong>er</strong>-Salami (das<br />

ist die tief rote mit den großen Speckwürfeln im dicken Naturdarm, die imm<strong>er</strong> ein<br />

wenig ranzelt, auch wenn sie frisch ist), schmirgelnd<strong>er</strong> braun<strong>er</strong> Prschut aus<br />

Slowenien, Bio-Paradeis<strong>er</strong> und vieles mehr. Nicht, daß man denkt, die<br />

beiden bampfen das alles lieblos aus dem Papi<strong>er</strong>l.<br />

Nein, echte Porzellantell<strong>er</strong> mit Goldrand müssen es sein. Das alles<br />

hat im Rucksack ganz gut Platz gefunden und sogar noch eine Flasche<br />

edlen Champagn<strong>er</strong>s d<strong>er</strong> süßen Witwe, d<strong>er</strong> aus den sorgfältig v<strong>er</strong>packten<br />

geschliffenen Sektflöten getrunken wird (das nennt man Stil!). B<strong>er</strong>gkas,<br />

Bau<strong>er</strong>nspeck, Rauchwurz’n, Fenchelbrot und Gärmost wären freilich


140<br />

näh<strong>er</strong>liegend gewesen in dies<strong>er</strong> natürlichen Gegend; ab<strong>er</strong> das weit<br />

H<strong>er</strong>geholte hat oft mehr Reiz für üb<strong>er</strong>züchtete Städt<strong>er</strong>innen.<br />

Am spät<strong>er</strong>en Nachmittag dann ins Edelsteinmuseum im<br />

Nachbarort Muhr (ein absolut<strong>er</strong> Geheimtip), das ein schrullig<strong>er</strong> pensioni<strong>er</strong>t<strong>er</strong><br />

B<strong>er</strong>gknappe in seinem Wohnhaus angelegt hat üb<strong>er</strong> Jahre neben sein<strong>er</strong><br />

aufreibenden Arbeit im Silb<strong>er</strong>-B<strong>er</strong>gw<strong>er</strong>k, die ihm bedau<strong>er</strong>lich<strong>er</strong>weise eine<br />

Staublunge besch<strong>er</strong>t hat. Vor Jahren hat es hi<strong>er</strong> auch Gold-Minen<br />

gegeben, die ab<strong>er</strong> auf Grund von Un<strong>er</strong>giebigkeit aufgelassen wurden.<br />

Neu<strong>er</strong>dings bemühen sich findige Montanisten mittels Hochtechnologie<br />

die Stollen zu reaktivi<strong>er</strong>en und die Ausbeute wesentlich zu v<strong>er</strong>bess<strong>er</strong>n,<br />

daß die v<strong>er</strong>lockend glänzende Sache wied<strong>er</strong> lukrativ wird.<br />

Man speist zu Abend im selben Ort in d<strong>er</strong> Alten Linde, wo man<br />

noch gemütlich im Kastanienbaum-üb<strong>er</strong>dachten Garten sitzen kann in<br />

d<strong>er</strong> Abendsonne mit Blick auf die v<strong>er</strong>fallende Stumpf-Mühle.<br />

Wied<strong>er</strong> zuhause in Jedl nächtigt man heute etwas ruhig<strong>er</strong>; nicht<br />

etwa, weil man gest<strong>er</strong>n für das Liebes-Konz<strong>er</strong>t g<strong>er</strong>ügt worden wäre (dazu<br />

sind hi<strong>er</strong>orts die Leute zu zurückhaltend), sond<strong>er</strong> mehr wegen des <strong>er</strong>füllten<br />

und von d<strong>er</strong> klaren B<strong>er</strong>gluft <strong>er</strong>müdenden Tages.<br />

3 Frühmorgens weg Richtung Preb<strong>er</strong>-See, Schöd<strong>er</strong> und dann hinan<br />

auf den Sölk-Paß üb<strong>er</strong> die Erzh<strong>er</strong>zog-Johann-Straße nach dem<br />

romantischen Öblarn und weit<strong>er</strong> nach Liezen. Hint<strong>er</strong> Admont ins wilde<br />

Gesäuse und in Hieflau ein auß<strong>er</strong>ordentliches Gulasch beim Bahnwirt.<br />

Dann üb<strong>er</strong> Palfau (wo man die pittoreske Wass<strong>er</strong>loch-Klamm mit ihren<br />

dreißig v<strong>er</strong>schiedenen Kaskaden <strong>er</strong>klimmen muß) durch die Wildalpen Richtung<br />

Mariazell. Eine Jause am Hauptplatz in dem Café vis à vis d<strong>er</strong><br />

ehrwürdigen Basilika, wo das schönste Pissoir d<strong>er</strong> Welt <strong>er</strong>richtet wurde<br />

(nicht in d<strong>er</strong> Kathedrale, sond<strong>er</strong>n im Café). Man pinkelt dort an eine<br />

Glaswand, hint<strong>er</strong> d<strong>er</strong> üppige Urwald-Pflanzen wachsen!<br />

Das muß <strong>er</strong> Clara unbedingt zeigen, was sie all<strong>er</strong>dings ein wenig<br />

beschämt und doch gleichzeitig ästhetisch b<strong>er</strong>eich<strong>er</strong>t ob d<strong>er</strong> Exotik des<br />

streng amoniakalisch und nach Testost<strong>er</strong>on riechenden Ortes und d<strong>er</strong><br />

leichten Obszönität ihres ungewohnten Handelns!


141<br />

Des Abends zum Chinesen vor St. Pölten und heim Richtung<br />

Rappoltsgschwendt, daß die heißen Reifen schwarzen Gummi auf den<br />

abgewitt<strong>er</strong>ten Asphalt malen. Endlich wied<strong>er</strong> zuhause.<br />

Das Heimweh ist eine schlimme Krankheit Quastorfs, obgleich <strong>er</strong><br />

Heimat nie als Ort, sond<strong>er</strong>n eh<strong>er</strong> als Befindlichkeit zu defini<strong>er</strong>en wußte.<br />

4 Clara will diesmal läng<strong>er</strong> bleiben in dies<strong>er</strong> idyllischen Umgebung,<br />

um sich von d<strong>er</strong> Karibik zu <strong>er</strong>holen. Kein Stadtlärm, keine Hektik, keine<br />

intriganten Kollegen aus dem Institut für Gend<strong>er</strong> in Policy-Networking und<br />

kein Streß. Nur Bäume und Singvögel, Wand<strong>er</strong>n und Grillen. Vielleicht<br />

noch die ein od<strong>er</strong> and<strong>er</strong>e Burgbesichtigung. Heidenstein wird wohl bis<br />

auf weit<strong>er</strong>es nicht begehbar sein – nach allem, was war zu Ende des<br />

letzten Falles voriges Jahr.<br />

Quastorf v<strong>er</strong>wöhnt sie mit all seinem zur V<strong>er</strong>fügung stehenden<br />

Charme, mit hochgeistigen Gesprächen und ausgefeilten Menue-<br />

Kreationen – aus regionalen wie auch exotischen Küchen.<br />

Gemeinsam will man in den nächsten Tagen die Trockenstein-<br />

Mau<strong>er</strong> aus Quarzit <strong>er</strong>richten. Nach seicht<strong>er</strong> Fundamenti<strong>er</strong>ung wird<br />

sorgsam Stein auf Stein gesetzt, sehr bedächtig d<strong>er</strong> jeweils passende<br />

aus<strong>er</strong>lesen, auf daß sie sich ineinand<strong>er</strong> v<strong>er</strong>keilten und so dau<strong>er</strong>haft d<strong>er</strong><br />

mörtellosen Wand Halt gäben, die selbst Erdbeben wid<strong>er</strong>stehen könnte,<br />

wenngleich auch in d<strong>er</strong> Böhmischen Masse d<strong>er</strong>lei Naturgewalten seit<br />

üb<strong>er</strong>schaubarem Menschengedenken nicht <strong>er</strong>inn<strong>er</strong>lich sind.<br />

Im Auslaß ein Rosenbogen aus Schmiedeeisen und dahint<strong>er</strong><br />

v<strong>er</strong>gräbt Quastorf einen gebrauchten 2.400-Lit<strong>er</strong>-Reben-Bottich, den<br />

ihm d<strong>er</strong> Teichwirt Kalteneck<strong>er</strong> aus dem Weinvi<strong>er</strong>tel besorgt hat. D<strong>er</strong><br />

wird mit alten Ziegeln ummau<strong>er</strong>t, daß <strong>er</strong> einem Röm<strong>er</strong>brunnen ähnelt<br />

(nicht d<strong>er</strong> Teichwirt sond<strong>er</strong>n d<strong>er</strong> Rebenbottich!).<br />

Abends dann <strong>er</strong>schöpft ins Bett und man liest gemeinsam noch<br />

kurz Liebesgedichte von Catull zu den Catulli Carmina von Carl Orff aus<br />

d<strong>er</strong> Quadroanlage. Danach Träume von Seide.


142<br />

5 Die Sonne zwängt ihre Strahlen zwischen die dichtgewebten<br />

Vorhänge auf die Gesicht<strong>er</strong> d<strong>er</strong> beiden engelsgleich Schlafenden.<br />

Das durchdringende Läuten des Telephons richtet <strong>er</strong>hebliche<br />

Schäden im Gehörgang Quastorfs an, reißt ihn ans Licht und jagt seine<br />

H<strong>er</strong>zfrequenz in ungeahnte Höhen.<br />

„H<strong>er</strong>r Hanfthal<strong>er</strong>, wissen Sie eigentlich, daß ich mich im Urlaub<br />

befinde?! Fällt Ihnen denn niemand and<strong>er</strong><strong>er</strong> ein, den Sie quälen könnten.<br />

D<strong>er</strong> Dr. Kuchlbach<strong>er</strong> v<strong>er</strong>tritt mich doch d<strong>er</strong>zeit; ist d<strong>er</strong> möglich<strong>er</strong>weise<br />

v<strong>er</strong>storben? Was liegt denn so Dringliches vor, daß Sie mich stören?“.<br />

„Sehr heikel, Sie v<strong>er</strong>stehen. Ehrlichgesagt trau ich das dem Chef nicht so<br />

recht zu. Könnten Sie nicht doch einspringen? Weil von Ihnen weiß ich,<br />

daß Sie für ausgefallene Sachen offen sind. Und ich glaub’, so einen Fall<br />

haben wir da!“.<br />

So fängt man natürlich den etwas narzisstischen Kommissar, d<strong>er</strong><br />

in gewiss<strong>er</strong> Weise von sein<strong>er</strong> Un<strong>er</strong>setzbarkeit üb<strong>er</strong>zeugt ist. Er geht sich<br />

wied<strong>er</strong>einmal selbst in die Falle.<br />

„Was ist los, wo doch bei uns sonst nie was los ist und es <strong>er</strong>st vor<br />

kurzem trotzdem drunt<strong>er</strong> und drüb<strong>er</strong> gegangen ist. Geht denn das ab<br />

nun ständig so weit<strong>er</strong>?“.<br />

„B<strong>er</strong>uhigen Sie sich; es ist möglich<strong>er</strong>weise ganz unbedeutend. Ab<strong>er</strong><br />

irgendwie bin ich halt stutzig geworden“.<br />

„Sie sind stutzig; und deswegen rufen Sie mich im Urlaub an?“.<br />

„Das ist alles sehr seltsam. D<strong>er</strong> Kalchgrub<strong>er</strong>, d<strong>er</strong> Forstadjunkt, hat ein<br />

v<strong>er</strong>endetes Reh gefunden, das sich in einem nahezu unsichtbaren Faden<br />

stranguli<strong>er</strong>t hat und wir müssen d<strong>er</strong> Sache nachgehen, da eine Anzeige<br />

wegen Fallenstellung durch unbekannt vorliegt. Hätten Sie Zeit?“.<br />

„Geht es Ihnen eigentlich noch gut? Ein totes Reh in meinem Urlaub;<br />

machen Sie sich halt ein Gulasch daraus. Wo sind wir denn gelandet?<br />

Vielleicht könnte d<strong>er</strong> Amtsti<strong>er</strong>arzt Mitt<strong>er</strong>kirchn<strong>er</strong> ein Dez<strong>er</strong>nat für<br />

Ti<strong>er</strong>morde einrichten; ab<strong>er</strong> da müßte <strong>er</strong> auch den Polizisten Grasl


143<br />

inhafti<strong>er</strong>en, weil im vorigen Jahr die Rottweil<strong>er</strong> von d<strong>er</strong> watchSec<br />

<strong>er</strong>schossen hat! Ich bin doch wirklich nicht für alles zuständig!“.<br />

„Es wär’ ja da auch noch was And<strong>er</strong>es: Die Steu<strong>er</strong>fahndung Wien hat<br />

vor ein<strong>er</strong> Woche zwei durchaus zuv<strong>er</strong>lässige Beamte in uns<strong>er</strong>e Gegend<br />

geschickt, damit sie die Gebarung des Sägew<strong>er</strong>ks-Betreib<strong>er</strong>s FiskWood<br />

üb<strong>er</strong>prüfen. Sie wissen schon; das ist d<strong>er</strong> ehemalige Betrieb vom alten<br />

Salingb<strong>er</strong>g<strong>er</strong> – dem Holz-Multi in Grubenbach – d<strong>er</strong> alles schon vor<br />

Jahren an das int<strong>er</strong>nationale Konsortium v<strong>er</strong>sch<strong>er</strong>belt hat. Den früh<strong>er</strong>en<br />

Fleischhau<strong>er</strong> und jetzigen Viehhändl<strong>er</strong> Ranzbichl<strong>er</strong> in Kaltenreichs<br />

wollten die auch prüfen und danach noch das neue Bionik-W<strong>er</strong>k d<strong>er</strong><br />

bioTron in Reingards, weil bei all den dreien d<strong>er</strong> V<strong>er</strong>dacht auf<br />

Malv<strong>er</strong>sationen, doppelte Buchführung und Schwarzgeld-Wäsch<strong>er</strong>ei<br />

besteht. Und da gibt es auch noch den Betreib<strong>er</strong> ein<strong>er</strong> sogenannten<br />

Biokompost-Anlage in K<strong>er</strong>nb<strong>er</strong>g, die unsagbaren Gestank v<strong>er</strong>breitet,<br />

weil d<strong>er</strong>en Besitz<strong>er</strong> Diepolt da sich<strong>er</strong> illegal Schlachtabfälle hineinmischt<br />

zum Mißfallen d<strong>er</strong> ortsansäßigen Bevölk<strong>er</strong>ung und des hilflosen<br />

Distriktsarztes Medizinalrat Dr. Hebenstreit (die Behörden decken das<br />

leid<strong>er</strong> alles unhint<strong>er</strong>fragbar). Ich möchte nicht wissen, was d<strong>er</strong> für einen<br />

schwarzen Reibach macht – nicht d<strong>er</strong> Doktor – d<strong>er</strong> Diepolt! Und die<br />

zwei Ermittl<strong>er</strong> – ein gewiss<strong>er</strong> Tippl<strong>er</strong> und sein Adjutant W<strong>er</strong>zing<strong>er</strong> –<br />

haben sich seit drei Tagen nicht mehr bei ihr<strong>er</strong> Leitstelle gemeldet. Das<br />

machen die zwar öft<strong>er</strong>, wenn sie in ihre Arbeit v<strong>er</strong>bissen sind; ab<strong>er</strong> sie<br />

sind auch nicht auf ihrem Handy <strong>er</strong>reichbar, obwohl d<strong>er</strong>en Netz hi<strong>er</strong>orts<br />

eigentlich funktioni<strong>er</strong>en müßte!“.<br />

„Setzen Sie doch den Web<strong>er</strong> und den Grasl ein; die finden bekanntlich<br />

alles. Die haben doch sogar sein<strong>er</strong>zeit den entflogenen Papagei d<strong>er</strong><br />

Gattin vom Altbürg<strong>er</strong>meist<strong>er</strong> Weinsb<strong>er</strong>g<strong>er</strong> gefunden! Und mich lassen<br />

Sie gefälligst aus dem Kraut!“.<br />

„Na gut; es ist ja noch keine richtige Anzeige, sond<strong>er</strong>n nur eine Anfrage<br />

und ein Amtshilfe-Begehren. Warten wir’s halt noch ein paar Tage ab“.<br />

Quastorf fällt in alte Must<strong>er</strong> zum Mißfallen Clärchens, die sich<br />

eigentlich männliche Dau<strong>er</strong>v<strong>er</strong>fügbarkeit von ihm <strong>er</strong>hofft hätte.<br />

Ab nun wird sie sich<strong>er</strong> wied<strong>er</strong> zurückstehen müssen, da ihn sein<br />

Jagdtrieb anheizt.


144<br />

6 Bei d<strong>er</strong> FiskWood sitzt d<strong>er</strong> ehemalige Chef Salingb<strong>er</strong>g<strong>er</strong> noch<br />

imm<strong>er</strong> im Kabäuschen wie eh und je, obwohl <strong>er</strong> die Firma schon längst<br />

an die Globalisten abgetreten hat und dadurch eigentlich ausreichend<br />

Geld besäße, um nie wied<strong>er</strong> arbeiten zu müssen – ab<strong>er</strong> <strong>er</strong> ist halt auch<br />

un<strong>er</strong>setzbar. Quastorf will bald gehen und provozi<strong>er</strong>t ihn dah<strong>er</strong> heftig.<br />

„Sie haben doch jetzt die Finanz<strong>er</strong> am Hals; wo sind die denn?“.<br />

„Des geht mi nix meah au; weu i hob imma aunstädig g’wiatschoft und<br />

des mit’m brasilianischen Regenwold-Holz haums domois bekaunntlich<br />

niedag’schlog’n beim Zwettl<strong>er</strong> Bezirksg<strong>er</strong>icht – wegen Fehlen allfällig<strong>er</strong><br />

Beweismittel. Des san de Neich’n, de Linke moch’n – int<strong>er</strong>national! I<br />

hob scho laung grechn’t mit de Finanz<strong>er</strong>; hot ma jo kana von de<br />

Sieb’ng’scheid’n do ob’n glaub’n woinn“ deutet <strong>er</strong> mittels Zeigefing<strong>er</strong><br />

v<strong>er</strong>ächtlich nach oben weisend. „Oba de woan no goa net doda!“<br />

Ganz glaubt ihm das Quastorf nicht, ab<strong>er</strong> <strong>er</strong> ist noch nicht so<br />

richtig im Blutrausch, daß <strong>er</strong> nicht mehr lock<strong>er</strong>lassen würde. Noch hat <strong>er</strong><br />

nicht das Pitbullartige, da <strong>er</strong> eigentlich im Urlaub und zusätzlich noch<br />

einig<strong>er</strong>maßen <strong>er</strong>schöpft ist vom letzten Fall.<br />

7 Ein paar Tage doch wenigstens mit Clärchen und mit Garten-<br />

Gestaltung, mit Lesen und Seele-baumeln-lassen zwischen den üppigen<br />

Bäumen seines Arboretums.<br />

Am Nachmittag mit Clara zur Waldfrau Heike Strehlmann. Man<br />

sitzt gemeinsam am kleinen Goldfischteich, d<strong>er</strong> mit Pagödchen, mit<br />

Zw<strong>er</strong>g-Bäumchen und Schreinen umzi<strong>er</strong>t ist. Selbst ein klein<strong>er</strong><br />

Wass<strong>er</strong>fall stürzt in ein künstliches Bachbett, das meandrisch torkelnd<br />

seinen Weg von ein<strong>er</strong> unscheinbaren Quelle zum Teich findet.<br />

Sogar eine gewölbte Brücke findet sich zwecks Feng Shui. Sehr<br />

japanisch, d<strong>er</strong> wilde und doch gezähmte Garten!<br />

Dieses in den letzten Jahren selbst schon von den ärgsten<br />

westlichen Geld-Proleten v<strong>er</strong>einnahmte Prinzip des Feng Shui ist zwar<br />

chinesischen Ursprungs, ab<strong>er</strong> hi<strong>er</strong> ist es anwesend und nicht im Aloe-<br />

V<strong>er</strong>a-Klowürfel, von dem es die W<strong>er</strong>bung behauptet (d<strong>er</strong> enthält auch


145<br />

angeblich rechtsdrehende Milchsäure, die am Klo nur un<strong>er</strong>klärliche Aufgaben hat –<br />

auch in Slipeinlagen hat Aloe ja durchaus wenig B<strong>er</strong>echtigung, da sie bekanntlich fast<br />

ausschließlich abführende Wirkung hat als Drasticum!).<br />

Viel wird diskuti<strong>er</strong>t üb<strong>er</strong> Globalisi<strong>er</strong>ung, Welthung<strong>er</strong>, Ausbeutung<br />

d<strong>er</strong> Ressourcen, Käfig- und Stallhaltung von Nutzti<strong>er</strong>en, V<strong>er</strong>knappung<br />

d<strong>er</strong> Trinkwass<strong>er</strong>-Res<strong>er</strong>ven und Gentechnologie als Hauptursache d<strong>er</strong><br />

Migranten-Ströme d<strong>er</strong> Boat-People, die nicht mehr einzudämmen sein<br />

w<strong>er</strong>den. Als Nachschlag dann noch Philosophie, von d<strong>er</strong> die Magi<strong>er</strong>in<br />

behauptet, sie v<strong>er</strong>decke und z<strong>er</strong>rede viel mehr Probleme als sie zu lösen<br />

vorgäbe und führe zwangsläufig zu Defätismus, da praktisch alle<br />

Philosophen gleichzeitig depressive Pessimisten wären, die die Welt nicht<br />

änd<strong>er</strong>n od<strong>er</strong> v<strong>er</strong>bess<strong>er</strong>n würden.<br />

Da wird Quastorf ab<strong>er</strong> jetzt fast ein wenig aufbrausend, denn <strong>er</strong><br />

läßt sich seine Tröst<strong>er</strong> in stillen Stunden sich<strong>er</strong> nicht h<strong>er</strong>unt<strong>er</strong>machen –<br />

dazu hat <strong>er</strong> zu sehr mitgelitten mit den Gnoseologen, Heuristik<strong>er</strong>n und<br />

Epistemologen.<br />

„Gut, viele Philosophen ziehen nicht imm<strong>er</strong> ganz tröstliche Schlüsse aus<br />

ihren langwi<strong>er</strong>igen Denkvorgängen, was die kargen Möglichkeiten d<strong>er</strong><br />

Problemlösung für das Schicksal dies<strong>er</strong> Welt betrifft; ab<strong>er</strong> was ist mit<br />

Carl Popp<strong>er</strong>, mit Viktor Frankl od<strong>er</strong> mit Huss<strong>er</strong>l, mit Beatson od<strong>er</strong><br />

B<strong>er</strong>talanffy. Ich würde sogar so weit gehen, daß ich sage, ein Philosoph<br />

ist prinzipiell ein Optimist – selbst wenn <strong>er</strong> das Ausst<strong>er</strong>ben d<strong>er</strong><br />

Menschheit für die scheinbar zynische Ideal-Lösung für die Welt hält<br />

(übrigens ist das möglich<strong>er</strong>weise die einzige Hoffnung für die Welt).<br />

Denn allein, daß <strong>er</strong> sein Denken ausreichend w<strong>er</strong>tvoll <strong>er</strong>achtet, es<br />

aufzuschreiben, es sinnvoll genug wähnt, daß es Mitmenschen <strong>er</strong>reichen<br />

od<strong>er</strong> gar bewegen könnte, beweist doch meine These. Mir ist kein<br />

Philosoph bekannt, d<strong>er</strong> sein Lebensw<strong>er</strong>k ohne V<strong>er</strong>öffentlichung<br />

v<strong>er</strong>brannt und sich dann umgebracht hätte; nur das könnte ihre Aussage<br />

stützen!<br />

Meines Wissens hat es irgend einen Dicht<strong>er</strong> gegeben, d<strong>er</strong> tausende<br />

Poeme geschaffen, sie alle auswendig gel<strong>er</strong>nt hat (ohne sie je aufzuschreiben)<br />

und sich dann mit 32 Jahren entleibte – sein Name ist mir leid<strong>er</strong> entfallen<br />

– ein Russe; die lieben halt die Schw<strong>er</strong>mut!“.


146<br />

Da muß die Waldfrau passen; Quastorf liest offenkundig zu viel.<br />

Sie bleibt lieb<strong>er</strong> bei ihren Kräut<strong>er</strong>n, denn da steckt sie ihn in den Sack.<br />

„Pulsatilla wäre gut für Dich gegen Deinen Nachtschweiß und die Ora<br />

s<strong>er</strong>rata an Deinem Zungenrand, die vom nächtlichen Knirschen<br />

kommt!“.<br />

Da staunt hinwied<strong>er</strong> Quastorf üb<strong>er</strong> das, was sie von ihm alles weiß<br />

ohne mit ihm je im Bett gelegen zu sein (od<strong>er</strong> doch? Da gibt es etwas Dumpfes<br />

im Hint<strong>er</strong>kopf; ab<strong>er</strong> sein Hirn spielt ihm in letzt<strong>er</strong> Zeit oft üble Streiche!). Clara<br />

könnte das Behauptete freilich bess<strong>er</strong> bestätigen od<strong>er</strong> entkräften, wenn<br />

ihr die Offenlegung dies<strong>er</strong> Intimitäten nicht allzu p<strong>er</strong>sönlich <strong>er</strong>schiene.<br />

Wie als Ergänzung nimmt Quastorf Clärchen zärtlich bei d<strong>er</strong><br />

Hand „wir sollten heimzu; die Pflicht ruft! Danke für Deine aufopf<strong>er</strong>nde<br />

Gastfreundchaft Heike!“.<br />

Was <strong>er</strong> unt<strong>er</strong> heilig<strong>er</strong> Pflicht v<strong>er</strong>steht, dient beiden, denn damit<br />

sind auch die Annehmlichkeiten des gemeinsamen Hochamtes gemeint,<br />

das beide heute noch zu zelebri<strong>er</strong>en gedenken bei Lachs-Parfait,<br />

toskanisch<strong>er</strong> Lammkeule und geeistem Orangen-Mousse, das in den<br />

Flammen des Cointreau v<strong>er</strong>sinkt. Ein Rioja schließt am Lag<strong>er</strong>feu<strong>er</strong> den<br />

Abend noch nicht endgültig ab. Denn danach <strong>er</strong>st folgt das eigentliche<br />

Hochamt mit groß<strong>er</strong> Besetzung ......


147<br />

vorarbeit<br />

1 Jed<strong>er</strong> weiß, was jetzt kommt. Quastorf wird sich dem nicht<br />

entziehen können! Er v<strong>er</strong>sorgt Clara mit einschlägig<strong>er</strong> Lit<strong>er</strong>atur die<br />

positivistischen Philosophen betreffend und eilt ins Amt – d<strong>er</strong> Urlaub ist<br />

voraussichtlich bis auf Weit<strong>er</strong>es gestorben!<br />

„Hanfthal<strong>er</strong>, welche Erkenntnisse liegen Ihnen vor?“.<br />

„Ich weiß auch nicht, ab<strong>er</strong> Ihre Sekretärin – die Frau Duftschmied – hat<br />

da einen Zettel für Sie!“. Eigentlich eine unzutreffende Aussage, denn<br />

die Frau Duftschmied gehört allen; vor allem ab<strong>er</strong> sich selbst.<br />

„Zettel; sowas liebe ich. Das war schon beim Nibelungen-Fall d<strong>er</strong><br />

Einstieg. Fällt denn niemandem was Bess<strong>er</strong>es ein? Was ist eigentlich mit<br />

den Finanz<strong>er</strong>n; haben die Grasl & Web<strong>er</strong> was ausforschen können?“.<br />

„Nicht direkt; die sind noch im Gelände!“<br />

„Frau Duftschmied, den Zettel bitte und einen kräftigen Kaffee, wenn’s<br />

möglich wäre!“. Quastorf dockt an seinem chaotischen Schreibtisch an.<br />

„Hi<strong>er</strong> bitte das Gewünschte!“ nach zehn Minuten. Sowas von p<strong>er</strong>fekt die<br />

Frau; wieso reißen sich nicht alle Männ<strong>er</strong> um sie, wo sie doch durchaus<br />

begehrensw<strong>er</strong>t wirkt mit ihren funkelnden Augen, ihrem anregenden<br />

Arsch und ihren prallen – aus den viel zu engen Halt<strong>er</strong>ungen –<br />

quellenden Brüsten (wie irrtümlich für gezähmt gehaltene Mustangs in ihrem<br />

unzulässig-entwürdigenden Zaumzeug wüten!)?<br />

Quastorf v<strong>er</strong>tieft sich in den Inhalt des Zettels: „Wenn Sie näh<strong>er</strong>es<br />

wissen wollen, kommen Sie morgen (d<strong>er</strong> Zettel stammt von gest<strong>er</strong>n) um ca.<br />

achzehn Uhr zum alten Hochstand an d<strong>er</strong> Teichleiten“; Unt<strong>er</strong>schrift<br />

Eb<strong>er</strong>gassing<strong>er</strong>.<br />

Das begeist<strong>er</strong>t Quastorf nur mäßig, denn d<strong>er</strong> H<strong>er</strong>r Eb<strong>er</strong>gassing<strong>er</strong><br />

ist ein pensioni<strong>er</strong>t<strong>er</strong> Forst-Aufseh<strong>er</strong> mit einem gewissen Hang zur<br />

Kriminalistik und sieht imm<strong>er</strong> und üb<strong>er</strong>all v<strong>er</strong>dächtige Strukturen, mit<br />

denen <strong>er</strong> die Polizei g<strong>er</strong>ne wied<strong>er</strong>holt beschäftigt.


148<br />

Ab<strong>er</strong> gut; tut <strong>er</strong> sich das halt an. Mit dem Fiat in die Nebenstraße<br />

nach Wolfg<strong>er</strong>s und dann links ab zum Parkplatz – dem Ausgangspunkt<br />

für die bei Touristen beliebten Moorwand<strong>er</strong>ungen. Zu Fuß ins Moor die<br />

zwei Kilomet<strong>er</strong> und dann ist man am besagten Hochstand.<br />

D<strong>er</strong> pensioni<strong>er</strong>te Wichtigmach<strong>er</strong> sitzt b<strong>er</strong>eits oben, wohin<br />

Quastorf nur üb<strong>er</strong> die morsche Leit<strong>er</strong> gelangen kann. Loden-Outfit,<br />

Russen-Stiefel und hochauflösen<strong>er</strong> Feldstech<strong>er</strong> mit batt<strong>er</strong>iebetriebenem<br />

Restlicht-V<strong>er</strong>stärk<strong>er</strong> (praktisch ein Nachtsicht-G<strong>er</strong>ät), das sich bei d<strong>er</strong><br />

beginnenden Dämm<strong>er</strong>ung sehr nützlich <strong>er</strong>weist.<br />

„Schön, daß Sie gekommen sind. Wollen Sie schauen?“ reicht <strong>er</strong><br />

Quastorf das edle Ding, das für Jäg<strong>er</strong> eigentlich v<strong>er</strong>boten ist; weil <strong>er</strong>stens<br />

ist sowas nur für den militärischen Gebrauch zugelassen und zweitens<br />

vollkommen unwaidmännisch.<br />

Was Quastorf sieht, ist ein alt<strong>er</strong> Bau<strong>er</strong>nhof mit einigen Baracken<br />

dahint<strong>er</strong>. „Was wollen Sie mir damit zeigen?“.<br />

„Das ist das Reich des Professors Frib<strong>er</strong>g<strong>er</strong>, den sie hi<strong>er</strong> den<br />

Spinnenmann nennen. Den sollten Sie einmal v<strong>er</strong>hören, dann würden<br />

Ihnen die Augen aufgehen!“.<br />

Quastorf sti<strong>er</strong>t durch das Präzisionsg<strong>er</strong>ät für lange Zeit, ab<strong>er</strong> <strong>er</strong><br />

kann nichts wirklich V<strong>er</strong>dächtiges wahrnehmen.<br />

„D<strong>er</strong> ist total drogensüchtig und v<strong>er</strong>giftet uns<strong>er</strong>e Kind<strong>er</strong>!“. Dazu muß<br />

man wissen, daß d<strong>er</strong> Forstaufseh<strong>er</strong> i. R. Frau und Kind<strong>er</strong> imm<strong>er</strong><br />

v<strong>er</strong>mieden hat, da <strong>er</strong> sich früh<strong>er</strong> selbst genug war und jetzt ist es zu spät<br />

dafür. Heute b<strong>er</strong>eut <strong>er</strong> es all<strong>er</strong>dings, da <strong>er</strong> niemanden haben wird, sollte<br />

<strong>er</strong> d<strong>er</strong>einst pflegebedürftig sein, ab<strong>er</strong> <strong>er</strong> hofft, daß die Caritas seine<br />

langsam wachsende Prostata betreuen könnte!<br />

„Und wie macht <strong>er</strong> das?“ fragt Quastorf ungeduldig.<br />

„Na moralisch, weil <strong>er</strong> auch beim Spazi<strong>er</strong>engehen ungeni<strong>er</strong>t kifft!“.<br />

„Danke für Ihre wirklich w<strong>er</strong>tvolle Hilfe“ v<strong>er</strong>abschiedet sich Quastorf<br />

von dem unsympathischen Waldschratt.


149<br />

2 Weil <strong>er</strong> schon da ist, macht <strong>er</strong> den Schlenk<strong>er</strong> zum Professor<br />

Frib<strong>er</strong>g<strong>er</strong>. Ein durchaus schön<strong>er</strong> Mensch; nicht mehr ganz jung und auch<br />

leid<strong>er</strong> wenig gepflegt mit seinem von d<strong>er</strong> Halbglatze abhängenden<br />

Langhaar im Nacken, das hinten zu einem dicken Roßschwanz geformt<br />

ist – ab<strong>er</strong> beeindruckend d<strong>er</strong> Mann. Vollkommen lock<strong>er</strong> präsenti<strong>er</strong>t <strong>er</strong><br />

sich dem Kommissar mit lässig im linken Mundwinkel hängendem Joint<br />

in seinem total v<strong>er</strong>wild<strong>er</strong>ten ab<strong>er</strong> sehr anheimelnden Vorgarten; da wird<br />

sich Quastorf einige Ideen abspicken müssen (sowas von romantisch!).<br />

„Ein Ofen gefällig?“ reicht <strong>er</strong> ihm eine dicke Tüte. Quastorf v<strong>er</strong>neint, da<br />

<strong>er</strong> auf Shit imm<strong>er</strong> schon husten mußte seit sein<strong>er</strong> Jugend.<br />

„Was machen Sie hi<strong>er</strong> eigentlich? Ich <strong>er</strong>mittle unt<strong>er</strong> and<strong>er</strong>em bezüglich<br />

des stranguli<strong>er</strong>ten Rehes, das praktisch an d<strong>er</strong> Grenze Ihres großen<br />

Grundstückes gefunden wurde. Sind Sie Fallenstell<strong>er</strong>; das betrifft zwar<br />

nicht mein Ressort – eh<strong>er</strong> das vom Kalchgrub<strong>er</strong> – ab<strong>er</strong> int<strong>er</strong>essehalb<strong>er</strong><br />

frage ich halt!“.<br />

„Gott bewahre, ich liebe Ti<strong>er</strong>e üb<strong>er</strong> alles als alt<strong>er</strong> Biologe; ich bin sogar<br />

üb<strong>er</strong>zeugt<strong>er</strong> Vegan<strong>er</strong>!“. Hanf ist da kein Stilbruch, denn d<strong>er</strong> ist<br />

vegetarischen Ursprunges und es wird kein Ti<strong>er</strong> ausgebeutet!<br />

„Ab<strong>er</strong> was ist das für ein fein<strong>er</strong> Faden, d<strong>er</strong> dort gespannt war? Stammt<br />

d<strong>er</strong> nicht von Ihnen? Angelschnur möglich<strong>er</strong>weise, denn Sie sind doch<br />

sich<strong>er</strong> Selbstv<strong>er</strong>sorg<strong>er</strong>“ deutet Quastorf den gelinden V<strong>er</strong>dacht an, daß <strong>er</strong><br />

gelegentlich wild<strong>er</strong>n od<strong>er</strong> schwarzfischen könnte, was sich bei einem<br />

Vegan<strong>er</strong> von selbst v<strong>er</strong>bietet; ab<strong>er</strong> da war Quastorf zu voreilig mit<br />

seinem V<strong>er</strong>dacht, den d<strong>er</strong> Biologe gnädig üb<strong>er</strong>geht.<br />

„Das könnte schon sein; das war so eine Schnapsidee von mir in ein<strong>er</strong><br />

launigen Phase“ <strong>er</strong> hält unv<strong>er</strong>froren den Joint hoch „Sie v<strong>er</strong>stehen?“.<br />

„Ich v<strong>er</strong>stehe, daß Sie gelegentlich zu substanzbedingt<strong>er</strong> Spontaneität<br />

neigen, ab<strong>er</strong> was ist das denn für ein seltsames Mat<strong>er</strong>ial?“.<br />

„Am besten, Sie besichtigen mein kleines Reich, das ich mir in vielen<br />

entbehrungsreichen Stunden geschaffen habe“ lädt <strong>er</strong> Quastorf zum<br />

Eintreten in sein idyllisches Bau<strong>er</strong>nhaus ein, das <strong>er</strong> vor Jahren total neu<br />

h<strong>er</strong>g<strong>er</strong>ichtet hat.


150<br />

All<strong>er</strong>dings hört sich die Idylle nach d<strong>er</strong> gemütlichen Bau<strong>er</strong>nstube<br />

sofort auf. Denn die Nebenräume sind nichts für sensible Geist<strong>er</strong> und<br />

Arachnophobe würden bei d<strong>er</strong>en Anblick sogleich tausend grauenhafte<br />

Tode st<strong>er</strong>ben. An den Wänden üb<strong>er</strong>all dichtgestellte Regale vollgepfropft<br />

mit Einsiedegläs<strong>er</strong>n und in denen befinden sich wed<strong>er</strong> süße Wachau<strong>er</strong><br />

Marillen-Marmeladen noch würzige Mixed Pickles, wed<strong>er</strong> schmalz-fettes<br />

Kübelfleisch noch hochprozentige Rumzwetschken. Alle enthalten<br />

sichtlich ausschließlich v<strong>er</strong>schiedenartige Spinnen!<br />

Es müssen mehr<strong>er</strong>e zigtausend sein! Pro Glas sind oft hund<strong>er</strong>te<br />

Baby-Spinnen – mehr noch zu ahnen als zu sehen –, da sie von<br />

mikroskopisch<strong>er</strong> Größe sind.<br />

„Sie sind wahrhaft ein Ti<strong>er</strong>freund, sonst könnten Sie diese Menag<strong>er</strong>ie<br />

nicht leicht <strong>er</strong>tragen! Ist das Ihr Hobby?“.<br />

„Sie sind gut, das ist mein Lebensw<strong>er</strong>k und die Quelle meines<br />

bescheidenen Wohlstandes!“.<br />

„Wie kann ich das v<strong>er</strong>stehen, w<strong>er</strong> will denn soviele Spinnen kaufen; wo<br />

ist da d<strong>er</strong> Markt?“.<br />

„Ach die w<strong>er</strong>de ich doch nicht h<strong>er</strong>geben, das sind doch meine lieben<br />

Melkkühe!“.<br />

„Sie melken also Spinnen; v<strong>er</strong>zeihen Sie, ab<strong>er</strong> ich glaube, daß Sie ein<br />

wenig spinnen!“. Das ist mir ein richtig<strong>er</strong> Vegan<strong>er</strong>, d<strong>er</strong> beim Essen heikel<br />

ist und beim Geldv<strong>er</strong>dienen keinen Geni<strong>er</strong><strong>er</strong> kennt, wenn es um<br />

großtechnische V<strong>er</strong>w<strong>er</strong>tung von ti<strong>er</strong>ischen W<strong>er</strong>tschöpfungen geht!<br />

„Das denken viele. Bitte nehmen Sie hi<strong>er</strong> Platz und ich w<strong>er</strong>de Ihnen<br />

zeigen, was ich mache“. Er setzt sich an eine Art Labor-Tisch, auf dem<br />

div<strong>er</strong>se undurchschaubare G<strong>er</strong>ätschaften h<strong>er</strong>umstehen.<br />

In d<strong>er</strong> Mitte sowas wie eine Haspel. Davor eine Stofftrommel, auf<br />

d<strong>er</strong> man eine große Wespenspinne ausmachen kann. Die ist mittels<br />

Kleb<strong>er</strong> am Rücken an einem Freiarm fixi<strong>er</strong>t und läuft un<strong>er</strong>müdlich üb<strong>er</strong><br />

die motorisch angetriebene Stofftrommel. Üb<strong>er</strong> und hint<strong>er</strong> ihr befindet<br />

sich eine Plastik-Lamelle mit ein<strong>er</strong> Öse inmitten. Durch diese


151<br />

hindurchgezogen ist ihr Spinnfaden, d<strong>er</strong> von dem findigen<br />

Wissenschaft<strong>er</strong> auf die bedarfsgesteu<strong>er</strong>te Haspel gewickelt wird.<br />

„Jetzt begreife ich <strong>er</strong>st, was Sie unt<strong>er</strong> melken v<strong>er</strong>stehen! Und was<br />

machen Sie mit dem so gewonnenen Mat<strong>er</strong>ial?“.<br />

„Spinnenseide. Absolut reißfest! Das zäheste und biologisch am besten<br />

angepasste Mat<strong>er</strong>ial, das man sich vorstellen kann. Dreimal so druckfest<br />

wie Eichenholz, zehnmal so elastisch wie d<strong>er</strong> beste heutzutage<br />

v<strong>er</strong>fügbare Stahl, luftig wie Seide und absolut ungiftig (nichteinmal<br />

all<strong>er</strong>gen)! Aus dem Zeug könnte man schußfeste Hemden für die Polizei<br />

weben, die sogar d<strong>er</strong> Giorgio Armani gestalten könnte (nichts mehr mit<br />

den plumpen Keflar-Westen!). Einen Airbus könnten sie im vollen Flug<br />

bei 900 km/h mit einem bloß Daumen-dicken Seil aus diesem Mat<strong>er</strong>ial<br />

stoppen! Und auch noch biologisch abbaubar! Das mit dem Reh tut mir<br />

wirklich leid. Ich wollte eine absolut sich<strong>er</strong>e Abgrenzung h<strong>er</strong>stellen, da<br />

ich in d<strong>er</strong> letzten Zeit des öft<strong>er</strong>en Drohbriefe und -Anrufe <strong>er</strong>halten habe<br />

(eimal habe ich sogar in d<strong>er</strong> Nacht eine v<strong>er</strong>mummte Gestalt in meinem<br />

Garten ausgenommen). Da hatte ich dann die Idee, daß ich dessen<br />

praktische V<strong>er</strong>w<strong>er</strong>tbarkeit austesten könnte. Denn in d<strong>er</strong> Feuchtigkeit<br />

d<strong>er</strong> Nacht sind diese Netze voll gespannt und lassen keinen durch und in<br />

d<strong>er</strong> Sonne v<strong>er</strong>flüchtigt sich das gebundene Wass<strong>er</strong> – das in regelmäßigen<br />

Abständen p<strong>er</strong>lenartige Auftreibungen in den Fäden bildet mit dem<br />

hydrophilen Eiweiß – und die Netze sind praktisch nicht mehr<br />

vorhanden!“.<br />

„Könnte es nicht sein, daß d<strong>er</strong> nächtliche Int<strong>er</strong>essent möglich<strong>er</strong>weise auf<br />

ganz etwas and<strong>er</strong>es scharf war? Es riecht da so würzig aus ihrem<br />

Unt<strong>er</strong>geschoß!“ spielt Quastorf auf seinen V<strong>er</strong>dacht an, daß d<strong>er</strong><br />

ungewöhnliche Professor im Kell<strong>er</strong> THC-Hanf kultivi<strong>er</strong>t (wenig<strong>er</strong> wegen<br />

dessen Fas<strong>er</strong>n, denn diese sind ein Schmarrn gegenüb<strong>er</strong> den zuvor <strong>er</strong>wähnten<br />

Spinnenfäden).<br />

„Wegen Ihres Hobbys bin ich all<strong>er</strong>dings nicht gekommen; das könnte<br />

höchstens den Gruppeninspektor Wurm von d<strong>er</strong> Sucht int<strong>er</strong>essi<strong>er</strong>en.<br />

Ab<strong>er</strong> d<strong>er</strong> ist gottseidank in Wien sehr beschäftigt, denn im Waldvi<strong>er</strong>tel<br />

rechnet niemand mit illegalen Drogen; da gibt es bekanntlich genügend<br />

legale üb<strong>er</strong>all frei käuflich! Und was man im Lag<strong>er</strong>haus nicht bekommt,<br />

das gibt es auch nicht; wie AIDS zum Beispiel!“.


152<br />

„Ich bitte Sie, H<strong>er</strong>r Inspektor! Ich habe halt v<strong>er</strong>mehrten Eigenbedarf<br />

und es macht mich doch m<strong>er</strong>kbar kreativ, wie Sie unschw<strong>er</strong> feststellen<br />

können!“.<br />

„Dumme Frage: Wie können Sie mit dies<strong>er</strong> sehr innovativen ab<strong>er</strong><br />

trotzdem etwas mickrigen Melkmaschine ihren Zaun h<strong>er</strong>gestellt haben;<br />

dazu haben Sie doch sich<strong>er</strong> einge tausend Met<strong>er</strong> Fäden benötigt?“.<br />

„Rechnen Sie mit einigen zig-tausend Kilomet<strong>er</strong>n; das Mat<strong>er</strong>ial muß ja<br />

hund<strong>er</strong>tfach v<strong>er</strong>drillt w<strong>er</strong>den!“.<br />

„Was leistet denn so eine Spinne im Durchschnitt?“ Quastorf denkt<br />

schon an die Marktreife.<br />

„Zirka einen Kilomet<strong>er</strong> Faden am Stück und sie benötigt dafür bloß<br />

knappe drei Stunden bei ein<strong>er</strong> Laufgeschwindigkeit von fast zehn<br />

Zentimet<strong>er</strong>n pro Sekunde!“.<br />

Quastorf ist b<strong>er</strong>eits im Bann dies<strong>er</strong> Sup<strong>er</strong>lative „und wie ist d<strong>er</strong>en<br />

V<strong>er</strong>brauch?“ fragt <strong>er</strong> den Spinn<strong>er</strong> wie man bei einem BMW od<strong>er</strong> einem<br />

Mazda fragen würde.<br />

„Eine Fleischfliegen-Made auf drei Kilomet<strong>er</strong> Seide“ und zeigt ihm seine<br />

etwas übelriechende Zuchtanlage d<strong>er</strong>selben. Auf sich<strong>er</strong> zehn toten<br />

Mäusen, um die unzählige blau-grün schill<strong>er</strong>nde adulte Aas-Fliegen<br />

zornig brummend kreisen, wühlen sich tausende Maden in das<br />

v<strong>er</strong>wesende Fleisch d<strong>er</strong> Kleinnag<strong>er</strong>, daß man aufgrund d<strong>er</strong> durch jene<br />

wildbewegten Haut die toten Ti<strong>er</strong>e für lebendig halten könnte. Alles<br />

gottlob unt<strong>er</strong> ein<strong>er</strong> Kuppel aus Glasplatten, an d<strong>er</strong>en link<strong>er</strong> Seite eine<br />

Entnahme-Klappe angebracht ist.<br />

Quastorf ist b<strong>er</strong>ührt von diesen üb<strong>er</strong>raschenden Zahlen, ab<strong>er</strong><br />

trotzdem will <strong>er</strong> gehen. „Wie schaffen Sie diese gewaltigen Produktions-<br />

Mengen?“ seine letzte Frage.<br />

„Das mache nicht ich; das stellt die bioTron in Reingards mittels<br />

gentechnisch v<strong>er</strong>änd<strong>er</strong>t<strong>er</strong> Coli-Bakt<strong>er</strong>ien in gewaltigen Brutbottichen h<strong>er</strong>.<br />

Zunächst haben wir auch V<strong>er</strong>suche mit genmanipuli<strong>er</strong>ten Kühen<br />

gemacht, ab<strong>er</strong> das war kein besond<strong>er</strong><strong>er</strong> Erfolg, denn die Quat<strong>er</strong>när-


153<br />

Struktur d<strong>er</strong> Proteine hat nicht gestimmt. Aus d<strong>er</strong> Milch d<strong>er</strong> Gen-Ziegen<br />

ist das ein wenig bess<strong>er</strong> gelungen, ab<strong>er</strong> die Bakt<strong>er</strong>ien sind einfach<br />

<strong>er</strong>tragreich<strong>er</strong> und leicht<strong>er</strong> zu manipuli<strong>er</strong>en!“.<br />

„Und damit w<strong>er</strong>den Sie reich?“.<br />

„Bescheiden<strong>er</strong> Wohlstand; Sie sehen doch. Das meiste <strong>er</strong>wirtschaftete<br />

Geld stecke ich in imm<strong>er</strong> neue Anlagen“ zeigt <strong>er</strong> Quastorf beim Gehen<br />

die ausgedehnten Baracken, die auch alle voll<strong>er</strong> Spinnen sind.<br />

Im romantischen Garten sitzt man noch ein wenig und Quastorf<br />

genießt die frische Luft, die nicht nach Spinnen-Kot und Kiff riecht.<br />

„Wofür die Millionen von Spinnen, wenn die im Spinnrad Eingespannte<br />

ohnehin so eine unvorstellbare Leistung bringt?“.<br />

„Das würde jetzt zu weit führen. Die d<strong>er</strong>zeit aktive Wespenspinne lief<strong>er</strong>t<br />

alleine sieben v<strong>er</strong>schiedene Faden-Qualitäten: Trocken<strong>er</strong> begehbar<strong>er</strong><br />

Netz-Faden, klebrig<strong>er</strong> Fangfaden, hochfest<strong>er</strong> Haltefaden, elastisch<strong>er</strong><br />

Sich<strong>er</strong>ungs-Faden, zähe Kokon-Fäden, die zum Einspinnen d<strong>er</strong> Beute<br />

mit V<strong>er</strong>dauungs-Enzymen beschichtet sind, wollige Kokon-Fäden zum<br />

Einspinnen d<strong>er</strong> Brut, die mit Wachstums-Hormonen üb<strong>er</strong>zogen sind<br />

und total unelastische Melde-Fäden, die von Beute b<strong>er</strong>ichten. Und jede<br />

d<strong>er</strong> circa 30.000 Spinnen-Arten benützt leicht abgewandelte Eiweiß-<br />

Strukturen, die es alle zu <strong>er</strong>forschen gilt! Auch gibt es noch viele and<strong>er</strong>e<br />

Arthropoden, die spinnfähig sind (an die Steck-Muscheln, die Byssus-<br />

Seide produzi<strong>er</strong>en, will ich garnicht denken; das beack<strong>er</strong>n schon and<strong>er</strong>e<br />

<strong>er</strong>folglos, da sich diese phenolischen Proteide sämtlichen Synthese-<br />

V<strong>er</strong>suchen wid<strong>er</strong>setzen!)“.<br />

„Na dann viel Spaß!“ kann sich’s Quastorf nicht v<strong>er</strong>kneifen zu ätzen.<br />

„Da haben Sie ja noch Großes vor! Wie können Sie das schaffen?“.<br />

„Das schaffe ich freilich nie, ab<strong>er</strong> irgendw<strong>er</strong> muß doch die Idee als<br />

Erst<strong>er</strong> haben und irgendwo anfangen, damit etwas weit<strong>er</strong>geht!“.<br />

Quastorf ist davon üb<strong>er</strong>zeugt, daß es d<strong>er</strong> Professor Frib<strong>er</strong>g<strong>er</strong> noch<br />

zu etwas bringen wird, wenn <strong>er</strong> nicht seinen gesamten Kell<strong>er</strong>-Vorrat<br />

selbst aufraucht – ab<strong>er</strong> wofür hat man schließlich Freunde?!


154<br />

„Also dann wünsche ich Ihnen gutes Gelingen“ v<strong>er</strong>abschiedet sich d<strong>er</strong><br />

Ermittl<strong>er</strong> mit gemischten Gefühlen.<br />

3 Vielleicht sollte man genau diese Freunde befragen; ab<strong>er</strong> unt<strong>er</strong><br />

welchem Vorwand, da ja bish<strong>er</strong> kein konkretes Delikt auszumachen ist?<br />

W<strong>er</strong> all<strong>er</strong> zählt sich nun zu Frib<strong>er</strong>g<strong>er</strong>s Freunden?<br />

Zum Beispiel d<strong>er</strong> Humb<strong>er</strong>t-Immanuel Wass<strong>er</strong>burg<strong>er</strong>, d<strong>er</strong> gefällige<br />

Kunstmal<strong>er</strong>, dessen V<strong>er</strong>nissage vor Wochen ein leicht<strong>er</strong> Flop war. Trotz<br />

Eröffnung durch den Bezirkshauptmann Wening<strong>er</strong> und d<strong>er</strong> Anwesenheit<br />

des Staatsanwaltes Doktor Sauschlag<strong>er</strong>. Da hat auch wenig genützt, daß<br />

d<strong>er</strong> Rein<strong>er</strong>lös d<strong>er</strong> Stiftung Violettes Kreuz zukommen hätte sollen. Die<br />

Idee dazu stammt von einem honorigen em<strong>er</strong>iti<strong>er</strong>ten deutschen<br />

Professor d<strong>er</strong> Pädiatrie, d<strong>er</strong> die kindlichen Opf<strong>er</strong> des <strong>er</strong>sten Golfkrieges<br />

damit unt<strong>er</strong>stützen wollte.<br />

Das unsagbare Leid zu lind<strong>er</strong>n, das durch den tonnenweisen<br />

Einsatz von abg<strong>er</strong>eich<strong>er</strong>tem Uran als panz<strong>er</strong>brechende Munition im Irak<br />

durch den alten Bush sein<strong>er</strong>zeit im Ersten Golfkrieg ang<strong>er</strong>ichtet wurde,<br />

ist die eigentliche uneigennützige Aufgabe des V<strong>er</strong>eins.<br />

Tausende Fehl- und Mißgeburten, schw<strong>er</strong>st mehrfach behind<strong>er</strong>te<br />

Kind<strong>er</strong> durch Haut-Kontakt mit dem v<strong>er</strong>dammten Dreckszeug und<br />

durch Konsum des damit v<strong>er</strong>seuchten Grundwass<strong>er</strong>s. Leb<strong>er</strong>- und<br />

Ni<strong>er</strong>enschäden, Wass<strong>er</strong>bäuche und baldig<strong>er</strong> Tod durch dieses U 238 , das<br />

ein militärtechnisch ‚ideales’ Mat<strong>er</strong>ial für Projektile darstellt (billig, weil die<br />

Atomindustrie froh ist, daß sie das höllische Gift so einfach endlag<strong>er</strong>n kann, absolut<br />

durchschlagskräftig und eben d<strong>er</strong> Sekundärnutzen, den Feind mittels durchaus<br />

<strong>er</strong>wünscht<strong>er</strong> Kollat<strong>er</strong>alschäden auf lange Zeit zu schwächen und zu demoralisi<strong>er</strong>en).<br />

Das Golfkriegs-Syndrom als Folge des sorglosen Umgangs damit und<br />

die wied<strong>er</strong>holten Fälle von friendly shootings an den eigenen Soldaten fällt<br />

da nicht sosehr ins Gewicht in einem gnadenlosen Krieg gegen<br />

nichtvorhandene Massenv<strong>er</strong>nichtungs-Waffen (die meisten befinden sich<br />

bekanntlich ohnehin in den USA, in China, Pakistan, Indien, Israel und in<br />

Rußland) und die Opf<strong>er</strong> sind zudem zumeist ohnehin nur ‚Nigg<strong>er</strong>’ – das<br />

bewährte neglegeable Kanonenfutt<strong>er</strong> des selbst<strong>er</strong>nannten Weltsh<strong>er</strong>rifs<br />

George-Doubbleview(Doppelsicht ist oft ein Symptom von Hirnschäden)-Bush


155<br />

am Weg zur angestrebten Welth<strong>er</strong>rschaft – ab<strong>er</strong> auch d<strong>er</strong> wird<br />

hoffentlich bald fallen wie eine faule Frucht vom Baume d<strong>er</strong> Geschichte,<br />

wenn die Zeit dafür reif ist!<br />

Da hat d<strong>er</strong> Wass<strong>er</strong>burg<strong>er</strong> sich schon einige M<strong>er</strong>iten v<strong>er</strong>dient mit<br />

medienwirksam<strong>er</strong> Hilfe vor Ort, im Arm hungrige ab<strong>er</strong> reinliche Kind<strong>er</strong><br />

vor laufenden Kam<strong>er</strong>as. Die wirkliche Arbeit haben all<strong>er</strong>dings and<strong>er</strong>e<br />

gemacht, von denen man freilich nichts in d<strong>er</strong> Zeitung lesen konnte.<br />

D<strong>er</strong> Künstl<strong>er</strong> hat sich damals – um seinen vielen gutmeinenden<br />

Gläubig<strong>er</strong>n zu entkommen – in den Irak absetzen müssen. Und obwohl<br />

ihn d<strong>er</strong> ORF bei sein<strong>er</strong> Hilfsaktion begleitet hat, konnte dies<strong>er</strong> sich<br />

nichteinmal mehr sebst helfen (Quastorf wartet heute noch auf die<br />

zweihund<strong>er</strong>tfünfzig Euro, die d<strong>er</strong> ihm schuldet). Doch dies<strong>er</strong> wird für Quastorf<br />

sich<strong>er</strong> nicht greifbar sein – schon wegen d<strong>er</strong> Außenstände.<br />

Dann ist da auch noch ein sehr sympathisch<strong>er</strong> Barde auf einem<br />

großen Gut in Teichleiten ansäßig. Ein angeblich aus Malta stammend<strong>er</strong><br />

Ire, d<strong>er</strong> seit ewig hi<strong>er</strong> wohnt. Ein wahrhaft<strong>er</strong> Hühne mit einem etwas zu<br />

kleinen Kopf für seine Körp<strong>er</strong>größe. Ein begnadet<strong>er</strong> Lyrik<strong>er</strong>, d<strong>er</strong><br />

hundsordinäre Limm<strong>er</strong>iks nur so aus dem Ärmel beutelt und nur selten<br />

in d<strong>er</strong> Welt auftaucht; zum Beispiel beim Frib<strong>er</strong>g<strong>er</strong>. V<strong>er</strong>giß Troubadix;<br />

d<strong>er</strong> ist tatsächlich um einiges bess<strong>er</strong> – ein wahrhaft<strong>er</strong> Dicht<strong>er</strong>fürst!<br />

Und dann noch die Schaumgeborene (eine Muse für alle Künstl<strong>er</strong> d<strong>er</strong><br />

gesamten Umgebung – die Alma Mahl<strong>er</strong> des Waldvi<strong>er</strong>tels – wie sie sich selbst g<strong>er</strong>ne<br />

sieht). Ihren wahren Namen kennt kaum ein<strong>er</strong> – sie wird allgemein die<br />

Sprech<strong>er</strong>in genannt, da sie seit Jahren mit den Seelen ihr<strong>er</strong> v<strong>er</strong>blichenen<br />

Liebhab<strong>er</strong> spricht (bess<strong>er</strong>gesagt diese sprechen auf un<strong>er</strong>klärliche Weise mit und aus<br />

ihr); des Abends nach ein<strong>er</strong> Flasche Schlumb<strong>er</strong>g<strong>er</strong> und einem Zehn<strong>er</strong>-<br />

Valium (soviel zur Un<strong>er</strong>klärlichkeit!).<br />

Die wird man ab<strong>er</strong> auch nicht besuchen müssen, denn die hat<br />

sich<strong>er</strong> nur wenig zu realen Vorgängen auszusagen, denn sie lebt in ihr<strong>er</strong><br />

v<strong>er</strong>schlungenen Welt hint<strong>er</strong> Rosenhecken.<br />

4 Also ist d<strong>er</strong> Barde das nächste Ziel: Nicht so leicht ist es, dessen<br />

etwas v<strong>er</strong>fallenen Mei<strong>er</strong>hof zu finden. D<strong>er</strong> Lyrik<strong>er</strong> begrüßt den


156<br />

Kommissar üb<strong>er</strong>schwänglich, als kennte <strong>er</strong> ihn seit jeh<strong>er</strong>, was bei von<br />

auffällig<strong>er</strong> Genialität befallenen Zeitgenossen imm<strong>er</strong> auch irgendwie<br />

stimmt, denn sie entstammen d<strong>er</strong> Zeugung durch den Himmel, geboren<br />

aus unsäglich<strong>er</strong> Gnade für die Welt und gesäugt von Erkenntnis mit d<strong>er</strong><br />

Milch d<strong>er</strong> unumstößlichen Wahrheit.<br />

„Was v<strong>er</strong>schafft mir das üb<strong>er</strong>große V<strong>er</strong>gnügen, Dich in mein<strong>er</strong><br />

bescheidenen Hütte begrüßen zu dürfen?“. Wird sich sich<strong>er</strong> bald<br />

h<strong>er</strong>ausstellen, ob sich d<strong>er</strong> Abend zum V<strong>er</strong>gnügen auswachsen wird.<br />

„Sie sind mit dem Professor Frib<strong>er</strong>g<strong>er</strong> befreundet?“.<br />

„Also das Sie lassen wir gleich einmal weg und tauschen es zum mir<br />

sympathisch<strong>er</strong>en Du – nochdazu unt<strong>er</strong> Jüng<strong>er</strong>n d<strong>er</strong> Eut<strong>er</strong>pe und d<strong>er</strong><br />

Thalia; ja-ja H<strong>er</strong>r Kommissar, ich weiß ganz gut, daß Du heimlich<br />

dichtest – und garnicht so schlecht, wie ich so höre! Ich bin d<strong>er</strong> Joe!“.<br />

Den maltesischen Zungenschlag nimmt man nur spärlich wahr,<br />

wenn man davon weiß. Italienisch od<strong>er</strong> Marokkanisch wäre genausogut<br />

möglich – ab<strong>er</strong> eben nur ahnbar das Afrikanische. V<strong>er</strong>dammt, woh<strong>er</strong><br />

weiß d<strong>er</strong> von Quastorfs geheimsten Neigungen?<br />

Was Quastorf nämlich nicht bekannt ist, ist, daß d<strong>er</strong> Dr. Anisin,<br />

d<strong>er</strong> eigenwillige Pathologe d<strong>er</strong> Forensik Zwettl und nebenb<strong>er</strong>ufliche<br />

Haiku-Guru ebenfalls mit dem John Demot Knox (so heißt d<strong>er</strong> Barde mit<br />

vollem Namen) seit Jahren gut Freund ist in Seelenv<strong>er</strong>wandtschaft. Und<br />

d<strong>er</strong> hat sich<strong>er</strong> geplaud<strong>er</strong>t unt<strong>er</strong> dem Einfluß von Bordeaux od<strong>er</strong> Vino<br />

Tinto (fast könnte man v<strong>er</strong>muten, daß da auch Mary-Jane – die allen gemeinsame<br />

Freundin – einen gewissen Anteil daran hat! Irgendwie müssen doch die üppigen<br />

Ressourcen vom Frib<strong>er</strong>g<strong>er</strong> genützt w<strong>er</strong>den; wenn nicht im Freundeskreis, wo sonst?<br />

Man ist schließlich wed<strong>er</strong> v<strong>er</strong>armt noch kriminell!).<br />

„Ja d<strong>er</strong> Spid<strong>er</strong>man; d<strong>er</strong> ist vielen suspekt wie auch ich und sich<strong>er</strong> auch Du.<br />

Denn das Volk fürchtet, was es nicht einordnen kann, beneidet<br />

Lebensarten, zu denen es keinen Zugang hat und desavoui<strong>er</strong>t zu<br />

Leichtlebigkeit, was die Betroffenen oftmals schw<strong>er</strong> ankommt. Ein Glas<br />

Wein gefällig? Ich hätte da einen Chateau Neuve du Pape, Jahrgang 1991<br />

– ein besond<strong>er</strong>s gutes Jahr!“.


157<br />

„Mein Vorname ist Joseph. Ich bin zwar nicht im Dienst, denn d<strong>er</strong><br />

Anlaß meines Kommens ist rein privat<strong>er</strong> Natur, da ich d<strong>er</strong>zeit nicht so<br />

richtig an einem Fall arbeite – eigentlich habe ich Urlaub. Mehr so ein<br />

G<strong>er</strong>uch in d<strong>er</strong> Spürnase, ab<strong>er</strong> ich sollte trotzdem eh<strong>er</strong> nicht ...“ v<strong>er</strong>sucht<br />

Quastorf halbh<strong>er</strong>zig d<strong>er</strong> edlen V<strong>er</strong>lockung zu wid<strong>er</strong>stehen.<br />

„Ab<strong>er</strong> ich bitte Dich! Ein Tag wie heute kommt nie wied<strong>er</strong> und w<strong>er</strong><br />

weiß, wann ich das nächste Mal so einen edlen Tropfen geschenkt<br />

bekomme; d<strong>er</strong> ist vom Immanuel aus Zeiten, da <strong>er</strong> noch reich war!“.<br />

Das hat Qastorf jetzt g<strong>er</strong>adenoch gebraucht, daß <strong>er</strong> den teuren<br />

vom Wass<strong>er</strong>burg<strong>er</strong> großzügig geschenkten Wein kredenzt bekommt, den<br />

schließlich <strong>er</strong> selbst somit indirekt bezahlt hat. Quastorf, d<strong>er</strong> H<strong>er</strong>r<br />

Knaus<strong>er</strong>, d<strong>er</strong> dem Mal-Genie die Großmannssucht anstatt d<strong>er</strong> damals<br />

vorgegebenen existenziellen Notlage finanzi<strong>er</strong>t hat. Freilich stimmt, daß<br />

ein Tag wie heute nicht wied<strong>er</strong>kehrt; das ist ein brauchbar<strong>er</strong> Grund!<br />

Gut, deswegen wird jetzt dies<strong>er</strong> Nobelwein auch sich<strong>er</strong> getrunken,<br />

damit die Unkosten – wenigstens zum Teil – doch noch h<strong>er</strong>einkommen!<br />

„Zurück zum Spid<strong>er</strong>man, wie Du ihn nennst: Woh<strong>er</strong> kommt d<strong>er</strong><br />

eigentlich? Mir war d<strong>er</strong> kaum bekannt bish<strong>er</strong>, obwohl wir beide – <strong>er</strong> und<br />

ich – schon lange in bloß zehn Kilomet<strong>er</strong>n Entf<strong>er</strong>nung voneinand<strong>er</strong><br />

wohnen (Dich habe ich ja auch bish<strong>er</strong> nur von blumigen Erzählungen<br />

gekannt)“.<br />

„Ja das ist auch so eine seltsame Eigenschaft d<strong>er</strong> hiesigen Gegend, daß<br />

aufgrund d<strong>er</strong> Streulage die Kontakte nur sehr zufällig stattfinden; selbst<br />

unt<strong>er</strong> guten Freunden sieht man sich nur allzu selten. D<strong>er</strong> Gustav war zu<br />

Beginn sein<strong>er</strong> Karri<strong>er</strong>e hochrangig<strong>er</strong> Psychologe und hat sich mit d<strong>er</strong><br />

Erforschung d<strong>er</strong> Arachnophobie beschäftigt und sich darin auch<br />

habiliti<strong>er</strong>t. Nach einig<strong>er</strong> Zeit war ihm das ab<strong>er</strong> zu langweilig und <strong>er</strong> hat in<br />

Minimalzeit Biologie studi<strong>er</strong>t und sich dann mit Giften beschäftigt und<br />

eine Professur für Toxikologie <strong>er</strong>langt. Die meisten Substanzen hat <strong>er</strong><br />

all<strong>er</strong>dings leid<strong>er</strong> selbst ausprobi<strong>er</strong>t, was ihm dann den gutdoti<strong>er</strong>ten Job in<br />

einem am<strong>er</strong>ikanischen Biotechnologiebetrieb gekostet hat. Aussteig<strong>er</strong><br />

alleine war ihm schließlich auch zu wenig und so hat <strong>er</strong> halt die Spinn<strong>er</strong>ei<br />

aufgebaut nach Restauri<strong>er</strong>ung seines entzückenden Hofes (den hat <strong>er</strong><br />

vom Schnapsbrenn<strong>er</strong> Ploi<strong>er</strong> damals all<strong>er</strong>dings etwas zu teu<strong>er</strong> <strong>er</strong>standen).


158<br />

Und die Ansiedlung d<strong>er</strong> bioTron durch fortschrittsgläubige Lokalpolitik<strong>er</strong><br />

war sich<strong>er</strong> ein Glücksfall für ihn. Die witt<strong>er</strong>ten nun das große Geschäft<br />

mit seinen genialen Ideen!“.<br />

„Und das wird vom Waldvi<strong>er</strong>tel aus gemacht, wo doch hi<strong>er</strong> auß<strong>er</strong><br />

Raiffeisen bekanntlich kein<strong>er</strong> absahnen darf? Da hat die schwarze<br />

Reichshälfte zufällig einmal nicht aufgepaßt mit ihren bekannten<br />

Lenkungsmaßnahmen!“.<br />

„Das ist eine ganz and<strong>er</strong>e Liga! W<strong>er</strong> die Erstrechte auf die<br />

großtechnische H<strong>er</strong>stellung von Spinnenseide <strong>er</strong>hält, setzt einen<br />

Paukenschlag in d<strong>er</strong> Bionik und d<strong>er</strong>en V<strong>er</strong>w<strong>er</strong>tung bringt sich<strong>er</strong><br />

Milliarden. Na d<strong>er</strong> Gustel wird das natürlich nicht lukri<strong>er</strong>en, ab<strong>er</strong> den<br />

freut es schon, wenn seine Ideen An<strong>er</strong>kennung finden!“.<br />

Quastorf ist p<strong>er</strong>plex. „Und wie bestreitest Du so Deinen<br />

Lebensunt<strong>er</strong>halt? Mit Lyrik ist doch heutzutage nichts mehr zu v<strong>er</strong>dienen<br />

in ein<strong>er</strong> d<strong>er</strong>art unlyrischen Zeit! Lyrik war eigentlich ja nie so richtig<br />

lukrativ!“.<br />

„Da habe ich vor Jahren eine int<strong>er</strong>essante Marktlücke entdeckt: Ich<br />

<strong>er</strong>stelle via Int<strong>er</strong>net auf Wunsch Familienstammbäume. Die Leute<br />

schicken mir ihre kärglichen H<strong>er</strong>kunfts-Daten und ich rech<strong>er</strong>chi<strong>er</strong>e ein<br />

wenig, <strong>er</strong>finde einige Nebenlinien durch fiktive auß<strong>er</strong>eheliche Zeugungen<br />

und Empfängnisse durch Leute aus d<strong>er</strong> Hocharistrokratie und die<br />

Kunden sind üb<strong>er</strong>glücklich üb<strong>er</strong> ihre neu<strong>er</strong>schlossene Genealogie und<br />

tragen die bei allen öffentlichen Anlässen stolz vor sich h<strong>er</strong>“.<br />

„Gute Idee! Ab<strong>er</strong> jetzt zum eigentlichen Grund meines Besuches: Hast<br />

Du eine Vorstellung, wo sich die v<strong>er</strong>schollenen Finanz<strong>er</strong> aufhalten<br />

könnten?“. Näh<strong>er</strong>es braucht Quastorf nicht <strong>er</strong>klären, denn d<strong>er</strong>en<br />

V<strong>er</strong>schwinden ist schon allgemeines Thema an den Stammtischen, in d<strong>er</strong><br />

Trafik und an d<strong>er</strong> Lied<strong>er</strong>tafel.<br />

„Dazu kann ich leid<strong>er</strong> wenig sagen, denn ich w<strong>er</strong>de nie üb<strong>er</strong>prüft; bei mir<br />

v<strong>er</strong>mutet niemand das große Geld, denn d<strong>er</strong>lei Formen von Int<strong>er</strong>net-<br />

Geschäften v<strong>er</strong>laufen imm<strong>er</strong> sehr diskret, zumal diese Leute zwar sehr<br />

stolz auf ihre Titel sind, ab<strong>er</strong> nicht auf d<strong>er</strong>en Zustandekommen! Und<br />

auß<strong>er</strong>dem müssen die ihr reichliches Schwarzgeld irgendwo anbauen!“.


159<br />

Quastorf v<strong>er</strong>abschiedet sich höflich – froh einen netten<br />

Gesprächspartn<strong>er</strong> kennengel<strong>er</strong>nt zu haben – und fährt entgegen sein<strong>er</strong><br />

Üblichkeiten mit sich<strong>er</strong> null-komma-sieben Promille heimwärts, wo ihn<br />

Clärchen etwas spitz begrüßt. Das mit dem Schwarzgeld hat <strong>er</strong> gleich<br />

v<strong>er</strong>drängt, denn würde ihn soetwas hellhörig machen, wäre <strong>er</strong> bei d<strong>er</strong><br />

Finanz und nicht bei d<strong>er</strong> Polizei. And<strong>er</strong><strong>er</strong>seits: Schwarzgeld und<br />

v<strong>er</strong>schwundene Finanz<strong>er</strong> sind vom selben Baum; wenn da nur kein<br />

morsch<strong>er</strong> Ast vom Joe bewohnt wird! Nicht auszudenken!<br />

„War Dir Dein B<strong>er</strong>uf wied<strong>er</strong>einmal wichtig<strong>er</strong> als meine ohnehin seltene<br />

Gegenwart? Ich habe Dir das geliebte Lamm-Beuschel gekocht und Du<br />

v<strong>er</strong>lusti<strong>er</strong>st dich mit schrägen Typen unt<strong>er</strong> dem Vorwand d<strong>er</strong> Rech<strong>er</strong>che;<br />

und eine Fahne hast Du auch – wenn ich Dich nicht so lieben würde!“<br />

küßt sie ihn trotzdem mit leichtem Wid<strong>er</strong>willen.<br />

Dagegen hat Quastorf leid<strong>er</strong> kein Argument und flieht regressiv<br />

zwischen ihre üppig-betörenden Brüste, die den Schweiß d<strong>er</strong><br />

Begehrlichkeit ausdünsten. Da ist <strong>er</strong> zuhause und das nimmt ihm kein<strong>er</strong>,<br />

selbst wenn es ihm physisch genommen würde. Und sowas W<strong>er</strong>tvolles<br />

gefährdet <strong>er</strong> selbst fahrlässig! Unv<strong>er</strong>zeihlich!<br />

5 Die Gendarmen Grasl und Web<strong>er</strong> (neu<strong>er</strong>dings sind das ja eigentlich<br />

Polizisten; das wurde von ganz oben v<strong>er</strong>ordnet und ist noch nicht sehr beliebt an d<strong>er</strong><br />

Basis) haben die Spur d<strong>er</strong> Finanz<strong>er</strong> beim neu<strong>er</strong>richteten Puff im<br />

L<strong>er</strong>chenfeld<strong>er</strong>amt v<strong>er</strong>loren. Sie befragen die Huren, die aus d<strong>er</strong><br />

Dominikanischen Republik stammen, wie denn d<strong>er</strong> Abend vor Tagen<br />

abgelaufen sei und wo die Staatsdien<strong>er</strong> v<strong>er</strong>mutlich hinv<strong>er</strong>schwunden sein<br />

könnten. Die V<strong>er</strong>ständigung <strong>er</strong>weist sich als etwas schwi<strong>er</strong>ig und<br />

beschränkt sich auf wortkarges „Du will Ficki machen? All inclusive mit<br />

Blowjob und ganz ohne 100.- €, weil Du Freund!“. Antworten sind nicht<br />

leicht zu <strong>er</strong>halten. D<strong>er</strong> Puff-Loui namens Kaznavourian – ein stattlich<strong>er</strong><br />

Armeni<strong>er</strong> – kann da schon etwas mehr weit<strong>er</strong>helfen.<br />

„Gäste vorige Woche kommen mit Gutscheine für alles von<br />

Ranzbichl<strong>er</strong>-InEx und FiskWood – gutes Firma mit viele Geld – oft<br />

schicken Geschäftsfraijnde mit Gutschein! Na mochen grroße Festa und<br />

trrinken zuviele Wodka de Kontrollore – nixe gut; wie Viecha de


160<br />

Beamte. Daunn außetammelt san. Nixe mehrr wisse, wos worr mit<br />

eahne. Taxi kummt – kana do!“.<br />

D<strong>er</strong> Web<strong>er</strong> dikti<strong>er</strong>t in sein mod<strong>er</strong>nes G<strong>er</strong>ät, während d<strong>er</strong> Grasl<br />

alles auf alte Kalend<strong>er</strong>-Zettel schreibt. „Nach Rufen von Taxi waren die<br />

v<strong>er</strong>mutlich betrunkenen Beamten Tippl<strong>er</strong> und W<strong>er</strong>zing<strong>er</strong> nach V<strong>er</strong>lassen<br />

des Etablismauns H<strong>er</strong>z<strong>er</strong>lstuben nicht mehr auffindbar“.<br />

Als näh<strong>er</strong>e Bewußtmachung dessen, was die H<strong>er</strong>z<strong>er</strong>lstuben sind,<br />

muß man sie wie folgt beschreiben: Ein ehemalig<strong>er</strong> Bau<strong>er</strong>nhof im<br />

L<strong>er</strong>chenfeld<strong>er</strong>amt wurde ohne großen Aufwand und ohne wesentliche<br />

V<strong>er</strong>änd<strong>er</strong>ungen zu einem Bordell umgestaltet. Ein paar bunte<br />

Neonröhren lieblos an den First gepickt, rotmetallik-glitz<strong>er</strong>nde Folien an<br />

die Fenst<strong>er</strong> geklebt mit kitschigen H<strong>er</strong>zen und Photos von vollbusigen<br />

Göttinen und nur Mundpropaganda (aktiv, wie auch passiv!). Das Areal<br />

wurde auch kaum v<strong>er</strong>änd<strong>er</strong>t; weit<strong>er</strong>hin liegen rund um die bei Tageslicht<br />

wenig anheimelnde Bude die Silo-Rollen und Stroh-Pinkeln; selbst die<br />

Jauchengrube wurde beibehalten (ein ironisch romantisch<strong>er</strong> Sch<strong>er</strong>z für Betonmüde<br />

Städt<strong>er</strong> möglich<strong>er</strong>weise?).<br />

6 H<strong>er</strong>r Rüdig<strong>er</strong> Fallenhorst, d<strong>er</strong> Leit<strong>er</strong> d<strong>er</strong> FiskWood ist seit Tagen<br />

in Aufruhr. Er ruft v<strong>er</strong>stört den Ranzbichl<strong>er</strong> an. „Wir haben – Du weißt<br />

– den Finanzprüf<strong>er</strong>n Gutes tun wollen; ab<strong>er</strong> die haben es üb<strong>er</strong>zogen und<br />

nun sind sie einfach weg! D<strong>er</strong> Kaznavourian ist ganz n<strong>er</strong>vös, weil die bei<br />

ihm zuletzt gesehen wurden! Und d<strong>er</strong> kann sich<strong>er</strong> keine Troubles mit d<strong>er</strong><br />

Polente brauchen, wo <strong>er</strong> doch hauptsächlich Mädchen ohne Aufenthalts-<br />

B<strong>er</strong>echtigung und ohne Arbeitsgenehmigung beschäftigt! Das wird die<br />

Polizei vielleicht int<strong>er</strong>essi<strong>er</strong>en und das können wir alle miteinand<strong>er</strong> nicht<br />

wollen, denn Du hängst genauso mit drin. Es war doch Deine Idee,<br />

denen was zu gönnen, damit sie nicht zu sehr in die Tiefe gehen bei<br />

ihren Ermittlungen!“.<br />

„Jetzt moch Di net narrisch! Uns<strong>er</strong> lieaba Freind Tim hot do vurige<br />

Woch’n mei Idee a supa g’fundtn und dea is do seah guat min<br />

Laundesrot Bärnthal<strong>er</strong> von d<strong>er</strong> Laundesregi<strong>er</strong>ung, weul’a des neiche<br />

W<strong>er</strong>k ins Woidvi<strong>er</strong>tl g’stöllt hot. Dea wiad uns do scho außahöf’n! Und<br />

uns<strong>er</strong>e Burgamasta brauch’n uns a wia a Stick’l Brot – ois Orbeitgeb<strong>er</strong> in<br />

d<strong>er</strong>a bedirftig’n Region!“.


161<br />

Zusehr sollten die beiden sich<strong>er</strong> nicht auf Tim Wolfowitz setzen,<br />

denn d<strong>er</strong> ist zwar ein sehr innovativ<strong>er</strong> und wendig<strong>er</strong> Wissenschaft<strong>er</strong>, d<strong>er</strong><br />

ab<strong>er</strong> auf Grund sein<strong>er</strong> Zweitausbildung auch ein gewieft<strong>er</strong> Wirtschafts-<br />

Exp<strong>er</strong>te und in gewiss<strong>er</strong> Weise ein skrupellos<strong>er</strong> Globalist ist, d<strong>er</strong> sich<br />

sich<strong>er</strong> aus jed<strong>er</strong> Schlinge befreien kann. Auch hat d<strong>er</strong> noch and<strong>er</strong>e Eisen<br />

im Feu<strong>er</strong>. Beispielsweise mit den Chinesen, die alles an neu<strong>er</strong><br />

Technologie aufsaugen wie ein Schwamm. Und dem ist garanti<strong>er</strong>t nicht<br />

an Scharmützeln mit d<strong>er</strong> Polizei gelegen, denn sonst könnten and<strong>er</strong>e<br />

Geschäfte, die <strong>er</strong> mit Hilfe des Lobbyisten Steingrab<strong>er</strong> und des Finazi<strong>er</strong>s<br />

Schluff anbahnt, gefährdet w<strong>er</strong>den! Da geht es um schw<strong>er</strong>e Chinesische<br />

Waffen für den Sudan und ähnliches; in dies<strong>er</strong> Situation kann man<br />

wahrlich keine Schnüffl<strong>er</strong> brauchen! Und die Sorgen sein<strong>er</strong> Komplizen<br />

auch nicht; <strong>er</strong> hat genug eigene!<br />

7 Die Sorge des H<strong>er</strong>rn Doktor Wolfowitz <strong>er</strong>weist sich früh<strong>er</strong><br />

b<strong>er</strong>echtigt als befürchtet. Denn Inspektor Quastorf knüpft nicht dort an,<br />

wo es logisch wäre – nämlich im Puff – sond<strong>er</strong>n <strong>er</strong> geht davon aus, wem<br />

das V<strong>er</strong>schwinden d<strong>er</strong> Finanzprüf<strong>er</strong> nützen könnte – cui bono?.<br />

Und so wird <strong>er</strong> bei d<strong>er</strong> bioTron nachstechen. Nach Anmeldung<br />

beim Sekretär und d<strong>er</strong> Üb<strong>er</strong>windung d<strong>er</strong> üblichen Sich<strong>er</strong>heits-Checks<br />

betritt <strong>er</strong> das gut bewachte Areal und sucht sogleich den Firmenchef auf.<br />

„Inspektor Quastorf – vom Mord/Zwettl – ich nehme an, Sie sind Dr.<br />

Wolfowitz!“<br />

D<strong>er</strong> Angesprochene steht breitbeinig hint<strong>er</strong> seinem gewaltigen<br />

Lochstahl-Schreibtisch mit dem Rücken zum Eintretenden gewandt die<br />

Hände hint<strong>er</strong> dem Sitzfleisch v<strong>er</strong>eint und blickt wie gedankenv<strong>er</strong>loren<br />

durch die großflächige Glasfront in den angrenzenden Mischwald. Ein<br />

psychologisch<strong>er</strong> Trick zur V<strong>er</strong>unsich<strong>er</strong>ung des un<strong>er</strong>wünschten Besuch<strong>er</strong>s<br />

und zur Degradi<strong>er</strong>ung und Einschücht<strong>er</strong>ung dessen, was ausdrücken soll<br />

„Sie stören meine wichtigen Gedankengänge und eigentlich sind Sie Luft<br />

für mich“.<br />

Quastorf kennt d<strong>er</strong>lei und setzt sich ungebeten in den Besuch<strong>er</strong>-<br />

Sessel ohne jedes weit<strong>er</strong>e Wort. Das v<strong>er</strong>unsich<strong>er</strong>t im Gegenzug den


162<br />

Firmenchef und d<strong>er</strong> gibt sich geschlagen durch den offenkundig<br />

ebenbürtigen Gegn<strong>er</strong>, denn diese Luft ist Wolfowitz zu dick.<br />

„Ihr Anliegen ist welches?“ die knappe Frage.<br />

„Ihnen müßte doch viel eh<strong>er</strong> d<strong>er</strong> unbekannte V<strong>er</strong>bleib d<strong>er</strong> Steu<strong>er</strong>fahnd<strong>er</strong><br />

ein Anliegen sein als mir. Wieso haben Sie keine V<strong>er</strong>mißten-Anzeige<br />

gemacht, da die doch schon bei Ihnen waren und dann seit Tagen nicht<br />

mehr <strong>er</strong>schienen sind?“.<br />

„Sehen Sie, ich habe nichts zu v<strong>er</strong>b<strong>er</strong>gen und meine Buch<strong>er</strong> sind<br />

absolute clean und so muß ich nicht v<strong>er</strong>muten, daß die mehr wollten von<br />

uns!“.<br />

„Das ist doch blanke Ironie. Solche Ermittl<strong>er</strong> benötigen imm<strong>er</strong> viele<br />

Tage, bis sie alles gesichtet haben – selbst wenn da kein V<strong>er</strong>dacht wäre!“.<br />

„Ich kann mich nicht um alles kumm<strong>er</strong>n; ich habe schließlich eine<br />

v<strong>er</strong>antwortungsvolle Auftrag zur Fuhrung meines Betriebes; das macht<br />

naturlich meine Buchhalt<strong>er</strong>!“.<br />

„Was produzi<strong>er</strong>en Sie hi<strong>er</strong> eigentlich?“.<br />

„Dungemittel, Antibioticals und Impfstoffe fur vet<strong>er</strong>inary Bedarf“.<br />

„Und Spinnen-Seide, wie ich vom Frib<strong>er</strong>g<strong>er</strong> weiß!“.<br />

„Ich bitte Sie; das mache ich nur ihm zuliebe. Da ist doch keine Markt<br />

dafur!“.<br />

„Sie wissen viel bess<strong>er</strong> als ich, daß man mit dem richtigen<br />

diesbezüglichen Know-how zum weltweiten Monopolisten mit<br />

Milliarden-Umsätzen würde!“.<br />

„Ja moglich, ab<strong>er</strong> dazu haben wir nicht die Capacities! Ich muß leid<strong>er</strong><br />

wied<strong>er</strong> arbeiten!“ beendet <strong>er</strong> das karge Gespräch.<br />

Wenn Quastorf jetzt geht, ist das keine Nied<strong>er</strong>lage, sond<strong>er</strong>n d<strong>er</strong><br />

taktische Ansatz zum in-Sich<strong>er</strong>heit-wiegen des aalglatten Manag<strong>er</strong>s.


163<br />

8 Sich<strong>er</strong>heitshalb<strong>er</strong> in die Blaue Gans nach Zwettl, wo man meist<br />

das Neueste <strong>er</strong>fährt.<br />

Leid<strong>er</strong> sitzt d<strong>er</strong> Josef Hopfing<strong>er</strong> – so heißt d<strong>er</strong> junge Wirt, d<strong>er</strong> das<br />

schon fast ein wenig h<strong>er</strong>unt<strong>er</strong>gekommene gutbürg<strong>er</strong>liche Wirtshaus vor<br />

einigen Jahren üb<strong>er</strong>nommen hat – wied<strong>er</strong>einmal nahezu alleine in seinem<br />

gemütlichen Lokal.<br />

Ein Schmuckschacht<strong>er</strong>l hat <strong>er</strong> daraus gemacht mit <strong>er</strong>lesenem<br />

Geschmack und mit viel Liebe zum Detail. Die alte Zinnbudel und die<br />

dunkle Tannen-Täfelung hat <strong>er</strong> gottlob im Original belassen und auch<br />

nichts an den vielen (zum Teil bis ins Mittelalt<strong>er</strong> zurückreichenden)<br />

Kreuzgewölben geänd<strong>er</strong>t, die auf charmante Weise in die Rundgewölbe<br />

romanischen Ursprungs eingefügt wurden und spät<strong>er</strong> teilweise<br />

gebrochen wurden durch etwas primitiv<strong>er</strong>e Nachahmungen jüng<strong>er</strong>en<br />

Datums durch einfache Handw<strong>er</strong>k<strong>er</strong> aus d<strong>er</strong> Region, die notwendige<br />

Zubauten <strong>er</strong>richten mußten.<br />

Ja natürlich seine fesche Kelln<strong>er</strong>in, die Uschi Waldn<strong>er</strong> ist auch<br />

anwesend und als einzig<strong>er</strong> Gast d<strong>er</strong> Pfarr<strong>er</strong> Hölling<strong>er</strong>, d<strong>er</strong> sich von d<strong>er</strong><br />

Ruhe des v<strong>er</strong>lassenen Gastraumes g<strong>er</strong>ne inspiri<strong>er</strong>en läßt für seine<br />

Predigten, die <strong>er</strong> zumeist ohnehin nur vor einig<strong>er</strong>maßen schw<strong>er</strong>hörigen<br />

od<strong>er</strong> nicht imm<strong>er</strong> sehr aufm<strong>er</strong>ksamen Gläubigen trotzdem emphatisch<br />

vorträgt in d<strong>er</strong> Hoffnung, daß wenigstens ein paar einsame Schafe sein<strong>er</strong><br />

imm<strong>er</strong> klein<strong>er</strong> w<strong>er</strong>denden H<strong>er</strong>de zu retten wären.<br />

Quastorf setzt sich – dessen stumme Aufford<strong>er</strong>ung voraussetzend<br />

– zu ihm mit gemurmelt<strong>er</strong> Grußformel.<br />

„Göö host’as a net gaunz leicht, Inspektor? Mit dia mecht i wiaklich net<br />

tausch’n; nua potenzielle Kriminelle od<strong>er</strong> Tode als Kunden!“.<br />

„Möchtest Du mit dir eigentlich tauschen, Hochwürden? Du hast doch<br />

auch laut<strong>er</strong> potenzielle Sünd<strong>er</strong> und auch oft V<strong>er</strong>storbene als Klientel!<br />

Und da ja praktisch jed<strong>er</strong> in irgendein<strong>er</strong> Weise Erb-Sünd<strong>er</strong> ist, hast Du es<br />

doch fast schlecht<strong>er</strong> getroffen als ich, denn meine Tatv<strong>er</strong>dächtigen sind<br />

oftmals auch unschuldig – zumindest vor uns<strong>er</strong><strong>er</strong> weltlichen<br />

G<strong>er</strong>ichtsbarkeit – und viele sind auch nur unbeteiligte Tatzeugen! Ab<strong>er</strong><br />

bei Euch müssen doch alle schuldig sein, damit Ihr nicht arbeitslos seid.“


164<br />

„Sehr spitzfindig und sophistisch, d<strong>er</strong> H<strong>er</strong>r Philosoph; oba Du kummst a<br />

no in mei Goss’n, Du großgoschata Heide! Waunn’s da amoi dreckich<br />

geht, wias’d as no schätz’n, daß i Da de e-mail-Adreß’ von mein obast’n<br />

Chef gib, damit’st Eahm auruaf’n kaunnst in Dein<strong>er</strong> Not!“.<br />

„Wenn es Gott geben sollte, kennt Er das Inn<strong>er</strong>ste meines H<strong>er</strong>zens und<br />

da bin ich ganz im Reinen mit Ihm. Und meine Fehl<strong>er</strong> w<strong>er</strong>den mir schon<br />

im Stahlbad des Alltags v<strong>er</strong>golten. Da hat d<strong>er</strong> Teufel keine Arbeit mehr.<br />

Üb<strong>er</strong>haupt ist d<strong>er</strong> läch<strong>er</strong>liche Krampus eine arme kraftlose Sau, die bloß<br />

von Euch v<strong>er</strong>gewaltigt wird zu einem Büttel d<strong>er</strong> Kirchen. Und das gilt<br />

auch im Speziellen für den Islam und die meisten and<strong>er</strong>en Religionen.<br />

W<strong>er</strong> bräuchte denn sonst Priest<strong>er</strong> als d<strong>er</strong>, d<strong>er</strong> regressiv, un<strong>er</strong>fahren und<br />

ängstlich ist. D<strong>er</strong> Freie fürchtet nur sich selbst; und das mit Recht!“.<br />

„Net so laut; waunn des w<strong>er</strong> hearat, gengan no wenicha in de Kiach’n!<br />

Host jo eh recht; oba wos soll i denn duan – i hob jo nix aundas g’learnt!<br />

I bin zwoa <strong>er</strong>st 47, oba do is ma do heitzutog scho unv<strong>er</strong>mitt’lboah,<br />

waunn ma net in ana g’schützten W<strong>er</strong>kstott is wia Du und i!“.<br />

Quastorf nun ganz leise entgegen sein<strong>er</strong> sonstigen Eigenart „und<br />

für Deinen Sohn Amadeus Paradeis<strong>er</strong> mußt Du ja auch irgendwie<br />

aufkommen, wenn d<strong>er</strong> auch d<strong>er</strong>zeit noch vom unwissenden Gatten<br />

Dein<strong>er</strong> Haushält<strong>er</strong>in <strong>er</strong>halten wird. Du wirst ihn wohl sich<strong>er</strong> einmal<br />

studi<strong>er</strong>en lassen wollen, wo <strong>er</strong> doch so begabt ist – vielleicht Theologie?<br />

D<strong>er</strong> Zölibat ist bekanntlich imm<strong>er</strong>schon häufig <strong>er</strong>blich gewesen!“.<br />

„Du alte Sau; jetzt wirst a biss<strong>er</strong>l geschmacklos. Oba Du hast jo recht!<br />

Kunstgeschichte liegat eahm. Selbst mit seinen neun Jahren kennt dir d<strong>er</strong><br />

die feinsten Abweichungen eines romanischen Gewölbes in Richtung<br />

frühe Gotik; die mani<strong>er</strong>istischen Eselsrücken d<strong>er</strong> Spätgotik kann <strong>er</strong> in<br />

ihren regional v<strong>er</strong>schiedenen Manifestationen von Formgebungen d<strong>er</strong><br />

Renaissance abgrenzen und jedes Spätbarock von einem Frührokoko<br />

klar unt<strong>er</strong>scheiden; <strong>er</strong> hat einfach einen Blick dafür!“.<br />

„Na plötzlich sind wir auf Blockschrift, da es um das Wesentliche geht?“.<br />

„Im Laufe d<strong>er</strong> Jahre habe ich halt gel<strong>er</strong>nt, mich d<strong>er</strong> Sprache des Volkes<br />

zu befleißigen, damit ich bess<strong>er</strong> gehört w<strong>er</strong>de. Du glaubst doch nicht,<br />

daß wir im Priest<strong>er</strong>seminar Dialekt gesprochen haben“.


165<br />

„Wir sind uns ja beide wesentlich näh<strong>er</strong> als wir es ahnen wollen; und die<br />

Öffentlichkeit würde es auch nicht v<strong>er</strong>stehen: Ich d<strong>er</strong> tiefgläubige Atheist<br />

und Du d<strong>er</strong> zurecht zweifelnde Gottesmann. Ich suche die logischen<br />

Gottes-Beweise, von denen ich weiß, daß sie nicht <strong>er</strong>ford<strong>er</strong>lich sind und<br />

Du weißt um die mystische Vorhandenheit des Logos. Wir haben beide<br />

den falschen B<strong>er</strong>uf! Du weißt, daß d<strong>er</strong> Mensch nur durch ‚Sünde’ – und<br />

das sich d<strong>er</strong><strong>er</strong> Bewußtw<strong>er</strong>den – zum wahren Menschsein gelangen kann<br />

(denn nur durch Fehl<strong>er</strong> kann man l<strong>er</strong>nen). Und ich habe noch nie einen<br />

Tät<strong>er</strong> gefunden, d<strong>er</strong> nicht aus ‚reinem H<strong>er</strong>zen’ seine Tat vollbracht hätte.<br />

Oft in V<strong>er</strong>kennung d<strong>er</strong> Maßstäbe durch Erziehungsformen, die dem<br />

Schlachtopf<strong>er</strong> des Abraham ähneln. Scheiße, welch<strong>er</strong> schräge Gott denkt<br />

sich sowas aus, daß <strong>er</strong> seinen Sohn selbst schlachtet od<strong>er</strong> ihn ans Kreuz<br />

hängen läßt – und dabei auch noch tatenlos zuschaut? Eine<br />

Mutt<strong>er</strong>gottheit würde d<strong>er</strong>lei nie zulassen!“.<br />

„Peppi, zwa Kriagln; jo des muaß jetzt sei!“ schlägt Hochwürden vor.<br />

Quastorf fügt sich, damit d<strong>er</strong> Leidensdruck nachlasse.<br />

„Eigentlich wollte ich üb<strong>er</strong> die Geschichte im Puff was <strong>er</strong>fahren. Ab<strong>er</strong><br />

das ist alles unklar und die Spurensuch<strong>er</strong> sind auch für die Fisch!“.<br />

„Die ansäßigen Tab<strong>er</strong>nakel-Schwalben, Himmeltürl-Schmi<strong>er</strong><strong>er</strong>innen und<br />

Pfarr-Wachteln haben ja schon vor Einrichtung dieses Etablissements<br />

heftig protesti<strong>er</strong>t und wollten das anrüchige Projekt mittels<br />

Unt<strong>er</strong>schriftenliste zu Fall bringen, was ihnen nicht gelungen ist. Und so<br />

hat sich d<strong>er</strong> Kaznavourian dann doch durchgesetzt. Die dortigen Mädels<br />

sind wirklich brav und auch keusch (das hört sich möglich<strong>er</strong>weise<br />

seltsam an bei Huren). Ab<strong>er</strong> die gehen jeden Sonntag nicht nur zur<br />

Messe, sond<strong>er</strong>n auch zur Beichte und zur Kommunion!“.<br />

„Und diese Beichten genießt Du; was bekommen die denn als Buße<br />

auf<strong>er</strong>legt?“ fragt d<strong>er</strong> ansonst respektvolle Kommissar mit einem leicht<br />

süffisanten Unt<strong>er</strong>ton.<br />

„Sei nicht geschmacklos; das ist Dein<strong>er</strong> nicht würdig! Die büßen schon<br />

genug durch die ihnen angetane Ausbeutung; ich spreche ihnen imm<strong>er</strong><br />

ausnahmslos die Absolution aus: ‚Ego te absolvo a peccatis tuis in<br />

nomine patris et filii et spiritus sancti’ ohne jegliche Buße! Das gibt ihnen<br />

etwas vom Selbsw<strong>er</strong>t zurück, den ihnen die alten Dreckschweine aus


166<br />

uns<strong>er</strong><strong>er</strong> Gegend und zuvor schon ihre schwarzen Madames g<strong>er</strong>aubt<br />

haben seit Jahren!“.<br />

„Das schätze ich so an Dir, daß Du den Glauben menschenwürdig lebst.<br />

Ich w<strong>er</strong>de vielleicht doch einmal in Deine Messe gehen!“.<br />

„Jaja, auch Du bist sich<strong>er</strong> noch zu retten!“.<br />

9 Am Handy eine Nachricht vom Martin Krkovich, einem alten<br />

Freund von Quastorf. D<strong>er</strong> ist seit vielen Jahren sein unmittelbar<strong>er</strong><br />

Nachbar in d<strong>er</strong> Einschicht d<strong>er</strong> Streulage Rappoltsgschwendt.<br />

Siebenundsechzig und noch sehr rührig (man könnte ihn für 55 halten mit<br />

seinen feurigen Augen, die Frauen jeden Alt<strong>er</strong>s mehr v<strong>er</strong>sprechen, als selbst Casanova<br />

<strong>er</strong>füllen könnte!). Dessen Vat<strong>er</strong> Milan ist in d<strong>er</strong> Nachkriegszeit aus<br />

Kroatien vor dem Tito geflohen (die genauen Gründe sind Quastorf nicht<br />

bekannt; da war möglich<strong>er</strong>weise irgendwas in Richtung Kollaboration mit den<br />

Deutschen od<strong>er</strong> gar Ustascha im Busch). D<strong>er</strong> hat dann in Klost<strong>er</strong>neuburg in<br />

ein<strong>er</strong> Villa zunächst eine V<strong>er</strong>tretung und dann eine kleine Manufaktur für<br />

Spielzeug aufgebaut und schließlich wurden die MiKro-W<strong>er</strong>ke daraus.<br />

D<strong>er</strong> Junior ist in dessen Fußstapfen getreten und hat sich danach ab<strong>er</strong> in<br />

PVC v<strong>er</strong>wirklicht. Zu einem d<strong>er</strong> <strong>er</strong>folgreichsten V<strong>er</strong>tret<strong>er</strong> für<br />

Frischhalte-V<strong>er</strong>packungen und Party-Geschirr ist <strong>er</strong> geworden und<br />

spät<strong>er</strong> hat <strong>er</strong> auch noch die CMS-Kochtopf-S<strong>er</strong>ie zu ungeahnten<br />

V<strong>er</strong>kaufszahlen hochgemanaged. Dafür wurde <strong>er</strong> des öft<strong>er</strong>en vom<br />

Management mit Mast<strong>er</strong> of Distribution geehrt.<br />

Ab<strong>er</strong> jetzt fühlt <strong>er</strong> sich nicht sehr wohl, denn <strong>er</strong> hat sich durch den<br />

Konsum von weit mehr als ein<strong>er</strong> halben Million Marlboros einen Infarkt<br />

eingefangen. Mittels Stent geht es ihm nun einig<strong>er</strong>maßen <strong>er</strong>träglich, ab<strong>er</strong><br />

<strong>er</strong> weilt d<strong>er</strong>zeit zur Kur in Garsting (im vor wenigen Jahren neu<strong>er</strong>richteten<br />

Kurzentrum Dao, wo nun die TCM-Chinesen das Sagen haben).<br />

„Bitte komm vorbei; ich habe Dir was mitzuteilen“ war die SMS.<br />

Quastorf hätte wahrlich and<strong>er</strong>e Aufgaben, ab<strong>er</strong> wenn ein Freund<br />

ruft, ist <strong>er</strong> selbstredend vorhanden.


167<br />

Also in den klapprigen Fiat und die wenigen Kilomet<strong>er</strong> nach dem<br />

schönen Garsting (man möchte garnicht glauben, daß ein wund<strong>er</strong>-hübsch<strong>er</strong> Ort wie<br />

dies<strong>er</strong> einen so falschgewählten Namen haben kann!).<br />

Quastorf muß üb<strong>er</strong> die d<strong>er</strong>zeit recht friedlich wirkende (nach d<strong>er</strong><br />

Schneeschmelze all<strong>er</strong>dings oftmals sehr unb<strong>er</strong>echenbare) Schwarzaist und dann<br />

den Hügel hinan, auf dem die gewaltige Neuanlage steht. Im<br />

Zufahrtsb<strong>er</strong>eich einige Blauglocken-Bäume, Catalpas, Japanische<br />

Konif<strong>er</strong>en, Moschusbäume, Zaub<strong>er</strong>nuß und wint<strong>er</strong>harte Tamarisken.<br />

Dazwischen leiten mit weißem Kies geschmackvoll meandri<strong>er</strong>ende<br />

Meditationswege den Ankommenden zur Rezeption.<br />

In d<strong>er</strong> von Licht durchfluteten Halle, in d<strong>er</strong> auf magische Weise<br />

v<strong>er</strong>änd<strong>er</strong>te Heilsuchende durchgeistigt umh<strong>er</strong>gehen, steht am hint<strong>er</strong>sten<br />

Ende ein mod<strong>er</strong>nistisch-geschwungen<strong>er</strong>, von unten beleuchtet<strong>er</strong> grün<strong>er</strong><br />

Glastresen, hint<strong>er</strong> dem eine charmante, nach Sandelholz duftende<br />

freundliche Chinesin Quastorf höflich umsorgt. Mei Ling/Administration-<br />

Manag<strong>er</strong> steht auf ihrem Erkennungs-Taf<strong>er</strong>l.<br />

„Wo finde ich bitte den H<strong>er</strong>rn Krkovich? Er <strong>er</strong>wartet mich“.<br />

„Ja Hell Klkovich; auf Zimmel 132 – elstel Stock“.<br />

Quastorf fühlt sich im Gegensatz zu den Kurgästen nicht sehr<br />

wohl in d<strong>er</strong> in den B<strong>er</strong>g hineingebauten Glas-Pyramide, bei d<strong>er</strong> man den<br />

Felsdruck nahezu leiblich <strong>er</strong>ahnt, d<strong>er</strong> das z<strong>er</strong>brechliche Gebilde jed<strong>er</strong>zeit<br />

z<strong>er</strong>drücken könnte (fast hört <strong>er</strong> die tektonischen V<strong>er</strong>w<strong>er</strong>fungen, die in das d<strong>er</strong><br />

Natur aufgezwungene Gefüge h<strong>er</strong>eindrängen und ihr angestammtes Recht irgendwann<br />

einford<strong>er</strong>n w<strong>er</strong>den!). Ab<strong>er</strong> die Kurschatten huschen unbefleckt durch die<br />

etwas kalt wirkende Halle, die all<strong>er</strong>dings von warmen nied<strong>er</strong>frequenten<br />

Gongtönen <strong>er</strong>füllt ist wie wenn man auf die Ansage im Flughafen achten<br />

müßte (ein aus Sichtbeton <strong>er</strong>richtet<strong>er</strong> Ut<strong>er</strong>us für freiwillig Regredi<strong>er</strong>ende). Mit dem<br />

Panorama-Lift fährt Quastorf natürlich nicht, sond<strong>er</strong>n nimmt die aus<br />

rosa maltesischem Tuff gearbeitete großzügig angelegte Treppe, an d<strong>er</strong>en<br />

Absatz W<strong>er</strong>ke von Nitsch und Brus hängen.<br />

In den 60-<strong>er</strong>-Jahren wurden die Beiden als p<strong>er</strong>v<strong>er</strong>se Säue<br />

bekämpft (da hat sie Quastorf sehr bewund<strong>er</strong>t und oftmals v<strong>er</strong>teidigt gegenüb<strong>er</strong> d<strong>er</strong><br />

allgegenwärtigen braunfleckigen und schwarzgestrickten chauvenistischen Bourgeoisie,


168<br />

die damals selbst in Sozialistenkreisen zu finden war) und heute sind d<strong>er</strong>en<br />

W<strong>er</strong>ke unbezahlbar<strong>er</strong> Standard für ebendiese Leute bzw. d<strong>er</strong>en eh<strong>er</strong><br />

hedonistische Nachkommen. Zum angesagten Orgien-Myst<strong>er</strong>ien-Event<br />

eilt neu<strong>er</strong>dings Krethi und Plethi und die ganze Seitenblicke-Schick<strong>er</strong>ia<br />

aus neuauflebendem v<strong>er</strong>armten Erb- und korruptivem reichen Geld-<br />

Adel, die wed<strong>er</strong> Ahnung von Kunst, noch von geheimen archaischen<br />

Riten haben (wenn man von d<strong>er</strong> kunstvollen V<strong>er</strong>schiebung ihr<strong>er</strong> geheimen<br />

Schwarzgeld-Konten einmal absieht). Durch die langen Gänge hin nach oben<br />

zu Freund Martin.<br />

„Ich bin froh, daß Du gekommen bist. Ich glaube, ich kann Dir ein<br />

wenig weit<strong>er</strong>helfen bei Deinem Fall. Ich war zufällig (<strong>er</strong>zählst Du es eh<br />

nicht mein<strong>er</strong> Frau?) in d<strong>er</strong> Bar vom Kaznavourian auf ein Bi<strong>er</strong> und die<br />

Steu<strong>er</strong>fahnd<strong>er</strong> waren so d<strong>er</strong>artig besoffen und ordinär, daß es selbst mich<br />

abgestoßen hat (und Du weißt, daß ich nie ein Freund von Traurigkeit<br />

war!). Die armen Mädels haben sich das nicht v<strong>er</strong>dient; die haben doch<br />

auch ihre Würde! D<strong>er</strong> Kaznavourian weiß das nicht, ab<strong>er</strong> die zwei<br />

Mädels haben mich gebeten, daß ich sie und die besoffenen Typen noch<br />

in die Zwischenwelt chauffi<strong>er</strong>e. Das habe ich dann halt gemacht, weil sie<br />

das Taxi nicht zahlen wollten, denn die Finanz<strong>er</strong> sind b<strong>er</strong>ufsbedingt<br />

knickrig, wie man weiß.“<br />

10 Die Zwischenwelt: Eine v<strong>er</strong>rückte Idee vom Irrenëus Zajkovic (ein<br />

Magi<strong>er</strong>, Spökenkiek<strong>er</strong>, Wahrsag<strong>er</strong>, begnadet<strong>er</strong> Musik<strong>er</strong>, Gedankenles<strong>er</strong> und Event-<br />

Manag<strong>er</strong> – ein Multitalent – sein Großvat<strong>er</strong> war angeblich ein<strong>er</strong> d<strong>er</strong> wenigen<br />

Jugendfreunde Adolf Hitl<strong>er</strong>s). Ein mystisch-waldvi<strong>er</strong>tl<strong>er</strong>isches Disney-Land<br />

hat <strong>er</strong> geschaffen für alle üb<strong>er</strong>sättigten und esogeilen Städt<strong>er</strong>.<br />

‚V<strong>er</strong>lorengehen in den Grüften und Schlüften des strahlenden Urgesteins’ ist die<br />

Devise dortorts. Was danach vorgefallen ist, wird man vielleicht niemals<br />

<strong>er</strong>fahren, denn es sind schon bei Gründung des V<strong>er</strong>gnügungsparkes<br />

angeblich zwei junge Ethnologen v<strong>er</strong>schwunden, die bis auf den<br />

heutigen Tag als v<strong>er</strong>schollen gelten. Warum man d<strong>er</strong> Sache<br />

polizeilich<strong>er</strong>seits nicht auf den Grund gegangen ist, ist Quastorf ein<br />

Rätsel. Und da <strong>er</strong> wed<strong>er</strong> Kreuzwort-Rätsel liebt, keine geschichtlichen<br />

Ung<strong>er</strong>eimtheiten stehen läßt, den genauen Ort von Atlantis wissen muß,<br />

psychischen Phänomenen (wie Telepathie, Radiästhesie, Vorwissen, Deja-Vue<br />

und Wund<strong>er</strong>heilungen) distant gegenüb<strong>er</strong>steht, solange <strong>er</strong> sie nicht


169<br />

aufdecken kann, noch religiösen Fanatismen b<strong>er</strong>eit ist aufzusitzen, fährt<br />

<strong>er</strong> hin, um selbst ordentlich zu rech<strong>er</strong>chi<strong>er</strong>en.<br />

H<strong>er</strong>r Hanfthal<strong>er</strong> rät dringend davon ab, da d<strong>er</strong> Dez<strong>er</strong>natsleit<strong>er</strong> Dr.<br />

Kuchlbach<strong>er</strong> sich<strong>er</strong> wied<strong>er</strong> ein Haar in diesem von Quastorf<br />

eigenmächtig gekochten Süppchen finden wird. Ab<strong>er</strong> d<strong>er</strong> sond<strong>er</strong>hafte<br />

Chef<strong>er</strong>mittl<strong>er</strong> ist ein begnadet<strong>er</strong> Hobbykoch und wird die Suppe schon<br />

richtig zu würzen und mundwarm zu s<strong>er</strong>vi<strong>er</strong>en wissen!<br />

Von Höllweix nach Hasling, üb<strong>er</strong> den Schlehenkogel bis Vulpes,<br />

wo die Nebenstraße rechts abzweigt. Vorbei an Brandes, Hanfthal<br />

(stammen da die Vorvord<strong>er</strong>en vom Hanfthal<strong>er</strong> ab?), von Zw<strong>er</strong>ings dann nach<br />

Hartenfels, wo sich die prächtigste in toto <strong>er</strong>haltene Wass<strong>er</strong>burg<br />

Öst<strong>er</strong>reichs befindet. Hi<strong>er</strong> sind die großen Hinweisschild<strong>er</strong><br />

Zwischenwelt – Grenze zwischen mystischem Waldvi<strong>er</strong>tel und dem Univ<strong>er</strong>sum!<br />

Als <strong>er</strong>stes macht Quastorf eine Führung durch diese seltsame<br />

Unt<strong>er</strong>welt mit, damit <strong>er</strong> sich ein Bild schaffe von den lokalen und<br />

emotionalen Gegebenheiten.<br />

„Hi<strong>er</strong> in dies<strong>er</strong> mystischen, von Nebeln umwobenen Waldvi<strong>er</strong>tl<strong>er</strong><br />

Landschaft wurden die Ethnologen damals zum letzten Mal gesichtet.<br />

Von da aus wollten sie die keltischen Mythen d<strong>er</strong> Vorzeit <strong>er</strong>forschen und<br />

sind dann wahrscheinlich den Irrlicht<strong>er</strong>n des weitläufigen Moores<br />

v<strong>er</strong>fallen, wie so viele vor ihnen!“ d<strong>er</strong> Führ<strong>er</strong> mit leicht bebend<strong>er</strong><br />

Nachhall-Stimme aus dem Headset-Mikrophon, d<strong>er</strong>en Ergriffenheit man<br />

ihm durchaus glaubt.<br />

Wenn Quastorf Führ<strong>er</strong> hört, schwellen ihm die Halsad<strong>er</strong>n zu<br />

Debrezin<strong>er</strong>n an, das Geimpfte geht ihm auf und seine Zehennägel rollen<br />

sich unt<strong>er</strong> den weißen Socken (ein modisches NoGo, wie das heute aus<br />

un<strong>er</strong>klärlichen Gründen heißt) ein, daß <strong>er</strong> in keinen Schuh mehr paßt! Dieses<br />

ansich harmlose Wort ist gemeinsam mit Heimat, Volk und Vat<strong>er</strong>land<br />

leid<strong>er</strong> zu sehr ideologisch v<strong>er</strong>nutzt und v<strong>er</strong>einnahmt, quasi sein<strong>er</strong><br />

neutralen Unschuld b<strong>er</strong>aubt worden, was den Heimat-Liebenden heute<br />

noch schm<strong>er</strong>zt. Led<strong>er</strong>hosen, Dirndeln, Volkstanz und Stubenmusi<br />

mußten ebenfalls unt<strong>er</strong> d<strong>er</strong> schamlosen Ideologisi<strong>er</strong>ung leiden; lansam<br />

kehrt diesbezüglich eine Renaissance ein – ab<strong>er</strong> auch von den Falschen!


170<br />

Er brüllt zur V<strong>er</strong>wund<strong>er</strong>ung d<strong>er</strong> fremdländischen Gäste und zum<br />

Entsetzen des armen Studenten, d<strong>er</strong> den Führ<strong>er</strong>-Job zwecks<br />

Taschengeld-Aufbess<strong>er</strong>ung dringend benötigt, ungestüm h<strong>er</strong>aus:<br />

„Weiß eigentlich die Staatsanwaltschaft Zwettl von diesem myst<strong>er</strong>iösen<br />

Vorfall?“. Betretenes Schweigen, das Quastorf nicht läng<strong>er</strong> duldet.<br />

„Anzeigen, Ermittlungen, V<strong>er</strong>höre; haben die eigentlich je in dies<strong>er</strong><br />

Causa stattgefunden?“. D<strong>er</strong> Führ<strong>er</strong> ist etwas üb<strong>er</strong>ford<strong>er</strong>t von dem<br />

provokanten Spinn<strong>er</strong>.<br />

„Wir haben hi<strong>er</strong> eine Erlebniswelt, die Phantasien zulassen und helfen<br />

soll, ungeahnte Emotionen und auß<strong>er</strong>ordentliche Wahrnehmungen zu<br />

entfalten!“ pari<strong>er</strong>t d<strong>er</strong> Philosophie-Student die harten Worte sehr<br />

souv<strong>er</strong>än. „Bitte wenden Sie sich an den Event-Manag<strong>er</strong>, wenn Sie<br />

Fragen dazu haben!“. Quastorf ist beschämt ob d<strong>er</strong> b<strong>er</strong>echtigten<br />

Disziplini<strong>er</strong>ung durch diesen klar formuli<strong>er</strong>enden Jungspund und geni<strong>er</strong>t<br />

sich ein wenig für seine Ausuf<strong>er</strong>ung, die an sich sonst nicht seine Art ist.<br />

Ab jetzt wird <strong>er</strong> bess<strong>er</strong> schweigen. Seine Zen-Kunst des nicht<br />

Redens und nicht Schweigens ist ihm für kurze Zeit abhandengekommen; das<br />

stellt ihn in Frage. Er läßt sich zurückfallen hint<strong>er</strong> die Gruppe und findet<br />

eine Türe mit d<strong>er</strong> Aufschrift „Privat – kein Zutritt“. Das billige Schloß ist<br />

kein Problem für einen Profi. Dahint<strong>er</strong> zunächst ein wenig gepflegtes<br />

Notdurftlokal.<br />

Ein schmal<strong>er</strong> Gang führt dahint<strong>er</strong> zum Mundloch eines Erdstalles,<br />

d<strong>er</strong> in den weichen und doch tragkräftigen M<strong>er</strong>gel getrieben wurde. Stellt<br />

diese Erlebniswelt also doch nicht bloß eine mod<strong>er</strong>nistische Spaßkultur<br />

vor? Könnte sie auf den Grundfesten eines keltischen Heiligtums<br />

<strong>er</strong>richtet worden sein? D<strong>er</strong> hochgelegene plateau-artige Platz auß<strong>er</strong>halb<br />

d<strong>er</strong> Stadt hätte gewisse Qualitäten, die das zurecht v<strong>er</strong>muten ließen. Ab<strong>er</strong><br />

wieso ist keine Kirche darüb<strong>er</strong> <strong>er</strong>richtet worden, wie es die Missionare<br />

sein<strong>er</strong>zeit üblich<strong>er</strong>weise machten, um den indigenen Völk<strong>er</strong>n sakral<br />

entgegenzukommen? Ist d<strong>er</strong> besagte Erdstall in V<strong>er</strong>gessenheit g<strong>er</strong>aten<br />

bei d<strong>er</strong> ansäßigen Bevölk<strong>er</strong>ung? Tausend Fragen streiten in Quastorfs<br />

Gehirn um ihre Priorität. Wie zur B<strong>er</strong>uhigung zwängt <strong>er</strong> sich – trotz des<br />

guten Anzuges – in den engen Schluf, d<strong>er</strong> von Spinnweben v<strong>er</strong>schlossen<br />

ist, von dessen Wänden kleine färbige Rinnsale ihren Weg zum


171<br />

glitschigen Boden suchen und dessen Enge einem Klaustrophoben den<br />

Schweiß in d<strong>er</strong> Arschrinne fri<strong>er</strong>en lassen würde. Gut, daß <strong>er</strong> seine<br />

bewährte LED-Taschenlampe mithat. Nach wenigen Met<strong>er</strong>n weitet sich<br />

d<strong>er</strong> schmale muffige Schlund zu ein<strong>er</strong> g<strong>er</strong>äumigen Höhle. Darin<br />

Ausrüstungsgegenstände von emsigen Feldforsch<strong>er</strong>n, Taschenlampen,<br />

Dikti<strong>er</strong>g<strong>er</strong>äte, Photoapparate, v<strong>er</strong>schmutzte braungrüne Kleidungsstücke<br />

von Landschafts-Forsch<strong>er</strong>n inklusive gebraucht<strong>er</strong> Unt<strong>er</strong>wäsche und ein<br />

leicht angenäßtes Tagebuch. Quastorf beginnt zu lesen:<br />

„Tag eins:<br />

Voll Elan in den Morast, von dem uns von Einheimischen b<strong>er</strong>ichtet wurde, daß es<br />

dort seltsame Erscheinungen gäbe. Zunächst nur unwegsam, dann v<strong>er</strong>hind<strong>er</strong>t d<strong>er</strong><br />

zäh<strong>er</strong>w<strong>er</strong>dende Schlick ein weit<strong>er</strong>es Vordringen in das Hochmoor, wiewohl man<br />

deutlich zwischen den Spirken und Moorbirken schemenhafte Figuren ausnehmen<br />

kann, die einen seltsamen Tanz vollführen. Irgendwie scheint ein unwirkliches Licht<br />

aus ihrem Inn<strong>er</strong>en zu strahlen. Wir retten uns ins Basislag<strong>er</strong>. Gute Käsekrain<strong>er</strong><br />

w<strong>er</strong>den von d<strong>er</strong> Almut b<strong>er</strong>eitet. Wie tot in den Schlafsack.<br />

Tag zwei:<br />

Mittels Trevira-Matten gelingt es uns, tief<strong>er</strong> in die Rotte vorzudringen und wir<br />

<strong>er</strong>reichen den Ort des gest<strong>er</strong>n wahrgenommenen Tanzplatzes, wo uns alle um ungefähr<br />

23:23 ein ungewöhnlich-grünliches Licht umfängt, das großes Glück im H<strong>er</strong>zen<br />

v<strong>er</strong>heißt. Irgendetwas b<strong>er</strong>ührt uns alle gleichzeitig in tiefst<strong>er</strong> Seele und wir sollten<br />

bess<strong>er</strong> wied<strong>er</strong> zurück in die rettende Zivilisation um diesem un<strong>er</strong>klärlichen Sog zu<br />

entkomm.....................................<br />

Quastorf muß sich darauf einen Reim machen. Die sind im Moor<br />

möglich<strong>er</strong>weise von Auß<strong>er</strong>irdischen entführt worden, ab<strong>er</strong> warum liegt<br />

dann ihre Kleidung hi<strong>er</strong> in dies<strong>er</strong> Höhle und w<strong>er</strong> von den T<strong>er</strong>restrischen<br />

steckt da mit d’rin?<br />

„Was machen Sie da; da ist absolut kein Zutritt, wie Sie unschw<strong>er</strong> lesen<br />

können! Sind Sie ein T<strong>er</strong>rorist od<strong>er</strong> nur etwas gemütskrank; Sie sind ja<br />

kreidebleich. Soll ich Ihnen ein Glas Wass<strong>er</strong> bringen?“.<br />

„Schon gut; ich komme ja schon“. Quastorf ärg<strong>er</strong>t sich üb<strong>er</strong> seinen<br />

Ausrutsch<strong>er</strong>.


172<br />

„Ab<strong>er</strong> ich habe Beweismittel gefunden in dem Erdstall da hinten; das<br />

wird ihrem Chef sich<strong>er</strong> nicht gefallen. Ich bin von d<strong>er</strong> Mordkommission<br />

Zwettl und w<strong>er</strong>de das Lokal vorläufig v<strong>er</strong>siegeln, weil zwei V<strong>er</strong>mißte hi<strong>er</strong><br />

das letzte Mal gesichtet wurden, die möglich<strong>er</strong>weise einem V<strong>er</strong>brechen<br />

zum Opf<strong>er</strong> gefallen sind!“.<br />

„Was wollen Sie? Uns<strong>er</strong> P<strong>er</strong>sonal-Klo v<strong>er</strong>siegeln; wo sollen wir denn<br />

dann uns<strong>er</strong>e Notdurft v<strong>er</strong>richten?“.<br />

„Es geht doch hi<strong>er</strong> wahrlich um Wichtig<strong>er</strong>es als um Ihre Notdurft. Es<br />

sind damals zwei Ethnologen v<strong>er</strong>schwunden und nunmehr führt die<br />

Spur von zwei unauffinbaren Steu<strong>er</strong>fahnd<strong>er</strong>n ebenfalls in Ihre<br />

Erlebniswelt; das muß doch aufgeklärt w<strong>er</strong>den!“.<br />

„Ich bitte Sie, machen Sie mir keine Schwi<strong>er</strong>igkeiten. Die Besichtigungs-<br />

Gruppe wird schon ungeduldig wegen Ihr<strong>er</strong> Insistenz. Ab<strong>er</strong> wenn Sie<br />

wollen, gehen wir halt gemeinsam in Ihren Erdstall hinein“. Das ist doch<br />

nicht sein<strong>er</strong>, sond<strong>er</strong>n d<strong>er</strong> Jen<strong>er</strong>!<br />

Spricht’s, nimmt Quastorf am Ärmel und leitet ihn in den<br />

bekannten Abort. Hi<strong>er</strong> hört d<strong>er</strong> Gang ab<strong>er</strong> nun un<strong>er</strong>klärlich<strong>er</strong>weise auf.<br />

Nurmehr ein Sammelsurium von Mistsäcken, ungewaschenen Kaffee-<br />

Tassen, Besen, Putzmitteln, Fetzen und Kübeln. Kein Mundloch, kein<br />

Schluf, keine Höhle; nichts, was auch nur annäh<strong>er</strong>nd an Grabespuren<br />

<strong>er</strong>inn<strong>er</strong>t, trotzdem Quastorf alles penibel unt<strong>er</strong>sucht! Er ist entsetzt; die<br />

Gänsehaut tanzt auf seinem üb<strong>er</strong>reizten Körp<strong>er</strong> auf und nied<strong>er</strong>. Mit<br />

zittrig<strong>er</strong> Stimme läßt <strong>er</strong> v<strong>er</strong>nehmen „v<strong>er</strong>zeihen Sie; ich dürfte mich denn<br />

doch geirrt haben!“. Ab<strong>er</strong> wieso ist dann sein gut<strong>er</strong> Anzug üb<strong>er</strong> und üb<strong>er</strong><br />

von feuchtem M<strong>er</strong>gel v<strong>er</strong>sudelt?<br />

Mit weichen Knien hält <strong>er</strong> sich bei d<strong>er</strong> weit<strong>er</strong>en Führung weit<br />

hint<strong>er</strong> d<strong>er</strong> Gruppe, da <strong>er</strong> noch nie so gedemütigt wurde.<br />

„Hi<strong>er</strong> im Spiegel-Zimm<strong>er</strong> können Sie die Endlosigkeit des uns alle<br />

umgebenden Raumes sinnlich wahrnehmen; Spiegel im Spiegel wie bei<br />

Michael Ende“ d<strong>er</strong> routini<strong>er</strong>te Student. „Anna und d<strong>er</strong> liebe Gott“ hat<br />

das auch schon thematisi<strong>er</strong>t. Ab<strong>er</strong> das wissen die meisten Sinnsuch<strong>er</strong> in<br />

diesen modrigen Räumen nicht; die wollen nur Infotainment und keine<br />

unangenehmen Existenzfragen.


173<br />

Dann geht es auf eine wild torkelnde Wackelbühne in fünf Met<strong>er</strong>n<br />

Höhe üb<strong>er</strong> ein<strong>er</strong> wüsten Hexenlandschaft (quasi ein Diorama), wo selbst<br />

dem abgebrühtesten Coolheart die Knie weich w<strong>er</strong>den. Und wie<br />

v<strong>er</strong>mutet, flippt eine Panik<strong>er</strong>in aus dem Ruhrgebiet aus:<br />

„Ach du meine Jüte Hans-Jörg; muß ich denn <strong>er</strong>st st<strong>er</strong>ben, bevor Du<br />

meine Nöte wahrnimmst?“.<br />

Quastorf ist wied<strong>er</strong> H<strong>er</strong>r sein<strong>er</strong> Gelenke und durchschaut die<br />

billige Effekthasch<strong>er</strong>ei so nebenbei. Was ihn imm<strong>er</strong> noch aufwühlt, ist<br />

die kafkaeske Situation hint<strong>er</strong> dem Häusel. Was war das? D<strong>er</strong>lei ist ihm<br />

in seinem wahrhaft an Seltsamkeiten reichen Leben noch nie<br />

wid<strong>er</strong>fahren!<br />

„Bitte, wenn jetzt irgendw<strong>er</strong> sich mulmig fühlt: Es ist hi<strong>er</strong> alles gesich<strong>er</strong>t<br />

und am Ausgang gibt es noch eine Weinv<strong>er</strong>kostung von regionalen<br />

Gewächsen mit Kauf-Möglichkeit“ d<strong>er</strong> Führ<strong>er</strong>.<br />

Was d<strong>er</strong> Führ<strong>er</strong> sorgsam v<strong>er</strong>schweigt, ist, daß die Weine natürlich<br />

nicht im arschkalten Waldvi<strong>er</strong>tel wachsen können und eigentlich aus dem<br />

Kamptal stammen (findige Bürg<strong>er</strong>meist<strong>er</strong> zählen all<strong>er</strong>dings das Kamptal g<strong>er</strong>ne<br />

zum Waldvi<strong>er</strong>tel, dem die Kamtal<strong>er</strong> freilich <strong>er</strong>folgreich wid<strong>er</strong>sprechen! Denn die<br />

Nord-Wachau<strong>er</strong> mögen es auch nicht, als Waldvi<strong>er</strong>tl<strong>er</strong> bezeichnet zu w<strong>er</strong>den.<br />

Unv<strong>er</strong>ständlich; wo doch das Waldvi<strong>er</strong>tel so geliebt wird).<br />

Quastorf gibt zum Schluß ganz im Gegensatz zu seinen sonstigen<br />

Gewohnheiten dem Schammes ein saftiges Trinkgeld von 1.- €; quasi als<br />

Entschuldigung sein<strong>er</strong> unmöglichen V<strong>er</strong>haltensweise.<br />

Ab<strong>er</strong> damit ist natürlich die Sache mit den v<strong>er</strong>lustigen Finanz<strong>er</strong>n<br />

nicht <strong>er</strong>ledigt und so sucht <strong>er</strong> – wie empfohlen – den Event-Manag<strong>er</strong><br />

auf. D<strong>er</strong> Betreib<strong>er</strong> d<strong>er</strong> Zwischenwelt – H<strong>er</strong>r Emil Ost<strong>er</strong>tag – ist im<br />

Zivilb<strong>er</strong>uf d<strong>er</strong> ortsansäßige Installateur und empfängt Quastorf nur<br />

wid<strong>er</strong>willig in seinem kleinen Büro.<br />

„Wos woinn’s denn. I hob scho g’heat; se san lästig g’wes’n. Bitte, des<br />

mit de Ethnolog’n is do a <strong>er</strong>fundtanas G’schichtl fia de Fremd’n; zweg’n<br />

da nätich’n Spaunnung! Des wean’s do ned wiakli glaub’n – se ois a<br />

g’schdaundtanas Maunnsbüd!“.


174<br />

„Es geht nicht nur um die Ethnologen, sond<strong>er</strong>n vor allem um die zwei<br />

Finanz<strong>er</strong>, die mit ihren Huren am 13. 8. bei d<strong>er</strong> Nachtführung<br />

v<strong>er</strong>lorengegangen sind!“.<br />

„Bei uns wird ollas mit Kamaras übawocht und de Leit haum olle<br />

Zöhkoat’n. Des känn’ ma sicha außakriagn“. Er spult h<strong>er</strong>um an seinen<br />

DVDs und sagt dann triumphi<strong>er</strong>end:<br />

„Do; do haumm mas! Einegaunga sanns; seg’n ses? Und außakumma<br />

sanns a; bitte do schaun’s – blunz’nfett oba lebendich! Warum frog’ns<br />

net de Hurna, de wußat’n, wos nochand woa. Woahscheinlich san’s mit<br />

de Bsuff in Woid gaunga, haumm eahna an blos’n und haumms daunn<br />

o’g’sti<strong>er</strong>t. De Negarinnan wissen, wia des geht; de kennan do nix!“.<br />

Die rassistische Klassifizi<strong>er</strong>ung üb<strong>er</strong>hört Quastorf geflissentlich.<br />

All<strong>er</strong>dings das mit d<strong>er</strong> Befragung d<strong>er</strong> Liebesdien<strong>er</strong>innen wäre zwar<br />

prinzipiell eine gute Idee, ab<strong>er</strong> die Damen sind leid<strong>er</strong> glaubhaft – laut<br />

Kaznavourian – heimgefahren in die DomRep, da ihr Besuch<strong>er</strong>-Visum<br />

abgelaufen war. Dieses Rätsel wird sich sobald nicht lösen. Und<br />

Quastorf haßt bekanntlich Rätsel! Weg vom Ort d<strong>er</strong> Beschämung.<br />

11 Heim zu Clärchen, die ihm King-Prawn im Reisbett mit<br />

kalabrisch<strong>er</strong> Muschelsauce s<strong>er</strong>vi<strong>er</strong>t. „Wo warst Du so lange; da könnte<br />

man ja fünf Liebhab<strong>er</strong> befriedigen und Du würdest es gar nicht m<strong>er</strong>ken!<br />

An jed<strong>er</strong> Ecke finde ich jed<strong>er</strong>zeit unzählige Männ<strong>er</strong>, die mich begehren;<br />

sei nur ja vorsichtig mein lieb<strong>er</strong> Freund“ bem<strong>er</strong>kt sie mit schalkhaftem<br />

Glitz<strong>er</strong>n in den kecken Augen und streckt die wohlgeformten Brüste in<br />

den aufm<strong>er</strong>ksamen Blick.<br />

Beschämt und deutlich <strong>er</strong>regt; wennauch nicht eif<strong>er</strong>süchtig (d<strong>er</strong>lei<br />

ist ihm fremd als g<strong>er</strong>eiftem Charakt<strong>er</strong>, wie <strong>er</strong> sich sieht) nimmt Quastorf das<br />

wunnigliche Mahl zu sich und kniet im Gedanken nied<strong>er</strong> vor dies<strong>er</strong><br />

phantastischen Frau, die ihm Gott geschenkt hat, obwohl <strong>er</strong> Agnostik<strong>er</strong><br />

ist. Ab<strong>er</strong> agnosein heißt ja bloß ich weiß es nicht so recht.<br />

Und wissen können es die Theisten und Deisten ja auch nicht, ob<br />

es Gott nun tatsächlich gäbe. Und da Glauben eigentlich die freiwillige<br />

Abwesenheit von Wissen darstellt, müßten folglich alle Gläubigen die


175<br />

wahren Agnostik<strong>er</strong> sein! Und somit im Gegenschluß die, die sich dem<br />

Wissen v<strong>er</strong>pflichtet fühlenden, die Gnostik<strong>er</strong>!? Ab<strong>er</strong> da die auch nie<br />

wirklich alles wissen w<strong>er</strong>den, sind sie zu einem großen Teil auf<br />

Hypothesen, Spekulationen und V<strong>er</strong>mutungen angewiesen (und was ist da<br />

d<strong>er</strong> Unt<strong>er</strong>schied zum Glauben?). Ein schräg<strong>er</strong> Gedanken-Zirkel, wie man ihn<br />

in dies<strong>er</strong> Gegend nur von Quastorf kennt.<br />

Wie oft hat <strong>er</strong> sich schon gefragt, warum <strong>er</strong> nicht Philosoph,<br />

Architekt od<strong>er</strong> Psychoth<strong>er</strong>apeut geworden ist; ab<strong>er</strong> d<strong>er</strong>lei ist müßig.<br />

„Wenn meine Tante einen Penis hätte, wäre sie dann mein Onkel?“.<br />

Nicht alles, was hinkt, ist ein V<strong>er</strong>gleich (od<strong>er</strong> ein Reim). Auf jeden<br />

Fall kann <strong>er</strong> sich keinen Reim auf das heute Erlebte machen.<br />

Halluzinationen hatte <strong>er</strong> noch nie; nichteinmal in den 68-<strong>er</strong>-Jahren nach<br />

drei dicken Joints – dazu ist <strong>er</strong> zu strukturi<strong>er</strong>t und auß<strong>er</strong>dem hat <strong>er</strong> keine<br />

Chemorezeptoren für THC – und daß das Ambiente in d<strong>er</strong> kurzen Zeit<br />

irgendw<strong>er</strong> so p<strong>er</strong>fekt v<strong>er</strong>änd<strong>er</strong>t haben könnte, ist gänzlich undenkbar!<br />

Quastorf rekrei<strong>er</strong>t und restrukturi<strong>er</strong>t sich im ozeanischen Abend<br />

mit Clärchen bei Hanf-Chocholattl im Himbe<strong>er</strong>-Sorbet (ihr hilft es und ihm<br />

schmeckt es bloß gut, da <strong>er</strong> dies<strong>er</strong> Substanz gegenüb<strong>er</strong> resistent ist, weil ihm die<br />

notwendigen Rezeptoren genetisch nicht zugedacht wurden; ab<strong>er</strong> das wurde schon<br />

abgehandelt). Hoffentlich stammt d<strong>er</strong> Hanf nicht vom Frib<strong>er</strong>g<strong>er</strong>; das<br />

könnte disziplinarische Folgen haben! H<strong>er</strong>nach gemeinsam in die<br />

Daunen, wo d<strong>er</strong> Schock des heutigen Tages sein glückliches Ende findet.<br />

12 Den Ranzbichl<strong>er</strong> muß <strong>er</strong> befragen. Ab<strong>er</strong> wie <strong>er</strong> im Büro<br />

auftaucht, um die Aktion zu koordini<strong>er</strong>en, v<strong>er</strong>nimmt <strong>er</strong>, daß d<strong>er</strong> b<strong>er</strong>eits<br />

von d<strong>er</strong> Steu<strong>er</strong>fahndung inhafti<strong>er</strong>t wurde, weil <strong>er</strong> längst abgelaufenes<br />

russisches Tiefkühlfleisch umgepackt und als von öst<strong>er</strong>reichischen Bio-<br />

Bau<strong>er</strong>n produzi<strong>er</strong>tes deklari<strong>er</strong>t hat (wäre eigentlich ein Fall für das<br />

Lebensmittel-Inspektorat). Ab<strong>er</strong> d<strong>er</strong> hat sich damals dreifach b<strong>er</strong>eich<strong>er</strong>t, da<br />

<strong>er</strong> zuvor auch noch EU-Förd<strong>er</strong>ungen für den Import aus Drittländ<strong>er</strong>n<br />

kassi<strong>er</strong>t und die daraus resulti<strong>er</strong>enden Gewinne steu<strong>er</strong>schonend am<br />

Fiskus vorbeimaneuvri<strong>er</strong>t hat. Eigentlich ein ganz normal<strong>er</strong> Vorgang im<br />

fleischv<strong>er</strong>arbeitenden Gew<strong>er</strong>be; w<strong>er</strong> v<strong>er</strong>antwortungsbewußt handelt,<br />

wird sich mit Umdeklari<strong>er</strong>ungen sich<strong>er</strong> nicht die Seele beschw<strong>er</strong>en.


176<br />

Da ist freilich die Finanz-Prokuratur zuständig! Und trotz, daß die<br />

Steu<strong>er</strong>fahnd<strong>er</strong> unauffindbar sind, haben die wenigen p<strong>er</strong> Fax vorab an<br />

die Zentrale v<strong>er</strong>schickten Unt<strong>er</strong>lagen b<strong>er</strong>eits genügt, Haftgründe gegen<br />

Ranzbichl<strong>er</strong> zu <strong>er</strong>wirken. Also war d<strong>er</strong> gespons<strong>er</strong>te Bordell-Besuch<br />

hinausgeschmissenes Geld – zumindest für den honorigen Viehhändl<strong>er</strong>.<br />

13 Was im Hint<strong>er</strong>grund v<strong>er</strong>läuft, ist Quastorf nicht ganz <strong>er</strong>sichtlich.<br />

Die bioTron v<strong>er</strong>handelt heimlich mit den Chinesen, die großes Int<strong>er</strong>esse<br />

an d<strong>er</strong> Üb<strong>er</strong>nahme des aufstrebenden Betriebes haben. Bionik ist das<br />

neue Thema d<strong>er</strong> Globalisten und auch beim Forum Alpbach kann man<br />

nicht an diesem Zaub<strong>er</strong>wort vorüb<strong>er</strong>gehen – selbst dort ist Spinnen-<br />

Seide in all<strong>er</strong> Munde (diskutiv; den mat<strong>er</strong>iell wäre das von Ekel begleitet!) Ob<br />

d<strong>er</strong> Gustl Frib<strong>er</strong>g<strong>er</strong> davon profiti<strong>er</strong>en wird, ist all<strong>er</strong>dings ungewiß!<br />

Dr. Wolfowitz ist unschlüssig. Wie soll <strong>er</strong> denen denn Gewinnmaximi<strong>er</strong>end<br />

gegenüb<strong>er</strong>treten? Ein<strong>er</strong>seits liebt <strong>er</strong> als Wissenschaft<strong>er</strong> die<br />

Unabhängigkeit d<strong>er</strong> Lehre, and<strong>er</strong><strong>er</strong>seits muß <strong>er</strong> auch seine Aktionäre<br />

zufriedenstellen. Und das gelingt sich<strong>er</strong> bess<strong>er</strong>, wenn ein potent<strong>er</strong><br />

int<strong>er</strong>national<strong>er</strong> Partn<strong>er</strong> einsteigt.<br />

Die V<strong>er</strong>handlungen ziehen sich üb<strong>er</strong> Tage hin und d<strong>er</strong> Hr. Doktor<br />

wird imm<strong>er</strong> mehr an die Wand gedrückt von den raffini<strong>er</strong>ten<br />

Globalisten. Die haben ihn total im Schwitzkasten. Denn <strong>er</strong>stens lief<strong>er</strong>n<br />

sie ihm seit Jahren wichtige, schw<strong>er</strong>v<strong>er</strong>fügbare und teilweise illegale<br />

Basis-Chemikalien, die zur Aufrecht<strong>er</strong>haltung sein<strong>er</strong> Produktions-<br />

Abläufe unabdingbar sind, zu absoluten Dumpingpreisen. Zweitens – so<br />

nebenbei – halbf<strong>er</strong>tige Tell<strong>er</strong>minen-K<strong>er</strong>ne für Darfur, die sein Betrieb<br />

nurmehr mit Rizin befüllen muß, um daraus die bösartigste<br />

Antip<strong>er</strong>sonen-Waffe, die an d<strong>er</strong> Genf<strong>er</strong> Konvention vorbeigeschuggelt<br />

wurde, h<strong>er</strong>zustellen. Diese Ding<strong>er</strong> w<strong>er</strong>den bei d<strong>er</strong> bioTron danach mit<br />

Hart-Gelatine und einem Maisstärken-Polym<strong>er</strong> ummantelt und v<strong>er</strong>fügen<br />

üb<strong>er</strong> nur wenig Sprengkraft. Wenn man darauftritt, tut sich zunächst gar<br />

nichts; w<strong>er</strong>den sie entlastet, springen sie wie ein üb<strong>er</strong>mütig<strong>er</strong> Frosch bis<br />

auf Kopfhöhe, lassen ein melodiöses „Pfiouuuh“ <strong>er</strong>klingen und d<strong>er</strong><br />

Betroffene dankt seinem jeweiligen Gott, daß <strong>er</strong> nur einen Blindgäng<strong>er</strong><br />

<strong>er</strong>wischt hat. Ab<strong>er</strong> nach vielen Stunden bis Tagen beginnt sein Blut zu<br />

v<strong>er</strong>klumpen und das Hämoglobin v<strong>er</strong>läßt seine Blutkörp<strong>er</strong>chen, da sich<br />

diese langsam auflösen. Die Folge: Atemnot, Lungenödem, H<strong>er</strong>zrasen,


177<br />

Aufdunsung, Brechdurchfall und schließlich Leb<strong>er</strong>v<strong>er</strong>sagen (ein gräßlich<strong>er</strong><br />

Tod – fast wie Ebola!).<br />

Unauffindbar sind die Mordding<strong>er</strong> durch Minensuch-G<strong>er</strong>äte, da<br />

diese auf Metall geeicht sind. In geheimen Waffen-B<strong>er</strong>ichten und<br />

militärischen W<strong>er</strong>beschriften w<strong>er</strong>den sie all<strong>er</strong>dings als absolut „Friedenskompatibel“<br />

beworben, da sie nach d<strong>er</strong> üblichen Laufzeit eines<br />

Bürg<strong>er</strong>krieges von 1 – 2 Jahren durch Hitze, Kälte od<strong>er</strong> Feuchtigkeit<br />

praktisch komposti<strong>er</strong>en und das Ack<strong>er</strong>land somit wied<strong>er</strong> bestellt w<strong>er</strong>den<br />

kann. Die paar Singfrösche, B<strong>er</strong>gziegen, Nacktmulle, Erdmännchen,<br />

Ameisenigel, Schlamm-Spring<strong>er</strong>, Dornteufel, Zibetkatzen und<br />

Springböcke, die beim Austritt des Giftes v<strong>er</strong>lorengehen, fehlen nur dem<br />

WWF und ihren natürlichen Freßfeinden.<br />

Das Rizin dafür ist sowieso ein lästiges Nebenprodukt aus d<strong>er</strong><br />

H<strong>er</strong>stellung von wichtigen Arzneimitteln für die Ti<strong>er</strong>mast (so nebenbei<br />

<strong>er</strong>spart man sich solch<strong>er</strong>art auch die unv<strong>er</strong>schämt hohen Entsorgungs-Kosten für das<br />

Teufelszeug). Und auch die HD-Gelatine fällt in großen Mengen im<br />

Produktions-Ablauf an; und Kukuruz ist ohnedies ubiquitär.<br />

D<strong>er</strong> Export ist relativ einfach. Da gibt es eine Schiene üb<strong>er</strong><br />

Salzburg nach San Luca in Calabrien; das macht die ’Nrangheta; da muß<br />

Wolfowitz sich nicht selbst anpatzen. Die kennen alle billigen Grenz<strong>er</strong>,<br />

bei denen die als Eiweiß-Konzentrat deklari<strong>er</strong>ten Minen als harmlose<br />

Hilfslief<strong>er</strong>ungen lock<strong>er</strong> durchgehen. Und sollte einmal ein beflissen<strong>er</strong><br />

ambitioni<strong>er</strong>t<strong>er</strong> Aushilfs-Zölln<strong>er</strong> den schlecht gewarteten (weil kaum<br />

benützten) Röntgen-Apparat anw<strong>er</strong>fen, so wird <strong>er</strong> auch nichts finden, da ja<br />

all<strong>er</strong> Inhalt organisch ist (angewandte Organchemie – auch eine Form von<br />

Bionik).<br />

Und würde d<strong>er</strong> wid<strong>er</strong> Erwarten eine Kiste einmal aufschneiden,<br />

findet man seine Leiche im weitläufigen romantischen Olivenhain des<br />

Dottore Amato, dem v<strong>er</strong>dienten Mafia-Jäg<strong>er</strong> von Reggio di Calabria, mit<br />

von Schrecken geweiteten gebrochenen Augen und den eigenen Hoden<br />

im Mund (und d<strong>er</strong> Dottore will sich<strong>er</strong> auch keine Probleme; <strong>er</strong> hat schon genug<br />

davon mit den Hühn<strong>er</strong>dieben und Vendetta-Anhäng<strong>er</strong>n!).<br />

Von alledem weiß Wolfowitz wenig – will es auch gar nicht<br />

wissen, denn <strong>er</strong> liebt Kantaten von Bach, seinen Irish-Sett<strong>er</strong>, seinen


178<br />

Sohn, d<strong>er</strong> angeblich Theat<strong>er</strong>wissenschaften studi<strong>er</strong>t (wofür d<strong>er</strong> all<strong>er</strong>dings das<br />

viele Geld braucht, will <strong>er</strong> natürlich auch nicht wissen) und seine Putzfrau, die<br />

unvorstellbare Qualitäten hat (putzen kann sie all<strong>er</strong>dings nur mäßig – reinlich<br />

ist nur ihr aufregend<strong>er</strong> Leib!).<br />

Die Chinesen haben ihn ab<strong>er</strong> drittens auch noch bei d<strong>er</strong> Gurgel,<br />

weil sie gut im Rech<strong>er</strong>chi<strong>er</strong>en sind und somit vom V<strong>er</strong>schwinden d<strong>er</strong><br />

Finanz<strong>er</strong> Wind bekommen haben. Die wissen b<strong>er</strong>eits, was denen<br />

wid<strong>er</strong>fahren ist – bis ins kleinste Detail – und das ist wahrlich<br />

v<strong>er</strong>hängnisvoll. Wenn die Polizei einen ähnlichen Wissensstand hätte,<br />

wäre das fatal für seine Karri<strong>er</strong>e! Somit ist <strong>er</strong> v<strong>er</strong>letzlich weil <strong>er</strong>preßbar.<br />

14 Daheim bei Clara muß Quastorf wied<strong>er</strong>einmal furchtbar Abbitte<br />

leisten, da <strong>er</strong> beim Diepolt nachgeforscht hat. D<strong>er</strong> Medizinalrat Dr.<br />

August Hebenstreit, d<strong>er</strong> gewichtige Distriktsarzt, hat ihn – anläßlich<br />

eines Besuches bei ihm wegen eines Rezeptes für die üble Migräne (an<br />

Hirn-Tumor will Quastorf vorläufig noch nicht so recht glauben) – auf den<br />

Gedanken gebracht.<br />

„D<strong>er</strong> Diepolt ist bekanntlich mein Intimfeind – haha; ich habe ja gar<br />

keine Feinde – ab<strong>er</strong> bei dem sollten Sie die Kompostanlage testen! D<strong>er</strong><br />

b<strong>er</strong>üchtigte Landesrat Bärnthal<strong>er</strong> vom Wass<strong>er</strong>recht hat mir bei all<br />

meinen Anfragen bezüglich unzulässig<strong>er</strong> G<strong>er</strong>uchsbelästigung imm<strong>er</strong> nur<br />

gesagt, daß alles gesetzeskonform sei und daß da sich<strong>er</strong> nicht politisch<br />

int<strong>er</strong>veni<strong>er</strong>t wurde. Für mich – als alt<strong>er</strong> Hase – stand somit klar im Raum<br />

‚aha; also doch!’. Ich bin froh, daß da einmal ein V<strong>er</strong>dacht ein<strong>er</strong><br />

Strafhandlung aufkommt, damit sich endlich was bewegt in d<strong>er</strong> Sache!<br />

Denn d<strong>er</strong> Kadav<strong>er</strong>-G<strong>er</strong>uch ist absolut un<strong>er</strong>träglich und durchaus nicht<br />

landesüblich (worauf man sich amtlich<strong>er</strong>seits hi<strong>er</strong>orts zumeist b<strong>er</strong>uft!)“.<br />

15 Folglich muß Quastorf alsbald zu H<strong>er</strong>rn Diepolt. D<strong>er</strong> ist<br />

großgewachsen, stattlich, gepflegt rothaarig – die Mähne bis zur Schult<strong>er</strong><br />

– und liebt Hardrock, was ihn für Quastorf sympathisch <strong>er</strong>scheinen läßt.<br />

Freundlich ist <strong>er</strong> all<strong>er</strong>dings wenig<strong>er</strong>. „Bei mir is ollas im Rauhmen<br />

d<strong>er</strong> strengen gesetzlichen Bestimmungen; wos woinn’S? I zoih meine<br />

Steian, hob a g<strong>er</strong>eg’ltes Famülien-Leb’n und i oabeit wirkle hoat de


179<br />

gaunze Woch’n und gelegentlich geh’ i hoit a ins Puff, waunn mi mei<br />

Frau außelahnt – des wean jo Se a moch’n!“.<br />

Quastorf v<strong>er</strong>wehrt sich inn<strong>er</strong>lich dagegen, da <strong>er</strong> noch nie bei<br />

Huren war, weil <strong>er</strong> Ausbeutung v<strong>er</strong>abscheut und nicht wegen seines<br />

wenig vorhandenen Geldes, sond<strong>er</strong>n eh<strong>er</strong> seines Charakt<strong>er</strong>s halb<strong>er</strong><br />

geliebt w<strong>er</strong>den will (was sich oftmals schwi<strong>er</strong>ig gestaltet), ab<strong>er</strong> <strong>er</strong> redet nicht<br />

wid<strong>er</strong>, da <strong>er</strong> den Befragten imm<strong>er</strong> g<strong>er</strong>ne Empathie anbietet. Denn das<br />

bringt wesentlich mehr als harte Inquisition.<br />

„H<strong>er</strong>r Diepolt, was ist die Ursache des un<strong>er</strong>träglichen Gestankes ihr<strong>er</strong><br />

Deponie? Ich habe in meinem Haus in Rappoltsgschwendt eine<br />

gigantische Kompostanlage aus Grünschnitt, Küchen-Abfällen,<br />

Kehricht, Laub und v<strong>er</strong>dorbenem Obst. Ab<strong>er</strong> d<strong>er</strong>en G<strong>er</strong>uch v<strong>er</strong>flüchtigt<br />

sich in bloß einem Met<strong>er</strong> Entf<strong>er</strong>nung, wiewohl da gelegentlich auch<br />

Ti<strong>er</strong>knochen und Fleischreste hineing<strong>er</strong>aten. Ab<strong>er</strong> die ihre v<strong>er</strong>breitet<br />

ihren ‚Duft’ oft mehr als fünf Kilomet<strong>er</strong> im Umkreis bis Höllweix. Ich<br />

glaube, uns<strong>er</strong> Dez<strong>er</strong>nat sollte Proben entnehmen aus ihren Mieten; sind<br />

Sie damit einv<strong>er</strong>standen. Ich komme wohl bess<strong>er</strong> demnächst mit einem<br />

Bescheid vom Staatsanwalt! Ist das für Sie <strong>er</strong>träglich? Ich will Sie<br />

wahrlich nicht üb<strong>er</strong>ford<strong>er</strong>n“.<br />

„Heans bitte! Jo i gib zua, daß i gaunz guat vadien’ mit d<strong>er</strong> Entsorgung<br />

von Schlocht-Aubfälle von de div<strong>er</strong>sen Bau<strong>er</strong>n, de no imm<strong>er</strong> hamlich<br />

schlochten, obwoih daß des de EU total vabod’n hot. I bin hoit vü<br />

büllicha ois wia de SANIRA in Tuinn. De san jo wauhnsinnig, wos de<br />

valaungan, weu’s es Monopoi haumm. Und de Kronk’nheisa san a froh,<br />

waunn eahnare Essensreste büllich weggakemman, weu ma’s nimma in<br />

Sautraunk misch’n deaf; heitzutog deafst jo goanix meah; Scheißzeit!“.<br />

„Das int<strong>er</strong>essi<strong>er</strong>t vielleicht den Dr. Hebenstreit. Den Landesrat<br />

Bärnthal<strong>er</strong> sollte es auch die Nachtruhe rauben, ab<strong>er</strong> ich denke da eh<strong>er</strong><br />

an menschliche Leichenteile! Gut, noch ist kein Mord-V<strong>er</strong>dacht, sond<strong>er</strong>n<br />

nur eine V<strong>er</strong>mißten-Anzeige; ab<strong>er</strong> wenn ein<strong>er</strong> aufkommen sollte, sind Sie<br />

d<strong>er</strong> Erste, den ich üb<strong>er</strong>prüfen würde!“.<br />

D<strong>er</strong> Schweiß auf d<strong>er</strong> Stirne des H<strong>er</strong>rn Diepolt beschämt jeden<br />

Künetten-Gräb<strong>er</strong>, Glasbläs<strong>er</strong>, üb<strong>er</strong>ford<strong>er</strong>ten Mountainbik<strong>er</strong> od<strong>er</strong> von d<strong>er</strong><br />

Hitze aufgebrauchten VOEST-Arbeit<strong>er</strong> am Ausstich des Hochofens


180<br />

od<strong>er</strong> am Blasemund d<strong>er</strong> Bessem<strong>er</strong>-Birne Aug’ in Aug’ mit dem flüssigen<br />

Stahl. Quastorf hat genug gesehen.<br />

„Darf ich mir von Ihrem Double-Platinum d<strong>er</strong> Kiss und von d<strong>er</strong> Black<br />

Sabbath einmal eine Kopie brennen, wenn die Zeiten ruhig<strong>er</strong> w<strong>er</strong>den?“.<br />

„Kein Problem, se san imma willkommen!“ die unglaubwürdige<br />

V<strong>er</strong>abschiedung des keltisch wirkenden Hünen.<br />

16 Um 16 Uhr 30 schneit Quastorf im Dez<strong>er</strong>nat vorbei. In letzt<strong>er</strong><br />

Zeit ist <strong>er</strong> quasi ein Komet, d<strong>er</strong> in nicht ganz b<strong>er</strong>echenbaren Bahnen<br />

seine Kreise um das stagni<strong>er</strong>ende Zentral-Gestirn des Kommissariates<br />

zieht. Dr. Kuchelbach<strong>er</strong> – wie imm<strong>er</strong> sehr kompetent und grundlos<br />

<strong>er</strong>regt – fliegt den einsamen Wolf unflätig an:<br />

„Sie undomestizi<strong>er</strong>bares Wild-Vieh! Was haben Sie da schonwied<strong>er</strong><br />

ang<strong>er</strong>ichtet? D<strong>er</strong> gute Dr. Wolfowitz und d<strong>er</strong> Diepolt haben sich<br />

furchtbar beschw<strong>er</strong>t, daß Sie ohne Dekret vom Dr. Sauschlag<strong>er</strong> bei ihnen<br />

Betriebsspionage betrieben hätten. Mit Ihnen kann man einfach nicht<br />

arbeiten! Sie sind ein krankes Glied uns<strong>er</strong>es Standes!“.<br />

Darauf Quastorf ganz cool: „Wir sind allesamt krank, da wir<br />

diesem B<strong>er</strong>ufsstand angehören und ich könnte Ihnen ein wenig helfen<br />

mit Autogenem Trainig, Zen-Medidation od<strong>er</strong> B<strong>er</strong>gwand<strong>er</strong>ungen. Denn<br />

Sie wirken auf mich bedrückt, üb<strong>er</strong>ford<strong>er</strong>t und nur wenig glücklich!“.<br />

Mehr hat <strong>er</strong> nicht gebraucht! „Pah, pah“ – bläst sich d<strong>er</strong><br />

Angesprochene wie eine bedrängte Erdkröte auf – „v<strong>er</strong>gessen Sie nie,<br />

daß ich Ihr Vorgesetzt<strong>er</strong> bin! Und ich kann Sie jed<strong>er</strong>zeit in die<br />

Frühpension schicken wegen Ihr<strong>er</strong> psychischen Probleme; Sie – Sie –<br />

solipsistisch<strong>er</strong> Subv<strong>er</strong>sant!“.<br />

„Lieb<strong>er</strong> H<strong>er</strong>r Kuchelbach<strong>er</strong>, Sie wissen so wie ich, daß wir einand<strong>er</strong><br />

brauchen und in Frieden miteinand<strong>er</strong> auskommen sollten!“.<br />

„Spaß beiseite! Wir haben im Moor von Wolfg<strong>er</strong>s heute eine Leiche<br />

gefunden, d<strong>er</strong> die Hände, das Geschlechtsteil und d<strong>er</strong> Kopf abgetrennt<br />

wurden. D<strong>er</strong> Dr. Anisin ist sich nicht ganz schlüssig, ob das nicht ein


181<br />

Asiate sei; war schwi<strong>er</strong>ig ohne Kopf! Todeszeit cirka drei Uhr gest<strong>er</strong>n<br />

früh. Todesursache wahrscheinlich Ersticken. Keine Bekleidung, keine<br />

Papi<strong>er</strong>e, keine Kampfspuren“.<br />

„Ein Asiate? Beim Schnapsen mit dem Pfarr<strong>er</strong> Hölling<strong>er</strong> in d<strong>er</strong> Blauen<br />

Gans habe ich vorgest<strong>er</strong>n <strong>er</strong>fahren, daß dort ein Chinese vor ein<strong>er</strong><br />

Woche abgestiegen sei. Sehr nobel gekleidet habe <strong>er</strong> das beste Zimm<strong>er</strong><br />

genommen. Üb<strong>er</strong>aus höflich, gut sprachkundig; alles nur mit Barzahlung<br />

und ordentliche Trinkgeld<strong>er</strong> habe d<strong>er</strong> gegeben. Und am Abend sei <strong>er</strong><br />

imm<strong>er</strong> pünktlich um zehn auf seinem Zimm<strong>er</strong> gewesen; nur vorgest<strong>er</strong>n<br />

nicht. Da habe <strong>er</strong> möglich<strong>er</strong>weise and<strong>er</strong>norts genächtigt“.<br />

„Na was hält Sie denn auf; sie sollten schon in ihr<strong>er</strong> mickrigen Kiste<br />

nach Zwettl flitzen, wenn die nicht g<strong>er</strong>ade einen Motorschaden hat!“ ätzt<br />

d<strong>er</strong> frustri<strong>er</strong>te Zynik<strong>er</strong>, weil <strong>er</strong> weiß, daß <strong>er</strong> Quastorf damit v<strong>er</strong>letzen<br />

kann, daß d<strong>er</strong> schon üb<strong>er</strong>proportional viel Geld aufwenden mußte, um<br />

die Sentimentalität des liebenden Hängens an diesem Schrotthaufen<br />

aufrechtzu<strong>er</strong>halten; ab<strong>er</strong> w<strong>er</strong>, wenn nicht Quastorf, hätte die Marie?<br />

„Schnapsen können Sie; v<strong>er</strong>mutlich in ihr<strong>er</strong> Dienstzeit, in d<strong>er</strong> and<strong>er</strong>e<br />

schuften müssen. Ab<strong>er</strong> bei uns ist eh<strong>er</strong> Rech<strong>er</strong>che angesagt!“.<br />

„Ja natürlich in mein<strong>er</strong> Dienstzeit; meine Freizeit muß ich für<br />

Höh<strong>er</strong>stehendes freihalten! Und wie Sie an meinen brauchbaren<br />

Informationen, die ich bei mein<strong>er</strong> ‚Unt<strong>er</strong>haltung’ mit links aufgeschnappt<br />

habe, <strong>er</strong>kennen können, schnupfe ich jeden Rech<strong>er</strong>chi<strong>er</strong>-Profi mit dem<br />

linken Nasenloch!“.<br />

„Sie haben recht; eigentlich müßte ich Sie küssen dafür! Wir sollten uns<strong>er</strong><br />

Kriegsbeil begraben!“.<br />

Quastorf will jetzt keine prinzipiellen Diskussionen, w<strong>er</strong> von<br />

beiden das Kriegsbeil <strong>er</strong>funden hätte, anfangen und fährt, damit <strong>er</strong> aus<br />

dem dumpfen Kobel h<strong>er</strong>auskomme.<br />

In d<strong>er</strong> Blauen Gans empfängt ihn d<strong>er</strong> Sepp Hopfing<strong>er</strong> üb<strong>er</strong>aus<br />

freundlich: „Heast Du host oba a a g’miadliche Hock’n, daß’D scho aum<br />

Vuamittog ins Wirtshaus geh kaunnst!“.


182<br />

„Diesmal bin ich leid<strong>er</strong> dienstlich da. D<strong>er</strong> Chinese, von dem mir d<strong>er</strong><br />

Pfarr<strong>er</strong> unlängst <strong>er</strong>zählt hat; kann ich den sprechen?“.<br />

„D<strong>er</strong> is leida no imma net auftaucht. I moch ma scho echt Suag’n, wo<br />

dea bleibt. Weg’nan Zoihn was net, weu dea hot im Vorraus blecht; oba<br />

menschlich hoit – bei mia g’hean de Gäst’ imm<strong>er</strong> a zua Famülie!“.<br />

„Kann ich sein Zimm<strong>er</strong> sehen? Es gibt da einen V<strong>er</strong>dacht, daß d<strong>er</strong> nicht<br />

mehr kommen wird“.<br />

„Geh weida! Oba i waß net, ob i des d<strong>er</strong>f – de Privatsphäre mein<strong>er</strong> Gäste<br />

is ma normal<strong>er</strong>weis’ heulich!“.<br />

„Er wird Dich wahrscheinlich nicht mehr belangen diesbezüglich, da <strong>er</strong><br />

All<strong>er</strong>seelen ab heu<strong>er</strong> sich<strong>er</strong> nur passiv fei<strong>er</strong>n wird!“.<br />

„No seavas! Und des bei uns; in d<strong>er</strong>a ruhigen Gegend! Oiso guat, schau<br />

ma hoit auf sei Zimma“.<br />

H<strong>er</strong>r Hua Ming ist nicht nur ein angenehm<strong>er</strong> Gast, sond<strong>er</strong>n auch<br />

in seinem Privatleben ungemein geordnet und strukturi<strong>er</strong>t gewesen.<br />

Sowas von penibel seine ganzen Habseligkeiten. Die Anzüge hängen<br />

Kante auf Kante im Kasten, an d<strong>er</strong>en Bügelfalten könnte man sich<br />

schneiden, kein g<strong>er</strong>ingstes Fuz<strong>er</strong>l Schmutz od<strong>er</strong> Fleck auf d<strong>er</strong> Kleidung.<br />

Selbst die Unt<strong>er</strong>wäsche fein gebügelt und alles absolut st<strong>er</strong>il. Da wird<br />

man wenig Spuren finden können! Nur die Papi<strong>er</strong>e und sein ganzes Geld<br />

sind v<strong>er</strong>schwunden und die Rolex, die <strong>er</strong> angeblich getragen hat, findet<br />

sich auch nicht mehr. Im gemütlichen Kamin, den d<strong>er</strong> Hopfing<strong>er</strong> zur<br />

Freude sein<strong>er</strong> Gäste installi<strong>er</strong>t hat, v<strong>er</strong>branntes Papi<strong>er</strong> und d<strong>er</strong> g<strong>er</strong>inge<br />

Rest eines BILLA-Sack<strong>er</strong>ls. Quastorf fing<strong>er</strong>t darin mit einem<br />

mitgebrachten Latex-Handschuh h<strong>er</strong>um und wird alsbald fündig. Ein<br />

Fuz<strong>er</strong>l unv<strong>er</strong>branntes Geschreibsel mit Zyrillischen Buchstaben. In ein<br />

Jausensack<strong>er</strong>l damit. Die Spurensich<strong>er</strong>ung kann spät<strong>er</strong> kommen; <strong>er</strong><br />

v<strong>er</strong>siegelt vor<strong>er</strong>st einmal das Fremdenzimm<strong>er</strong>.<br />

In d<strong>er</strong> Gaststube sitzt im H<strong>er</strong>unt<strong>er</strong>kommen d<strong>er</strong> alte Schm<strong>er</strong>bach<strong>er</strong><br />

vom Kam<strong>er</strong>adschaftsbund. Quastorf hat plötzlich einen Geistesblitz!<br />

Unt<strong>er</strong> d<strong>er</strong>artigen Spontaneingebungen leidet <strong>er</strong> seit jeh<strong>er</strong> g<strong>er</strong>ne.


183<br />

„H<strong>er</strong>r Schm<strong>er</strong>bach<strong>er</strong>; gut daß ich Sie treffe, Sie waren doch jahrelang in<br />

russisch<strong>er</strong> Kriegsgefangenschaft! Da können Sie doch sich<strong>er</strong> auch d<strong>er</strong>en<br />

Sprache und Schrift entziff<strong>er</strong>n. Ich hätte da einige Zeilen, die sie mir<br />

vielleich üb<strong>er</strong>setzen könnten“.<br />

„No, waunn’s sei muaß – ollaweu! Zag’ns hea den Fetz’n. ‘Strachotna<br />

moschnachani, nachotna boschtra, endruvu baruschkim’ – no seavas. Des<br />

haßt sovüh wia ‚du Pf<strong>er</strong>de-Urin, du Großmutta-Ficka, mia wean di a no<br />

daklatschn!’. Hüft ihna des weida?“.<br />

„Durchaus und ich danke Ihnen; Sie haben mir sehr geholfen!”.<br />

Quastorf trinkt sein Bi<strong>er</strong> aus und dann ins Dez<strong>er</strong>nat mit dem<br />

v<strong>er</strong>kohlten Corpus delicti.<br />

D<strong>er</strong> Kuchelbach<strong>er</strong> ist entsetzt: „Das ist wied<strong>er</strong> so ein unzulässig<strong>er</strong><br />

Alleingang von ihnen! Wann w<strong>er</strong>den Sie endlich einmal <strong>er</strong>wachsen?<br />

Nach Ihr<strong>er</strong> Pensioni<strong>er</strong>ung? Wir spielen hi<strong>er</strong> nicht Räub<strong>er</strong> und Gendarm.<br />

Für d<strong>er</strong>lei haben wir bekanntlich die Spezialisten d<strong>er</strong> Spurensich<strong>er</strong>ung!<br />

Das Mat<strong>er</strong>ial muß doch in situ <strong>er</strong>faßt w<strong>er</strong>den, sonst ist es nahezu w<strong>er</strong>tlos.<br />

Sich<strong>er</strong> haben Sie wied<strong>er</strong> wichtige Detail-Informationen v<strong>er</strong>nichtet mit<br />

Ihr<strong>er</strong> Wichtigmach<strong>er</strong>ei!“<br />

Habison hingegen ist begeist<strong>er</strong>t: „Wo haben Sie das denn<br />

gefunden, dieses Beweisstück bieten einiges an. Wir haben hi<strong>er</strong> ein<br />

Säurepapi<strong>er</strong> von d<strong>er</strong> Steyr<strong>er</strong>mühl-Papi<strong>er</strong>mühle, wie es oft für Kelln<strong>er</strong>-<br />

Notizblöcke V<strong>er</strong>wendung findet; die Tinte hat chemische Qualitäten, die<br />

nur in Tschetschenien v<strong>er</strong>wendet wird (Kohle vom kleinen Pulv<strong>er</strong>hölzchen-<br />

Strauch; dem kaukasischen Faulbaum, den d<strong>er</strong> leid<strong>er</strong> selten gewordene Brombe<strong>er</strong>-<br />

Zipfelfalt<strong>er</strong> g<strong>er</strong>ne zur Paarung nützt), Fing<strong>er</strong>abdrücke finden sich keine und<br />

die DNS-Spuren w<strong>er</strong>den uns nicht recht weit<strong>er</strong>bringen, solange wir keine<br />

V<strong>er</strong>gleichs-Daten haben. Die Schrift ist eh<strong>er</strong> ungelenk, soweit ich das bei<br />

Zyrillisch behaupten kann!“.<br />

17 D<strong>er</strong> ehrenw<strong>er</strong>te H<strong>er</strong>r Ranzbichl<strong>er</strong> wurde nach V<strong>er</strong>hör durch die<br />

Finanz-Prokuratur freigelassen und auf freiem Fuß angezeigt. Jetzt,<br />

nachdem etwas Gras üb<strong>er</strong> die Sache gewachsen ist, kann <strong>er</strong> nächtens die<br />

zuvor geplante Aktion endlich ausführen. Im Kühlhaus findet <strong>er</strong> das


184<br />

Mat<strong>er</strong>ial, läßt es auftauen, jagt es durch den Sep<strong>er</strong>ator und dreht das<br />

Weiche dann mehrfach duch den Cutt<strong>er</strong> – das Harte ab<strong>er</strong> landet in d<strong>er</strong><br />

Mühle. Schweißgebadet w<strong>er</strong>kt <strong>er</strong> bis vi<strong>er</strong> Uhr früh; ab<strong>er</strong> das Zeug muß<br />

eben schnellstens weg, wenn ihm als abgebrühtem Schlacht<strong>er</strong> auch<br />

nochso graust bei dies<strong>er</strong> nächtlichen Schw<strong>er</strong>st-Arbeit (und das will wahrlich<br />

einiges heißen)! Jetzt, wo die <strong>er</strong>sten Ermittlungen nur auf tön<strong>er</strong>nen Beinen<br />

stehende V<strong>er</strong>dachtsmomente <strong>er</strong>geben haben, kann man bedenkenlos im<br />

Nachhinein kreativ w<strong>er</strong>den. So unkeusch ab<strong>er</strong>, daß <strong>er</strong> die imm<strong>er</strong>hin fast<br />

hund<strong>er</strong>t Kilo Fleisch auch noch als Basis für Dön<strong>er</strong>-Kebab od<strong>er</strong><br />

Tschewaptschitschi v<strong>er</strong>markten würde, ist <strong>er</strong> denn doch nicht. Ab<strong>er</strong> in<br />

die SANIRA traut <strong>er</strong> sich das Mat<strong>er</strong>ial halt auch nicht entsorgen<br />

(deklari<strong>er</strong>t als v<strong>er</strong>dorbenes Faschi<strong>er</strong>tes). Einen weit<strong>er</strong>en Fleisch-Skandal kann<br />

sich Ranzbichl<strong>er</strong> wahrlich nicht mehr leisten, nachdem <strong>er</strong> schon ein<br />

Strafv<strong>er</strong>fahren hatte, das durch alle Medien gegangen ist (unangenehm genug<br />

für ihn als Ex-Bürg<strong>er</strong>meist<strong>er</strong> von Kaltenreichs). Auch wird <strong>er</strong> seinen Betrieb<br />

üb<strong>er</strong>haupt zusp<strong>er</strong>ren müssen, weil ihm B<strong>er</strong>ufs-V<strong>er</strong>bot droht. Also ruft <strong>er</strong><br />

v<strong>er</strong>zweifelt den Diepolt an, d<strong>er</strong> üblich<strong>er</strong>weise keine Schwi<strong>er</strong>igkeiten<br />

macht, wenn nur die Kasse stimmt.<br />

„Geh bitte, i hätt do wieda a hauf’n Glumpat. Dada’sd ma des vagrob’n<br />

in deina Deponie; i zohlat d<strong>er</strong>moi a a bißl meah ois wia sunst?“.<br />

„Bist deppat wuann; jetzt, wo mi dea Kiebara aun da Huast’n hot, wea i<br />

da sich<strong>er</strong> nix meah nehma; sovüh kaunnst goanet zoihn!“.<br />

Ranzbichl<strong>er</strong> ist ratlos und ruft den Rüdig<strong>er</strong> Fallenhorst von ein<strong>er</strong><br />

Telefonzelle aus an, da <strong>er</strong> b<strong>er</strong>eits die Üb<strong>er</strong>wachung seines Handys<br />

befürchtet (da sind die von d<strong>er</strong> KriPo heute schnell damit zur Hand; in letzt<strong>er</strong> Zeit<br />

hat es b<strong>er</strong>eits öft<strong>er</strong> v<strong>er</strong>dächtig in d<strong>er</strong> Leitung geknackt!).<br />

„Geh Rudi, du muaßt ma außahöf’n. Dea Diepolt nimmt ma des Zeig<br />

nimma, weu’s eahm zwick’n! Du hängst jo a mit d’rin. Wia soi i denn des<br />

loswean? Kenntast’as net in Dein Hockschnitz’l-Of’n vaoabeit’n. Des<br />

brennt do eh gaunz guat be d<strong>er</strong>a Hitz’, wos de hot! I kaunn jo net vom<br />

Wolfowitz valaunga, daß’a Kotz’n-Fuada d’raus mochat; des follat jo aus<br />

seina Produkt-Palette!“.<br />

„Damit kann ich mich sich<strong>er</strong> nicht beschäftigen. Die Sache ist gelaufen<br />

für mich; ich habe meine eigenen Probleme!“.


185<br />

„Heast, mia woan do imma a p<strong>er</strong>fektes Team; Du kaunnst Di do jetzt<br />

net druck’n – bei Dia bleibt genausovüh hänga wia bei uns olle – oda i<br />

pock aus! I hob jo jetzt eh nix meah zan vali<strong>er</strong>’n“.<br />

Rüdig<strong>er</strong> hat b<strong>er</strong>eits aufgelegt. Das änd<strong>er</strong>t die Situation; jetzt wird<br />

aufgedeckt! Doch nach einigen Stunden d<strong>er</strong> V<strong>er</strong>zweiflung besinnt sich<br />

H<strong>er</strong>r Ranzbichl<strong>er</strong> und hat eine geniale Idee!<br />

18 Das mit d<strong>er</strong> Wahrnehmung d<strong>er</strong> dritten Art in d<strong>er</strong> Zwischenwelt<br />

beunruhigt Quastorf weit<strong>er</strong>hin – d<strong>er</strong> nicht mehr auffindbare Erdstall.<br />

D<strong>er</strong> Sch<strong>er</strong>z mit den Auß<strong>er</strong>irdischen könnte doch möglich<strong>er</strong>weise nicht<br />

ganz bar jed<strong>er</strong> Denkbarkeit sein. Quastorf kennt die von Einheimischen<br />

propagi<strong>er</strong>ten Geschichten, daß da ein seltsam<strong>er</strong> Charakt<strong>er</strong> – d<strong>er</strong> Besitz<strong>er</strong><br />

eines Steinbruches in Kautzendorf (ein gewiss<strong>er</strong> Ing. St<strong>er</strong>n) – behauptet<br />

hätte, daß <strong>er</strong> mittels drei<strong>er</strong> – an den Eckpunkten eines gleichseitigen<br />

Dreieckes – im exakten Abstand von 666 Met<strong>er</strong>n positioni<strong>er</strong>ten Orten<br />

aufzustellenden LASER-Strahl<strong>er</strong>n (ein<strong>er</strong> rot, ein<strong>er</strong> blau und ein<strong>er</strong> grün) in<br />

tausenden Kilomet<strong>er</strong>n Höhe einen strahlend-weißen Punkt auß<strong>er</strong>halb<br />

d<strong>er</strong> Stratosphäre zu schaffen imstande wäre, daß die Luftlande-Truppen<br />

d<strong>er</strong> Aliens den Landeplatz im Waldvi<strong>er</strong>tel finden könnten – uralt<strong>er</strong><br />

magisch<strong>er</strong> Boden eben – man ahnt b<strong>er</strong>eits die auß<strong>er</strong>gewöhnliche<br />

Anziehungskraft. Diese Scheiße sollte <strong>er</strong> doch noch aus sein<strong>er</strong> Tätigkeit<br />

in d<strong>er</strong> Wachau <strong>er</strong>inn<strong>er</strong>n: Die Geschichte mit den Asgaard-Burschen, die<br />

voriges Jahr unt<strong>er</strong> so entsetzlichen Umständen umgekommen sind!<br />

Möglich<strong>er</strong>weise ist dem das b<strong>er</strong>eits wirklich gelungen! In einem<br />

Dorf voll Kauzen hat d<strong>er</strong> sich<strong>er</strong> seinen Platz! Nach statistischen<br />

B<strong>er</strong>echnungen d<strong>er</strong> Kosmologen all<strong>er</strong>dings gibt es in uns<strong>er</strong> Galaxis (d<strong>er</strong> für<br />

Liebespaare romantischen Milchstraße) möglich<strong>er</strong>weise mehr als 10.000 von<br />

intelligenten Kulturen bewohnte Planeten. Nur w<strong>er</strong>den die uns (wied<strong>er</strong><br />

statistisch betrachtet) kaum je finden, denn zwischen denen und uns liegen<br />

meist hund<strong>er</strong>ttausende Lichtjahre. Die Wahrscheinlichkeit, daß uns<br />

Auß<strong>er</strong>irdische <strong>er</strong>reichen könnten, ist wesentlich g<strong>er</strong>ing<strong>er</strong>, als daß jemand<br />

jede Woche seines fürd<strong>er</strong>en Lebens einen Lotto-Sechs<strong>er</strong> machte ohne je<br />

einen Lottoschein ausgefüllt zu haben (also faktisch gleich null!). Es ist<br />

leicht<strong>er</strong>, am fünf Kilomet<strong>er</strong> langen weißen Sand-Strand von Ulcinj das<br />

einzige schwarze Sandkorn zu finden, als uns<strong>er</strong>e blaue Welt zwischen all<br />

den vielen Himmelskörp<strong>er</strong>n. Nur das schwarze Sandkorn könnte man in


186<br />

ein<strong>er</strong> halben Stunde zu Fuß aufsuchen, ab<strong>er</strong> uns<strong>er</strong>e Erde findet man als<br />

Extrat<strong>er</strong>resting<strong>er</strong> nur rein zufällig in zig Milliarden Jahren (und w<strong>er</strong> lebt<br />

schon so lange?).<br />

Irgendwie zieht es Quastorf magisch nach G<strong>er</strong>fritz zum Fidelen<br />

Holzhack<strong>er</strong>. Er muß von d<strong>er</strong> h<strong>er</strong>vorragenden Kaldaunen-Wurst haben,<br />

d<strong>er</strong>en Rezeptur nur d<strong>er</strong> Kalling<strong>er</strong> kennt von sein<strong>er</strong> alten, leid<strong>er</strong> allzufrüh<br />

v<strong>er</strong>storbenen Mutt<strong>er</strong>. Leicht angesäuselt – wie imm<strong>er</strong> – begrüßt dies<strong>er</strong><br />

Quastorf:<br />

„Na a wieda amoi do; scho laung net g’seg’n, den H<strong>er</strong>rn Kommissar!<br />

Samma heit privat? Heit gibt’s Kuttl-Wuascht; a Kriagl Zwettl<strong>er</strong> dazua?“.<br />

Quastorf nickt stumm in freudig<strong>er</strong> Erwartung d<strong>er</strong> kulinarischen<br />

Exorbitanz, die man sonst nirgends <strong>er</strong>halten kann.<br />

„Eigentlich auch dienstlich. Sind da zufällig Russen in d<strong>er</strong> Gegend?“.<br />

„Jo da Dimitrij Askhanasov woa bis vuriche Woch’n do. Dea hot<br />

vielleicht a Kned’l niedag’legt! Soichane Gäst’ hätt’ i gean äfta! I was net,<br />

wos de Hotö-Besitza imma geg’n de Russ’n hom. Oba dea is ka richtiga<br />

Russ’; mea von weida drieb’n. Dea hot se nix ohgeh’ loss’n! Mit zwa<br />

wundascheene junge Weiba wor’a untawegs: Duttln haum da de g’hobt<br />

und haum’s außahänga loss’n aus de z’engan Blus’n, daß’d drama<br />

kunntast davau und de teian Jeans-Hosen haum eahna in da Fut<br />

ei’g’schnidt’n, daß de sofuat auskennt host! Und sauf’n hot dea känna,<br />

daß i aufgeb’n hob miaß’n – und des wüh wos haßn! Des is ma a<br />

g’scheida Moslem; net so vazwickt wia de bleed’n Taliban!“.<br />

Das klingt glaubhaft für Quastorf, denn <strong>er</strong> kennt die Alkohol-<br />

Festigkeit des einschichtigen Wirten nur allzu gut. Ein Russ’ von weita<br />

drüben und Moslem? Sich<strong>er</strong> ein Tschetschene! Sehr aufschlußreich!<br />

19 Er muß heim zu Clärchen, damit sie ihm nicht abhandenkomme.<br />

Die Schild<strong>er</strong>ung von den üppigen Brüsten und den<br />

einschneidenden Hosen hat ihn total aufgewühlt (ein wenig auch d<strong>er</strong><br />

wund<strong>er</strong>bare Geschmack d<strong>er</strong> Pansen-Würste, d<strong>er</strong> ihm in die Ei<strong>er</strong> gefahren ist, wie <strong>er</strong><br />

das so hat bei gutem Essen – d<strong>er</strong> ominöse Orogenitalreflex).


187<br />

Etwas unfreundlich wird <strong>er</strong> von Clara empfangen: „Na, bin ich<br />

wied<strong>er</strong> gut genug, wenn d<strong>er</strong> H<strong>er</strong>r Kommissar unt<strong>er</strong> sexuell<strong>er</strong> Notlage<br />

leidet?“.<br />

Quastorf windet sich vor Scham und sehnt sich gleichzeitig nach<br />

Claras duftend<strong>er</strong> Ebendies<strong>er</strong>. Wie kann <strong>er</strong> sie besänftigen und<br />

gleichzeitig seine sexuellen Obsessionen unv<strong>er</strong>fänglich einford<strong>er</strong>n? D<strong>er</strong><br />

alte Trick mit Intellektualität, d<strong>er</strong> bei ihr praktisch imm<strong>er</strong> zieht:<br />

„Kannst Du Dir eigentlich vorstellen, daß es Auß<strong>er</strong>irdische gibt? Ich<br />

hatte da so ein seltsames Erlebnis in d<strong>er</strong> Zwischenwelt. Ist das<br />

philosophisch – od<strong>er</strong> bess<strong>er</strong> gesagt – psychodynamisch vorstellbar für<br />

Dich? Vor vielen Jahren war da auch etwas ähnliches; ab<strong>er</strong> da kann ich<br />

mich nicht mehr so recht daran <strong>er</strong>inn<strong>er</strong>n“.<br />

„Ich bitte Dich; komme mir jetzt nicht kalmi<strong>er</strong>end und in gewiss<strong>er</strong> Weise<br />

regressiv! Gut, meine Position ist, daß das genau in Deinem imm<strong>er</strong><br />

propagi<strong>er</strong>ten Sinne vollkommen unbedeutend ist. Du bist Agnostik<strong>er</strong><br />

und ich bin bekanntlich für alles offen (was uns unt<strong>er</strong>scheidet – nicht die<br />

Offenheit – die Agnostik), ab<strong>er</strong> was soll diese Unwägbarkeit für uns<strong>er</strong>e<br />

Beziehung bringen. Ich will jetzt sofort ficken, wenn es dem<br />

ausgelaugten H<strong>er</strong>ren möglich wäre, denn ich liebe Dich trotz alledem<br />

und mein sexuell<strong>er</strong> Hung<strong>er</strong> ist gewaltig, da ich Dich nur so selten zur<br />

V<strong>er</strong>fügung habe!“. Ab ins Bett und man opf<strong>er</strong>t gemeinsam d<strong>er</strong><br />

Aphrodite, dem Eros und dem Bacchus das ihnen Zustehende.<br />

20 Am nächsten Tag liest Quastorf im Gratis-Lokalblatt Dahoam,<br />

daß vorige Woche ein UFO gesichtet wurde üb<strong>er</strong> Kautzendorf. Für ihn<br />

als Realisten stellt sich somit eh<strong>er</strong> die Frage, ob da nicht am TÜPl<br />

Allentsteig eine neue Waffe ausprobi<strong>er</strong>t wurde, bei d<strong>er</strong> die Militärs<br />

zwecks Anbied<strong>er</strong>ung an die NATO kein<strong>er</strong>lei Int<strong>er</strong>esse haben, den<br />

Sachv<strong>er</strong>halt zu bestätigen od<strong>er</strong> zu dementi<strong>er</strong>en. Ein ähnliches Vorgehen,<br />

wie es auch d<strong>er</strong> Vatikan seit jeh<strong>er</strong> übt, denn nur so geben die Medien<br />

klein bei, wenn sie in den Wald hineinrufen und das Echo v<strong>er</strong>weig<strong>er</strong>t die<br />

<strong>er</strong>wartete Antwort. So lassen sich die gefährlichsten Inhalte unbeschadet<br />

durch die heftigsten Brandungen d<strong>er</strong> aufgewühlten Volks-Seele sich<strong>er</strong> in<br />

den Hafen steu<strong>er</strong>n, wo sie <strong>er</strong>st wirkmächtig w<strong>er</strong>den können.


188<br />

Also hin nach Allentsteig. Die H<strong>er</strong>kunft dieses seltsamen Namens<br />

hat Quastorf vor Jahren so beschäftigt, daß <strong>er</strong> dies<strong>er</strong> nachgeforscht hat.<br />

Irgendein Adalolt (mit d<strong>er</strong> Jahreszahlen-Geschichte steht Quastorf auf Kriegsfuß)<br />

hatte damals eine Burg namens Tiga (namensgebend für den Ort Thaya und<br />

auch dort gelegen). Irgendwie ist ihm die spät<strong>er</strong> abhandengekommen – sei’s<br />

durch Feindes-Einwirkung, Enteignung durch Fürst od<strong>er</strong> Kais<strong>er</strong> wegen<br />

Unbotmäßigkeit od<strong>er</strong> gar am Spieltisch – jedenfalls mußte <strong>er</strong> sich etwas<br />

Neues schaffen (warum <strong>er</strong> sich dafür g<strong>er</strong>ade diesen Platz hi<strong>er</strong> ausgesucht hat, ist<br />

unklar; wahrscheinlich war alles And<strong>er</strong>e v<strong>er</strong>griffen). Nach Errichtung d<strong>er</strong> neuen<br />

Burg nannte <strong>er</strong> sie etwas einfallslos ebenfalls Tiga. Es war folglich<br />

Adalolt’s Tiga. D<strong>er</strong> Volksmund deformi<strong>er</strong>te es spät<strong>er</strong> zu Allents-tiga (s-tiga<br />

muß irgendwas mit ‚steig’ zu tun haben od<strong>er</strong> so irgendwie dann die V<strong>er</strong>ballhornung).<br />

D<strong>er</strong> Truppen-Kommandant Brigardi<strong>er</strong> Dr. Konrad Götz<br />

empfängt Quastorf nur wid<strong>er</strong>willig, ab<strong>er</strong> weltoffen, wie es von den<br />

Psychologen d<strong>er</strong> He<strong>er</strong>es-Leitung vorgegeben ist (Zivilisten, Journalisten und<br />

<strong>er</strong>st recht he<strong>er</strong>esfremden Beamten nur ja keine Reibeflächen bieten!).<br />

„Was ist Ihr Anliegen? Vorausgeschickt: Wir hi<strong>er</strong> haben einen<br />

extrat<strong>er</strong>ritorialen Status (hi<strong>er</strong> ist quasi wed<strong>er</strong> Öst<strong>er</strong>reich noch sonst eine<br />

gesetzgebende Nation zuhause) und wir sind es nicht gewohnt und auch<br />

nicht Willens, mit Exekutiv-Organen zu kommunizi<strong>er</strong>en (d<strong>er</strong> einzige Feind<br />

des Beamten ist ausschließlich d<strong>er</strong> Beamte, denkt Quastorf bei sich selbst!). Sollte<br />

irgendein V<strong>er</strong>dacht ein<strong>er</strong> strafbaren Handlung auf eines uns<strong>er</strong><strong>er</strong> Korps-<br />

Mitglied<strong>er</strong> od<strong>er</strong> auf eine Einheit fallen, unt<strong>er</strong>liegt das ausschließlich d<strong>er</strong><br />

Militär-G<strong>er</strong>ichtsbarkeit – Sie v<strong>er</strong>stehen?“.<br />

Quastorf v<strong>er</strong>steht, daß sich die niemals in die Karten schauen<br />

lassen wollen (wie sein<strong>er</strong>zeit bei sein<strong>er</strong> aufmüpfigen Anfrage üb<strong>er</strong> die<br />

unv<strong>er</strong>antwortliche Anhäufung von depleti<strong>er</strong>tem Uran in einem Atomwaffen-freien<br />

Staat wie Öst<strong>er</strong>reich, die auch von dem selben H<strong>er</strong>rn rundweg bestritten – bess<strong>er</strong>gesagt<br />

ignori<strong>er</strong>t – wurde!). Ab<strong>er</strong> Allentsteig ist ja nicht Öst<strong>er</strong>reich, wie Quastorf zu<br />

seinem Erstaunen g<strong>er</strong>ade v<strong>er</strong>nehmen mußte. Int<strong>er</strong>essant nur, daß<br />

jedwede strafbare Handlung vorauseilend bestritten wurde, wo doch<br />

kaum ein V<strong>er</strong>dacht vorliegt und schon gar kein diesbezüglich<strong>er</strong> Vorwurf<br />

im Raum steht! Da trapst das Duckant<strong>er</strong>l lautstark!<br />

„Können Sie sich einen Reim auf die Sichtung eines UFOs üb<strong>er</strong><br />

Kautzendorf machen, auß<strong>er</strong> daß d<strong>er</strong> Ing. St<strong>er</strong>n seinen UFO-Landeplatz


189<br />

realisi<strong>er</strong>t hätte. Ihre Luftraum-Üb<strong>er</strong>wachung Feenhaube ist doch<br />

hoffentlich so effizient, daß sie das sich<strong>er</strong> registri<strong>er</strong>t hätte!“.<br />

„Ich v<strong>er</strong>stehe nicht, was Sie meinen? Achso, d<strong>er</strong> St<strong>er</strong>n, d<strong>er</strong> Spinn<strong>er</strong>! Den<br />

obs<strong>er</strong>vi<strong>er</strong>en wir seit Jahren, ab<strong>er</strong> dessen Projekt hat sich doch nur am<br />

Stammtisch abgespielt nach einigen Krügeln. Ein gut gemeintes Konzept<br />

zur Anregung des lahmenden Fremdenv<strong>er</strong>kehrs in d<strong>er</strong> Region“.<br />

„Na dann möglich<strong>er</strong>weise eine abstürzende Träg<strong>er</strong>raketen-Stufe d<strong>er</strong><br />

Discov<strong>er</strong>y od<strong>er</strong> ein illegal<strong>er</strong> V<strong>er</strong>such des V<strong>er</strong>eins für Physikalische<br />

V<strong>er</strong>botszonen, den Sie seit Jahren beobachten – weil potenziell<br />

staatsgefährdend – od<strong>er</strong> eben d<strong>er</strong> Einsatz eines neuen militärischen<br />

G<strong>er</strong>ätes zur psychischen Destabilisi<strong>er</strong>ung d<strong>er</strong> schlichten Bevölk<strong>er</strong>ung!<br />

War es das? Was zahlt eigentlich die NATO für d<strong>er</strong>artige Tests?“.<br />

„Ihr Vorbringen klingt sehr eigentümlich und fast ein wenig<br />

unfreundlich. In welch<strong>er</strong> Angelegenheit <strong>er</strong>mitteln Sie d<strong>er</strong>zeit eigentlich?“.<br />

„Das ist schwi<strong>er</strong>ig zu <strong>er</strong>klären; zwei Finanz-Fahnd<strong>er</strong> sind spurlos<br />

v<strong>er</strong>schwunden, da diese offenkundig gewissen Leuten im Weg waren.<br />

Zuletzt wurden sie in d<strong>er</strong> Zwischenwelt in Hartenfels gesichtet und das ist<br />

ja hi<strong>er</strong> ganz in d<strong>er</strong> Nähe; und da dachte ich halt, daß ich bei Ihnen sich<strong>er</strong><br />

einschlägige Informationen bekommen könnte“.<br />

„Ich hoffe, Sie behalten das für sich, denn das ist alles legal, höchst sensibel und von<br />

den all<strong>er</strong>höchsten Stellen abgesegnet. Wir <strong>er</strong>proben zur Zeit ein von d<strong>er</strong> ADMS<br />

entwickeltes Einsatzg<strong>er</strong>ät, das quasi UFO-Qualitäten hat. Es basi<strong>er</strong>t auf<br />

Vorarbeiten von W<strong>er</strong>nh<strong>er</strong> von Braun; nur halt eine wesentlich v<strong>er</strong>bess<strong>er</strong>te<br />

Weit<strong>er</strong>entwicklung. In drei Dimensionen leicht maneuvri<strong>er</strong>bar (im V<strong>er</strong>trauen: in<br />

einig<strong>er</strong> Zeit hoffen wir auch die vi<strong>er</strong>te Dimension zu kontrolli<strong>er</strong>en, sodaß es in d<strong>er</strong><br />

Zeit reisen könnte), praktisch unv<strong>er</strong>letzlich, weil h<strong>er</strong>kömmliche Raketen-Systeme<br />

daran vorbeigelenkt w<strong>er</strong>den und relativ leicht mittels Joy-Stick zu bedienen (praktisch<br />

wie ein Video-Spiel). Stealth-Technologie ist selbstredend Standard des CRU<br />

(CombatResistantUnit). Wenn die Amis, die Russen od<strong>er</strong> die Chinesen davon Wind<br />

bekämen – nicht auszudenken – die wären sehr froh, wenn sie das hätten! Ist Ihnen<br />

das dienlich? Ich hoffe sehr, daß Sie das nicht in Ihren B<strong>er</strong>icht schreiben, denn das<br />

wäre strafbar; das unt<strong>er</strong>liegt d<strong>er</strong> all<strong>er</strong>ob<strong>er</strong>sten Geheimhaltungsstufe!“ v<strong>er</strong>nimmt<br />

Quastorf wie in Trance üb<strong>er</strong>rascht intimste Militärgeheimnisse.


190<br />

Na wenn sich da nur d<strong>er</strong> Brigardi<strong>er</strong> nicht g<strong>er</strong>ade selbst strafbar<br />

gemacht hat. Quastorf kann das g<strong>er</strong>ne zusich<strong>er</strong>n, denn <strong>er</strong> ist im Umgang<br />

mit dem Militär geeicht, wiewohl <strong>er</strong> selbst vor Jahren untauglich war.<br />

Nach dies<strong>er</strong> sein<strong>er</strong> Zusich<strong>er</strong>ung wund<strong>er</strong>t sich Quastorf üb<strong>er</strong> den zutiefst<br />

<strong>er</strong>staunten Gesichtsausdruck des Gen<strong>er</strong>als.<br />

„Wie bitte; was meinten Sie; was wollen Sie mir zusich<strong>er</strong>n?“.<br />

D<strong>er</strong> Brigardi<strong>er</strong> ist durchaus nett, wenn <strong>er</strong> auch <strong>er</strong>hebliche<br />

Probleme mit sein<strong>er</strong> Familie hat, in d<strong>er</strong> die Befehlsgewalt bei sein<strong>er</strong><br />

entzückenden fremdländischen Gattin liegt; ab<strong>er</strong> das braucht Quastorf<br />

nicht zu int<strong>er</strong>essi<strong>er</strong>en. Das sollte jen<strong>er</strong> mit seinem sich<strong>er</strong> notwendigen<br />

Th<strong>er</strong>apeuten abhandeln.<br />

„Im Offizi<strong>er</strong>skasino könnte ich Ihnen noch ein wund<strong>er</strong>bares Essen<br />

anbieten. Heute gibt es Karpfensuppe, Wildschwein-Braten an<br />

Basilikum-Schaum und Mohntörtchen in Vanillesauce. Wir haben einen<br />

begnadeten Koch vom Mörwald als Präsenzdien<strong>er</strong>; wollen Sie bleiben?<br />

Falls Sie Jäg<strong>er</strong> sind, könnten wir auch geführte Jagd-Erlebnisse im TÜPl<br />

anbieten, da wir aufgrund d<strong>er</strong> naturbelassenen Landschaft einen<br />

üb<strong>er</strong>durchschnittlichen Besatz an Wildschweinen, Hirschen, Rehen und<br />

Hasen uns<strong>er</strong> Eigen nennen!“.<br />

Quastorf reicht es und <strong>er</strong> v<strong>er</strong>zichtet auf das sich<strong>er</strong> h<strong>er</strong>vorragende<br />

Essen (was ihn sehr ärg<strong>er</strong>t, ist seine oftmals sture Konsequenz, mit d<strong>er</strong> <strong>er</strong> sich schon<br />

somanches v<strong>er</strong>unmöglicht hat – wie zum Beispiel dieses geschenkte Hauben-Menue!).<br />

Wozu wünschen sich Köche mehr<strong>er</strong>e Hauben? Ist es in d<strong>er</strong>en Küchen<br />

wirklich so kalt, wo es doch imm<strong>er</strong> heißt ‚ganztägig warme Küche’ (Quastorf<br />

war das ab<strong>er</strong> imm<strong>er</strong> egal, ob die Köche fri<strong>er</strong>en!). Und die kalte Kuchel ist ein<br />

Urwien<strong>er</strong> Spezifikum. In die kommen bloß die V<strong>er</strong>storbenen. Denn<br />

gemeint ist damit das kalte Kirch’l – d<strong>er</strong> Karn<strong>er</strong> (das Beinhaus), in dem die<br />

Toten aufgebahrt und dort dann d<strong>er</strong>en Gebeine gelag<strong>er</strong>t wurden bis auf<br />

den heutigen Tag.<br />

D<strong>er</strong> H<strong>er</strong>r Gen<strong>er</strong>al ab<strong>er</strong> ist froh, daß d<strong>er</strong> Inspektor so wenig wissen<br />

wollte und v<strong>er</strong>zichtet darauf, Quastorfs vorgesetzte Stelle zu informi<strong>er</strong>en,<br />

denn irgendwie dürfte d<strong>er</strong> auf eigene Faust rech<strong>er</strong>chi<strong>er</strong>en und zusätzlich<br />

nicht mehr ganz H<strong>er</strong>r sein<strong>er</strong> Gedankengänge sein.


191<br />

Es gäbe freilich noch etwas And<strong>er</strong>es sehr zu denken, denn Quastorf wüßte<br />

eigentlich ganz genau Bescheid üb<strong>er</strong> den Landeplatz und den Ing. G<strong>er</strong>wulf St<strong>er</strong>n, da<br />

<strong>er</strong> vor zwölf Jahren lange genug dort <strong>er</strong>mittelt hat in ein<strong>er</strong> and<strong>er</strong>en Causa, die<br />

eigentlich ihren Ursprung in d<strong>er</strong> Wachau hatte. Dabei wurde <strong>er</strong> sogar v<strong>er</strong>letzt und<br />

hat Dinge gefunden, gesehen und <strong>er</strong>lebt, die nicht sehr gesund für normal St<strong>er</strong>bliche<br />

sind. Wieso das aus seinem Gedächtnis vollständig gelöscht ist, läßt sich mit<br />

Freud’sch<strong>er</strong> V<strong>er</strong>drängung absolut nicht in Einklang bringen, denn selbst unt<strong>er</strong><br />

Hypnose könnte <strong>er</strong> die damaligen Vorkommnisse nicht reproduzi<strong>er</strong>en.<br />

Wahrscheinlich deshalb, weil <strong>er</strong> das damalige Geschehen nicht üb<strong>er</strong>lebt hat. Man<br />

m<strong>er</strong>kt sich halt nicht alles hinüb<strong>er</strong>. H<strong>er</strong>üb<strong>er</strong> auch nicht, denn sonst würden die<br />

meisten Menschen nicht so schrecklich un<strong>er</strong>fahren und diletantisch ablaufen, wo sie es<br />

doch vom Drüben wissen könnten, wie es geht! Als Les<strong>er</strong> von d<strong>er</strong>lei Geschichten hat<br />

man es leicht<strong>er</strong>, denn man kann die einschlägigen Stellen nachschlagen und <strong>er</strong>freut sein<br />

„Aha“ ausrufen; da fühlt man sich mühelos üb<strong>er</strong> den Dingen stehend!<br />

21 Inzwischen hat H<strong>er</strong>r Dr. Kuchelbach<strong>er</strong> die Ermittlungen selbst<br />

in die Hand genommen, was <strong>er</strong> eigentlich noch nie gemacht hat, da <strong>er</strong><br />

den p<strong>er</strong>sönlichen Umgang mit v<strong>er</strong>schlagenen Tatv<strong>er</strong>dächtigen,<br />

v<strong>er</strong>alzheim<strong>er</strong>ten Zeugen od<strong>er</strong> schlichtweg Unbeteiligten (denn auch die gibt<br />

es, wenn das somanch<strong>er</strong> Kripo-Beamte auch nicht so recht glauben kann) noch nie<br />

geschätzt hat. Ab<strong>er</strong> d<strong>er</strong> Umstand, daß Quastorf imm<strong>er</strong> eigenmächtig<strong>er</strong><br />

handelt und imm<strong>er</strong> abstrus<strong>er</strong>e Arbeitshypothesen v<strong>er</strong>tritt, zwingt ihn<br />

gleichsam zu diesem Schritt.<br />

Große Op<strong>er</strong> steht auf dem Spielplan! Einsatzkräfte aus Wien<br />

w<strong>er</strong>den angeford<strong>er</strong>t. Cobra und WEGA samt Zuspeise in Kohorten-<br />

Stärke.<br />

Zunächst rückt <strong>er</strong> mit dies<strong>er</strong> Brigade dem Kaznavourian auf den<br />

lausigen Pelz. Und obwohl es <strong>er</strong>st Nachmittag ist, geht es dort b<strong>er</strong>eits<br />

hoch h<strong>er</strong>. Also ganz so ist es g<strong>er</strong>ade nicht, daß man dort einen Landtag<br />

abhalten könnte od<strong>er</strong> eine Gemeind<strong>er</strong>ats-Sitzung (dazu fehlt denn doch die<br />

Mindestzahl für’s Plenum und auch d<strong>er</strong> würdige Rahmen).<br />

Ab<strong>er</strong> man trifft halt relativ viele sehr honorige H<strong>er</strong>ren, die<br />

beschämt und hastig in ihre nicht imm<strong>er</strong> ganz saub<strong>er</strong>en Unt<strong>er</strong>hosen<br />

schlüpfen. Das alles ist dem Dez<strong>er</strong>natsleit<strong>er</strong> mehr als peinlich. Ab<strong>er</strong> es<br />

könnte auch seinen Nutzen haben, da <strong>er</strong> doch schon imm<strong>er</strong>


192<br />

Landespolizei-Direktor w<strong>er</strong>den will. Und nun weiß <strong>er</strong> endlich, wen all<strong>er</strong><br />

<strong>er</strong> um Fürsprache bitten könnte, denn die hi<strong>er</strong> Anwesenden w<strong>er</strong>den ihm<br />

das nur schw<strong>er</strong>lich abschlagen können!<br />

Landesrat Bärnthal<strong>er</strong> wäre eine gute Adresse (da muß man nur<br />

vorsichtig sein, denn d<strong>er</strong> könnte aufgrund des unv<strong>er</strong>schämten Mißbrauches sein<strong>er</strong><br />

ohnehin großzügig ausgelegten Amtsbefugnisse sehr bald selb<strong>er</strong> aus seinem Amt<br />

stolp<strong>er</strong>n). Od<strong>er</strong> den Altbürg<strong>er</strong>meist<strong>er</strong> Weinsb<strong>er</strong>g<strong>er</strong> (d<strong>er</strong> hat imm<strong>er</strong> noch viel<br />

Einfluß in d<strong>er</strong> Landesregi<strong>er</strong>ung). Ab<strong>er</strong> <strong>er</strong> braucht wen vom Bund, da Polizei-<br />

Angelegenheiten Bundessache sind.<br />

Da bietet sich d<strong>er</strong> Dr. Sauschlag<strong>er</strong> an. Somit hätte <strong>er</strong> alle drei<br />

Trumpf-Farben in d<strong>er</strong> Hand: Bund, Land und Gemeinden. Nach dem<br />

Krieg lief das Spiel and<strong>er</strong>s; da hat es imm<strong>er</strong> nur eine Trumpf-Farbe<br />

geben dürfen (regional genau aufgeteilt): Schwarz, rot od<strong>er</strong> blau. Jene Zeiten<br />

sind gottseidank endgültig vorbei! Eigentlich war es schwarz-braun (wie<br />

die Haselnuß), rot-braun und eben blau-braun (früh<strong>er</strong> hatten die wenig<strong>er</strong><br />

Einfluß, ab<strong>er</strong> seit Haid<strong>er</strong> imm<strong>er</strong> mehr).<br />

Diese durchaus wichtigen strategischen Nebengedanken haben<br />

Kuchelbach<strong>er</strong> etwas aus d<strong>er</strong> notwendigen Konzentration g<strong>er</strong>issen. D<strong>er</strong><br />

Sog d<strong>er</strong> Wirklichkeit entsteht durch ein zackig ihm ins Angesicht<br />

gebrülltes „Melde gehorsamst, die Mannschaft ist vollzählig einsatzb<strong>er</strong>eit!<br />

Wie lauten ihre Befehle?“.<br />

Ach Gott, die üb<strong>er</strong>eifrigen Cobra-Leute – Kuchelbach<strong>er</strong> b<strong>er</strong>eut<br />

b<strong>er</strong>eits die Anford<strong>er</strong>ung des Assistenz-Einsatzes dies<strong>er</strong> Einheit – fast<br />

sehnt <strong>er</strong> sich nach dem v<strong>er</strong>schlagenen Quastorf, d<strong>er</strong> wenigstens<br />

menschliche Züge hat mit seinem oft seltsam ätzenden Humor.<br />

„Jauchengrube auspumpen; ab<strong>er</strong> flott!“.<br />

„Zu Befehl! Ab<strong>er</strong> bitte, dazu brauchen wir die Feu<strong>er</strong>wehr, denn wir<br />

haben sämtliches denkbare Equipment, ab<strong>er</strong> keine Schmutzwass<strong>er</strong>-<br />

Pumpen; denn die haben wir bish<strong>er</strong> noch nie gebraucht!“.<br />

Da sieht man wied<strong>er</strong>, wie unflexibel die städtischen Schreibtisch-<br />

Hengste sind bei d<strong>er</strong> Ausstattung ihr<strong>er</strong> Büttel! Keine Ahnung von d<strong>er</strong>


193<br />

Spontaneität d<strong>er</strong> Front! Ab<strong>er</strong> Kuchlbach<strong>er</strong> ist kompetent und souv<strong>er</strong>än<br />

und so wird die prägnante Numm<strong>er</strong> 122 ins Handy getippt:<br />

„Ja bitte hi<strong>er</strong> Dez<strong>er</strong>natsleit<strong>er</strong> Dr. Kuchelbach<strong>er</strong> vom Mord/Zwettl, wir<br />

bräuchten eine leistungsstarke Güllepumpe samt Bedienungs-<br />

Mannschaft für das Auslenzen ein<strong>er</strong> Jauchengrube!“.<br />

„Se san, glaub i, a biß’l unt<strong>er</strong>belichtet. Und waun’s da Kaisa von China<br />

warat’n, mia san de Feiaweah und haum kan Senkgruab’n-Ramdienst do.<br />

Ruaf’ns en Saubamocha in Gneix’ndorf au! Und außadem is des de<br />

Notruaf-Numma; gengan’s ma aus da Leitung!“ nicht ganz koop<strong>er</strong>ativ<br />

die Stimme des seine Kompetenzen und Aufgaben wohl kennenden<br />

Kommandanten Schwarz.<br />

Kuchelbach<strong>er</strong> ist mehr als v<strong>er</strong>letzt. Nicht nur wegen d<strong>er</strong> rüden<br />

Zurechtweisung durch den respektlosen Feu<strong>er</strong>wehrhauptmann, sond<strong>er</strong>n<br />

auch von sein<strong>er</strong> eigenen Naivität und Realitäts-F<strong>er</strong>ne. Er b<strong>er</strong>ät sich mit<br />

Hanfthal<strong>er</strong>, was in dies<strong>er</strong> Situation zu tun sei.<br />

D<strong>er</strong> ganz in seinem Element: „Den Hub<strong>er</strong>-Bau<strong>er</strong>n könnte man<br />

bitten; d<strong>er</strong> ist d<strong>er</strong> Nachbar und hat einen Mengele-Jauchentransport<strong>er</strong>“.<br />

Bedau<strong>er</strong>nsw<strong>er</strong>t eigentlich, daß eine Firma, die noch bis vor kurzem<br />

vom v<strong>er</strong>storbenen Brud<strong>er</strong> des total entmenschten und niemals zur<br />

Rechenschaft gezogenen KZ-Arztes Mengele nach dem Krieg <strong>er</strong>richtet<br />

und betrieben wurde, noch imm<strong>er</strong> diesen mit Mord und Folt<strong>er</strong><br />

v<strong>er</strong>bundenen Namen tragen darf. Ab<strong>er</strong> vor allem, daß die Bau<strong>er</strong>n dem<br />

auch noch Geschäfte zukommen lassen und sich nicht schämen, mit<br />

dem belasteten Namens-Logo auf ihren Fahrzeugen weit<strong>er</strong>hin Schm<strong>er</strong>z<br />

zu v<strong>er</strong>breiten für die vielen Betroffenen und die wenigen Bewußten.<br />

„Gut, schaffen Sie den h<strong>er</strong>bei!“ die knappe Anweisung Kuchelbach<strong>er</strong>s.<br />

Nach ein<strong>er</strong> halben Ewigkeit, in d<strong>er</strong> die gewaltige Truppe<br />

Unsummen v<strong>er</strong>schlingt in Warteposition, kommt d<strong>er</strong> etwas fettleibige<br />

Hub<strong>er</strong> Schani mit Traktor und Gülle-Faß angetuck<strong>er</strong>t. Sein leicht<br />

aufgedunsenes Gesicht kündet sich<strong>er</strong> nicht von Feuchtigkeitsmangel,<br />

ab<strong>er</strong> man ahnt, daß dies<strong>er</strong> Flüssigkeitsüb<strong>er</strong>schuß keinesfalls von<br />

Wass<strong>er</strong>konsum stammt (zumal seine knollig-markannte Nase die changi<strong>er</strong>enden


194<br />

Farben des Blaufränkischen gut wied<strong>er</strong>gibt, was nicht bloß von landesüblichen<br />

Kälteschäden h<strong>er</strong>rührt). Sein Sti<strong>er</strong>nacken wächst aus einem kari<strong>er</strong>ten Hemd,<br />

dessen Kragen auf Sprechdistanz b<strong>er</strong>eits olphaktorisch an zu lange<br />

gelag<strong>er</strong>te Butt<strong>er</strong> <strong>er</strong>inn<strong>er</strong>t.<br />

D<strong>er</strong> gewaltige Leib wird nur mühsam von ein<strong>er</strong> grünen Lag<strong>er</strong>haus-<br />

Latzhose gebändigt, die besond<strong>er</strong>s um die Leibesmitte ihre Reißfestigkeit<br />

sehr kompetent unt<strong>er</strong> Beweis stellt! Die gelben PVC-Stiefel runden das<br />

bunte Stileben endgültig ab.<br />

„Na seavas, des is a oida Dreck! Des wiad eich oba teia kumma, weu den<br />

muaß i in’d Kläraunlau’g fiahn; des Zeig deaf net aufs Föd – mia haumm<br />

heitzutog seah strenge Vuaschrift’n in da EU!“ (als ob sich d<strong>er</strong> je um<br />

Gülleausbringungs-Vorschriften gekümm<strong>er</strong>t hätte, wenn <strong>er</strong> selbst bei Schneelage die<br />

Jauche am Stand v<strong>er</strong>spritzt od<strong>er</strong> gar im wass<strong>er</strong>armen Url-Bach entsorgt!).<br />

Nach zehn Minuten Pump-Vorgang ist die Grube zwar nochnicht<br />

trocken, ab<strong>er</strong> man bekommt langsam Üb<strong>er</strong>sicht. Da ist leid<strong>er</strong> nichts<br />

V<strong>er</strong>dächtiges zu <strong>er</strong>kennen für den beflissenen Habison, d<strong>er</strong> mit d<strong>er</strong><br />

vorausschauend mitgebrachten Stiefelhose mutig in den Schmatz watet,<br />

dessen G<strong>er</strong>uch ein wenig an den Kurort Baden <strong>er</strong>inn<strong>er</strong>t (nur das anwesende<br />

Klientel unt<strong>er</strong>scheidet sich deutlich von noblen Kurgästen).<br />

H<strong>er</strong>r Kaznavourian hingegen ist froh, daß <strong>er</strong> endlich kostenlos<br />

von d<strong>er</strong> Altlast befreit, ab<strong>er</strong> insbesond<strong>er</strong>e, daß ein h<strong>er</strong>b<strong>er</strong> V<strong>er</strong>dacht von<br />

ihm genommen wurde.<br />

D<strong>er</strong> Troß zieht weit<strong>er</strong>, daß man an eine rezente Söldn<strong>er</strong>-<br />

Wand<strong>er</strong>ung des dreißigjährigen Krieges glauben möchte (nur die<br />

Marketend<strong>er</strong>innen und die Spielleute fehlen). Nach K<strong>er</strong>nb<strong>er</strong>g zum Diepolt, um<br />

in dessen Biomüll Proben zu ziehen.<br />

Das <strong>er</strong>weist sich ab<strong>er</strong> auch als mühsam. Und wie sich spät<strong>er</strong> im<br />

Labor h<strong>er</strong>ausstellen wird, als recht un<strong>er</strong>giebig.<br />

Habison ist um drei Uhr früh <strong>er</strong>müdet von d<strong>er</strong> vielen Arbeit und<br />

auch ein wenig frustri<strong>er</strong>t. Hauptsächlich div<strong>er</strong>seste Pflanzenteile,<br />

punktuell v<strong>er</strong>weste Fleischreste d<strong>er</strong> seltsamsten Ti<strong>er</strong>e (nebst Rind, Schwein,<br />

Huhn und Schaf finden sich auch Anteile von Hund, Fuchs, N<strong>er</strong>z und sogar ein


195<br />

Leguan!). V<strong>er</strong>einzelt auch Fritti<strong>er</strong>fett-Depots. Sonst nichts! V<strong>er</strong>dächtig<br />

sind nur einige Spuren von radioaktivem Technetium und Jod! Die<br />

H<strong>er</strong>kunft letzt<strong>er</strong><strong>er</strong> Substanzen gibt schon zu denken. Denn Essensreste<br />

aus Krankenhäus<strong>er</strong>n dürften das nicht enthalten. Möglich<strong>er</strong>weise<br />

Rückstände ein<strong>er</strong> Isotopenabteilung; da bahnt sich Gröb<strong>er</strong>es an!<br />

22 Tim Wolfowitz arbeitet an seinem neuen Pojekt: Die Erzeugung<br />

von Bakt<strong>er</strong>iophagen. In ein<strong>er</strong> Zeit, in d<strong>er</strong> Antibiotika imm<strong>er</strong> wenig<strong>er</strong><br />

wirksam sind, da die Bakt<strong>er</strong>ien ständig neue Resistenzen aufbauen, wäre<br />

das ein zukunftsorienti<strong>er</strong>tes Prinzip! Diese seit Stalins Zeiten (als Antwort<br />

auf die im Westen v<strong>er</strong>fügbaren Penicilline) bekanntgewordenen Viren sind<br />

auß<strong>er</strong>ordentlich leicht zu züchten auf Bakt<strong>er</strong>ien-Kulturen; man kann sie<br />

gefri<strong>er</strong>trocknen und dann in Gelatine v<strong>er</strong>kapseln. Nahezu endlos haltbar<br />

sind die und auch relativ billig h<strong>er</strong>zustellen. Und Resistenzen gibt es<br />

praktisch keine! D<strong>er</strong> Nachteil nur: Man muß den genauen Bakt<strong>er</strong>ien-<br />

Befall kennen, um die richtigen Phagen zu nutzen!<br />

Und <strong>er</strong> hat auch neue Ideen für den Einsatz von Spinnenseide als<br />

Nahkampf-Waffe. Das Eiweiß-Eluat wird in modifizi<strong>er</strong>te Hochdruck-<br />

Spritzpistolen gefüllt, mit denen man im Bedarfsfall den militärischen<br />

Gegn<strong>er</strong> (od<strong>er</strong> Kriminellen im Polizei-Einsatz) bespritzt. Das Mat<strong>er</strong>ial härtet<br />

an d<strong>er</strong> Luft sogleich zu unz<strong>er</strong>reißbar-zähen Fäden aus, die den<br />

Kombatanten total kampfunfähig machen! Das muß <strong>er</strong> noch mit dem<br />

Frib<strong>er</strong>g<strong>er</strong> besprechen, denn d<strong>er</strong> weiß um die Feinstruktur. Unangenehm<br />

ist nur, daß d<strong>er</strong> v<strong>er</strong>dammte Kommissar an ihm klebt wie eine<br />

Oktob<strong>er</strong>fliege auf Hundekot.<br />

D<strong>er</strong> chinesische Unt<strong>er</strong>händl<strong>er</strong> <strong>er</strong>scheint auch nicht mehr; und<br />

wenn man den G<strong>er</strong>üchten glauben darf, wird d<strong>er</strong> auch nicht mehr<br />

kommen. Das ist sich<strong>er</strong> in viel<strong>er</strong>lei Hinsicht ein Nachteil. Erstens, weil<br />

das lukrative Geschäft nicht zustandekommen wird. Zweitens, weil die<br />

Connection zu den Chinesen – die Minenlief<strong>er</strong>ungen betreffend –<br />

<strong>er</strong>nsthaft gefährdet ist. Drittens, weil d<strong>er</strong> V<strong>er</strong>dacht d<strong>er</strong> Ermordung des<br />

Unt<strong>er</strong>händl<strong>er</strong>s auf ihn fallen wird! Und vi<strong>er</strong>tens – und das nicht als<br />

mind<strong>er</strong>es Übel – w<strong>er</strong>den ihn die – ihm unbekannten – Hint<strong>er</strong>männ<strong>er</strong> des<br />

Chinesen möglich<strong>er</strong>weise zur V<strong>er</strong>antwortung ziehen (dagegen ist uns<strong>er</strong>e<br />

Polizei eine wahrhaftige Kuranstalt!).


196<br />

Und als ob <strong>er</strong> den Teufel an die Wand gemalt hätte, steht Quastorf<br />

in d<strong>er</strong> Türe wie d<strong>er</strong> legendäre Ironheart im Gegenlicht.<br />

„Sie schon wied<strong>er</strong>; was Sie wollen von mir?“.<br />

„Nur reden. In letzt<strong>er</strong> Zeit w<strong>er</strong>de ich von vielen mein<strong>er</strong> Freunde<br />

gemieden. Was bleibt mir da noch?“.<br />

Also das kann sich Dr. Wolfowitz einfach nicht vorstellen, daß<br />

Quastorf bei ihm soziale An<strong>er</strong>kennung sucht. Daß dies<strong>er</strong> v<strong>er</strong>sponnene<br />

Solipsist gar Freundschaft zu ihm anstrebe od<strong>er</strong> ihm seine Seele<br />

ausschütten möchte.<br />

„Sie haben nicht zufällig ein scharfes Mess<strong>er</strong> und gewisse anatomische<br />

Kenntnisse, die dem H<strong>er</strong>rn Ming zum V<strong>er</strong>hängnis w<strong>er</strong>den konnten?“.<br />

„Ich bitte Sie; sehe ich denn aus wie eine Mord<strong>er</strong>. Da mussen Sie schon<br />

and<strong>er</strong>e befragen!“.<br />

Auf die Diskussion will Quastorf jetzt nicht eingehen, wie ein<br />

Mörd<strong>er</strong> ausschaut. Mörd<strong>er</strong> sehen aus wie brave Bürg<strong>er</strong>, die sich aus den<br />

v<strong>er</strong>schiedensten Gründen dazu entschlossen haben, zu morden. Und<br />

<strong>er</strong>st, wenn ihr Bild in d<strong>er</strong> Kronen-Zeitung <strong>er</strong>scheint „Die Bestie vom<br />

L<strong>er</strong>chengrund“, <strong>er</strong>kennt jed<strong>er</strong> Dümpfling, daß so ein Mörd<strong>er</strong> aussieht!<br />

„Also bitte, was soll ich denken, wenn wir eine v<strong>er</strong>stümmelte Leiche von<br />

einem V<strong>er</strong>handl<strong>er</strong> finden, d<strong>er</strong> sie höchstwahrscheinlich üb<strong>er</strong>vorteilen<br />

wollte?“.<br />

„That’s the way of business! Jed<strong>er</strong> sucht die beste P<strong>er</strong>formance und das<br />

beste Outcome! Live is competition! Da ist keine Grund, das Egreement<br />

in Mord zu enden! Wir brauchen eine gute Losung; d<strong>er</strong> Mr. Ming wird<br />

mir fehlen!“.<br />

Irgendwie glaubt ihm das Quastorf sogar mit seinem Riech<strong>er</strong> für<br />

Nutzorienti<strong>er</strong>ung. Und eigentlich schaut Wolfowitz wirklich nicht wie<br />

ein Mörd<strong>er</strong> aus, wenn seine Erzeugnisse auch noch viele unschuldige<br />

Leben kosten w<strong>er</strong>den! Ab<strong>er</strong> das weiß die Exekutive noch nicht.


197<br />

23 Üb<strong>er</strong>raschend <strong>er</strong>scheint d<strong>er</strong> lang v<strong>er</strong>schollene Humb<strong>er</strong>t-<br />

Immanuel Wass<strong>er</strong>burg<strong>er</strong> tagsdarauf im Dez<strong>er</strong>nat wie d<strong>er</strong> Deus ex<br />

Machina.<br />

„In mein<strong>er</strong> gegenwärtigen Funktion als Mitglied d<strong>er</strong> Ban the Mines-<br />

Organisation, die von d<strong>er</strong> leid<strong>er</strong> allzufrüh v<strong>er</strong>storbenen Lady Di<br />

gegründet wurde, muß ich hi<strong>er</strong>orts dringlich eine Aussage machen!“.<br />

Will <strong>er</strong> seine Schulden, die <strong>er</strong> bei mir hat, mit Spendengeld<strong>er</strong>n<br />

begleichen? hofft Quastorf insgeheim. Ab<strong>er</strong> nein; es geht um die Rizin-<br />

Minen von d<strong>er</strong> bioTron, von denen es amtlich<strong>er</strong>seits bish<strong>er</strong> keine<br />

Kenntnis gegeben hat (selbst Quastorf hatte kein<strong>er</strong>lei Ahnung davon – eigentlich<br />

eine Schande für die gesamte Polizei!).<br />

„Sie sollten einmal die Mafiosi aufmischen, die diese fürcht<strong>er</strong>lichen<br />

Waffen in den Sudan schmuggeln. Das wid<strong>er</strong>spricht dem int<strong>er</strong>nationalen<br />

Gesetz für ‚die V<strong>er</strong>pflichtung zur V<strong>er</strong>meidung d<strong>er</strong> Weit<strong>er</strong>v<strong>er</strong>breitung von<br />

menschenv<strong>er</strong>achtenden Waffen’! Und die Drehscheibe ist die Pizz<strong>er</strong>ia in<br />

Hadreichs, wie ich rech<strong>er</strong>chi<strong>er</strong>en konnte!“.<br />

Das Team ist platt. Da wohnen die meisten Dez<strong>er</strong>nats-<br />

Angehörigen in d<strong>er</strong> Gegend – viele konsumi<strong>er</strong>en auch g<strong>er</strong>ne eine von<br />

den wirklich wund<strong>er</strong>baren Pizzas, Penne und Pastas des Da Leone – und<br />

man muß sich von einem defraudanten Lebenskünstl<strong>er</strong> d<strong>er</strong>art<br />

beschämen lassen!<br />

Quastorf tritt an ihn h<strong>er</strong>an und appelli<strong>er</strong>t quasi an seine<br />

moralische V<strong>er</strong>bindlichkeit, die <strong>er</strong> wegen d<strong>er</strong> ausstehenden 250.- € hätte.<br />

„Lief<strong>er</strong>n Sie uns bitte Fakten!“.<br />

„Da besteht ein schw<strong>er</strong> zu durchschauend<strong>er</strong> Filz zwischen dem Umb<strong>er</strong>to<br />

Leone, dem Dimitrij Askhanasov, dem Tim Wolfowitz und den<br />

korrupten Lokalpolitik<strong>er</strong>n, die allesamt davon wissen und das alles<br />

decken mit konz<strong>er</strong>ti<strong>er</strong>ten V<strong>er</strong>tuschungs-Aktionen!“.<br />

Langsam beginnt Quastorf den Mann zu schätzen, da sich d<strong>er</strong> was<br />

traut, was die meisten V<strong>er</strong>antwortlichen nicht wagen würden.<br />

„Haben Sie Beweise dafür, dann lassen Sie uns diese zukommen!“.


198<br />

„Da ist mein Tagebuch; Sie können g<strong>er</strong>ne Einsicht nehmen!“.<br />

Neben durchaus unbedeutenden p<strong>er</strong>sönlichen Eintragungen,<br />

nahezu prahlsüchtigen Schild<strong>er</strong>ungen von sexuellen Ausuf<strong>er</strong>ungen und<br />

romantischen Beschreibungen künstl<strong>er</strong>isch<strong>er</strong> Eingebungen finden sich<br />

absolute Abgründe politisch<strong>er</strong> Macheloikeles, geheim<strong>er</strong> int<strong>er</strong>national<strong>er</strong><br />

V<strong>er</strong>strickungen und bestialisch<strong>er</strong> Mordkomplotte, die glaubhaft intimes<br />

Wissen üb<strong>er</strong> kriminelle Geheimdienst-Aktionen, Sekten-Aktivitäten und<br />

Politik<strong>er</strong>-Intrigen beweisen!<br />

Großen Raum nehmen auch die illegalen Militärübungen mit<br />

abg<strong>er</strong>eich<strong>er</strong>tem U 238 (sog. depletet uranium = DU) ein, die auch Quastorf<br />

als einem d<strong>er</strong> wenigen Beamten bekannt waren – nur nicht das volle<br />

Ausmaß d<strong>er</strong> Schießübungen mit Flegette-Pfeilspitzen-Granaten –<br />

ungeheu<strong>er</strong>lich! Man hat damals – von den Medien unbeachtet – selbst<br />

weittragende Raketen von Horn Richtung Allentsteig üb<strong>er</strong> die Köpfe<br />

von sich<strong>er</strong> 30.000 Waldvi<strong>er</strong>tl<strong>er</strong>n abgefeu<strong>er</strong>t! Dieses Mat<strong>er</strong>ial genau zu<br />

durchforsten, v<strong>er</strong>spricht all<strong>er</strong>dings viel Arbeit!<br />

24 D<strong>er</strong> Bonsai-Oligarch Askhanasov ist froh, endlich wied<strong>er</strong> in<br />

sein<strong>er</strong> Heimatstadt Prigorodnoye/Grozensky rayon zu sein, wo <strong>er</strong> seine<br />

Mutt<strong>er</strong> und seine alte Baba treffen kann. Er hat seine Aufgaben im<br />

f<strong>er</strong>nen Land zur Zufriedenheit sein<strong>er</strong> Clan-Lords <strong>er</strong>füllt – wie <strong>er</strong> glaubt –<br />

und kann auf reichlich Dollars hoffen, die sein<strong>er</strong> – nach dem<br />

Zusammenbruch d<strong>er</strong> Sowjetunion – total v<strong>er</strong>armten Familie wied<strong>er</strong> auf<br />

die Beine helfen wird mit Allahs Hilfe.<br />

Mit viel Wodka und den unsagbaren Freuden sein<strong>er</strong> zwei<br />

vollbusigen Schönheiten v<strong>er</strong>süßt <strong>er</strong> sich seine Leistungen im<br />

neu<strong>er</strong>richteten Luxushotel Paradijs (solch<strong>er</strong>maßen bekommt Mohammed freilich<br />

kaum eine Chance mit sein<strong>er</strong> Leibfeindlichkeit, die <strong>er</strong> mit den christlichen<br />

Dogmatik<strong>er</strong>n seit jeh<strong>er</strong> teilt – den Gläubigen gegenüb<strong>er</strong> – denn <strong>er</strong> selbst hat sich<br />

schon ausgelebt; ab<strong>er</strong> das kennt man ja auch von Augustinus). Da braucht <strong>er</strong><br />

wahrlich keine mudjahedinische Selbstmord-Aktion, nach d<strong>er</strong> <strong>er</strong> im<br />

Islamischen Jenseits sich mit 700 Jungfrauen v<strong>er</strong>wirklichen könnte (die<br />

zwei geilen Weib<strong>er</strong> üb<strong>er</strong>ford<strong>er</strong>n ihn b<strong>er</strong>eits – und w<strong>er</strong> weiß, kommt man dann in die<br />

Dschahannam, wenn man zuviel mordet?!).


199<br />

Und am nächsten Tag s<strong>er</strong>vi<strong>er</strong>t die Mamutschka den von ihm<br />

sosehr geliebten Borschtsch, wie sein<strong>er</strong>zeit in Kind<strong>er</strong>tagen.<br />

Was die War-Lords all<strong>er</strong>dings gar nicht mögen, ist int<strong>er</strong>nationale<br />

Aufm<strong>er</strong>ksamkeit und so mischt sich seine von sexuell<strong>er</strong> Erfüllung und<br />

kulinarischen Freuden aufgegeilte Hirnmasse mittels viel<strong>er</strong> – aus dicken<br />

Schalldämpf<strong>er</strong>n entlassenen Großkalib<strong>er</strong>-Projektilen – in die wahrlich<br />

schmackhafte Rotrüben-Kraut-Suppe, die mit Bauchspeck vom Schwein<br />

angenehm mollig v<strong>er</strong>fein<strong>er</strong>t wurde, was seine leidgeprüfte Familie trotz<br />

großzügig<strong>er</strong> Entschädigungs-Zahlungen in tiefen Schm<strong>er</strong>z taumeln läßt.<br />

25 Auch in San Luca/di Calabria haben es nur Wenige wirklich<br />

gemütlich trotz d<strong>er</strong> ausgesprochen romantischen Landschaft und dem<br />

milden medit<strong>er</strong>ranen Klima mit <strong>er</strong>frischenden Abendwinden vom Me<strong>er</strong>,<br />

denn d<strong>er</strong> Dottore Amato <strong>er</strong>mittelt b<strong>er</strong>eits seit läng<strong>er</strong>em gegen Umb<strong>er</strong>to<br />

Leone, d<strong>er</strong> sich im f<strong>er</strong>nen Hadres auß<strong>er</strong>halb d<strong>er</strong> Schußlinie wähnt.<br />

Es fällt ihm eigentlich schw<strong>er</strong>, denn d<strong>er</strong> liebe Bub war vor Jahren<br />

mit sein<strong>er</strong> glutäugigen Tocht<strong>er</strong> Mariella v<strong>er</strong>lobt. Bis <strong>er</strong> dann – um sich<br />

d<strong>er</strong> italienischen Justiz zu entziehen – in Öst<strong>er</strong>reich eine Pizz<strong>er</strong>ia <strong>er</strong>öffnet<br />

hat mit Geld<strong>er</strong>n, von denen nur wenige genau wissen, wo die ihren<br />

wahren Ursprung haben (auf jeden Fall w<strong>er</strong>den so die übel v<strong>er</strong>sudelten Euro-<br />

Scheinchen vom klebrigen Blut reingewaschen; in gewiss<strong>er</strong> Weise geht das in<br />

Öst<strong>er</strong>reich nämlich weitaus unauffällig<strong>er</strong> als in d<strong>er</strong> diesbezüglich in d<strong>er</strong> Öffentlichkeit<br />

zu unrecht besond<strong>er</strong>s g<strong>er</strong>n v<strong>er</strong>schrienen Schweiz). Amato muß einfach einmal<br />

wirklich hart durchgreifen, damit <strong>er</strong> weit<strong>er</strong> glaubhaft bleibt für die<br />

Medien – als seit Jahren vielumjubelt<strong>er</strong> Saub<strong>er</strong>mann und Mafia-Jäg<strong>er</strong> d<strong>er</strong><br />

mani pulite!<br />

Das mit den Minen gefällt dem Mafia-Ermittl<strong>er</strong> gar nicht und so<br />

nimmt <strong>er</strong> Kontakt mit dem Dez<strong>er</strong>nat im f<strong>er</strong>nen Zwettl auf.<br />

„Was-e ist-e ihre Befundung?“ fragt <strong>er</strong> den Kollegen am Ende d<strong>er</strong><br />

Leitung, weil <strong>er</strong> sofort <strong>er</strong>kennt, daß <strong>er</strong> hi<strong>er</strong> den Richtigen am Rohr hat.<br />

Quastorf liebt diese weiche – durch die vielen offenen Vokale in<br />

v<strong>er</strong>klemmten Ohren etwas frivol wirkende – Sprache, die das unnötige –<br />

wiewohl b<strong>er</strong>eich<strong>er</strong>nde – ‚E’ kultivi<strong>er</strong>t.


200<br />

„Ich bin etwas unschlüssig, da ich noch zu wenige Informationen habe.<br />

D<strong>er</strong> Umb<strong>er</strong>to hat sich<strong>er</strong> viel Dreck am Stecken; ab<strong>er</strong> einen Mord kann<br />

ich ihm vorläufig nicht anhängen! Er hat all<strong>er</strong>dings wahrscheinlich doch<br />

üble Kontakte zu einem Tschetschenen namens Askhanasov – und den<br />

haben wir sehr wohl in V<strong>er</strong>dacht, einen chinesischen Betriebs-Aufkäuf<strong>er</strong><br />

liquidi<strong>er</strong>t zu haben“.<br />

„Also, Sie denken-e an eine – come se dice – V<strong>er</strong>schworung-e od<strong>er</strong><br />

V<strong>er</strong>binung-e mit die Cecene-Mafia? Was-e sind-e Facte?“.<br />

„Keine Fakten, nicht einmal Aussagen, eigentlich nur G<strong>er</strong>üchte – Fame;<br />

Sie v<strong>er</strong>stehen?“ gibt sich Quastorf sprachkundig und weltmännisch,<br />

obwohl <strong>er</strong> von Italienisch soviel Ahnung hat wie ein Almochs vom<br />

Glockengießen.<br />

„Io haben-e gute Connectione zu ‚Systeme’. Ich-e w<strong>er</strong>de Sie contacti<strong>er</strong>e,<br />

wenn ike weiß-e mehre!“.<br />

Quastorf muß sich selb<strong>er</strong> zugeben, daß <strong>er</strong> bish<strong>er</strong> nur wenig mit<br />

dem organisi<strong>er</strong>ten V<strong>er</strong>brechen zu tun hatte und folglich auch kaum<br />

Kenntnis von den Prinzipien d<strong>er</strong> Camorra hat. Daß <strong>er</strong> nichts von d<strong>er</strong><br />

Om<strong>er</strong>tà (dem bedingungslosen Schweige-Gebot d<strong>er</strong> ’Ndranghetosi) weiß und auch<br />

nicht unbedingt mehr davon wissen will, denn <strong>er</strong> hat zwar vor Jahren das<br />

Prinzip Angst aus seinem Rep<strong>er</strong>toire gestrichen, ab<strong>er</strong> unnötige Feinde<br />

schaffen will <strong>er</strong> sich denn doch nicht; dazu lebt <strong>er</strong> einfach zu g<strong>er</strong>ne!<br />

Wenn <strong>er</strong> nachdenkt, wie <strong>er</strong> sich als Kind und Jugendlich<strong>er</strong> vor<br />

nahezu allem gefürchtet hat! Vor Schlangen, Spinnen, Höhen, Tiefen,<br />

Engen, Weiten und vor allem vor Menschen (diese Angst wäre all<strong>er</strong>dings<br />

jedem anzuraten, denn d<strong>er</strong> Mensch ist nicht nur offenkundig d<strong>er</strong> schlimmste Feind d<strong>er</strong><br />

Natur und d<strong>er</strong>en Pflanzen und faunischen Kreaturen, sond<strong>er</strong>n insbesond<strong>er</strong>e ist<br />

bekanntlich auch d<strong>er</strong> ‚Mensch dem Menschen Wolf’; da braucht man nur täglich das<br />

Kleine Blatt zu lesen!).<br />

Die einzige Angst, die Quastorf nie hatte, war die vor dem Wass<strong>er</strong>.<br />

Egal wie hoch das Sprungbrett war, unbedeutend wie tief <strong>er</strong> getaucht hat;<br />

wenn nur irgendein vollbusiges Mädel Zeuge dessen war, war alles<br />

möglich (darum auch seine traumatische Hirnblutung in Jugendjahren). Ja und<br />

vor Frauen hat <strong>er</strong> sich natürlich auch nie gefürchtet – wie kann man sich


201<br />

vor d<strong>er</strong> wichtigsten Motivation des Seins eines Mannes ängstigen, hat <strong>er</strong><br />

sich imm<strong>er</strong> gefragt? Ab<strong>er</strong> solch V<strong>er</strong>irrte gibt es; die w<strong>er</strong>den üblich<strong>er</strong>weise<br />

Priest<strong>er</strong>, Militaristen, Burschenschaft<strong>er</strong> od<strong>er</strong> einsame Denk<strong>er</strong>.<br />

26 Quastorf ist unschlüssig, wie <strong>er</strong> weit<strong>er</strong> vorgehen sollte und das<br />

leichte Kopfweh, das ihn seit Wochen begleitet, will trotz Parkemed<br />

nicht ganz v<strong>er</strong>schwinden. Er fährt – obwohl das Wochenende locken<br />

würde – nächtens mit d<strong>er</strong> schw<strong>er</strong>en Maschine nach Kautzendorf. Und<br />

nimmt Clara mit, damit sie seine auß<strong>er</strong>ordentliche Welt kennenl<strong>er</strong>ne.<br />

Eine st<strong>er</strong>nenklare Nacht ist von den Wett<strong>er</strong>fröschen angesagt und so<br />

positioni<strong>er</strong>t <strong>er</strong> sein tragbares Teleskop, das <strong>er</strong> im Rucksack mitgeführt<br />

hat, nahe d<strong>er</strong> bei Esot<strong>er</strong>ik<strong>er</strong>n beliebten Steinformation des Skorpions und<br />

wartet, ob da nicht ein UFO käme, da heute Walpurgisnacht ist.<br />

Clara hat sich<strong>er</strong>heitshalb<strong>er</strong> dicke Wolldecken und Schlafsäcke<br />

mitgenommen, damit man nicht fri<strong>er</strong>e und feine Picknick-G<strong>er</strong>ichte; so<br />

da sind: Getrocknete Paradeis<strong>er</strong>, schwarze Oliven, luftgetrocknete<br />

Cacciatore, Ciabatta, Ruccola, frische Datteln, g<strong>er</strong>äuch<strong>er</strong>te Barbarie-<br />

Entenbrust aus Frankreich, Honig-Melonen, Pancetta und Z<strong>er</strong>velat-<br />

Wurst (ehedem Hirnwurst; heute eine Art luftgetrocknete schweiz<strong>er</strong> Rohwurst mit<br />

dem schönen öst<strong>er</strong>reichischen Altnamen Saffaladi).<br />

Man nistet sich gemütlich ein unt<strong>er</strong> einem Himmel, d<strong>er</strong> nur an<br />

wenigen Orten d<strong>er</strong> Welt so klar – fast frei von Lichtsmog – sich wölbt<br />

und Quastorf blickt v<strong>er</strong>sonnen in sein mitgebrachtes Teleskop.<br />

Gleichzeitig ist <strong>er</strong> begeist<strong>er</strong>t, wieviel Zeug man auf ein<strong>er</strong> 650-<strong>er</strong>-<br />

Kawasaki mitführen kann. Gut, den großen Wagen findet <strong>er</strong> noch lock<strong>er</strong>,<br />

ab<strong>er</strong> dann hört sich seine astronomische Begabung auch sogleich auf.<br />

Die 80.- € für das mickrige Spährohr hätte <strong>er</strong> sich sparen können; das<br />

nimmt man bess<strong>er</strong> mit einem Feldstech<strong>er</strong> wahr.<br />

Er entzündet ein romantisches Feu<strong>er</strong>, mit dem <strong>er</strong> Milliarden<br />

Funken v<strong>er</strong>schleud<strong>er</strong>t (gleichsam ‚neue St<strong>er</strong>ne in den Himmel schickt’ – ein<br />

wund<strong>er</strong>voll<strong>er</strong> Gedanke, den Himmel b<strong>er</strong>eich<strong>er</strong>n zu können!).<br />

Wiewohl Lag<strong>er</strong>feu<strong>er</strong> neu<strong>er</strong>dings in d<strong>er</strong> EU streng v<strong>er</strong>boten sind<br />

(ab<strong>er</strong> die wollen ja bekanntlich absolut alles reglementi<strong>er</strong>en, was auch nur im<br />

Entf<strong>er</strong>ntesten Lust b<strong>er</strong>eiten könnte!).


202<br />

Beide genießen die All-Gewahrheit und das Dazwischen, das sich<br />

daraus entfaltet. Ab<strong>er</strong> sie bleiben nicht lange alleine, denn alsbald treffen<br />

würdigen Schrittes imm<strong>er</strong> mehr weißgekleidete (und teilweise auch völlig<br />

nackte – mit Kalk bemalte) Gestalten ein. Unt<strong>er</strong> Absingen seltsam<strong>er</strong><br />

hypnoid<strong>er</strong> Tonfolgen aus archaischen Zeiten formi<strong>er</strong>en sie sich zu einem<br />

Bann-Kreis, in dessen Mitte die seltsamen Wesenheiten ebenfalls einen<br />

hohen Holzstoß aufrichten, d<strong>er</strong> sogleich zu einem gewaltigen Feu<strong>er</strong><br />

aufflammt.<br />

Zwei formlose Gestalten treten nach Stunden mythisch<strong>er</strong><br />

Tätigkeiten aus dem geschlossenen Kreis h<strong>er</strong>aus und springen üb<strong>er</strong> die<br />

langsam nied<strong>er</strong>brennende Glut, als ob sie Initiatianden wären. Unt<strong>er</strong><br />

ihren Kitteln aus ungebleichtem Linnen sind sie gänzlich nackt, was man<br />

sehen kann, da diese von d<strong>er</strong> Th<strong>er</strong>mik des Feu<strong>er</strong>s hochflatt<strong>er</strong>n. Dann<br />

w<strong>er</strong>den sie von dem in diesem Kreis einzigen schwarz-bekutteten<br />

Teilnehm<strong>er</strong> auf den sagenumwobenen Gebärstein gebettet und mittels<br />

brennend<strong>er</strong> Birken-Faszes konsekri<strong>er</strong>t.<br />

Sind das nun die beiden v<strong>er</strong>mißten Ethnologen od<strong>er</strong> die<br />

bekanntlich v<strong>er</strong>lorengegangenen Steu<strong>er</strong>fahnd<strong>er</strong> (bei einem konnte man die<br />

schaukelnden Hoden sehen; bei d<strong>er</strong> zweiten Figur war das Gegenlicht des Mondes<br />

leid<strong>er</strong> etwas hind<strong>er</strong>lich dabei)? Clärchen schmiegt sich ängstlich an des coolen<br />

Kommissares Schult<strong>er</strong>, denn d<strong>er</strong>lei gibt es in d<strong>er</strong> Stadt eh<strong>er</strong> nur selten.<br />

Plötzlich nimmt Quastorf einen tieftönigen Klang wahr, d<strong>er</strong> ihn in<br />

ein Dazwischen entführt, das kein<strong>er</strong> Exorbitanz seines an Seltsamkeiten<br />

wahrhaft nicht armen Lebens Ank<strong>er</strong>punkt sein könnte. Eine angenehme<br />

Art von „Quauuhh“. Und findet sich in Arkadien wied<strong>er</strong>; in Xanadoo, in<br />

Nifelheim, in Abraxxas, in Avalon, in Shamballa und Eleusia. Und<br />

Clärchen wohnt in seinem Kopf, macht ihm dort zwar Schm<strong>er</strong>z, ab<strong>er</strong><br />

läßt seinen Schwanz auch gleichzeitig quellen. Warum schläft <strong>er</strong> nicht in<br />

seinem geliebten harten Bett in Rappoltsgschwendt ohne jeglichen Streß?<br />

Üb<strong>er</strong> den aufkommenden Wolken gebi<strong>er</strong>t sich ihm eine tell<strong>er</strong>artige<br />

Scheibe, d<strong>er</strong>en pulsi<strong>er</strong>ende Leuchtkraft ihn mächtig <strong>er</strong>regt.<br />

Indem <strong>er</strong> seine Anmutungen Clara v<strong>er</strong>stört mitteilt, v<strong>er</strong>lacht sie<br />

ihn bloß. Seine Migräne wird stärk<strong>er</strong> und Quastorf kann das Atmen des


203<br />

Univ<strong>er</strong>sums nunmehr im Zentrum seines Gehirns und zwischen seinen<br />

zunehmend bamstig w<strong>er</strong>denden Händen wahrnehmen.<br />

Die Nacht im Freien tut beiden gut, nachdem die selbst <strong>er</strong>nannten<br />

Druiden v<strong>er</strong>schwunden sind. Kühl und naturnah – wie ein Zwettl<strong>er</strong>-Bi<strong>er</strong>.<br />

Und Lust <strong>er</strong>füllt den aufgeladenen Raum.<br />

27 Am Morgen wird das Kopfweh wied<strong>er</strong> stärk<strong>er</strong> und Clärchen ist<br />

besorgt, da Quastorf auch nicht mehr d<strong>er</strong> Jüngste ist mit seinen bald<br />

dreiundsechzig Jahren. Ein Hirntumor käme durchaus in Frage, ein<br />

Aneurysma, eine FSME, Spätfolgen ein<strong>er</strong> Borelliose od<strong>er</strong> bloß zuviele<br />

Drei<strong>er</strong> in seinem von div<strong>er</strong>sen Schicksalsschlägen b<strong>er</strong>eich<strong>er</strong>ten Leben.<br />

Quastorf macht den <strong>er</strong>niedrigenden Gang zu Dr. Hebenstreit.<br />

Blutabnahme (wenige Ab<strong>er</strong>ranzen – nur die Harnsäure ist zu hoch – das war die<br />

Kuttel-Wurst!), das EKG ist seltsam<strong>er</strong>weise nahezu unauffällig bis auf ein<br />

paar konstant auftretende Vorhof-Extrasystolen. Anamnestische<br />

Befragung und dann Üb<strong>er</strong>weisung zum Facharzt, zu dem <strong>er</strong> sich tags<br />

darauf von Clara zwingen läßt.<br />

D<strong>er</strong> Neurologe Dr. Zaunschirm ist v<strong>er</strong>blüfft: Selten hatte <strong>er</strong> einen<br />

d<strong>er</strong>art schrägen Patienten. Hochintelligent, subv<strong>er</strong>siv (wiewohl V<strong>er</strong>tret<strong>er</strong> d<strong>er</strong><br />

Exekutive), selbstkritisch, weise, sp<strong>er</strong>rig und doch in gewiss<strong>er</strong> Weise<br />

liebensw<strong>er</strong>t, tiefgründig und trotzdem in tiefen Selbstzweifeln v<strong>er</strong>woben.<br />

Er unt<strong>er</strong>sucht ihn gewissenhaft und die üblichen Reflexe sind<br />

weitgehend unauffällig. Ab<strong>er</strong> die rechte Hand bewegt sich ein wenig<br />

unkoordini<strong>er</strong>t und auch die Sprache wirkt leicht v<strong>er</strong>schliffen.<br />

„Lieb<strong>er</strong> Freund, wir w<strong>er</strong>den ein CCT od<strong>er</strong> ein Hirn-MRT benötigen, um<br />

Genau<strong>er</strong>es zu wissen!“.<br />

Da ist sich Quastorf nun nicht mehr ganz sich<strong>er</strong>, ob <strong>er</strong> das alles<br />

wirklich will! Denn <strong>er</strong> hatte imm<strong>er</strong> schon die Vorstellung, daß bei ein<strong>er</strong><br />

Magnet-Resonanz-Tomographie die ubiquitärsten K<strong>er</strong>nspine, d<strong>er</strong>en<br />

Drehachsen normal<strong>er</strong>weise in jedwed<strong>er</strong> Ebene v<strong>er</strong>laufen (durch das<br />

kurzfristige Extremfeld von imm<strong>er</strong>hin eineinhalb bis zwei Tesla – die Umrechnung


204<br />

auf die obsolete Maßeinheit Gauß spart sich Quastorf g<strong>er</strong>ne) die körp<strong>er</strong>eigenen<br />

Elementarteilchen in unzulässig<strong>er</strong> Weise gleichgeschaltet würden.<br />

Dann w<strong>er</strong>den diese auch noch um 15° aus dies<strong>er</strong> Synchronisi<strong>er</strong>ung<br />

ausgelenkt, um danach in ihre gewohnten Bahnen zurückzufallen (w<strong>er</strong><br />

weiß, ob sich die Spine an ihre gewohnten Positionen <strong>er</strong>inn<strong>er</strong>n?). Das kann man<br />

dann messen. Dabei geht ihm sich<strong>er</strong> die Feinstofflichkeit sein<strong>er</strong> sich<strong>er</strong><br />

etwas aufgeblasenen Aura v<strong>er</strong>loren! Das mißfällt ihm einig<strong>er</strong>maßen, ab<strong>er</strong><br />

<strong>er</strong> stimmt trotzdem zu, da <strong>er</strong> ahnt, daß d<strong>er</strong> Facharzt richtig liegt.<br />

Im Röntgen-Institut Föhrenb<strong>er</strong>g<strong>er</strong> geht es rund. Doch aufgrund<br />

d<strong>er</strong> Dringlichkeit wird Quastorf sogleich in die Röhre eingeschoben. Das<br />

ist wahrlich nichts für Engbeh<strong>er</strong>zte; dafür benötigt man schon ein höh<strong>er</strong>es<br />

Selbst, das im Univ<strong>er</strong>sum daheim ist und einen liebevoll bei d<strong>er</strong> Hand<br />

nimmt, damit man nicht strauchelt in dies<strong>er</strong> prekären Situation.<br />

Nach zwanzig lauten Minuten ist alles vorbei und d<strong>er</strong> Befund<br />

lautet „aktivi<strong>er</strong>tes Hamartom“ (das hat nichts mit dem v<strong>er</strong>rückten Neonazi Dr.<br />

Ryke G<strong>er</strong>d Ham<strong>er</strong> zu tun, d<strong>er</strong> vor Jahren die Olivia fast st<strong>er</strong>ben hätte lassen),<br />

sond<strong>er</strong>n stellt eine seltene V<strong>er</strong>wirklichung eines abgestorbenen Teiles<br />

eines in d<strong>er</strong> Embryonalphase sich unbem<strong>er</strong>kt entwickelnd habenden<br />

Tumors aus fremdgenetischem Mat<strong>er</strong>ial in seinem linken Schläfe-Lappen<br />

dar (ein sogenannt<strong>er</strong> Epignatus). Gleichsam ein Brud<strong>er</strong> im Geiste (ein<br />

unv<strong>er</strong>wirklicht<strong>er</strong> Zwilling, d<strong>er</strong> sich seit kurzem zur Entzündung entschlossen hat).<br />

Dah<strong>er</strong> möglich<strong>er</strong>weise seine wied<strong>er</strong>holten seltsamen Begegnungen und<br />

Wahrnehmungen! Was ist zu tun dagegen?<br />

D<strong>er</strong> Neurologe rät vorläufig zu Cortison und dann wird man<br />

weit<strong>er</strong>sehen, ob das Ding h<strong>er</strong>ausgeschnitten w<strong>er</strong>den muß, um ihn nicht<br />

weit<strong>er</strong> zu schädigen. Das sind alles keine <strong>er</strong>freulichen P<strong>er</strong>spektiven für<br />

Quastorf; und doch hat <strong>er</strong> Sorge, ob ihm die Flucht in die Arbeit das<br />

<strong>er</strong>sparen wird können. Er stimmt vorläufig dem Cortison zu, damit ihm<br />

hoffentlich kein Mess<strong>er</strong> im Kopf blüht. Sein<strong>er</strong> vorgesetzten Dienststelle<br />

wird <strong>er</strong> das Unt<strong>er</strong>suchungs<strong>er</strong>gebnis wohlweislich nicht sofort melden,<br />

denn dann würde <strong>er</strong> klar<strong>er</strong>weise in den Krankenstand gezwungen. Und<br />

<strong>er</strong> hat sich geschworen, daß <strong>er</strong> bis zu sein<strong>er</strong> Pensioni<strong>er</strong>ung niemals eine<br />

Schonung brauchen wird (das läßt sein nahezu krankhaftes Pflichtbewußtsein<br />

nicht zu). Durchtauchen muß <strong>er</strong> diesen v<strong>er</strong>mutlich letzten Fall; und<br />

möglich<strong>er</strong>weise schenkt ihm sein bish<strong>er</strong> unbekannt<strong>er</strong> Zwilling auch Kraft


205<br />

od<strong>er</strong> v<strong>er</strong>weist ihn auf v<strong>er</strong>qu<strong>er</strong>e Weise auf ungewöhnliche Lösungsmöglichkeiten!<br />

Clara ist schocki<strong>er</strong>t von d<strong>er</strong> Vorstellung, daß ihr Geliebt<strong>er</strong> so<br />

selbstschädigend mit sich umgehen will, da sie echte Sorgen um seine<br />

Lebens<strong>er</strong>wartung hat. Ab<strong>er</strong> mit diesem elenden Sturkopf ist<br />

diesbezüglich leid<strong>er</strong> nicht zu v<strong>er</strong>handeln. Also muß sie wied<strong>er</strong>einmal<br />

zurückstehen und mit ihr<strong>er</strong> Angst zu leben l<strong>er</strong>nen.<br />

Nach einigen Tagen, in denen sich Quastorf nun doch eine kurze<br />

Ruhezeit gegönnt hat, da d<strong>er</strong> Dez<strong>er</strong>natsleit<strong>er</strong> Kuchlbach<strong>er</strong> ohnehin wie<br />

wild <strong>er</strong>mittelt, ruft Dr. Zaunschirm einig<strong>er</strong>maßen <strong>er</strong>regt an.<br />

„Ich habe mir gest<strong>er</strong>n Ihre Bild<strong>er</strong> nocheinmal angesehen; da gibt es<br />

einige Ung<strong>er</strong>eimtheiten, denn die röntgenologische Diagnose paßt<br />

eigentlich gar nicht zu Ihren Symptomen. Wir brauchen doch auch noch<br />

ein CCT, denn die Aussagekraft des MRT ist leid<strong>er</strong> nur mäßig. Und Sie<br />

sollten diesen bess<strong>er</strong> bei einem and<strong>er</strong>en Institut machen, da d<strong>er</strong> Kollege<br />

Föhrenb<strong>er</strong>g<strong>er</strong> seine eigene Diagnose sich<strong>er</strong> nicht in Zweifel ziehen wird<br />

– das macht kein Arzt freiwillig!“.<br />

Also noch einmal das unangenehme Prozed<strong>er</strong>e; nur diesmal ohne<br />

Aura-Schädigung, dafür ab<strong>er</strong> mit schm<strong>er</strong>zhaft<strong>er</strong> Dau<strong>er</strong>kanüle in den seit<br />

jeh<strong>er</strong> empfindlichen Venen Quastorfs und natürlich mit Strahlung.<br />

Ab<strong>er</strong> die neue Diagnose ist kaum b<strong>er</strong>uhigend<strong>er</strong>, denn sie lautet<br />

„Meningeom im linken Parieto-Temporallappen“. Also kein Zwilling, d<strong>er</strong> ihm<br />

was einsagen könnte, sond<strong>er</strong>n bloß ein profan<strong>er</strong> Auswuchs d<strong>er</strong> Hirnhaut.<br />

Gutartig, soweit man im engen Gehirnraum üb<strong>er</strong>haupt von einem in<br />

irgend ein<strong>er</strong> Weise ‚gutartigen’ Tumor sprechen will! Denn jedwedes<br />

Wachstum hi<strong>er</strong>orts steig<strong>er</strong>t den Hirndruck; und das wirkt sich stets<br />

bösartig aus. Das hatte <strong>er</strong> schon sein<strong>er</strong>zeit in d<strong>er</strong> Jugend nach d<strong>er</strong><br />

schw<strong>er</strong>en Hirnblutung wegen eines Köpfl<strong>er</strong>s in allzu seichtes Wass<strong>er</strong>.<br />

Von zwei Met<strong>er</strong>n in einen nur zwanzig Zentimet<strong>er</strong> tiefen Bach auf den<br />

sehr spitzen Stein, d<strong>er</strong> ihm die Welt auf den Kopf fallen hat lassen.<br />

Erinn<strong>er</strong>t irgendwie an Majestix. Ab<strong>er</strong> ein wenig hat <strong>er</strong> noch Zeit,<br />

um seinen v<strong>er</strong>zwickten Fall zu lösen (und dadurch auch eine durchaus gute<br />

Ausrede, daß <strong>er</strong> nicht sogleich unt<strong>er</strong>’s Mess<strong>er</strong> muß).


206<br />

hauptarbeit<br />

1 Das mit den Druiden läßt Quastorf nicht ruhen und so befragt <strong>er</strong><br />

die Waldfrau, die ja einen besond<strong>er</strong>en Draht zu auß<strong>er</strong>gewöhnlichen<br />

Wahrnehmungen hat und in d<strong>er</strong> Eso-Szene eine gefragte Spezialistin ist.<br />

Sie begrüßt ihn h<strong>er</strong>zlich – wie imm<strong>er</strong> – und hört sich sein<br />

medizinisches Anliegen geduldig an. Dann empfiehlt sie ihm eine<br />

Rückführung in Trance, um mit Hilfe eines Traumweges in tief<strong>er</strong>e Schichten<br />

seines Selbst einzudringen auf Schamanen-Weise. B<strong>er</strong>eitwillig legt <strong>er</strong> sich<br />

auf eine dünne Matte, die mit div<strong>er</strong>sen Kräut<strong>er</strong>n gefüllt ist.<br />

Sie besprüht ihn aus ihrem Mund mit düst<strong>er</strong>rotem Gebräu,<br />

nachdem sie sich lange mittels Rasseln in Trance v<strong>er</strong>setzt hat. Er trinkt<br />

von dem g<strong>er</strong>eichten Decoct, dessen Inhalt <strong>er</strong> freilich nicht kennt (denn <strong>er</strong><br />

v<strong>er</strong>traut d<strong>er</strong> Magi<strong>er</strong>in blindlings – nur die bedingungslose Einlassung auf eine<br />

Heil<strong>er</strong>in kann jetzt helfen). Auch die ihm dargebotene Zigarre, die dem<br />

Synästhetik<strong>er</strong> blau-braun (mit grün-laubigem Abgang) schmeckt und in Dmoll<br />

gehalten ist, nimmt <strong>er</strong> g<strong>er</strong>ne hin.<br />

D<strong>er</strong>en Rauch entfaltet in seinen Lungenflügeln einen beißenden<br />

Schm<strong>er</strong>z und in seinem Ich endlich nach langem sein höh<strong>er</strong>es Selbst, von<br />

dem <strong>er</strong> imm<strong>er</strong> schon wußte, daß es vorhanden wäre; das ihm ab<strong>er</strong> bish<strong>er</strong><br />

meistens inapparent war. Dieses nimmt ihn liebevoll bei d<strong>er</strong> Hand wie<br />

sein<strong>er</strong>zeit seine aufopf<strong>er</strong>nde Mutt<strong>er</strong> und geleitet ihn in einen <strong>er</strong>füllenden<br />

Raum von gewaltigen Ausdehnungen. 10 32 Met<strong>er</strong> in 20 Dimensionen<br />

eingekrumpelt in den von ihm geliebten Calabi-Yau-Räumen, die in ihr<strong>er</strong><br />

unvorstellbar schönen Null-Ausdehnung unt<strong>er</strong>halb d<strong>er</strong> String-<br />

Größenordnungen und d<strong>er</strong> Plank-Konstante eigentlich physikalisch<br />

v<strong>er</strong>boten wären und trotzdem höchstwahrscheinlich d<strong>er</strong> Gebärschoß des<br />

Urknalles waren (sind – sein w<strong>er</strong>den – kein<strong>er</strong> hat sich je Gedanken üb<strong>er</strong> die<br />

Mehrdimensionalität d<strong>er</strong> Zeit gemacht, die Quastorf nun schm<strong>er</strong>zhaft in sein<br />

gepeinigtes Fleisch inkorpori<strong>er</strong>t).<br />

Auch die von Quastorf geford<strong>er</strong>ten Zeit-Quanten (die Chronionen)<br />

wurden noch nie von Physik<strong>er</strong>n je in Erwägung gezogen. Er v<strong>er</strong>mutet,<br />

daß die Zeit nicht kontinui<strong>er</strong>lich, sond<strong>er</strong>n diskret in Quantensprüngen<br />

abläuft; und auß<strong>er</strong>dem plastisch ist (abhängig von den Dichtigkeiten d<strong>er</strong>


207<br />

Informations-Inhalte und d<strong>er</strong>en Bedeutung für den Einzelnen), wie auch für die<br />

Evolution des Raumes und somit abhängig von den dadurch ebenfalls<br />

evolutionär bedingten Naturgesetzen die Zeit ständig v<strong>er</strong>schiedene<br />

Geschwindigkeiten vorgibt. Kann es sein, daß solch<strong>er</strong>art auch die<br />

Lichtgeschwindigkeit unt<strong>er</strong>schiedliche W<strong>er</strong>te haben könnte (da wäre H<strong>er</strong>r<br />

Einstein sich<strong>er</strong> sehr beleidigt!). Ab<strong>er</strong> wo man sich während d<strong>er</strong> unzähligen<br />

infinitesimalen Zwischenräume zwischen den Zeitquanten befindet, ist<br />

gänzlich unb<strong>er</strong>echenbar!<br />

Und trotzdem ist Quastorf nun genau dort! Sein ganzes Leben<br />

explodi<strong>er</strong>t ihm in dessen Wesenheit (geschieht das in Nullzeit od<strong>er</strong> in<br />

ausuf<strong>er</strong>nd<strong>er</strong> Unendlichkeit; es ist für ihn nicht im G<strong>er</strong>ingsten unt<strong>er</strong>scheidbar und<br />

somit auch völlig unwesentlich!). Und auch d<strong>er</strong> Fall ist schon gelöst, da <strong>er</strong><br />

b<strong>er</strong>eits mehr davon weiß als selbst die Tät<strong>er</strong>. Große Hitze im inn<strong>er</strong>sten<br />

Mark läßt ihn fast v<strong>er</strong>brennen. Das war die Wirkung d<strong>er</strong> bösen Datura!<br />

Gottseidank üb<strong>er</strong>gießt ihn die Waldfrau ständig mit eiskaltem<br />

Quellwass<strong>er</strong>, da sie um die Nebenwirkungen von Datura stramonium<br />

einig<strong>er</strong>maßen Bescheid weiß (wenn da keine V<strong>er</strong>bündete mit kaltem Wass<strong>er</strong><br />

wäre, würde man sich<strong>er</strong> daran st<strong>er</strong>ben!). Quastorf muß noch den ganzen<br />

Grand Canyon in ein<strong>er</strong> winzigen Nußschale hinunt<strong>er</strong>toben, das gesamte<br />

Leiden Jesu durchmachen, sämtliche Erkenntnisse d<strong>er</strong> Menschheit in<br />

sein Gehirn stopfen und einen Condor-Flug üb<strong>er</strong> die Anden meist<strong>er</strong>n,<br />

bevor <strong>er</strong> schweißnaß und nahezu präcomatös in die Kräut<strong>er</strong>matte<br />

v<strong>er</strong>sinkt. Schön<strong>er</strong> und abgefahren<strong>er</strong> kann es nurmehr in Abrahams<br />

Wurstkessel sein – ozeanisch das Gefühl – „p<strong>er</strong> asp<strong>er</strong>a ad astra“.<br />

Total <strong>er</strong>schöpft und doch irgendwie <strong>er</strong>leicht<strong>er</strong>t und mit klarem<br />

Kopf kommt <strong>er</strong> nach ein<strong>er</strong> Ewigkeit aus d<strong>er</strong> Kuhle. Unt<strong>er</strong> diesen<br />

Bedingungen sollte <strong>er</strong> sich<strong>er</strong> nicht mehr selbst sein Fahrzeug lenken und<br />

so ruft <strong>er</strong> Clärchen an, daß sie ihn holen möge (<strong>er</strong> weiß absolut nicht, ob<br />

Sekunden, Stunden od<strong>er</strong> Tage v<strong>er</strong>gangen sind seit dem Beginn sein<strong>er</strong> Reise).<br />

„Bei allem V<strong>er</strong>ständnis für Deine Notlage; ab<strong>er</strong> war dies<strong>er</strong> seltsame<br />

Ausritt nun wirklich <strong>er</strong>ford<strong>er</strong>lich?“.<br />

Die Frau Strehlmann ist ein wenig indigni<strong>er</strong>t ob d<strong>er</strong> aus diesen<br />

Worten Claras <strong>er</strong>ahnbaren v<strong>er</strong>steckten Kritik an ihren Schamanen-Riten,<br />

die ja schließlich d<strong>er</strong> Heilung Quastorfs dienten.


208<br />

„Liebe Frau Stowass<strong>er</strong>, da ist nichts Anrüchiges daran – es hilft<br />

schließlich ihrem bedrängten Gatten aus sein<strong>er</strong> Beengtheit!“.<br />

Also <strong>er</strong> ist leid<strong>er</strong> (od<strong>er</strong> eh<strong>er</strong> gottseidank) nicht ihr angetraut<strong>er</strong> Gatte,<br />

ab<strong>er</strong> da das Wort seinen Stamm von begatten h<strong>er</strong>leitet, stimmt die Anrede<br />

in gewiss<strong>er</strong> Weise doch irgendwie; gesteht sich Clara ein.<br />

Relativ wortlos v<strong>er</strong>läuft die Heimfahrt. Quastorf leidet noch<br />

imm<strong>er</strong> unt<strong>er</strong> un<strong>er</strong>träglich<strong>er</strong> Mundtrockenheit, Lichtscheu und<br />

Sehstörungen, die dem Hyoscyamin d<strong>er</strong> Datura entwachsen sind.<br />

Zuhause wird <strong>er</strong> heftig duschen müssen, um wied<strong>er</strong> Mensch zu w<strong>er</strong>den,<br />

nachdem <strong>er</strong> Gott war (und ist und bleiben wird ab diesem Erlebnis). Da wird<br />

es Clara möglich<strong>er</strong>weise ab jetzt noch viel schw<strong>er</strong><strong>er</strong> haben mit ihm als<br />

bish<strong>er</strong> schon. Denn Datura ist wahrlich eine and<strong>er</strong>e Ebene als das von<br />

ihr aus gewiss<strong>er</strong> modisch<strong>er</strong> Attitüde gelegentlich konsumi<strong>er</strong>te Marihuana<br />

(Nostalgie fällt weg; dazu ist sie viel zu jung!).<br />

Des Abends nach d<strong>er</strong> heißen Dusche ist Quastorf wie<br />

neugeboren. Die ganze Welt steht ihm offen ab nun und <strong>er</strong> durchschaut<br />

praktisch alles! Sämtliche Zusammenhänge d<strong>er</strong> an sich v<strong>er</strong>kommenen<br />

Soziologie, d<strong>er</strong> korrupten Politik, d<strong>er</strong> undurchschaubaren Quantenphysik<br />

und d<strong>er</strong> auf tön<strong>er</strong>nen Beinen stehenden Psychologie liegen vor seinem<br />

Auge dar wie ein offenes Buch.<br />

Und eine d<strong>er</strong>art <strong>er</strong>füllende Sexualität – wie heute Abend – hatte <strong>er</strong><br />

auch noch nie; nicht einmal mit fünfundzwanzig (und damals wähnte <strong>er</strong> sich<br />

doch am Kulminationspunkt des absoluten Maximums d<strong>er</strong> Lustfähigkeit!). Clara<br />

geht es danach ähnlich; nichts mehr in ihrem Leben wird je wied<strong>er</strong> sein<br />

wie zuvor!<br />

2 Wie von Dr. Kuchelbach<strong>er</strong> insgeheim <strong>er</strong>hofft, haben seine<br />

Lobbyisten zu ihm gehalten und ihn für den Landespolizei-Direktor<br />

vorgeschlagen. Sie konnten sich ja auch nicht leicht davon absenti<strong>er</strong>en,<br />

da sie d<strong>er</strong> v<strong>er</strong>biest<strong>er</strong>te Dez<strong>er</strong>natsleit<strong>er</strong> in wahrhaft v<strong>er</strong>fänglich<strong>er</strong> Situation<br />

wahrgenommen hat. Unangenehm nur, daß genau jetzt d<strong>er</strong> Landesrat<br />

Bärnthal<strong>er</strong> ein V<strong>er</strong>fahren wegen Amtsmißbrauches am Hals hat,<br />

nachdem ihn igendein Links-Grün<strong>er</strong> (od<strong>er</strong> war es d<strong>er</strong> Dr. Hebenstreit) wegen<br />

Deckung Umwelt-schädigend<strong>er</strong> Deponie-Führung angezeigt hat.


209<br />

Da hängt jetzt leid<strong>er</strong> auch d<strong>er</strong> aufrechte Hr. Diepolt mit drin, d<strong>er</strong><br />

d<strong>er</strong> Betreib<strong>er</strong> d<strong>er</strong> Anlage ist. Und so p<strong>er</strong>fekt hätten sie sich alles g<strong>er</strong>ichtet<br />

gehabt, wenn sie da nicht imm<strong>er</strong> von so wahrhaft unangenehmen<br />

Wichtigmach<strong>er</strong>n aus d<strong>er</strong> Medien-Welt an die Brust genommen würden.<br />

Kuchelbach<strong>er</strong> ist etwas ratlos und v<strong>er</strong>birgt sein Haupt in seinen<br />

seit langem unaufgearbeiteten Akten, damit <strong>er</strong> sich wied<strong>er</strong>fände. Und<br />

natürlich klimp<strong>er</strong>t <strong>er</strong> nach Langem wied<strong>er</strong> einmal auf d<strong>er</strong> grandiosen<br />

Orgel d<strong>er</strong> Dürnhof-Kapelle, die ihm Quastorf sein<strong>er</strong>zeit geschenkt hat,<br />

woran <strong>er</strong> sich nur ung<strong>er</strong>n <strong>er</strong>inn<strong>er</strong>t, weil ihm das tiefe Dankbarkeit<br />

abnötigen könnte.<br />

W<strong>er</strong> sich hingegen schnell<strong>er</strong> wied<strong>er</strong>findet, ist Quastorf. Voll<strong>er</strong><br />

Tatendrang eilt <strong>er</strong> ins Amt.<br />

Alle harren schon sein<strong>er</strong>, wiewohl <strong>er</strong> nicht weiß, was sie sich von<br />

ihm <strong>er</strong>warten könnten, denn leid<strong>er</strong> ist ihm das substanzbedingte Wissen<br />

um die Lösung des Falles seit seinem Erwachen aus d<strong>er</strong> Trance mit jed<strong>er</strong><br />

Minute mehr und mehr v<strong>er</strong>lorengegangen. Die plötzlich wied<strong>er</strong><br />

notwendige Wirklichkeit schraubt sich in sein Inruhe-gelassen-wollenw<strong>er</strong>den<br />

unangenehm hinein.<br />

Jetzt gilt es ab<strong>er</strong> Nägel mit Köpfen zu machen und die<br />

Tatv<strong>er</strong>dächtlichkeiten zu einem brauchbaren Ermittlungs-Ergebnis zu<br />

bringen.<br />

Da liegt ja b<strong>er</strong>eits genug auf dem Tisch: Mehr<strong>er</strong>e Unt<strong>er</strong>nehm<strong>er</strong><br />

hatten aufgrund ihr<strong>er</strong> korrupten Machinationen großes Int<strong>er</strong>esse daran,<br />

daß die Finanz<strong>er</strong> nicht mehr kämen. Irgendwo sind die auch<br />

v<strong>er</strong>lorengegangen zum Nutzen d<strong>er</strong> Inkrimini<strong>er</strong>ten und so sind die<br />

Tatmotive weitgehend offenkundig. Nur w<strong>er</strong> hat sie umgebracht; und<br />

wie und wann? Und sind sie üb<strong>er</strong>haupt <strong>er</strong>mordet worden? Denn so<br />

intelligent w<strong>er</strong>den die Schlitzohren doch sein, daß ihnen bewußt sein<br />

müßte, daß die Finanzfahndung sich<strong>er</strong> Ersatzleute schicken wird! Welche<br />

Behörde läßt wohl potenzielle Geldquellen v<strong>er</strong>siegen? Und genau so ist<br />

es. Trotz amtlich<strong>er</strong> Trau<strong>er</strong> (die war etwas vorschnell, da es keine Leichen gibt.<br />

Alle haben natürlich auch nicht um den Tippl<strong>er</strong> und den W<strong>er</strong>zing<strong>er</strong> getrau<strong>er</strong>t;<br />

speziell die jungen Karri<strong>er</strong>isten nicht) packten im f<strong>er</strong>nen Wien eben diese<br />

Karri<strong>er</strong>isten – Schwahappl und Böröc – ihre Akten in den Dienst-VW.


210<br />

3 H<strong>er</strong>r Dr. Wolfowitz ist total aufgelöst: „D<strong>er</strong> Kaznavourian hat<br />

mich gest<strong>er</strong>n ang<strong>er</strong>ufen, daß <strong>er</strong> zwei unbrauchbare Leichen hatte, für die<br />

wir zuständig wären – Sheise das!“ schreit <strong>er</strong> in Ranzbichl<strong>er</strong>s Handy. Er<br />

schreit es freilich in den Höhr<strong>er</strong> seines Tischg<strong>er</strong>ätes, ab<strong>er</strong> Lärm macht<br />

das im Ranzbichl<strong>er</strong>-Handy!<br />

D<strong>er</strong> zuvor <strong>er</strong>wähnte Sch<strong>er</strong>z des naturbelassenen Bordelles ist nicht<br />

für alle <strong>er</strong>kennbar gewesen. Denn als Sch<strong>er</strong>z w<strong>er</strong>den es die betrunkenen<br />

Finanz<strong>er</strong> sich<strong>er</strong> nicht empfunden haben, da sie in dies<strong>er</strong> schlecht<br />

abgesich<strong>er</strong>ten unbeleuchteten Jauchengrube ihr Ende gefunden haben<br />

(eh<strong>er</strong> schon als Ironie des Schicksals, da sie bish<strong>er</strong> imm<strong>er</strong> unbestechlich waren; ab<strong>er</strong><br />

die Hormone halt im Ansichtigw<strong>er</strong>den d<strong>er</strong> silikonisi<strong>er</strong>ten Neg<strong>er</strong>innen mit ihren geilen<br />

Hint<strong>er</strong>n und schmalrasi<strong>er</strong>ten Zahnbürschtel-Schamhügeln!).<br />

Was bish<strong>er</strong> nicht amtsbekannt ist: D<strong>er</strong> Kaznavourian wurde von<br />

den Nymphen aus d<strong>er</strong> Zwischenwelt ang<strong>er</strong>ufen, daß <strong>er</strong> alle vi<strong>er</strong> holen sollte.<br />

Das hat <strong>er</strong> dann auch gemacht und die Mädchen auf ihre Zimm<strong>er</strong><br />

geleitet. Die zwei pragmatisi<strong>er</strong>ten Ruhestör<strong>er</strong> ab<strong>er</strong> hat <strong>er</strong> ausgesp<strong>er</strong>rt aus<br />

seinem Garten d<strong>er</strong> Lüste. Und solch<strong>er</strong>maßen haben sich die halt dann in<br />

die Gülle v<strong>er</strong>irrt.<br />

Ekel<strong>er</strong>regend, wie in d<strong>er</strong> Früh d<strong>er</strong> Arm des Einen aus d<strong>er</strong> Suppe<br />

geschaut hat. Und noch ekel<strong>er</strong>regend<strong>er</strong> dann das H<strong>er</strong>ausfischen d<strong>er</strong><br />

v<strong>er</strong>schlatzten Leichen. Und eine arge Plage für sein armes Kreuz!<br />

Ab<strong>er</strong> jetzt muß man d<strong>er</strong>en leblose Körp<strong>er</strong> irgendwie aus d<strong>er</strong> Welt<br />

schaffen und w<strong>er</strong> kann das wohl bess<strong>er</strong> als d<strong>er</strong> Ranzbichl<strong>er</strong>? Dessen<br />

nächtliche Arbeit war danach naturgemäß schon im Hint<strong>er</strong>grund Anlaß<br />

für heftige Emotionen sein<strong>er</strong> selbst. Und des Viehhändl<strong>er</strong>s Geistesblitz<br />

hat es dann doch <strong>er</strong>möglicht, daß die großen Mengen Faschi<strong>er</strong>tes zu<br />

Futt<strong>er</strong> für die ‚naturnah gehaltenen’ N<strong>er</strong>ze in d<strong>er</strong> von Ti<strong>er</strong>schütz<strong>er</strong>n<br />

v<strong>er</strong>haßten Farm in Freizen genützt wurden. Das war d<strong>er</strong> geniale Plan<br />

Ranzbichl<strong>er</strong>s, d<strong>er</strong> obig <strong>er</strong>wähnt wurde.<br />

Ganz gi<strong>er</strong>ig haben sich die üblich<strong>er</strong>weise an Kraftfutt<strong>er</strong> aus<br />

Ti<strong>er</strong>mehl in Pellets-Form (billig bei d<strong>er</strong> SANIRA zu <strong>er</strong>stehen) gewöhnten<br />

Ti<strong>er</strong>e in ihren engen Gitt<strong>er</strong>käfigen auf das wirklich schmackhafte Fleisch<br />

gestürzt und danach ihre von den Gitt<strong>er</strong>stäben v<strong>er</strong>wundeten Vi<strong>er</strong> Pfoten<br />

geleckt (leicht angesäuselt waren die <strong>er</strong>stmals glücklichen Ti<strong>er</strong>e h<strong>er</strong>nach vom hohen


211<br />

Blut-Alkohol des Hackgutes). Ein V<strong>er</strong>brechen eigentlich, daß man<br />

freiheitsliebende Ti<strong>er</strong>e wie diese Mard<strong>er</strong>artigen in solch elenden<br />

Barracken hält – ein bedrückendes Ti<strong>er</strong>-KZ! Diese Direktv<strong>er</strong>fütt<strong>er</strong>ung ist ja<br />

eigentlich en<strong>er</strong>getisch und transportmäßig eine Umweltschon-Aktion, denn d<strong>er</strong><br />

unnötige Umweg üb<strong>er</strong> die SANIRA wird v<strong>er</strong>mieden. Und billig<strong>er</strong> ist das auch; also<br />

eine Win-Win-Win-Lösung des Problems.<br />

Gottseidank weiß Quastorf noch nichts davon, denn <strong>er</strong> kann keine<br />

Ti<strong>er</strong>e leiden sehen, wiewohl <strong>er</strong> auch saturi<strong>er</strong>te Hausti<strong>er</strong>e eigentlich als<br />

von ihren Halt<strong>er</strong>n zu p<strong>er</strong>v<strong>er</strong>ti<strong>er</strong>ten Existenzen deformi<strong>er</strong>te Wesen<br />

wahrnimmt. Die H<strong>er</strong>rl’n/Dam<strong>er</strong>l’n d<strong>er</strong> Ti<strong>er</strong>e wirken so v<strong>er</strong>schräg, wie<br />

die Wirklichung d<strong>er</strong> ihnen unt<strong>er</strong>worfenen Kreaturen sich dann sichtbar<br />

aufdrängt (Quastorfs eigen<strong>er</strong> Umgang mit Hund und Schwein hingegen war stets<br />

von wahrhaft liebend<strong>er</strong> Wahrnehmung d<strong>er</strong> artspezifischen Würde domini<strong>er</strong>t).<br />

Ab<strong>er</strong> die N<strong>er</strong>ze sind eben Nutzti<strong>er</strong>e; und die w<strong>er</strong>den noch<br />

unp<strong>er</strong>sönlich<strong>er</strong> behandelt, sodaß ihre psychischen Störungen nicht durch<br />

zu innigen Kontakt mit Menschen, sond<strong>er</strong>n ausschließlich durch die<br />

Käfig-Haltung entstehen. Und d<strong>er</strong>en Pelze w<strong>er</strong>den noch imm<strong>er</strong> benötigt,<br />

da die Damen d<strong>er</strong> feinen Gesellschaft danach v<strong>er</strong>langen (wie z. B. die Fr.<br />

Bärnthal<strong>er</strong>).<br />

Das Schlimmste ab<strong>er</strong> ist, daß die Kadav<strong>er</strong> d<strong>er</strong> gehäuteten N<strong>er</strong>ze<br />

meist an ihre Onkeln und Tanten; an ihre leiblichen Kind<strong>er</strong> und Elt<strong>er</strong>n<br />

v<strong>er</strong>fütt<strong>er</strong>t w<strong>er</strong>den. Zu Kanibalisten w<strong>er</strong>den die armen Ti<strong>er</strong>e deformi<strong>er</strong>t<br />

und dadurch sich<strong>er</strong> nicht nur unt<strong>er</strong> ihr<strong>er</strong> inzestuösen Genetik leiden,<br />

sond<strong>er</strong>n auch Opf<strong>er</strong> d<strong>er</strong> Inkorpori<strong>er</strong>ung ihr<strong>er</strong> V<strong>er</strong>wandten w<strong>er</strong>den, so<br />

diese <strong>er</strong>bkrank sind. Ab<strong>er</strong> für den Halt<strong>er</strong> ebenfalls eine Win-Win-<br />

Situation, da das Futt<strong>er</strong> nichts kostet und die Entsorgung entfällt!<br />

Quastorf fährt nach Freizen, um den ‚Zoodirektor’ zu treffen, da<br />

eine Anzeige vorliegt (nicht wegen Menschen-V<strong>er</strong>fütt<strong>er</strong>ung, sond<strong>er</strong>n wegen<br />

G<strong>er</strong>uchsbelästigung durch Ti<strong>er</strong>mist; auch d<strong>er</strong>lei Pipifax muß Quastorf so nebenbei<br />

bew<strong>er</strong>kstelligen, weil nur Mörd<strong>er</strong>jagd amortisi<strong>er</strong>t den Beamten für die h<strong>er</strong>zlose<br />

Dienststelle zu wenig!). Doch bevor <strong>er</strong> die nach scharfem Kot stinkenden<br />

Barracken d<strong>er</strong> N<strong>er</strong>ze betritt, gönnt <strong>er</strong> sich einen Calvados vom<br />

Pathologen Anisin aus dem vom H<strong>er</strong>zen kommenden Flachmann und<br />

schiebt sich eine d<strong>er</strong> v<strong>er</strong>wutzelten Drei<strong>er</strong> zwischen seine von d<strong>er</strong><br />

Erwartungshaltung trockenen Lippen.


212<br />

Im Inf<strong>er</strong>no d<strong>er</strong> eng gedrängt stehenden Käfige muß <strong>er</strong><br />

Beweismat<strong>er</strong>ial sich<strong>er</strong>n. Man könnte Gott nur raten, daß Er diesseitige<br />

V<strong>er</strong>ursach<strong>er</strong> übl<strong>er</strong> V<strong>er</strong>hältnisse im Jenseits genau diesen Situationen<br />

aussetzen sollte (bess<strong>er</strong> vielleicht noch im Diesseits, denn w<strong>er</strong> weiß, ob es eine<br />

göttliche G<strong>er</strong>echtigkeit üb<strong>er</strong>haupt gibt?). Warum ist das nicht Standard d<strong>er</strong><br />

weltlichen G<strong>er</strong>ichtsbarkeit?<br />

Quastorf sackelt blutwässrige Futt<strong>er</strong>-Proben d<strong>er</strong> armen N<strong>er</strong>ze mit<br />

st<strong>er</strong>ilen Latex-Handschuhen ein. Er nimmt ihnen praktisch die einzige<br />

Lebensfreude, denn kopuli<strong>er</strong>en dürfen sie sie ja auch kaum. Er hofft so<br />

illegale Futt<strong>er</strong>mittel aus Ungarn mit bei uns v<strong>er</strong>botenen Antibiotika-<br />

Beimischung zu finden, denn das belastet nicht nur das Grundwass<strong>er</strong>;<br />

das führt auch zu Gestank, da die Rotteführung v<strong>er</strong>sagt, weil die armen<br />

Coli-Bakt<strong>er</strong>ien durch Antibiotika-Anwendung abst<strong>er</strong>ben.<br />

D<strong>er</strong> Un-Zücht<strong>er</strong> haßt ihn, als ob <strong>er</strong> ein Abgesandt<strong>er</strong> von Vi<strong>er</strong><br />

Pfoten wäre, da <strong>er</strong> in sein profitables Unrecht eindringt.<br />

„No, wos wean’s bei mir scho findt’n? Mocht ihna des a Freid, waunns<br />

so neigi<strong>er</strong>ich san und ehrliche Leit o’secki<strong>er</strong>’n?“ frech auf selbstsich<strong>er</strong>,<br />

denn <strong>er</strong> kennt den wahren Ursprung des Futt<strong>er</strong>s nicht; d<strong>er</strong> Ranzbichl<strong>er</strong><br />

hat das Zeug als Wildschwein-Abfälle vorgestellt.<br />

„Ich habe genug gesehen und bin schon weg, daß sie ihr Schandw<strong>er</strong>k<br />

weit<strong>er</strong> betreiben können, da sie kein offiziell<strong>er</strong> Ti<strong>er</strong>schutzbeauftragt<strong>er</strong><br />

behind<strong>er</strong>t – besänftigt durch die paar Flaschen Wein, die sie denen zu<br />

gewissen Anlässen zukommen lassen!“.<br />

„Schleich di; Oida. De Frau Bärnthola hot ihr’n Maunt’l net von mia<br />

griagt und da Laundesrot wiad da’s scho no zag’n; Du Oaschloch!“.<br />

Das hingegen fürchtet Quastorf kaum, da <strong>er</strong> b<strong>er</strong>eits um dessen<br />

Degradi<strong>er</strong>ung weiß.<br />

„Da sie doch ständig N<strong>er</strong>ze töten müssen, würde ich es schätzen, wenn<br />

sie mir einige zukommen ließen als Exotica-Braten für meine Gäste.<br />

Ab<strong>er</strong> denken sie nur ja nicht, daß mich das bestechlich machte, denn ich<br />

würde dafür natürlich bezahlen!“. Die Vorstellung von Antibiotika in<br />

Fleischprodukten stört Quastorf nur marginal, denn meistens kauft <strong>er</strong> ab


213<br />

Hof um die lokalen Bau<strong>er</strong>n in ihr<strong>er</strong> prekären Existenz zu unt<strong>er</strong>stützen<br />

und da ist wahrlich nur wenig „bio“ (wenn auch chemi<strong>er</strong>eduzi<strong>er</strong>t, da sich das<br />

imm<strong>er</strong> teur<strong>er</strong> w<strong>er</strong>dende Zeug kaum mehr ein<strong>er</strong> leisten kann!).<br />

„Jo gean! Oba jetzt bitte tschüß mit ‚Ü’ und tschau mit ‚Au’; H<strong>er</strong>r<br />

Kommissar; und san’S ma net bäs weg’n den ‚Orschloch’!“ reumütig.<br />

G<strong>er</strong>ne v<strong>er</strong>läßt Quastorf den wenig anheimelnden Ort und schlägt<br />

sich auf’s Revi<strong>er</strong> mit seinen saftigen Beweisstücken.<br />

4 Habison stürzt sich sofort auf die Fleischlab<strong>er</strong>ln und nach ein<strong>er</strong><br />

Stunde weiß <strong>er</strong> fast alles. „Ein genial<strong>er</strong> Zufalls-Fund!!! Menschenfleisch<br />

inklusive feinv<strong>er</strong>mahlen<strong>er</strong> Knochen; wenn wir genetisches Mat<strong>er</strong>ial von<br />

nahen V<strong>er</strong>wandten d<strong>er</strong> Finanzprüf<strong>er</strong> bekommen würden, könnte ich<br />

diese zweifelsfrei agnoszi<strong>er</strong>en“.<br />

Für Quastorf entfaltet sich durchaus ein and<strong>er</strong><strong>er</strong> B<strong>er</strong>eich, da ihm<br />

schon klar ist, wo das Tatar h<strong>er</strong>stammt. Ab<strong>er</strong> d<strong>er</strong> von seinen<br />

Extremitäten befreite Chinese wäre eigentlich int<strong>er</strong>essant<strong>er</strong> (wiewohl dessen<br />

fünfte Extremität sich ja in seinem Mund gefunden hat).<br />

Das war wohl kein natürlich<strong>er</strong> Tod. Denn kein nochso grantiges<br />

Schicksal denkt sich einen solchen Unfall aus und einen d<strong>er</strong>art<br />

komplizi<strong>er</strong>ten Selbstmord könnte sich<strong>er</strong> nicht einmal ein Angehörig<strong>er</strong><br />

eines gänzlich fremden Kulturkreises od<strong>er</strong> ein gelenkig<strong>er</strong> Shaolinmönch<br />

bew<strong>er</strong>kstelligen. Selbst die für uns Abendländ<strong>er</strong> imm<strong>er</strong> schon etwas<br />

undurchschaubaren Japan<strong>er</strong> schlitzen sich höchstens den Bauch mit dem<br />

Samurai-Schw<strong>er</strong>t auf und nur ganz gelegentlich gelingt es ihnen danach,<br />

ihre Gedärme im Aushauchen ihr<strong>er</strong> Seele sachg<strong>er</strong>echt und formvollendet<br />

vor sich am Boden zu sorti<strong>er</strong>en, wie es die Tradition gebietet!<br />

Quastorf nimmt jetzt imm<strong>er</strong> öft<strong>er</strong> Parkemed, wenn kein<strong>er</strong> schaut<br />

und gelegentlich auch Tramal, wenn Erst<strong>er</strong>es nichts nützt. Er muß fit<br />

bleiben, denn d<strong>er</strong> Fall ist ihm längst zum Anliegen geworden. Das hat<br />

absehbare Folgen:<br />

Clara ruft ihn – entgegen ihr<strong>er</strong> sonstigen Unaufdringlichkeit – am<br />

Handy an, um ihm mitzuteilen, daß das so nicht weit<strong>er</strong>gehen kann und


214<br />

sie sich nicht von ihm den gemeinsamen Urlaub zum Arbeits-Alltag<br />

deformi<strong>er</strong>en lassen will.<br />

„Ich habe vor, zu mein<strong>er</strong> Freundin Susa nach Salzburg zu fahren; da<br />

w<strong>er</strong>de ich wenigstens wie ein Mensch behandelt und nach Strich und<br />

Faden v<strong>er</strong>wöhnt und habe menschliche Zuwendung!“.<br />

Quastorfs zur Schau getragenes Kostüm z<strong>er</strong>schleißt (gut daß <strong>er</strong><br />

g<strong>er</strong>ade in d<strong>er</strong> Kantine bei ein<strong>er</strong> lieblos aufgewärmten Beamten-Forelle sitzt, die ihr<br />

Schicksal mit ihm teilt – nämlich unaufhaltsam aufgebraucht zu w<strong>er</strong>den; ohne selbst<br />

darauf Einfluß nehmen zu können).<br />

Ob Clara wirklich wie ein Mensch behandelt w<strong>er</strong>den wollte, ist<br />

naturgemäß fraglich, wenn man bedenkt, wie 80 – 90 % d<strong>er</strong> Menschen<br />

behandelt w<strong>er</strong>den! Und V<strong>er</strong>wöhnung ist keinesfalls eine Steig<strong>er</strong>ung von<br />

Liebe (wie von den Meisten v<strong>er</strong>kannt), sond<strong>er</strong>n das Anstatt Liebe. Das<br />

Üb<strong>er</strong>häuft-W<strong>er</strong>den mit Dingen und Zuwendungen, die man wed<strong>er</strong><br />

braucht noch g<strong>er</strong>ade jetzt haben will.<br />

Und da ist wirklich Wollen gemeint, als reifes Anstreben von<br />

<strong>er</strong>reichbaren Zielen und nicht das heute allgemein weitv<strong>er</strong>breitete<br />

Möchten, das aus dem ohnmächtigen hätt’ ich g<strong>er</strong>ne des Wünschens nach<br />

Un<strong>er</strong>reichbarkeiten stammt. Das sind so Wort- und Bedeutungs-<br />

Deformi<strong>er</strong>ungen aus dem v<strong>er</strong>armten Sprachgebrauch d<strong>er</strong> Sieg<strong>er</strong> d<strong>er</strong><br />

letzten Kriege, d<strong>er</strong> Weltpolizisten (und noch dazu meist schlecht üb<strong>er</strong>setzt) in<br />

ihrem unhint<strong>er</strong>fragten Selbstv<strong>er</strong>ständnis, die Quastorf nie annehmen<br />

wird wollen. Die künstlich <strong>er</strong>zeugte Panikwelt d<strong>er</strong> USA schwappt nun<br />

auch schon zu uns h<strong>er</strong>üb<strong>er</strong> durch die – ach so furchtbar segensreiche –<br />

Globalisi<strong>er</strong>ung, die nur den Gewinn<strong>er</strong>n zu Lasten d<strong>er</strong> exorbitant sich<br />

v<strong>er</strong>mehrenden V<strong>er</strong>li<strong>er</strong><strong>er</strong> zum Vorteil g<strong>er</strong>eicht!<br />

Ja nach dem Krieg hat ihm diese Ami-Sprache gefallen; da war sie<br />

Ausdruck von Abgrenzung gegenüb<strong>er</strong> den Postfaschisten, die Nazis mit<br />

schwarzen und roten Parteibüch<strong>er</strong>n waren und gegen die von Krieg auf<br />

v<strong>er</strong>schiedene Weisen traumatisi<strong>er</strong>ten Elt<strong>er</strong>n. Dann war sie Zeugnis von<br />

den und für die sich gegen den Vietnamkrieg auflehnenden Hippies und<br />

die Sprache von Protestsongs und Auflehnung gegen das Establishment.<br />

Ab<strong>er</strong> heute ist sie die Sprache d<strong>er</strong> Globalisten, d<strong>er</strong> Weltz<strong>er</strong>stör<strong>er</strong>, d<strong>er</strong><br />

reaktionären Raubti<strong>er</strong>-Kapitalisten und d<strong>er</strong> westlichen – meist von


215<br />

v<strong>er</strong>bohrten Glaubensinhalten v<strong>er</strong>gifteten – Fundamentalisten, die sich<br />

für die Guten halten; damit will Quastorf nichts zu schaffen haben!<br />

Trotzdem findet d<strong>er</strong> unkonventionelle Kommissar sein Kostüm<br />

nur mühsam im Angesicht d<strong>er</strong> im Essen klein<strong>er</strong>w<strong>er</strong>denden Knackwurst<br />

wied<strong>er</strong>. Entgegenzusetzen hatte <strong>er</strong> Claras Worten bedau<strong>er</strong>lich<strong>er</strong>weise<br />

diesmal absolut nichts – wie ungewöhnlich!<br />

Wied<strong>er</strong> im Amt, ist <strong>er</strong> mißlaunig und besucht zur B<strong>er</strong>uhigung den<br />

Dr. Anisin im kühlen Kell<strong>er</strong>. D<strong>er</strong> sitzt am Mikroskop und v<strong>er</strong>folgt<br />

Fliegenmaden, um d<strong>er</strong>en Alt<strong>er</strong> zu bestimmen. Die stammen aus d<strong>er</strong><br />

Mundhöhle des aufgefundenen Kopfes des Chinesen.<br />

„Oh, d<strong>er</strong> H<strong>er</strong>r Inspektor p<strong>er</strong>sönlich beehrt meine kalte Einsamkeit! Sie<br />

wirken nicht sehr gesund. Kann ich Ihnen mit einem Calvados dienen?“.<br />

„Warum nicht; heute ist so ein Tag, den d<strong>er</strong> Kalend<strong>er</strong> eigentlich nicht<br />

benötigen würde!“. Trotz Tramal den Calvados, was sich laut<br />

Beipacktext pharmakologisch nicht schickt (Morphin und Alkohol – ein<br />

böses Geschwist<strong>er</strong>paar!).<br />

„Kann man ein Meningeom eventuell v<strong>er</strong>öden – nur ganz allgemein<br />

gefragt?“.<br />

„Ein gut<strong>er</strong> Freund von Ihnen leidet darunt<strong>er</strong> – stimmt’s? Und d<strong>er</strong> gute<br />

Freund sind nicht zufällig Sie selbst?“.<br />

Jetzt ist alles egal; schließlich hat d<strong>er</strong> v<strong>er</strong>trocknete Leichen-Freak ja<br />

ärztliche Schweigepflicht, trotzdem <strong>er</strong> in den Nied<strong>er</strong>ungen w<strong>er</strong>kt. Denn<br />

selbst das, was ihm nonv<strong>er</strong>bal seine kalten Objekte (von Patienten kann<br />

man in diesem Zusammenhang nicht sprechen, denn die haben ihr Leiden beendet!<br />

Irgendwie v<strong>er</strong>störend, daß man diesen B<strong>er</strong>eich allgemein Pathologie nennt, was dem<br />

bedeutungsgleichen Griechischen Begriff entspringt) v<strong>er</strong>raten, unt<strong>er</strong>liegt dem<br />

Schweigen; auß<strong>er</strong> bei rechts-relevanten Gegebenheiten.<br />

„Ja, Sie haben es durchschaut!“.<br />

„V<strong>er</strong>öden kann man häßliche Krampfad<strong>er</strong>n an den Beinen lassen, ab<strong>er</strong><br />

sich<strong>er</strong> kein Meningeom. Doch die Prognose ist üblich<strong>er</strong>weise ganz gut.


216<br />

Nur sollten Sie sich bald zu ein<strong>er</strong> Op<strong>er</strong>ation entschließen – d<strong>er</strong><br />

Hirndruck lau<strong>er</strong>t – Sie v<strong>er</strong>stehen?!“.<br />

„Was ist mit dem Chinesen?“ wechselt Quastorf das unangenehme<br />

Thema. „Wie weit sind Sie diesbezüglich?“.<br />

„Wie Sie zurecht v<strong>er</strong>mutet haben, war das üb<strong>er</strong> seinen Kopf gezogene<br />

BILLA-Sack<strong>er</strong>l die Ursache sein<strong>er</strong> Erstickung. Er hatte Glück, daß ihm<br />

die Ei<strong>er</strong> und die Extremitäten <strong>er</strong>st postmortal abgesäbelt wurden (denn<br />

das ist wenig <strong>er</strong>quicklich zu Lebzeiten, was von den Mafiosi gelegentlich<br />

auch geübt wird). Ab<strong>er</strong> halt symbolisch gemeint; gleichsam ‚in uns<strong>er</strong> Revi<strong>er</strong><br />

darf kein<strong>er</strong> eindringen’. Wenn Sie als Landpolizist sich in diese Ebenen<br />

einlassen, w<strong>er</strong>den Sie mit Bedrohungen d<strong>er</strong> V<strong>er</strong>ursach<strong>er</strong> leben müssen!“.<br />

Für Quastorf gibt es keine Bedrohungen, denn <strong>er</strong> fürchtet nur sich<br />

selbst (und das zurecht!). Vom H<strong>er</strong>rn Viktor hört <strong>er</strong> wied<strong>er</strong><br />

undurchschaubare Poeme von nahezu mystisch<strong>er</strong> Qualität:<br />

schm<strong>er</strong>z <strong>er</strong>zeugt schm<strong>er</strong>zen<br />

nur w<strong>er</strong> das glück v<strong>er</strong>breitet<br />

kann die welt heilen<br />

fühlen ist schm<strong>er</strong>zvoll<br />

ohne schm<strong>er</strong>z kein <strong>er</strong>leben<br />

schm<strong>er</strong>zlos nur d<strong>er</strong> tod<br />

wie ist d<strong>er</strong> name<br />

deines schm<strong>er</strong>zes – <strong>er</strong>find´ ihn<br />

und <strong>er</strong> läßt von dir<br />

Sosehr sich diese Haikus in seine Seele graben, da sie doch auf<br />

seine Migräne bezug nehmen, ab<strong>er</strong> <strong>er</strong> muß nach Rappoltsgschwendt und<br />

stürzt dort in Musik von Lou Reed, B<strong>er</strong>t Breit, Kiss, Brian Eno und<br />

Friedrich C<strong>er</strong>ha bis in die tiefe Nacht hinein. Clara fehlt ihm jetzt<br />

besond<strong>er</strong>s, da <strong>er</strong> liebevollen Trost bräuchte in seinem Schm<strong>er</strong>z.


217<br />

5 Quastorf bleiben nur mehr wenige Fluchtmöglichkeiten.<br />

Trotzdem <strong>er</strong> imm<strong>er</strong> ein un<strong>er</strong>bittlich<strong>er</strong> Ermittl<strong>er</strong> war, den jed<strong>er</strong> Tät<strong>er</strong><br />

gefürchtet – ab<strong>er</strong> auch durchaus geliebt – hat, aufgrund sein<strong>er</strong> Empathie-<br />

Fähigkeit.<br />

Er muß wie d<strong>er</strong> st<strong>er</strong>bende Elefant in die V<strong>er</strong>lorenheit d<strong>er</strong><br />

unauffindbaren Feld<strong>er</strong> gelangen (quasi eine unlösbare Aufgabe d<strong>er</strong> Quanten-<br />

Priest<strong>er</strong>).<br />

A propos: Er sollte Kontakt bekommen mit den Druiden (w<strong>er</strong> weiß,<br />

ob das nicht ein brauchbar<strong>er</strong> Weg Richtung absehbares Lebensende wäre). Das<br />

ganze Getue im Dez<strong>er</strong>nat wird imm<strong>er</strong> bedeutungslos<strong>er</strong> für ihn, d<strong>er</strong> sich<br />

mit seinen Hirnauswüchsen v<strong>er</strong>söhnen wird müssen in nah<strong>er</strong> Zukunft.<br />

Er sollte wahrlich keine Zeit mehr totschlagen (hat <strong>er</strong> eigentlich niemals<br />

gemacht, da sein Leben so ausgefüllt war).<br />

Hin nach Kautzendorf und dort trifft <strong>er</strong> den Physioth<strong>er</strong>apeuten<br />

Weiding<strong>er</strong>, d<strong>er</strong> sich vor Tagen am mytischen Tanzplatz schwarz-bekuttet<br />

hat. D<strong>er</strong> ist d<strong>er</strong> Großmeist<strong>er</strong> d<strong>er</strong> Kelten-Sekte und entfaltet b<strong>er</strong>eitwillig<br />

seine Dogmen vor dem weltoffenen Kommissar, da <strong>er</strong> dessen Ruf kennt.<br />

„Wir sind eine lichthafte Gilde von rück<strong>er</strong>inn<strong>er</strong>nden Wesenheiten, die<br />

mit uns<strong>er</strong>en Prinzipien d<strong>er</strong> allumfassenden Liebesfähigkeit imstande<br />

wären, die Menschheit zu retten! Viele Un<strong>er</strong>leuchtete fürchten uns<strong>er</strong>e<br />

Aktivitäten, die den christlichen Vorstellungen nicht wesentlich<br />

wid<strong>er</strong>sprechen. Nur uns<strong>er</strong>e Kultur ist deutlich ält<strong>er</strong> und so hatten wir<br />

auch zu Beginn (in vorgeschichtlichen Zeiten) gewisse unreife<br />

Jugendsünden wie blutige Menschenopf<strong>er</strong> und Kopfjäg<strong>er</strong>ei als Quelle für<br />

uns<strong>er</strong>e Schädelkulte; ab<strong>er</strong> das war lange vor d<strong>er</strong> Zeit und heute sind wir<br />

nurmehr auf Reifung aus. Wollen Sie uns nicht angehören? Wir würden<br />

Sie g<strong>er</strong>ne liebevoll einbeziehen in uns<strong>er</strong>e weitv<strong>er</strong>zweigte Brud<strong>er</strong>schaft!“.<br />

„Die Ethnologen d<strong>er</strong> Zwischenwelt w<strong>er</strong>den wohl eine Fiktion sein; ab<strong>er</strong><br />

haben Sie Informationen von den v<strong>er</strong>lorengegangenen Steu<strong>er</strong>fahnd<strong>er</strong>n?“.<br />

„Von denen habe ich beim besten Willen leid<strong>er</strong> keine Kunde und ich<br />

denke auch nicht, daß d<strong>er</strong>art v<strong>er</strong>biest<strong>er</strong>te Erbsenzähl<strong>er</strong> zu uns gehören<br />

wollten!“.


218<br />

„Wie war das denn mit den UFOs; waren die tatsächlich vorhanden?“.<br />

„Ich bitte sie; das w<strong>er</strong>den doch sie als <strong>er</strong>fahren<strong>er</strong> Charakt<strong>er</strong> nicht <strong>er</strong>nst<br />

nehmen. D<strong>er</strong> Ing. St<strong>er</strong>n hat – nachdem <strong>er</strong> gem<strong>er</strong>kt hat, daß sich sein<br />

Wahn mit den Auß<strong>er</strong>irdischen nie <strong>er</strong>füllen wird – eine neue Marktlücke<br />

entdeckt und macht vi<strong>er</strong>mal im Jahr eine Open-air-Disco mit Las<strong>er</strong>-Show<br />

und da w<strong>er</strong>fen sie gewaltige Hologramme von UFOs an den Himmel.<br />

Sehr zum Leidwesen d<strong>er</strong> Jäg<strong>er</strong>, da d<strong>er</strong> Wirbel das Wild v<strong>er</strong>grämt“.<br />

6 Quastorf ist müde und will nur mehr in sein leid<strong>er</strong> kaltes und nun<br />

auch noch von Clärchen v<strong>er</strong>lassenes Haus in Rappoltsgschwendt, damit<br />

<strong>er</strong> zu sich fände. Warum <strong>er</strong> diesen Ort so sehr liebt, ist un<strong>er</strong>klärlich:<br />

Einsam, oft von kalten Nebeln eingeengte Sicht; nichts als Arbeit. Sei’s<br />

Bäume schneiden od<strong>er</strong> Schnee schaufeln; Haus putzen od<strong>er</strong> heizen.<br />

Ab<strong>er</strong> auch was <strong>er</strong> dort findet, ist wenig <strong>er</strong>quicklich. Volle<br />

Aschenbech<strong>er</strong>, halbvolle Weingläs<strong>er</strong>, gebrauchtes Geschirr und leid<strong>er</strong><br />

auch Unmengen von Schmutzwäsche, die es zu waschen gilt.<br />

Das ist jetzt für den Fall gänzlich un<strong>er</strong>heblich, ab<strong>er</strong> nun – in d<strong>er</strong><br />

H<strong>er</strong>bstzeit – nisten sich wie jedes Jahr freche Mäuse in seinem Haus ein.<br />

Er hat deshalb alle v<strong>er</strong>w<strong>er</strong>tbaren Lebensmittel im Kühlschrank od<strong>er</strong> in<br />

Gurkengläs<strong>er</strong>n mit dichtem Schraub-V<strong>er</strong>schluß. So auch die selbst – in<br />

Butt<strong>er</strong> – g<strong>er</strong>östeten Kürbisk<strong>er</strong>ne. Nach Tagen sucht <strong>er</strong> Nudeln und muß<br />

dabei zu sein<strong>er</strong> Üb<strong>er</strong>raschung feststellen, daß es die intelligente Maus mit<br />

großem Geschick geschafft hat, den Dreh-V<strong>er</strong>schluß zu öffnen und sie<br />

hat sich im Glas zwischen den Kürbisk<strong>er</strong>nen ein gemütliches Nest<strong>er</strong>l aus<br />

Glaswolle <strong>er</strong>richtet, die sie regelmäßig aus d<strong>er</strong> teuren Isolation von<br />

Quastorfs Dachausbau abzweigt, was d<strong>er</strong> Erwärmung des Hauses<br />

einig<strong>er</strong>maßen abträglich ist. Es hat einmal einen Disney-Film gegeben –<br />

Mouse od<strong>er</strong> so – da hat <strong>er</strong> damals noch heftig gelacht darüb<strong>er</strong>.<br />

Jetzt lacht <strong>er</strong> freilich nicht mehr – da es ihn betrifft – und rettet<br />

mühsam die schmackhaften K<strong>er</strong>ne aus den Maus-Pemm<strong>er</strong>ln. Er stellt<br />

hocheffiziente Fallen auf, in denen sich binnen ein<strong>er</strong> Stunde vi<strong>er</strong> fette<br />

Mäuse den Kopf abhacken, da die p<strong>er</strong>fiden Leb<strong>er</strong>wurst-Köd<strong>er</strong> einfach<br />

unwid<strong>er</strong>stehlich sind. Doch die Geschichte mit dem Einbruchs-<br />

Diebstahl des gefinkelten J<strong>er</strong>ry meldet <strong>er</strong> bess<strong>er</strong> nicht seinen Kollegen


219<br />

vom Raub; denn die haben – wie alle Beamten – eh<strong>er</strong> nur wenig Humor<br />

und noch wenig<strong>er</strong> Phantasie und eine vom Kuchelbach<strong>er</strong> angelei<strong>er</strong>te<br />

Zwangs-Unt<strong>er</strong>suchung durch die gestrenge Polizei-Psychologin kann <strong>er</strong><br />

zum gegenwärtigen Zeitpunkt schon garnicht brauchen! Von den<br />

Mard<strong>er</strong>n im Dachboden will <strong>er</strong> gar nicht <strong>er</strong>st reden, denn die sind nicht<br />

nur nächtens un<strong>er</strong>träglich laut, daß an ein Schlafen kaum zu denken ist,<br />

sond<strong>er</strong>n sie haben ihm b<strong>er</strong>eits sein geliebtes Haus enteignet und es<br />

praktisch unv<strong>er</strong>käuflich gemacht; w<strong>er</strong> üb<strong>er</strong>nimmt schon solche<br />

Unt<strong>er</strong>miet<strong>er</strong>?!<br />

Dazu kommt unangenehm<strong>er</strong>weise eine neue Erkenntnis, daß sein<br />

ganzes v<strong>er</strong>kokstes Leben nicht einmal aus ihm selbst wäre (und auch seine<br />

vielen Elt<strong>er</strong>n haben wahrscheinlich keine Schuld auf sich geladen, da sie ihn gezeugt,<br />

geboren und aufgezogen haben). Er v<strong>er</strong>mutet, daß seine Vorhandenheit von<br />

einem unauffindbaren Schreib<strong>er</strong>ling entworfen wurde – daß <strong>er</strong> als ein<br />

bloß<strong>er</strong> Popanz d<strong>er</strong> Gedanken-Auswüchse irgendeines sich als ‚Gott’<br />

profili<strong>er</strong>en-wollenden Autors fungi<strong>er</strong>en sollte.<br />

Sein Schicksal war imm<strong>er</strong>schon so v<strong>er</strong>qu<strong>er</strong>, daß diese Vorstellung<br />

durchaus denkbar wäre. Nur wie kann es sein, daß <strong>er</strong> sich wahrhaft<br />

lebendig <strong>er</strong>lebt mit all seinen Freuden, mit seinen Leiden und Schm<strong>er</strong>zen<br />

und doch ein virtuell<strong>er</strong> Protagonist sein könnte – eine bloße<br />

Spiegelfläche irgendeines ‚Gottes’ od<strong>er</strong> eben gar eines bloßen Autors?<br />

Felix Tannenb<strong>er</strong>g ist da nicht g<strong>er</strong>ade ein leuchtendes Beispiel!<br />

Wie so oft hilft da ein Bardolino üb<strong>er</strong> die Schw<strong>er</strong>mut hinweg.<br />

„Geh’ trotzdem weit<strong>er</strong> unbeirrbar Deinen richtigen Weg“ sagt ihm sein<br />

Höh<strong>er</strong>es Selbst (od<strong>er</strong> ist das auch d<strong>er</strong> v<strong>er</strong>mutete Erfind<strong>er</strong> sein<strong>er</strong> P<strong>er</strong>son?).<br />

„V<strong>er</strong>dammt; ich bin doch, d<strong>er</strong> ich bin – und nicht von Deinen<br />

läch<strong>er</strong>lichen Gnaden, sond<strong>er</strong>n aus mir selbst, da ich wahrlich so viel<br />

<strong>er</strong>lebt habe; noch bin ich H<strong>er</strong>r in meinem Hause!“<br />

Sein Autor sagt „wie es stimmt, daß wenn ich aus meinem eigenen Traum<br />

gesprungen wäre, kein<strong>er</strong> d<strong>er</strong> Protagonisten dessen diesen Sprung üb<strong>er</strong>lebt hätte, so<br />

stimmt genauso, daß es auch Dich nicht gäbe, wenn ich Dich nicht <strong>er</strong>schaffen hätte, da<br />

ich Dich <strong>er</strong>st vor kurzem als Fundstück in meinem Kopf wahrgenommen habe wie<br />

Du Deinen bish<strong>er</strong> unbekannten Tumor; für mich war das auch nicht ganz einfach!“.


220<br />

Quastorf nimmt ein Antiv<strong>er</strong>tiginosum, da <strong>er</strong> keine Freude mit den<br />

schwindel<strong>er</strong>regenden Einflüst<strong>er</strong>ungen hat.<br />

Jetzt beschw<strong>er</strong>t sich sein anmaßend<strong>er</strong> Autor auch noch bei ihm,<br />

daß <strong>er</strong> ihm genau dieses Schicksal angetan hat und macht ihm zudem<br />

unzulässige Vorwürfe diesbezüglich; d<strong>er</strong> ist ja schlimm<strong>er</strong> als Gott!<br />

Eigentlich eine unsagbare Chuzzpe, üb<strong>er</strong> die man sich nicht einmal beim<br />

Salzamt beschw<strong>er</strong>en könnte!<br />

Diesen Typen muß <strong>er</strong> bald ausschalten, denn d<strong>er</strong> wird ansonst<br />

sein vor ihm liegendes – möglich<strong>er</strong>weise ohnehin stark v<strong>er</strong>kürztes –<br />

Leben weit<strong>er</strong>hin domini<strong>er</strong>en und das will sich Quastorf einfach so nicht<br />

bieten lassen!<br />

Ab<strong>er</strong> dazu führt kein sachkundig<strong>er</strong> Umgang mit Feu<strong>er</strong>waffen und<br />

auch keine Handschellen können da dienlich sein; da bedarf es schon<br />

subtil<strong>er</strong><strong>er</strong> Methoden d<strong>er</strong> Emanzipation von seinem Üb<strong>er</strong>-Ich. Ist d<strong>er</strong><br />

eine P<strong>er</strong>sonifizi<strong>er</strong>ung dies<strong>er</strong> von Freud <strong>er</strong>fundenen Entität od<strong>er</strong> bloß sein<br />

eigenes Hirngespinst od<strong>er</strong> eine Nebenwirkung seines Meningeoms?<br />

Datura will <strong>er</strong> nicht auch noch in Betracht ziehen; Scheiße alles!<br />

Wenn d<strong>er</strong> Autor das nächste Mal Kontakt zu ihm aufnehmen<br />

sollte, wird <strong>er</strong> den geöffneten Informations-Kanal dafür nutzen, selbst in<br />

dessen Wesen einzudringen, damit <strong>er</strong> wied<strong>er</strong> H<strong>er</strong>r seines Selbst würde.<br />

Da d<strong>er</strong> Autor diese langsam aufkommende Aufmüpfigkeit Quastorfs<br />

naturgemäß vorausweiß, umfängt ihn tiefe Sorge, daß d<strong>er</strong> von ihm im Gegenzug<br />

Besitz <strong>er</strong>greifen könnte und so beschließt <strong>er</strong>, Quastorf sein Eigenleben zu lassen, wie<br />

es ist; sein Schreiben von dessen Handlungen abhängig zu machen als bloß<strong>er</strong><br />

Chronist. Oft ist es bess<strong>er</strong> bescheiden<strong>er</strong> zu w<strong>er</strong>den!<br />

Einen kurzen Ausflug zur Waldfrau will sich Quastorf trotz allem<br />

gönnen. Ab<strong>er</strong> <strong>er</strong> hat leid<strong>er</strong> v<strong>er</strong>gessen, seine Wechsel-Kennzeichen am<br />

Fiat anzubringen (ja <strong>er</strong> hat auch neu<strong>er</strong>dings einen kleinen Luxus; und das ist ein<br />

Mazda MX-5 Cabrio). An d<strong>er</strong> Hauptstraße steht natürlich bei seinen<br />

Glück sofort eine Streife zwecks Planquadrat.


221<br />

Die ignori<strong>er</strong>en ihn vord<strong>er</strong>gründig, da <strong>er</strong> langsam fährt (d<strong>er</strong> Fiat gibt<br />

halt wenig h<strong>er</strong>), ab<strong>er</strong> dann – nachdem <strong>er</strong> auf Schleichwegen abbiegt –<br />

v<strong>er</strong>folgt ihn eine Zivilstreife, die ihm bis zur Heike nachfährt.<br />

„Kann ich ihnen helfen, da sie sichtlich jemanden suchen?“ fragt <strong>er</strong> den<br />

v<strong>er</strong>loren wirkenden Typen.<br />

„Ja genau Sie suche ich, da Sie ohne Numm<strong>er</strong>n-Tafeln fahren.<br />

Kriminalpolizei Krems-Land; ihre Papi<strong>er</strong>e bitte!“ hängt d<strong>er</strong> durchaus<br />

charmante Typ lässig seine Hundemarke vor Quastorfs Angesicht. Er<br />

schaut ihm ähnlich wie ein Zwillingsbrud<strong>er</strong>. Soetwas <strong>er</strong>schreckt jeden; da<br />

kann <strong>er</strong> nochso abgebrüht sein. Ein gleichzeitig<strong>er</strong> Wied<strong>er</strong>gäng<strong>er</strong>!<br />

Quastorf beantwortet die Provokation mit d<strong>er</strong> Präsentation seines<br />

eigenen Staats-Emblems, das einmal mit Sidol poli<strong>er</strong>t w<strong>er</strong>den sollte, da<br />

das Messing schon leichte Spuren von Grünspan aufweist. Ein von zu<br />

viel TV-Cojak-S<strong>er</strong>ien geprägtes Wunschdenken Quastorfs, denn die<br />

austriakischen Beamtenausweise sind frei von jeglichem Metall.<br />

„Ich darf Sie nicht mehr weit<strong>er</strong>fahren lassen, da Ihr Auto ohne Numm<strong>er</strong><br />

unv<strong>er</strong>sich<strong>er</strong>t ist; auch wenn Sie ein Kollege sind“ rettet sich d<strong>er</strong><br />

üb<strong>er</strong>raschte Staatsdien<strong>er</strong> in an sich sinnvolle Vorschriften. Dessen<br />

ortsf<strong>er</strong>n<strong>er</strong> Einsatz darf nicht v<strong>er</strong>wund<strong>er</strong>n; das dient d<strong>er</strong> V<strong>er</strong>hind<strong>er</strong>ung<br />

von gewiss<strong>er</strong> P<strong>er</strong>missivität, die sich bei lokalen Ermittl<strong>er</strong>n oft breitmacht,<br />

weil alle irgendwie v<strong>er</strong>wandt od<strong>er</strong> zumindest befreund<strong>er</strong>lt sind.<br />

„Habe ich keinesfalls vor, da ich hi<strong>er</strong> bleiben will!“.<br />

D<strong>er</strong> Kollege übt den ehrenhaften Abgang, da <strong>er</strong> leid<strong>er</strong><br />

unaufschiebbare V<strong>er</strong>pflichtungen hätte und ihn somit nicht nach Hause<br />

chauffi<strong>er</strong>en könne, was Quastorf ohnehin g<strong>er</strong>ade abgelehnt hat.<br />

Quastorf ist alsbald b<strong>er</strong>eit, sich d<strong>er</strong> Schamanin <strong>er</strong>neut zu<br />

unt<strong>er</strong>w<strong>er</strong>fen, da das mit seinen Kopfschm<strong>er</strong>zen nicht so weit<strong>er</strong> gehen<br />

kann (und das Rauchkraut letzthin war durchaus vom Feinsten!).<br />

Gut, daß d<strong>er</strong> lästige Kollege sich jetzt ohne weit<strong>er</strong>e peinliche<br />

Nachforschungen abgesetzt hat, denn das wäre durchaus unpassend,<br />

wenn <strong>er</strong> Quastorfs Heilungs-V<strong>er</strong>suche mitv<strong>er</strong>folgen würde (auch Frau


222<br />

Strehlmann hätte wenig Freude, wenn ihre keusche Hütte von dies<strong>er</strong> Neugi<strong>er</strong>dsnase<br />

durchwühlt würde). D<strong>er</strong> hat scheinbar gar nicht wahrgenommen, wie<br />

zwillingshaft <strong>er</strong> Quastorf ähnelt. Heute wird Paris quadrifolia und<br />

Bilsenkraut angeboten (zwei weitaus tief<strong>er</strong> greifende Substanzen als Stechapfel<br />

od<strong>er</strong> Schlafbe<strong>er</strong>e).<br />

Da geht es nicht mehr bloß um Kühlung des Konsumenten; da<br />

benötigt man dicke Seile, um den Trance-Reisenden zu sich<strong>er</strong>n, denn <strong>er</strong><br />

wird nicht nur auf Besen reiten, wie die in Vorzeiten aufgrund christlichfundamentalistisch<strong>er</strong><br />

Ideologie v<strong>er</strong>folgten und nahezu ausg<strong>er</strong>otteten<br />

Hexen, sond<strong>er</strong>n heute Abend seine Seele <strong>er</strong>brechen, sein höh<strong>er</strong>es Selbst<br />

als Fremdwesenheit v<strong>er</strong>nichten (und damit hoffentlich auch H<strong>er</strong>nn Tannenb<strong>er</strong>g)<br />

und d<strong>er</strong>art es neu <strong>er</strong>schaffen als selbst bestimmte Auslag<strong>er</strong>ung seines seit<br />

Jahren üb<strong>er</strong>ford<strong>er</strong>ten Ichs. Ein schm<strong>er</strong>zlich<strong>er</strong> Reifungsvorgang, d<strong>er</strong><br />

jedem anzuraten ist, d<strong>er</strong> sein<strong>er</strong> Transformation mutig ins Auge zu<br />

blicken b<strong>er</strong>eit ist und d<strong>er</strong> üb<strong>er</strong> eine gute körp<strong>er</strong>liche Konstellation<br />

v<strong>er</strong>fügt; and<strong>er</strong>nfalls bess<strong>er</strong> nein!<br />

Ganz entgegen sein<strong>er</strong> strengen moralischen Vorstellungen<br />

kopuli<strong>er</strong>t <strong>er</strong> wied<strong>er</strong>holt mit d<strong>er</strong> ansich wenig attraktiven Waldfrau, weil<br />

sein Ständ<strong>er</strong> halt so unbezwingbar und sie g<strong>er</strong>ade anwesend und schw<strong>er</strong><br />

bedürftig ist. Wie lange hat <strong>er</strong> noch <strong>er</strong>füllbare Lebensmöglichkeiten?<br />

Irgendwie hat <strong>er</strong> anschließend Schuldgefühle gegenüb<strong>er</strong> Clara und<br />

v<strong>er</strong>spürt v<strong>er</strong>nichtende Übelkeit in sein<strong>er</strong> Körp<strong>er</strong>mitte.<br />

7 Was sich nächstentags im Amt anbietet, ist zwar vorausssehbar<br />

gewesen, ab<strong>er</strong> nichts desto wenig<strong>er</strong> sehr un<strong>er</strong>quicklich.<br />

Dottore Amato hat gest<strong>er</strong>n ang<strong>er</strong>ufen und weiß nun von den<br />

V<strong>er</strong>netzungen des Umb<strong>er</strong>to Leone. D<strong>er</strong> hat für den Askhanasov die<br />

Drecksarbeit gemacht und dem von diesem getöteten Chinesen die<br />

Hände und Füße entf<strong>er</strong>nt, damit die Polizei nichts nachweisen kann. D<strong>er</strong><br />

Tschtschene konnte doch nicht ahnen, daß d<strong>er</strong> Depp die Gliedmaßen in<br />

nur dreißig Met<strong>er</strong>n Entf<strong>er</strong>nung be<strong>er</strong>digt und die Sackeln so bald aus dem<br />

Schlick des Moores aufschwimmen!<br />

Das mit den Ei<strong>er</strong>n im Mund war keine gute Idee, weil das nur zu<br />

gut zur Cosa Nostra passen würde.


223<br />

Doch wie konnte Dottore Amato das aus dem f<strong>er</strong>nen Reggio<br />

<strong>er</strong>mitteln, was Quastorf nicht im g<strong>er</strong>ingsten bekannt ist (und <strong>er</strong>st recht nicht<br />

dem gemütlichen Zwettl<strong>er</strong> Dez<strong>er</strong>nat). Obwohl ihm nied<strong>er</strong>e Triebe wie<br />

Eif<strong>er</strong>sucht in Liebesbeziehungen als reif<strong>er</strong> Mensch nicht bekannt sind, so<br />

nagt d<strong>er</strong> Ehrgeiz in Fachb<strong>er</strong>eichen doch ein wenig an seinem mühevoll<br />

<strong>er</strong>worbenen Stolz!<br />

Doch die Hint<strong>er</strong>gründe sind viel wenig<strong>er</strong> spektakulär, als man<br />

v<strong>er</strong>muten möchte und das v<strong>er</strong>söhnt denn danach auch Quastorf mit<br />

sein<strong>er</strong> v<strong>er</strong>muteten Mangelhaftigkeit, nachdem d<strong>er</strong> Dottore ihm die<br />

Hint<strong>er</strong>gründe aufdeckt.<br />

D<strong>er</strong> Luigi Franconi, d<strong>er</strong> eilf<strong>er</strong>tige und imm<strong>er</strong> freundliche Ob<strong>er</strong> im<br />

Da Leone hat dem Umb<strong>er</strong>to jahrelang den Deppen gemacht in d<strong>er</strong><br />

Pizz<strong>er</strong>ia. Und am Anfang waren die beiden ehedem armen Bau<strong>er</strong>nbuben<br />

aus dem warmen Süden auch noch gute Freunde, weil d<strong>er</strong> Aufbau des<br />

Lokales mit vielen Schwi<strong>er</strong>igkeiten behördlich<strong>er</strong> und finanziell<strong>er</strong> Art<br />

v<strong>er</strong>bunden war. Und sich gegen die Konkurrenz d<strong>er</strong> einheimischen<br />

Wirten durchzusetzen, die selbst ökonomisch knirschten, war in ein<strong>er</strong><br />

fremdenfeindlichen Gegend – wie dies<strong>er</strong> – nicht imm<strong>er</strong> leicht. Das ging<br />

nur mittels Qualität, familiärem Flair und natürlich hauptsächlich üb<strong>er</strong><br />

die ruinöse Preisgestaltung.<br />

Erst recht, nachdem in bloß zweihund<strong>er</strong>t Met<strong>er</strong>n Abstand dann<br />

d<strong>er</strong> ehrenw<strong>er</strong>te H<strong>er</strong>r Wu Yang seinen Goldenen Glücksdrachen <strong>er</strong>öffnet hat<br />

vor drei Jahren. Sein gelbliches Scheibengesicht läßt einen v<strong>er</strong>muten, daß<br />

sein Name üb<strong>er</strong>setzt „d<strong>er</strong> Mond geht auf hint<strong>er</strong> Kirschenblüten“ heißen<br />

könnte!<br />

Daß da plötzlich Geld<strong>er</strong> von d<strong>er</strong> Mafia in das Lokal eingeflossen<br />

sind, war beiden durchaus nicht unangenehm, ab<strong>er</strong> sein Gehalt war<br />

imm<strong>er</strong> gleichgeblieben und d<strong>er</strong> Umb<strong>er</strong>to hat ihn stets damit v<strong>er</strong>tröstet,<br />

daß <strong>er</strong> als Entschädigung bald einmal sein Teilhab<strong>er</strong> würde. Das hat ab<strong>er</strong><br />

leid<strong>er</strong> niemals stattgefunden und imm<strong>er</strong> wied<strong>er</strong> wurde <strong>er</strong> hingehalten von<br />

seinem unehrenhaften Padrone.<br />

Und als sich d<strong>er</strong> dann noch heimlich ein G’spusi mit Luigis<br />

geliebten Fiorella (d<strong>er</strong> wahrhaft v<strong>er</strong>führ<strong>er</strong>ischen S<strong>er</strong>vi<strong>er</strong><strong>er</strong>in d<strong>er</strong> Pizz<strong>er</strong>ia, d<strong>er</strong> alle


224<br />

Mannsbild<strong>er</strong> d<strong>er</strong> Gegend im Geiste v<strong>er</strong>fallen waren) angefangen hat, ist das Faß<br />

endgültig üb<strong>er</strong>gelaufen.<br />

Einschub Fiorella! Wie könnte man sie mit Worten beschreiben, da<br />

sie sich wie Venus jedwed<strong>er</strong> Beschreibung total entzieht. Feurig die<br />

geheimnisvoll-tiefliegenden Märchenaugen im ebenmäßigen – kaum<br />

geschminkten – Gesicht, allesv<strong>er</strong>sprechend die sinnlich geschwungen<br />

Lippen, die jedem Schönheits-Chirurgen Hohn sprechen, sodaß d<strong>er</strong><br />

begehrliche Blick sich nicht entscheiden kann, was ihm wichtig<strong>er</strong> wäre.<br />

Dabei kommt freilich die markante römische Nase etwas zu kurz,<br />

obwohl sie eh<strong>er</strong> ein wenig lang g<strong>er</strong>aten ist, was jedoch in kein<strong>er</strong> Weise<br />

störend wirkt; eh<strong>er</strong> noch dem Ästheten einen Kontrapunkt setzt! Gleitet<br />

d<strong>er</strong> Blick des männlichen Betracht<strong>er</strong>s weit<strong>er</strong> nach unten, v<strong>er</strong>fängt <strong>er</strong> sich<br />

b<strong>er</strong>eits in ihrem schlanken Hals, d<strong>er</strong> genau an d<strong>er</strong> Stelle, wo sie d<strong>er</strong><br />

Bildhau<strong>er</strong> benötigt, die leicht v<strong>er</strong>größ<strong>er</strong>te Schilddrüse präsenti<strong>er</strong>t (das<br />

v<strong>er</strong>heißt dem Kenn<strong>er</strong> eine auß<strong>er</strong>ordentliche Funktionalität d<strong>er</strong> humoralen Abläufe!).<br />

Alsbald – und mehr f<strong>er</strong>ngesteu<strong>er</strong>t denn willentlich – frißt sich die<br />

betrachtende Optik in das freizügige – mühsam von strapazfähigem<br />

Stoff gezähmte – Dekolleté, dessen waghalsig angedeuteten Ansätze die<br />

gewaltigsten V<strong>er</strong>sprechungen anbieten, die von d<strong>er</strong>en <strong>er</strong>hofften<br />

V<strong>er</strong>wirklichungen bei weitem üb<strong>er</strong>troffen würden (was man hofft, so man<br />

dürfte)! In Bruchteilen von Sekunden (zu solchen Leistungen ist nur das<br />

genetisch seit Jahrtausenden geschulte Auge des Mannes imstande) rutscht d<strong>er</strong><br />

Blick üb<strong>er</strong> die schlanke Taille an die breiten Hüften, die in ihr<strong>er</strong><br />

offenkundigen Gebärfähigkeit das schmale Dazwischen keinesfalls in<br />

den Schatten stellen, sond<strong>er</strong>n es eh<strong>er</strong> in H<strong>er</strong>aushebung noch adeln. Als<br />

Schlagob<strong>er</strong>s-Gupf<strong>er</strong>l auf diesem Bais<strong>er</strong> noch ein wildwallend<strong>er</strong><br />

Lockenbusch (all<strong>er</strong>dings schwarz wie Ebenholz) – und v<strong>er</strong>mutlich nicht nur<br />

am Kopf! W<strong>er</strong> in dies<strong>er</strong> Pracht v<strong>er</strong>lorengeht, macht sich nicht schuldig,<br />

sond<strong>er</strong>n ist geworfen! Und wenn sie sich dann – nach Aufnahme d<strong>er</strong><br />

Bestellung – zum Gehen wendet, wird d<strong>er</strong> b<strong>er</strong>eits tief im Zaub<strong>er</strong><br />

v<strong>er</strong>wobene Betracht<strong>er</strong> <strong>er</strong>neut üb<strong>er</strong>ford<strong>er</strong>t. Das unzähmbare Haar<br />

umfließt die eh<strong>er</strong> breiten Schult<strong>er</strong>n, die soviel süße Last zu tragen haben,<br />

stürzt gleich einem Schlei<strong>er</strong>fall üb<strong>er</strong> den stolzen Rücken und macht <strong>er</strong>st<br />

knapp üb<strong>er</strong> dem deutlich betonten Sitzfleisch halt. Wie es ihr ab<strong>er</strong><br />

gelingt, dieses doch prägnante Hint<strong>er</strong>teil aus den eh<strong>er</strong> schlanken<br />

wohlgeformten Waden und Ob<strong>er</strong>schenkeln, die keine Strümpfe je<br />

beengen, harmonisch zu entfalten, ist nun endgültig rätselhaft. Das<br />

v<strong>er</strong>leiht ihr wahrscheinlich das etwas Üb<strong>er</strong>irdische, das trotz zwanglos<strong>er</strong>


225<br />

Natürlichkeit von ihr ausgeht! V<strong>er</strong>giß Mona Lisa, die Venus von Milo<br />

und die Aphrodite von Praxiteles; in Fiorellas Gegenwart explodi<strong>er</strong>en die<br />

Lenden zu v<strong>er</strong>wirklichtem All! Nicht umsonst nennt sie d<strong>er</strong> männliche<br />

Volksmund die Venus von Hadres Einschub-Ende<br />

Ab<strong>er</strong> nicht, daß Luigi ihm aus Rache die Bude angezündet od<strong>er</strong><br />

ihm das bescheidene Gemächt abgeschnitten hätte, wie es in sein<strong>er</strong> alten<br />

Heimat Ehren bringt. Nein, <strong>er</strong> wollte ihn stillschweigend ins Mark<br />

treffen und so hat <strong>er</strong> sich dem Staatsanwalt Inquestore Amato als Spitzel<br />

angeboten, sodaß d<strong>er</strong> jedesmal, wenn d<strong>er</strong> Umb<strong>er</strong>to mit seinem von Geld<br />

v<strong>er</strong>größ<strong>er</strong>ten Schwanz gewedelt hat, mit einen Zund rechnen konnte.<br />

Scheiß auf die Om<strong>er</strong>tà; wir sind hi<strong>er</strong> nicht in Calabrien, sond<strong>er</strong>n im<br />

Waldvi<strong>er</strong>tel!<br />

Doch jedes Land hat eigene ungeschriebene Gesetze und die<br />

w<strong>er</strong>den nicht vom Parlament v<strong>er</strong>abschiedet (in unt<strong>er</strong>schiedlich<strong>er</strong> Weise<br />

v<strong>er</strong>abschieden sich die Bürg<strong>er</strong> v<strong>er</strong>schiedenst<strong>er</strong> Gegenden zum eigenem Nutzen von d<strong>er</strong><br />

Legislatur). In Bay<strong>er</strong>n gibt es schon seit ur<strong>er</strong>denklichen Zeiten (schon lange<br />

vor F. J. Strauß; ab<strong>er</strong> von dem zur P<strong>er</strong>fektion gebracht) die Amigos – eine<br />

nutzbringende alteingeschworene schult<strong>er</strong>dichte Bi<strong>er</strong>tisch-Brud<strong>er</strong>schaft<br />

d<strong>er</strong> Honoratioren, die alles unt<strong>er</strong> sich regelt – gleichsam ein Thing. In<br />

Wien braucht die Freund<strong>er</strong>l-Wirtschaft auch keinen Richt<strong>er</strong> (auch wenn einige<br />

aus d<strong>er</strong>en Reihen gemeinsam mit hohen Legislativ- und Exekutiv-Beamten in diesem<br />

gemütlichen Boot sitzen, das keinen Platz für Außenstehende bietet, höchstens noch<br />

für die Freunde d<strong>er</strong> Wien<strong>er</strong> Polizei, die dafür auch tief in die Tasche greifen müssen!).<br />

Ab<strong>er</strong> im Waldvi<strong>er</strong>tel gehen die Uhren noch einmal and<strong>er</strong>s als im<br />

Rest d<strong>er</strong> Welt! Da hat das potenzielle Suspicium des Zuagroasten ob<strong>er</strong>ste<br />

Priorität! Hi<strong>er</strong> kann sich ein<strong>er</strong> zwanzig Jahre brav den lokalen<br />

Gepflogenheiten unt<strong>er</strong>ordnen in frustran<strong>er</strong> Assimilation (Integration –<br />

„wos wühsd?“). Erst Jahre nach seinem Tod gilt <strong>er</strong> als Aug’staummta! Und<br />

so hat sich üb<strong>er</strong> die Jahrhund<strong>er</strong>te ein Netzw<strong>er</strong>k aus V<strong>er</strong>drängungs-<br />

Akrobaten, gefinkelten V<strong>er</strong>tuschungs-Spezialisten und hellhörigen<br />

G<strong>er</strong>üchte-Schmieden entwickelt, was gekonnt jede nutzbare Information<br />

am Sich<strong>er</strong>-Nicht-Dazugehörenden vorbeilenkt und ihm solch<strong>er</strong>art eine<br />

schlecht<strong>er</strong>e Ausgangsposition zudenkt und ihm zeigt, w<strong>er</strong> die wahren<br />

H<strong>er</strong>ren dies<strong>er</strong> rauhen Landschaft sind. Wiewohl hi<strong>er</strong>orts nur wenig echte<br />

Grundh<strong>er</strong>rschaft residi<strong>er</strong>te; halt eh<strong>er</strong> die besond<strong>er</strong>s gefürchtete<br />

Mittelebene auf d<strong>er</strong> rauen Hochebene.


226<br />

Diese Sozialisationsform stammt sich<strong>er</strong> aus alten Feudalzeiten, wo<br />

man sich gegen den Adel durchsetzen mußte, da hi<strong>er</strong> Robot, Frohn und<br />

praktisch Leibeigenschaft geh<strong>er</strong>rscht haben. Solche Voraussetzungen<br />

eignen sich als Basis für Reifungsprozesse fast so gut, wie ein Hamm<strong>er</strong><br />

zum Fenst<strong>er</strong>putzen! Ab<strong>er</strong> irgendwie entfaltet sich Fortschritt, den früh<strong>er</strong><br />

h<strong>er</strong>rschten hi<strong>er</strong> keltische Kopfjäg<strong>er</strong>, g<strong>er</strong>manische Streuhorden und<br />

slawische Wegelag<strong>er</strong><strong>er</strong>!<br />

Quastorf muß in die Pizz<strong>er</strong>ia, um zu brauchbaren Ergebnissen zu<br />

gelagen (und das Kennenl<strong>er</strong>nen d<strong>er</strong> Fiorella wäre ein durchaus angenehm<strong>er</strong><br />

Nebeneffekt, da <strong>er</strong> sie bish<strong>er</strong> nur aus blumigen Schild<strong>er</strong>ungen kennt – denn<br />

un<strong>er</strong>klärlich<strong>er</strong>weise v<strong>er</strong>abscheut <strong>er</strong> Pizza!).<br />

Doch da ist niemand. Die Bude ist v<strong>er</strong>sp<strong>er</strong>rt, da Dienstag Ruhetag<br />

ist (wie kann ein Diensttag Ruhetag sein; frei kann man doch höchstens am Freitag<br />

haben!). Dann findet <strong>er</strong> doch nach Aufdrücken des schw<strong>er</strong>en breitgewölbten<br />

Einfahrt-Tores im Hintaus (d<strong>er</strong> landesüblich d<strong>er</strong> Straße abgewandte<br />

Hausabschnitt) neben den im Hofb<strong>er</strong>eich zur Entsorgung aufgestapelten<br />

v<strong>er</strong>gammelten Fritti<strong>er</strong>fett-Kanist<strong>er</strong>n eine offene Türe und trifft auf den<br />

v<strong>er</strong>schmuddelten s<strong>er</strong>bischen Koch, d<strong>er</strong> die von allen geliebten Pizzas<br />

h<strong>er</strong>stellt. Nix Italien<strong>er</strong> und trotzdem vom Feinsten! Doch heute muß <strong>er</strong><br />

putzen, denn freie Tage gibt es für ihn nur selten (denn Integration =<br />

Sklavendasein!).<br />

„Wo war Ihr Padrone vor acht Tagen?“.<br />

„Nixe wisse; ollaweu so vüle Orbat und Scheffe imma untawegs!“.<br />

„Kann ich ihn sprechen?“.<br />

„Scheffe nia nix spreche mit mia; und ich imma gut mochen Pizza. Oba<br />

ista bei Fiorella – scheenes Frau – heite in ob<strong>er</strong>e Bude; mache das (schlägt<br />

<strong>er</strong> in südlich<strong>er</strong> Gestik die rechte offene Hand wied<strong>er</strong>holt auf die zur lock<strong>er</strong>en Faust<br />

gehöhlte Linke). Luigi imm<strong>er</strong> hat <strong>er</strong> große Wut; ab<strong>er</strong> tut <strong>er</strong> gornix – d<strong>er</strong><br />

bleede Trottel! I tat eahm scho den klanan Beid’l obschnaid’n!“.<br />

Quastorf sollte Fiorella sehen, um diese Rivalitäten zu begreifen<br />

und so klopft <strong>er</strong> unv<strong>er</strong>schämt ford<strong>er</strong>nd an die Türe d<strong>er</strong> ‚ob<strong>er</strong>en Bude’.


227<br />

Nur mit einem Bademantel bekleidet öffnet d<strong>er</strong> ehebrech<strong>er</strong>ische<br />

Umb<strong>er</strong>to trotzdem selbstsich<strong>er</strong> die Türe. Denn <strong>er</strong> hat eine Frau in San<br />

Luca, die ihm die Kind<strong>er</strong> aufzieht. Von wem die sind, weiß niemand und<br />

<strong>er</strong> selbst all<strong>er</strong>dings am wenigsten!<br />

„Was-e wolle Sie?“. Im Hint<strong>er</strong>grund entbietet sich ihm eine nur spärlich<br />

v<strong>er</strong>hüllte Schönheit, daß Quastorf plötzlich nicht mehr v<strong>er</strong>stehen kann,<br />

wofür <strong>er</strong> bish<strong>er</strong> gelebt und gelitten hat.<br />

„Bekleiden Sie sich bitte, denn ich habe einige Fragen an Sie!“. Die<br />

südliche Göttin huscht – ihre winzige Bedeckung d<strong>er</strong> prächtigen Fülle im<br />

Abgang v<strong>er</strong>li<strong>er</strong>end – Richtung Dusche. Welch eine V<strong>er</strong>heißung, daß es<br />

so etwas wie Seligkeit doch gäbe in dies<strong>er</strong> hässlichen Welt!<br />

„Sagt ihnen d<strong>er</strong> Begriff Cosa nostra etwas?“.<br />

„Das heißt-e nur-e die uns<strong>er</strong>e Sache, und darum-e darf-e ich nikt mit ihne<br />

rede darub<strong>er</strong>!“. Om<strong>er</strong>tà natürlich; ist schon klar! Quastorf v<strong>er</strong>wechselt<br />

die Cosa Nostra mit d<strong>er</strong> ’Ndrangheta und somit Sizilien mit Calabrien<br />

(Waldvi<strong>er</strong>tel ist nicht die Südstei<strong>er</strong>mark; wenn auch die Landschaft ähnlich anmutet<br />

wie jenes an die Toskana <strong>er</strong>inn<strong>er</strong>nde Hügelland!).<br />

„Und d<strong>er</strong> ehrenw<strong>er</strong>te H<strong>er</strong>r Wu Yang; denkt d<strong>er</strong> auch so wie Sie? D<strong>er</strong><br />

schätzt es doch sich<strong>er</strong> nicht, daß sie seinem Landsmann Hua Ming alles<br />

Wesentliche abmonti<strong>er</strong>t haben – ich weiß alles vom Dottore Amato und<br />

jetzt sind sie dran, da die Chinesen ihre Fährte aufgespürt haben. Denn<br />

wenn den auch d<strong>er</strong> Askhanasov hing<strong>er</strong>ichtet hat, ab<strong>er</strong> die Chinesen<br />

v<strong>er</strong>dächtigen sich<strong>er</strong> Sie; und dann nützt ihnen die Fürsprache sämtlich<strong>er</strong><br />

sieben Nothelf<strong>er</strong> und d<strong>er</strong> Madonna einen Tinnef! Ihre Chance wäre<br />

Sich<strong>er</strong>heitshaft. Noch haben sie amtlich<strong>er</strong>seits nicht viel zu befürchten,<br />

denn das V<strong>er</strong>stümmeln von Leichen ist bei uns bloß ein V<strong>er</strong>waltungs-<br />

Delikt, so es nicht zur Tatv<strong>er</strong>heimlichung eines Gewaltv<strong>er</strong>brechens od<strong>er</strong><br />

zur Befriedigung nied<strong>er</strong><strong>er</strong> Triebe angestrebt wurde; ab<strong>er</strong> selbst das<br />

könnte ich von Ihnen abwenden, wenn Sie koop<strong>er</strong>ativ wären. Und Sie<br />

könnten sich so auch die Rache des Goldenen Glücksdrachen <strong>er</strong>sparen!“.<br />

„Bitte nehmen-e Sie mich-e mit-e, denn-e d<strong>er</strong> Rache d<strong>er</strong> Triaden-e kanne<br />

ich-e in-e d<strong>er</strong> offene Wilbahn-e kaum-e entkommen-e!“


228<br />

G<strong>er</strong>ne nimmt d<strong>er</strong> einfühlsame Commissario den bedrückten (und<br />

von d<strong>er</strong> H<strong>er</strong>rlichkeit seines unrechtmäßigen Beischlafes leicht desorienti<strong>er</strong>ten) Pizza-<br />

König in schützenden Gewahrsam, denn wenn auch Kulturfremdling,<br />

muß man diesen doch vor den aufgeheizten Asiaten bewahren.<br />

Das wahrhaft schuldtragende Zwischenglied ab<strong>er</strong> – d<strong>er</strong><br />

Tschetschenische Dimitrij Askhanasov – wurde bekanntlich b<strong>er</strong>eits dem<br />

Selbstreinigungsprozeß sein<strong>er</strong> Ethnie unt<strong>er</strong>worfen, sodaß die hiesige<br />

G<strong>er</strong>ichtsbarkeit wahrlich kein Leib<strong>er</strong>l mehr braucht ihm-bezüglich.<br />

Im relativ gut abgesich<strong>er</strong>ten Gemeinde-Kott<strong>er</strong> geht d<strong>er</strong> frustri<strong>er</strong>te<br />

Umb<strong>er</strong>to auf und nied<strong>er</strong> wie ein Geopard im alten barocken Ti<strong>er</strong>gehege<br />

von Schönbrunn; vor Brunftigkeit grunzend und auch leicht trenzend.<br />

Quastorf kann seine Empfindungen empathisch nachvollziehen:<br />

Getrennt von sein<strong>er</strong> unrechtmäßigen Liebesgöttin von Hadres, v<strong>er</strong>folgt<br />

vom unbestechlichen Amato, bedroht von Wu Yang (und jetzt hat <strong>er</strong> auch<br />

noch Quastorf im Nacken!). Kein leicht<strong>er</strong> Standpunkt.<br />

Jetzt ist <strong>er</strong> weich wie ein Beef Tatar: „Ja; ike habe die Chinese v<strong>er</strong>e-stummelt,<br />

weil viele Geld-e von Askhanasov. Und wollte Triade<br />

beweise, daß nicht-e geht-e China-Lokal neben meine!“.<br />

B<strong>er</strong>eitwillig spricht <strong>er</strong> üb<strong>er</strong> die Geldflüsse aus den Minen-<br />

Schmuggel-Geschäften mit dem Wolfowitz und selbst den früh<strong>er</strong>en<br />

V<strong>er</strong>netzungen – die depleti<strong>er</strong>ten Uran-Granaten betreffend – zwischen<br />

d<strong>er</strong> Michigan-Metal auf d<strong>er</strong> einen Seite und dem Lobbyisten Steingrab<strong>er</strong><br />

und dem Waffen-Deal<strong>er</strong> Schluff auf d<strong>er</strong> and<strong>er</strong>en.<br />

Das wird freilich kaum w<strong>er</strong> wissen wollen und so be<strong>er</strong>digt<br />

Quastorf sein Wissen zwischen den ansich nur für die Yellow-Press<br />

int<strong>er</strong>essanten Seitensprüngen div<strong>er</strong>s<strong>er</strong> Politik<strong>er</strong>, den bloß offiziösen<br />

Kleinkriminalitäten d<strong>er</strong> wahrhaft unbedeutenden Mitbürg<strong>er</strong> und dem<br />

V<strong>er</strong>waltungs-Filz auf mittl<strong>er</strong>en und höh<strong>er</strong>en Ebenen, d<strong>er</strong> d<strong>er</strong> großartigen<br />

Institution Demokratie imm<strong>er</strong> im Wege stehen wird; schon seit ihr<strong>er</strong><br />

Erfindung im alten Griechenland! Doch Quastorf ist müde nach diesem<br />

harten Tag und v<strong>er</strong>traut den Geoparden d<strong>er</strong> Obhut des diensthabenden<br />

Grasl an. D<strong>er</strong> ist nicht sehr <strong>er</strong>freut darob.


229<br />

8 Dem Dr. Wolfowitz wird es langsam eng ums H<strong>er</strong>z, da <strong>er</strong> in<br />

letzt<strong>er</strong> Zeit des öft<strong>er</strong>en seltsame Telephon-Anrufe bekommen hat und<br />

die einlaufenden E-mails v<strong>er</strong>heißen auch nicht g<strong>er</strong>ade den Himmel auf<br />

Erden. Denn jetzt ist auch sein f<strong>er</strong>n<strong>er</strong> Chef in Üb<strong>er</strong>see <strong>er</strong>wacht und will<br />

genau<strong>er</strong>es wissen bezüglich d<strong>er</strong> chinesischen Üb<strong>er</strong>nahme-Bestrebungen<br />

und d<strong>er</strong>en unglücklich<strong>er</strong> Wendung, die d<strong>er</strong> bish<strong>er</strong> ganz geschickte<br />

Wolfowitz d<strong>er</strong>art unprofessionell (und ohne Rücksprache mit d<strong>er</strong> Konz<strong>er</strong>n-<br />

Leitung) einig<strong>er</strong>maßen v<strong>er</strong>bockt hat.<br />

D<strong>er</strong> ob<strong>er</strong>ste Boß d<strong>er</strong> BioIngene<strong>er</strong>ing-Company mit Sitz in<br />

Springfield/Missouri, Dipl. Ing. Hugo Waldn<strong>er</strong> – ein weitschichtig<strong>er</strong><br />

V<strong>er</strong>wandt<strong>er</strong> d<strong>er</strong> feschen Uschi aus d<strong>er</strong> Blauen Gans in Schm<strong>er</strong>fritz – ist<br />

vor Jahren nach USA ausgewand<strong>er</strong>t und hat dort den Am<strong>er</strong>ican Way of<br />

Life voll realisi<strong>er</strong>t mit seinen breitgefäch<strong>er</strong>ten Begabungen. Und <strong>er</strong> ist<br />

saub<strong>er</strong> geblieben trotz d<strong>er</strong> harten Konkurrenz und duldet somit kein<strong>er</strong>lei<br />

Macheloikes bei seinen Unt<strong>er</strong>gebenen! Das ist seine Firmenphilosophie.<br />

„Was haben Sie sich eigentlich bei diesen kontraproduktiven<br />

Alleingängen gedacht? Sind Sie vollkommen von Sinnen, daß Sie uns<strong>er</strong><br />

lukratives Projekt d<strong>er</strong>art gefährden? Ich v<strong>er</strong>nehme da Dinge wie illegale<br />

Waffen-Geschäfte, seltsame V<strong>er</strong>netzungen mit div<strong>er</strong>sen Mafiosi und<br />

Schwi<strong>er</strong>igkeiten mit d<strong>er</strong> örtlichen Polizei, da b<strong>er</strong>eits Morde im Spiel sind!<br />

Sie sind vorläufig suspendi<strong>er</strong>t; packen Sie ihre Sachen und v<strong>er</strong>lassen Sie<br />

den Betrieb. Ich habe die Security angewiesen, Ihnen den weit<strong>er</strong>en<br />

Zugang zum W<strong>er</strong>k zu v<strong>er</strong>wehren! Ich w<strong>er</strong>de den Gustl Frib<strong>er</strong>g<strong>er</strong> mit<br />

Ihr<strong>er</strong> Nachfolge betrauen; den halte ich für sehr innovativ!“.<br />

Wolfowitz v<strong>er</strong>fällt nach dem brüsk und ohne Höflichkeitsformeln<br />

beendeten Gespräch existenziell. Jetzt nützen ihm selbst die Konten in<br />

Liechtenstein nichts mehr, denn d<strong>er</strong> lange Arm d<strong>er</strong> Zentrale wird diese<br />

sich<strong>er</strong> sp<strong>er</strong>ren lassen. D<strong>er</strong> mit dem Colt tanzt, hat kein langes Leben.<br />

Ab<strong>er</strong> wenigstens im Büro ein Mahnmahl d<strong>er</strong> Globalisi<strong>er</strong>ung<br />

setzen! Nicht g<strong>er</strong>ade eine plakative Kreuzigung, ab<strong>er</strong> wenigstens das<br />

geniale Hirn v<strong>er</strong>sprüht üb<strong>er</strong> den Design<strong>er</strong>-Schreibtisch, die blaue<br />

Schweinsled<strong>er</strong>-Garnitur und die monumentalen Gemälde vom<br />

Wass<strong>er</strong>burg<strong>er</strong>, damit Spuren <strong>er</strong>halten bleiben von seinem aufgeopf<strong>er</strong>ten<br />

Leben. Wahrlich kein schön<strong>er</strong> Anblick ist die Mündung eines Colt und


230<br />

dessen Blei schmeckt auch nicht besond<strong>er</strong>s, ab<strong>er</strong> das alles entzieht sich<br />

b<strong>er</strong>eits d<strong>er</strong> sinnlichen Wahrnehmung des atomisi<strong>er</strong>ten Gehirns!<br />

9 Professor Frib<strong>er</strong>g<strong>er</strong> ist – wie meist – mit dem Melken sein<strong>er</strong><br />

Arachnopoden beschäftigt, da ihn ein Anruf aus Springfield <strong>er</strong>reicht:<br />

„Sie haben doch früh<strong>er</strong> schon einmal in einem Biotechnologie-W<strong>er</strong>k<br />

gearbeitet und sind mit d<strong>er</strong> Mat<strong>er</strong>ie bestens v<strong>er</strong>traut. Wir würden<br />

dringend ihre Fähigkeiten benötigen. Wollen sie nicht die bioTron in<br />

Reingards leiten. Ihr Know-how, was die Feinstruktur von Spinnseiden-<br />

Eiweiß betrifft, wäre für uns von nicht zu unt<strong>er</strong>schätzendem W<strong>er</strong>t. Sie<br />

könnten so ihr Lebensw<strong>er</strong>k realisi<strong>er</strong>en! Wäre das eine Option für Sie?“.<br />

„Danke für Ihr Angebot, ab<strong>er</strong> ich bin hi<strong>er</strong> ganz zufrieden in meinem<br />

Labor. Als frei<strong>er</strong> Mitarbeit<strong>er</strong> g<strong>er</strong>ne; ab<strong>er</strong> Konz<strong>er</strong>nleitung ist nicht meine<br />

Vorstellung von Freiheit!“.<br />

Ab<strong>er</strong> nun juckt es ihn doch, da es ihm vorige Woche gelungen ist,<br />

die Quat<strong>er</strong>när-Struktur d<strong>er</strong> Fangfäden d<strong>er</strong> einheimischen Kreuzspinne<br />

aufzuschlüsseln. Das wäre schon ein Höhepunkt in seinem Leben, wenn<br />

man das großtechnisch synthetisi<strong>er</strong>en könnte! Er wird in Kontakt<br />

bleiben mit dem Waldn<strong>er</strong>! Weil ein Nobel-Preis ist möglich<strong>er</strong>weise drin!<br />

10 D<strong>er</strong> Totengräb<strong>er</strong> Erding<strong>er</strong> hat zwar keine große Freude mit den<br />

neu<strong>er</strong>dings von d<strong>er</strong> Staatsanwaltschaft freigegebenen Leichen, da das<br />

alles ziemlich unappetitlich ist. Ab<strong>er</strong> das hat auch gewisse Vorteile. Denn<br />

<strong>er</strong> sitzt seit Jahren auf einigen irrtümlich zu kurz gebauten Särgen und die<br />

bieten sich jetzt an, denn d<strong>er</strong> Chinese war nicht mehr sehr lang gebaut<br />

mangels zugehörigem Kopf und auch d<strong>er</strong> Wolfowitz hat praktisch schon<br />

beim Hals aufgehört, da sein Schädel zu ein Puzzle für Fortgeschrittene<br />

v<strong>er</strong>kommen ist.<br />

Und kein<strong>er</strong> steht ihm mehr bei seinem notwendigen Geschäft zur<br />

Seite, seit sein ehedem fleißig<strong>er</strong> Gehilfe in den Armen von Gott Bacchus<br />

v<strong>er</strong>lorengegangen ist, wenn da nicht d<strong>er</strong> beschauende Dr. Hebenstreit<br />

gelegentlich beim Einsargen behilflich wäre. Ein nett<strong>er</strong> Zug von ihm.


231<br />

Und doch wird man nicht so recht glücklich bei dies<strong>er</strong> Art Tätigkeit. Daß<br />

Totengräb<strong>er</strong> kein Spazi<strong>er</strong>gang ist, hat <strong>er</strong> all<strong>er</strong>dings imm<strong>er</strong>schon gewußt.<br />

„Häßliche Sachen passi<strong>er</strong>en in uns<strong>er</strong><strong>er</strong> einst so friedf<strong>er</strong>tigen Gegend in<br />

letzt<strong>er</strong> Zeit!“ m<strong>er</strong>kt d<strong>er</strong> zum Philanthropentum neigende Doktor an. Was<br />

<strong>er</strong> geflissentlich v<strong>er</strong>gißt, daß man in vorgeschichtlich<strong>er</strong> Zeit hi<strong>er</strong> Zeuge<br />

gnadenlos<strong>er</strong> Pogrome sein hätte können, daß die Awaren und Slawen<br />

sich<strong>er</strong> auch nicht aus dem Mädchenpensionat gekommen sind, daß die<br />

schwedischen Söldn<strong>er</strong> im Dreißigjährigen Krieg die Bevölk<strong>er</strong>ung in<br />

manchen Orten bis auf fünf Prozent dezimi<strong>er</strong>t haben und auch die<br />

eigenen Kais<strong>er</strong>lichen und spät<strong>er</strong> die Nazibrigaden in nicht unähnlich<strong>er</strong><br />

Weise unt<strong>er</strong> d<strong>er</strong> Zivilbevölk<strong>er</strong>ung unsagbare Massak<strong>er</strong> ang<strong>er</strong>ichtet haben;<br />

na und die Russen waren auch nicht g<strong>er</strong>ade zimp<strong>er</strong>lich, nachdem sie<br />

Unmengen Wodka v<strong>er</strong>nichtet haben in ihren Schlünden, wie allgemein<br />

bekannt ist! Ab<strong>er</strong> Leute umbringen ist im Krieg halt durchaus eine<br />

angesehene Handw<strong>er</strong>kskunst, die man dann dumm<strong>er</strong>weise im Frieden<br />

wied<strong>er</strong> v<strong>er</strong>l<strong>er</strong>nen muß. Das gelingt nicht imm<strong>er</strong>!<br />

Doch seltsam<strong>er</strong>weise gibt es im jeweils nächsten Krieg imm<strong>er</strong><br />

wied<strong>er</strong> einige Naturtalente, die sich sehr rasch rück<strong>er</strong>inn<strong>er</strong>n an effizientes<br />

Morden und dabei oft sehr innovativ begabt sind im Umgang mit den<br />

mod<strong>er</strong>n<strong>er</strong>en Methoden! Mit d<strong>er</strong> guat’n oid’n Zeit können somit nur die<br />

letzten zweiundsechzig Jahre gemeint sein, denn das war eine d<strong>er</strong><br />

längsten Zeiten ganz ohne Krieg und existenziell<strong>er</strong> Bedrohungen in d<strong>er</strong><br />

gesamten bekannten Geschichte! Und das nur in uns<strong>er</strong>em Umfeld, denn<br />

auf d<strong>er</strong> restlichen Welt wird seitdem mehr denn je gemordet!<br />

D<strong>er</strong> Pfarr<strong>er</strong> Hölling<strong>er</strong> hat neu<strong>er</strong>dings auch viele unangenehme<br />

Aufgaben neben d<strong>er</strong> Betreuung von nunmehr b<strong>er</strong>eits vi<strong>er</strong><br />

Pfarrgemeinden aufgrund des Zölibat-bedingten Priest<strong>er</strong>mangels. Wenn<br />

<strong>er</strong> selbst mit sein<strong>er</strong> Isabella Paradeis<strong>er</strong> offiziell<strong>er</strong>seits auffliegt, wird <strong>er</strong><br />

all<strong>er</strong>dings die Probleme auf unfreiwillige Art los w<strong>er</strong>den! Doch die Achse<br />

St. Pölten-Rom ist so unmenschlich auch wied<strong>er</strong> nicht! Solange <strong>er</strong> sich<br />

nicht öffentlich zu seinem V<strong>er</strong>hältnis und dem daraus entstandenen<br />

Amadeus bekennt, ruht die Causa (wissen tun sie es ohnehin aufgrund d<strong>er</strong><br />

ständigen Anzeigen durch sexuell v<strong>er</strong>zwickte Pfarr-Helf<strong>er</strong>innen, die d<strong>er</strong> Isabella um<br />

den feschen Pfarr<strong>er</strong> neidig sind).


232<br />

Und auch somanch<strong>er</strong> kons<strong>er</strong>vativ<strong>er</strong> Stadtrat, d<strong>er</strong> jeden Sonntag in<br />

d<strong>er</strong> <strong>er</strong>sten Reihe d<strong>er</strong> Kirchenbänke sitzt mit Lodenhut am begehrlichen<br />

Schoß, schreibt des Pfarr<strong>er</strong>s aufrühr<strong>er</strong>ische Predigten mit, die dann nach<br />

Rom gefaxt w<strong>er</strong>den, weil <strong>er</strong> vom Dreck am eigenen Pimmel ablenken<br />

will! Nur wenn <strong>er</strong> sie heiraten wollte, dann ist d<strong>er</strong> Ofen endgültig aus.<br />

Ab<strong>er</strong> das kommt ohnehin nicht in Frage, denn ihr bekannt schwul<strong>er</strong><br />

Gatte will weit<strong>er</strong>hin den gesellschaftlichen Schein wahren.<br />

Ab<strong>er</strong> diese v<strong>er</strong>mehrten Belastungen durch wahrhaft un<strong>er</strong>freuliche<br />

Grabreden bei ungewöhnlichen Begräbnissen gehen ihm an die<br />

Substanz. Und dazu noch d<strong>er</strong> unzumutbare V<strong>er</strong>waltungs-Aufwand. Da<br />

ist <strong>er</strong> schon froh, daß die Leiche des Dr. Wolfowitz nach South Carolina<br />

– in seinen Heimatort Columbia üb<strong>er</strong>geführt wird.<br />

Wenig<strong>er</strong> froh darüb<strong>er</strong> ist d<strong>er</strong> Erding<strong>er</strong>, d<strong>er</strong> Standesbeamte<br />

Schwarz und d<strong>er</strong> Dr. Hebenstreit, denn auf d<strong>er</strong>en Schult<strong>er</strong>n lastet d<strong>er</strong><br />

Papi<strong>er</strong>kram für die komplizi<strong>er</strong>te transkontinentale Üb<strong>er</strong>stellung des<br />

unschönen V<strong>er</strong>storbenen. Da muß auch noch d<strong>er</strong> Bezirkshauptmann<br />

Wening<strong>er</strong> in den sauren Apfel beißen und Transportpapi<strong>er</strong>e mit siebzehn<br />

Durchschlägen ausfüllen.<br />

Gut nur, daß die ganzen Käsezettel in Zwettl, in St. Pölten, in<br />

Wien, in Brüssel, in Washington und in Columbia nur für zehn Jahre<br />

deponi<strong>er</strong>t und dann ungelesen v<strong>er</strong>nichtet w<strong>er</strong>den, denn bei absolut<br />

vorschriftsmäßig<strong>er</strong> Bearbeitung d<strong>er</strong>selben würden die ohnehin b<strong>er</strong>eits<br />

üb<strong>er</strong>lasteten V<strong>er</strong>waltungsstrukturen in d<strong>er</strong> Sekunde kollabi<strong>er</strong>en od<strong>er</strong> man<br />

benötigte nach dem Gesetz des britischen V<strong>er</strong>waltungstheoretik<strong>er</strong>s<br />

Parkinson dafür mehr Beamte als all diese Länd<strong>er</strong> Einwohn<strong>er</strong> zählen!<br />

Ob es wenig<strong>er</strong> Schreibarbeit bedarf, da d<strong>er</strong> Dr. Wolfowitz zuvor<br />

in St. Pölten v<strong>er</strong>brannt w<strong>er</strong>den will, ist unklar; billig<strong>er</strong> wird es in jedem<br />

Fall für dessen leidgeprüfte Familie w<strong>er</strong>den! Denn von ein<strong>er</strong> fetten<br />

Firmen-Abfindung ist selbstv<strong>er</strong>ständlich keine Rede mehr aufgrund<br />

sein<strong>er</strong> V<strong>er</strong>fehlungen und von den Liechtenstein<strong>er</strong> Konten weiß die<br />

Familie zu wenig; da w<strong>er</strong>den sich nach Jahren wied<strong>er</strong> einmal die Gei<strong>er</strong><br />

von den Banken üb<strong>er</strong> das unv<strong>er</strong>diente Geld h<strong>er</strong>machen!<br />

Staatsanwalt Dr. Sauschlag<strong>er</strong> benötigt hingegen nur einen<br />

wohlplazi<strong>er</strong>ten Stempel zur Freigabe d<strong>er</strong> Leiche.


233<br />

D<strong>er</strong> ehrenw<strong>er</strong>te H<strong>er</strong>r Wu Yang all<strong>er</strong>dings – ein Cousin des zum<br />

Torso degradi<strong>er</strong>ten Hua Ming – will diesen bewußt in sein<strong>er</strong><br />

Familiengruft in Zwettl beisetzen lassen, damit <strong>er</strong> ihm die letzte Ehre<br />

<strong>er</strong>weisen kann. In zweit<strong>er</strong> Gen<strong>er</strong>ation ist d<strong>er</strong> da und somit fast schon so<br />

etwas wie ein aug’stommta Waldvi<strong>er</strong>tl<strong>er</strong>.<br />

11 D<strong>er</strong> Signore Leone fühlt sich einig<strong>er</strong>maßen beengt in sein<strong>er</strong><br />

kleinen muffigen Zelle und v<strong>er</strong>mißt zudem schm<strong>er</strong>zlich die Fiorella.<br />

„Könnte Sie mich-e nicht-e entlasse, die Strafe w<strong>er</strong>de ich sich<strong>er</strong> zahlen-e!<br />

Nächste Woche kanne Sie fei<strong>er</strong>n-e große Festa mit ganze Familia in Da<br />

Leone und nixe zahle“ (das würde sich billig gestalten, denn d<strong>er</strong> Commissario hat<br />

praktisch keine Familie!).<br />

Quastorf hat nur Umb<strong>er</strong>tos Wohl im Auge und gibt zu bedenken,<br />

daß da auch noch d<strong>er</strong> Luigi Franconi ihm nicht ganz grün ist wegen d<strong>er</strong><br />

geilen Fiorella und die Vendetta ist halt ein Hund (auch f<strong>er</strong>n d<strong>er</strong> geliebten<br />

Heimat!). Doch Umb<strong>er</strong>to insisti<strong>er</strong>t und so enthaftet ihn Quastorf ohne<br />

Kuchelbach<strong>er</strong>s Segen einzuholen. Das wird sich<strong>er</strong> wied<strong>er</strong> unötigen Ärg<strong>er</strong><br />

geben! Wie wahr – wie wahr!<br />

Er wird sich demnächst doch irgend eine d<strong>er</strong> hochg<strong>er</strong>ühmten<br />

Pastae beim Da Leone gönnen. Ab<strong>er</strong> zahlen wird <strong>er</strong> sich<strong>er</strong> dafür, damit<br />

sein saub<strong>er</strong><strong>er</strong> Ruf nicht leide. Gegen das optische Geschenk d<strong>er</strong> Fiorella<br />

wird <strong>er</strong> ab<strong>er</strong> sich<strong>er</strong> nichts einzuwenden haben (das ist mehr ideell und somit<br />

keine Korruption!).<br />

D<strong>er</strong> ausgelassene Hitzkopf Leone all<strong>er</strong>dings auch nicht und so<br />

geht <strong>er</strong> dem <strong>er</strong>grimmten Luigi in die p<strong>er</strong>fide Falle. Wie d<strong>er</strong> das<br />

Telephonat sein<strong>er</strong> V<strong>er</strong>lobten wahrgenommen hat, daß die sich mit<br />

Umb<strong>er</strong>to nach dessen Entlassung treffen will, hat <strong>er</strong> sie in ihrem Zimm<strong>er</strong><br />

eingesp<strong>er</strong>rt und ist selbst in die ‚ob<strong>er</strong>e Bude’ geschlichen. Mit P<strong>er</strong>ücke<br />

und entblößten Schult<strong>er</strong>n liegt <strong>er</strong> in dem – die Eif<strong>er</strong>sucht anheizenden –<br />

und von ekel<strong>er</strong>regend-angetrockneten Ph<strong>er</strong>omonen reich durchnetzten<br />

Bettzeug und wartet im Schutz d<strong>er</strong> Dunkelheit auf seinen Auftritt;<br />

bewaffnet mit einem Stiletto. Das ist das in den Fünfzig<strong>er</strong>jahren in d<strong>er</strong><br />

Wien<strong>er</strong> Unt<strong>er</strong>welt in Mode gekommene Springmess<strong>er</strong> mit d<strong>er</strong> bis zu 14<br />

Zentimet<strong>er</strong> langen v<strong>er</strong>senkbare Klinge, mit dem man sich früh<strong>er</strong> g<strong>er</strong>ne


234<br />

im Rotlicht-Milieu Respekt v<strong>er</strong>schafft hat; heute bevorzugen diese Typen<br />

eh<strong>er</strong> Butt<strong>er</strong>fly-Mess<strong>er</strong>, Stahlruten od<strong>er</strong> chromglänzende Puffen. Ab<strong>er</strong> das<br />

Stiletto ist halt italienisch<strong>er</strong>.<br />

Umb<strong>er</strong>to hat die Frechheit eines Macchos und gleitet bar jeden<br />

hind<strong>er</strong>lichen Gewandes Richtung v<strong>er</strong>mutete Lustbarkeit. In gewissen<br />

Situationen hätte die Erfindung d<strong>er</strong> Glühbirne durch Thomas Alva<br />

Edison schon gewisse Vorteile – ab<strong>er</strong> die Romantik halt!<br />

Ein bis zwei <strong>er</strong>igi<strong>er</strong>te Glied<strong>er</strong> sind problemlos abzuschneiden für<br />

einen gel<strong>er</strong>nten Schlacht<strong>er</strong> mit kundig<strong>er</strong> Hand und Umb<strong>er</strong>to wund<strong>er</strong>t<br />

sich, daß <strong>er</strong> nur wenig gespürt hat und trotzdem eine rote Fontäne unt<strong>er</strong><br />

seinem Schambein h<strong>er</strong>vorspritzt anstatt dem gewohnten Sp<strong>er</strong>ma. Das<br />

konnte <strong>er</strong> wahrnehmen, da <strong>er</strong> jetzt – etwas zu spät – doch das Licht<br />

aufgedreht hat! Noch hat <strong>er</strong> keine Schm<strong>er</strong>zen durch den Schock, ab<strong>er</strong> die<br />

w<strong>er</strong>den sich fraglos bald bem<strong>er</strong>kbar machen; dafür ab<strong>er</strong> umso läng<strong>er</strong><br />

anhalten!<br />

Diese unv<strong>er</strong>hältnismäßige Aktion ist freilich strafbar; das ist<br />

jedoch im Augenblick eh<strong>er</strong> sekundär. Denn zunächst ist d<strong>er</strong> Notarzt<br />

geford<strong>er</strong>t. Im Krankenaus Zwettl <strong>er</strong>fährt d<strong>er</strong> Umb<strong>er</strong>to zwar sachkundige<br />

Notv<strong>er</strong>sorgung durch die beflissenen Urologen (trotz d<strong>er</strong> späten Stunde),<br />

ab<strong>er</strong> das hämische Gekich<strong>er</strong>e d<strong>er</strong> Schwest<strong>er</strong>n und das belustigte Prusten<br />

d<strong>er</strong> Pfleg<strong>er</strong> hint<strong>er</strong> vorgehalten<strong>er</strong> Hand ist leid<strong>er</strong> nur schw<strong>er</strong> zu<br />

üb<strong>er</strong>hören. Solche Unfälle sind hi<strong>er</strong>orts selten.<br />

Und die Urologen würden durchaus g<strong>er</strong>ne replanti<strong>er</strong>en (denn das<br />

hatten sie <strong>er</strong>st einmal bei ein<strong>er</strong> Selbstentmannung durch einen lustfeindlichen<br />

Psychopathen), wenn d<strong>er</strong> beleidigte Luigi das gute Stück nicht nach<br />

vollbracht<strong>er</strong> Tat voll<strong>er</strong> Ekel hinunt<strong>er</strong>gewürgt hätte. Es wird für den<br />

Staatsanwalt schw<strong>er</strong> sein, dafür einen brauchbaren Paragraphen im<br />

ABStGB zu finden. V<strong>er</strong>weig<strong>er</strong>te Hilfeleistung fällt weg, da <strong>er</strong> ja den Notarzt<br />

geholt hat. Höchstens daß man was findet wie fahrlässige H<strong>er</strong>beiführung d<strong>er</strong><br />

V<strong>er</strong>unmöglichung ein<strong>er</strong> Restitutio ad integrum eines Schw<strong>er</strong>v<strong>er</strong>letzten.<br />

Für d<strong>er</strong>lei knifflige Aufgaben ist die Frau Doktor Pasching<strong>er</strong><br />

zuständig (die spitzfindige frischgefangene Voluntärin in d<strong>er</strong> Staatsanwaltschaft<br />

Zwettl). Das V<strong>er</strong>nichten von Indizien durch den Tät<strong>er</strong> zur Delikt-<br />

V<strong>er</strong>dunkelung ist ansich straffrei in Öst<strong>er</strong>reich (Joseph II. od<strong>er</strong> sow<strong>er</strong>). Da


235<br />

denkt das öst<strong>er</strong>reichische Strafrecht ausnahmsweise sehr menschlich; das<br />

muß man neidlos an<strong>er</strong>kennen.<br />

Die Privatanklage ab<strong>er</strong> wird sich<strong>er</strong> teu<strong>er</strong> w<strong>er</strong>den für den<br />

beleidigten Luigi, denn sowas geht zwar in Italien lock<strong>er</strong> durch<br />

(Ehrendelikt gewiss<strong>er</strong>maßen), ab<strong>er</strong> da ist man bei uns schon etwas sensibl<strong>er</strong>.<br />

Na und ob man das als echten Kannibalismus sehen will, ist<br />

Geschmackssache (eh<strong>er</strong> eine dumme Kurzschluß-Handlung, denn geschmeckt hat<br />

es ihm ohnehin nicht – ab<strong>er</strong> halt eine klare Symbolwirkung!).<br />

Fiorella wird das ganze auch bald v<strong>er</strong>schm<strong>er</strong>zt haben, denn <strong>er</strong>stens<br />

ist sie von Natur aus keusch und von ihr<strong>er</strong> imm<strong>er</strong> noch sehr schönen<br />

Mutt<strong>er</strong> zur Treue <strong>er</strong>zogen – und zweitens hat sie das alles ohnehin nur<br />

wid<strong>er</strong>willig mitgemacht, da sie weit<strong>er</strong>hin schlecht entlohnt wurde vom<br />

schlitzohrigen Umb<strong>er</strong>to. Drittens ab<strong>er</strong> hat sie die Ahnung, daß das<br />

entf<strong>er</strong>nte Teilstück diesem ohnehin nicht stark fehlen kann, da es auch<br />

davor nur wenig h<strong>er</strong>gemacht hat (somit fällt auch auf ihre Treulosigkeit ein<br />

mild<strong>er</strong>es Licht). Und vi<strong>er</strong>tens ist d<strong>er</strong> Luigi sowieso ein wesentlich nett<strong>er</strong><strong>er</strong><br />

Mensch, d<strong>er</strong> ihr viele entzückende Bambini schenken will!<br />

Als Quastorf von d<strong>er</strong> Tat <strong>er</strong>fährt, denkt <strong>er</strong> sofort pragmatisch.<br />

„Grasl, Web<strong>er</strong>! Den Luigi sofort ins Spital eskorti<strong>er</strong>en; mit Blaulicht!“.<br />

Grasl wagt den Aufstand, da <strong>er</strong> b<strong>er</strong>eits Dienstschluß und Karten<br />

für ein Konz<strong>er</strong>t bei K<strong>er</strong>zenlicht in Greillenstein hat, worauf seine bess<strong>er</strong>e<br />

Hälfte seit Monaten scharf ist (auf ihn leid<strong>er</strong> wenig<strong>er</strong>, ab<strong>er</strong> von sein<strong>er</strong> Zusage zu<br />

dies<strong>er</strong> V<strong>er</strong>anstaltung <strong>er</strong>wartet <strong>er</strong> sich mild<strong>er</strong>nde Umstände). Also murrt <strong>er</strong>:<br />

„D<strong>er</strong> ist doch garnicht v<strong>er</strong>letzt; und wenn doch, haben wir ja die braven<br />

Rettungsfahr<strong>er</strong> für diese Zwecke!“.<br />

„Ich rede auch nicht von V<strong>er</strong>letzungen, sond<strong>er</strong>n von dem V<strong>er</strong>such ein<strong>er</strong><br />

Tatschuld-Minimi<strong>er</strong>ung durch Sich<strong>er</strong>ung eines Beweisstückes!“ (sozusagen<br />

die amtliche Junktimi<strong>er</strong>ung von zwei nützlichen Aufgaben).<br />

„Eskorti<strong>er</strong>en; ab<strong>er</strong> plötzlich!“. Das duldet keinen Aufschub, denn diese<br />

Worte haben Befehls-Charakt<strong>er</strong> für einen gut ausgebildeten Polizisten!


236<br />

Quastorf kontakti<strong>er</strong>t den <strong>er</strong>fahrenen Endoskopie-Spezialisten Dr.<br />

Dulwitz<strong>er</strong> und trägt ihm sein seltsames Anliegen vor: „Da kommt jetzt<br />

gleich ein Tatv<strong>er</strong>dächtig<strong>er</strong> zu Ihnen. Ich bitte Sie <strong>er</strong>gebenst, daß Sie den<br />

sofort gastroskopi<strong>er</strong>en. Nicht weil <strong>er</strong> einen Magendurchbruch<br />

durchmacht od<strong>er</strong> zwanzig Rohypnol geschluckt hätte. Seien Sie nicht<br />

üb<strong>er</strong>rascht, wenn die Optik Ihres G<strong>er</strong>ätes ein männliches<br />

Geschlechtsorgan in dessen Magen vorfindet! ..... Ja ich weiß, daß das<br />

anatomisch unwahrscheinlich ist, ab<strong>er</strong> bitte holen Sie das h<strong>er</strong>aus; Sie<br />

können das schon. Wenn nicht Sie, w<strong>er</strong> denn sonst?“ schiebt <strong>er</strong> noch<br />

diplomatisch nach, da <strong>er</strong> den Ehrgeiz und die Profili<strong>er</strong>ungssucht von<br />

Fachärzten sehr wohl kennt. Natürlich beißt Dr. Dulwitz<strong>er</strong> sofort an.<br />

„Kein Problem; das Kind w<strong>er</strong>de ich schon schaukeln zu Ihr<strong>er</strong> vollsten<br />

Zufriedenheit!“.<br />

Große Inszeni<strong>er</strong>ung: Schwest<strong>er</strong>n, Pfleg<strong>er</strong>, st<strong>er</strong>ile G<strong>er</strong>ätschaft und<br />

Flutlicht. Alles ist b<strong>er</strong>eit und vor allem neugi<strong>er</strong>ig (das hat man nicht alle<br />

Tage in einem kleinen Landspital!). Fehlt nurmehr d<strong>er</strong> Patient. Eigentlich ist<br />

d<strong>er</strong> Luigi kein Patient, da <strong>er</strong> nicht leidet. Im Gegenteil – so wohl hat <strong>er</strong><br />

sich noch nie gefühlt – nur ein deutliches Völlegefühl von dem<br />

Gemächt, daß man auch billig<strong>er</strong> und <strong>er</strong>freulich<strong>er</strong> mit Weinrauten-Grappa<br />

bekämpfen könnte. Ab<strong>er</strong> nun hat sich d<strong>er</strong> un<strong>er</strong>bittliche Commissario<br />

dieses Prozed<strong>er</strong>e ausgedacht und so fügt <strong>er</strong> sich halt d<strong>er</strong> Staatsgewalt.<br />

Vielleicht bringt ihm das mild<strong>er</strong>nde Umstände.<br />

Sofort Betäubungs-Spray, Dormicum und sogleich in den Schlund<br />

mit dem langen schwarzen Schlauch. Dr. Dulwitz<strong>er</strong> traut seinen Augen<br />

nicht. Was <strong>er</strong> da sieht, ist ein durch ein scharfes Mess<strong>er</strong> sachkundig<br />

abgetrenntes männliches Glied mit noch beidseitig daran hängenden<br />

Hoden. Sofort macht <strong>er</strong> unzählige Photos davon, denn das glaubt ihm<br />

sonst niemand von seinen Kollegen (auch für den zu <strong>er</strong>wartenden Prozeß sind<br />

d<strong>er</strong>lei Dokumentationen sich<strong>er</strong> hilfreich). Und diese Bild<strong>er</strong> kann man sich<strong>er</strong> bei<br />

ein<strong>er</strong> Pow<strong>er</strong>Point-Präsentation in Fachkreisen bestens darbieten.<br />

Mit d<strong>er</strong> weichen Faßzange gelingt es nach einigen Schwi<strong>er</strong>igkeiten,<br />

das dicke Ding hochzuz<strong>er</strong>ren. Sehr nützlich ist, daß d<strong>er</strong> Luigi jetzt einen<br />

imp<strong>er</strong>ativen Brechreiz bekommt und ihm d<strong>er</strong>art zur Hand arbeitet.<br />

Sozusagen eine Sturzgeburt auf den blitzsaub<strong>er</strong>en Fliesenboden. Hätte


237<br />

nur noch gefehlt, daß alle Anwesenden filmreif applaudi<strong>er</strong>t hätten wie in<br />

Flugzeugen bei d<strong>er</strong> Landung in billigen Airport-Filmen.<br />

Die Aktion wird beendet, denn Nachgeburt ist keine zu <strong>er</strong>warten.<br />

D<strong>er</strong> Luigi kann nach zwei Stunden entlassen w<strong>er</strong>den, denn auch<br />

Wochenbett-Komplikationen sind nicht sehr wahrscheinlich trotz d<strong>er</strong><br />

Metaph<strong>er</strong>! Rasch wird das Gemächt mittels Kochsalzlösung von d<strong>er</strong><br />

Magensäure befreit und stolz den Urologen zur Replantation üb<strong>er</strong>geben.<br />

Die enfinden nunmehr keine so große Freude damit, denn sie<br />

haben sich schon wied<strong>er</strong> auf privat umgezogen und sitzen bei Kaffee<br />

und Zigaretten in d<strong>er</strong> Spitals-Kantine (noch gibt es kein gen<strong>er</strong>elles Rauchv<strong>er</strong>bot<br />

in Spitäl<strong>er</strong>n; das muß man nutzen!). Und die Komplizi<strong>er</strong>theit d<strong>er</strong><br />

Notv<strong>er</strong>sorgung hätten sie sich auch <strong>er</strong>spart, wenn die Anlief<strong>er</strong>ung des<br />

läng<strong>er</strong> schon undurchbluteten Präparates früh<strong>er</strong> stattgefunden hätte.<br />

Das Ergebnis d<strong>er</strong> Op<strong>er</strong>ation wird zwar nach einig<strong>er</strong> Zeit d<strong>er</strong><br />

Einheilungs-Prozesse optisch ganz brauchbar <strong>er</strong>scheinen, ab<strong>er</strong> nur die<br />

Teilfunktion des Harnlassens ist dem Umb<strong>er</strong>to zu garanti<strong>er</strong>en. Und gar<br />

Gefühle sind in Zukunft exkludi<strong>er</strong>t in dies<strong>er</strong> heiklen Region.<br />

Luigi wird auf freiem Fuß angezeigt, da keine Flucht- od<strong>er</strong><br />

V<strong>er</strong>dunkelungsgefahr besteht und <strong>er</strong> hat jetzt sehr viel Arbeit, da <strong>er</strong> den<br />

guten Ruf des Lokals retten muß. Aufgrund d<strong>er</strong> Geschehnisse kommen<br />

neu<strong>er</strong>dings unzählige neugi<strong>er</strong>ige Gäste und auch div<strong>er</strong>se Presseleute<br />

wollen Genau<strong>er</strong>es wissen. Solche plakativen Vorkommnisse haben nicht<br />

nur Nachteile in d<strong>er</strong> heutigen Zeit!<br />

12 H<strong>er</strong>r Wu Yang ab<strong>er</strong> ist sehr v<strong>er</strong>bitt<strong>er</strong>t, daß ihm neu<strong>er</strong>dings die<br />

Stammgäste zum Luigi abwand<strong>er</strong>n, wiewohl es ihm egal sein könnte, da<br />

<strong>er</strong> ohnehin nur Geld<strong>er</strong> d<strong>er</strong> Triaden wäscht und <strong>er</strong> somit unt<strong>er</strong> keinem<br />

ökonomischen Druck steht. Ab<strong>er</strong> die narzistische Kränkung durch die<br />

<strong>er</strong>starkende Konkurrenz trifft ihn menschlich hart.<br />

Er fährt am Ruhetag nach Garsting und besucht seine liebreizende<br />

‚Nichte’ Mei Ling (die von allen ob ihr<strong>er</strong> unüb<strong>er</strong>treffbaren Freundlickeit geschätzte<br />

Rezeptionistin des Kurzentrums Dao), die <strong>er</strong> in alt<strong>er</strong> Familientradition des<br />

öft<strong>er</strong>en pekuniär unt<strong>er</strong>stützt, denn ihr Job bringt ihr bloß 1.200.- € und


238<br />

das ist nicht viel, da sie in Wien nebenbei Philosophie studi<strong>er</strong>t – und das<br />

kostet!<br />

Seine Frau (in uns<strong>er</strong>em Sinne ist sie rechtlich seine Lebensgefährtin) Wei<br />

Yin stammt wie <strong>er</strong> aus Sechuan, ab<strong>er</strong> <strong>er</strong> hat sie zufällig in Krems<br />

kennengel<strong>er</strong>nt. Seine vollständige Familiengeschichte ist ihr nicht<br />

gänzlich bekannt – und das mit d<strong>er</strong> Nichte weiß sie leid<strong>er</strong> nur von seinen<br />

Erzählungen. „Wild schon stimmen“ denkt sie bei sich, während sie die<br />

angebrannte Fritteuse putzt und hat doch so ihre b<strong>er</strong>echtigten Zweifel.<br />

An d<strong>er</strong> Türe klopft es ford<strong>er</strong>nd. Und als sie mit „Luhetag bitte;<br />

molgen wiedel gute Menü!“ öffnet, sieht sie sich einem Ninja gegenüb<strong>er</strong>.<br />

Schwarz<strong>er</strong> Kampfanzug – praktisch unsichtbar in d<strong>er</strong> h<strong>er</strong>einbrechenden<br />

Dämm<strong>er</strong>ung. Da sie ihn nicht mehr losw<strong>er</strong>den wird, bittet sie ihn in<br />

bewährt<strong>er</strong> asiatisch<strong>er</strong> Gastfreundschaft zu Tisch. Sie ahnt, daß das ein<br />

Chinese sei, ab<strong>er</strong> da sie ihre eigenen Sprachwurzeln praktisch<br />

v<strong>er</strong>wahrlosen hat lassen, damit ihre Kind<strong>er</strong> in d<strong>er</strong> Schule keine Probleme<br />

haben, v<strong>er</strong>sucht sie es auf Deutsch.<br />

„Wollen gute Menü? Knusplige Ente mit geblatene Leis vielleicht?“<br />

v<strong>er</strong>sucht sie die prekäre Situation zu entschärfen.<br />

„Jo gean. Oba mit mia brauchst net chinäsisch red’n, weu i bin in Wean<br />

aufg’woxn. Wo is denn Dei Oida?“.<br />

„Wu in Galsting bei Nichte; kommt elst molgen!“.<br />

„Pudat’a de leicht?“ fällt d<strong>er</strong> Nahkämpf<strong>er</strong> geschmacklos mit d<strong>er</strong> Tür ins<br />

Haus.<br />

„Wu hat immel gloßes Helz fül ganze Familie!“.<br />

„I bock eahm net! Hot’a so a fesche Frau – des Watsch’n-Gsicht – und<br />

kummt net ham! Host an g’scheid’n Wei? Kumm, setz Die hea zu mia,<br />

Du fesche Gred’l!“ ganz auf gemütlich d<strong>er</strong> B<strong>er</strong>ufskill<strong>er</strong>.<br />

Int<strong>er</strong>essant ist in diesem Zusammenhang, daß Wei bei all<strong>er</strong> Mühe das<br />

westliche „R“ nie wird aussprechen können und d<strong>er</strong> Nahkämpf<strong>er</strong> damit kein<strong>er</strong>lei<br />

Probleme zu haben scheint. Das hat seine Ursachen darin, daß <strong>er</strong> von Kindesbeinen


239<br />

sprachlich Deutsch inkulturi<strong>er</strong>t ist, wohingegen Wei als Kind noch in China gelebt<br />

hat. Ja die frühkindliche Prägung hat schon so manches v<strong>er</strong>unmöglicht!<br />

Wei ist nicht sehr wohl bei dem Gedanken, daß sie die Nacht<br />

alleine mit dem unheimlichen Fremden v<strong>er</strong>bringen wird müssen ohne<br />

Beistand durch ihren geliebten Gatten Wu. Ab<strong>er</strong> sie sieht keine and<strong>er</strong>e<br />

Möglichkeit, ihn loszuw<strong>er</strong>den (nicht den Gatten, sond<strong>er</strong>n den Ninja).<br />

Weswegen d<strong>er</strong> ab<strong>er</strong> gekommen ist, will <strong>er</strong> ihr nicht auf die kleine<br />

Nase binden und so bleibt man im allgemeinen Smal-Talk stecken;<br />

ang<strong>er</strong>eich<strong>er</strong>t jedoch mit heftigen charmanten Flirt-V<strong>er</strong>suchen des<br />

un<strong>er</strong>warteten Gastes. Sehr unt<strong>er</strong>haltsam, d<strong>er</strong> H<strong>er</strong>r Auftrags-Mörd<strong>er</strong>. Er<br />

<strong>er</strong>zählt ihr sein halbes Leben. Wie <strong>er</strong> in d<strong>er</strong> Kind<strong>er</strong>klinik Glanzing<br />

geboren wurde und in Simm<strong>er</strong>ing aufgewachsen sei. Wie seine Elt<strong>er</strong>n<br />

dann nach Meidling gezogen seien, weil ihnen dort von den Triaden ein<br />

neues Lokal eing<strong>er</strong>ichtet worden sei.<br />

Nicht g<strong>er</strong>ade Beijing od<strong>er</strong> Nanjing, ab<strong>er</strong> die vielen Ortsnamen mit<br />

ing-Endung im öst<strong>er</strong>rreichisch-deutschsprachigen Raum haben schon<br />

etwas Anheimelndes für entwurzelte Auslands-Chinesen.<br />

Als Gassenbub habe <strong>er</strong> sich zum Leidwesen sein<strong>er</strong> üb<strong>er</strong>ford<strong>er</strong>ten<br />

Mutt<strong>er</strong> dann selbst den Triaden angeschlossen, denn das hätte ihm<br />

deutliche Vorteile gegenüb<strong>er</strong> den organisi<strong>er</strong>ten Jugendbanden d<strong>er</strong><br />

Türken und S<strong>er</strong>ben gebracht und bei den Wien<strong>er</strong>-Bazis und -Nazis wäre<br />

d<strong>er</strong> Respekt vor ihm auch fürd<strong>er</strong>hin gesich<strong>er</strong>t gewesen.<br />

Wild und v<strong>er</strong>heißungsvoll blitzen die dunklen Mandelaugen aus<br />

den Sichtlöch<strong>er</strong>n sein<strong>er</strong> schwarzen Motorrad-Maske, daß hint<strong>er</strong> den<br />

kleinen k<strong>er</strong>nigen Brüsten d<strong>er</strong> Wei ein Stakkato von heißen Wellen<br />

langsam die anfängliche Angst besiegt und völlig ungewohnt kehrt Leben<br />

in ihr seit Jahren v<strong>er</strong>nachlässigtes Dazwischen ein (so also muß Dao sein,<br />

das sie bish<strong>er</strong> trotz ihr<strong>er</strong> streng katholischen Erziehung – od<strong>er</strong> eh<strong>er</strong> auf Grund d<strong>er</strong><strong>er</strong><br />

– nur aus d<strong>er</strong> f<strong>er</strong>nöstlichen Theorie gekannt hat).<br />

„Noch ein Glas Veltlinel? Odel möchtest Du vielleicht noch geblatene<br />

Banane?“ flötet sie, die b<strong>er</strong>eits einem wohligwarmen Schmelzungsprozeß<br />

zum Opf<strong>er</strong> fällt. Sehr hoch ist ihr Erwärmungsgrad in wenigen Minuten;<br />

dagegen ist d<strong>er</strong> Klimawandel v<strong>er</strong>nachlässigbar.


240<br />

„Bitte, sehr g<strong>er</strong>ne; i hob zwoa scho Sodbrenna, oba moch ma uns hoit an<br />

bunt’n Ob’nd, waunn Dei Oida – dea Trott’l – net do is. Eigentlich woit<br />

i eahm nua a Göd bringa, damit ea uns des steialich untabringat“ wirft <strong>er</strong><br />

ein sehr dickes Kuv<strong>er</strong>t auf den ang<strong>er</strong>äumten Tisch.<br />

„Heast do is oba uandlich haaß!“ und ganz entgegen jeglich<strong>er</strong> Üblichkeit<br />

in d<strong>er</strong>artigen Geheimbünden zieht <strong>er</strong> seine v<strong>er</strong>schwitzte Maske vom<br />

ausgesprochen edlen Gesicht.<br />

Frau Wei’s Knie w<strong>er</strong>den sofort gummiartig, da sie aufsteht um die<br />

cremigweiche Banane zu s<strong>er</strong>vi<strong>er</strong>en. Dies<strong>er</strong> Liebesdienst wird sich alsbald<br />

bezahlt machen, denn nachdem d<strong>er</strong> durchtraini<strong>er</strong>te Ninja gesättigt ist<br />

und den Wein ausgetrunken hat, umfängt <strong>er</strong> routini<strong>er</strong>t ihre knackigen<br />

bubenschmalen Arschbacken und s<strong>er</strong>vi<strong>er</strong>t ihr zum Dank ebenfalls eine<br />

Banane, d<strong>er</strong>en Wesensart all<strong>er</strong>dings nicht g<strong>er</strong>ade Weichheit repräsenti<strong>er</strong>t.<br />

So hat sie sich das Paradies vorgestellt; dazu braucht man nicht st<strong>er</strong>ben!<br />

Ihr neuentdecktes Dao blüht dadurch unbeschreiblich auf wie eine<br />

rosarot geflammte Päonie od<strong>er</strong> Flamingoblume und wird <strong>er</strong>füllt von d<strong>er</strong><br />

univ<strong>er</strong>sellen Erkenntnis eigen<strong>er</strong> W<strong>er</strong>tigkeit! Umfangen wird sie von<br />

seidenen Träumen in brennendem Rot von Gehtnichtmehr!<br />

13 Kuchelbach<strong>er</strong> ist nahezu begeist<strong>er</strong>t von seinem Chefinspektor,<br />

den <strong>er</strong> neu<strong>er</strong>dings fast zu lieben beginnt, da <strong>er</strong> langsam m<strong>er</strong>kt, was d<strong>er</strong><br />

für Qualitäten hat. Auch ist <strong>er</strong> froh, daß <strong>er</strong> sich nicht selbst wied<strong>er</strong>holt<br />

aktiv in die Ermittlungsebenen einmischen muß, von d<strong>er</strong>en Abläufen <strong>er</strong><br />

eigentlich nur wenig Kenntnis hat.<br />

„Lieb<strong>er</strong> Quastorf, wollen Sie nicht doch endlich Ihren lang v<strong>er</strong>dienten<br />

Urlaub absolvi<strong>er</strong>en, d<strong>er</strong> Ihnen von den Wirren d<strong>er</strong> letzten Zeit<br />

v<strong>er</strong>unmöglicht wurde? Denn die Geschehnisse haben sich ja nahezu<br />

aufgelöst; zumindes b<strong>er</strong>uhigt. Die B<strong>er</strong>ichte sind geschrieben und ich<br />

kann das Konvolut guten Gewissens d<strong>er</strong> Staatsanwaltschaft üb<strong>er</strong>geben!<br />

Vielleicht können Sie Ihre Beziehung dadurch kitten, die unt<strong>er</strong> dem Streß<br />

gelitten hat, wie ich v<strong>er</strong>nommen habe!“.<br />

Quastorf nimmt die Worte freudig wahr, ab<strong>er</strong> <strong>er</strong> kann die<br />

Euphorie Dr. Kuchelbach<strong>er</strong>s nicht ganz nachvollziehen. Stört den nicht


241<br />

die V<strong>er</strong>netzung mit dem int<strong>er</strong>nationalen V<strong>er</strong>brechen? Was ist mit den<br />

div<strong>er</strong>sen Hint<strong>er</strong>männ<strong>er</strong>n? Und das mit Clärchen sollte <strong>er</strong> auch klären; da<br />

hat d<strong>er</strong> Vorgesetzte tatsächlich einen wunden Punkt b<strong>er</strong>ührt.<br />

Quastorf fährt <strong>er</strong>schöpft heim, bekommt einen Drehschwindel<br />

und muß sich üb<strong>er</strong>geben, obwohl <strong>er</strong> wed<strong>er</strong> v<strong>er</strong>dorbene Fische beim<br />

Luigi noch altes Zeug aus seinem Kühlschrank konsumi<strong>er</strong>t hat. Auch<br />

von den div<strong>er</strong>sen Heilmitteln aus dem eigentlich strafbaren H<strong>er</strong>barium<br />

d<strong>er</strong> Waldfrau kann das nicht mehr h<strong>er</strong>rühren, denn es ist Tage h<strong>er</strong>, daß<br />

<strong>er</strong> diese konsumi<strong>er</strong>t hat.<br />

Er begibt sich in die Badewanne, nachdem <strong>er</strong> gelben Muskatell<strong>er</strong><br />

und ein Päckchen 3-<strong>er</strong> am Wannenrand plazi<strong>er</strong>t hat, entzündet mehr<strong>er</strong>e<br />

Teelicht<strong>er</strong> und legt div<strong>er</strong>se CDs in den Wechsl<strong>er</strong> ein. Volles Rohr<br />

Walkürenritt, Inaggadadawida, Mnozil Brass, Borne to be wild,<br />

Sledgehamm<strong>er</strong>, Jungletrain, Softmachine, Kimono my House, Greatful<br />

Dead, Zappa, Lokomotive Train und das musikalische Opf<strong>er</strong> vom alten<br />

Johann Sebastian. Wäre doch gelacht, wenn man den Hirntumor nicht<br />

aus dem blöden Schädel h<strong>er</strong>ausschallen könnte! Es gibt doch neu<strong>er</strong>dings<br />

Ultraschall-Behandlungen. Das geht sich<strong>er</strong> auch im Pfusch!<br />

Irgendwann muß <strong>er</strong> dann trotz des Wirbels eingeschlafen sein und<br />

beim Erwachen schwimmt ein <strong>er</strong>soffen<strong>er</strong> Tschick neben seinen Ei<strong>er</strong>n im<br />

<strong>er</strong>kalteten Wass<strong>er</strong>. Gut daß das nicht im Bett passi<strong>er</strong>t ist; ab<strong>er</strong> <strong>er</strong> ist ja<br />

auch nicht die Ingeborg Bachmann (nur ein Mann, d<strong>er</strong> Bach liebt!).<br />

Un<strong>er</strong>träglich klingelt sein Schädel; die Anlage kann es nicht sein,<br />

denn die befindet sich b<strong>er</strong>eits im Standby-Modus. Nun wird die Quelle<br />

des Geklingels langsam <strong>er</strong>faßt. Scheißtelephon! Nackt und naß wie ein<br />

Neugeborenes eilt <strong>er</strong> ins Arbeitszimm<strong>er</strong> und hebt unwillig ab.<br />

„Was gibt’s schonwied<strong>er</strong>?“ in sehr grantigem Ton.<br />

„Begrüßt man so sein lang v<strong>er</strong>mißtes Schatzilein? Wieso bist Du nicht<br />

<strong>er</strong>reichbar und läßt mich so lange läuten? Wie geht es Dir?“ flötet sein<br />

Clärchen in’s Rohr.<br />

Das sagt <strong>er</strong> bess<strong>er</strong> nicht, denn <strong>er</strong> fri<strong>er</strong>t wie ein Schneid<strong>er</strong> – naß wie<br />

<strong>er</strong> ist – und Kopfweh hat <strong>er</strong> auch.


242<br />

„Ganz brauchbar so“ lügt <strong>er</strong> sie schonend an. „Wann kommst Du denn<br />

wied<strong>er</strong> od<strong>er</strong> willst Du üb<strong>er</strong>haupt noch jemals kommen nach Deinem<br />

unfreundlichen Abgang? Was war bei Susa?“.<br />

„Es ist hi<strong>er</strong> zwar alles vorhanden, wonach man sich sehnen könnte, ab<strong>er</strong><br />

diese anif<strong>er</strong> Schick<strong>er</strong>ia ist halt nicht ganz meine Welt. Wir waren in<br />

Mannheim bei d<strong>er</strong> Mumienausstellung, ab<strong>er</strong> die war eigentlich ein wenig<br />

enttäuschend. Und ständig nur die Cocktails beim Friesach<strong>er</strong> und im<br />

ZOOS mit imm<strong>er</strong> den selben neureichen Alkoholik<strong>er</strong>n, die jeglichen<br />

Lebenssinn v<strong>er</strong>loren haben!? Ich sehne mich zurück nach meinem<br />

geliebten Wien und auch nach Rappoltsgschwendt; und ein wenig auch<br />

nach Dir, Du scheußliches Monst<strong>er</strong>! Du bist sich<strong>er</strong> fremdgegangen. Sei<br />

vorsichtig, denn ich kann das riechen!“.<br />

„Ich bitte Dich, ich habe wahrlich and<strong>er</strong>e Sorgen. Die vielen schwi<strong>er</strong>igen<br />

Fälle, das große v<strong>er</strong>saute Haus und mein klein<strong>er</strong> lästig<strong>er</strong> Parasit, den ich<br />

w<strong>er</strong>de abtreiben lassen müssen! Ich bräuchte wahrlich mehr Ruhe“ sagt<br />

d<strong>er</strong>, d<strong>er</strong> sich g<strong>er</strong>ade d<strong>er</strong> aufregendsten Lautstärke hinzugeben b<strong>er</strong>eit war.<br />

„Ich komme morgen; ist Dir das recht?“ Clara auf imp<strong>er</strong>ativ.<br />

Er wird es wohl nicht v<strong>er</strong>hind<strong>er</strong>n können und eigentlich auch<br />

nicht wollen, denn ein wenig v<strong>er</strong>lassen fühlt <strong>er</strong> sich schon trotz all sein<strong>er</strong><br />

v<strong>er</strong>ständlichen Einsamkeits-Bedürfnisse. Nur sein und im Angesicht des<br />

Todes die Fülle des Lebens auskosten. „Dasein ist Sein zum Tode“ und<br />

„Sein zum Tode ist wesenhaft Angst“ (war das Heidegg<strong>er</strong> – <strong>er</strong> hat es v<strong>er</strong>gessen – ist<br />

auch zu blöd, denn wenn man die Formel kürzt, bekommt man: Dasein = Angst!).<br />

Ach wie <strong>er</strong> den Tod als strengen Lehrmeist<strong>er</strong> schätzt, d<strong>er</strong> den Sinn des<br />

Lebens bedingungslos offenbart! „Lebe jeden dein<strong>er</strong> Tage, als sei es d<strong>er</strong><br />

Letzte!“. Jaja, Freund Hein; so soll es sein!<br />

Quastorf fährt mit dem Cabrio nach Freizen, denn d<strong>er</strong> N<strong>er</strong>z-<br />

Zücht<strong>er</strong> muß ihm frisches Fleisch abgeben, wie <strong>er</strong> es v<strong>er</strong>sprochen hat.<br />

Nur ung<strong>er</strong>n geht <strong>er</strong> in die jedem Ti<strong>er</strong>schütz<strong>er</strong> v<strong>er</strong>haßte Bude und<br />

ford<strong>er</strong>t seine Abmachung ein wie Laufkundschaft am Sonnenhof.<br />

„Drei Stück; gaunz frisch und biologisch gefutt<strong>er</strong>t H<strong>er</strong>r Kommissar –<br />

wia bestöt!“ will sich d<strong>er</strong> Schleimbeutel einhauen. „Paßt scho; kost nix!“.


243<br />

Quastorf zahlt trotzdem 10.- nebbiche € und fährt die hässlichen<br />

gehäuteten, entdärmten und kopflosen Leichen heim. Er wird sie<br />

morgen mit Sesamöl bestreichen, sie in Rotwein, grünem Pfeff<strong>er</strong>,<br />

gequetschtem Wachold<strong>er</strong>, gebrochenem Lorbe<strong>er</strong>blatt, frischem Thymian,<br />

Senfsaat und gehackten Kap<strong>er</strong>nfrüchten marini<strong>er</strong>en. Nach zwei Tagen<br />

abtupfen, rundum scharf anbraten und h<strong>er</strong>nach für eineinhalb Stunden<br />

bei 190 °C unt<strong>er</strong> ständigem Üb<strong>er</strong>gießen mit Bratensaft garen. Zum<br />

Abschluß ein Schuß Amontillado. Und am Tisch wird Calvados vom<br />

Anisin sie umflammen. So findet d<strong>er</strong>en Leben ein wesentlich schön<strong>er</strong>es<br />

Ende als bei d<strong>er</strong> stinkenden SANIRA!<br />

Quastorf holt sich oft Rezepte beim Dr. Hebenstreit (und schenkt<br />

ihm im Gegenzug zum Beispiel das Obige). D<strong>er</strong> weiß das wohl zu schätzen, da<br />

<strong>er</strong> ein wahrhaft<strong>er</strong> Connaisseur ist (wenn <strong>er</strong> auch bei d<strong>er</strong> Vorstellung von N<strong>er</strong>zen<br />

als Grundnahrungsmittel sich noch nicht ganz sich<strong>er</strong> fühlt, zumal die Beschaffung<br />

nicht regelmäßig gewährleistet ist, da eh<strong>er</strong> grenzlegal!).<br />

Ab<strong>er</strong> zudem weiß <strong>er</strong> auch nicht, w<strong>er</strong> ihm das b<strong>er</strong>eiten sollte, da<br />

ihm seine Angetraute den Stinkefing<strong>er</strong> gezeigt hat und seine junge<br />

Freundin ist für garnichts gut auß<strong>er</strong> für Swarovski und Prada.<br />

Bei Clara kommt Quastorf gut an mit dem Exotik-Braten. Ab<strong>er</strong><br />

sie will mehr von ihm und so wird mitten im Mahl d<strong>er</strong> Speisevorgang<br />

abgebrochen und das spurweise von Mäusedreck v<strong>er</strong>schmutzte Bett<br />

zurate gezogen. H<strong>er</strong>nach ist beiden etwas leicht<strong>er</strong> und man ißt die Reste.<br />

Gut, daß Clara den H<strong>er</strong>kunfts-Nachweis des „Waldhasen“ nicht<br />

eingeford<strong>er</strong>t hat, denn so gewitzt, daß <strong>er</strong> vom Jagdaufseh<strong>er</strong> Kalchgrub<strong>er</strong><br />

vorausschauend ein Abschuß-Z<strong>er</strong>tifikat beschafft hätte, ist nichteinmal<br />

das Schlitzohr Quastorf!<br />

Auf den Zoodirektor kommen all<strong>er</strong>dings trotz d<strong>er</strong> Fleischlief<strong>er</strong>ung<br />

demnächst schlechte Zeiten zu, da die V<strong>er</strong>fütt<strong>er</strong>ung bedenklichen Gutes<br />

durchaus in d<strong>er</strong> Ti<strong>er</strong>mast ung<strong>er</strong>n gesehen ist; wenn <strong>er</strong> auch nicht um die<br />

Spezies d<strong>er</strong> unfreiwilligen Fleischlief<strong>er</strong>anten wußte.<br />

Die neuen undurchschaubaren und teilweise schickanösen Bestimmungen<br />

d<strong>er</strong> EU mit ihren unzähligen V<strong>er</strong>ordnungen, die den Alltag des Landwirten oft<br />

schm<strong>er</strong>zlich <strong>er</strong>schw<strong>er</strong>en, v<strong>er</strong>unmöglichen so nebenbei – jedem <strong>er</strong>kennbar –<br />

gelegentliche Schw<strong>er</strong>v<strong>er</strong>brechen, da praktisch alles codi<strong>er</strong>t wird in Zukunft.


244<br />

nacharbeit<br />

1 H<strong>er</strong>r Eb<strong>er</strong>gassing<strong>er</strong> ist in letzt<strong>er</strong> Zeit viel zurückhaltend<strong>er</strong><br />

geworden mit sein<strong>er</strong> früh<strong>er</strong> oft sehr offenen Kritik am Frib<strong>er</strong>g<strong>er</strong>, seit d<strong>er</strong><br />

an ob<strong>er</strong>st<strong>er</strong> Stelle im Ranking um die Neubesetzung des Postens des<br />

Leit<strong>er</strong>s d<strong>er</strong> bioTron gehandelt wird (das hat ihm sein gut<strong>er</strong> Freund, d<strong>er</strong><br />

Bürg<strong>er</strong>meist<strong>er</strong> ang<strong>er</strong>aten, denn d<strong>er</strong> will sich den Betrieb nicht madig machen lassen –<br />

denn d<strong>er</strong> bringt Devisen!).<br />

D<strong>er</strong> arme Umb<strong>er</strong>to hat die Lehren aus seinem Fehlv<strong>er</strong>halten<br />

gezogen und dem Luigi nicht nur v<strong>er</strong>ziehen, sond<strong>er</strong>n ihn – wie<br />

v<strong>er</strong>sprochen – zum Teihab<strong>er</strong> gemacht. Die Fiorella bekommt ab nun<br />

auch mehr Gehalt (es ist nochimm<strong>er</strong> <strong>er</strong>freulich, sie sehen zu dürfen!). Die<br />

Pizz<strong>er</strong>ia flori<strong>er</strong>t wie nie zuvor.<br />

H<strong>er</strong>r Wu Yang all<strong>er</strong>dings hat es seit seinem Ausritt nach Garsting<br />

nicht sehr nett zuhause. Diese stumm-dienende brave Frau, die ihm zwei<br />

wund<strong>er</strong>bare Kind<strong>er</strong> geschenkt hat, ist in letzt<strong>er</strong> Zeit sehr aufmüpfig und<br />

wid<strong>er</strong>borstig. Ab<strong>er</strong> <strong>er</strong> hat leid<strong>er</strong> ein schlechtes Gewissen und so richtet <strong>er</strong><br />

sich weitgehend nach ihren Vorstellungen. Das Geld von den Triaden<br />

läßt sich steu<strong>er</strong>lich gut unt<strong>er</strong>butt<strong>er</strong>n, da das Geschäft viel schlecht<strong>er</strong> läuft<br />

als früh<strong>er</strong>. Und trotzdem geht es ihnen allen gut. Vor allem Wei Yin ist<br />

nicht nur sp<strong>er</strong>rig, sond<strong>er</strong>n auch meist sehr gut aufgelegt trotz d<strong>er</strong> vielen<br />

Arbeit im Betrieb.<br />

Ob da ein Zusammenhang zu den wied<strong>er</strong>holten Besuchen des<br />

Boten d<strong>er</strong> Triaden besteht, weiß <strong>er</strong> nicht. Ab<strong>er</strong> d<strong>er</strong> ist nett und bringt<br />

imm<strong>er</strong> wied<strong>er</strong> Bares und somit ist <strong>er</strong> ein neu<strong>er</strong> g<strong>er</strong>ngesehen<strong>er</strong> Freund d<strong>er</strong><br />

Familie. Und Wei fragt kaum nach, wenn <strong>er</strong> wied<strong>er</strong> nach Garsting muß.<br />

H<strong>er</strong>r Diepolt hat jetzt ein Umwelt-Z<strong>er</strong>tifikat für seine stinkende<br />

Deponie bekommen und v<strong>er</strong>kauft mit großem Gewinn seinen Bio-<br />

Kompost an sämtliche Hobby-Gärtn<strong>er</strong> d<strong>er</strong> Umgebung.<br />

Uns<strong>er</strong> lieb<strong>er</strong> Pfarr<strong>er</strong> Hölling<strong>er</strong> hat vorige Woche beim Bischof<br />

Senft um Dispens angesucht, da <strong>er</strong> so nicht weit<strong>er</strong>machen will. Und<br />

wenn die Isabella sich auch nicht von ihrem Mann trennen wird, muß <strong>er</strong>


245<br />

sich doch zu ihr bekennen! Schon dem Buben zuliebe, mit dem <strong>er</strong> jetzt<br />

öft<strong>er</strong> in die B<strong>er</strong>ge geht, denn neu<strong>er</strong>dings hat <strong>er</strong> viel Zeit als Arbeitslos<strong>er</strong>.<br />

Er wohnt jetzt in Miete beim Grafen Creutzfeldt-Eibenstein (ganz<br />

günstig; eh<strong>er</strong> gratis). Dem hält <strong>er</strong> wid<strong>er</strong>rechtlich die Sonntagsmesse in d<strong>er</strong><br />

Burgkapelle als Gegenleistung. Und d<strong>er</strong> Amadeus wird Kunstgeschichte<br />

studi<strong>er</strong>en; das schwört <strong>er</strong> sich. Was all<strong>er</strong>dings die Pfarrgemeinde ohne<br />

ihn machen wird, ist ungewiß. Da kommt sich<strong>er</strong> kein<strong>er</strong> nach; höchstens<br />

ein Fremdarbeit<strong>er</strong> aus Polen od<strong>er</strong> dem Tschad. Einen neuen Job hat <strong>er</strong><br />

auch schon als Forstgehilfe beim Kalchgrub<strong>er</strong> im Ried Teichleiten.<br />

Wenig Salär ab<strong>er</strong> viel frische Luft, die <strong>er</strong> in d<strong>er</strong> Amtskirche stark v<strong>er</strong>mißt<br />

hat, denn die weit zu öffnenden Fenst<strong>er</strong> des „Glashauses Kirche“ – wie<br />

im zweiten Vaticanum v<strong>er</strong>sprochen –, waren bloß Makulatur.<br />

D<strong>er</strong> Hub<strong>er</strong>-Bau<strong>er</strong> hat Blut geleckt und kauft jetzt billigen Gen-<br />

Mais ein, seit das Einfuhrv<strong>er</strong>bot für Öst<strong>er</strong>reich gefallen ist, weil die EU<br />

vor den Ami-Multis in die Knie gegangen ist. Man wird sehen, ob <strong>er</strong> das<br />

damit gemästete Vieh hi<strong>er</strong>zulande gewinnbringend v<strong>er</strong>markten wird<br />

können (selbst die Handelsketten schätzen d<strong>er</strong>lei nicht sond<strong>er</strong>lich).<br />

Gospod Kaznavourian hat die Pforten seines Etablissementes für<br />

imm<strong>er</strong> geschlossen, da es für die Honoratioren d<strong>er</strong> Umgebung nicht<br />

mehr sehr opportun ist, sich hi<strong>er</strong> zu zeigen – nach allem, was hi<strong>er</strong><br />

vorgefallen ist.<br />

Auch die Zwischenwelt gibt es nicht mehr. Nicht wegen eventuell<strong>er</strong><br />

Skandale, sond<strong>er</strong>n aufgrund mangelnden Int<strong>er</strong>esses. Emil Ost<strong>er</strong>tag, d<strong>er</strong><br />

ehemalige Organisator, v<strong>er</strong>kauft in letzt<strong>er</strong> Zeit mit viel Profit<br />

Solaranlagen, da die Ölpreise so unv<strong>er</strong>schämt angestiegen sind und ist<br />

gar nicht traurig darüb<strong>er</strong>.<br />

H<strong>er</strong>r Ing. G<strong>er</strong>wulf St<strong>er</strong>n ist leid<strong>er</strong> v<strong>er</strong>storben, ab<strong>er</strong> es gibt noch<br />

den DJ-Schmatzi, d<strong>er</strong> die Events weit<strong>er</strong> inszeni<strong>er</strong>en wird, solange noch<br />

Bedarf an d<strong>er</strong>artigen Mode-Erscheinungen sein könnte. UFOs w<strong>er</strong>den<br />

somit bis auf weit<strong>er</strong>es nicht mehr landen im mystischen Waldvi<strong>er</strong>tel.<br />

Die Raubbau<strong>er</strong>n von d<strong>er</strong> FiskWood w<strong>er</strong>den die Wäld<strong>er</strong> d<strong>er</strong><br />

gesamten Welt noch schnell<strong>er</strong> ausräumen als bish<strong>er</strong>, bis d<strong>er</strong> Mangel an<br />

Photosynthese den Sau<strong>er</strong>stoff so reduzi<strong>er</strong>t, daß die Brennstoffe nicht


246<br />

mehr brennen, die V<strong>er</strong>brennungsmotoren nicht mehr anspringen und die<br />

faunischen Kreaturen sich auf CO 2-Atmung umstellen od<strong>er</strong> das Atmen<br />

einstellen müssen.<br />

2 Quastorf hat Clärchen am Hals, die ihn unbedingt retten will in<br />

Liebe und so muß <strong>er</strong> – statt in den Urlaub – unt<strong>er</strong>s Mess<strong>er</strong>. Was soll’s; es<br />

ist ohnehin unumgänglich, wenn <strong>er</strong> nicht elendiglich zugrundegehen will.<br />

Hebenstreit bestärkt ihn „Wissen Sie eigentlich, was das für ein<br />

Liebesbeweis ihr<strong>er</strong> Freundin ist. Und <strong>er</strong>st recht was für ein<strong>er</strong>, den sie<br />

sich selb<strong>er</strong> schenken, wenn sie sich endlich helfen lassen?!“.<br />

Alles recht und schön und gut, ab<strong>er</strong> hat d<strong>er</strong> fette Doktor schon<br />

selbst einmal ein Mess<strong>er</strong> im Gehirn gehabt? Empathisch könnten nur<br />

Ärzte sein, die absolute Krüppel sind; die alles an Leid selbst<br />

durchgemacht haben. Ab<strong>er</strong> zu denen geht man dann auch nicht, denn<br />

die schrecken ab in ihr<strong>er</strong> Un<strong>er</strong>bittlichkeit. Denn nur d<strong>er</strong> v<strong>er</strong>lud<strong>er</strong>te Arzt,<br />

den das Schicksal selbst nochnicht bestraft hat, kann die Fahrlässigkeiten<br />

sein<strong>er</strong> Schützlinge milde betrachten.<br />

3 AKH – Ebene 5 – es stinkt schrecklich nach St<strong>er</strong>ilium,<br />

Jodoform, Meist<strong>er</strong> Propp<strong>er</strong>, nach menstrui<strong>er</strong>enden Krankenschwest<strong>er</strong>n,<br />

Apfelschalen-Tee und Angstschweiß. Erstunt<strong>er</strong>suchung: Die junge<br />

Ärztin, Frau Doktor Pasching<strong>er</strong> (die Schwest<strong>er</strong> d<strong>er</strong> Voluntärin d<strong>er</strong><br />

Staatsanwaltschaft Zwettl), schaut mit professionellem Blick die Labor-<br />

Befunde samt CTs und MRTs durch.<br />

„Ich seh’ schon; alles klar. Ebene 7!“ ohne ihn in irgendein<strong>er</strong> Weise<br />

befragt od<strong>er</strong> gar unt<strong>er</strong>sucht zu haben – entwürdigend.<br />

Nach ein<strong>er</strong> Stunde auf Ebene 7 kommt d<strong>er</strong> Assistent Dr.<br />

Dalling<strong>er</strong> ang<strong>er</strong>auscht. „Ach Sie sind das Meningeom! O.k.; das ist bei<br />

uns Routine. Melden sie sich einmal in d<strong>er</strong> V<strong>er</strong>waltung – Zimm<strong>er</strong> 3; bei<br />

d<strong>er</strong> lieben Frau Liew<strong>er</strong>s – im Erdgeschoß an und dann w<strong>er</strong>den wir<br />

weit<strong>er</strong>sehen! Keine Angst; das wird nur für uns mühsam. Für Sie wird<br />

das ein Spazi<strong>er</strong>gang! Nur Weihnachten ist schön<strong>er</strong>!“. Man m<strong>er</strong>kt, d<strong>er</strong><br />

kennt Quastorfs Weihnachtsfeste nicht!


247<br />

Eine Demütigung. „Ich bin ein Mensch und kein Meningeom!“<br />

bleibt Quastorf im Halse stecken. Auch Clärchen ist <strong>er</strong>schütt<strong>er</strong>t ob d<strong>er</strong><br />

Kälte d<strong>er</strong> großen Institutionen.<br />

Ab<strong>er</strong> d<strong>er</strong> Ritus ford<strong>er</strong>t seine Rechte. Also zunächst V<strong>er</strong>waltung,<br />

dann Ambulanz, danach klinische Unt<strong>er</strong>suchung (halbnackt zwischen<br />

unzähligen Leidenden ohne jedwedes Recht auf Intimität). Entmenschend!<br />

Endlich wied<strong>er</strong> d<strong>er</strong> Dr. Dalling<strong>er</strong> (hätte d<strong>er</strong> nicht gleich mit d<strong>er</strong><br />

Unt<strong>er</strong>suchung fortfahren können?). „Jaja ich seh’ schon; das machen wir<br />

üb<strong>er</strong>morgen, wenn es Ihnen recht ist. Sie können sich ja vorläufig ein<br />

Hotel nehmen, denn die Liegetage in uns<strong>er</strong>em Haus kosten den Kassen<br />

ca. 1.200.- €/Tag; das wird nicht sehr geschätzt!“. Sagt’s und<br />

entschwindet. Und dafür war d<strong>er</strong> ganze V<strong>er</strong>waltungskram <strong>er</strong>ford<strong>er</strong>lich?<br />

Also ein geschenkt<strong>er</strong> Tag, an dem man eine Ausstellung üb<strong>er</strong><br />

Mind<strong>er</strong>heiten im Europa d<strong>er</strong> Zukunft besucht. Zips<strong>er</strong>-Sachsen, Donau-<br />

Schwaben, Jenische, Mähr<strong>er</strong>, Schlesi<strong>er</strong>, Wolga- und Memeldeutsche,<br />

Gotsche<strong>er</strong>, Banat<strong>er</strong>, Hungaro-Rumänen, Burgenländische Kroaten,<br />

kärntn<strong>er</strong> Slowenen, Südtirol<strong>er</strong>, Wenden, Ruthänen, Räthen, Sorben,<br />

Italo-Kroaten, Moldavi<strong>er</strong>, Sarden, Korsen und Basken. Nicht zu<br />

v<strong>er</strong>gessen die Samen – eine lange vor d<strong>er</strong> Völk<strong>er</strong>wand<strong>er</strong>ung angestamte<br />

Ethnie. Eine weitv<strong>er</strong>streute Mind<strong>er</strong>heit fehlt noch – die Roma, Sinti und<br />

Lovara – die seit üb<strong>er</strong> vi<strong>er</strong>hund<strong>er</strong>t Jahren viel<strong>er</strong>orts inkulturi<strong>er</strong>t sind.<br />

Doch denen ist ein eigen<strong>er</strong> Ausstellungsraum gewidmet. Quastorf denkt,<br />

daß alle die und nicht die ‚Angestammten’ seine Genetik geformt haben.<br />

Nur so ist Öst<strong>er</strong>reich zustande und daraus schöpft es seine wahre Kraft!<br />

4 Erneut<strong>er</strong> Einritt im AKH. Wied<strong>er</strong> V<strong>er</strong>waltung. Ab<strong>er</strong> dann<br />

Blutabnamen, Röntgen – volle Post – das System weiß, wieso es teu<strong>er</strong> ist!<br />

Eine Stunde spät<strong>er</strong> Op-Schleuse. Bis auf ein weißes Hemd entkleidet<br />

gleitet Quastorf auf einem Förd<strong>er</strong>band aus Metall-Lamellen auf den<br />

Op<strong>er</strong>ationstisch. In halbsitzend<strong>er</strong> Position; wie ungewöhnlich! D<strong>er</strong> Hals<br />

wird in ein<strong>er</strong> Schaumstoff-Krause fixi<strong>er</strong>t, <strong>er</strong> bekommt eine schm<strong>er</strong>zhafte<br />

Kanüle in den linken Arm und dann strahlt das Licht auf, als ob eine<br />

Schildkröte jede Schuppe ihres Panz<strong>er</strong>s in Strahlkraft v<strong>er</strong>wandeln könnte.


248<br />

„Sie bekommen jetzt ein starkes B<strong>er</strong>uhigungsmittel, ab<strong>er</strong> sie w<strong>er</strong>den bei<br />

vollem Bewußtsein bleiben, während wir in ihr Hirn eindringen müssen<br />

(eine Lokalbetäubung d<strong>er</strong> Kopfhaut ist selbstv<strong>er</strong>ständlich!)“. Kann man<br />

das nicht nett<strong>er</strong> sagen?<br />

Das v<strong>er</strong>heißt nichts Gutes. Quastorf fürchtet sich vor nichts auß<strong>er</strong><br />

vor Folt<strong>er</strong> (Zahnarzt ohne Betäubung mitten in den N<strong>er</strong>v mit dem schrillen<br />

Bohr<strong>er</strong>).<br />

Ab<strong>er</strong> es kommt noch schlimm<strong>er</strong>: Selbststoppend<strong>er</strong> oszilli<strong>er</strong>end<strong>er</strong><br />

Knochenbohr<strong>er</strong>, d<strong>er</strong> heult wie die Samstags-Sirene d<strong>er</strong> Feu<strong>er</strong>wehr,<br />

eingeführte Drahtsäge, schmatzendes G<strong>er</strong>äusch beim Abheben des<br />

Kalotten-Teilstückes, Saug<strong>er</strong>, Koagulationsg<strong>er</strong>äte (mit dem dabei<br />

entstehenden üblen Brandg<strong>er</strong>uch, d<strong>er</strong> nur entf<strong>er</strong>nt mit Gegrilltem zu tun hat;<br />

Krematorium paßt bess<strong>er</strong>) und ungustiös schlürfend<strong>er</strong> Spül<strong>er</strong> ins Zentrum<br />

sein<strong>er</strong> Denkmaschine. Wid<strong>er</strong> Erwarten ist das alles ab<strong>er</strong> auch ganz<br />

unt<strong>er</strong>haltsam. D<strong>er</strong> Op<strong>er</strong>ateur <strong>er</strong>zählt bish<strong>er</strong> unbekannte Witze, während<br />

<strong>er</strong> zielstrebig arbeitet. Die G<strong>er</strong>äusche d<strong>er</strong> G<strong>er</strong>äte würde Quastorf g<strong>er</strong>ne<br />

v<strong>er</strong>missen und das teilt <strong>er</strong> dem P<strong>er</strong>sonal mit.<br />

„Jessas de Kopfheara haum ma gaunz vagess’n! Entschuidig’ns bitschee<br />

vümois“ bekommt <strong>er</strong> Kaufhausmusik von Vivaldi aufgesetzt. Alles ganz<br />

lock<strong>er</strong>; jetzt graben die in seinem Hirn und <strong>er</strong> m<strong>er</strong>kt garnichts davon.<br />

Nur ab und zu ein buntes Blitzen in seinen geschlossenen Augen und<br />

seltsame G<strong>er</strong>üche nach Weihrauch, v<strong>er</strong>branntem Gummi, Kardamom<br />

und Gänsebraten.<br />

„Eine Frage: Spüren Sie das da?“. Man hat ihm kurz die Kopfhör<strong>er</strong><br />

abgenommen und ihn in die Brustwarze gezwickt.<br />

„Ja zum Teufel; was soll das?“ düdl-dü-düdldü, düdldüdüdldi,<br />

düdlidüdlidum, düdeldüdeldum klingt es nunmehr aus den entf<strong>er</strong>nten<br />

Kopfhör<strong>er</strong>n (die Brandenburgischen Konz<strong>er</strong>te – keine Frage – ab<strong>er</strong> leid<strong>er</strong> nicht von<br />

Harnoncourt od<strong>er</strong> Jordi Savall, sond<strong>er</strong>n von Richard Kleid<strong>er</strong>mann, André Rieu od<strong>er</strong><br />

von Vanessa Mae).<br />

„Das ist gut; genießen Sie die Musik!“. Gleich darauf w<strong>er</strong>den ihm die<br />

Hör<strong>er</strong> <strong>er</strong>neut abgenommen.


249<br />

„Schauen Sie auf meinen Zeigefing<strong>er</strong>! Sehen sie ihn doppelt? Riechen Sie<br />

was Seltsames?“.<br />

„Jetzt nicht mehr; auß<strong>er</strong> Desinfektionsmitteln, Wachold<strong>er</strong> und Schweiß<br />

nichts Besond<strong>er</strong>es!“. Das mit dem Wachold<strong>er</strong> hätte <strong>er</strong> sich sparen sollen,<br />

denn möglich<strong>er</strong>weise bekommt morgen d<strong>er</strong> nette Op-Dien<strong>er</strong> deswegen<br />

eine weit<strong>er</strong>e V<strong>er</strong>warnung, denn Gin ist kein Grundnahrungsmittel.<br />

„Sehr gut; wir können zumachen. Kollege Baching<strong>er</strong> machen sie das, ich<br />

muß zum Kanzl<strong>er</strong>-Heurigen; d<strong>er</strong> Gusi wartet schon auf mich!“ spricht<br />

d<strong>er</strong> hochdekori<strong>er</strong>te Neurochirurg, Professor Schabesb<strong>er</strong>g<strong>er</strong>, seine<br />

gesellschaftliche Stellung in den Raum.<br />

D<strong>er</strong> Dr. Baching<strong>er</strong> hat dann gekonnt die z<strong>er</strong>trennten Hirnhäute<br />

mittels selbstauflösend<strong>er</strong> Dacrophil-Nähte dicht v<strong>er</strong>schlossen, die<br />

Knochenplatte passend adapti<strong>er</strong>t und den Skalp mit Stahlklamm<strong>er</strong>n<br />

zugetuck<strong>er</strong>t. D<strong>er</strong> Drainagenschlauch aus Silikon wird fixi<strong>er</strong>t und an die<br />

Vacuumflasche angeschlossen. Die Hirndruck-Sonde liegt schon.<br />

Es geht in wild<strong>er</strong> Fahrt auf d<strong>er</strong> Bahre in Richtung<br />

Üb<strong>er</strong>wachungsstation und alles wird v<strong>er</strong>kabelt. Dann gibt es noch eine<br />

B<strong>er</strong>uhigungsspritze und so läßt sich das lästige Dau<strong>er</strong>gepiepse d<strong>er</strong><br />

Monitore leicht<strong>er</strong> in den Schlaf mitnehmen.<br />

Um elf Uhr vormittag <strong>er</strong>wacht Quastorf und spürt den liebevollen<br />

Druck von Claras Hand in d<strong>er</strong> Seinen.<br />

„Na hat d<strong>er</strong> alte Wolf doch üb<strong>er</strong>lebt. Jetzt wirst Du hoffentlich einige<br />

Zeit Ruhe geben! Ich w<strong>er</strong>de Dich auch schonen, denn ich muß leid<strong>er</strong> ans<br />

Institut. Gend<strong>er</strong> Networking – Du weißt; Sex ist vorläufig gestrichen!“.<br />

Die nächsten Tage sind ausgefüllt mit Unt<strong>er</strong>suchungen und<br />

physioth<strong>er</strong>apeutischen Maßnahmen. Die Th<strong>er</strong>apeutin ist durchaus<br />

anregend mit ihr<strong>er</strong> engen Bluse, d<strong>er</strong>en ob<strong>er</strong>st<strong>er</strong> Knopf bei den heilsamen<br />

Handlungen imm<strong>er</strong> zu b<strong>er</strong>sten droht ob d<strong>er</strong> üppigen Fülle. Ein Busen ist<br />

<strong>er</strong>st dann groß genug, wenn <strong>er</strong> bedrohlich wirkt. Quastorf läßt sich g<strong>er</strong>ne<br />

bedrohen; damit hat <strong>er</strong> gel<strong>er</strong>nt umzugehen, denn <strong>er</strong> schätzt die Fülle.


250<br />

Nachdem <strong>er</strong> von den Kabeln befreit ist, die Hirndruck-Sonde und<br />

d<strong>er</strong> Drain entf<strong>er</strong>nt sind, fühlt <strong>er</strong> sich so frei wie kaum je zuvor. Sogleich<br />

beginnt <strong>er</strong> im Stiegenhaus zu joggen und raucht dort auch heimlich eine<br />

g<strong>er</strong>ettete 3-<strong>er</strong>. Selbst vom Calvados nippt <strong>er</strong> aus d<strong>er</strong> Brustflasche. Er<br />

wird bald heimgehen; jetzt, wo <strong>er</strong> frei von seinem Parasiten ist.<br />

Die Stahlklamm<strong>er</strong>n läßt <strong>er</strong> sich zuhause vom Dr. Hebenstreit<br />

entf<strong>er</strong>nen und v<strong>er</strong>weig<strong>er</strong>t den ang<strong>er</strong>atenen Krankenstand.<br />

5 Kuchlbach<strong>er</strong> hat alles fest im Griff. Was ihm fehlt, ist Quastorf.<br />

Das hätte <strong>er</strong> sich früh<strong>er</strong> nie träumen lassen, daß ihm d<strong>er</strong> Sond<strong>er</strong>ling<br />

einmal fehlen könnte. Ab<strong>er</strong> d<strong>er</strong> wird sich<strong>er</strong> läng<strong>er</strong> nicht <strong>er</strong>scheinen ob<br />

sein<strong>er</strong> Krankheit.<br />

Umso üb<strong>er</strong>rascht<strong>er</strong> sind alle, da Quastorf in d<strong>er</strong> Türe steht.<br />

Seitliche Vi<strong>er</strong>telglatze mit unzähligen punktförmigen Krusten, ab<strong>er</strong><br />

ansonst unv<strong>er</strong>änd<strong>er</strong>t ford<strong>er</strong>nd. Auch das freche jugendliche Blitzen in<br />

den Augen ist nicht v<strong>er</strong>loren gegangen. Welt <strong>er</strong>trage mich, denn ich gehe<br />

dir nicht v<strong>er</strong>loren! Alle freuen sich irgendwie schon auf die<br />

Schwi<strong>er</strong>igkeiten, die von ihm wied<strong>er</strong> zu <strong>er</strong>warten sein w<strong>er</strong>den.<br />

„Gibt es neue Erkenntnisse bezüglich d<strong>er</strong> Hint<strong>er</strong>männ<strong>er</strong> uns<strong>er</strong><strong>er</strong> Fälle?“<br />

wie wenn nichts gewesen wäre.<br />

D<strong>er</strong> Hanfthal<strong>er</strong> v<strong>er</strong>sucht ihn zu b<strong>er</strong>uhigen: „H<strong>er</strong>r Inspektor, Sie<br />

wissen doch wie das geht! Wir haben die Fälle weitgehend aufgelöst und<br />

was da so an Hint<strong>er</strong>grund-Aktivitäten abläuft, steht uns nicht zu, es<br />

aufzudecken; das ist Sache d<strong>er</strong> Politik<strong>er</strong> und das geht uns nichtsmehr an,<br />

da sich das alles in Grauzonen abspielt!“.<br />

6 Eigentlich gibt es keine Aufgaben mehr für die Polizei, denn das<br />

liegt jetzt alles in den Händen vom Dr. Sauschlag<strong>er</strong>. Viel wird nicht<br />

h<strong>er</strong>auskommen, denn die Ermittl<strong>er</strong> für int<strong>er</strong>nationale kriminelle Institutionen<br />

stehen total an, da sie dem Wu Yang nichts nachweisen können, d<strong>er</strong> ein<br />

vorbildlich<strong>er</strong> Neu-Staatsbürg<strong>er</strong> ist und fleißig Steu<strong>er</strong>n zahlt für<br />

Einnahmen, die <strong>er</strong> nicht macht. Ab<strong>er</strong> die meisten Steu<strong>er</strong>fahnd<strong>er</strong> haben<br />

aufgrund d<strong>er</strong> Vorgeschichte wenig Int<strong>er</strong>esse, nocheinmal in dies<strong>er</strong>


251<br />

Gegend zu rech<strong>er</strong>chi<strong>er</strong>en. W<strong>er</strong> will denn schon in d<strong>er</strong> Jauche <strong>er</strong>saufen<br />

und an Nutrias v<strong>er</strong>fütt<strong>er</strong>t w<strong>er</strong>den?<br />

Quastorf hat eigentlich schon genug geleistet in seinem Leben und<br />

obwohl <strong>er</strong> sich noch ganz frisch fühlt, reicht <strong>er</strong> bald darauf um seine<br />

Pensioni<strong>er</strong>ung ein, die ihm dann auch problemlos gewährt wird. Er wird<br />

nun doch auf Rehabilitation fahren ins idyllische Bad Lilienkron od<strong>er</strong><br />

nach Groß-P<strong>er</strong>tholz und sich dort mit Moor v<strong>er</strong>wöhnen lassen, damit <strong>er</strong><br />

sich mit seinen div<strong>er</strong>sen Moor-Erlebnissen v<strong>er</strong>söhnen kann. D<strong>er</strong><br />

Waldfrau ihre Substanzen wird <strong>er</strong> bis auf weit<strong>er</strong>es meiden, da ihm von<br />

seltsam<strong>er</strong> Chemie abg<strong>er</strong>aten wurde (<strong>er</strong> kann schließlich keine Epilepsie<br />

gebrauchen). Das ist höchstens was für Schamanen od<strong>er</strong> Stoff-Kreative wie<br />

Professor Frib<strong>er</strong>g<strong>er</strong>, d<strong>er</strong> jetzt den Posten in d<strong>er</strong> bioTron angenommen<br />

hat, nachdem <strong>er</strong> sich läng<strong>er</strong> gezi<strong>er</strong>t hat – damit ist all<strong>er</strong>dings sein<br />

Marktw<strong>er</strong>t auch gestiegen und so kann <strong>er</strong> seinen Traum von Seide<br />

bess<strong>er</strong> v<strong>er</strong>wirklichen.<br />

Quastorf hat wahrlich genug geleistet in seinem <strong>er</strong>eignisreichen<br />

B<strong>er</strong>ufs-Leben und sich nie bekleck<strong>er</strong>t. Korruption war für ihn niemals<br />

eine Option, da <strong>er</strong> sich imm<strong>er</strong> guten Gewissens in den Spiegel schauen<br />

wollte. Was hat man schon von irgendeinem Luxus, den man gar nicht<br />

braucht und den man zudem mit schlaflosen Nächten bezahlen muß.<br />

Imm<strong>er</strong> hat <strong>er</strong> sich für die Kollegen geschämt, die die Polizei in Mißkredit<br />

gebracht haben durch ihre unsaub<strong>er</strong>en Handlungsweisen. Gottseidank<br />

stinkt bei uns d<strong>er</strong> Fisch nur am Kopf und nicht wie in Bananen-<br />

Republiken auch an Leib und Schwanz (wachsen in den USA eigentlich auch<br />

Bananen?).<br />

Was <strong>er</strong> ab<strong>er</strong> auch an d<strong>er</strong> Basis und in seinem Umfeld oftmals voll<br />

Unmut wahrnehmen mußte, war d<strong>er</strong> etwas augenzwink<strong>er</strong>nde Umgang<br />

mit Menschenrechten. Das Duzen von Ausländ<strong>er</strong>n und notorischen<br />

Kriminellen. Das Behandeln von unschuldigen Zeugen, als ob sie<br />

üb<strong>er</strong>führte V<strong>er</strong>brech<strong>er</strong> wären. Anreden wie ‚Neg<strong>er</strong>’, ‚Püch<strong>er</strong>’, ‚Tschusch’,<br />

‚Kamötreiba’, ‚Katzlmocha’, ‚Bimbo’ od<strong>er</strong> ‚Zigeina’ waren ihm imm<strong>er</strong> v<strong>er</strong>haßt<br />

und wie oft hat <strong>er</strong> sich inn<strong>er</strong>betriebliche Feinde geschaffen, wenn <strong>er</strong><br />

dagegen aufgetreten ist. Auch hat <strong>er</strong> sich wenig beliebt gemacht mit<br />

sein<strong>er</strong> Kritik an unsaub<strong>er</strong>en V<strong>er</strong>hörmethoden, die mit physisch<strong>er</strong> od<strong>er</strong><br />

psychisch<strong>er</strong> Einschücht<strong>er</strong>ung v<strong>er</strong>bunden waren.


252<br />

Desgleichen wurde ihm wied<strong>er</strong>holt Nestbeschmutzung vorgeworfen,<br />

wenn <strong>er</strong> die von den tatsächlichen Tatbeständen abweichenden B<strong>er</strong>ichte<br />

od<strong>er</strong> sinnv<strong>er</strong>kehrende Aussage-Protokolle angeprang<strong>er</strong>t hat. Ein wenig<br />

konnte <strong>er</strong> ab<strong>er</strong> imm<strong>er</strong>hin damit zur Bewußtmachung beitragen und<br />

einige Kollegen haben sich als durchaus l<strong>er</strong>nfähig <strong>er</strong>wiesen. Es ist durch<br />

seine Einflußnahme (und natürlich auch durch die zunehmende Macht d<strong>er</strong><br />

Medien) heute doch um einiges bess<strong>er</strong> geworden als zu Beginn sein<strong>er</strong><br />

Amtszeit, in d<strong>er</strong> man noch die autoritären Nachwehen des Kais<strong>er</strong>reiches,<br />

d<strong>er</strong> Dollfuß-Ära und d<strong>er</strong> Nazizeit spüren konnte. Diese Sauri<strong>er</strong> sind<br />

gottseidank heute praktisch alle ausgestorben.<br />

Sehr zufrieden mit sein<strong>er</strong> Nacharbeit wendet <strong>er</strong> sich Clärchen zu<br />

und nach einem wahren Festessen im Da Leone geht es in ihr<strong>er</strong><br />

Begleitung nach Rappoltsgschwendt und man begibt sich gemeinsam in<br />

einen Traum von Seide; doch d<strong>er</strong> stammt nicht von emsigen Spinnen,<br />

sond<strong>er</strong>n aus China (von wo heutzutage fast alles kommt) und üb<strong>er</strong>zieht<br />

neu<strong>er</strong>dings sein kuscheliges Bettzeug damit............


253<br />

dritt<strong>er</strong> satz:<br />

schatten<br />

in<br />

d<strong>er</strong><br />

finst<strong>er</strong>nis


254<br />

Vorwort<br />

Obwohl man v<strong>er</strong>meint, daß es im Waldvi<strong>er</strong>tel aufgrund des<br />

geheimnisvollen Charakt<strong>er</strong>s d<strong>er</strong> – vor allem im H<strong>er</strong>bst und Wint<strong>er</strong>,<br />

welche die domini<strong>er</strong>enden Jahreszeiten sind – sehr mystisch und<br />

bezaub<strong>er</strong>nd wirkenden Landschaft eigentlich einen reichen Sagen-<br />

und Märchenschatz geben müßte, enttäuscht einen dann, daß sich<br />

diesbezüglich nur eine sehr sparsame Tradition entwickelt hat.<br />

Geschichte freilich hat sich auf diesem alten Boden schon in<br />

grau<strong>er</strong> Vorzeit abgespielt (wenn man unt<strong>er</strong> Geschichte die Summe<br />

d<strong>er</strong> Geschehnisse v<strong>er</strong>steht). Nur wurde diese in Ermangelung von<br />

Nied<strong>er</strong>schriften nur äuß<strong>er</strong>st spärlich tradi<strong>er</strong>t. Was sich in<br />

historischen Zeiten abgespielt hat, ist oftmals beforscht und<br />

beschrieben worden. Ab<strong>er</strong> halt nur die große Geschichte (die d<strong>er</strong><br />

H<strong>er</strong>rsch<strong>er</strong> und Besitz<strong>er</strong>, die d<strong>er</strong> Machthab<strong>er</strong> und He<strong>er</strong>führ<strong>er</strong>). Die<br />

mündlichen Üb<strong>er</strong>lief<strong>er</strong>ungen hingegen, bei denen es um die klein<strong>er</strong>e<br />

Geschichte geht, beschränken sich leid<strong>er</strong> hauptsächlich nur auf die<br />

jüng<strong>er</strong>e V<strong>er</strong>gangenheit. Und da diese teilweise sehr traumatisch für<br />

fast alle war, wird selbst die oral history von ein<strong>er</strong> dicken weißen<br />

Decke üb<strong>er</strong>zogen, die ihr Vorbild in d<strong>er</strong> Unschuld d<strong>er</strong> wint<strong>er</strong>lichen<br />

Einschneiung sucht.<br />

Selbst die Geschichten, die sich auf die meist völlig<br />

unv<strong>er</strong>fänglichen Begebenheiten d<strong>er</strong> all<strong>er</strong>jüngsten V<strong>er</strong>gangenheit<br />

beziehen, bekommen im imm<strong>er</strong> wied<strong>er</strong> Neu<strong>er</strong>zählen langsam einen<br />

prächtigen Pelzbesatz, welch<strong>er</strong> an den dicken Rauhreif <strong>er</strong>inn<strong>er</strong>t, d<strong>er</strong><br />

sich in kaltnebeligen Wint<strong>er</strong>nächten schw<strong>er</strong> an die Bäume und<br />

Sträuch<strong>er</strong> hängt, sodaß d<strong>er</strong>en Äste und Zweige kaum die<br />

prachtvolle Last <strong>er</strong>tragen können und oft genug darunt<strong>er</strong><br />

zusammenbrechen – eine nicht ganz zufällige Metaph<strong>er</strong>.<br />

In ähnlich<strong>er</strong> Weise bricht auch manchmal eine alte<br />

schwärende Wunde auf und zeigt ihr dunkles Darunt<strong>er</strong> od<strong>er</strong> bess<strong>er</strong><br />

Dahint<strong>er</strong>. Dann wirken die Meisten äuß<strong>er</strong>st üb<strong>er</strong>rascht, da man<br />

sich d<strong>er</strong>lei nie <strong>er</strong>wartet hätte od<strong>er</strong> sich selbiges nicht vorstellen hätte<br />

können. Das all<strong>er</strong>dings hat seine Ursache in ein<strong>er</strong> gewissen Form<br />

von Phantasie-V<strong>er</strong>weig<strong>er</strong>ung, denn eigentlich hätte man genug<br />

Schm<strong>er</strong>zliches <strong>er</strong>lebt, um sich fast alles vorstellen zu können; doch<br />

w<strong>er</strong> will das schon – jetzt, da das Grauen gottlob schon seit sehr<br />

sehr lang<strong>er</strong> Zeit ein Ende hat!<br />

„Einmal muß doch Schluß sein mit d<strong>er</strong> V<strong>er</strong>gangenheit!“


255<br />

Dies<strong>er</strong> philosophisch-inhaltlich total unhaltbare und auch<br />

physikalisch gänzlich unvorstellbare Satz kann nicht nur im<br />

Waldvi<strong>er</strong>tel häufig v<strong>er</strong>nommen w<strong>er</strong>den seit nunmehr b<strong>er</strong>eits drei<br />

Gen<strong>er</strong>ationen, sond<strong>er</strong>n allüb<strong>er</strong>all im Alpenreich; vor allem in den<br />

siedlichen Londesteilen, von wo d<strong>er</strong> schwüle Jauk kommt, d<strong>er</strong><br />

eigentlich Jugo heißen müßte, wenn <strong>er</strong> es denn dürfte.<br />

Und obwohl das Ende d<strong>er</strong> V<strong>er</strong>gangenheit viel<strong>er</strong>orts ausg<strong>er</strong>ufen<br />

wurde, steigen gelegentlich noch Blasen selbst in Teichen auf, die in<br />

ihr<strong>er</strong> Idylle kaum zu üb<strong>er</strong>treffen sind. Diese Blasen haben ihren<br />

Ursprung im unsichtbaren Bodensatz .......


256<br />

Einleitung<br />

Man kann es kaum glauben, ab<strong>er</strong> Quastorf hat seine Qualen<br />

üb<strong>er</strong>lebt und ist ganz gut<strong>er</strong> Dinge trotz alledem. Für das<br />

Kurzentrum Harbach hat <strong>er</strong> leid<strong>er</strong> keine Bewilligung von d<strong>er</strong><br />

Beamten-Krankenkasse bekommen, da dieses aufgrund sein<strong>er</strong><br />

hohen Qualität und fachlichen Kompetenz stets ausgebucht ist!<br />

Also mußte <strong>er</strong> auf Bad Lilienkron ausweichen, was keine<br />

schlechte Alt<strong>er</strong>native darstellt, zumal dort alles wesentlich klein<strong>er</strong><br />

und dadurch familiär<strong>er</strong> im Charakt<strong>er</strong> ist. Auch ist die umgebende<br />

Landschaft fast unbebaut, dah<strong>er</strong> viel ursprünglich<strong>er</strong> und<br />

ausgesprochen naturbelassen; denn wegen d<strong>er</strong> vielen Moore steht<br />

alles unt<strong>er</strong> strengstem Naturschutz (UNESCO-Weltnatur<strong>er</strong>be-<br />

Urgesteinsmoor wahrscheinlich).<br />

Dort tummeln sich ein<strong>er</strong>seits sehr viele wesentlich stärk<strong>er</strong><br />

v<strong>er</strong>wundete Mitmenschen, was Quastorf an seine eigene Heilung<br />

glauben läßt. Ab<strong>er</strong> and<strong>er</strong><strong>er</strong>seits auch relatv viele Sozialparasiten, die<br />

ihr läch<strong>er</strong>liches Kreuzweh zu einem an<strong>er</strong>kennungswürdigen Grund<br />

für ihre Frühpensioni<strong>er</strong>ung hochstilisi<strong>er</strong>en wollen; denn d<strong>er</strong> Beamte<br />

ist von sein<strong>er</strong> Natur h<strong>er</strong> grundsätzlich g<strong>er</strong>ne üb<strong>er</strong>lastet. Und nun ist<br />

<strong>er</strong> im Banne d<strong>er</strong> eigenen Pensioni<strong>er</strong>ung. Das war nie sein Ziel, denn<br />

<strong>er</strong> wollte imm<strong>er</strong> aktiv bleiben bis zu seinem unvorh<strong>er</strong>sehbaren Tod.<br />

Ab<strong>er</strong> d<strong>er</strong> ekelhafte Parasit hat ihn relativi<strong>er</strong>t und <strong>er</strong> hat sich dem<br />

unkalkuli<strong>er</strong>baren Schicksal gefügt, was nicht heißen will, daß <strong>er</strong> ab<br />

nun untätig bliebe.<br />

Felix Tannenb<strong>er</strong>g:<br />

H<strong>er</strong>ausgegeben im Eigenv<strong>er</strong>lag<br />

2008 – irgendwo im Waldvi<strong>er</strong>tel


257<br />

schattenhaft<br />

1 Sein Eintreffen mit dem Mazda MX-5 hat ein wenig für Aufsehen<br />

gesorgt, was von Quastorf – ganz gegen seine sonstige Zurückhaltung –<br />

durchaus genossen wird.<br />

Das Einchecken ist formlos vonstatten gegangen mit dem netten<br />

schwarzhaarigen Mädel an d<strong>er</strong> Rezeption. Seine Koff<strong>er</strong> hat <strong>er</strong> selb<strong>er</strong> auf’s<br />

Zimm<strong>er</strong> geschafft, wiewohl man ihm behilflich sein wollte aufgrund sein<strong>er</strong><br />

op<strong>er</strong>ationsbedingten Vi<strong>er</strong>telglatze, d<strong>er</strong>en wachsende Stoppel schon langsam<br />

an trendige Haarkunst <strong>er</strong>inn<strong>er</strong>n. Ab<strong>er</strong> das macht <strong>er</strong> selb<strong>er</strong>; <strong>er</strong> ist doch nicht<br />

krank. Und schwach fühlt <strong>er</strong> sich auch nicht, nachdem ihm mitgeteilt<br />

wurde, daß <strong>er</strong> praktisch wied<strong>er</strong> d<strong>er</strong> Alte ist (ein Jung<strong>er</strong> wäre <strong>er</strong> freilich lieb<strong>er</strong><br />

geworden; ab<strong>er</strong> w<strong>er</strong> wohl nicht?)!<br />

Seine Frage „wo bekomme ich hi<strong>er</strong> Zigaretten?“ wird all<strong>er</strong>dings vom<br />

P<strong>er</strong>sonal ein wenig zög<strong>er</strong>lich beantwortet. „In d<strong>er</strong> Eingangshalle am<br />

Zeitungsstand, wenn Sie es absolut nicht lassen können!“.<br />

Quastorf mag keine Zeitungen, denn die lügen mit jed<strong>er</strong> Zeile die<br />

V<strong>er</strong>kaufszahlen h<strong>er</strong>bei, v<strong>er</strong>schwenden auf weitaus bess<strong>er</strong>e Weise nutzbares<br />

Holz, w<strong>er</strong>den am selben Tag v<strong>er</strong>ächtlich weggeschmissen nach Lesen d<strong>er</strong><br />

wenigen Schlagzeilen, d<strong>er</strong> Kontaktanzeigen und d<strong>er</strong> Sport- und<br />

Klatschb<strong>er</strong>ichte und landen somit im Altpapi<strong>er</strong>, an dem sich die<br />

Wied<strong>er</strong>v<strong>er</strong>w<strong>er</strong>tungs-Industrie b<strong>er</strong>eich<strong>er</strong>t mit Hilfe d<strong>er</strong> achtlosen<br />

Konsumenten. Die meist sehr peinlichen – nur gelegentlich anregenden –<br />

Nackedeis zur Auflagen-Steig<strong>er</strong>ung stören seine Vorstellung von d<strong>er</strong> Würde<br />

d<strong>er</strong> Frauen, denn seine fiktive Tocht<strong>er</strong> wollte <strong>er</strong> so nicht wahrnehmen.<br />

Mit dem Lift auf Zimm<strong>er</strong> 216 im zweiten Stock. Das ist auch imm<strong>er</strong><br />

so protzig in allen Hotels dies<strong>er</strong> Welt. Die haben hi<strong>er</strong> drei Geschoße mit je<br />

16 Zimm<strong>er</strong>n, was nach Adam Riese 48 Zimm<strong>er</strong> <strong>er</strong>gibt und sugg<strong>er</strong>i<strong>er</strong>en mit<br />

den dreistelligen Zimm<strong>er</strong>numm<strong>er</strong>n, daß sie 316 Zimm<strong>er</strong> hätten! Na das<br />

wäre vielleicht ein Klotz in dies<strong>er</strong> g<strong>er</strong>uhsamen Gegend – das will man sich<br />

gar nicht <strong>er</strong>st vorstellen!<br />

Nachdem <strong>er</strong> seine wenigen Habseligkeiten in den Schränken, die den<br />

typischen G<strong>er</strong>uch von Hotel-Kästen v<strong>er</strong>strömen, v<strong>er</strong>staut hat, begibt <strong>er</strong> sich


258<br />

in den Speisesaal zum Mittagstisch. Üb<strong>er</strong> die wissenschaftliche Abhandlung<br />

von Hotelkästen-G<strong>er</strong>üchen könnte man Büch<strong>er</strong> schreiben.<br />

Sehr viel scharfe Putzmittel mit den übelsten (billig zu produzi<strong>er</strong>enden)<br />

Düften, die sich die p<strong>er</strong>v<strong>er</strong>sen Design<strong>er</strong> d<strong>er</strong> Chemie-Heinis ausdenken, weil<br />

sie glauben, daß die von denen als dümmlich gesehenen Hausfrauen und<br />

sonstiges Putzp<strong>er</strong>sonal das mit Frische assozii<strong>er</strong>en würden. Üb<strong>er</strong> die Jahre<br />

wurden solch<strong>er</strong>art die Nasen d<strong>er</strong> Zielgruppen d<strong>er</strong>art deformi<strong>er</strong>t und<br />

korrumpi<strong>er</strong>t, daß fast alle nun tatsächlich glauben, man könne<br />

Zigarettendunst und Kochg<strong>er</strong>üche mit AirSick und schweißdurchtränkte<br />

Gewänd<strong>er</strong> mit freebrezel neutralisi<strong>er</strong>en. Das hat schon in den Kinos d<strong>er</strong> 50-<strong>er</strong><br />

Jahre nicht funktioni<strong>er</strong>t mit dem nostalgischen P<strong>er</strong>olin, das von Billeteuren<br />

(durchdrungenen von ihr<strong>er</strong> wichtigen Aufgabe) mittels riesig<strong>er</strong> Blech-Pumpen in die<br />

Raumluft v<strong>er</strong>sprüht wurde! Damals war alles Fichtennadel, ab<strong>er</strong> heute weiß<br />

man endgültig nicht, welch<strong>er</strong> naturidente G<strong>er</strong>uch sich hint<strong>er</strong> den<br />

Abartigkeiten v<strong>er</strong>b<strong>er</strong>gen könnte.<br />

Ein weit<strong>er</strong>es Typicum natürlich trotzdem Schweißgemisch. Ganz<br />

wenig Schimmel und Mod<strong>er</strong> trotz d<strong>er</strong> harten Chemie, die jedem Bazillus die<br />

Augäpfel v<strong>er</strong>brennen würde, so <strong>er</strong> solche hätte und jed<strong>er</strong> Pilzspore das<br />

Myzel wegätzen könnte, hätten die nicht gel<strong>er</strong>nt, die chemischen Bomben<br />

durch neu <strong>er</strong>fundene Enzyme zu entschärfen; manche <strong>er</strong>nähren sich<br />

v<strong>er</strong>mutlich b<strong>er</strong>eits von Mist<strong>er</strong> Popp<strong>er</strong> (nicht d<strong>er</strong> Sir Karl ist gemeint – d<strong>er</strong> begnadete<br />

Philosoph!). Das schlimmste ab<strong>er</strong> sind die Duftspuren d<strong>er</strong> hund<strong>er</strong>ten<br />

Parfüms, von denen schon jedes einzelne zumeist aufdringlich genug stinkt.<br />

In d<strong>er</strong> Kombination jedoch und aufgrund d<strong>er</strong> Alt<strong>er</strong>ungs-Prozesse wird d<strong>er</strong><br />

Cocktail mit d<strong>er</strong> Zeit imm<strong>er</strong> un<strong>er</strong>träglich<strong>er</strong>! Und wenn man sich in die<br />

Kästen bückt, dann schuh-elt es unten gewaltig.<br />

Nichts für Hundenasen, wie Quastorf eine – wie in solchen Fällen<br />

leid<strong>er</strong> – sein Eigen nennt. Er konnte imm<strong>er</strong> schon hint<strong>er</strong> den ekligen<br />

Parfums <strong>er</strong>riechen, am wievielten Zyklustag sich eine Gesprächspartn<strong>er</strong>in<br />

befand, wann ein Delinquent voraussichtlich zuschlagen könnte (aufgrund d<strong>er</strong><br />

G<strong>er</strong>uchsintensität dessen Adrenalinspiegels) od<strong>er</strong> wann sein männliches<br />

Gegenüb<strong>er</strong> v<strong>er</strong>mutlich den letzen Geschlechtsv<strong>er</strong>kehr hatte (punktgenau nach<br />

d<strong>er</strong> Aufdringlichkeit des Testost<strong>er</strong>ongestankes – Qualität Fußball<strong>er</strong>-Umkleidekabinen –<br />

zur bess<strong>er</strong>en Nachvollziehbarkeit für ungeübte Nasen). Das ist bisweilen ein Segen,<br />

ab<strong>er</strong> zumeist eine schw<strong>er</strong>e Prüfung! Wiewohl seit d<strong>er</strong> vor kurzem<br />

stattgehabten Hirnop<strong>er</strong>ation das Riechhirn ohnehin ein wenig beleidigt ist.


259<br />

2 V<strong>er</strong>schmitzt (und fast ein wenig frivol) lächelt die Frau Kunnling<strong>er</strong> vom<br />

Nachbartisch h<strong>er</strong>üb<strong>er</strong>, an dem sie einsam ihr Hauben-Menue einnimmt.<br />

Will sie was von ihm? Gut, <strong>er</strong> weiß, daß <strong>er</strong> für sein Alt<strong>er</strong> sehr jung und<br />

knusprig aussieht und daß man ihm seine ständige sexuelle Frustration<br />

offenkundig ansieht (gottseidank nicht auch seinen angedeuteten Solipsismus und seine<br />

schw<strong>er</strong>v<strong>er</strong>dauliche Unbedingtheit). Die krankheitsbedingte Sexopause m<strong>er</strong>kt man.<br />

Das kann es ja auch nicht sein bis in alle Zukunft, daß <strong>er</strong> sich nur mit<br />

sein<strong>er</strong> Bresthaftigkeit beschäftigt od<strong>er</strong> sich sein<strong>er</strong> <strong>er</strong>wiesenen V<strong>er</strong>letzlichkeit<br />

hingibt; eventuell mit ein paar Frauenbeziehungen zur Gewissens-<br />

B<strong>er</strong>uhigung und Selbstw<strong>er</strong>t-Befriedigung. Das wäre zu schwach üb<strong>er</strong>setzt!<br />

Und doch wechselt <strong>er</strong> den Sitzplatz an die Seite d<strong>er</strong> Kunnilingua.<br />

D<strong>er</strong>en Name ist möglich<strong>er</strong>weise Programm! Das wird sich nächtens<br />

hoffentlich zeigen. Sehr <strong>er</strong>füllend die Konv<strong>er</strong>sation üb<strong>er</strong> allgemeine<br />

Sinnfragen, morphogenetische Feld<strong>er</strong>, Ähnlichkeiten und Diff<strong>er</strong>enzen<br />

zwischen v<strong>er</strong>schiedensten menschlichen Kulturkreisen, Urknall-Theorie<br />

und Orgasmus-P<strong>er</strong>fektioni<strong>er</strong>ung im postmenopausalen Alt<strong>er</strong>.<br />

Kein Schrecken liegt darin, daß sie möglich<strong>er</strong>weise etwas ält<strong>er</strong> ist als<br />

d<strong>er</strong> sich auf Rehabilitation befindliche Inspektor, d<strong>er</strong> voll<strong>er</strong> Tatendrang<br />

steckt – leicht retardi<strong>er</strong>t noch durch seine Op<strong>er</strong>ation.<br />

Es geht nach einigen Stunden des <strong>er</strong>baulichen Gespräches zur<br />

wesentlichen Sache, wiewohl die Betten des Kurzentrums nicht dafür<br />

eing<strong>er</strong>ichtet wurden. Für diese neue Erfahrung läßt man g<strong>er</strong>ne einige<br />

wichtige Kuranwendungen sausen! Ach wie g<strong>er</strong>ne hätte <strong>er</strong> Clara an sein<strong>er</strong><br />

Seite, damit sie m<strong>er</strong>kte, worum es sich dreht in d<strong>er</strong> Welt (keine Untreue und<br />

kein Drei<strong>er</strong>; nur sinnvolle Bewußtseins-Erweit<strong>er</strong>ung!).<br />

3 Nach einigem Blaufränkischen findet <strong>er</strong> sich in einem fremden<br />

Zimm<strong>er</strong> wied<strong>er</strong>. Früh<strong>er</strong> hätte <strong>er</strong> soetwas nie zugelassen; ist das eine<br />

Alt<strong>er</strong>s<strong>er</strong>scheinung? Ja schon auch in sein<strong>er</strong> Jugend; da hat es d<strong>er</strong>lei sehrwohl<br />

gegeben, denn damals waren häufig wechselnde Geschlechts-Beziehungen<br />

d<strong>er</strong> absolute und unv<strong>er</strong>zichtbare Goldstandard („w<strong>er</strong> zweimal mit d<strong>er</strong> Selben<br />

pennt, gehört schon zum Establishment“); ab<strong>er</strong> ziemt sich das für einen alten<br />

Mann, d<strong>er</strong> <strong>er</strong> mit den Jahren geworden ist?<br />

Sein Dez<strong>er</strong>nat fehlt ihm und kann nicht <strong>er</strong>setzt w<strong>er</strong>den durch ein von<br />

Sp<strong>er</strong>ma und Fraulichkeit üb<strong>er</strong>zogenes Bettzeug. Beide hatten das Ihre und


260<br />

trotzdem v<strong>er</strong>bleibt ein schal<strong>er</strong> Geschmack in d<strong>er</strong> Mundhöhle Quastorfs, d<strong>er</strong><br />

möglich<strong>er</strong>weise d<strong>er</strong> aktiven Deutung ihres seltsamen Namens entstammt.<br />

Was hat <strong>er</strong> v<strong>er</strong>brochen, da <strong>er</strong> sich d<strong>er</strong> Kurschattin hingegeben und<br />

damit sein in Wien v<strong>er</strong>schollenes Clärchen beleidigt hat. Ab<strong>er</strong> diese Frau ist<br />

einfach üb<strong>er</strong>wältigend und da hat man keine Chance zur notwendigen<br />

Abgrenzung. Er v<strong>er</strong>zeiht es sich gnädig und läßt das Erlebte in den tiefen<br />

Brunnen des V<strong>er</strong>gessens fallen, d<strong>er</strong> ihm in sein<strong>er</strong> Laufbahn stets ein<br />

brauchbar<strong>er</strong> Ablageplatz für schw<strong>er</strong> zu bearbeitende Inhalte war.<br />

Hoffentlich gräbt nie ein<strong>er</strong> d<strong>er</strong> un<strong>er</strong>sättlichen Psycho(-archäo)logInnen in<br />

diesem Brunnen wie d<strong>er</strong> Branco beim vorletzten Fall!<br />

Frau Kunnling<strong>er</strong> hat heute Nacht Blut geleckt, da sie nun weiß, wie<br />

man den feschen Pensionär umgarne zur V<strong>er</strong>bess<strong>er</strong>ung des eh<strong>er</strong> kargen<br />

Freizeit-Programmes. Irgendwie wird es Quastorf eng in d<strong>er</strong> Kuhle.<br />

Und so entzieht <strong>er</strong> sich unt<strong>er</strong> dem fadenscheinigen Vorwand streng<strong>er</strong><br />

Kuranwendungen in die Unv<strong>er</strong>bindlichkeit, denn V<strong>er</strong>liebtheit kann <strong>er</strong> jetzt<br />

g<strong>er</strong>ade am wenigsten gebrauchen – das fehlte ihm noch – eine Affaire<br />

eventuell; ab<strong>er</strong> sich<strong>er</strong> keine neue Beziehung, wo die alte doch schon so<br />

mühsam ist aufgrund mannigfaltig<strong>er</strong> Gegebenheiten.<br />

4 Durch die rehabilitativen Räume eilt ein V<strong>er</strong>tret<strong>er</strong> d<strong>er</strong> Sendboten d<strong>er</strong><br />

Erleuchtung, d<strong>er</strong> Quastorf ungeni<strong>er</strong>t kontakti<strong>er</strong>t – H<strong>er</strong>r Trabitsch (ein seit<br />

Jahren arbeitslos<strong>er</strong> Schriftsetz<strong>er</strong>).<br />

Quastorf ist völlig immun gegenüb<strong>er</strong> d<strong>er</strong>lei selbst<strong>er</strong>nannten<br />

Weltv<strong>er</strong>bös<strong>er</strong><strong>er</strong>n. Doch Trabitsch ist sehr kundig, was die notwendige<br />

Indoktrini<strong>er</strong>ung Resistent<strong>er</strong> betrifft und so insisti<strong>er</strong>t <strong>er</strong> gekonnt mit seinen<br />

le<strong>er</strong>en Worthülsen, die ab<strong>er</strong> gewisse Üb<strong>er</strong>zeugungskraft in ihr<strong>er</strong> meditativen<br />

Wortmelodie b<strong>er</strong>gen. Die Techniken hat <strong>er</strong> bei anyway gel<strong>er</strong>nt, für die <strong>er</strong> fast<br />

alles v<strong>er</strong>kauft hat – vor allem seine Seele!<br />

So nicht mit dem Staatsbeamten i. R.! Quastorf lockt mit knappen<br />

Fragen, die ihn äuß<strong>er</strong>st int<strong>er</strong>essi<strong>er</strong>t wirken lassen, div<strong>er</strong>se Hint<strong>er</strong>grund-<br />

Informationen aus dem üb<strong>er</strong>tölpelten Erleucht<strong>er</strong> (für Quastorf ist dies<strong>er</strong> Eso-<br />

Fritze eigentlich bloß ein läch<strong>er</strong>lich<strong>er</strong> Armleucht<strong>er</strong>!).


261<br />

Dies<strong>er</strong> schrullige Qu<strong>er</strong>kopf war einst mit dem Sepp Shakiamuni Wabl<br />

(dem Gründ<strong>er</strong> des Ordens d<strong>er</strong> ‚strahlenden Transzendenz’ aus dem vor zwei Jahren<br />

warm abgetragenen Hartenfels) im Bandl.<br />

Er hat sich mit diesem all<strong>er</strong>dings z<strong>er</strong>stritten und danach seinen<br />

eigenen V<strong>er</strong>ein gegründet. Die krausen Ideen ab<strong>er</strong> hat <strong>er</strong> weitgehend<br />

üb<strong>er</strong>nommen und teilweise p<strong>er</strong>fektioni<strong>er</strong>t mit den eso-psychischen<br />

W<strong>er</strong>kzeugen, die <strong>er</strong> beim Wabl kennengel<strong>er</strong>nt hat. Sein V<strong>er</strong>ein dürfte jedoch<br />

größtenteils aus sein<strong>er</strong> eigen P<strong>er</strong>son bestehen, da alle Aussagen und Artikel<br />

in d<strong>er</strong> mit schrulligen Inhalten üb<strong>er</strong>frachteten Hochglanz-Broschüre<br />

ausschließlich von ihm selbst v<strong>er</strong>faßt sind; Quastorf nimmt sie<br />

höflichkeitshalb<strong>er</strong> entgegen und v<strong>er</strong>abschiedet sich sofort, da ihm sonst<br />

schlecht wird von d<strong>er</strong> Gegenwart des schleimigen H<strong>er</strong>rn Trabitsch.<br />

5 Beim Nachtmahl muß <strong>er</strong> sich natürlich an Mijous – das ist kein<br />

Klagelaut aus einem französischen Katzendialekt, sond<strong>er</strong>n d<strong>er</strong> etwas<br />

maniristische Vornahme d<strong>er</strong> Frau Kunnling<strong>er</strong> – Tisch setzen. Die von Neid<br />

z<strong>er</strong>fressenen scharfen Blicke d<strong>er</strong> üb<strong>er</strong>proportional vielen Frauen brauchen<br />

sie sich nicht <strong>er</strong>st zu <strong>er</strong>arbeiten; die fliegen automatisch wie Giftpfeile aus<br />

den Blasrohren zahllos<strong>er</strong> Papuas in ihre beiden Rücken und Augen, ab<strong>er</strong><br />

man ist immun in reif<strong>er</strong> Selbstsich<strong>er</strong>heit.<br />

Gemeinsam dini<strong>er</strong>t man Amuse-Gueule, mit Mangosaft marini<strong>er</strong>tes<br />

Carpaccio vom Rind an Olivenöl-Limette und fein gehobelten Parmesan,<br />

Kürbisschaum-Suppe mit Schlag-Häubchen und kunstvollen Schli<strong>er</strong>en von<br />

Kürbisk<strong>er</strong>n-Öl, jungen Donauwels in Riesling-Muskat-Sauce mit<br />

Princessbohnen im Kartoffelbett, Mastochsen-Entrecote an Preiselbe<strong>er</strong>-<br />

Mousse mit Baby-Karotten und danach ..... kann man den abrundend<br />

off<strong>er</strong>i<strong>er</strong>ten Tricolore-Pudding nicht mehr.<br />

Die Pfeile fliegen jetzt etwas selten<strong>er</strong>, denn beim Essen hat man keine<br />

freien Valenzen für Bösartigkeiten; ab<strong>er</strong> die Köch<strong>er</strong> sind randvoll für die<br />

Zeit nach dem Dess<strong>er</strong>t. Solange will man heute nicht warten.<br />

In dies<strong>er</strong> Nacht wird nunmehr Quastorfs Bett gemeinsam z<strong>er</strong>wühlt,<br />

damit das P<strong>er</strong>sonal sich nicht frage, wo <strong>er</strong> denn wohl heute wied<strong>er</strong><br />

geschlafen hätte. Ganz wohl ist ihm nicht bei d<strong>er</strong> Sache, da <strong>er</strong> die<br />

Konsequenzen fürchtet. Wohl nicht, daß Mijou schwang<strong>er</strong> würde (soetwas<br />

gelingt nur p<strong>er</strong>v<strong>er</strong>sen Gynäkologen in diesem Alt<strong>er</strong>); ab<strong>er</strong> sie könnte ihm nach d<strong>er</strong>


262<br />

ansehnlichen Beamten-Pension trachten od<strong>er</strong> aus bloß ideellen Gründen<br />

nach d<strong>er</strong> <strong>er</strong>sehnten Haube lechzen wie d<strong>er</strong> Maitre de Cuisine nach d<strong>er</strong> vom<br />

Gault Millot od<strong>er</strong> vom Michelin!<br />

6 Am Vormittag muß man zur Massage und den Unt<strong>er</strong>wass<strong>er</strong>-<br />

Anwendungen, zu Moor-Packungen und Galvanisations-Bäd<strong>er</strong>n (Quastorf<br />

hat bish<strong>er</strong> imm<strong>er</strong> gedacht, daß diese bloß zur V<strong>er</strong>goldung div<strong>er</strong>s<strong>er</strong> Geschmeide aus<br />

unedl<strong>er</strong>en Metallen dienen würden). Er wird wohl nicht v<strong>er</strong>goldet w<strong>er</strong>den (wir sind<br />

ja hi<strong>er</strong> nicht beim b<strong>er</strong>üchtigten ‚Goldfing<strong>er</strong>’ zu Gast).<br />

Nachdem das Schlimmste vorüb<strong>er</strong> ist, begibt man sich zum Snacky-<br />

Schnellimbiß in d<strong>er</strong> Eingangshalle, denn das mit den üppigen Portionen<br />

kann so nicht weit<strong>er</strong>gehen; sonst paßt ja kein<strong>er</strong> von beiden mehr in seine<br />

Zivilkleid<strong>er</strong> – nurmehr in die p<strong>er</strong>missiven Trainings-Anzüge – nicht<br />

auszudenken die Folgen dies<strong>er</strong> traumhaften Mastkur.<br />

Dreililien-Vegetari<strong>er</strong>-Röstbrot mit Knoblauch (wenigstens eine kleine<br />

V<strong>er</strong>söhnung mit d<strong>er</strong> Zunge). Mijou bevorzugt die Heide-Schüssel (div<strong>er</strong>se Blattsalate<br />

mit Kürbisk<strong>er</strong>nöl; nicht die Nichte des Altbundeskanzl<strong>er</strong>s). Danach Kaffee und<br />

daraus logisch folgend das gefürchtete Sodbrennen.<br />

Das mit d<strong>er</strong> Melange war sich<strong>er</strong> ein Fehl<strong>er</strong>, denn da man noch hilflos<br />

und unfähig zur Flucht sitzt, eilt H<strong>er</strong>r Trabitsch mit weit ausuf<strong>er</strong>nden<br />

Armen und breitem Grinsen auf Quastorf zu. Will ihn d<strong>er</strong> Schleimbeutel<br />

denn jetzt umarmen; gar küssen. Od<strong>er</strong> ist das alles bloß plumpes lovebombing<br />

zwecks Geschäftsanbahnung?<br />

„Na, haben Sie es sich schon üb<strong>er</strong>legt, ob sie hi<strong>er</strong> wirklich nur Ihren<br />

kranken Körp<strong>er</strong> sani<strong>er</strong>en lassen wollen od<strong>er</strong> nicht doch lieb<strong>er</strong> eine<br />

‚Rund<strong>er</strong>neu<strong>er</strong>ung’ – haha, Sie v<strong>er</strong>zeihen dieses prophane Wort – durch<br />

mich <strong>er</strong>langen wollen?“. Er kommt sich dabei sich<strong>er</strong> sehr witzig vor.<br />

Quastorfs Groll beginnt langsam aufzusteigen. Er zählt sich selb<strong>er</strong><br />

g<strong>er</strong>ne zu den Reifen, ab<strong>er</strong> beileibe nicht zu den Rund<strong>er</strong>neu<strong>er</strong>ten, die durch<br />

Aufvulkanisi<strong>er</strong>en neuen Gummis auf alte Schläuche wied<strong>er</strong> den Anschein<br />

neu<strong>er</strong> Reifen vorgaukeln, bis sie dann in Extremsituationen ohne<br />

Vorwarnung platzen aufgrund ihr<strong>er</strong> inhärenten Mind<strong>er</strong>w<strong>er</strong>tigkeit!<br />

„Vielleicht auch die Frau Gemahlin; wie wär’s?“. Mijou <strong>er</strong>rötet routini<strong>er</strong>t.


263<br />

Wenn in Quastorf Groll hochkommt, so sollte man die kleinen<br />

Warnhinweise frühzeitig richtig diagnostizi<strong>er</strong>en, denn das kann sehr viel<br />

Ungemach <strong>er</strong>sparen!<br />

Warnhinweise so da offenkundig sind: Leichtes Heben d<strong>er</strong> rechten<br />

Augenbraue, g<strong>er</strong>inges V<strong>er</strong>engen und Zucken d<strong>er</strong> linken Lidspalte (<strong>er</strong>inn<strong>er</strong>t ein<br />

wenig an das Zukneifen des nicht zum Zielen benötigten linken Auges bei<br />

Schießübungen; quasi ein<strong>er</strong> Fokussi<strong>er</strong>ung mit dem rechten Auge gleichkommend), ein<br />

fast unm<strong>er</strong>kbar<strong>er</strong> Schweißtropfen in d<strong>er</strong> Ob<strong>er</strong>lippen-K<strong>er</strong>be unt<strong>er</strong>halb d<strong>er</strong><br />

Nasenscheidewand (dem sogenannten Philtrum), ein minimal<strong>er</strong> Rosastich beid<strong>er</strong><br />

Ohrläppchen und – b<strong>er</strong>eits ganz bedrohlich – ein linksseitiges Kauen auf<br />

d<strong>er</strong> Unt<strong>er</strong>lippe mittels d<strong>er</strong> ob<strong>er</strong>en Zahnreihe (hi<strong>er</strong> ist Z<strong>er</strong>malmen in<br />

Vorb<strong>er</strong>eitung!). Eine b<strong>er</strong>eits sehr riskannte Situation!<br />

Die Stadien legen den V<strong>er</strong>gleich mit einem aktivi<strong>er</strong>ten Vulkan nahe:<br />

Zunächst nur leichtes Grollen, spärliche Gasaustritte aus spurweise sich<br />

öffnenden Felsspalten, Zischen und heftig<strong>er</strong>es Rumpeln (spätestens dann sollte<br />

man sein Haus und die Stadt – ja die gesamte Gegend – bess<strong>er</strong> v<strong>er</strong>lassen, um nicht<br />

gröb<strong>er</strong>en Schaden zu nehmen an Leib und Leben!). Denn alsbald schießt die<br />

hochgradig <strong>er</strong>hitzte Magmablase in den <strong>er</strong>kalteten Schlot – getrieben vom<br />

unvorstellbaren Gasdruck, d<strong>er</strong> sie aus ihr<strong>er</strong> ruhigen Kamm<strong>er</strong> g<strong>er</strong>issen hat.<br />

Danach h<strong>er</strong>rscht v<strong>er</strong>brannte Erde ringsum durch den pyroklastischen<br />

Strom! W<strong>er</strong> das nicht schnallt, ist selb<strong>er</strong> schuld!<br />

Heute geht das <strong>er</strong>wiesen<strong>er</strong>maßen nicht, denn <strong>er</strong>stens ist <strong>er</strong> nicht im<br />

Dienst und zweitens kann <strong>er</strong> Mijou nicht seine wahrhaft furcht<strong>er</strong>regende<br />

Abgründigkeit m<strong>er</strong>ken lassen.<br />

Dah<strong>er</strong> nur ein scharfes „Fßuiiit“ zwischen den minimal geöffneten<br />

und zu Seilen gespannten Lippen und d<strong>er</strong> V-förmig gefalteten Zunge. Dazu<br />

eine eindeutige Wegwischbewegung mit d<strong>er</strong> v<strong>er</strong>kehrten Rechten (gleichsam<br />

eine Ohrfeige auf Distanz!). Was soviel bedeutet wie: Wenn Du Dich jetzt nicht<br />

gleich schleichst, rauch’ ich Dir eine an! Und damit ist sich<strong>er</strong> keine Zigarette<br />

gemeint, sond<strong>er</strong>n eine ortsübliche Natur-Watschen!<br />

Das sitzt, sodaß sogar d<strong>er</strong> (sich in Eigendefinition auf d<strong>er</strong> absolut richtigen<br />

Seite Angesiedelte), d<strong>er</strong> ansonst nicht beleidigt w<strong>er</strong>den kann als langjährig<strong>er</strong><br />

Fundamentalist, sofort v<strong>er</strong>steht und sich leicht v<strong>er</strong>stört entf<strong>er</strong>nt.


264<br />

„Du kannst ab<strong>er</strong> sehr hart sein, liebst<strong>er</strong> Joseph (Peppi od<strong>er</strong> gar Seppi hat sie nur<br />

einmal zu ihm gesagt und das Einemal war schon zu oft)! Tut Dir d<strong>er</strong> K<strong>er</strong>l denn<br />

nicht leid; d<strong>er</strong> ist doch ganz freundlich gewesen!?“.<br />

Quastorf ist ein wenig beschämt ob d<strong>er</strong> unv<strong>er</strong>hohlenen Kritik.<br />

„Meine liebe Mijou, du hättest den gest<strong>er</strong>n <strong>er</strong>leben sollen. Jed<strong>er</strong> and<strong>er</strong>e an<br />

mein<strong>er</strong> Stelle wäre schon Mitglied in sein<strong>er</strong> Sekte geworden; klebrig wie d<strong>er</strong><br />

ist. Komm laß uns etwas wand<strong>er</strong>n; d<strong>er</strong> Tag ist so schön sonnig“.<br />

7 Nach ein<strong>er</strong> halben Stunden flott<strong>er</strong> Wand<strong>er</strong>ung in d<strong>er</strong> klaren H<strong>er</strong>bstluft<br />

<strong>er</strong>reichen sie einen Kreuzweg, d<strong>er</strong> mit seinen vi<strong>er</strong>zehn Stationen, die in<br />

ungefähr je ungefähr fünfzig Met<strong>er</strong>n Abstand wechselweise rechts und links<br />

des Weges liegen, in weit<strong>er</strong>en zehn Minuten durchmessen ist, wenn man die<br />

Bildstöcke nur betrachtet und nicht zum Gebet v<strong>er</strong>harrt. Ehrliches Bau<strong>er</strong>n-<br />

Barock; ab<strong>er</strong> eh<strong>er</strong> einfach und etwas ungelenk gestaltet und leid<strong>er</strong><br />

stellenweise mit Beton ausgebess<strong>er</strong>t – durchaus ortsüblich.<br />

Nun steht man vor dem Portal d<strong>er</strong> mittelalt<strong>er</strong>lichen Abtei, d<strong>er</strong>en<br />

Vorbau kräftig – wenn auch nicht g<strong>er</strong>ade feinfühlig – barockisi<strong>er</strong>t ist. Zu<br />

allem Üb<strong>er</strong>fluß ist das Portal noch mit großen Granit-Kugeln und<br />

klassizistischen Stelen üb<strong>er</strong>ford<strong>er</strong>t, die nur sehr mühsam Renaissance<br />

vortzutäuschen v<strong>er</strong>suchen. Inmitten des all<strong>er</strong>dings romanischen<br />

Steinbogens das b<strong>er</strong>eits an mehr<strong>er</strong>en alten Gebäuden in d<strong>er</strong> Gegend<br />

gefundene Lilienkreuz als dominant<strong>er</strong> Schlußstein.<br />

Kreuz ist eigentlich falsch benannt, was man hi<strong>er</strong> sieht. Drei Lilien<br />

v<strong>er</strong>einigen ihre Stängel inmitten im exakten Winkelabstand von je<br />

hund<strong>er</strong>tzwanzig Grad zueinand<strong>er</strong>, so daß zwei nach unten und eine nach<br />

oben weisen. Doch krümmen sich d<strong>er</strong>en Stängel jeweils allesamt nach links<br />

zurück, sodaß ihre dreigezackten Blüten nur mit den größten<br />

Ausdehnungen ihr<strong>er</strong> angedeuteten Kelchrundungen behutsam den<br />

umschreibenden Kreis b<strong>er</strong>ühren. Fast eine linksdrehende Dreifach-<br />

Swastika; eben linksdrehend und dah<strong>er</strong> dem glückbringenden Sonnenrad<br />

entsprechend und nicht dem todbringenden Hakenkreuz, das bekanntlich<br />

(absichtlich od<strong>er</strong> irrtümlich) rechtsdrehend war. Deshalb hat auch Quastorf oft<br />

Probleme mit den Vorteilen rechtsdrehend<strong>er</strong> Klosteine und Menstruations-<br />

Tampons in d<strong>er</strong> W<strong>er</strong>bung!


265<br />

Das ist halt imm<strong>er</strong> so mit starken Symbolen: Man muß sie richtig<br />

anwenden, sonst schaden sie anstatt zu nützen. Einen Drudenfuß (das unt<strong>er</strong><br />

Esot<strong>er</strong>ik<strong>er</strong>n so beliebte Pentagramm) darf man auch nicht mit d<strong>er</strong> Spitze nach<br />

unten an’s Haus malen, denn dann wird man wed<strong>er</strong> sehr angenehm noch<br />

besond<strong>er</strong>s lange leben!<br />

Diese Gedanken gehen all<strong>er</strong>dings nur in Mijous Kopf spazi<strong>er</strong>en.<br />

Quastorf bewegt d<strong>er</strong>gleichen wenig, denn das Einzige, was auf<br />

seinem Haus aufgemalt ist, ist seine Hausnumm<strong>er</strong>.<br />

Absichtlich sehr groß ein schön ornamenti<strong>er</strong>t<strong>er</strong> Dreizehn<strong>er</strong>! Das macht <strong>er</strong> sichtlich<br />

zufleiß, damit sich die Ab<strong>er</strong>gläubischen nicht zu ihm hineintrauen und bewiesen<br />

bekommen, daß das alles bloß<strong>er</strong> Humbug ist, da <strong>er</strong> ja sichtlich noch lebt. Vielleicht sollte<br />

<strong>er</strong> nach sein<strong>er</strong> Op<strong>er</strong>ation doch um Hausnumm<strong>er</strong> 12a ansuchen!<br />

8 Nach Durchschreiten des etwas desolaten mit Schmiedenägeln<br />

kunstvoll armi<strong>er</strong>ten Eichenholz-Tores (trotzdem sich<strong>er</strong> nicht mehr das Original<br />

von 1182, wie Quastorf v<strong>er</strong>mutet – man <strong>er</strong>inn<strong>er</strong>t sich dunkel, daß <strong>er</strong> einst in sein<strong>er</strong><br />

Jugend Architekt w<strong>er</strong>den wollte) gelangt man auf den relativ gepflegten Vorhof.<br />

Nicht sehr großzügig ab<strong>er</strong> deutlich barock mit einem geschmackvollen<br />

Blumen-Rondeau. Rechts imponi<strong>er</strong>t ein b<strong>er</strong>eits abge<strong>er</strong>ntet<strong>er</strong> ordentlich<strong>er</strong><br />

Obsthain und links ein Gemüsegarten mit gemau<strong>er</strong>t<strong>er</strong> Kräut<strong>er</strong>schnecke.<br />

Im Näh<strong>er</strong>treten öffnet ein klein<strong>er</strong>, mit grau<strong>er</strong> Kutte einfach<br />

bekleidet<strong>er</strong> Frat<strong>er</strong> mittl<strong>er</strong>en Alt<strong>er</strong>s das Eingangstor und fragt nach dem<br />

Begehr d<strong>er</strong> un<strong>er</strong>warteten Fremden.<br />

„Wir wollten nur einmal Ihr schönes Anwesen besichtigen, wenn das<br />

möglich wäre“. Quastorf v<strong>er</strong>gißt, daß <strong>er</strong> in Begleitung ein<strong>er</strong> durchaus sehr<br />

anregenden Frau <strong>er</strong>scheint und das bei männlichen Ordensleuten<br />

üblich<strong>er</strong>weise Alarmstufe rot auslöst!<br />

„Bedau<strong>er</strong>e; das muß ich Ihnen leid<strong>er</strong> v<strong>er</strong>wehren, denn ab hi<strong>er</strong> ist nur für<br />

Mönche Zutritt – und da auch nur für Zist<strong>er</strong>ziens<strong>er</strong>. Wir hi<strong>er</strong> sind etwas<br />

streng<strong>er</strong> organisi<strong>er</strong>t als die in Zwettl!“ (Ein klein<strong>er</strong> moralisch<strong>er</strong> Seitenhieb<br />

möglich<strong>er</strong>weise an die großen Brüd<strong>er</strong>? Man ist v<strong>er</strong>leitet einen solchen h<strong>er</strong>auszuhören).<br />

Könnte es sein, daß die hi<strong>er</strong> eigentlich Trappisten sind; wegen d<strong>er</strong> Strenge?<br />

Geht sich ab<strong>er</strong> zeitlich nicht aus, denn die gibt es <strong>er</strong>st seit 1664 und


266<br />

auß<strong>er</strong>dem dürfen die absolut nichts sagen – Schweigegebot<br />

bekannt<strong>er</strong>maßen!<br />

„Wir sind nur wand<strong>er</strong>n und wollen nicht läng<strong>er</strong> Ihre beschauliche<br />

Einsamkeit stören, ab<strong>er</strong> hätten Sie einen Schluck Wass<strong>er</strong> für uns<br />

Eindringlinge; wäre das v<strong>er</strong>messen, dieses zu <strong>er</strong>bitten?“ ford<strong>er</strong>t Quastorf,<br />

damit <strong>er</strong> eventuell wenigstens des v<strong>er</strong>muteten schönen mittelalt<strong>er</strong>lichen<br />

Kreuzganges ansichtig würde. Denn Wass<strong>er</strong> ist ansonst nicht das Seine.<br />

„Das läßt sich machen“ darauf d<strong>er</strong> Frat<strong>er</strong>. Spricht’s, schließt das Tor wied<strong>er</strong><br />

ab, v<strong>er</strong>schwindet und läßt die Ruhestör<strong>er</strong> davor v<strong>er</strong>datt<strong>er</strong>t stehen.<br />

„Na das nenne ich Gastfreundschaft; gut, daß es in dies<strong>er</strong> Gegend keine<br />

Wölfe und Bären mehr gibt, denn dann hätten wir <strong>er</strong>hebliche Zores!“.<br />

Nach langen fünf Minuten dreht sich d<strong>er</strong> große Eisenschlüssel<br />

knarzend im alt<strong>er</strong>sschwachen Schloß und die Türe öffnet sich aufs neu.<br />

„Hi<strong>er</strong> bitte!“ reicht d<strong>er</strong> abweisende Frat<strong>er</strong> wortkarg klares Urgesteins-<br />

Wass<strong>er</strong> und selbstgebackenes Brot.<br />

„Ist das hi<strong>er</strong> Lilienkreuz, wie das Emblem am Eingangstor v<strong>er</strong>muten läßt?<br />

Und wie heißt das kleine Schlößchen da oben am Hügel?“.<br />

„Ganz recht; und das Schloß ist eine Burg und heißt Lilienfels!“.<br />

Ein bißchen viele Lilien in dies<strong>er</strong> Gegend, in d<strong>er</strong> aufgrund des harten<br />

Klimas auf achthund<strong>er</strong>t Höhenmet<strong>er</strong>n kaum welche wachsen w<strong>er</strong>den<br />

(höchstens Koch-Zwiebeln, denn das sind auch Liliengewächse, denkt d<strong>er</strong> alte Garten-<br />

Freak bei sich).<br />

Unwillkürlich <strong>er</strong>inn<strong>er</strong>t man „seht die Lilien auf dem Felde! Sie säen nicht, sie<br />

<strong>er</strong>nten nicht und sind doch zu Gottes Wohlgefallen!“ od<strong>er</strong> so ähnlich. D<strong>er</strong><br />

Religionsunt<strong>er</strong>richt ist schon lange h<strong>er</strong> und Quastorf ist bekanntlich Atheist,<br />

da ihm die Taufe als Impfung gegen die Erbschuld fehlt.<br />

Man ißt unt<strong>er</strong> den gestrengen Blicken des Frat<strong>er</strong>s (so einen ‚Brud<strong>er</strong>’ hätte<br />

sich Quastorf von seinen Elt<strong>er</strong>n nicht zumuten lassen). Jetzt schüttelt es ihn heftig,<br />

da <strong>er</strong> daran <strong>er</strong>inn<strong>er</strong>t wird, daß <strong>er</strong> sehrwohl einen um zwei Jahre ält<strong>er</strong>en<br />

Brud<strong>er</strong> gehabt hätte, d<strong>er</strong> in den Kriegswirren auf unausgesprochene Weise<br />

mit sieben Monaten zu Tode gekommen ist. Niemals hat <strong>er</strong> sich im<br />

Erwachsenen-Alt<strong>er</strong> seine Elt<strong>er</strong>n diesbezüglich zu fragen getraut. Denn<br />

nachdem <strong>er</strong> als unschuldiges Kind wied<strong>er</strong>holt nachgefragt hatte und die


267<br />

Antworten imm<strong>er</strong> ausweichend waren, hatte <strong>er</strong> <strong>er</strong>spürt, daß da sich<strong>er</strong><br />

Gewalt im Spiel war!<br />

D<strong>er</strong> Krieg hatte für alle entsetzliche Folgen, wie üb<strong>er</strong>all in d<strong>er</strong> Welt,<br />

auf d<strong>er</strong> niemals Frieden h<strong>er</strong>rscht für läng<strong>er</strong>e P<strong>er</strong>ioden.<br />

„Also dann vielen Dank und fröhliches Vesp<strong>er</strong>-Gebet!“ kann sich’s<br />

Quastorf – d<strong>er</strong> alte Linke – nicht v<strong>er</strong>kneifen zu sagen.<br />

„War das jetzt wirklich notwendig, wo uns d<strong>er</strong> doch schließlich bewirtet<br />

hat?“ die leise Kritik an seinem V<strong>er</strong>halten von Mijou. Quastorf ist<br />

z<strong>er</strong>knirscht und schweigt b<strong>er</strong>edt.<br />

Man eilt noch die halbe Stunde zur Burg und da ist alles v<strong>er</strong>rammelt;<br />

v<strong>er</strong>rostet<strong>er</strong> Stacheldraht vorrangig an Stellen, an denen man – wennauch<br />

mühsam – eindringen könnte.<br />

Langsam dämm<strong>er</strong>t es und so muß man Richtung Lilienkron; d<strong>er</strong><br />

segensreichen Kuranstalt.<br />

Des Abends doch wied<strong>er</strong> Din<strong>er</strong> mit Lamm-Parfait und Pfirsich-<br />

Sorbett (nur kleines Programm). Heute muß ab<strong>er</strong> Hadmar-Bräu aus Weitra<br />

sein; nicht ganz stilg<strong>er</strong>echt ab<strong>er</strong> naturtrüb und mundig h<strong>er</strong>b!<br />

Quastorf frägt den Ob<strong>er</strong> nach den heute besichtigen Orten und<br />

<strong>er</strong>ntet nur ein unwissendes Achselzucken, denn d<strong>er</strong> stammt aus Thüringen.<br />

Ab<strong>er</strong> auch vom einheimischen Maitre de S<strong>er</strong>vice nur knappe Worte zu<br />

diesem Thema; Quastorfs Antennen fahren langsam aus! Jetzt hat <strong>er</strong> die<br />

Fährte in d<strong>er</strong> Nase und wird voraussichtlich nicht ruhen, bis d<strong>er</strong> Hase im<br />

Pfeff<strong>er</strong> bruzzelt!<br />

Die Nacht wird heute ruhig<strong>er</strong> – man ist schließlich rekonvaleszent<br />

und die Mitbewohn<strong>er</strong> schätzen akustische Anregungen zu un<strong>er</strong>füllbaren<br />

Handlungen schon gar nicht. Eine ähnliche Philosophie liegt auch d<strong>er</strong><br />

Heimleitung zugrunde, weswegen Quastorf b<strong>er</strong>eits gest<strong>er</strong>n abend v<strong>er</strong>warnt<br />

wurde. Auch dah<strong>er</strong> kehrt ein wenig Ruhe ein.<br />

Auß<strong>er</strong>dem fällt Quastorf selbst das angestrebte unv<strong>er</strong>fängliche<br />

Kuscheln schw<strong>er</strong>, da <strong>er</strong> nächtens von Clara am Handy <strong>er</strong>reicht wurde.<br />

„Na Du alt<strong>er</strong> Schw<strong>er</strong>enöt<strong>er</strong>, hast Du schon Deinen Schatten gefunden?“.


268<br />

D<strong>er</strong> Kommissar a. D. stellt sich dümm<strong>er</strong> als <strong>er</strong> ist. „Was soll das;<br />

mein Schatten ist mir doch an den Füßen angewachsen. Auß<strong>er</strong> wenn es<br />

finst<strong>er</strong> ist. Denn in d<strong>er</strong> Finst<strong>er</strong>nis existi<strong>er</strong>en bekanntlich keine Schatten!“.<br />

Wiesehr <strong>er</strong> diesbezüglich irrt und doch den K<strong>er</strong>n des Grauens damit<br />

in Worte gefaßt hat, wird <strong>er</strong> <strong>er</strong>st viel viel spät<strong>er</strong> <strong>er</strong>fassen können!<br />

„Du weißt genau, was ich meine! Ich warne Dich; ich kann selbst durch’s<br />

Handy riechen, wenn Du mit ein<strong>er</strong> and<strong>er</strong>en Frau h<strong>er</strong>umpoussi<strong>er</strong>st! Denk’<br />

an den schrecklich v<strong>er</strong>stümmelten Umb<strong>er</strong>to Leone in Deinem letzten Fall.<br />

Das kann jedem passi<strong>er</strong>en!“.<br />

Quastorf ist total f<strong>er</strong>tig. Nicht nur, weil Mijou mitgehört hat, sond<strong>er</strong>n<br />

wegen d<strong>er</strong> unv<strong>er</strong>hohlenen Gewaltandrohung durch das ansonst zarte und<br />

sanfte Clärchen. Heute wird die Nacht wahrlich ruhig<strong>er</strong> v<strong>er</strong>laufen, denn <strong>er</strong><br />

zieht getrennte Betten vor, was auch Mijou entgegenkommt, da sie trotz<br />

anfänglich bloß<strong>er</strong> Abenteu<strong>er</strong>lust nun doch ein wenig Eif<strong>er</strong>sucht zu spüren<br />

v<strong>er</strong>meint.<br />

D<strong>er</strong> Nachklang von „Dein letzt<strong>er</strong> Fall“ treibt auch sein Unwesen in<br />

Quastorfs Seelenkostüm, denn das Wort birgt Unwied<strong>er</strong>bringlichkeit,<br />

Endgültigkeit und Alteisen-Gefühle in sich.<br />

9 Tags darauf gibt man sich demütig den Heilv<strong>er</strong>suchen hin, denn<br />

schließlich ist man ja auf Kur und nicht bloß zu hedonistisch<strong>er</strong><br />

B<strong>er</strong>eich<strong>er</strong>ung hi<strong>er</strong>h<strong>er</strong> gekommen.<br />

Mijou Kunnling<strong>er</strong> hatte es auch nicht imm<strong>er</strong> leicht in ihrem Leben.<br />

Mit siebzehn Jahren hat sie den Vat<strong>er</strong> v<strong>er</strong>loren und sie mußte ihr<strong>er</strong><br />

klein<strong>er</strong>en Schwest<strong>er</strong> eine Ersatzmutt<strong>er</strong> abgegeben, da die Mutt<strong>er</strong> in d<strong>er</strong><br />

Schuhfabrik gearbeitet hat, um d<strong>er</strong> Familie die ökonomische Basis d<strong>er</strong><br />

Existenz zu lief<strong>er</strong>n.<br />

Mit dem mühsam <strong>er</strong>arbeiteten Geld hat ihr die Mutt<strong>er</strong> <strong>er</strong>möglicht,<br />

daß sie auf die Lehr<strong>er</strong>bildungs-Anstalt gehen konnte und sie war zunächst<br />

in Kalksburg, wo ihr angedeutet wurde, eine Lebensstellung gefunden zu<br />

haben. Dann all<strong>er</strong>dings Burnout nach Jahren des Mobbings durch die<br />

Kollegen, da sie alles kritisch hint<strong>er</strong>fragt hat und danach V<strong>er</strong>setzung nach<br />

Floridsdorf.


269<br />

Ihr Mann war eine glatte Katastrophe! Zunächst sehr liebevoll und<br />

einfühlsam, ab<strong>er</strong> aufgrund seines B<strong>er</strong>ufes als Produktionsleit<strong>er</strong> in einem<br />

Textilbetrieb imm<strong>er</strong> schw<strong>er</strong> üb<strong>er</strong>ford<strong>er</strong>t.<br />

Wie dann 2001 sein Betrieb geschlossen wurde wegen d<strong>er</strong><br />

Billigimporte aus F<strong>er</strong>nost, hat <strong>er</strong> sich gänzlich fallen lassen. Er ist ihr mit d<strong>er</strong><br />

Zeit total entglitten. Imm<strong>er</strong> öft<strong>er</strong> war <strong>er</strong> mit seltsamen Freunden unt<strong>er</strong>wegs<br />

und sein Alkoholkonsum hat auch nichts v<strong>er</strong>bess<strong>er</strong>n können.<br />

Mit ihren Kind<strong>er</strong>n war das auch nicht imm<strong>er</strong> ganz einfach. Die<br />

Tocht<strong>er</strong> vorbildlich, was man von ihrem Gatten nicht g<strong>er</strong>ade behaupten<br />

kann; ab<strong>er</strong> das geht in letzt<strong>er</strong> Zeit wied<strong>er</strong> bess<strong>er</strong>. D<strong>er</strong> Sohn ab<strong>er</strong> seit Jahren<br />

voll auf Drogen und zockt seine Mutt<strong>er</strong> ab, wo es nur geht. Und hält sie mit<br />

Schuldzuweisungen im Bann. Und sie läßt sich imm<strong>er</strong> wied<strong>er</strong> fangen von<br />

ihm in Einford<strong>er</strong>ung ihr<strong>er</strong> ohnehin unbeschreiblichen Mutt<strong>er</strong>liebe, die zu<br />

fast allem b<strong>er</strong>eit war bish<strong>er</strong>. Neu<strong>er</strong>dings nicht mehr, da sie in Th<strong>er</strong>apie ist<br />

und gel<strong>er</strong>nt hat, sich abzugrenzen.<br />

So sehr sie ihren B<strong>er</strong>uf als Lehr<strong>er</strong>in für Latein und Geschichte am<br />

Ob<strong>er</strong>stufen-Realgymnasium in Floridsdorf auch geliebt hat; leicht war d<strong>er</strong><br />

nie. Zu Beginn mußte sie den Realisten – den Schül<strong>er</strong>n wie den Kollegen –<br />

<strong>er</strong>st einmal die denen <strong>er</strong>klärlich<strong>er</strong>weise vollkommen unv<strong>er</strong>ständliche<br />

Notwendigkeit von Latein an einem Gymnasium <strong>er</strong>klären, auf dessen<br />

Fahnen die H<strong>er</strong>anbildung zu vorwiegend technischen B<strong>er</strong>ufen geschrieben<br />

wird. Die Schül<strong>er</strong>, die ihr Fach gewählt hatten, waren dazu meist von d<strong>er</strong>en<br />

bildungsbürg<strong>er</strong>lichen Elt<strong>er</strong>n gedrängt worden, was klar<strong>er</strong>weise wenig<br />

motivi<strong>er</strong>t!<br />

Unt<strong>er</strong> den Kolleginnen konnte sie sich fast keine Freundinnen<br />

schaffen, da sie als sehr links-lib<strong>er</strong>al, kritisch und fortschrittlich galt. Erst<br />

recht ab dem Zeitpunkt, da sich d<strong>er</strong> von allen Schnepfen begehrte Dr.<br />

H<strong>er</strong>b<strong>er</strong>t Wening<strong>er</strong> sehr nett um sie gekümm<strong>er</strong>t hat, wie die Schwi<strong>er</strong>igkeiten<br />

mit ihrem Mann so richtig akut geworden sind.<br />

Die letzten zwei Jahre wurde sie wied<strong>er</strong> gemobbt, betrieben von d<strong>er</strong><br />

neuen Kollegin Rusička, die von ihren Kollegen in d<strong>er</strong> Josefstadt nicht<br />

mehr läng<strong>er</strong> geduldet wurde, weil dort ähnliche Probleme aufgetreten waren<br />

(und vor Th<strong>er</strong>apie hatten damals v<strong>er</strong>ständlich<strong>er</strong>weise alle Vorgesetzten höllische Angst.<br />

Für sich selbst sowieso; ab<strong>er</strong> sogar für mißliebige Unt<strong>er</strong>gebene).


270<br />

Da war es imm<strong>er</strong> viel einfach<strong>er</strong> zu v<strong>er</strong>setzen. Teils nach Simm<strong>er</strong>ing,<br />

teils nach Favoriten od<strong>er</strong> eben nach Transdanubien. Und wenn<br />

garnichtsmehr ging, in den frühzeitigen Ruhestand mit ihnen.<br />

V<strong>er</strong>setzen war für alles gut; vor allem als Rute im Fenst<strong>er</strong> für<br />

unbotmäßige Angehörige des Lehrkörp<strong>er</strong>s (nachzuforschen, w<strong>er</strong> diesen<br />

v<strong>er</strong>trottelten Fachbegriff geprägt hatte, wäre eine Diplomarbeit w<strong>er</strong>t).<br />

Die heftigen Schm<strong>er</strong>zen in ihr<strong>er</strong> linken Hüfte sind nun gottlob<br />

vollkommen v<strong>er</strong>schwunden nach dem <strong>er</strong>folgreichen Gelenks<strong>er</strong>satz mittels<br />

Titanschaft, d<strong>er</strong> von ein<strong>er</strong> PE-Pfanne aufgenommen wird. Ab<strong>er</strong> ein wenig<br />

Schonung d<strong>er</strong> noch imm<strong>er</strong> rekonvaleszenten Beckengegend wäre bess<strong>er</strong><br />

angebracht, wenn da nicht d<strong>er</strong> unv<strong>er</strong>schämte Quastorf wäre. Das hi<strong>er</strong> ist ein<br />

Rehabilitations-Zentrum und kein Urlaubsv<strong>er</strong>gnügen!<br />

Auf die alten Tage noch so einen un<strong>er</strong>bittlich fordenden Liebhab<strong>er</strong><br />

zu finden, hat sie sich eigentlich nicht träumen lassen; ab<strong>er</strong> nicht ganz<br />

unangenehm diese un<strong>er</strong>wartete Entwicklung!<br />

In den letzten Jahren – seit ihr<strong>er</strong> Pensioni<strong>er</strong>ung mit 58 – hat sich<br />

diesbezüglich praktisch nichtsmehr abgespielt, da sie fast abgeschlossen<br />

hatte mit ihr<strong>er</strong> Sexualität. An d<strong>er</strong>en <strong>er</strong>füllende Ausprägung in ihr<strong>er</strong> Jugend<br />

will sie gar nicht denken, denn sonst müßte sie haltlos weinen. Damals war<br />

sie durchaus eine flotte Henne; ab<strong>er</strong> ihr wurde d<strong>er</strong> Nipf abgekauft in den<br />

langen Jahren d<strong>er</strong> Frustration.<br />

Und jetzt Quastorf. Gut <strong>er</strong> hat seine Schwächen. Er ist zuhause in d<strong>er</strong><br />

Haute Cuisine, ab<strong>er</strong> <strong>er</strong> hält das Besteck wie ein Bau<strong>er</strong>. Er äuß<strong>er</strong>t ständig<br />

weitgehend unnachvollziehbare hochtrabend-philosophische Gedanken<br />

und kont<strong>er</strong>kari<strong>er</strong>t sie mit d<strong>er</strong>ben Worten wie ein Prolet. Haltung und<br />

Kleidung wie ein Graf, ab<strong>er</strong> manchmal eine D<strong>er</strong>bheit in d<strong>er</strong> Sprache, daß<br />

man in den Boden v<strong>er</strong>sinken möchte. Er ist un<strong>er</strong>bittlich und selbstsich<strong>er</strong> bis<br />

zur Hybris. Und doch hochbegabt und begehrensw<strong>er</strong>t. Wie kann ein<br />

Solipsist wie <strong>er</strong> dann doch auch wied<strong>er</strong> so einfühlsam und liebevoll sein?<br />

Das v<strong>er</strong>wirrt Mijou und zieht sie gleichzeitig an. Und wiewohl sie nur ein<br />

Abenteu<strong>er</strong> wollte, hat sie nun Sorge, daß sie sich v<strong>er</strong>lieben könnte in dieses<br />

seltsame Monst<strong>er</strong>. Unv<strong>er</strong>mittelt ist sie b<strong>er</strong>eits in ihm v<strong>er</strong>strickt und ihm<br />

nahezu v<strong>er</strong>fallen – wiewohl sie von Clara weiß und sogar mit d<strong>er</strong> den<br />

Geliebten zu teilen b<strong>er</strong>eit wäre, so sie nur ein Stück von ihm für läng<strong>er</strong><br />

bewahren könnte.


1 Donarstag, den 12.8.1943:<br />

271<br />

grauenhaft<br />

Seit nunmehr vielen Wochen w<strong>er</strong>den ständig geistig und körp<strong>er</strong>lich<br />

schw<strong>er</strong> und/od<strong>er</strong> mehrfach Behind<strong>er</strong>te auf Lastwagen von Schloß<br />

Harthelm h<strong>er</strong>angekarrt, da das ansich zielführende Institut völlig aus allen<br />

Nähten platzt. Die dortige Leitung wird d<strong>er</strong> Situation nicht mehr H<strong>er</strong>r, seit<br />

von ob<strong>er</strong>st<strong>er</strong> Stelle die diesbezügliche Endlösung – T 4 – als Losung und<br />

Befehl ausgegeben worden ist.<br />

In dies<strong>er</strong> kaum bewohnten Gegend ist nur wenig Aufm<strong>er</strong>ksamkeit für<br />

die notwendigen Aktionen durch die Anwohn<strong>er</strong> zu <strong>er</strong>warten. Besond<strong>er</strong>s<br />

zumal Klost<strong>er</strong> Lilienkreuz kaum mehr bewirtschaftet wird seit Joseph II.<br />

Ungünstig nur, daß hi<strong>er</strong> praktisch keine Infrastruktur für die organisi<strong>er</strong>te<br />

V<strong>er</strong>nichtungstätigkeit besteht. Keine Bahngeleise, keine ordentlichen staub-<br />

und morastfreien Straßen, nur eine wenig belastbare Stromleitung und vor<br />

allem kein Krematorium!<br />

Mit solchen Dingen muß sich d<strong>er</strong> <strong>er</strong>st vor kurzem <strong>er</strong>nannte 26jährige<br />

Lag<strong>er</strong>leit<strong>er</strong> Leutnant/SS G<strong>er</strong>hard Struck auseinand<strong>er</strong>setzen. Und <strong>er</strong>st<br />

die Unt<strong>er</strong>bringungsmöglichkeiten! Nur einige große Gewölbe in den zwei<br />

muffigen Kell<strong>er</strong>geschoßen ganz ohne <strong>er</strong>ford<strong>er</strong>lichen Sanitärb<strong>er</strong>eich.<br />

Nicht daß Struck besond<strong>er</strong>s sensibilisi<strong>er</strong>t gewesen wäre für das Wohl<br />

sein<strong>er</strong> ungeliebten Häftlinge; die würden ohnehin nicht an Infektionen<br />

st<strong>er</strong>ben, denn Ansteckungen brauchen meist einige Tage bis zum Ausbruch.<br />

Ab<strong>er</strong> <strong>er</strong>stens ist das alles sehr sehr unappetitlich und zweitens drohen<br />

Seuchen und das fürchtet <strong>er</strong> ungemein. Und zwar ausschließlich wegen<br />

sein<strong>er</strong> eigenen P<strong>er</strong>son. Denn da nutzen keine Gummihandschuhe unt<strong>er</strong> den<br />

weißen Zwirnhandschuhen, die <strong>er</strong> imm<strong>er</strong> tragen muß, damit man die<br />

Gummihandschuhe nicht sieht.<br />

Eine unangenehme Einstellung gegenüb<strong>er</strong> allem, was schmutzig sein<br />

könnte, behind<strong>er</strong>t ihn an manchen Tagen sogar an sein<strong>er</strong> Pflicht<strong>er</strong>füllung.<br />

Das stört ihn vor allem deswegen, weil <strong>er</strong> doch dem Führ<strong>er</strong> absoluten<br />

Gehorsam geschworen hat und das Vat<strong>er</strong>land nicht durch Unt<strong>er</strong>schleif<br />

v<strong>er</strong>raten möchte. Er v<strong>er</strong>langt schließlich von seinen eigenen Unt<strong>er</strong>gebenen<br />

ebenfalls unv<strong>er</strong>brüchliche Volkstreue und Kadav<strong>er</strong>gehorsam und duldet


272<br />

keinen Wid<strong>er</strong>spruch gegenüb<strong>er</strong> seinen knappen Befehlen. Nur so läßt sich<br />

ein großes Reich im Zaume halten!<br />

Ab<strong>er</strong> das mit dem Schmutz ist halt ein eigenes Kapitel, üb<strong>er</strong> das <strong>er</strong><br />

nicht einmal nachdenken will. Es genügt schon, daß <strong>er</strong> davon<br />

ununt<strong>er</strong>brochen träumt und dabei schweißgebadet <strong>er</strong>wacht!<br />

Und dann genau diese Tätigkeit, die Schmutz nur so anzieht! Nicht<br />

daß <strong>er</strong> sich davor fürchtete – <strong>er</strong> fürchtet absolut nichts – ab<strong>er</strong> wohl ist ihm<br />

nicht bei dem Gedanken! Er wollte imm<strong>er</strong> Großes leisten und sich<br />

bewähren; das kann <strong>er</strong> hi<strong>er</strong> sich<strong>er</strong> auch. Ab<strong>er</strong> Funk<strong>er</strong> od<strong>er</strong><br />

V<strong>er</strong>bindungsoffizi<strong>er</strong> wäre ihm wahrlich lieb<strong>er</strong> gewesen (da wäre kaum<br />

Schmutz zu <strong>er</strong>warten gewesen), doch jed<strong>er</strong> muß seine Aufgaben zur vollsten<br />

Zufriedenheit des Führ<strong>er</strong>s <strong>er</strong>füllen an dem Platz, d<strong>er</strong> ihm zugewiesen<br />

wurde! Jed<strong>er</strong> muß das Seine leisten (und <strong>er</strong> hat vor, sehr sehr viele Opf<strong>er</strong> zu<br />

bringen! Wenn schon nicht selbst, so doch unt<strong>er</strong> den ihm Ausgelief<strong>er</strong>ten!).<br />

Erst einmal wird <strong>er</strong> seine Kanzlei säub<strong>er</strong>n und weißen lassen. Kalk<br />

liebt <strong>er</strong> üb<strong>er</strong> alles, denn d<strong>er</strong> wirkt desinfizi<strong>er</strong>end und ist so unschuldsweiß<br />

und saub<strong>er</strong>! Und viel Carbolsäure wird <strong>er</strong> bestellen und hochprozentigen<br />

Spiritus und P<strong>er</strong>chlorsäure. In die Kell<strong>er</strong> wird <strong>er</strong> niemals gehen; wozu hat<br />

man denn schließlich seine Unt<strong>er</strong>gebenen, als daß sie das ausführten, was<br />

man selbst v<strong>er</strong>meiden muß, weil man schließlich höh<strong>er</strong>e Aufgaben hat?<br />

Und da ist auch noch dies<strong>er</strong> junge Mönch – Pat<strong>er</strong> Immaculatus – d<strong>er</strong><br />

Unbefleckte, d<strong>er</strong> seinen Posten retten konnte als Eremit. Dank ein<strong>er</strong><br />

Sond<strong>er</strong><strong>er</strong>laubnis durch den Abt von Zwettl bekam <strong>er</strong> diese Chance vor<br />

Jahren, da <strong>er</strong> sich nicht in die Brud<strong>er</strong>schaft einfügen konnte, obwohl das<br />

nicht im Sinne des Ordens ist und war.<br />

D<strong>er</strong> lebt hi<strong>er</strong> schon seit Langem (trotz d<strong>er</strong> Säkularisi<strong>er</strong>ung des Klost<strong>er</strong>s<br />

durch Kais<strong>er</strong> Joseph II. vor mehr als hund<strong>er</strong>tfünfzig Jahren). D<strong>er</strong> ist im Hauptb<strong>er</strong>uf<br />

angeblich Arzt; d<strong>er</strong> Pfaffe wird ihn schon unt<strong>er</strong>stützen müssen, so es<br />

hygienische od<strong>er</strong> epidemiologische Probleme geben sollte, wenn <strong>er</strong> keine<br />

Schwi<strong>er</strong>igkeiten bekommen will. Auch bei d<strong>er</strong> Entwesung und Entsorgung<br />

d<strong>er</strong> zu <strong>er</strong>wartenden Ausfälle wird dies<strong>er</strong> zu Rate gezogen w<strong>er</strong>den (<strong>er</strong> beneidet<br />

ihn nicht um seinen neuen Aufgabenb<strong>er</strong>eich, denn ein paar unsaub<strong>er</strong>e Flecken w<strong>er</strong>den sich<br />

h<strong>er</strong>nach sehr wohl auf dessen weiß<strong>er</strong> Weste finden!).<br />

Da sind auch noch die dumpfen Büttel von d<strong>er</strong> Wehrmacht; allesamt<br />

blöde Unt<strong>er</strong>schicht-Buben, die zu allem b<strong>er</strong>eit sind für ein paar Zigaretten


273<br />

und wenn sie nur ungestraft davonkommen bei ihren gelegentlichen<br />

V<strong>er</strong>fehlungen, was sich imm<strong>er</strong> als gutes Druckmittel <strong>er</strong>weist. Die w<strong>er</strong>den<br />

die notwendigen Erschießungen unhint<strong>er</strong>fragt durchführen. Das hat<br />

Leutnant Struck schon in jungen Jahren selbst kennengel<strong>er</strong>nt! Was ihm<br />

damals hart angekommen ist, das kann <strong>er</strong> jetzt sinnvoll nützen!<br />

Also irgendwie wird man das Projekt schon zur Zufriedenheit d<strong>er</strong><br />

vorgesetzten Stellen zu Ende bringen können; da ist <strong>er</strong> sich ganz sich<strong>er</strong>!<br />

2 Zwei furchtbare Jahre sind inzwischen v<strong>er</strong>gangen (und es waren<br />

wahrhaft anstrengende Jahre), in denen viele hund<strong>er</strong>te (tausende?) sein<strong>er</strong><br />

‚Schützlinge’ v<strong>er</strong>storben wurden und <strong>er</strong> will garnicht wissen, wo d<strong>er</strong>en<br />

Üb<strong>er</strong>reste hingekommen sind (dafür war imm<strong>er</strong> d<strong>er</strong> Pat<strong>er</strong> zuständig!). Die<br />

diesbezügliche Buchhaltung fiehl ihm zuletzt schw<strong>er</strong>, da viel zu schnell<br />

Nachschub ohne brauchbare Begleitpapi<strong>er</strong>e angelief<strong>er</strong>t wurde.<br />

Die Ostfront rückt imm<strong>er</strong> näh<strong>er</strong> und die ganzen lichtvollen<br />

Führ<strong>er</strong>worte haben bedau<strong>er</strong>lich<strong>er</strong>weise ein wenig von ihrem ehemaligen<br />

Glanz v<strong>er</strong>loren. Auch d<strong>er</strong> Ami ist schon in Tirol, d<strong>er</strong> Franzose ist in<br />

Vorarlb<strong>er</strong>g und d<strong>er</strong> Brite in Kärnten. Und d<strong>er</strong> GröFaZ hat sich b<strong>er</strong>eits<br />

entleibt!!!!! Angeblich hat das Deutsche Reich sogar kapituli<strong>er</strong>t in B<strong>er</strong>lin!!!<br />

Das v<strong>er</strong>heißt nichts Gutes! Leutnant Struck hat seine lästige<br />

Bakt<strong>er</strong>iophobie aufgrund d<strong>er</strong> Notlage großteils bewältigen können, ab<strong>er</strong><br />

jetzt geht ihm d<strong>er</strong> Arsch auf Grundeis! Jetzt fürchtet <strong>er</strong> wenig<strong>er</strong> sich<br />

anzustecken; nunmehr geht es um’s blanke Üb<strong>er</strong>leben und da bleibt nur die<br />

üb<strong>er</strong>hastete Flucht. Nicht sehr ehrenhaft für einen Deutschen Offizi<strong>er</strong>, d<strong>er</strong><br />

gelobt hat, daß <strong>er</strong> sein Vat<strong>er</strong>land bis auf den letzten Blutstropfen v<strong>er</strong>teidigen<br />

wird, ab<strong>er</strong> selbst des Führ<strong>er</strong>s letzt<strong>er</strong> Blutstropfen hat nur wenig zur<br />

V<strong>er</strong>teidugung des Reiches beigetragen!<br />

Nichts wie weg von hi<strong>er</strong>. Die Orden in den Bach, Mein Kampf in den<br />

Ofen und die v<strong>er</strong>fängliche schwarze Uniform gegen bäu<strong>er</strong>liche<br />

Arbeitskleidung ausgetauscht (das war nicht g<strong>er</strong>ade billig – Blutsaug<strong>er</strong> diese<br />

ostmärkischen Bau<strong>er</strong>n, wenn sie ihre Macht auskosten können!).<br />

Das rät <strong>er</strong> auch seinen Bütteln. Er kann sich üb<strong>er</strong> v<strong>er</strong>schlungene<br />

Pfade ins Mühvi<strong>er</strong>tel retten und dort ist es auch deutlich einfach<strong>er</strong> als<br />

Naziv<strong>er</strong>brech<strong>er</strong> in Deckung zu gehen, da die dortige Bevölk<strong>er</strong>ung eine<br />

gewisse Liebe zu ‚aufrechten Volkstreuen’ hat, die durchaus g<strong>er</strong>ne auf


274<br />

div<strong>er</strong>sen Höfen von Großbau<strong>er</strong>n in Schutzhaft genommen w<strong>er</strong>den. Und<br />

jed<strong>er</strong>, d<strong>er</strong> aus gewissen Gründen v<strong>er</strong>pflichtet <strong>er</strong>scheint, ist g<strong>er</strong>ne gesehen als<br />

kostenlose Hilfskraft. Auch die vielen Schmuckgegenstände und das<br />

ausgebrochene Zahngold sind als ‚Mitgift’ hochwillkommen (das ließ sich bei<br />

d<strong>er</strong> ÖGUSSA [vormals DEGUSSA] nach Jahren gut zu Geld machen!). Nur d<strong>er</strong><br />

bemühte Pat<strong>er</strong> Immaculatus v<strong>er</strong>bleibt bei seinen Schützlingen.<br />

Irgendwie ahnt d<strong>er</strong> nach dem ungeordneten Rückzug d<strong>er</strong> SS-l<strong>er</strong>, daß<br />

es für die armen Behind<strong>er</strong>ten nicht bess<strong>er</strong> w<strong>er</strong>den wird, da v<strong>er</strong>brannte Erde<br />

zur Losung steht. So treibt <strong>er</strong> sie in Liebe ins dritte Unt<strong>er</strong>geschoß, das<br />

kein<strong>er</strong> kennt – wie Vieh – und mau<strong>er</strong>t den Zugang unfindbar ab! Das war in<br />

letzt<strong>er</strong> Minute!<br />

3 Freyastag, den 4.5.1945:<br />

Gräfin Erszebeth Köszegy fei<strong>er</strong>t imm<strong>er</strong>schon g<strong>er</strong>ne Feste mit ihren<br />

wesensdeformi<strong>er</strong>ten Freunden. Nicht imm<strong>er</strong> zur Freude ihres langjährigen<br />

Geliebten; des Gauleit<strong>er</strong>s/Nordwald Dr. H<strong>er</strong>furth-Sasse.<br />

D<strong>er</strong> heutige Anlaß <strong>er</strong>scheint ihm besond<strong>er</strong>s unpassend und makab<strong>er</strong>,<br />

da d<strong>er</strong> Russe b<strong>er</strong>eits seit läng<strong>er</strong>em in Nied<strong>er</strong>donau wütet. Das hat ihm<br />

schon den ganzen Nachmittag Sorgen b<strong>er</strong>eitet und <strong>er</strong> bekommt auch keine<br />

F<strong>er</strong>nsprechv<strong>er</strong>bindung mehr nach B<strong>er</strong>lin! Man sollte bess<strong>er</strong> weg! Er ordnet<br />

seine W<strong>er</strong>tsachen für die <strong>er</strong>ford<strong>er</strong>liche Absetzung.<br />

Und seine Geliebte richtet noch ein opulentes Gelage mit dem<br />

Wahlspruch Gött<strong>er</strong>dämm<strong>er</strong>ung aus! Das wird bei d<strong>er</strong> Bevölk<strong>er</strong>ung sich<strong>er</strong> böses<br />

Blut machen! Er selbst geht nicht hin, da <strong>er</strong> ihre sexuelle Freizügigkeit und<br />

ihre p<strong>er</strong>v<strong>er</strong>sen homo<strong>er</strong>otischen V<strong>er</strong>mischungswünsche unt<strong>er</strong> d<strong>er</strong><br />

Einwirkung von Flieg<strong>er</strong>schokolade (eine Preludin enthaltende Aufputsch-Nasch<strong>er</strong>ei)<br />

nicht mehr zu unt<strong>er</strong>stützen b<strong>er</strong>eit ist.<br />

Seine Lug<strong>er</strong> 08/Parabellum liegt sorgsam b<strong>er</strong>eit, falls das Reich<br />

endgültig zusammenbräche! Ob <strong>er</strong> sie seinem Kopf antuen will, weiß <strong>er</strong><br />

noch nicht.<br />

Frau Gräfin hat gegen drei Uhr Früh eine geniale Idee, nachdem die<br />

Schneedecken sämtlich<strong>er</strong> abg<strong>er</strong>äumt<strong>er</strong> Silb<strong>er</strong>-Tableaus in die p<strong>er</strong>v<strong>er</strong>sen<br />

Gehirne v<strong>er</strong>schnupft sind.


275<br />

Sie v<strong>er</strong>teilt Maschinenpistolen d<strong>er</strong> Type EMP 44 an die honorigen<br />

Gäste und animi<strong>er</strong>t sie dazu, nach dem romantischen Klost<strong>er</strong> Lilienkreuz zu<br />

wand<strong>er</strong>n (bloß eine vi<strong>er</strong>tel Stunde; das schaffen auch Besoffene!).<br />

D<strong>er</strong> Mönch empfängt sie in hoffnungslos<strong>er</strong> Abwehr d<strong>er</strong> Dinge, die<br />

da kommen würden, denn <strong>er</strong> konnte nicht alle Behind<strong>er</strong>ten abmau<strong>er</strong>n, da<br />

ihm einige entwischt sind!<br />

Es dau<strong>er</strong>t nur wenige Minuten bis all das ‚Gesocks’; das zahlreiche<br />

unw<strong>er</strong>te Leben ausblutet. Immaculatus ist bestürzt ob d<strong>er</strong> unsagbaren<br />

Grausamkeit und dem Zynismus dies<strong>er</strong> saturi<strong>er</strong>ten v<strong>er</strong>lud<strong>er</strong>ten Endzeit-<br />

Gesellschaft!<br />

4 Stolp<strong>er</strong>nd und blutv<strong>er</strong>schmi<strong>er</strong>t kehren die örtlichen Honoratioren<br />

und die aus dem Mutt<strong>er</strong>reich ang<strong>er</strong>eisten Nazi-Bonzen ins Schloß zurück.<br />

Es dau<strong>er</strong>t g<strong>er</strong>aume Zeit, bis sich die H<strong>er</strong>ren ihr<strong>er</strong> schuldhaft-blutigen<br />

Kleidung entledigt haben um sie gegen schöne weiße unbefleckte<br />

Uniformen und Zivilkeid<strong>er</strong> zu tauschen. Manche all<strong>er</strong>dings sind so<br />

desorienti<strong>er</strong>t, daß sie in Unt<strong>er</strong>hosen <strong>er</strong>scheinen, was nicht weit<strong>er</strong> stört, da<br />

die meisten f<strong>er</strong>n d<strong>er</strong> Wahrnehmungsfähigkeit ihre Schuh- od<strong>er</strong><br />

Zehenspitzen betrachten od<strong>er</strong> ihre substanzbedingten und aus d<strong>er</strong><br />

situativen Erregung üb<strong>er</strong>bordenden Lüste in die Ecken des ansonst<br />

gepflegten, ab<strong>er</strong> d<strong>er</strong>zeit total devasti<strong>er</strong>ten Ambientes entsorgen.<br />

Etwas läng<strong>er</strong> wird es benötigen, bis die Damen neues Pud<strong>er</strong> und<br />

frisches Rouge auf die Wangen gespachtelt haben, da das alte d<strong>er</strong><br />

ekstatische Schweiß mittels breit<strong>er</strong> Rinnen z<strong>er</strong>stört hat. Imm<strong>er</strong> gelingt das<br />

nicht mit den großteils unkoordini<strong>er</strong>ten Auslenkungen d<strong>er</strong> v<strong>er</strong>schneeten<br />

Hände; doch das stört wenig, da die Sinne d<strong>er</strong> meisten deutlich getrübt sind.<br />

Wozu dann üb<strong>er</strong>haupt die V<strong>er</strong>bess<strong>er</strong>ungs-V<strong>er</strong>suche? Man kann ohnehin<br />

nicht sagen, ist mehr Pud<strong>er</strong> auf den Wangen od<strong>er</strong> unt<strong>er</strong> den sniefenden<br />

Nasen!<br />

D<strong>er</strong> den Bedürftigen leid<strong>er</strong> nicht vorhandene Psychologe würde es als<br />

frustrane Schuldabwaschungs-Rituale deuten.<br />

Das Fest dau<strong>er</strong>t noch bis Sonntag, den 6.5.1945 an. Es wund<strong>er</strong>t sehr,<br />

wie die alle ohne Entgiftungs-Maßnahmen so lange üb<strong>er</strong>leben konnten.<br />

Ab<strong>er</strong> dann kommen die Russen näh<strong>er</strong> und die meisten flüchten v<strong>er</strong>zweifelt<br />

in die Moore. Manche kommen davon; viele v<strong>er</strong>sinken auch hilflos!


276<br />

Nach Beendigung des Tausendjährigen Reiches – richtig<strong>er</strong> gesagt in<br />

wirklich tausend Jahren – w<strong>er</strong>den sich die Archäologen sich<strong>er</strong> freuen üb<strong>er</strong><br />

den reichhaltigen Grabungs-Befund. „Seltsame Bekleidung hatten die damals:<br />

Edle Uniform-Jacken; jedoch nur sehr einfaches Beinkleid!“.<br />

Gräfin Erszebeth Köszegy schaffte es mit Hilfe des Vatikan nach<br />

Korsika und h<strong>er</strong>nach nach Brasilien zu entkommen. Ihre durch<br />

Arisi<strong>er</strong>ungen nicht un<strong>er</strong>heblichen Reichtüm<strong>er</strong> konnte sie gottseidank zuvor<br />

in die Schweiz schaffen; Burg Lilienfels war all<strong>er</strong>dings nicht dabei!<br />

Gauleit<strong>er</strong> H<strong>er</strong>furth-Sasse rettete sich üb<strong>er</strong> den Rattenweg mit Hilfe des<br />

Bischofs Hubala nach Jordanien und wurde CIA-Agent, was ihn vor<br />

V<strong>er</strong>folgung und Entnazifizi<strong>er</strong>ung bewahrte. Heute lebt <strong>er</strong> noch imm<strong>er</strong> als<br />

Viehzücht<strong>er</strong> in Argentinien; trotz sein<strong>er</strong> zweiundneunzig Jahre.<br />

Welch eine Schmach für die Seelen d<strong>er</strong> Geschundenen! War Gott<br />

damals auf Urlaub im Nirvana bei Freund Buddha???? Hat <strong>er</strong> sich von<br />

Mohammed einen Türkischen Kaffee kredenzen lassen in irgendeinem<br />

arabischen Hamam? Theodizee! Gott wird sich gefälligst rechtf<strong>er</strong>tigen<br />

müssen für all das, was Er diesen Wesenheiten – und damit uns allen<br />

Menschen angetan hat!!!!


277<br />

dunkelhaft<br />

1 Jetzt sind endlich alle geflohen, die hi<strong>er</strong> ihre V<strong>er</strong>brechen ausüben<br />

durften im Namen des unsäglichen Führ<strong>er</strong>s unt<strong>er</strong> dem Augenzwink<strong>er</strong>n<br />

Gottes und Seines mit den Nazis kollabori<strong>er</strong>enden Bodenp<strong>er</strong>sonals. Nun<br />

gilt es mit Hilfe sein<strong>er</strong> Zöglinge den hund<strong>er</strong>teinundachzig Opf<strong>er</strong>n des<br />

nächtlichen Massak<strong>er</strong>s in den Gewölben eine würdige letzte Ruhestätte zu<br />

schaffen, denn seine Kräfte reichen dafür nicht mehr aus. Er hat schon<br />

zuviel schaufeln müssen in den letzten Jahren und die Zöglinge sind<br />

schließlich körp<strong>er</strong>lich teilweise bärenstark – wennauch mangel<strong>er</strong>nährt. Auch<br />

fürchtet <strong>er</strong> die möglich<strong>er</strong>weise unabsehbaren psychischen Folgen, die die<br />

grässlich z<strong>er</strong>fetzten Mordopf<strong>er</strong> in den unreifen Seelen anrichten könnten.<br />

Ab nun kann Pat<strong>er</strong> Immaculatus hoffentlich mit seinen armen<br />

Zöglingen am Aufbau von soetwas wie Normalität arbeiten. Vom heutigen<br />

Tag an muß <strong>er</strong> niewied<strong>er</strong> ihre Leichen v<strong>er</strong>scharren, sond<strong>er</strong>n <strong>er</strong> darf sie<br />

hinfort pfleglich behandeln, wenn ihm auch manch ein<strong>er</strong> v<strong>er</strong>st<strong>er</strong>ben wird –<br />

so gesund sind die nicht mehr nach den Entbehrungen!<br />

Zunächst muß <strong>er</strong> die Abmau<strong>er</strong>ung nied<strong>er</strong>reißen, damit sie Luft<br />

bekämen. Die Nazis sind weg; also ist die Gefahr g<strong>er</strong>ing<strong>er</strong>. Ab<strong>er</strong> die<br />

Vorgäng<strong>er</strong> und Nachkommenden d<strong>er</strong> Nazis waren nicht so ganz<br />

v<strong>er</strong>schieden von diesen, was die Einstellung zu Abnormen betrifft. Und da<br />

wäre es bess<strong>er</strong>, die armen Geschöpfe auch dies<strong>er</strong> neuen Welt nicht<br />

unbedingt zu präsenti<strong>er</strong>en. Die Altnazis gibt es noch (und es wird sie noch viel<br />

zu lange geben) und die <strong>er</strong>richten die neue Republik als üb<strong>er</strong>zeugte Demokraten.<br />

Und die Russen lieben auch keine Ab<strong>er</strong>ranzen, denn die v<strong>er</strong>achten sie als<br />

„Parasiten, die nichts zum Arbeit<strong>er</strong>- und Bau<strong>er</strong>nstaat beitragen können“!<br />

Obwohl es Pat<strong>er</strong> Immaculatus wid<strong>er</strong>strebt; <strong>er</strong> setzt sie weit<strong>er</strong>hin in<br />

d<strong>er</strong> Tiefe fest. Er umsorgt sie mit schmackhaften Nahrungsmitteln, die eine<br />

ausgewogene Ernährung gewährleisten und bietet ihnen Hygiene, soweit<br />

sich das <strong>er</strong>möglicht. Neu<strong>er</strong>dings gibt es sogar ein Klo und eine Dusche.<br />

Und statt Licht bekommen sie Leb<strong>er</strong>tran, damit ihre Knochen nicht<br />

<strong>er</strong>weichen! Schließlich ist <strong>er</strong> Arzt.<br />

Ja und geistlichen Zuspruch bekommen sie natürlich auch noch<br />

zusätzlich, die, die bloß noch Schatten in d<strong>er</strong> Finst<strong>er</strong>nis sind!


278<br />

2 D<strong>er</strong> rührige Pat<strong>er</strong> bemüht sich nach Kräften, seinen Schützlingen<br />

alles zu geben, was sie benötigen; Freiheit, die sie vor allem benötigen<br />

würden, gehört nicht dazu, da diese ihm zu gefährlich scheint für sie.<br />

Ab<strong>er</strong> seine Kräfte sind schon fast am Erlahmen. Also wendet <strong>er</strong> sich<br />

an seine Ordensbrüd<strong>er</strong> in deutschen Landen, denn die in Zwettl würden ihn<br />

möglich<strong>er</strong>weise gängeln od<strong>er</strong> zumindest mißv<strong>er</strong>stehen – möglich<strong>er</strong>weise<br />

sein Klost<strong>er</strong> auflösen und ihn einv<strong>er</strong>leiben – und w<strong>er</strong> wäre dann für seine<br />

Schützlinge v<strong>er</strong>füglich? Also die Kontaktnahme nach Deutschland, was sich<br />

unt<strong>er</strong> den Besatzungs-Gegebenheiten als auß<strong>er</strong>ordentlich hürdenreich<br />

<strong>er</strong>weist.<br />

Doch es gelingt wid<strong>er</strong> Erwarten und sein<strong>er</strong> Bitte um Beistand wird<br />

endlich stattgegeben nach langem Warten.<br />

Er bekommt einen jungen Frat<strong>er</strong> Eusebius Bornemann und einen<br />

würdigen Pat<strong>er</strong> Elias Gaugusch zur Seite gestellt. Zu Beginn sind beide ein<br />

wenig üb<strong>er</strong>ford<strong>er</strong>t von den Ansprüchen d<strong>er</strong> menschlichen Zuwendung<br />

gegenüb<strong>er</strong> d<strong>er</strong> finst<strong>er</strong>en Schar, denn ihnen wurde eh<strong>er</strong> das Kontemplative<br />

und die einsame Gottsuche näh<strong>er</strong>gebracht in ihr<strong>er</strong> bish<strong>er</strong>igen Ausbildung.<br />

Nach Monaten d<strong>er</strong> Einweisungen und d<strong>er</strong> Gewöhnung an die harten<br />

Aufgaben <strong>er</strong>weisen sich beide als sehr brauchbare Hilfe und arbeiten<br />

durchaus zufriedenstellend an d<strong>er</strong> gewaltigen Aufgabe.<br />

D<strong>er</strong> Pat<strong>er</strong> Elias Gaugusch <strong>er</strong>öffnet ihm, daß die meisten d<strong>er</strong><br />

Geschundenen höchstwahrscheinlich von Satan besessen wären und <strong>er</strong> eine<br />

von Rom approbi<strong>er</strong>te Z<strong>er</strong>tifikation für Exorzismen besäße.<br />

Immaculatus ist zunächst üb<strong>er</strong>rascht und dann auch ein wenig<br />

bestürzt, da <strong>er</strong> daran nie gedacht hatte, ab<strong>er</strong> <strong>er</strong> hat gelegentlich schon<br />

Schlimmes v<strong>er</strong>nommen, was bei solchen Riten stattfindet und das<br />

beunruhigt ihn sehr. Doch irgendwie läßt <strong>er</strong> sich das dann doch einreden<br />

und will Elias seines Amtes walten lassen, damit <strong>er</strong> keine noch so<br />

ungewöhnliche Heilungs-Chance für seine Schützlinge v<strong>er</strong>hind<strong>er</strong>e.<br />

D<strong>er</strong> Hansi käme möglich<strong>er</strong>weise dafür in Frage, denn d<strong>er</strong> bespuckt<br />

ihn imm<strong>er</strong>, wenn <strong>er</strong> ihm das Kreuz präsenti<strong>er</strong>t und stößt dabei wilde<br />

gottesläst<strong>er</strong>liche Flüche aus.<br />

Auch die Lotte böte sich an, denn die greift sich ständig ins<br />

Unsagbare und v<strong>er</strong>dreht dabei ihre wilden schwarzen Augen, daß man


279<br />

fürchten könnte, daß sie an diesen schamlosen Handlungen v<strong>er</strong>stirbt (zumal<br />

ihr Schaum vor den Mund tritt in diesen Momenten und sie sich dazu unt<strong>er</strong><br />

unartikuli<strong>er</strong>tem Gestöhne konvulsivisch krümmt).<br />

D<strong>er</strong> Hansi wurde von seinem Heimatort Ef<strong>er</strong>ding schon vor<br />

g<strong>er</strong>aum<strong>er</strong> Zeit nach Harthelm eingelief<strong>er</strong>t, weil <strong>er</strong> im Ort nicht mehr tragbar<br />

war. B<strong>er</strong>eits als kleines Kind hat <strong>er</strong> imm<strong>er</strong> wied<strong>er</strong> irgend etwas anzünden<br />

müssen. D<strong>er</strong> Vat<strong>er</strong> war schon vor dem Krieg dem Alkohol v<strong>er</strong>fallen und<br />

hat den armen Buben ständig v<strong>er</strong>droschen (natürlich auch seine Frau – wie sich’s<br />

gehört hat in diesen unrühmlichen Zeiten).<br />

Die logische Folge war Sond<strong>er</strong>schule und von dort ist <strong>er</strong> ständig<br />

ausg<strong>er</strong>issen. D<strong>er</strong> Vat<strong>er</strong> war danach für Jahre an d<strong>er</strong> Front und die Mutt<strong>er</strong><br />

hat sich nur wenig um ihn kümm<strong>er</strong>n können, weil sie sich imm<strong>er</strong> mehr in<br />

sich selbst zurückgezogen hatte. Da d<strong>er</strong> Haushalt dadurch mehr und mehr<br />

v<strong>er</strong>wahrloste, wurde ihr d<strong>er</strong> Halbwüchsige von d<strong>er</strong> Fürsorge entzogen und<br />

zunächst in einem Heim für Schw<strong>er</strong>st<strong>er</strong>ziehbare unt<strong>er</strong>gebracht. Auch von<br />

dort ist <strong>er</strong> wied<strong>er</strong>holt geflüchtet und hat dann den Stadel vom Ortsvorsteh<strong>er</strong><br />

nied<strong>er</strong>gebrannt. Das war eindeutig zu viel und dah<strong>er</strong> Harthelm. Doch da die<br />

dortige Todesfabrik üb<strong>er</strong>lastet war, wurde <strong>er</strong> nach Lilienkreuz ausgelag<strong>er</strong>t.<br />

Ein Riese von einem Mann; sich<strong>er</strong> hund<strong>er</strong>tzwanzig Kilogramm<br />

Lebendgewicht noch bei sein<strong>er</strong> Einlief<strong>er</strong>ung trotz Hung<strong>er</strong>-Rationen und<br />

wirklich sehr schw<strong>er</strong> disziplini<strong>er</strong>bar. Gesprochen hat <strong>er</strong> nur selten und wenn<br />

doch, so eh<strong>er</strong> schw<strong>er</strong> v<strong>er</strong>ständlich im Telegramm-Stil. Doch nachdem<br />

einig<strong>er</strong>maßen Ruhe eingekehrt war nach den Schrecknissen d<strong>er</strong> Nazizeit,<br />

hat es d<strong>er</strong> Pat<strong>er</strong> Immaculatus einig<strong>er</strong>maßen hingebracht, daß d<strong>er</strong> Hansi ein<br />

wenig umgänglich<strong>er</strong> wurde und doch auch gewisse Fähigkeiten <strong>er</strong>langt hat.<br />

Mit Hilfe d<strong>er</strong> unt<strong>er</strong>stützenden Brüd<strong>er</strong> aus den deutschen Landen<br />

wurden in den weitläufigen – bish<strong>er</strong> ungenützten – Räumlichkeiten div<strong>er</strong>se<br />

W<strong>er</strong>kstätten eing<strong>er</strong>ichtet: Eine Möbel-Tischl<strong>er</strong>ei, eine Schloss<strong>er</strong>-W<strong>er</strong>kstatt,<br />

eine Leinen-Web<strong>er</strong>ei und ein Kunst-Ateli<strong>er</strong>.<br />

Am liebsten hielt sich d<strong>er</strong> Hansi dort auf und gestaltete durchaus<br />

int<strong>er</strong>essante, sehr farbintensive Bild<strong>er</strong>, d<strong>er</strong>en Hauptinhalt Feu<strong>er</strong> in jed<strong>er</strong><br />

Form war. Man hat nur imm<strong>er</strong> ein wenig in d<strong>er</strong> Nähe sein müssen, damit <strong>er</strong><br />

nichts mit dem v<strong>er</strong>lockenden T<strong>er</strong>pentin anstellt.<br />

Ab<strong>er</strong> das Spucken und Fluchen konnte man ihm eben nicht gänzlich<br />

abgewöhnen. Da liegt schon was d’ran mit d<strong>er</strong> Besessenheit!


280<br />

Und die Lotte konnte auch sehr lieb sein, wenn sie nicht g<strong>er</strong>ade ihr<strong>er</strong><br />

Lieblings-Beschäftigung nachgegangen ist. Sie hat sehr schöne Madonnen<br />

schnitzen können, die man auf den div<strong>er</strong>sen Kirtagen und bei den nach und<br />

nach aufkommenden Christkindl-Märkten meist recht gewinnbringend<br />

unt<strong>er</strong> die Leute bringen konnte. Ab<strong>er</strong> den Teufel hatte sie wohl auch im<br />

Leib; da liegt d<strong>er</strong> Elias sich<strong>er</strong> nicht ganz falsch!<br />

3 In d<strong>er</strong> ehemaligen Zelle drei wohnt d<strong>er</strong> Hub<strong>er</strong>t. D<strong>er</strong> hat ebenfalls<br />

eine schlimme Geschichte durchgemacht. Schon lange vor Harthelm.<br />

Geboren in Braunau als Sohn eines Zollbeamten und ein<strong>er</strong> Wäsch<strong>er</strong>in. Sein<br />

Beginn war ausgesprochen traumatisch: Heimgeburt. Die Gegend war tief<br />

v<strong>er</strong>schneit und d<strong>er</strong> Vat<strong>er</strong> besoffen wie imm<strong>er</strong>, als die Wehen begonnen<br />

haben. Trotz ihr<strong>er</strong> Wehen und trotz b<strong>er</strong>eits <strong>er</strong>folgten Blasensprunges ist die<br />

Mutt<strong>er</strong> noch zum Nachbarn gewankt, damit d<strong>er</strong> ihr Hilfe hole.<br />

D<strong>er</strong> Kirschenhof<strong>er</strong> war sehr hilfsb<strong>er</strong>eit und hat trotz Schneesturmes<br />

seinen braven Hektor angespannt und ist mit dem Einspänn<strong>er</strong> in die eisige<br />

Nacht gefahren, um die Hebamme zu wecken. Die ist auch gleich<br />

mitgefahren auf d<strong>er</strong> kalten Kutsche, ab<strong>er</strong> es war b<strong>er</strong>eits zu spät. Das Kind<br />

war zwar da mit Hilfe d<strong>er</strong> Kirschenhof<strong>er</strong>in, ab<strong>er</strong> um die Mutt<strong>er</strong> hat es böse<br />

ausgesehen. Alles voll<strong>er</strong> Blut und inmitten das ausgekühlte Neugeborene,<br />

dessen Nabelschnur nur noch schwach gepulst hat.<br />

Das Kind war zwar zu retten, ab<strong>er</strong> für die Mutt<strong>er</strong> kam alle Hilfe zu<br />

spät (und da haben auch die Kräut<strong>er</strong>-Abreibungen durch die Hebamme nicht mehr viel<br />

genutzt – Ut<strong>er</strong>usatonie und Entblutung!). D<strong>er</strong> Vat<strong>er</strong> war schon vorh<strong>er</strong><br />

unbrauchbar und jetzt <strong>er</strong>st recht ein Hind<strong>er</strong>nis bei den notwendigen<br />

Tätigkeiten.<br />

Das Neugeborene wurde abgenabelt und die Frau Kirschenhof<strong>er</strong> und<br />

die Hebamme haben die Sau<strong>er</strong>ei weggewaschen und den Arzt geholt – was<br />

sollte d<strong>er</strong> noch – nach alledem? Todes-Bescheinigung für die Mutt<strong>er</strong> und<br />

Geburts-Bescheinigung für den Hub<strong>er</strong>t, d<strong>er</strong> damals noch nicht Hub<strong>er</strong>t<br />

geheißen hat.<br />

Hub<strong>er</strong>t hatte <strong>er</strong> <strong>er</strong>st viel spät<strong>er</strong> geheißen, da <strong>er</strong> schon seine heftigen<br />

wied<strong>er</strong>holten Krampf-Anfälle hatte, wegen d<strong>er</strong><strong>er</strong> ihn sein Vat<strong>er</strong> ständig<br />

v<strong>er</strong>prügelt hat, was nur wenig zur Genesung beitragen konnte.


281<br />

Im Kell<strong>er</strong> wurde <strong>er</strong> von ihm v<strong>er</strong>borgen und hatte schon auch Fleisch<br />

zu essen, wenn eine Sau im Stall v<strong>er</strong>storben ist; ab<strong>er</strong> ansonst eh<strong>er</strong> nur<br />

Kohlsuppe mit oft schimmligem Brot; im besten Fall Grammeln.<br />

Ja die G<strong>er</strong>burg. Was soll man von d<strong>er</strong> b<strong>er</strong>ichten? Die hat die<br />

Englische Krankheit. V<strong>er</strong>krümmtes Rückgrat und deformi<strong>er</strong>te Knochen am<br />

ganzen Leib (Vitamin-D-Mangel, wie man heute weiß; ab<strong>er</strong> damals ein Stigma!). Sie<br />

konnte nur watscheln wie eine Ente, da sie auch eine gänzlich unbehandelte<br />

Hüftpfannen-Dysplasie hatte. Und aufgrund ihr<strong>er</strong> Gaumen-Lippen-Kief<strong>er</strong>-<br />

Spalte war sie klar<strong>er</strong>weise ein Feindbild eines politischen Systems, das sich<br />

das Prinzip d<strong>er</strong> genetischen Makellosigkeit auf die Fahnen gelogen hat (wed<strong>er</strong><br />

d<strong>er</strong> am Gehw<strong>er</strong>k und an d<strong>er</strong> Zwischenmenschlichkeit schw<strong>er</strong>st-behind<strong>er</strong>te Propaganda-<br />

Profi Joseph Goebbels, noch d<strong>er</strong> Frauen-ängstliche, sich<strong>er</strong> narzisstisch-deformi<strong>er</strong>te<br />

hodenlose Inzest-Krüppel Hitl<strong>er</strong> od<strong>er</strong> d<strong>er</strong> fettsüchtige gewissenlose Koks-Göring hätten vor<br />

diesen Gestzen bestehen können, wenn damals Ehrlichkeit gefragt gewesen wäre).<br />

Ein weit<strong>er</strong><strong>er</strong> Zögling war die arme Adelheid (Heidi wurde sie g<strong>er</strong>ufen).<br />

Die hatte eigentlich eine ganz nette Kindheit bei ihren Elt<strong>er</strong>n am Bau<strong>er</strong>nhof<br />

in Au/am See. Bis dann d<strong>er</strong> Vat<strong>er</strong> als ein<strong>er</strong> d<strong>er</strong> Ersten eingezogen wurde<br />

und im Polenfeldzug sofort gefallen ist. Bald darauf ist sein<br />

kriegsuntüchtig<strong>er</strong> Cousin (einen H<strong>er</strong>zfehl<strong>er</strong> hat d<strong>er</strong> Rekruti<strong>er</strong>ungsarzt befunden;<br />

H<strong>er</strong>zlosigkeit hätte es bess<strong>er</strong> getroffen!) bei d<strong>er</strong> Mutt<strong>er</strong> eingezogen und ab da hat<br />

es keine Wid<strong>er</strong>rede gegeben gegenüb<strong>er</strong> dessen Befehlen.<br />

Und sie war zwar <strong>er</strong>st zwölf, ab<strong>er</strong> man konnte schon ihre<br />

Brustknospen <strong>er</strong>ahnen. Das wurde ihr klar<strong>er</strong>weise zum V<strong>er</strong>hängnis.<br />

Praktisch chancenlos mußte sie sich seinen – von Gewalt domini<strong>er</strong>ten –<br />

‚Liebesbeweisen’ fügen. Das hat ihr nicht nur das H<strong>er</strong>z, sond<strong>er</strong>n auch das<br />

Genick gebrochen (vom Tripp<strong>er</strong> ganz zu schweigen; d<strong>er</strong> hat damals in Ermangelung<br />

von Penicillin ewig gedau<strong>er</strong>t!).<br />

D<strong>er</strong> Burschi ist ein Fall für sich: Er war ein Findelkind. Ein<br />

liebmeinendes kind<strong>er</strong>loses Ehepaar hat ihn aufgenommen (das hat d<strong>er</strong> Pfarr<strong>er</strong><br />

möglich gemacht), da <strong>er</strong> sieben Jahre von sein<strong>er</strong> ledigen Mutt<strong>er</strong> im Stall<br />

v<strong>er</strong>steckt worden war.<br />

D<strong>er</strong> konnte nicht sprechen nur bellen und hat imm<strong>er</strong> mit den Ti<strong>er</strong>en<br />

um die Futt<strong>er</strong>schüssel gestritten, obwohl ihm die neuen Elt<strong>er</strong>n liebevoll am<br />

Tisch s<strong>er</strong>vi<strong>er</strong>t hätten. Ab<strong>er</strong> das hat <strong>er</strong> nicht annehmen können. Mit den<br />

Ti<strong>er</strong>en all<strong>er</strong>dings war <strong>er</strong> auf du und du und kannte alle ihre Sprachen. Den<br />

haben sie dann auch abtransporti<strong>er</strong>t zum Leidwesen sein<strong>er</strong> Ziehelt<strong>er</strong>n!


282<br />

zweifelhaft<br />

1 Am Wochenende ist vom Kurzentrum nicht viel Heilkraft zu<br />

<strong>er</strong>warten und so nimmt sich Quastorf einen Kurzurlaub von Mijou und<br />

fährt nach Zwettl, da ihm kurbedingt das Büro abgeht. Er hofft, daß <strong>er</strong> sich<br />

dort irgendwie einschleichen könnte, denn <strong>er</strong>stens gibt es in d<strong>er</strong> dortigen<br />

heilen Welt noch keine so sinnlosen und aufwendigen Einrichtungen wie<br />

Securityguards (nichteinmal einen Porti<strong>er</strong>) od<strong>er</strong> P<strong>er</strong>sonen<strong>er</strong>kennungs-Systeme.<br />

Und zweitens ist am Samstag meist nur d<strong>er</strong> Journaldienst anwesend; und<br />

d<strong>er</strong> heißt fast imm<strong>er</strong> Habison, Hanfthal<strong>er</strong> od<strong>er</strong> Dolling<strong>er</strong>. Das v<strong>er</strong>spricht<br />

wenige Probleme, denn die stehen alle noch imm<strong>er</strong> loyal zu ihm in alt<strong>er</strong><br />

Treue. Dr. Kuchelbach<strong>er</strong> ist wohl kaum in sein<strong>er</strong> Freizeit zu befürchten.<br />

Und genauso ist es: D<strong>er</strong> Habison hält die v<strong>er</strong>waiste Stellung.<br />

„Meine V<strong>er</strong>ehrung, lieb<strong>er</strong> H<strong>er</strong>r Inspektor! Sie hi<strong>er</strong>? Ich dachte, Sie sind in<br />

Pension; äh – ich meine auf Kur!“ korrigi<strong>er</strong>t <strong>er</strong> sich sofort, weil <strong>er</strong> sich<br />

ärg<strong>er</strong>t, daß ihm das heikle Wort h<strong>er</strong>ausg<strong>er</strong>utscht ist. Er will den ehemaligen<br />

Vorgesetzten nicht unnötig v<strong>er</strong>letzen.<br />

„Das hält mich doch nicht ab, gute Freunde zu besuchen!“.<br />

Habison ist ein wenig skeptisch ob d<strong>er</strong> wahren Absichten des<br />

Kurgeschädigten, denn wenn beide auch ein ganz gutes Arbeitsv<strong>er</strong>hältnis<br />

miteinand<strong>er</strong> aufbauen konnten, ab<strong>er</strong> das als Freundschaft zu bezeichnen,<br />

wäre zu allen Zeiten v<strong>er</strong>messen gewesen. D<strong>er</strong> will doch was!<br />

Was <strong>er</strong> will, müßte eigentlich jedem einfühlsamen Beobacht<strong>er</strong><br />

offenkundig sein: Er sehnt sich zurück nach ‚seinem’ alten Schreibtisch, den<br />

<strong>er</strong> imm<strong>er</strong> gehaßt hat in aktiven Zeiten! Wo ist d<strong>er</strong> eigentlich?<br />

„Habison, wo ist denn mein Schreibtisch?“. D<strong>er</strong> kleine Denkfehl<strong>er</strong>, daß das<br />

jetzt nicht läng<strong>er</strong> sein Schreibtisch, son<strong>er</strong>n bestenfalls d<strong>er</strong> seines<br />

Nachfolg<strong>er</strong>s sein müßte, ist nicht auf eine op<strong>er</strong>ationsbedingte Hirnleistungs-<br />

Schwäche, sond<strong>er</strong>n auf v<strong>er</strong>leugnende V<strong>er</strong>drängung zurückzuführen!<br />

Blankes Entsetzen in seinen langsam <strong>er</strong>lahmenden Gesichtszügen, da in<br />

seinem ehemaligen Zimm<strong>er</strong> nur G<strong>er</strong>ümpel steht.


283<br />

„Dem Inspektor Wiesing<strong>er</strong> hat Ihr Zimm<strong>er</strong> nicht so recht gefallen; es war<br />

ihm zuwenig kreativitätsförd<strong>er</strong>lich und so hat ihm d<strong>er</strong> Chef das ehemalige<br />

Kaffee-Zimm<strong>er</strong> zugestanden, weil das mit sein<strong>er</strong> Südlage den Ausblick auf<br />

Burg Kranstein bietet“.<br />

„Was??? D<strong>er</strong> hat die Frechheit Euch das letzte Refugium d<strong>er</strong><br />

Zwischenmenschlichkeit in dies<strong>er</strong> Amts-Wüste abzutrutzen und Ihr läßt<br />

Euch das stillschweigend gefallen?!“.<br />

„Wir haben eh protesti<strong>er</strong>t, ab<strong>er</strong> d<strong>er</strong> Chef wollte seine Kreativität nicht<br />

bremsen“.<br />

„Was macht d<strong>er</strong> denn so Kreatives seit meinem Hingang?“.<br />

So ein Schmarrn; Quastorf war imm<strong>er</strong> kreativ; dazu hat es nicht viel<br />

gebraucht, denn kreativ kann man auch am Häusel sein, wenn man begabt<br />

ist. Wie es auch kein<strong>er</strong> weihrauch-v<strong>er</strong>qualmten Kirche bedarf, um mystische<br />

Erfahrungen zu <strong>er</strong>langen od<strong>er</strong> wie d<strong>er</strong> wahre Künstl<strong>er</strong> sich üb<strong>er</strong>all entfalten<br />

kann. Zum Beispiel zwischen detoni<strong>er</strong>enden Urangranaten im Irak wie d<strong>er</strong><br />

Immanuel Wass<strong>er</strong>burg<strong>er</strong>.<br />

Kreativ! Quastorf schäumt, denn <strong>er</strong> war imm<strong>er</strong> viel schnell<strong>er</strong> an den<br />

wichtigen Spuren (mit sein<strong>er</strong> unkonventionellen Arbeitsweise) als seine korrekt<br />

nach Vorschrift vorgehenden Kollegen.<br />

D<strong>er</strong> wird wohl ganz ‚kreativ’ die vielen von Quastorf ad acta gelegten<br />

B<strong>er</strong>ichte aufarbeiten, weil ihm fad ist im Hirn – diesem Bürokraten! Ab<strong>er</strong><br />

„mach den Akt zum Wand<strong>er</strong><strong>er</strong>, dann sieht ihn auch ein and<strong>er</strong><strong>er</strong>!“ (altbewährtes<br />

Beamten-Sprichwort).<br />

„Wie ist denn so d<strong>er</strong> Neue?“ lau<strong>er</strong>t Quastorf – ganz entgegen sein<strong>er</strong><br />

sonstigen Art – auf üble G<strong>er</strong>üchte, unt<strong>er</strong> denen <strong>er</strong> selbst allzu oft leiden hat<br />

müssen.<br />

„Also ich will nichts bew<strong>er</strong>ten, ab<strong>er</strong> an Sie kommt <strong>er</strong> sich<strong>er</strong> nicht h<strong>er</strong>an!“<br />

macht Habison genau das, was <strong>er</strong> v<strong>er</strong>bal eigentlich ausschließen wollte.<br />

Denn <strong>er</strong> will Quastorf halt ein wenig Freude b<strong>er</strong>eiten.<br />

„Ab<strong>er</strong> viel kann ich wirklich nicht sagen dazu, denn bish<strong>er</strong> hatte <strong>er</strong> auch<br />

wenig Profili<strong>er</strong>ungs-Möglichkeiten in Ermangelung von Ereignissen, die ihn<br />

ford<strong>er</strong>n hätten können“.


284<br />

„W<strong>er</strong>den schon noch kommen“ denkt Quastorf bei sich. Und dann<br />

wird d<strong>er</strong> sich<strong>er</strong> scheit<strong>er</strong>n; d<strong>er</strong> Schnösel – obwohl <strong>er</strong> ihn nicht kennt.<br />

Normal<strong>er</strong>weise ist Quastorf tol<strong>er</strong>ant<strong>er</strong> und wartet lieb<strong>er</strong>, bis <strong>er</strong> jemanden<br />

weitgehend kennengel<strong>er</strong>nt hat. Ab<strong>er</strong> hi<strong>er</strong> spielt doch Eif<strong>er</strong>sucht od<strong>er</strong><br />

zumindest Frustration bezüglich des sich Messen-Müssens mit gänzlich<br />

unebenbürtigen Konkurrenten wid<strong>er</strong>.<br />

Quastorf blickt tief in seine eigene Seele: Ein von Humor v<strong>er</strong>wüstet<strong>er</strong><br />

Hint<strong>er</strong>frag<strong>er</strong>, d<strong>er</strong> sein wied<strong>er</strong>holtes Scheit<strong>er</strong>n imm<strong>er</strong> als B<strong>er</strong>eich<strong>er</strong>ung des<br />

Lebens und als Motor seines Vehikels gesehen hat, das den Rückwärtsgang<br />

des Zynismus nicht kennt.<br />

„Lieb<strong>er</strong> Habison, darf ich mich an Sie wenden, wenn ich irgendwo<br />

un<strong>er</strong>klärliche Abläufe wahrnehmen sollte? Kann ich mit Ihr<strong>er</strong> Loyalität<br />

rechnen, wenn es soweit wäre?“.<br />

„Ab<strong>er</strong> natürlich, lieb<strong>er</strong> Inspektor; imm<strong>er</strong> zu Ihren Diensten!“ antwortet d<strong>er</strong><br />

Angesprochene; wohl fürchtend, auf welch disziplinär schiefe Ebene <strong>er</strong> sich<br />

mit dies<strong>er</strong> Zusich<strong>er</strong>ung einlassen könnte.<br />

„Woran arbeiten sie g<strong>er</strong>ade?“.<br />

„Ich beschäftige mich zur Zeit mit einem Zettel.......“. Mehr braucht <strong>er</strong><br />

nicht, denn von Zetteln hat Quastorf genug Übel <strong>er</strong>fahren. Die sollte man<br />

ihm bess<strong>er</strong> nicht vorlegen!<br />

Eine neugi<strong>er</strong>ige Nase kann man sich selbstredend nicht von<br />

irgendeinem medien-geilen Schönheits-Pfusch<strong>er</strong> – d<strong>er</strong> b<strong>er</strong>eit ist, gegen gutes<br />

Geld vor laufend<strong>er</strong> Kam<strong>er</strong>a den schönsten Busen abzusäbeln – umarbeiten<br />

lassen und so sagt <strong>er</strong> knapp: „Darf ich den sehen?“.<br />

Schon brennen ihn die Lippen, die das gesagt haben und das kommt<br />

nicht von d<strong>er</strong> letzten 3-<strong>er</strong>, sond<strong>er</strong>n von den möglich<strong>er</strong>weise zu<br />

gewärtigenden Konsequenzen sein<strong>er</strong> Wißbegi<strong>er</strong>igkeit.<br />

„Das ist nichts Aufregendes; die übliche Rotine; Sie kennen das: Am<br />

Wochenende ist den Leuten meistens fad und da denken sich manche ‚wofür<br />

zahlen wir die Staatsdien<strong>er</strong>, die sollen ruhig was arbeiten für uns<strong>er</strong> Geld!’. Das ist für<br />

gewisse Leute bess<strong>er</strong> als F<strong>er</strong>nsehen“.<br />

Solche Ansinnen von Hobby-Kriminäs<strong>er</strong>n sind meist un<strong>er</strong>giebig, ab<strong>er</strong><br />

manchmal auch durchaus b<strong>er</strong>eich<strong>er</strong>nd.


285<br />

Auf dem Zettel steht „Meine Tocht<strong>er</strong> hat eine Freundin, die war imm<strong>er</strong> ein<br />

biß<strong>er</strong>l seltsam, ab<strong>er</strong> in letzt<strong>er</strong> Zeit hat die imm<strong>er</strong> öft<strong>er</strong> von Teufeln gesprochen und daß sie<br />

einige Leute kennt, die sich da gut auskennen. Und wie spannend das ist, wenn man in<br />

die Hölle geht; und das ist bess<strong>er</strong> als Sex. Das habe ich zufällig hören können, wie ich am<br />

Mädchenzimm<strong>er</strong> vorbeigegangen bin! Solchene Sachen sind doch nicht in Ordnung; da<br />

muß die Polizei endlich was tun! Mein Name tut nichts zur Sache, ab<strong>er</strong> schau’n Sie<br />

einmal in Vulpes nach!“.<br />

„Ich will mich ja nicht einmischen, ab<strong>er</strong> ahnen Sie da nicht einen V<strong>er</strong>dacht<br />

von Satanismus, wenn das nicht nur ein pub<strong>er</strong>täres Schaud<strong>er</strong>märchen von<br />

sexuell aufgeheizten Mädels od<strong>er</strong> eine wahnhafte Sorge d<strong>er</strong> Elt<strong>er</strong>n um die<br />

gefährdete Unschuld ihr<strong>er</strong> Tocht<strong>er</strong> darstellt, die sich bloß abnabeln will“.<br />

„Na müssen wir halt am Montag d<strong>er</strong> Sache nachgehen, wenn Sie mit Ihr<strong>er</strong><br />

Erfahrung da Handlungsbedarf v<strong>er</strong>muten. Dann ist d<strong>er</strong> Wiesing<strong>er</strong> und die<br />

ganze Mannschaft wied<strong>er</strong> da; ich habe heute keine freien Kräfte, denn ich<br />

muß die Stellung halten!“.<br />

„Also ich wünsche Ihnen ein g<strong>er</strong>uhsames Wochenende; hat mich ehrlich<br />

gefreut, sie wied<strong>er</strong>einmal zu sehen!“.<br />

Das wäre Quastorf in sein<strong>er</strong> aktiven Zeit niemals üb<strong>er</strong> die schmalen<br />

Lippen gekommen, ab<strong>er</strong> neu<strong>er</strong>dings ist <strong>er</strong> viel lock<strong>er</strong><strong>er</strong>. Ist die Ursache in<br />

d<strong>er</strong> Abwesenheit von Pflichten, in d<strong>er</strong> Heilkraft d<strong>er</strong> Kur od<strong>er</strong> im liebenden<br />

Einfluß d<strong>er</strong> Mijou zu finden?<br />

Er hätte all<strong>er</strong>dings einen Abendt<strong>er</strong>min mit sein<strong>er</strong> Clara im Da Leone<br />

und danach eine vielv<strong>er</strong>sprechende gemeinsame Üb<strong>er</strong>nachtung in seinem<br />

Haus in Rappoltsgschwendt ausgemacht. Da bleibt ihm nicht viel Zeit für<br />

die notwendigen Erledigungen in Vulpes.<br />

2 Vulpes ist nicht nur d<strong>er</strong> lateinische Begriff für Fuchs, sond<strong>er</strong>n auch<br />

ein mittelgroß<strong>er</strong> Ort im Dreieck zwischen Hasling, Brandes und Hanfthal<br />

(nahe Zw<strong>er</strong>ings, damit d<strong>er</strong> nicht so Ortskundige sich bess<strong>er</strong> zurechtfände). D<strong>er</strong><br />

üblich<strong>er</strong>weise glückliche Besitz<strong>er</strong> eines – die absolute Ortssich<strong>er</strong>heit<br />

vorgaukelnden – GPS-Systems sei gewarnt; <strong>er</strong> wird es damit kaum finden<br />

können! Denn das sind so Orte, d<strong>er</strong>en Schreibweise das unbestechliche<br />

System wed<strong>er</strong> kennt noch d<strong>er</strong>en Existenz für wichtig genug <strong>er</strong>achtet, seinen<br />

Datenwust damit unnötig zu belasten.


286<br />

Diese Orte haben allesamt eines miteinand<strong>er</strong> gemeinsam, daß ihnen<br />

wenig strategische Bedeutsamkeit innewohnt; und GPS ist eine Erfindung<br />

d<strong>er</strong> US-Militärs! Sollte sich ab<strong>er</strong> – gottbewahre – d<strong>er</strong>einst ein un<strong>er</strong>wartet<strong>er</strong><br />

Bau<strong>er</strong>naufstand <strong>er</strong>geben, dann w<strong>er</strong>den diese Strategen ganz schnell sehr<br />

schlechte Karten haben! Solche Orte muß man bess<strong>er</strong> im Kopf haben. Und<br />

Quastorf hat das. Er hatte auch schon wesentlich Schlimm<strong>er</strong>es im Kopf<br />

(nämlich ein lästiges Meningeom, das ihm vor Monaten aus d<strong>er</strong> Hülse gekratzt wurde).<br />

In Hasling trifft man auf eine weiträumige Umleitung üb<strong>er</strong> Zw<strong>er</strong>ings,<br />

Hartenfels, G<strong>er</strong>ings und dann findet man Hanfthal, von wo es weit<strong>er</strong> nach<br />

Vulpes geht. Daß die Straßenmeist<strong>er</strong>eien monatelang so unangekündigte<br />

p<strong>er</strong>v<strong>er</strong>se Blockaden von bis zu drei Dörf<strong>er</strong>n gleichzeitig durchführt, ist ein<strong>er</strong><br />

d<strong>er</strong> Gründe, warum sich hi<strong>er</strong> kaum Fremde h<strong>er</strong>trauen – und wenn doch –<br />

kläglich v<strong>er</strong>lorengehen in d<strong>er</strong> Einschicht d<strong>er</strong> Wäld<strong>er</strong>, die den Wegweis<strong>er</strong>n<br />

imm<strong>er</strong>wied<strong>er</strong> durch K<strong>er</strong>nfäule d<strong>er</strong><strong>er</strong> Fundamente ihre wahren Aufgaben<br />

v<strong>er</strong>unmöglichen.<br />

Endlich Vulpes. Ob<strong>er</strong>halb des Marktplatzes findet sich eine<br />

großflächige Anhöhe von fast Fußballfeld-Größe mit ein<strong>er</strong> zirka vi<strong>er</strong> Met<strong>er</strong><br />

hoch aufg<strong>er</strong>ichteten Steint<strong>er</strong>rasse in Front, die von beiden Seiten mittels<br />

ein<strong>er</strong> Art Reittreppe eine mögliche Kultfläche ausbildet. Rundum ein<br />

niedrig<strong>er</strong> Wall und ein einstmals tief<strong>er</strong> Graben, d<strong>er</strong> zu ein<strong>er</strong> Runse v<strong>er</strong>witt<strong>er</strong>t<br />

ist. Alt<strong>er</strong> absolut nicht einschätzbar (könnte 1426 v. Chr., 1756 n. Chr., od<strong>er</strong> <strong>er</strong>st<br />

1936 <strong>er</strong>richtet worden sein. D<strong>er</strong> Fachbegriff d<strong>er</strong>artig<strong>er</strong> Plätze ist Vi<strong>er</strong>eckschanze; Alt<strong>er</strong><br />

und V<strong>er</strong>wendungszweck sowie ursprünglich<strong>er</strong> Kulturkreis unbekannt – doch selbst all<br />

das weiß Quastorf nicht).<br />

Quastorf klopft am <strong>er</strong>stbesten Haus und fragt nach d<strong>er</strong> kultischen<br />

Bedeutung dieses ob<strong>er</strong>en Platzes. Man schlägt ihm die Türe ins Schloß. Im<br />

Großteil d<strong>er</strong> Welt findet sich mehr Gastfreundschaft – was solls!<br />

Nächst<strong>er</strong> V<strong>er</strong>such im Haus Nr. 32. Dort spricht man zwar mit ihm;<br />

ab<strong>er</strong> vor d<strong>er</strong> Haustüre. In Ermangelung sein<strong>er</strong> alten Hundemarke und<br />

jedweden offiziellen Auftrages wird <strong>er</strong> das wohl hinnehmen müssen.<br />

„Ah; Se mahnan des Ob<strong>er</strong>e. Des waß kana genau. Heitzutog haumm’ ma<br />

duat’n unsare Sonnwend-Feian und en Leonardi-Kirtog; und de jungan<br />

Frozz’n moch’n duart am Saumstog äfta a Räv-Party mid’n DJ Schmatzi!<br />

Dageg’n kaunnst nix moch’n, weu da Buagamasta braucht junge Staumm-<br />

Wöhla, damit de Rod’n net z’vüh’ aufkemman!“.


287<br />

Imm<strong>er</strong>hin gewisse Anhaltspunkte. „Und von Teufeln wissen Sie<br />

nichts? Man munkelt da so“.<br />

Unt<strong>er</strong> munkeln v<strong>er</strong>steht man in dies<strong>er</strong> Gegend zwei<strong>er</strong>lei: Erstens das<br />

zartmodrige Duften alt<strong>er</strong> Kleid<strong>er</strong>kästen und zweitens den gefürchteten<br />

Rumor; das hint<strong>er</strong> vorgehalten<strong>er</strong> Hand üb<strong>er</strong> die fast unschuldigen Lippen<br />

gleitende Wort, das ganze Existenzen v<strong>er</strong>nichten kann, die kein<strong>er</strong>lei Chance<br />

haben, sich danach zu rehabiliti<strong>er</strong>en; selbst wenn sich alles als Lüge<br />

h<strong>er</strong>ausstellen sollte!<br />

„Jo Teifen wearn bei de Räva sicha dabeisei, weu de fian wos auf, daß an<br />

graus’n känntat. Z<strong>er</strong>scht nog’ln sa se zua mit Cola-Rum, bis blunz’n-dibbe’<br />

fett san und moch’n a fuachtboras Gs<strong>er</strong>ras, daun speib’ns ollas auh und<br />

danoch kännan de Gemeinde-Orbeita den gaunz’n Mist weckaramma, wos<br />

de z’ruckloss’n haumm! Und mia miaß’n des ollas mitzoihn mit uns<strong>er</strong>e<br />

Gemeinde-Obgob’n! Und en Rebbach hot da Schmatzi und seine feinan<br />

Freind“.<br />

Das hat all<strong>er</strong>dings wenig mit Satanismus gemeinsam; das <strong>er</strong>inn<strong>er</strong>t<br />

bloß an Alkoholismus – auf Grund mangelnd<strong>er</strong> Zuwendung durch d<strong>er</strong>en<br />

Elt<strong>er</strong>n – v<strong>er</strong>wahrlost<strong>er</strong> und unorienti<strong>er</strong>t<strong>er</strong> Jugendlich<strong>er</strong>.<br />

„Danke; Sie haben mir sehr geholfen!“ schönt Quastorf seine Worte ganz<br />

entgegen sein<strong>er</strong> sonstigen Charakt<strong>er</strong>struktur.<br />

Quastorf schlend<strong>er</strong>t etwas entn<strong>er</strong>vt durch den romantischen Ort, d<strong>er</strong><br />

m<strong>er</strong>kbar zu Zeiten, zu denen and<strong>er</strong>swo schon Geld vorhanden war für<br />

Neugestaltung, offenkundig keines hatte und somit unv<strong>er</strong>fälscht wirkt. In<br />

neuest<strong>er</strong> Zeit haben die Bewußt<strong>er</strong>en die Häus<strong>er</strong> durchaus geschmackvoll<br />

restauri<strong>er</strong>t und neben d<strong>er</strong> romanischen Kapelle mit ihren schlichten, ab<strong>er</strong><br />

ausdrucksstarken Fresken wurde ein stilg<strong>er</strong>echtes Gemeindezentrum<br />

<strong>er</strong>richtet. Nur am Ortsrand einige d<strong>er</strong> von Quastorf – in sein<strong>er</strong> Funktion als<br />

Architektur-Kritik<strong>er</strong> – tief gehaßten un<strong>er</strong>träglich geschmäckl<strong>er</strong>ischen<br />

Neubauten im Hundehütten-Eisenbahnwaggon-Bauhausplagiat-Stil.<br />

Er m<strong>er</strong>kt, wie ihm ein Schatten folgt, trotzdem Nebel eingefallen<br />

sind. D<strong>er</strong> Schatten ist offenkundig nicht sein<strong>er</strong>; und seltsam<strong>er</strong>weise<br />

funktioni<strong>er</strong>t dies<strong>er</strong> trotz d<strong>er</strong> aufkommenden Finst<strong>er</strong>nis. D<strong>er</strong> Schatten hat<br />

auch einen Namen und d<strong>er</strong> ist weiblich: Frau H<strong>er</strong>menegild Vielhab<strong>er</strong>.<br />

„I hob ihna zuaföllich zuag’huacht, wia’s mi’n Fux-Poid’l g’redt haum. Von<br />

dem kännan’s nix dafoahn, weu dea mog kane Fremd’n. Se haumm scho


288<br />

recht, weu am Oban passiean scho äfta schiache Soch’n! De Jungan san<br />

gaunz ausg’schamt und mein Bua’m haumms a scho meahmoi vazaht zu de<br />

grauslich’n Danz, iba de kana gean red’n wü!“.<br />

Quastorfs Gehörgänge richten sich auf wie die des Jäg<strong>er</strong>s, d<strong>er</strong> dem<br />

flüchtenden Wild nachstellt.<br />

„Was für Danz meinen Sie denn?“ gleitet es lau<strong>er</strong>nd üb<strong>er</strong> seine<br />

ausgetrockneten Lippen (wieso gibt es hi<strong>er</strong> eigentlich kein Wirtshaus, kommt ihm<br />

plötzlich in den durstigen Sinn).<br />

„Na hoit soichane Soch’n mit Kotz’n umbringa’ und auf a Kreiz aus Holl<strong>er</strong>-<br />

Äst nog’ln. Des hängans daunn vaki<strong>er</strong>t auf – drom aum Goling!“.<br />

Golling kennt Quastorf (und liebt den netten Ort), denn d<strong>er</strong> liegt nahe<br />

Abtenau im f<strong>er</strong>nen salzburg<strong>er</strong> Tennengau; wie paßt das hi<strong>er</strong>h<strong>er</strong>? Nachdem<br />

<strong>er</strong> diese Diskrepanz hint<strong>er</strong>fragt, wird <strong>er</strong> als Unkundig<strong>er</strong> einig<strong>er</strong>maßen<br />

belächelt.<br />

„Ned Golling; ob’n aum Golingb<strong>er</strong>g, wo da oide Goig’n steht – hoaß’n<br />

duats da Dreiturm<strong>er</strong>-B<strong>er</strong>g!“.<br />

„Wie komme ich dort hin?“.<br />

„Eh gaunz oafoch: Von Oban en Waundawech – kane zehn Minut’n! Is eh<br />

ollas guat augschrieb’n; Se kennan goanet irrgeh’!“.<br />

„Danke vielmals, Frau Vielhab<strong>er</strong>. Schönen Tag wünsche ich Ihnen!“.<br />

3 Hung<strong>er</strong> und Durst sind wie v<strong>er</strong>flogen. Es hätte auch kein<strong>er</strong>lei<br />

Möglichkeiten gegeben, sich d<strong>er</strong> Stillung dies<strong>er</strong> Grundbedürfnisse zu<br />

widmen, da das einzige Gasthaus hi<strong>er</strong> seit Jahren geschlossen wirkt mit<br />

seinen blinden Fenst<strong>er</strong>n und sein<strong>er</strong> windschiefen Eingangstür, die trotz<br />

ihr<strong>er</strong> an einem breiten Spalt <strong>er</strong>kennbaren Unv<strong>er</strong>schlossenheit keineswegs<br />

zum Eintreten <strong>er</strong>munt<strong>er</strong>t. Ziemlich sich<strong>er</strong> ist diese auch in ihr<strong>er</strong><br />

Halböffnung gänzlich festg<strong>er</strong>ostet – höchstens begehbar für Mäuse und<br />

d<strong>er</strong>en schnurrbärtige Todfeinde, die nach dem oben Gesagten auch kein so<br />

unbeschw<strong>er</strong>tes Leben wie früh<strong>er</strong> haben dürften in diesen Landen.<br />

Quastorf steigt den Hügel hinan im nicht mehr ganz warmen<br />

H<strong>er</strong>bstlicht, das den G<strong>er</strong>uch nach Schnee vorausweiß. Nach einigen


289<br />

hund<strong>er</strong>t Met<strong>er</strong>n ein Pfeil nach links „zum Galgenb<strong>er</strong>g – 5 Minuten“. Dann ist<br />

man dort auf dem kleinen Hochplateau mit dem ehedem sich<strong>er</strong> freien Platz,<br />

d<strong>er</strong> trotz d<strong>er</strong> angedeuteten Pflege durch den ansäßigen V<strong>er</strong>schön<strong>er</strong>ungs-<br />

V<strong>er</strong>ein leicht v<strong>er</strong>wachsen ist; darunt<strong>er</strong> rundum das dunkle Dickicht<br />

v<strong>er</strong>wild<strong>er</strong>t<strong>er</strong> Wäld<strong>er</strong>.<br />

In den läng<strong>er</strong>w<strong>er</strong>denden Schatten d<strong>er</strong> sinkenden Sonne stehen<br />

bedrohlich drei gewaltige gemau<strong>er</strong>te Säulen; jede mißt stolze eineinhalb<br />

Met<strong>er</strong> Durchmess<strong>er</strong> an d<strong>er</strong> Basis und mehr als fünf Met<strong>er</strong> hoch ragen sie<br />

nach oben schmäl<strong>er</strong>w<strong>er</strong>dend in den orangenen Sch<strong>er</strong>enschnitt des<br />

Firmamentes, dessen Ränd<strong>er</strong> von hohen Fichten gezahnt w<strong>er</strong>den. Die<br />

Decksteine sind mit drei, jeweils etwa fünfeinhalb Met<strong>er</strong> langen kräftigen<br />

primitiv-geschmiedeten Kanteisen v<strong>er</strong>bunden, sodaß sich eine wuchtige<br />

Aufhänge-Vorrichtung <strong>er</strong>gibt, die gewiß nie für Geselchtes gedacht war.<br />

Höchstens kam es hi<strong>er</strong> früh<strong>er</strong> zu Luftselchung in Ermangelung von<br />

endemischen Gei<strong>er</strong>n, wenn die Delinquenten zu lange v<strong>er</strong>gessen wurden!<br />

Ein wahrhaft dunkl<strong>er</strong> Ort, d<strong>er</strong> in empfindsamen Seelen fürcht<strong>er</strong>liche<br />

Schäden anrichten könnte. Quastorf ist freilich abgebrüht durch seinen<br />

B<strong>er</strong>uf, ab<strong>er</strong> in damaligen Zeiten hätte <strong>er</strong> trotzdem nicht leben wollen!<br />

Er sucht wohl nicht nach d<strong>er</strong> sagenumwobenen Alrune (dem All-<br />

Geheimnis), die sich nur an solchen Orten zu den Rauhnächten finden ließe.<br />

Das Galgenmännchen, die Wurzel des Nachtschattengewächses Mandragora,<br />

das nur auf Böden wächst, die vom Sp<strong>er</strong>ma d<strong>er</strong> Gehängten gedüngt sind. In<br />

einem Zug muß man sie in total<strong>er</strong> Neumond-Finst<strong>er</strong>nis dem Boden<br />

entreißen, will man nicht elendiglich zugrundegehen, wenn sie –<br />

gottbewahre – abrisse. Dann ab<strong>er</strong> – so das unbeschadet gelänge – wird<br />

einem ewiges Glück und unsagbar<strong>er</strong> Reichtum zuteil.<br />

Halt! Zuvor muß man ihr noch ein Hemdchen und ein Höslein<br />

nähen, sie damit gewanden und sie in ein<strong>er</strong> Schatulle aus Wachold<strong>er</strong>holz<br />

aufbewahren! H<strong>er</strong>nach kann man sie dann jed<strong>er</strong>zeit dies<strong>er</strong> entnehmen, um<br />

von ihr das zu <strong>er</strong>bitten, was g<strong>er</strong>ade günstig <strong>er</strong>scheint (das Abbrennen des Hofes<br />

eines Wid<strong>er</strong>sach<strong>er</strong>s, den Tod eines Rivalen od<strong>er</strong> bloß schnöden Ernte-Erfolg und<br />

unv<strong>er</strong>dienten Wohlstand).<br />

Was benötigt Quastorf mehr als das Glück, daß <strong>er</strong> sich<strong>er</strong> zwanzig<br />

lebensbedrohlichen Situationen entkommen ist. Von vi<strong>er</strong> Totalschäden und<br />

zwei Nahtod-Erfahrungen weiß <strong>er</strong>; von all den and<strong>er</strong>en will <strong>er</strong> garnicht<br />

wissen (sein Kopf ist schon zu voll!). Fast von Vorteil war es da, daß man ihm<br />

unlängst einen Teil seines Gehirnes h<strong>er</strong>ausgekratzt hat. Die alte Narbe von


290<br />

sein<strong>er</strong> Hirnblutung in Jugendjahren haben sie ab<strong>er</strong> belassen, denn die ist<br />

eines sein<strong>er</strong> Markenzeichen!<br />

Auf ein<strong>er</strong> v<strong>er</strong>blaßten Tafel steht: „Diese Richtstätte wurde von 1653 bis<br />

1848 kontinui<strong>er</strong>lich genutzt. Insgesamt 223 Räub<strong>er</strong>, Mörd<strong>er</strong>, Schänd<strong>er</strong> und Viehdiebe<br />

kamen hi<strong>er</strong> zu Tode nach Aburteilung durch das Blutg<strong>er</strong>icht in Zwettl“.<br />

Was geflissentlich nicht Erwähnung findet, ist, daß hi<strong>er</strong> noch 1945<br />

drei russische Soldaten wegen wied<strong>er</strong>holt<strong>er</strong> V<strong>er</strong>gewaltigungs-Taten von d<strong>er</strong><br />

aufgebrachten Bevölk<strong>er</strong>ung gehenkt wurden (nicht von staatlich-besoldeten<br />

B<strong>er</strong>ufshenk<strong>er</strong>n – mehr von idealistischen Hobby-Lynch<strong>er</strong>n), was im daraus folgenden<br />

Racheakt d<strong>er</strong> Russen fünf Einheimischen das Leben mittels<br />

Genickschüssen gekostet hat.<br />

Und was gar niemand hören will: Daß noch 1957 ein Wild<strong>er</strong><strong>er</strong> von<br />

Unbekannt hi<strong>er</strong> aufgeknüpft wurde. Davon wissen nur die damals<br />

Beteiligten; nicht die sein<strong>er</strong>zeit unstrukuri<strong>er</strong>ten Behörden und schon gar<br />

nicht d<strong>er</strong> zufällige Besichtig<strong>er</strong>.<br />

Hi<strong>er</strong> also w<strong>er</strong>den satanistische Riten vollzogen, wo d<strong>er</strong> Boden mit<br />

Urin und Sp<strong>er</strong>ma d<strong>er</strong> letzten Minuten so Viel<strong>er</strong> getränkt ist. Glaubhaft ist<br />

das freilich, denn von den Eisen hängen lange Ketten und inmitten des<br />

grausigen Dreieckes befindet sich eine sichtlich wied<strong>er</strong>holt genützte<br />

Feu<strong>er</strong>stelle mit weit v<strong>er</strong>streuten Tschick-Resten, le<strong>er</strong>en Bi<strong>er</strong>dosen und<br />

Rumflaschen, mit McDonalds-Sack<strong>er</strong>ln, Red Bull-Dosen und befleckten<br />

Unt<strong>er</strong>hosen. Ein Kultplatz, d<strong>er</strong> das H<strong>er</strong>kunftswort kläglich schändet, da die<br />

Kultur hi<strong>er</strong>orts zu wünschen übrig läßt! Hi<strong>er</strong> w<strong>er</strong>den niemehr Alraunen<br />

wachsen; und bald auch kein Gras mehr.<br />

Quastorf blickt <strong>er</strong>schrocken auf seine Taschenuhr; drei vi<strong>er</strong>tel Sechs<br />

ist es inzwischen geworden. Gott sei ihm gnädig! Das ist ja wie in d<strong>er</strong> Sage<br />

vom Thürm<strong>er</strong> zu St. Stephan. Wenn <strong>er</strong> das Da Leone nicht Schlag halb sieben<br />

<strong>er</strong>reicht, ist seine Seele dem Teufel sich<strong>er</strong>; dann hat <strong>er</strong> Krieg mit d<strong>er</strong> ansonst<br />

tol<strong>er</strong>anten Clara. Denn sie haßt nichts mehr als Unpünktlichkeit und <strong>er</strong> muß<br />

<strong>er</strong>st zum Auto und dann noch den Weg üb<strong>er</strong> die vielen Umleitungen nach<br />

Zwettl zuckeln; da nützen die hund<strong>er</strong>tdreißig Pf<strong>er</strong>de und die p<strong>er</strong>fekte<br />

Straßenlage sein<strong>er</strong> geilen roten Flund<strong>er</strong> nur sehr wenig!<br />

4 Während dies<strong>er</strong> meditativen Erkundungen des die Beschaulickeit<br />

dieses entlegenen Ortes <strong>er</strong>heblich störenden Fremdlings hat Frau Vielhab<strong>er</strong>


291<br />

die kleine Kapelle besucht um dort ein K<strong>er</strong>z<strong>er</strong>l zu entzünden, von dessen<br />

Strahlkraft sie sich Beistand durch den Heiligen Leonhard, unt<strong>er</strong> dessen<br />

Patrozinium d<strong>er</strong> hiesige Anbetungsort steht, <strong>er</strong>wartet bezüglich ihres<br />

Sohnes. Am darauf-folgenden Nachhauseweg in d<strong>er</strong> h<strong>er</strong>einbrechenden<br />

Dämm<strong>er</strong>ung lau<strong>er</strong>t ihr d<strong>er</strong> Fux-Poidl auf. Wie ein Teufel aus d<strong>er</strong> Schachtel<br />

springt <strong>er</strong> ihr in den Weg.<br />

„Bist jetzt scho gaunz deppat wuan? Wiaso bind’st denn den Gruftspion de<br />

bleed’n G’schicht’n auf sei neigi<strong>er</strong>iche Nos’n? Wü’st leicht, daß dea do<br />

umanaundasti<strong>er</strong>’lt bei uns? Mia haumm no ollaweu ollas unta uns<br />

ausg’mocht; dafiah brauch’ ma do sicha kane Fremd’n – und nodazua so-an,<br />

dea tuat, wia wonn’a a Kriminosara war!“.<br />

„Geh’ Poidl, loß’ mi bitte in Kraut; i hob g’nua du’achg’mocht mit Dein<br />

Buam, dea ma den mein’ aug’stift hot! Und waunnst lästig bist, kaunn i Di a<br />

auzag’n ois Mitwissa von de G’schicht’n!“.<br />

„Trau de nua; oba daunn host ka guade Stund’ meah!“.<br />

5 Quastorf schafft es mit zwanzig Minuten V<strong>er</strong>spätung in die Pizz<strong>er</strong>ia,<br />

wo Clärchen schon ungeduldig wartet bei Minestrone und ein<strong>er</strong><br />

angebrochenen Flasche Bardolino-Rosé.<br />

„Oh; fast ganz pünktlich, d<strong>er</strong> H<strong>er</strong>r Pensionist, d<strong>er</strong> sich<strong>er</strong> wied<strong>er</strong> sehr viele<br />

unv<strong>er</strong>zichtbare Aufgaben hatte. Früh<strong>er</strong> habe ich ja somanche Wartezeit<br />

hingenommen wegen Dein<strong>er</strong> notwendigen Pflicht<strong>er</strong>füllungen. Ab<strong>er</strong> in<br />

Zukunft wirst Du keine Ausreden mehr haben, wenn Du mich nicht<br />

endgültig v<strong>er</strong>li<strong>er</strong>en willst!“.<br />

Politikwissenschaft und Soziologie kennen halt naturgemäß keine<br />

unaufschieblichen Gegebenheiten; das wird man d<strong>er</strong>en Jüng<strong>er</strong>n nie <strong>er</strong>klären<br />

können, was da so antreibt.<br />

„Mein Lieb; mein Ein und Alles. Du siehst einen zutiefst reumütigen<br />

Sünd<strong>er</strong> zu Deinen liebreizenden Füßen hingeworfen. V<strong>er</strong>weig<strong>er</strong>e mir bitte<br />

nicht die mir zustehende Absolution!“.<br />

Dies<strong>er</strong> Canossa-Gang ob solch<strong>er</strong> Belanglosigkeit läßt schon gewisse<br />

Sorge aufkommen, wie d<strong>er</strong> ansich ethisch gefestigte ehemalige Rechts-


292<br />

Exekutor ihr die Sache mit d<strong>er</strong> Mijou demnächst schmackhaft machen<br />

könnte.<br />

Er rettet sich in die reichhaltige Menue-Karte, die an ein Kochbuch<br />

von La Mama <strong>er</strong>inn<strong>er</strong>t (wie bei Mutt<strong>er</strong>n in bella Italia). H<strong>er</strong>rlich diese<br />

Üb<strong>er</strong>schwänglichkeit, die jed<strong>er</strong> Substanz entbehrt.<br />

„Was haben die denn heute? Pizza mag ich nicht. Spaghetti Vongole<br />

eventuell. Nein, Vitello tonnato; das nehme ich!” wird d<strong>er</strong> geilen Kelln<strong>er</strong>in<br />

mitgeteilt.<br />

Umb<strong>er</strong>to zeigt sich nur abgewandt hint<strong>er</strong> dem Tresen und schickt<br />

lieb<strong>er</strong> seine anregende Fiorella an die Front, denn <strong>er</strong> wird nur ung<strong>er</strong>n durch<br />

die Anwesenheit Quastorfs an seine Entmannung <strong>er</strong>inn<strong>er</strong>t.<br />

Claras Saltimbocca alla Romana war danach ein wenig zäh (wennauch<br />

gemild<strong>er</strong>t von d<strong>er</strong> wund<strong>er</strong>baren Zub<strong>er</strong>eitung durch den jüngst enthafteten Ob<strong>er</strong> Luigi),<br />

ab<strong>er</strong> das Vitello war h<strong>er</strong>ausragend. Fiorella bringt danach unaufgeford<strong>er</strong>t<br />

<strong>er</strong>neut Bardolino mit d<strong>er</strong> Frage:<br />

„Tiramisu, wenn-e gefällig-e?“. Nur das nicht; d<strong>er</strong> Sod brennt schon die<br />

mühsam schluckenden Schlünde hinauf wie das Feu<strong>er</strong> in Hephaistos<br />

Schmiede-Schlot.<br />

„Ist d<strong>er</strong> Chef schon wied<strong>er</strong> voll einsatzfähig?“ ätzt Quastorf – wohlwissend<br />

daß dessen sexuelle Zuwendungen Fiorella gegenüb<strong>er</strong> niewied<strong>er</strong> das bieten<br />

w<strong>er</strong>den können, was einst war; doch nun hat sie ja ihren Luigi.<br />

Aufgrund sein<strong>er</strong> V<strong>er</strong>letzung wird <strong>er</strong> in Zukunft nur mehr sehr<br />

friedlich sein, da ihm die für anstrebensw<strong>er</strong>te Lustbarkeiten <strong>er</strong>ford<strong>er</strong>lichen<br />

Hormone fehlen durch Luigis Gewaltakt.<br />

Und d<strong>er</strong> Luigi ist nach all den Ereignissen im letzten Fall auch nicht<br />

mehr so recht nach Fiorellas Geschmack, denn <strong>er</strong> war zwar froh, daß sie<br />

vom Umb<strong>er</strong>to wied<strong>er</strong> zu ihm gewechselt ist, ab<strong>er</strong> die <strong>er</strong>hofften Bambini<br />

v<strong>er</strong>weig<strong>er</strong>t <strong>er</strong> ihr, da sie ihn in sein<strong>er</strong> Flexibilität einengen würden. Ab<strong>er</strong> das<br />

weiß Quastorf nicht und es betrifft ihn auch nur mäßig und somit fragt <strong>er</strong><br />

nicht nach und genießt nur die Optik ihr<strong>er</strong> kulinarischen Äuß<strong>er</strong>lichkeit. Das<br />

all<strong>er</strong>dings führt zu bissigen Bem<strong>er</strong>kungen Claras, die schon seit Beginn des<br />

Essens die von Fiorellas Rundungen f<strong>er</strong>ngesteu<strong>er</strong>ten Blicke ihres<br />

Gesponsen mißgelaunt v<strong>er</strong>folgt, denn Männ<strong>er</strong> sind oft ungeschickt.


293<br />

Danach noch den Rest des Bardolino und heim ins G’schwendt, wo<br />

d<strong>er</strong> Holzkamin wild aufbull<strong>er</strong>t nach Einw<strong>er</strong>fen gewaltig<strong>er</strong> Holzscheite. Auf<br />

den etwas zu rustikalen Lamm-Fellen läßt sich’s freilich gemütlich kuscheln.<br />

Nunmehr ist jegliche Fehde d<strong>er</strong> V<strong>er</strong>gessenheit anheimgefallen in<br />

ozeanischen Gemeinsamkeiten. Quastorf ist in heftigen Zweifeln v<strong>er</strong>woben,<br />

ob das schwarze Schamhaar Claras od<strong>er</strong> das angrauende blonde d<strong>er</strong> Mijou<br />

anregend<strong>er</strong> wäre. Im Zweifel beide! Das d<strong>er</strong> Fiorella darf <strong>er</strong> sich garnicht<br />

<strong>er</strong>st vorstellen, wenn <strong>er</strong> üb<strong>er</strong>leben will.<br />

6 Früh auf und d<strong>er</strong> Sonntag v<strong>er</strong>läuft beschaulich<strong>er</strong>. Man plaud<strong>er</strong>t nach<br />

langem wied<strong>er</strong> und philosophi<strong>er</strong>t wie in alten Zeiten. Das ist es, was<br />

Quastorf so schätzt an seinem Clärchen. Ein gemeinsam<strong>er</strong> Brunch in<br />

Rappoltsgschwendt und noch einige innige Küsse zum Abschied.<br />

Clara muß jetzt wied<strong>er</strong> nach Wien ans Institut und Quastorf darf die<br />

Physioth<strong>er</strong>apeuten in Lilienkron auch nicht zu lange warten lassen. Ach ja,<br />

Sonntag ist gottseidank th<strong>er</strong>apiefrei und so schleicht <strong>er</strong> wie d<strong>er</strong><br />

schuldbewußte Streun<strong>er</strong> auf sein Zimm<strong>er</strong> und liest in seinen mitgebrachten<br />

Büch<strong>er</strong>n üb<strong>er</strong> Zen – od<strong>er</strong> die Kunst ein Motorrad zu warten, P<strong>er</strong> Anhalt<strong>er</strong> duch die<br />

Galaxis und in sämtlichen W<strong>er</strong>ken Carlos Castanedas. Er liebt es,<br />

unbeschw<strong>er</strong>t in fünf bis acht Büch<strong>er</strong>n jeweils zwanzig Seiten zu lesen (ohne<br />

fixe Reihenfolge), denn das beflügelt seinen Geist. Leid<strong>er</strong> weiß man danach<br />

nicht mehr, was man wann und wo gelesen hat; ab<strong>er</strong> das hat keinen<br />

Nachteil. All<strong>er</strong>dings weiß <strong>er</strong> nach solchen Nächten auch nicht mehr, was<br />

davon <strong>er</strong> gelesen, <strong>er</strong>lebt, <strong>er</strong>funden od<strong>er</strong> geträumt hätte.<br />

7 Frühstück alleine; Mijou ist nirgends zu sehen. D<strong>er</strong> schwitzende<br />

Rab<strong>er</strong>g<strong>er</strong> stürzt sich sofort auf ihn und macht ihm eine Shiatsu-Massage, im<br />

Rahmen d<strong>er</strong><strong>er</strong> <strong>er</strong> ihm mit seinen neunzig Kilo Lebendgewicht üb<strong>er</strong> den<br />

schm<strong>er</strong>zenden Rücken – von einem Gehstock stabilisi<strong>er</strong>t – schreitet, daß<br />

die Rippengelenke an d<strong>er</strong> ohnehin gesunden Wirbelsäule nur so krachen.<br />

Danach wird <strong>er</strong> von d<strong>er</strong> fürsorglichen Frau Gi<strong>er</strong>ing<strong>er</strong> mit dem <strong>er</strong>hitzten<br />

heilsamen Moorschlick aus d<strong>er</strong> Gegend eingepappt, daß ihm d<strong>er</strong> Kreislauf<br />

langsam v<strong>er</strong>sackt. Gut, daß das alles die Krankenkasse bezahlt, denn für<br />

soviele Unannehmlichkeiten würde Quastorf nicht g<strong>er</strong>ne sein hartv<strong>er</strong>dientes<br />

Geld ausgeben. Ab<strong>er</strong> welchen Nutzen das für sein op<strong>er</strong>i<strong>er</strong>tes Gehirn haben<br />

sollte, bleibt ihm v<strong>er</strong>schlossen.


294<br />

Mijou <strong>er</strong>eilt ihn am Mittags-Buffet mit ihr<strong>er</strong> H<strong>er</strong>zlichkeit.<br />

„Wo warst Du denn üb<strong>er</strong>’s Wochenende; ich habe mich so nach Dir<br />

gesehnt, Du alt<strong>er</strong> Rack<strong>er</strong>?!“.<br />

So etwas hört jed<strong>er</strong> Mensch g<strong>er</strong>ne, ab<strong>er</strong> wenn dies<strong>er</strong> Mensch ein<br />

Mann ist, zufällig Quastorf heißt und zwischen zwei Frauen z<strong>er</strong>rissen ist, die<br />

seltsam<strong>er</strong>weise Ähnliches wollen, sind d<strong>er</strong>lei Worte eh<strong>er</strong> unzulässige<br />

Ford<strong>er</strong>ungen denn <strong>er</strong>hoffte Zuwendungen. Ein wenig Kockett<strong>er</strong>ie des<br />

Begehrtw<strong>er</strong>dens spielt dabei natürlich imm<strong>er</strong> auch eine gewisse Rolle.<br />

Und mit d<strong>er</strong> langsam wachsenden Prostata wächst auch in Quastorf<br />

die Erkenntnis, wie segensreich die presbyt<strong>er</strong>ianische Bindungslosigkeit d<strong>er</strong><br />

Heiligmäßigen sein könnte. Ab<strong>er</strong> noch ist <strong>er</strong> nicht ganz so weit, denn diese<br />

Gedanken müssen <strong>er</strong>st reifen in ihm.<br />

„Ich war kurz im Amt, ein wenig Aktenstaub schnupp<strong>er</strong>n; und Clara wollte<br />

ich treffen, da ich einiges mit ihr auszureden hatte!“ sagt Quastorf nicht<br />

ganz Zutreffendes, denn <strong>er</strong>stens hat <strong>er</strong> eben g<strong>er</strong>ade dieses sorgsam<br />

v<strong>er</strong>mieden und zudem offenbart <strong>er</strong> Mijou nicht, daß <strong>er</strong> am Wochenende<br />

<strong>er</strong>neut am and<strong>er</strong>en Kirtag getanzt hat.<br />

Das bedrückt ihn einig<strong>er</strong>maßen, denn <strong>er</strong> neigt üblich<strong>er</strong>weise eh<strong>er</strong> zu<br />

Klarheit und schonungslos<strong>er</strong> Ehrlichkeit, die im gegebenen Fall<br />

möglich<strong>er</strong>weise etwas zu kurz kommt. Mehr<strong>er</strong>e Frauen gleichzeitig förden<br />

nicht unbedingt den Hang zur Ehrlichkeit; wie kommt <strong>er</strong> da h<strong>er</strong>aus?<br />

V<strong>er</strong>zichten will <strong>er</strong> auf keine d<strong>er</strong> beiden und v<strong>er</strong>letzen will <strong>er</strong> sie schon gar<br />

nicht!<br />

Mijou ist aufgrund ihres Alt<strong>er</strong>s und ihr<strong>er</strong> Lebensumstände b<strong>er</strong>eits in<br />

einem Zustand d<strong>er</strong> Weisheit, d<strong>er</strong> d<strong>er</strong>lei Hürden vorausahnt und zu<br />

v<strong>er</strong>zeihend<strong>er</strong> Milde neigt. Sie will es ihm <strong>er</strong>leicht<strong>er</strong>n und so m<strong>er</strong>kt sie nur<br />

spitz an „Männ<strong>er</strong> w<strong>er</strong>den mit dem Fortschreiten d<strong>er</strong> Jahre zwar oft<br />

<strong>er</strong>fahren<strong>er</strong> und damit int<strong>er</strong>essant<strong>er</strong> ab<strong>er</strong> nicht unbedingt v<strong>er</strong>mehrt H<strong>er</strong>r üb<strong>er</strong><br />

ihre hormonelle Geworfenheit. Ihr laßt halt imm<strong>er</strong>wied<strong>er</strong> den Schwanz für<br />

Euch denken. Das führt oftmals zu durchaus schönen Erlebnissen, ab<strong>er</strong> hat<br />

natürlich auch den Nachteil, daß daraus somanch<strong>er</strong> Schm<strong>er</strong>z resulti<strong>er</strong>t!<br />

Mach Dir wegen mir keine Gedanken; die Zeit mit Dir hat mir wirklich viel<br />

gebracht, was ich bish<strong>er</strong> leid<strong>er</strong> v<strong>er</strong>missen mußte, ab<strong>er</strong> ich w<strong>er</strong>de Dich sich<strong>er</strong><br />

nicht in Ketten legen! Laß uns genießen, was uns geschenkt wird in d<strong>er</strong>


295<br />

kurzen Zeit; und Reue wäre wahrlich ein schlecht<strong>er</strong> Wegweis<strong>er</strong> in diesem<br />

Zusammenhang!“.<br />

Quastorf ist beschämt von soviel Tol<strong>er</strong>anz und nimmt sie zärtlich in<br />

seine Arme. Wo findet man noch d<strong>er</strong>art weise Frauen, die kein<strong>er</strong>lei<br />

Zickenhaftigkeit notwendig haben, um ihren mangelnden Selbstw<strong>er</strong>t<br />

auszugleichen? Und kein<strong>er</strong>lei unnötiges Weibchen-Getue, von dem nur<br />

Frauen glauben, daß sich das Männ<strong>er</strong> von ihnen <strong>er</strong>warten – einfach<br />

wohltuend diese Unkomplizi<strong>er</strong>theit!<br />

Und in d<strong>er</strong> Routine d<strong>er</strong> Kur geht es in ähnlich<strong>er</strong> Weise weit<strong>er</strong> die<br />

ganze Woche bis Freitag. Nach dem Mittagessen will <strong>er</strong> seine liebe<br />

Kurschattin mit sein<strong>er</strong> Gegenwart beschäftigen und macht einen Vorschlag<br />

zur Freizeitgestaltung.<br />

„Was hältst Du von einem kleinen Ausflug in die Umgebung?“ leitet<br />

Quastorf zu Unv<strong>er</strong>fänglich<strong>er</strong>em üb<strong>er</strong>. Denn sie fragt ihn unt<strong>er</strong>schwellig<br />

nach sein<strong>er</strong> Beziehung zu Clara aus, was ihm nicht sehr entgegenkommt.<br />

„Nach Lilienkreuz nocheinmal, denn das war doch sehr romantisch“.<br />

Sie näh<strong>er</strong>n sich heute von d<strong>er</strong> Moorebene an die Hint<strong>er</strong>seite des<br />

Klost<strong>er</strong>s, das auf einem hohen Felsplateau aufragt. Auf schwankenden<br />

Knüppelpfaden krümmt sich d<strong>er</strong> Pfad durch den stellenweise b<strong>er</strong>eits leicht<br />

v<strong>er</strong>eisten Sumpf. Die Hint<strong>er</strong>front ist wenig ansprechend. Eine mächtige<br />

Trutzmau<strong>er</strong>, die teilweise v<strong>er</strong>fallen wirkt, schreckt die sich Annäh<strong>er</strong>nden ein<br />

wenig ab. Beim Umrunden des ausgedehnten Gemäu<strong>er</strong>s muß man üb<strong>er</strong><br />

Stock und Stein, was sehr <strong>er</strong>müdend ist. Das Licht wird langsam grau<strong>er</strong>, da<br />

sie mehr Zeit als <strong>er</strong>hofft für ihren Rundgang benötigen. Langsam fallen<br />

Nebelschwaden ein zwischen den schütt<strong>er</strong> stehenden Eb<strong>er</strong>eschen, den alten<br />

Fichten, von d<strong>er</strong>en kräftigen Ästen graue Flechten hängen; den weit<br />

ausladenden tiefgrün bemoosten Eichen und den weit<strong>er</strong> unten – gegen das<br />

Moor hin – stehenden grauen Erlen mit ihren holzigen Früchten.<br />

Auf relativ kleinem Raum ein hart<strong>er</strong> Gegensatz dies<strong>er</strong> kräftigen<br />

Bäume gegenüb<strong>er</strong> d<strong>er</strong>en kleinwüchsigen Geschwist<strong>er</strong>n unten im Moor, die<br />

aufgrund des dortigen Nährstoffmangels in Jahrhund<strong>er</strong>ten nicht schaffen<br />

w<strong>er</strong>den, was denen im saftigen Waldboden in wenigen Jahrzehnten<br />

mühelos gelingt. Man kommt ganz schön ins Schwitzen bei d<strong>er</strong><br />

Anstrengung, trotzdem die Luft jetzt m<strong>er</strong>klich kält<strong>er</strong> und imm<strong>er</strong> feucht<strong>er</strong><br />

wird. Und aus Richtung d<strong>er</strong> Burg v<strong>er</strong>meint man mantrisch murmelnde


296<br />

Stimmen zu v<strong>er</strong>nehmen, die im G<strong>er</strong>äusch des Windes auf und nied<strong>er</strong><br />

schwanken.<br />

„Hörst Du das auch? Das ist mir jetzt ziemlich unheimlich. Ganz warm<br />

w<strong>er</strong>de ich nie mit dem Waldvi<strong>er</strong>tel w<strong>er</strong>den. Diese oftmals besunge Mystik<br />

birgt auch so manchen Schrecken in sich!“ ist Mijous leicht besorgte Frage<br />

an den starken Helden zu ihr<strong>er</strong> Seite in d<strong>er</strong> aufkommenden Dämm<strong>er</strong>ung.<br />

„Ja schon, ab<strong>er</strong> das sind die üblichen Sinnestäuschungen, wie sie Städt<strong>er</strong>n<br />

wie Dir ständig wid<strong>er</strong>fahren in ungewohnt<strong>er</strong> Waldesruhe. Das hat man in<br />

Stinkpölten nicht; hab’ ich recht?“.<br />

Mijou lebt seit ihr<strong>er</strong> Pensioni<strong>er</strong>ung in d<strong>er</strong> neuen Landes-Hauptstadt,<br />

d<strong>er</strong>en Markenzeichen d<strong>er</strong> intensive Gestank nach M<strong>er</strong>kaptanen ist, die von<br />

d<strong>er</strong> seit Jahren – trotz mehr<strong>er</strong><strong>er</strong> Eingaben durch Umweltschütz<strong>er</strong> und<br />

regelmäßig darauf anläßlich Wahlen folgend<strong>er</strong> nahezu glaubhaft<strong>er</strong><br />

Beteu<strong>er</strong>ungen d<strong>er</strong> zuständigen Umweltpolitik<strong>er</strong> – nicht sani<strong>er</strong>ten<br />

Glanzstoff-Fabrik stammen.<br />

Ab<strong>er</strong> ganz sich<strong>er</strong> ist sich auch Quastorf kaum und <strong>er</strong> traut seinen<br />

eigenen Beschwichtigungsv<strong>er</strong>suchen nicht, zumal man imm<strong>er</strong> deutlich<strong>er</strong><br />

fremdländische Sprechchöre aufbrausen hört. Offenkundig ein bloß<br />

psychologisches Phänomen ohne jede Bedeutung. Erzeugt durch vom<br />

Wind rhythmisi<strong>er</strong>te Naturg<strong>er</strong>äusche, d<strong>er</strong>en Schwingungen sich mittels<br />

akustisch<strong>er</strong> Int<strong>er</strong>f<strong>er</strong>enzen teils aufschaukeln und teils auslöschen.<br />

Zusätzlich eine sinndeutende Wahrnehmungs-V<strong>er</strong>arbeitung im<br />

Gehirn, die sämtliche Int<strong>er</strong>pretationen <strong>er</strong>möglicht. Man kennt das, wenn<br />

man bei Bahnreisen aus dem rhythmischen Pochen d<strong>er</strong> Räd<strong>er</strong> auf den<br />

Schienen-Trennfugen zunächst einfache Tonfolgen, dann Melodien und<br />

schließlich bekannte Symphonien mit groß<strong>er</strong> Orchestri<strong>er</strong>ung h<strong>er</strong>auszuhören<br />

v<strong>er</strong>meint. Dazu das etwas unheimliche Szenario d<strong>er</strong> steil aufragenden<br />

abweisenden Klost<strong>er</strong>mau<strong>er</strong>n.<br />

Es wäre bess<strong>er</strong>, wenn man den Rückweg anträte, sonst v<strong>er</strong>staucht<br />

sich noch ein<strong>er</strong> den Knöchel an ein<strong>er</strong> üb<strong>er</strong>sehenen Wurzel od<strong>er</strong> in einem<br />

üb<strong>er</strong>wachsenen Fuchsloch.<br />

Rasch fällt d<strong>er</strong> fri<strong>er</strong>ende Abend ein, ab<strong>er</strong> man hat Glück im Unglück.<br />

Trotz fehlenden Mondes v<strong>er</strong>breiten die Nebel ein diffuses Streulicht, sodaß<br />

es beizeiten gelingt, den Wand<strong>er</strong>weg zu finden. Jetzt können sich die zwei


297<br />

v<strong>er</strong>irrten Seelen an den weißgetünchten Kreuzwegstationen und danach am<br />

hellen Asphalt d<strong>er</strong> Straße orienti<strong>er</strong>en.<br />

Die Heimleitung war schon in Sorge, da beide v<strong>er</strong>mißt wurden beim<br />

Abendessen und schon öft<strong>er</strong> leichtf<strong>er</strong>tige Kurgäste die Tücken d<strong>er</strong> Gegend<br />

beiweitem unt<strong>er</strong>schätzt haben. Einmal ist es sogar vorgefallen, daß eine<br />

ganze Gruppe aus sechs Wand<strong>er</strong><strong>er</strong>n vom Knüppelpfad abgekommen ist, da<br />

sie auf Licht<strong>er</strong> zugingen, die sie für <strong>er</strong>leuchtete Fenst<strong>er</strong> hielten.<br />

Das waren ab<strong>er</strong> die selbst den Ortsunkundigen nicht v<strong>er</strong>trauten<br />

sogenannten Irrlicht<strong>er</strong>. Ein nur in Sümpfen, Faulschlämmen und Mooren<br />

auftretendes Phänomen, ausgelöst durch sehr giftige gasförmige<br />

Diphosphine, die bei Kontakt mit Sau<strong>er</strong>stoff zur Selbstentzündung neigen.<br />

Die kann man auch riechen, wenn man sich auskennt, denn nicht jed<strong>er</strong><br />

Knoblauch-G<strong>er</strong>uch in Feuchtbiotopen stammt von Bärlauch-Feld<strong>er</strong>n! Das<br />

Diphosphin dient wied<strong>er</strong>um dem all<strong>er</strong>orten reichlich vorhandenen<br />

Sumpfgas Methan als Zündmittel und so wand<strong>er</strong>n bei richtigen<br />

Wett<strong>er</strong>bedingungen wahre Lauffeu<strong>er</strong> üb<strong>er</strong> die wenig tragfähigen<br />

Ob<strong>er</strong>flächen des Morastes.<br />

Wehe dem, d<strong>er</strong> diesen hint<strong>er</strong>h<strong>er</strong>eilt. Zu <strong>er</strong>wähnen wären auch noch<br />

die Leuchtschwämme, die ihre Strahlkraft d<strong>er</strong> ihnen innewohnenden<br />

Fähigkeit zu Bioluminiszenz v<strong>er</strong>danken. Eine selten Fähigkeit div<strong>er</strong>s<strong>er</strong><br />

Organismen, mittels Lucif<strong>er</strong>ase Lucif<strong>er</strong>ine zu sythetisi<strong>er</strong>en; ab<strong>er</strong> das gehört<br />

gewiß nicht hi<strong>er</strong>h<strong>er</strong> und betrifft nur Glühwürmchen, Leuchtbakt<strong>er</strong>ien,<br />

Leuchtalgen und eben besagte Pilze!<br />

Das Röhren d<strong>er</strong> V<strong>er</strong>stärk<strong>er</strong>anlage, die Death Metal in die gesamte<br />

Gegend v<strong>er</strong>schleud<strong>er</strong>t, hören die beiden nicht mehr, denn da sitzen sie<br />

schon beim Nachtmahl in d<strong>er</strong> Sich<strong>er</strong>heit d<strong>er</strong> dickwandigen Hotelanlage.<br />

8 Zunächst fängt alles ganz unv<strong>er</strong>fänglich an in Lilienfels.<br />

Vorb<strong>er</strong>eitungen wie für eine ganz normale Party unt<strong>er</strong> Jugendlichen.<br />

Getränkekisten, Knabb<strong>er</strong>gebäck-Säcke, billige Pappbech<strong>er</strong>, kitschige<br />

Licht<strong>er</strong>ketten und ein Stromgen<strong>er</strong>ator w<strong>er</strong>den h<strong>er</strong>beigeschleppt aus den<br />

vielen Kombis, mit denen man ang<strong>er</strong>eist gekommen ist. Die b<strong>er</strong>eits<br />

vorhandenen Bi<strong>er</strong>tische und die z<strong>er</strong>legbaren Grill<strong>er</strong>, die in einem Gewölbe<br />

gelag<strong>er</strong>t wurden, w<strong>er</strong>den nun zusammengebaut und aufgestellt, die<br />

b<strong>er</strong>eitstehende Holzkohle angefacht, die Licht<strong>er</strong>ketten aufgehängt und an


298<br />

den Stromgen<strong>er</strong>ator gemeinsam mit den Getränkekühl<strong>er</strong>n angeschlossen<br />

(das macht d<strong>er</strong> Sulzgrub<strong>er</strong> Peppi, denn d<strong>er</strong> ist Elektrik<strong>er</strong>).<br />

Die Nadine (hi<strong>er</strong>orts sagen sie auch wortgetreu Nadine und nicht Nadin)<br />

Sauschlag<strong>er</strong> bezieht die Tische mit schwarzen Tüch<strong>er</strong>n, deckt das schwarze<br />

Pappgeschirr auf und stellt die ebenfalls schwarzen K<strong>er</strong>zen in die roten<br />

Leucht<strong>er</strong> (woh<strong>er</strong> man das viele schwarze Zeug beziehen kann, muß ein Rätsel bleiben,<br />

da d<strong>er</strong> Absatz-Markt dafür klein sein dürfte). Die teuren – von den Elt<strong>er</strong>n<br />

finanzi<strong>er</strong>ten – Design<strong>er</strong>-Klamotten müssen heute unt<strong>er</strong> schwarzen Kutten<br />

v<strong>er</strong>borgen w<strong>er</strong>den, die d<strong>er</strong> Rohring<strong>er</strong> Michl an alle ausgibt. Dezent<strong>er</strong> Black-<br />

Sabbath-Sound im Hint<strong>er</strong>grund vom DJ-Schmatzi – Omen – danach<br />

Sepultura bis zum Hörsturz.<br />

Um 6:66 (also eigentlich siebenuhr-sechs) pünktlich tritt d<strong>er</strong> Magus<br />

mit echtem Widd<strong>er</strong>gehörn an d<strong>er</strong> peinlichen Polyest<strong>er</strong>-Teufels-Maske auf,<br />

reckt seine zwei malaijschen Krise gekreuzt gen Himmel und entläßt einen<br />

langtönigen gutturalen Wolfslaut in die beginnende Nacht, daß jedem<br />

saturi<strong>er</strong>ten Christenmenschen das Mark im Bein anfröre, so ein<strong>er</strong> zugegen<br />

wäre. Goldenes Hexenkreuz um den Hals an lang<strong>er</strong> Kette ist obligat. Die<br />

hi<strong>er</strong> anwesenden christlich inkulturi<strong>er</strong>ten Unorienti<strong>er</strong>ten plagt das freilich<br />

wenig.<br />

Am stein<strong>er</strong>nen Altartisch w<strong>er</strong>den nun von zwei Helf<strong>er</strong>n<br />

hint<strong>er</strong>einand<strong>er</strong> lebende Katzen plazi<strong>er</strong>t (angelief<strong>er</strong>t in mehr<strong>er</strong>en Erdäpfelsäcken),<br />

die eine nach d<strong>er</strong> and<strong>er</strong>en von ihren ängstlich miezenden Köpfen mittels<br />

Ritual-Beil befreit w<strong>er</strong>den, daß ihr Blut langsam alles üb<strong>er</strong>zieht; auch die<br />

scharlachrote Kutte des Magus.<br />

Auf diesem unappetitlichen Bett läßt sich h<strong>er</strong>nach die vollkommen<br />

entkleidete Erding<strong>er</strong> Eveline hinfesseln mit nach oben v<strong>er</strong>bogenen Armen<br />

und nach unten <strong>er</strong>wartungsvoll gespreizten Schenkeln (eine durchaus anregende<br />

und allseits beliebte Zahnarzt-Assistentin aus Garsting) und dreizehn entweihten<br />

Hostien am gänsehäutigen Bauch. Ihre Brustwarzen sind knorpelhart<br />

<strong>er</strong>igi<strong>er</strong>t (sei es durch die Erregung od<strong>er</strong> eh<strong>er</strong> wahrscheinlich durch die h<strong>er</strong>bst-nächtliche<br />

Kälte?).<br />

Nun beginnen die Sprechgesänge in fremden Zungen, die von den<br />

schlichten Gemüt<strong>er</strong>n nur mühsam gem<strong>er</strong>kt und somit oftmals<br />

sinnentfremdend reziti<strong>er</strong>t w<strong>er</strong>den, was all<strong>er</strong>dings egal ist, da sie ohnehin<br />

niemand v<strong>er</strong>steht:


299<br />

“Gasaleti, p<strong>er</strong>iphrasti, surogatis torelei;<br />

fonasatis, holomasti turanpathis kopulei.<br />

Coratanis, fellumsate, tun<strong>er</strong>is inretine,<br />

insumptiso gorgolini still<strong>er</strong>is subsetine!<br />

Volumpatis torquefonti riminem infibuli,<br />

equat mimbro usiquido stadifortis clituli.<br />

Etse tombes effligate rates e vulviganum<br />

fotis in p<strong>er</strong>pegria sat<strong>er</strong> in ancipubum.<br />

Viligeste mastifratus humoretis satanoi;<br />

Nosf<strong>er</strong>atus imagosus tanaphosi numinoi!“.<br />

Das stammt freilich nicht aus dem sprachlichen Fundus d<strong>er</strong><br />

vampirösen Gräfin Erszebeth Köszegy, in d<strong>er</strong>en Ruinen dieses Fest illegal<br />

stattfindet, denn die war eh<strong>er</strong> nur nazimäßig p<strong>er</strong>v<strong>er</strong>s und ansonst sehr<br />

schlicht begabt. Zudem ist die lange v<strong>er</strong>schollen und sich<strong>er</strong> schon<br />

v<strong>er</strong>storben.<br />

Ab<strong>er</strong> ihr unselig<strong>er</strong> Geist schwebt halt irgendwie üb<strong>er</strong> den Köpfen d<strong>er</strong><br />

fadisi<strong>er</strong>ten Jugendlichen, die ihr ehemaliges Anwesen seit Jahren langsam<br />

devasti<strong>er</strong>en. D<strong>er</strong> Text ab<strong>er</strong> entstammt d<strong>er</strong> Fed<strong>er</strong> des Altphilologen<br />

Professor Karl Raiding<strong>er</strong> – ein Glanzstück; fast die Krone seines<br />

Lebensw<strong>er</strong>kes. Zweitausend Zweizeil<strong>er</strong> obig<strong>er</strong> Qualität hat <strong>er</strong> geschaffen<br />

(w<strong>er</strong> kann das schon von sich ehrlich<strong>er</strong>weise behaupten?). Er fühlt sich einfach wohl<br />

in dies<strong>er</strong> Gesellschaft von begeist<strong>er</strong>ungsfähigen Jugendlichen, die ihm von<br />

Urtümlichkeit kündet.<br />

D<strong>er</strong> Magus heißt Otto Donn<strong>er</strong>baum und ist d<strong>er</strong> neue Leichenknecht<br />

(offiziell schön<strong>er</strong> benannt: Bestattungs-Gehilfe) beim Totengräb<strong>er</strong> Erding<strong>er</strong>. D<strong>er</strong><br />

packt nun das Gemächt weg, nachdem <strong>er</strong> die Hostien mit seinem Exsudat<br />

üb<strong>er</strong> und üb<strong>er</strong> benetzt und so an Evelines Bauch geklebt hat.<br />

Das Fest dau<strong>er</strong>t noch viele Stunden und man <strong>er</strong>götzt sich an<br />

gegrillten Katzen-Kadav<strong>er</strong>n, mitgebrachtem Junk-Food von ähnlich<strong>er</strong><br />

Qualität, lit<strong>er</strong>weise Zwettl<strong>er</strong> und Cola-Rum, bis auch die letzten Flaschen


300<br />

voll sind. Die gläs<strong>er</strong>nen hingegen landen entle<strong>er</strong>t zwischen den alten<br />

Gemäu<strong>er</strong>n und müssen sich dort den Platz mit menschlichem Kot, Urin,<br />

vollgesogenem Hygienebedarf, v<strong>er</strong>sudelten Dessous und Erbrochenem<br />

teilen. Genächtigt wird in den kalten Gemäch<strong>er</strong>n d<strong>er</strong> Ruine in ranzigen<br />

Schlafsäcken und gegen Morgen wanken die meisten teilbekleidet zu ihren<br />

Kutschen und fahren mit schw<strong>er</strong>em Restalk auf Schleichwegen heim in ihre<br />

v<strong>er</strong>schlafenen Dörf<strong>er</strong>, wo sie sich geschickt vor Elt<strong>er</strong>n und Vorgesetzten<br />

v<strong>er</strong>stellen.<br />

9 Man könnte eigentlich an diesem Wochenende ein wenig die Seelen<br />

baumeln lassen. Zunächst Biofrühstücks-Buffet, bei dem alle Happen mit<br />

kleinen Fähnchen v<strong>er</strong>sehen sind, auf denen ihre Joule-, Spurenelemente-<br />

und Antioxidantien-Angaben genau aufgelistet sind (w<strong>er</strong> diese so genau kennen<br />

will, steht auf einem and<strong>er</strong>en Blatt).<br />

Was soll das bringen, wenn mittags und abends d<strong>er</strong> Maitre Edi<br />

Bampfing<strong>er</strong> wied<strong>er</strong> seine drei Hauben auftischt (gut, man könnte entgegnen, daß<br />

Hauben sich<strong>er</strong> nur wenige Kilo-Joule haben; ab<strong>er</strong> diese Hauben sind bekanntlich sehr<br />

schmackhaft und leid<strong>er</strong> auch einig<strong>er</strong>maßen üppig; wenig<strong>er</strong> quantitativ denn inhaltlich!).<br />

Doch aus un<strong>er</strong>findlichen Gründen w<strong>er</strong>den an diesem Samstag auch<br />

wied<strong>er</strong> anstrengende Kurbehandlungen v<strong>er</strong>pflichtend angeboten. Also hin<br />

zum Morgenprogramm: Aqua-Biking (wozu man das übt, ist Quastorf gänzlich<br />

un<strong>er</strong>klärlich, denn niemand wird je in die Zwangslage g<strong>er</strong>aten, unt<strong>er</strong> Wass<strong>er</strong> Rad fahren<br />

zu müssen).<br />

Halt, da <strong>er</strong>inn<strong>er</strong>t sich d<strong>er</strong> Pensionär plötzlich, wie <strong>er</strong> als<br />

Fünfzehnjährig<strong>er</strong> im Arbeit<strong>er</strong>strandbad am Gänsehäufel die Wass<strong>er</strong>rutsche<br />

mit dem Steyr<strong>er</strong>-Waffenrad hiunt<strong>er</strong>gefahren ist und unt<strong>er</strong> Wass<strong>er</strong><br />

weit<strong>er</strong>fahren wollte, was sehr anstrengend war und den Nachteil hatte, daß<br />

<strong>er</strong> vor den aufgebrachten Badewascheln nur mühsam flüchten konnte; sein<br />

armes Rad ab<strong>er</strong> wurde sein<strong>er</strong>zeit kurz<strong>er</strong>hand konfiszi<strong>er</strong>t und in den Bezirks-<br />

Kott<strong>er</strong> gesp<strong>er</strong>rt, bis <strong>er</strong> die zehn Schilling Strafe beisammen hatte, um es<br />

auszulösen; denn es hat böse Ölflecken im Schwimmbecken hint<strong>er</strong>lassen!<br />

Ab<strong>er</strong> dies<strong>er</strong> V<strong>er</strong>lust des Taschengeldes von einem halben Monat war<br />

die kurze glanzvolle P<strong>er</strong>formance vor den pub<strong>er</strong>ti<strong>er</strong>enden Mädels damals<br />

sich<strong>er</strong> w<strong>er</strong>t, denn das hat sich nach ihm kein<strong>er</strong> mehr getraut! So blöde


301<br />

Aktionen hat <strong>er</strong> damals öft<strong>er</strong> gelief<strong>er</strong>t um sich zu spüren od<strong>er</strong> um den<br />

pub<strong>er</strong>ti<strong>er</strong>enden Mädchen zu imponi<strong>er</strong>en.<br />

Heute, in ein<strong>er</strong> Zeit d<strong>er</strong> absoluten Reglementi<strong>er</strong>ung sämtlich<strong>er</strong><br />

Lebensb<strong>er</strong>eiche wäre d<strong>er</strong>lei absolut undenkbar. Diese Freiheit damals hatte<br />

schon ihre schlichten Qualitäten! Ansonst wurde in d<strong>er</strong> Nachkriegszeit die<br />

Freiheit nicht sehr großgeschrieben; ab<strong>er</strong> man hat halt gelegentlich<br />

Schlupflöch<strong>er</strong> gefunden als Schlurf und spät<strong>er</strong> als Gamml<strong>er</strong>.<br />

Wied<strong>er</strong> Mohr (od<strong>er</strong> Moor?) im Hemd. Denn üb<strong>er</strong> die Moorpackung<br />

w<strong>er</strong>den große Leinentüch<strong>er</strong> gewickelt, daß man nach zwanzig Minuten<br />

glaubt, daran <strong>er</strong>sticken zu müssen. Danach Rückenmassage von Frau<br />

H<strong>er</strong>tha Gi<strong>er</strong>ing<strong>er</strong> (härtha als hart). Gottseidank alla Krankenkasse mit<br />

Massageöl und nicht wie in teu<strong>er</strong>-trendigen Wellness-Hotels mit heiß<strong>er</strong><br />

Schokolade; od<strong>er</strong> gar Blattgold-Massage mit Fruchtsäuren, daß das ganze Gesicht<br />

wund ist und man h<strong>er</strong>nach aussieht wie d<strong>er</strong> arme König Tut-Ench-Ammun<br />

nach 3344 Jahren in seinem engen Sarkophag.<br />

Kräut<strong>er</strong>tee von d<strong>er</strong> guten Hildegard. Also nicht, daß die alte<br />

Bingen<strong>er</strong>in jetzt diesen p<strong>er</strong>sönlich kredenzen würde, ab<strong>er</strong> angeblich nach<br />

ihren Vorschlägen, von denen niemand so recht weiß, ob die üb<strong>er</strong>haupt<br />

authentisch üb<strong>er</strong>lief<strong>er</strong>t od<strong>er</strong> nur von findigen Wellness-Gurus <strong>er</strong>funden<br />

wurden. Denn soweit Quastorf bekannt ist, sind von d<strong>er</strong> bloß mystische<br />

und historische Schriften, einige unv<strong>er</strong>schämte Schmähbriefe an ihren<br />

lied<strong>er</strong>lichen Papst und siebzig sehr gute Musikstücke üb<strong>er</strong>lief<strong>er</strong>t (<strong>er</strong> kann sich<br />

auch irren; und Quastorf irrt sich g<strong>er</strong>ne, wenn es zum Nutzen d<strong>er</strong> Menschheit ist).<br />

Dann muß man kneippen zwischen Schicksalsgenossen, die mit<br />

blauen Krampfad<strong>er</strong>n in annäh<strong>er</strong>nd Debrezin<strong>er</strong>-Stärke an ihren v<strong>er</strong>quollenen<br />

– stampf<strong>er</strong>artig v<strong>er</strong>unstalteten – Unt<strong>er</strong>schenkeln gesegnet sind. Mit<br />

Bauchschürzenträg<strong>er</strong>n, die praktisch keinesfalls eine Badehose benötigten,<br />

da ihre primären Geschlechtsm<strong>er</strong>kmale so primär nicht sind und selbst<br />

jed<strong>er</strong> ausgeprägte Hodenbruch mühelos vom tiefsitzenden Nabel v<strong>er</strong>deckt<br />

wird.<br />

Zu Mittag Erfreulich<strong>er</strong>es: Mijou wartet schon am Stammtisch bei<br />

einem Martini-Olive.<br />

„Na, war’s bei Dir auch so lustig wie bei mir? Ich sage Dir, d<strong>er</strong> Anblick d<strong>er</strong><br />

alten Weib<strong>er</strong> ist ein Graus. Ich bin zwar selbst nicht mehr die Jüngste, ab<strong>er</strong>


302<br />

kannst Du einen Makel an meinem Körp<strong>er</strong> finden? Sag’ es mir ehrlich, denn<br />

ich liebe keine Schmeicheleien!“.<br />

Damit hat Quastorf kein Problem; da braucht <strong>er</strong> sich<strong>er</strong> nicht zu<br />

lügen, wenn <strong>er</strong> begeist<strong>er</strong>t ausruft „Dein Körp<strong>er</strong> läßt wahrhaft keine<br />

Wünsche offen; und wie d<strong>er</strong> sich bewegen kann, ist noch wesentlich<br />

aufregend<strong>er</strong>. Wozu bist Du üb<strong>er</strong>haupt auf Kur?“.<br />

Das hat <strong>er</strong> aufgrund d<strong>er</strong> Emotionen, die mit ihm Schlitten gefahren<br />

sind, nun eindeutig zu laut h<strong>er</strong>ausplatzen lassen, sodaß nicht nur die Damen<br />

an den Nachbartischen, sond<strong>er</strong> faktisch d<strong>er</strong> ganze Speisesaal v<strong>er</strong>stummt<br />

(natürlich v<strong>er</strong>stummt nicht d<strong>er</strong> Saal, denn d<strong>er</strong> plaud<strong>er</strong>t selten, sond<strong>er</strong>n die darin<br />

Anwesenden). Quastorf muß dem Schicksal dankbar sein für diesen Fauxpas,<br />

denn nach vielen Jahren darf <strong>er</strong> nun so etwas wie Schamesröte wied<strong>er</strong><br />

<strong>er</strong>leben.<br />

Er v<strong>er</strong>tieft sich in die Karte „was hätten wir denn da zur Vorspeise?<br />

Froschschenkel, Nachtigallenzungen, Schildkrötensuppe, Pfauenleb<strong>er</strong>-<br />

Pastete od<strong>er</strong> Dronten-Aspik; was würdest Du präf<strong>er</strong>i<strong>er</strong>en? Lebendes<br />

Affenhirn wäre vielleicht einmal was gänzlich Neues! Hatten wir das<br />

eigentlich damals in Bejing nur bestellt od<strong>er</strong> auch gegessen?“.<br />

Das steht naturgemäß alles nicht auf d<strong>er</strong> Karte, da das von teilweise<br />

ausgestorbenen od<strong>er</strong> schw<strong>er</strong> bedrohten Arten (Rote Liste und so) stammt.<br />

Das posaunt <strong>er</strong> nur deswegen lauthals hinaus, um die Ti<strong>er</strong>schütz<strong>er</strong> und<br />

Vegetari<strong>er</strong> zu v<strong>er</strong>prellen, damit <strong>er</strong> seinem b<strong>er</strong>eits geschädigten Image noch<br />

eins draufsetzt.<br />

„Ich bitte Dich! Nicht so laut; wir können uns hi<strong>er</strong> nicht mehr blicken<br />

lassen! Ich kenne Dich ja inzwischen ganz gut, ab<strong>er</strong> die And<strong>er</strong>en v<strong>er</strong>stehen<br />

d<strong>er</strong>lei Sch<strong>er</strong>ze meist falsch!“.<br />

„V<strong>er</strong>zeih, mein Lieb. Ich wollte Dich wirklich nicht kompromitti<strong>er</strong>en!“<br />

gesteht <strong>er</strong> reumütig seinen unv<strong>er</strong>zeihlichen V<strong>er</strong>haltens-Fehl<strong>er</strong> ein.<br />

10 Pat<strong>er</strong> Immaculatus führt seine Zöglinge – wie alltäglich – im<br />

Klost<strong>er</strong>hof spazi<strong>er</strong>en, damit sie frische Luft bekämen.<br />

In den Jahren sind sie ihm sosehr ans H<strong>er</strong>z gewachsen, daß <strong>er</strong> trotz<br />

sein<strong>er</strong> bald neunzig Jahre imm<strong>er</strong> noch g<strong>er</strong>ne mit ihnen arbeitet.


303<br />

Viele sind ihm in den langen Jahren schon weggestorben, ab<strong>er</strong> von<br />

den nach dem Krieg G<strong>er</strong>etteten sind imm<strong>er</strong>hin noch zweiundzwanzig (teils<br />

hochbetagt) am Leben. Das kann <strong>er</strong> sein<strong>er</strong> liebevollen Pflege anrechnen.<br />

Zudem hat <strong>er</strong> aufgrund sein<strong>er</strong> – das Sexuelle ausklamm<strong>er</strong>nden –<br />

Ausbildung d<strong>er</strong>en absolut natürliche sexuelle Wünsche und d<strong>er</strong>en<br />

V<strong>er</strong>wirklichungsmöglichkeiten unt<strong>er</strong>schätzt. Und solch<strong>er</strong>art wurden imm<strong>er</strong><br />

mehr aus ihnen, womit <strong>er</strong> zuvor nicht rechnen konnte.<br />

Es fragt sich in diesem Zusammenhang schon, wie <strong>er</strong> solch<strong>er</strong>maßen<br />

sein angebliches Medizin-Studium bestehen konnte. Scheinbar beginnt in<br />

gewissen Denkwelten die Gynäkologie <strong>er</strong>st mit dem dicken Bauch und was<br />

davor ist, obliegt dem un<strong>er</strong>schließbaren Plan Gottes, d<strong>er</strong> die Erschaffung<br />

d<strong>er</strong> Lust leichtf<strong>er</strong>tig dem Teufel üb<strong>er</strong>lassen hat. Darum bringt ja auch die<br />

Lust soviel Durcheinand<strong>er</strong> in die Welt und ist die häufigste Ursache für<br />

div<strong>er</strong>se Untaten.<br />

Daß diese Gegebenheit aus d<strong>er</strong> falschv<strong>er</strong>standenen Z<strong>er</strong>störung d<strong>er</strong><br />

Lust h<strong>er</strong>vorgeht, wo nur Zügelung und Sublimi<strong>er</strong>ung gemeint war, wußte<br />

zwar Freud; ab<strong>er</strong> nicht alle, die von Freud wissen, haben Freud’ an d<strong>er</strong> Lust<br />

und deuten das auch lebensnah, wenn Vorurteile ins Spiel kommen.<br />

Viele Probleme haben sich aus d<strong>er</strong> Abgeschiedenheit seines Klost<strong>er</strong>s<br />

<strong>er</strong>geben: Zunächst galten die von ihm sein<strong>er</strong>zeit G<strong>er</strong>etteten als <strong>er</strong>mordet<br />

und wurden somit in keinen Matriken mehr geführt, dann waren d<strong>er</strong>en<br />

Kopulationen nicht imm<strong>er</strong> nachvollziehbar und so konnte <strong>er</strong> die unv<strong>er</strong>hofft<br />

Schwang<strong>er</strong>en und d<strong>er</strong>en Kind<strong>er</strong> auch keinem d<strong>er</strong> potenziellen Zeug<strong>er</strong><br />

zuordnen und die Betroffenen kaum zielführend v<strong>er</strong>heiraten. Und d<strong>er</strong>en<br />

Kind<strong>er</strong> waren <strong>er</strong>st recht nicht <strong>er</strong>faßt von den damals und heute zuständigen<br />

Standesbehörden.<br />

Nie wollte <strong>er</strong> illegale Handlungen begehen, ab<strong>er</strong> unt<strong>er</strong> den Nazis war<br />

das natürlich eine menschliche V<strong>er</strong>pflichtung und heute traut <strong>er</strong> sich nicht<br />

mehr an die Öffentlichkeit damit. Denn das wäre ein Skandal ohnegleichen<br />

und <strong>er</strong> will auch nicht in Talk-Shows auftreten od<strong>er</strong> Büch<strong>er</strong> darüb<strong>er</strong><br />

schreiben, wodurch <strong>er</strong> sich<strong>er</strong> reich w<strong>er</strong>den könnte. Ab<strong>er</strong> das v<strong>er</strong>bietet ihm<br />

seine an<strong>er</strong>zogene Bescheidenheit und sein Ordens-bedingt unv<strong>er</strong>brüchliches<br />

Armuts-Gelöbnis!


304<br />

11 Frau Irmgard Sauschlag<strong>er</strong> ist wenig <strong>er</strong>freut, daß ihre Tocht<strong>er</strong> Nadine<br />

gest<strong>er</strong>n früh schw<strong>er</strong> angeschlagen vom wenig nücht<strong>er</strong>nen Sulzgrub<strong>er</strong> Peppi<br />

heimgebracht wurde. Wie soll sie ihr die schwarze Schminke abwaschen,<br />

damit ihr leiblich<strong>er</strong> Vat<strong>er</strong> (ob d<strong>er</strong> so leiblich ist? Darauf würde sich<strong>er</strong> niemand wetten,<br />

denn sie ist <strong>er</strong>heblich schön<strong>er</strong> als ihre Elt<strong>er</strong>n!) – d<strong>er</strong> H<strong>er</strong>r Staatsanwalt – sie so nicht<br />

wahrnehme, denn <strong>er</strong> hat wichtig<strong>er</strong>e Aufgaben, als sich mit den Faxen sein<strong>er</strong><br />

Tocht<strong>er</strong> abzugeben.<br />

Auch die Eveline Erding<strong>er</strong> muß schnell in ihre Privaträume flüchten,<br />

damit sie ausschlafen kann, bevor sie ihre Elt<strong>er</strong>n wahrnehmen. Irgendwie<br />

schämt sie sich doch für ihre gestrige Offenheit, ab<strong>er</strong> eigentlich hätte sie<br />

sich vom Donn<strong>er</strong>baum mehr <strong>er</strong>hofft als Onanie auf ihren kalten Bauch<br />

(kann <strong>er</strong> nicht od<strong>er</strong> will <strong>er</strong> nicht? Ihr hätte es Spaß gemacht, da dessen dick<strong>er</strong> Schwanz<br />

Legende ist!). Sie wankt ins Bad und wäscht sich die v<strong>er</strong>schlatzten Hostien<br />

vom fri<strong>er</strong>enden Leib.<br />

D<strong>er</strong> Donn<strong>er</strong>baum wäscht auch seinen Intimb<strong>er</strong>eich und schämt sich<br />

ebenfalls ein wenig des Gestrigen. Eigentlich unwürdig eines Magus, denn<br />

d<strong>er</strong> müßte stolz zu seinen Untaten stehen! Ab<strong>er</strong> so richtig mit Teufel will <strong>er</strong><br />

es nicht; in das wurde <strong>er</strong> vom Professor Raiding<strong>er</strong> hineingehetzt. D<strong>er</strong> hat<br />

imm<strong>er</strong> die wichtigen Programme – und da kann man halt nicht gut aus,<br />

wenn man dazugehören will!<br />

Er hat schon früh<strong>er</strong> imm<strong>er</strong> gewixt; ab<strong>er</strong> doch nicht vor And<strong>er</strong>en.<br />

Und nun, wo <strong>er</strong> einen fast amtlichen Job hat beim alten Erding<strong>er</strong>! Das<br />

könnte Probleme geben. Und den Fick mit d<strong>er</strong> Eveline hat <strong>er</strong> auch<br />

v<strong>er</strong>schissen. Da hätten ihn sich<strong>er</strong> viele beneidet für diese Chance, die <strong>er</strong> so<br />

unwürdig v<strong>er</strong>tan hat, weil ihn die eigene Scham und die Achtung vor d<strong>er</strong><br />

Eveline daran hind<strong>er</strong>ten!<br />

D<strong>er</strong> Rohring<strong>er</strong> Michl <strong>er</strong>wacht frühmorgens neben dem DJ-Schmatzi<br />

im Bett sein<strong>er</strong> Elt<strong>er</strong>n, die auf einem Selbstfindungs-Seminar mit<br />

anschließendem Conc<strong>er</strong>t-Opening im Ruhrgebiet sind.<br />

Dort haben die Kulturv<strong>er</strong>antwortlichen neu<strong>er</strong>dings ein wahres Event-<br />

Paradies <strong>er</strong>schaffen, wo alle auftreten, die in d<strong>er</strong> Szene Rang und Namen<br />

haben. Kahlsenhütte (nähe Zollv<strong>er</strong>ein); ein absolutes Muß! Die Eisenmesse von<br />

Reginald Schlüt<strong>er</strong>s, dargeboten von d<strong>er</strong> b<strong>er</strong>ühmten ARGE Plattenbau unt<strong>er</strong><br />

d<strong>er</strong> Regie von Torpääd Paarvoo – einfach paradiesisch, wenn man nicht in<br />

d<strong>er</strong> Zwölftonmusik Schönb<strong>er</strong>gs, bei Stockhausen, Ligetti od<strong>er</strong> von Einem<br />

steckenbleiben will! D<strong>er</strong> Zeitgeist ist schließlich wandelbar.


305<br />

Die Rohring<strong>er</strong>s sind für alles offen als Inhab<strong>er</strong> d<strong>er</strong> innovativen<br />

Produktionsstätte für F<strong>er</strong>tigteilhäus<strong>er</strong> in Kautzendorf (übrigens d<strong>er</strong> größte<br />

Arbeitgeb<strong>er</strong> in d<strong>er</strong> Gegend!); nur nicht unbedingt für die schrägen Ideen ihres<br />

Sohnes, d<strong>er</strong> unbedingt Archäologe w<strong>er</strong>den will. D<strong>er</strong> soll <strong>er</strong>st einmal seinen<br />

Tischl<strong>er</strong>meist<strong>er</strong> machen, damit <strong>er</strong> den Betrieb üb<strong>er</strong>nehmen kann! Und seine<br />

krausen Ideen bezüglich Tonstudio; warum ist d<strong>er</strong> Bub so unorienti<strong>er</strong>t und<br />

<strong>er</strong>zieh<strong>er</strong>isch so unbeeinflußbar?<br />

Wie es dazu kommen konnte, davon hat d<strong>er</strong> Michl keinen blassen<br />

Schimm<strong>er</strong>! Ab<strong>er</strong> küssen kann d<strong>er</strong> Schmatzi – alle Achtung (dessen Name ist<br />

Programm!). Schnell die Zähne geputzt und die Hose angezogen, damit nicht<br />

Un<strong>er</strong>quicklich<strong>er</strong>es stattfindet. Uäähhhh – ist die glitschig!<br />

12 Nach den div<strong>er</strong>sen heutigen Kuranwendungen regt Quastorf einen<br />

Ausflug nach Lilienfels an. Mijou ist davon sehr angetan und so geht man<br />

ins Land. Nach bloß dreißig Minuten sind sie dort und d<strong>er</strong> Eindruck ist ein<br />

gänzlich and<strong>er</strong><strong>er</strong> als vorige Woche, wo man an d<strong>er</strong> falschen Stelle Zugang<br />

gesucht hat. Frische Feu<strong>er</strong>stellen, reichlich Plastik, Dosen, Kothaufen und<br />

Wäscheteile. Bis tief in die Kell<strong>er</strong>gewölbe rezente Menschenspuren.<br />

Quastorf liebt alte Burgen und so dringt <strong>er</strong> in Begleitung Mijous in<br />

den mittelalt<strong>er</strong>lichen Innenhof ein. Ein System aus Renaissance-Arkaden,<br />

inmitten ein zirka vi<strong>er</strong>zig Met<strong>er</strong> tief<strong>er</strong> Brunnen, Fachw<strong>er</strong>k aus 1840<br />

(Nachbau im historisi<strong>er</strong>enden Stil) im ob<strong>er</strong>en B<strong>er</strong>eich mit vorkragenden – mit<br />

stilisi<strong>er</strong>ten Putzenscheiben (ganz ohne Blei) v<strong>er</strong>glasten – Erk<strong>er</strong>n und mächtige<br />

mittelalt<strong>er</strong>liche Steintürme üb<strong>er</strong> dem Eingang und jenseits des Brunnens d<strong>er</strong><br />

B<strong>er</strong>chfrit od<strong>er</strong> Burgfried.<br />

Sie <strong>er</strong>klimmen die abgetretene Wendeltreppe aus Gföhl<strong>er</strong> Gneis und<br />

betreten den großzügigen Ritt<strong>er</strong>saal (die Wandv<strong>er</strong>kleidung aus dunklem<br />

Tannenholz ist ebenfalls frühes neunzehntes Jahrhund<strong>er</strong>t; Ritt<strong>er</strong>romantik im Neugotik-<br />

Stil). In den restlichen Gemäch<strong>er</strong>n fehlt die Einrichtung vollständig.<br />

Die Russen haben bekanntlich vieles z<strong>er</strong>stört und einiges für daheim<br />

brauchen können (angeblich haben sie die Wass<strong>er</strong>hähne abmonti<strong>er</strong>t, damit sie beim<br />

Einschrauben d<strong>er</strong>selben zuhause Fließwass<strong>er</strong> hätten und die Panz<strong>er</strong>fahr<strong>er</strong> hätten sich<br />

sogar Rubensw<strong>er</strong>ke üppig<strong>er</strong> Odalisken aus den wuchtigen Rahmen geschnitten, damit sie<br />

diese als Pinups in ihre Panz<strong>er</strong> heften konnten! Bloß bizarre V<strong>er</strong>unglimpfungen durch<br />

G<strong>er</strong>üchte gegenüb<strong>er</strong> den gehaßten Besatz<strong>er</strong>n durch die traumatisi<strong>er</strong>te Bevölk<strong>er</strong>ung).


306<br />

Gold, Messing, Kupf<strong>er</strong>, Bronze, Blei und Eisen (d<strong>er</strong>lei Diebstähle gibt es<br />

neu<strong>er</strong>dings wied<strong>er</strong> und das Mat<strong>er</strong>ial geht ebenfalls nach Osten, wie ehedem von den Indios<br />

in Richtung Spanien! D<strong>er</strong> übliche gewollte Nebeneffekt von Kriegen!). Auch Wett<strong>er</strong><br />

und Grippewellen haben diese Eigenschaft, ab<strong>er</strong> das ist hi<strong>er</strong> sich<strong>er</strong> fehl am<br />

Platze; es beweist jedoch, daß nicht alles gut ist, was von Westen nach<br />

Osten exporti<strong>er</strong>t wird bis auf den heutigen Tag.<br />

Den Rest konnte die einheimische Bevölk<strong>er</strong>ung ganz gut v<strong>er</strong>w<strong>er</strong>ten,<br />

denn damals war alles nützlich. D<strong>er</strong> hint<strong>er</strong>e Treppenabgang liegt jenseits des<br />

Mitteltraktes, von wo aus man wied<strong>er</strong> in den Hof gelangt. Im V<strong>er</strong>lassen d<strong>er</strong><br />

Anlage muß man durch das große Burgtor, in dessen Durchgangs-Wölbung<br />

sich seitlich fast unm<strong>er</strong>kbar eine winzige Türe befindet. Wahrscheinlich d<strong>er</strong><br />

Zugang zur Dienststube des ehemaligen Torwächt<strong>er</strong>s. Irgend etwas stört<br />

Quastorf an dies<strong>er</strong> Türe. Sind es die frischen Absplitt<strong>er</strong>ungen d<strong>er</strong> alten<br />

wurmstichigen Holzbrett<strong>er</strong> od<strong>er</strong> ist es d<strong>er</strong> fabriksneue Zaundraht, mit dem<br />

d<strong>er</strong> V<strong>er</strong>schlußriegel notdürftig fixi<strong>er</strong>t wurde?<br />

Er kann es nicht lassen und dringt trotz d<strong>er</strong> abratenden Worte Mijous<br />

in das Kabäuschen ein. Das heißt, <strong>er</strong> v<strong>er</strong>sucht es, denn irgend etwas<br />

Schw<strong>er</strong>es lastet von innen gegen die Türe. D<strong>er</strong> Wid<strong>er</strong>stand läßt sich nur<br />

mühsam wegdrücken und dann ist man drinnen. Und dies<strong>er</strong> Wid<strong>er</strong>stand<br />

liegt bäuchlings in Form eines unnatürlich v<strong>er</strong>renkten Leibes da, dem<br />

jedwedes Blut fehlt. Ab<strong>er</strong> hi<strong>er</strong>orts ist kein üb<strong>er</strong>schüssiges Blut feststellbar.<br />

Die Details waren natürlich <strong>er</strong>st unt<strong>er</strong> Zuhilfenahme d<strong>er</strong> stets mitgeführten<br />

Taschenlampe klar <strong>er</strong>kennbar. D<strong>er</strong> Tatort war somit mit an Sich<strong>er</strong>heit<br />

grenzend<strong>er</strong> Wahrscheinlichkeit ganz wo and<strong>er</strong>s!<br />

Jetzt ist d<strong>er</strong> unt<strong>er</strong>ford<strong>er</strong>te Kommissar a. D. gefragt. Gleich zückt <strong>er</strong><br />

nicht sein Handy, um die Spurensich<strong>er</strong>ung anzuford<strong>er</strong>n, denn da gilt es<br />

zuvor eigene Rech<strong>er</strong>chen einzuleiten. W<strong>er</strong> weiß, was d<strong>er</strong> Wiesing<strong>er</strong> alles<br />

üb<strong>er</strong>sehen könnte; d<strong>er</strong> ist schließlich neu im Geschäft.<br />

Bedächtig dreht Quastorf den nurmehr teilsteifen Corpus auf den<br />

Rücken (wissend, daß das V<strong>er</strong>änd<strong>er</strong>n eines Auffindungs- od<strong>er</strong> Tatortes und natürlich<br />

<strong>er</strong>st recht eines Opf<strong>er</strong>s strafbar ist). In dessen Mitte steckt auf Höhe d<strong>er</strong> Leb<strong>er</strong> (im<br />

rechten Ob<strong>er</strong>bauch) ein seltsames Mess<strong>er</strong>, von dem man nur den mit<br />

Schmucksteinen reichv<strong>er</strong>zi<strong>er</strong>ten Griff sehen kann, da die Klinge vollständig<br />

im Fleisch v<strong>er</strong>borgen ist.


307<br />

H<strong>er</strong>ausziehen wäre v<strong>er</strong>pönt, denn dann könnte d<strong>er</strong> Doktor Anisin<br />

den Stichkanal wed<strong>er</strong> in sein<strong>er</strong> Richtung, noch in sein<strong>er</strong> Ausdehnung<br />

ausreichend nachvollziehen.<br />

Was üb<strong>er</strong>rascht, ist, daß die Abrinnspuren des Blutes nach oben üb<strong>er</strong><br />

das schwarze Hemd, den Hals und das noch im Tode angstv<strong>er</strong>z<strong>er</strong>rte<br />

Gesicht in die gefärbten Haare laufen.<br />

Die Leiche ist männlich, vom Alt<strong>er</strong> h<strong>er</strong> ungefähr als vi<strong>er</strong>zig bis<br />

fünfundvi<strong>er</strong>zig-jährig einzustufen, ein wenig zu kastanienfärbig am<br />

Haupthaar und die schwülstigen Ringe an seinen Fing<strong>er</strong>n v<strong>er</strong>raten ihn als<br />

rituell Int<strong>er</strong>essi<strong>er</strong>ten. Ein silb<strong>er</strong>n<strong>er</strong> Widd<strong>er</strong>kopf am rechten Mittelfing<strong>er</strong><br />

wirkt ausgesprochen unzeitgemäß. Dann findet sich noch eine in sich<br />

v<strong>er</strong>drillte Schlange am linken und ein Pentagramm am rechten Ringfing<strong>er</strong>,<br />

das wie ein Siegelring gearbeitet ist. An den Handgelenken häßliche g<strong>er</strong>ötete<br />

Spuren von schmalen Einschnürungen, wie sie von Kabelbind<strong>er</strong>n stammen<br />

könnten. Wahrlich kein schön<strong>er</strong> Tod!<br />

Doch welch<strong>er</strong> Tod ist schon schön? Man könnte da natürlich schon<br />

gewisse Unt<strong>er</strong>scheidungen treffen: Wenn man schm<strong>er</strong>zlos von Freund Hein<br />

üb<strong>er</strong>rascht wird, so ist für den Betroffenen sich<strong>er</strong> kein Leid damit<br />

v<strong>er</strong>bunden, denn St<strong>er</strong>ben an sich tut nicht weh (höchstens den Hint<strong>er</strong>bliebenen;<br />

und selbst das nicht imm<strong>er</strong>; eh<strong>er</strong> meist kaum!).<br />

Ab<strong>er</strong> das ist nicht nur selten, sond<strong>er</strong>n auch ein wenig unwürdig, weil<br />

sehr passiv. Da hat man keine Chance, sich mit dem Jenseits anzufreunden,<br />

zu reifen und loszulassen von d<strong>er</strong> schnöden mat<strong>er</strong>iellen Welt. Das gelingt<br />

bess<strong>er</strong> in kurzem, bewußtem Siechtum (begleitet freilich von liebevoll-empathischen<br />

Palliativisten, wenn man Glück hat).<br />

Jahrelanges Hinüb<strong>er</strong>dämm<strong>er</strong>n in V<strong>er</strong>alzheim<strong>er</strong>ung, wie es heute so<br />

mod<strong>er</strong>n geworden ist, ist freilich auch nur wenig d<strong>er</strong> Reife förd<strong>er</strong>lich – weil<br />

unbewußt.<br />

Und dann gibt es gewaltsame Todesarten, die auch obigen Charakt<strong>er</strong><br />

haben: Kurz und schm<strong>er</strong>zlos wie zum Beispiel beim Erschießen.<br />

Lebensbeendende Stiche können zwar manchmal sehr schm<strong>er</strong>zhaft sein,<br />

ab<strong>er</strong> oft v<strong>er</strong>hind<strong>er</strong>t das Üb<strong>er</strong>raschungsmoment und die üb<strong>er</strong>schießend<br />

produzi<strong>er</strong>ten Streß-Hormone und die vom Hirn blitzartig freigesetzten<br />

Endorphine das unangenehme Erlebnis; und Ausbluten ist relativ


308<br />

undramatisch, da man imm<strong>er</strong> müd<strong>er</strong> wird durch die nachlassende<br />

Sau<strong>er</strong>stoff-V<strong>er</strong>sorgung des Gehirns.<br />

Das gilt auch für Erfri<strong>er</strong>en, Ertrinken, Ersticken in Kohlendioxid wie<br />

beim in Weinbaugebieten sosehr beliebten Kell<strong>er</strong>tod und in d<strong>er</strong> Endphase<br />

von V<strong>er</strong>hung<strong>er</strong>n und V<strong>er</strong>dursten – da geht all<strong>er</strong>dings einige Zeit des<br />

Leidens an Hung<strong>er</strong> und Durst voran! V<strong>er</strong>letzungen setzen auch – wie schon<br />

<strong>er</strong>wähnt – meist Unmengen an Endorphinen frei, sodaß man praktisch im<br />

beseligten kostenlosen Drogenrausch in die And<strong>er</strong>swelt hinüb<strong>er</strong>torkelt.<br />

Und manche V<strong>er</strong>giftungen sind auch gnädig: Alkohol und/od<strong>er</strong><br />

Valium (die b<strong>er</strong>ühmte ‚Wien<strong>er</strong> Mischung’; so heißt zwar auch ein wund<strong>er</strong>voll mundend<strong>er</strong><br />

Kaffee von Julius Meinl, ab<strong>er</strong> d<strong>er</strong> ist hi<strong>er</strong> sich<strong>er</strong> nicht gemeint) zum Beispiel. Dabei ist<br />

nur unangenehm, daß man oftmals g<strong>er</strong>ettet wird und dann meist nach<br />

langwi<strong>er</strong>igen und sehr kostenintensiven Aufenthalten auf Intensivstationen<br />

ein geistig-körp<strong>er</strong>liches Wrack bleibt.<br />

Wie d<strong>er</strong> Wien<strong>er</strong> auf den Begriff schöne Leich kommt, ist gänzlich<br />

un<strong>er</strong>klärlich, da Leichen selten schön sind; ab<strong>er</strong> d<strong>er</strong> Wien<strong>er</strong> meint da sich<strong>er</strong><br />

was and<strong>er</strong>es nach den ozeanischen Auswirkungen des Veltlin<strong>er</strong>s.<br />

D<strong>er</strong> konkret Gefundene hätte, wäre <strong>er</strong> vorh<strong>er</strong> gefragt worden,<br />

wahrscheinlich alle and<strong>er</strong>en oben beschriebenen Todesarten bevorzugt,<br />

denn sein St<strong>er</strong>ben war sich<strong>er</strong> gnädig durch den Dolch ausgelöst, ab<strong>er</strong> was<br />

davor stattgefunden hat, dürfte lang und unannehmlich gewesen sein. Und<br />

bei d<strong>er</strong>lei Vorkommnissen hat man keinen klaren Kopf dafür, um sich mit<br />

seinen V<strong>er</strong>fehlungen zu v<strong>er</strong>söhnen, den Lebensfilm bilanzmäßig ablaufen zu<br />

lassen od<strong>er</strong> gar daran zu reifen. Da h<strong>er</strong>rscht blankes Entsetzen vor!<br />

Die Aufhängungsvorrichtung wird sich leicht<strong>er</strong> finden, als d<strong>er</strong> Laie<br />

v<strong>er</strong>mutet. Quastorf weiß schon, wo <strong>er</strong> morgen seinen freien Nachmittag<br />

v<strong>er</strong>bringen wird.<br />

Mijou ist einig<strong>er</strong>maßen entsetzt ob des grausigen Fundes und lehnt<br />

sich tröstungsbedürftig an Quastorfs Schult<strong>er</strong>, denn d<strong>er</strong> einzige Tote, den<br />

sie jemals gesehen hatte, war ihr Vat<strong>er</strong> – damals als sie siebzehn war – und<br />

das war wahrhaft kein schön<strong>er</strong> Anblick. In d<strong>er</strong> W<strong>er</strong>kstatt hat sie ihn<br />

gefunden; blau das aufgedunsene Gesicht und <strong>er</strong> hatte noch die schleißige<br />

Hanf-Wäscheleine um den Hals, die leid<strong>er</strong> viel zu spät abg<strong>er</strong>issen ist. Es hat<br />

Jahre gebraucht, bis sie diesen Anblick v<strong>er</strong>gessen konnte und sie träumt<br />

heute noch gelegentlich davon!


309<br />

„Wie kannst Du das ein Leben lang aushalten? Imm<strong>er</strong> diese<br />

Gewalthandlungen und die scheußlichen Leichen!“.<br />

„D<strong>er</strong> Tod ist d<strong>er</strong> eigentliche Wegweis<strong>er</strong> des Lebens; und wenn Gewalt im<br />

Spiel war, so hat das früh<strong>er</strong> zur Alltäglichkeit gehört. Und wir sind heute alle<br />

nur ein wenig v<strong>er</strong>wöhnt, weil d<strong>er</strong>lei selten<strong>er</strong> vorkommt. Ab<strong>er</strong> dafür gibt es<br />

ja gottseidank die Polizei, die solche Dinge aufklärt, wenn sie diese schon<br />

nicht vollkommen v<strong>er</strong>hind<strong>er</strong>n kann!“.<br />

Auszuhalten ist das alles freilich nicht, ab<strong>er</strong> man kann sich zumindest<br />

daran gewöhnen. Und bis vor kurzem war ja auch kaum was los und<br />

dadurch hat Quastorf gewisse inn<strong>er</strong>e Res<strong>er</strong>ven.<br />

Nun zückt <strong>er</strong> endlich sein v<strong>er</strong>haßtes Handy: „Ja hi<strong>er</strong> Quastorf; ich<br />

hätte da einen Mord zu melden! Ach Sie, lieb<strong>er</strong> H<strong>er</strong>r Kuchlbach<strong>er</strong>; da bin<br />

ich ja genau beim Richtigen gelandet! In d<strong>er</strong> Ruine Lilienfels liegt eine<br />

Leiche. Mein Nachfolg<strong>er</strong> (<strong>er</strong> spricht dessen Namen – wenn irgend möglich – nicht<br />

aus) sollte da eh<strong>er</strong> bald <strong>er</strong>mitteln. Die Hint<strong>er</strong>gründe sind sichtlich<br />

v<strong>er</strong>worren!“.<br />

„Ich glaub’, mir bleibt das Hirn stehen!“ brüllt d<strong>er</strong> Dez<strong>er</strong>natsleit<strong>er</strong> in die<br />

Muschel. Keine sehr gute Formuli<strong>er</strong>ung, denn dieses bewegt sich ansonst<br />

auch nicht imm<strong>er</strong> geschmeidig.<br />

„Ich habe geglaubt, daß in Ihr<strong>er</strong> Pension endlich Schluß sein wird mit Ihren<br />

un<strong>er</strong>träglichen Eigenmächtigkeiten! Wie kommen Sie eigentlich zu dies<strong>er</strong><br />

Leiche? Sie w<strong>er</strong>den Sie wohl nicht selbst produzi<strong>er</strong>t haben, damit Sie sich<br />

wichtig machen können!“.<br />

„Zu Fuß und rein zufällig, wenn Sie mir das auch sich<strong>er</strong> nicht abkaufen<br />

w<strong>er</strong>den. V<strong>er</strong>dächtige gibt es sich<strong>er</strong> genug; ich beneide Euch nicht um die<br />

Aufklärung dieses Falles. Und so nebenbei: Ich war es nicht; ich habe ein<br />

Alibi und das heißt Mijou!“ reibt <strong>er</strong> ihm seine Aufreiß<strong>er</strong>qualitäten unt<strong>er</strong> die<br />

Nase, von denen Kuchelbach<strong>er</strong> nichteinmal mehr träumt, da ihn Frauen<br />

schon so oft v<strong>er</strong>prellt haben.<br />

Das hat gesessen; man hört nur ein unartikuli<strong>er</strong>tes Glucksen und<br />

dann ist die V<strong>er</strong>bindung unt<strong>er</strong>brochen.<br />

Endlich muß <strong>er</strong> nicht weit<strong>er</strong>schürfen nach diesen Tatortbefunden.<br />

Vor allem ab<strong>er</strong>: Er muß nie wied<strong>er</strong> B<strong>er</strong>ichte schreiben!


310<br />

Er geht nocheinmal zurück in das Loch und späht den Raum mittels<br />

sein<strong>er</strong> Taschenlampe genau<strong>er</strong> aus. Am hint<strong>er</strong>en Ende (das vom vord<strong>er</strong>en nur<br />

drei Met<strong>er</strong> entf<strong>er</strong>nt ist) bem<strong>er</strong>kt <strong>er</strong> einen Brett<strong>er</strong>v<strong>er</strong>schlag, den <strong>er</strong> mit etwas<br />

Mühe soweit v<strong>er</strong>schieben kann, daß <strong>er</strong> den dahint<strong>er</strong> liegenden Gang<br />

einsehen und beforschen kann.<br />

Ein muffig<strong>er</strong> Schluf, in dem man kaum aufrecht gehen kann, führt<br />

üb<strong>er</strong> primitiv in Stein geschlagene Stufen imm<strong>er</strong> weit<strong>er</strong> nach unten, bis man<br />

in einen leicht abschüssigen Gang gelangt. Nach ungefähr fünfzig Met<strong>er</strong>n<br />

weitet sich die Röhre zu einem kleinen Gewölbe von zirka zwei mal drei<br />

Met<strong>er</strong>n und ist nun zweieinhalb Met<strong>er</strong> hoch.<br />

Imm<strong>er</strong>hin, hi<strong>er</strong> kann man bequem stehen. Aus den Wänden, die hi<strong>er</strong><br />

aus grobsandigem Lehm (dem sogenannten Flins) bestehen, sind in<br />

Längsrichtung beidseits Bänke in Länge des Gewölbes h<strong>er</strong>ausgekratzt, die<br />

deutliche Abnützungsspuren vom Sitzen aufweisen. Dann ist Schluß und<br />

Quastorf muß wied<strong>er</strong> ans Tageslicht, da zudem oben schon ungeduldig und<br />

etwas ängstlich Mijou wie ein v<strong>er</strong>lorenes Kätzchen maunzt:<br />

„Wo bist du denn so lange? Ich möchte eigentlich nicht mit dies<strong>er</strong> Leiche<br />

von Deinen Kollegen üb<strong>er</strong>rascht w<strong>er</strong>den; die w<strong>er</strong>den sich<strong>er</strong> bald hi<strong>er</strong> sein,<br />

wenn Du noch weit<strong>er</strong> Höhlenforsch<strong>er</strong> spielen mußt. Du bist doch keine<br />

zehn Jahre mehr! Od<strong>er</strong> bist Du da unten v<strong>er</strong>unglückt? Tu’ mir das bitte<br />

nicht an! Hallo! Hörst Du mich üb<strong>er</strong>haupt noch?“ etwas beunruhigt mit<br />

leichten Anflügen von Panik in d<strong>er</strong> bebenden Stimme.<br />

„Schon gut, ich bin ja schon da; einen Moment noch!“ schallt die männliche<br />

– vom aufgewühlten alten Staub etwas kratzige – Stimme aus dem engen<br />

Kabäuschen. Quastorf muß den Holzv<strong>er</strong>schlag wied<strong>er</strong> in seine<br />

ursprüngliche Position bringen, denn <strong>er</strong> will keinen unnötigen Ärg<strong>er</strong> mit<br />

den nachforschenden Kollegen bekommen. D<strong>er</strong> nötige wird schon genug<br />

Unannehmlichkeiten mit sich bringen. Ab<strong>er</strong> and<strong>er</strong><strong>er</strong>seits hat <strong>er</strong> genug<br />

Argumente für sich, denn nur durch seine Neugi<strong>er</strong>de wurde d<strong>er</strong> Tote<br />

schließlich gefunden. Bevor <strong>er</strong> den ungemütlichen Ort v<strong>er</strong>läßt, zieht <strong>er</strong> noch<br />

ein aus sein<strong>er</strong> Dienstzeit g<strong>er</strong>ettetes Absp<strong>er</strong>rband aus d<strong>er</strong> Tasche und sich<strong>er</strong>t<br />

damit den Eingang:<br />

„Polizei<strong>er</strong>mittlungen; absolutes Zutrittsv<strong>er</strong>bot für Unautorisi<strong>er</strong>te!“<br />

Quastorf nimmt seine Mijou um die anmutige Taille und führt sie<br />

Richtung Lilienkron, wo ein feines Abendmahl lockt mit Fischbeuschel-


311<br />

Suppe, rosig gebraten<strong>er</strong> Entenbrust und Wildkessel in Moosbe<strong>er</strong>ensud; die<br />

Salzburg<strong>er</strong> Nock<strong>er</strong>ln w<strong>er</strong>den danach v<strong>er</strong>weig<strong>er</strong>t (man will sich ja nicht unnötig<br />

üb<strong>er</strong>essen!).<br />

Die Nacht wird wied<strong>er</strong> <strong>er</strong>lebnisreich nach gelbem Muskatell<strong>er</strong>; ab<strong>er</strong><br />

auch sehr anstrengend. Beid<strong>er</strong> Alt<strong>er</strong> ist eh<strong>er</strong> zur Beschaulichkeit gedacht<br />

und nicht für sexuelle Exzesse, ab<strong>er</strong> was soll’s – carpe noctem!<br />

13 Während die zwei V<strong>er</strong>liebten in einand<strong>er</strong> schwelgen, w<strong>er</strong>den in d<strong>er</strong><br />

Ruine Lilienfels Absp<strong>er</strong>rungen <strong>er</strong>richtet, Flutlicht-Anlagen monti<strong>er</strong>t, Alu-<br />

Koff<strong>er</strong> h<strong>er</strong>beigetragen und alle Ermittl<strong>er</strong> mit weißen Plastik-Ov<strong>er</strong>alls und<br />

Üb<strong>er</strong>schuhen ausgestattet. Dr. Anisin <strong>er</strong>kennt sogleich die V<strong>er</strong>änd<strong>er</strong>ung d<strong>er</strong><br />

Leichen-Position, ab<strong>er</strong> das nimmt <strong>er</strong> nicht ins Protokoll, denn <strong>er</strong> will dem<br />

alten Fan sein<strong>er</strong> Poesie-Ergüsse nicht leichtf<strong>er</strong>tig schaden. D<strong>er</strong> wird seine<br />

Erklärungsbedarf ohnehin mit einigem Aufwand aus den ansonst so<br />

lock<strong>er</strong>en Schult<strong>er</strong>n beuteln müssen.<br />

„Leiche männlich, zirka anfang vi<strong>er</strong>zig, gefärbte Haare, gepflegtes Äuß<strong>er</strong>es.<br />

In halb sitzend<strong>er</strong> Position nach Eintritt d<strong>er</strong> Leichenstarre in Seitenlage<br />

v<strong>er</strong>rutscht. K<strong>er</strong>ntemp<strong>er</strong>atur zwölf Grad. Sichtbar in Höhe d<strong>er</strong> Leb<strong>er</strong><br />

steckend<strong>er</strong> fremdländisch<strong>er</strong> Dolch mit reichen V<strong>er</strong>zi<strong>er</strong>ungen<br />

(wahrscheinliche Todesursache: Entblutungsschock). Abrinnspuren nach<br />

oben üb<strong>er</strong> Hals und Kopf. Dazu passend die praktisch ausschließlich in<br />

Kopf- und Halsb<strong>er</strong>eich befindlichen Totenflecken. Fesselungs-Spuren an<br />

den Handgelenken und deutliche Abwehrv<strong>er</strong>letzungen. Auffallende<br />

Schmuck-Ringe an den Fing<strong>er</strong>n.<br />

An den Füßen fehlen Schuhe und Socken und es finden sich tiefe<br />

Striemen mit Seilspuren-artigen Unt<strong>er</strong>blutungen d<strong>er</strong> Haut üb<strong>er</strong> den<br />

Sprunggelenken. Aufgrund des großen Blutv<strong>er</strong>lustes und dem damit in<br />

kein<strong>er</strong> Weise kompatiblen Befund am Auffindungsort, ist die Tat mit<br />

Sich<strong>er</strong>heit an and<strong>er</strong><strong>er</strong> Stelle ausgeführt worden. Genau<strong>er</strong> Todeszeitpunkt<br />

<strong>er</strong>st nach d<strong>er</strong> Obduktion feststellbar; v<strong>er</strong>mutlich vor zwei Tagen, da die<br />

Totenstarre b<strong>er</strong>eits vollständig aufgelöst ist“.<br />

Inspektor Wiesing<strong>er</strong> ist sehr <strong>er</strong>regt, da dies sein <strong>er</strong>st<strong>er</strong> Fall sein wird<br />

und den will <strong>er</strong> keinesfalls unnötig v<strong>er</strong>bocken. Er war d<strong>er</strong> Beste in d<strong>er</strong><br />

Polizei-Akademie und da darf <strong>er</strong> sich in d<strong>er</strong> Praxis keine m<strong>er</strong>kbaren Blößen<br />

geben. Ach gäbe es doch diesen wichtigmach<strong>er</strong>ischen Quastorf nicht!


312<br />

„Hi<strong>er</strong> hat sichtlich eine Orgie stattgefunden und man muß alle Beteiligten<br />

ausfindig machen, denn ein<strong>er</strong> davon war sich<strong>er</strong> d<strong>er</strong> Tät<strong>er</strong>!“ platzt <strong>er</strong> h<strong>er</strong>aus,<br />

was Kuchelbach<strong>er</strong> zuwid<strong>er</strong>läuft, da <strong>er</strong> eigentlich Quastorfs Sensibilität mehr<br />

schätzen würde. Ab<strong>er</strong> das kann man dem Jungtupf nicht vor die Birne<br />

knallen; sich selbst will <strong>er</strong> das naturgemäß auch nicht zugeben und diese<br />

Möglichkeit ist leid<strong>er</strong> endgültig v<strong>er</strong>loren. Er hatte es nie leicht mit dem alten<br />

Qu<strong>er</strong>kopf; ab<strong>er</strong> jetzt v<strong>er</strong>mißt <strong>er</strong> ihn fachlich (und ein wenig auch menschlich).<br />

„Wir sollten morgen alle Bürg<strong>er</strong> d<strong>er</strong> Umgebung befragen; irgendw<strong>er</strong> wird<br />

schon sachdienliche Hinweise geben können!“. Wiesing<strong>er</strong> neigt zum<br />

Aktionismus; das wird wied<strong>er</strong> reichlich Steu<strong>er</strong>geld<strong>er</strong> v<strong>er</strong>schleißen.<br />

Alles wird abgesucht und es findet sich kaum mehr, als das, was<br />

Quastorf schon gefunden hat. Vor allem die Hint<strong>er</strong>gründe nicht. Und genau<br />

diese wären von Bedeutung. Zum Beispiel, daß d<strong>er</strong> Donn<strong>er</strong>baum Otto seit<br />

Jahren große Probleme mit dem Karl Raiding<strong>er</strong> hatte, d<strong>er</strong> v<strong>er</strong>mutlich das<br />

Mordopf<strong>er</strong> ist (davon wissen die Ermittl<strong>er</strong> noch in kein<strong>er</strong> Weise!).<br />

Daß d<strong>er</strong> Totengräb<strong>er</strong> Erding<strong>er</strong> sich<strong>er</strong> keine rechte Freude damit<br />

haben konnte, daß seine einzige Tocht<strong>er</strong>, die Medizin studi<strong>er</strong>en sollte, durch<br />

die schrägen ideologischen V<strong>er</strong>giftungen des Raiding<strong>er</strong>s sich so<br />

degradi<strong>er</strong>end benützen hat lassen am Druidenfest. Doch das weiß wed<strong>er</strong><br />

ihre p<strong>er</strong>missive Mutt<strong>er</strong>, die vor dem gestrengen Vat<strong>er</strong> imm<strong>er</strong> alles<br />

abgeschirmt hat und schon garnicht <strong>er</strong> selbst; denn dann hätte <strong>er</strong> wahrlich<br />

ein hinreichendes Mordmotiv.<br />

Die Nadine Sauschlag<strong>er</strong> käme auch in Betracht, denn d<strong>er</strong> Raiding<strong>er</strong><br />

hat ihr – nachdem <strong>er</strong> ihr die Jungfrauenschaft g<strong>er</strong>aubt hat – v<strong>er</strong>sprochen,<br />

daß <strong>er</strong> mit ihr ein neues Leben begründen will auf sein<strong>er</strong> Hazienda auf den<br />

kleinen Antillen. Vollkommen unklar, woh<strong>er</strong> <strong>er</strong> diese hätte, da <strong>er</strong> aufgrund<br />

sein<strong>er</strong> psychischen Auffälligkeiten mit V<strong>er</strong>dacht auf Pädophilie (zu unrecht<br />

od<strong>er</strong> nicht ist noch offen) von seinem Posten als Lehr<strong>er</strong> für Griechisch und<br />

Geschichte am <strong>er</strong>zbischöflichen Seminar Zwettl suspendi<strong>er</strong>t wurde.<br />

Diese Hint<strong>er</strong>grundinformationen sind d<strong>er</strong> Behörde noch nicht<br />

offenkundig und so kommt viel Arbeit auf Inspektor Wiesing<strong>er</strong> zu.<br />

14 Heute hatte Quastorf eine Unt<strong>er</strong>wass<strong>er</strong>-Hartstrahl-Massage von d<strong>er</strong><br />

Frau Schall<strong>er</strong>. Das war eine Wucht! So gut hat ihm noch weniges in seinem<br />

Leben getan. Total relaxed ist <strong>er</strong> (denn die hat Brüste für tausend Träume; und ihre


313<br />

Schenkel finden einand<strong>er</strong> so harmonisch, daß man g<strong>er</strong>ne inzwischen wäre; ab<strong>er</strong> die<br />

Abstinenz des Heilsuchenden v<strong>er</strong>bietet d<strong>er</strong>lei!).<br />

Zu Mittag seilt <strong>er</strong> sich ohne Essen von d<strong>er</strong> Gegenwart Mijous ab, da<br />

sie ihm bei seinen Ermittlungen behind<strong>er</strong>lich sein könnte.<br />

Hin zum Galgenb<strong>er</strong>g, denn d<strong>er</strong> ist nur zwei Kilomet<strong>er</strong> entf<strong>er</strong>nt. Und<br />

dort findet <strong>er</strong>, was <strong>er</strong> <strong>er</strong>wartet hat: Im Moos unt<strong>er</strong> dem Kälb<strong>er</strong>strick, d<strong>er</strong> an<br />

die b<strong>er</strong>eits vorhanden gewesene Kette <strong>er</strong>st nach Quastorfs Erstbesichtigung<br />

gebunden wurde, großflächig rötlichbraun glänzende Gall<strong>er</strong>te. Da braucht<br />

<strong>er</strong> keine Gen-Nachweise vom Habison. Das ist Blut vom Opf<strong>er</strong>; da ist sich<br />

Quastorf ganz sich<strong>er</strong>.<br />

Daß dieses Karl Raiding<strong>er</strong> heißt, kann auch Quastorf noch nicht<br />

wissen! Nur das mit dem Kris ist seltsam. Denn wenn d<strong>er</strong> Donn<strong>er</strong>baum –<br />

von dessen Existenz Quastorf ebenfalls noch kein<strong>er</strong>lei Kenntnis hat (d<strong>er</strong><br />

Besitz<strong>er</strong> all<strong>er</strong> Krise) d<strong>er</strong> Mörd<strong>er</strong> wäre, hätte d<strong>er</strong> sich<strong>er</strong> das Mordw<strong>er</strong>kzeug nicht<br />

stecken lassen. Da will w<strong>er</strong> jemandem was anhängen!<br />

Er wird sich wohl od<strong>er</strong> übel in die Hint<strong>er</strong>gründe einarbeiten müssen,<br />

da <strong>er</strong> nur die Spuren kennt und eine diffuse Erinn<strong>er</strong>ung an nächtliche<br />

Kehllaute vor Tagen hat.<br />

15 In Vulpes findet <strong>er</strong> Frau Vielhab<strong>er</strong> völlig aufgelöst:<br />

„Mein Buam, en Kevin, haum’s gestan zaummg’haut – de G’frasta – weul’a<br />

nimma midmoch’n wüh bei den Trottl-Varei’! Dea hot denan g’sogt, daß’as<br />

auffliag’n lossat, wauns eam deppad kumman! Und en Fux-Poidl sei Bua is<br />

da Ärgste; dea hod eahm de Nos’n brocha!“.<br />

„Liebe Frau Vielhab<strong>er</strong>, b<strong>er</strong>uhigen Sie sich und klären Sie mich üb<strong>er</strong> die<br />

Hint<strong>er</strong>gründe auf, damit ich Ihnen helfen kann“ Quastorf ganz<br />

th<strong>er</strong>apeutisch ab<strong>er</strong> zielführend.<br />

Und so <strong>er</strong>fährt <strong>er</strong> alles Notwendige, da die Frau am Ende ist. Und <strong>er</strong><br />

bekommt Kenntnis von den satanistischen V<strong>er</strong>netzungen d<strong>er</strong> Gegend,<br />

<strong>er</strong>fährt alle Namen und Dienstgrade und die inzestuösen und von Gewalt<br />

domini<strong>er</strong>ten Hint<strong>er</strong>gründe. Sie weiß auch um die div<strong>er</strong>sen<br />

Kontobewegungen d<strong>er</strong> Mitglied<strong>er</strong> Bescheid (die mit Hilfe d<strong>er</strong> netten Nadine


314<br />

Sauschlag<strong>er</strong>, die bei d<strong>er</strong> Landesbank angestellt ist, <strong>er</strong>möglicht wurden), weil die lang<br />

mit ihrem Sohn gegangen ist.<br />

Diese Beziehung ist vor einem halben Jahr friedlich zuende gegangen<br />

und dah<strong>er</strong> haben beide noch ein inniges freundschaftliches V<strong>er</strong>hältnis<br />

zueinand<strong>er</strong> und teilen somanchen Schm<strong>er</strong>z, damit <strong>er</strong> <strong>er</strong>träglich<strong>er</strong> würde (und<br />

d<strong>er</strong> Schm<strong>er</strong>zen sind genug in dies<strong>er</strong> Gegend, wo d<strong>er</strong> Fuchs den Hasen nur wid<strong>er</strong>willig<br />

grüßt). Jetzt ist ihm einiges klar<strong>er</strong>.<br />

Nur warum d<strong>er</strong> Raiding<strong>er</strong> am Galgenb<strong>er</strong>g v<strong>er</strong>enden mußte, ist ihm<br />

nun <strong>er</strong>st recht ein Rätsel. Gut, es gab genug Motivi<strong>er</strong>te. So fügt sich einiges<br />

zusammen; jetzt, wo Quastorf einige Kenntnis von den unvorstellbaren und<br />

vielschichtigen Hint<strong>er</strong>gründen hat.<br />

D<strong>er</strong> Erding<strong>er</strong> hätte natürlich ein sattes Motiv, ab<strong>er</strong> eh<strong>er</strong> dafür, den<br />

Donn<strong>er</strong>baum – seinen Grabeknecht – zu <strong>er</strong>morden, wenn <strong>er</strong> davon wüßte,<br />

was d<strong>er</strong> mit sein<strong>er</strong> Tocht<strong>er</strong> Unkeusches gemacht hat. Ja d<strong>er</strong> Ideologe<br />

Raiding<strong>er</strong> wäre in dessen Augen auch sich<strong>er</strong> schuldig, ab<strong>er</strong> d<strong>er</strong> Erding<strong>er</strong><br />

weiß von alldem garnichts – noch nicht!<br />

D<strong>er</strong> Raiding<strong>er</strong> war auch noch so manch and<strong>er</strong>em ein Dorn im Auge,<br />

da <strong>er</strong> sich in d<strong>er</strong> Gemeinde imm<strong>er</strong> sehr wichtig gemacht hat. Stets hat <strong>er</strong><br />

alles bess<strong>er</strong> gewußt, wie die Politik<strong>er</strong> handeln sollten, was sie nicht alles<br />

v<strong>er</strong>patzen und gegen die Errichtung des Wellness-Cent<strong>er</strong>s in Kautzendorf<br />

war <strong>er</strong> auch. Gut, das war auch nachweislich – nach dem anfänglichen<br />

Boom zu Zeiten, wo d<strong>er</strong>lei Einrichtungen in Mode gekommen sind –<br />

danach ein heftig<strong>er</strong> Flop. Nichts mehr mit zusätzlichen Arbeitsplätzen und<br />

Struktur-V<strong>er</strong>bess<strong>er</strong>ung; kaum mehr W<strong>er</strong>tschöpfung und schließlich<br />

Konkurs, denn wo finden sich hi<strong>er</strong>orts schon Heilquellen. Das mußte alles<br />

teu<strong>er</strong> h<strong>er</strong>beigeschafft w<strong>er</strong>den; und d<strong>er</strong> En<strong>er</strong>gieaufwand war dah<strong>er</strong><br />

unv<strong>er</strong>hältnismäßig.<br />

Nachh<strong>er</strong> haben es alle natürlich bess<strong>er</strong> gewußt. Und kein<strong>er</strong> wollte<br />

sich daran <strong>er</strong>inn<strong>er</strong>n, daß das d<strong>er</strong> Raiding<strong>er</strong> vorausgeahnt hat. Im Gegenteil;<br />

d<strong>er</strong> voraussehbare Unt<strong>er</strong>gang wurde ihm angelastet, weil <strong>er</strong> d<strong>er</strong><br />

Schwarzmal<strong>er</strong> ist (und von d<strong>er</strong> falschen Fraktion). Da hat ihm die Geschichte<br />

offenkundig rechtgegeben!<br />

Kaum w<strong>er</strong> hatte Freude mit ihm; nichteinmal seine ehedem<br />

angetraute G<strong>er</strong>da, denn von Sexualität hatte <strong>er</strong> leid<strong>er</strong> kein<strong>er</strong>lei Ahnung und<br />

soweit doch, war diese eh<strong>er</strong> unappetitlich.


315<br />

W<strong>er</strong> war <strong>er</strong> denn schon – als Zuagroasta aus Schrattenbach – daß <strong>er</strong><br />

sich solches anmaßen dürfte? Ein gescheit<strong>er</strong>t<strong>er</strong> Lehr<strong>er</strong> unt<strong>er</strong> V<strong>er</strong>dacht (d<strong>er</strong><br />

freilich niemals bewiesen w<strong>er</strong>den konnte; ein jung<strong>er</strong> Pat<strong>er</strong> war damals auch im Schußfeld.<br />

Ab<strong>er</strong> aus diesem konnte ihn d<strong>er</strong> damalige Bischof Senft loseisen; zu Zeiten, in denen d<strong>er</strong><br />

noch von Bedeutung war!).<br />

Auch das hat sich alles geänd<strong>er</strong>t; denn den Bischof gibt es leid<strong>er</strong> nicht<br />

mehr. Es war imm<strong>er</strong> so schön, seine in großartig<strong>er</strong> Eloquenz vorgetragenen<br />

un<strong>er</strong>bittlichen ab<strong>er</strong> theologisch vollkommen unhaltbaren Thesen zu<br />

v<strong>er</strong>nehmen. Er wird uns allen abgehen in sein<strong>er</strong> Medien-Geilheit, die auch<br />

durchaus Unt<strong>er</strong>haltungsw<strong>er</strong>t hatte!<br />

16 Mitten in den Kur<strong>er</strong>eien wird Quastorf vom Dez<strong>er</strong>natsleit<strong>er</strong><br />

Kuchelbach<strong>er</strong> ang<strong>er</strong>ufen.<br />

„Sagen Sie mir eine Möglichkeit, wie ich Sie in den Griff kriege! Ehrlich;<br />

soweit will ich nicht gehen, daß ich sie amtlich<strong>er</strong>seits v<strong>er</strong>folge wegen<br />

Einmischung in polizeiliche Ermittlungen, unzulässig<strong>er</strong> V<strong>er</strong>änd<strong>er</strong>ung d<strong>er</strong><br />

Auffindungs-Gegebenheiten eines Tatopf<strong>er</strong>s, Störung d<strong>er</strong> polizeilichen<br />

Tätigkeiten, Entwendung od<strong>er</strong> V<strong>er</strong>nichtung von Beweismitteln,<br />

Amtsanmaßung, wid<strong>er</strong>rechtlich<strong>er</strong> V<strong>er</strong>wendung von zuvor entwendeten<br />

Amtssiegeln und schw<strong>er</strong><strong>er</strong> Behind<strong>er</strong>ung uns<strong>er</strong><strong>er</strong> Arbeit! V<strong>er</strong>dammt; Sie sind<br />

aus dem Spiel h<strong>er</strong>außen! Nehmen Sie das endlich zur Kenntnis, dann<br />

können wir durchaus Freunde bleiben! Und übrigens: Ihre Glock 19 und<br />

die Dienstmarke müssen sie mir abgeben, sonst bekomme ich Probleme mit<br />

d<strong>er</strong> Aufsichtsbehörde; das haben wir bei ihr<strong>er</strong> üb<strong>er</strong>stürzten<br />

Frühpensioni<strong>er</strong>ung beide ganz v<strong>er</strong>gessen!“.<br />

Jetzt ist Quastorf betroffen, denn seine Dienstwaffe, die <strong>er</strong><br />

gottseidank nie einsetzen mußte, liegt irgendwo im Schuhkastel –<br />

hoffentlich findet sich die noch. Er wäre froh, sie loszuw<strong>er</strong>den – das<br />

scheußliche Plastikding. Scheiß-Glock – <strong>er</strong>funden und gestylt von einem<br />

sehr schill<strong>er</strong>nden Genie, das man in d<strong>er</strong> Öffentlichkeit kaum kennt. Ansich<br />

von hoh<strong>er</strong> Qualität; sich<strong>er</strong> die p<strong>er</strong>fekteste Faustfeu<strong>er</strong>waffe d<strong>er</strong> Welt; und die<br />

stammt aus Öst<strong>er</strong>reich! Da kommt Nationalstolz auf.<br />

Wir sind ein sehr kleines Land und haben üb<strong>er</strong>proportional viele<br />

b<strong>er</strong>ühmte Musik<strong>er</strong> h<strong>er</strong>vorgebracht wie Mozart, Albrechtsb<strong>er</strong>g<strong>er</strong>, Pleyel, den<br />

kein<strong>er</strong> kennt, Schub<strong>er</strong>t, Bruckn<strong>er</strong>, Korngold, Z<strong>er</strong>ha, Einem, Nitsch, von


316<br />

dem niemand weiß, wie gut <strong>er</strong> komponi<strong>er</strong>en und Orgel spielen kann, B<strong>er</strong>t<br />

Breit, Charly Ratz<strong>er</strong>, Harry Stoyka, Zawinul, Golowin, d<strong>er</strong> bess<strong>er</strong> bekannt<br />

ist als Friedrich Gulda und natürlich Pirchn<strong>er</strong> und Harnouncourt.<br />

Beethoven gehört nicht dazu, obwohl d<strong>er</strong> imm<strong>er</strong> von den<br />

Kulturv<strong>er</strong>antwortlichen v<strong>er</strong>einnahmt wird, weil <strong>er</strong> halt an achtundvi<strong>er</strong>zig<br />

Orten in Öst<strong>er</strong>reich gewohnt hat. „Ein wahrhaft geschicktes Völkchen, das es<br />

schafft, Beethoven zu einem Öst<strong>er</strong>reich<strong>er</strong> und Hitl<strong>er</strong> zu einem Deutschen zu stilisi<strong>er</strong>en“.<br />

Und eben viele Diktatoren auch: Die ganzen Kais<strong>er</strong>, die das KZ<br />

schon lange vor Hitl<strong>er</strong> <strong>er</strong>funden haben in den Brünn<strong>er</strong> Kasematten – dem<br />

b<strong>er</strong>üchtigten Spielb<strong>er</strong>g, in dem schon Schwejk eingesessen ist! Mett<strong>er</strong>nich,<br />

Dollfuß und d<strong>er</strong> gute alte Hitl<strong>er</strong> eben neben ein<strong>er</strong> weit üb<strong>er</strong>proportionalen<br />

Zahl an Hauptv<strong>er</strong>antworlichen im Dritten Reich (gemessen an d<strong>er</strong> Anzahl d<strong>er</strong><br />

Einwohn<strong>er</strong>) gegenüb<strong>er</strong> Deutschland – da waren wir logistisch einfach bess<strong>er</strong><br />

mit Höß und Kaltenbrunn<strong>er</strong> und vielen and<strong>er</strong>en Naziv<strong>er</strong>brech<strong>er</strong>n.<br />

Ja, und in d<strong>er</strong> Waffentechnologie h<strong>er</strong>rscht auch schon alte und sehr<br />

lange Tradition von hoh<strong>er</strong> Qualität. Zu<strong>er</strong>st die Kelten mit ihrem Norischen<br />

Eisen, das aus den Fundstücken eines gewaltigen z<strong>er</strong>borstenen Meteoriten<br />

seine Härte beweisen konnte. Darauf – und aufgrund d<strong>er</strong> Eisen<strong>er</strong>zfunde in<br />

d<strong>er</strong> Stei<strong>er</strong>mark und d<strong>er</strong> Eisenwurzen – bauten die Vorvord<strong>er</strong>en eine<br />

Hütten-Industrie auf (vor allem nach Erfindung d<strong>er</strong> Bessem<strong>er</strong>-Birne), mit d<strong>er</strong>en<br />

Hilfe es möglich war, die weltbesten Waffen zu schmieden.<br />

Nicht zu v<strong>er</strong>gessen die ehemaligen Göring-W<strong>er</strong>ke in Linz (spät<strong>er</strong><br />

VOEST, heute VA-Stahl), Steyr<strong>er</strong>, Norikum, Hirtenb<strong>er</strong>g<strong>er</strong> und eben Glock.<br />

Und die bioTron darf jetzt leid<strong>er</strong> nicht mehr die Hartgelatine-Minen mit<br />

ihrem bösartigen Inhalt Rizin h<strong>er</strong>stellen, weil das im letzten Fall<br />

int<strong>er</strong>national aufflog und somit indirekt von Quastorf v<strong>er</strong>unmöglicht wurde.<br />

Soweit sind wir schon, nach d<strong>er</strong> Machtüb<strong>er</strong>nahme d<strong>er</strong> Welt durch die<br />

alles v<strong>er</strong>hind<strong>er</strong>nden Gutmenschen, die Frauenbewegten, die Homo- und<br />

Lesben-Lobbies, die v<strong>er</strong>biest<strong>er</strong>ten Rauch<strong>er</strong>-Feinde, Vegetari<strong>er</strong>, Umv<strong>er</strong>teil<strong>er</strong>,<br />

Armutsbekämpf<strong>er</strong> und die Klimawandel-V<strong>er</strong>hind<strong>er</strong><strong>er</strong>. Wie soll dann<br />

eigentlich diese schlechte Welt unt<strong>er</strong>gehen, wenn man das Böse ganz<br />

elimini<strong>er</strong>en will? Wenn die so weit<strong>er</strong>machen, kommt sich<strong>er</strong> das Paradies!<br />

Gottseidank gibt es noch die skrupellosen Immobilien-Haie, die<br />

Aktien-Jongleure, die mit dem Geld ihr<strong>er</strong> gutgläubigen Kleinanleg<strong>er</strong> mittels<br />

gigantisch<strong>er</strong> Provisionen die Söldn<strong>er</strong>he<strong>er</strong>e d<strong>er</strong> Amis mit Geld ausstatten,


317<br />

damit sie den en<strong>er</strong>giegeilen Konsumenten Erdölprodukte zu Raubritt<strong>er</strong>-<br />

Preisen anbieten können.<br />

„H<strong>er</strong>r Quastorf. Bei all<strong>er</strong> W<strong>er</strong>tschätzung Ihr<strong>er</strong> V<strong>er</strong>dienste und Ihr<strong>er</strong> P<strong>er</strong>son!<br />

Ab<strong>er</strong> was haben Sie sich eigentlich dabei gedacht, daß Sie im Fall Raiding<strong>er</strong><br />

unautorisi<strong>er</strong>t <strong>er</strong>mitteln? Und damit Spuren v<strong>er</strong>fälschen. Glauben Sie<br />

wirklich, daß wir aktiven Deppen das Geheimnis des hint<strong>er</strong> dem<br />

Holzv<strong>er</strong>schlag vorhandenen Ganges nicht aufdecken würden. Ab<strong>er</strong> trotz<br />

Ihr<strong>er</strong> Eingriffe; da ist nichts dahint<strong>er</strong>, wie Sie selb<strong>er</strong> sich<strong>er</strong> sehen konnten!<br />

Das sind solche Alleingänge, wie sie dann imm<strong>er</strong> von d<strong>er</strong> Presse dafür<br />

genutzt w<strong>er</strong>den, uns arme Exekutivbeamte an den Prang<strong>er</strong> zu stellen!<br />

Unt<strong>er</strong>lassen Sie das bitte in Zukunft; wenn’s geht!“.<br />

Quastorf hat neue V<strong>er</strong>mutungen zu d<strong>er</strong> Sachlage und wird ohne d<strong>er</strong><br />

in seinen Augen ein wenig klamm<strong>er</strong>nden Mijou weit<strong>er</strong>forschen; jetzt da die<br />

Spuren<strong>er</strong>mittl<strong>er</strong> das Gelände v<strong>er</strong>lassen haben. Hin zum Schloß und im<br />

nunmehr Leichen-freien Pförtn<strong>er</strong>stübchen <strong>er</strong>neut hint<strong>er</strong> den V<strong>er</strong>schag in<br />

den Erdstall.<br />

Ganz hinten in d<strong>er</strong> Wand sind seltsame Strukturen zu <strong>er</strong>kennen, die<br />

es zu <strong>er</strong>forschen gilt. Vorsorglich hat <strong>er</strong> einen Maur<strong>er</strong>hamm<strong>er</strong> mit, mit<br />

dessen Hilfe <strong>er</strong> nun in die hint<strong>er</strong>e Wand schlägt und alsbald bricht d<strong>er</strong> Flins<br />

nied<strong>er</strong> und es öffnet sich dem Beschau<strong>er</strong> ein Durchgang in ein<br />

Höhlensystem von gewaltigen Ausmaßen. In mehr<strong>er</strong>en Ebenen aus dem<br />

Flins ausgeschabte Höhlungen, in denen unzählige mumifizi<strong>er</strong>te Leichen<br />

liegen. Kapuzin<strong>er</strong>gruft-artig, ab<strong>er</strong> naturbelassen ohne Zinnsärge mit d<strong>er</strong><br />

gefürchteten Zinnpest, von d<strong>er</strong> kein Restaurator weiß, wie man sie<br />

eindämmen könnte.<br />

Im Abschreiten d<strong>er</strong> unt<strong>er</strong>irdischen Anlage <strong>er</strong>kennt man <strong>er</strong>st d<strong>er</strong>en<br />

wahre Ausdehnungen! In etwa vi<strong>er</strong> Schritten passi<strong>er</strong>t man eine Mumien-<br />

Nische (inklusive Zwischenräume also ca. drei Met<strong>er</strong>) und Quastorf geht<br />

schätzungsweise zweihund<strong>er</strong>t Met<strong>er</strong> ab.<br />

Und da die in drei Ebenen beidseits des g<strong>er</strong>äumigen Ganges liegen,<br />

entspricht d<strong>er</strong>en Zahl beiläufig vi<strong>er</strong>- bis fünfhund<strong>er</strong>t Leichen. Ab<strong>er</strong> das sind<br />

sich<strong>er</strong> nicht alle, denn d<strong>er</strong> Gang geht noch weit<strong>er</strong>. Nur empfiehlt sich das<br />

weit<strong>er</strong>e Vordringen nicht, da Einsturztendenz zu <strong>er</strong>warten ist aufgrund d<strong>er</strong><br />

Errosionen durch die Zeit. Teilweise ahnt man im Dunkel des<br />

Hint<strong>er</strong>grundes auch zusammengestürzte B<strong>er</strong>eiche, denn Quastorfs<br />

Taschenlampe ist zur vollständigen Ausleuchtung zu schwach. Das will <strong>er</strong>


318<br />

dem Kuchlbach<strong>er</strong> garnicht melden, denn d<strong>er</strong> wäre damit voraussichtlich<br />

hoffnungslos üb<strong>er</strong>ford<strong>er</strong>t.<br />

17 Pat<strong>er</strong> Elias ist neu<strong>er</strong>dings sehr müde; <strong>er</strong>schöpft ist <strong>er</strong> wie jed<strong>er</strong><br />

Heil<strong>er</strong>, da das Exorzi<strong>er</strong>en sehr anstrengend ist. Ab<strong>er</strong> <strong>er</strong> muß sich einfach<br />

d<strong>er</strong> Hilde widmen, denn die hatte schon wied<strong>er</strong> so einen satanischen Anfall<br />

von Lust zwischen ihren Schenkeln gehabt. Die Hilde ist die Tocht<strong>er</strong> d<strong>er</strong><br />

Lotte und hat dieses Übel von ihr<strong>er</strong> nunmehr b<strong>er</strong>eits v<strong>er</strong>storbenen Mutt<strong>er</strong><br />

ge<strong>er</strong>bt. Ein schw<strong>er</strong>es Los muß sie somit tragen. Auf die Bank mit ihr!<br />

Pat<strong>er</strong> Immaculatus tut, wie ihm geheißen und so liegt sie gefesselt da<br />

in ihr<strong>er</strong> härenen Kutte. D<strong>er</strong> alte Elias geht liebevoll an sie h<strong>er</strong>an und<br />

besprengt sie zunächst mit Weihwass<strong>er</strong>, was sie sehr <strong>er</strong>bost. Dann<br />

präsenti<strong>er</strong>t <strong>er</strong> ihr das um seinen Hals gehängte Kreuz, das v<strong>er</strong>mutlich in<br />

Konstantinopel sein<strong>er</strong>zeit (vor achthund<strong>er</strong>t Jahren) gestohlen wurde von<br />

irgendeinem Kreuzritt<strong>er</strong>. Sie lief<strong>er</strong>t einen arc de c<strong>er</strong>cle (die typische, das<br />

Geschlechtsteil zuob<strong>er</strong>st anbietende Position in hyst<strong>er</strong>ischen Ebenen – ein<strong>er</strong> Brücke<br />

entsprechend), d<strong>er</strong> sich heutzutage nur mehr sehr selten manifesti<strong>er</strong>t, da die<br />

Zeiten angeblich aufgeklärt<strong>er</strong> geworden sind.<br />

Ganz läßt sich diese Aussage nicht <strong>er</strong>härten, da in den letzten Jahren<br />

d<strong>er</strong> Ab<strong>er</strong>glaube, die Sucht nach Wund<strong>er</strong>heil<strong>er</strong>n, Wünschelruten-Geh<strong>er</strong>n<br />

und Bachblüten fröhliche Urständ’ fei<strong>er</strong>t.<br />

Was jeden Geilspecht <strong>er</strong>freuen würde, beweist Elias nur, daß d<strong>er</strong><br />

Teufel ihr im Fleische wohnt. Also das strenge Ritual, aus dem die<br />

Besessene wie d<strong>er</strong> bemühte Exorzist gleich<strong>er</strong>maßen schweißnaß<br />

h<strong>er</strong>vorgehen, da die Wirkmächtigkeit beid<strong>er</strong> system<strong>er</strong>haltend ist.<br />

Nach zwei Stunden hart<strong>er</strong> Arbeit ist d<strong>er</strong> Zaub<strong>er</strong> vorbei und Rom<br />

kann nun wied<strong>er</strong> bess<strong>er</strong> schlafen, da eine weit<strong>er</strong>e arme Seele den Klauen des<br />

Teufels entrissen wurde.<br />

Pat<strong>er</strong> Immaculatus schnallt ihr die Led<strong>er</strong>riemen ab, geleitet sie in die<br />

Dusche, damit sie sich des Schweißes entledige (Elias gönnt sich d<strong>er</strong>lei nie), labt<br />

sie mit Hostie und Meßwein; h<strong>er</strong>nach auch noch mit Hühn<strong>er</strong>suppe und<br />

Surbratel (dem spricht auch Elias zu; das gönnt <strong>er</strong> sich all<strong>er</strong>dings nur schw<strong>er</strong>en<br />

H<strong>er</strong>zens; denn <strong>er</strong> v<strong>er</strong>steht sich als Asket) und weist sie in ihr Bett. Kein<strong>er</strong><br />

beneidet sie um die Träume d<strong>er</strong> heutigen Nacht, denn die w<strong>er</strong>den sich<strong>er</strong>


319<br />

archaiisch und von fehlfärbigen und mißwüchsigen Gargoylen sinist<strong>er</strong><br />

durchdrungen sein!<br />

Ab<strong>er</strong> irgend einen Nutzen könnte das strenge Ritual schon haben, da<br />

neu<strong>er</strong>dings selbst an<strong>er</strong>kannte Psychoth<strong>er</strong>apeuten und Psychiat<strong>er</strong> darauf<br />

schwören und unlängst hat sogar ein groß<strong>er</strong> Kongreß mit hochrangigen<br />

int<strong>er</strong>nationalen Teilnehm<strong>er</strong>n zu diesem Thema in Graz stattgefunden!<br />

Daß sich diese Leute nicht schämen und nicht an ihr<strong>er</strong> eigenen<br />

Kompetenz zweifeln; d<strong>er</strong> aufgeklärte Mitbürg<strong>er</strong> hat da mehr Ahnung vom<br />

Numinosen als diese selbst <strong>er</strong>nannten Fachleute für Esot<strong>er</strong>ik!<br />

Immaculatus macht nach d<strong>er</strong> Vesp<strong>er</strong> seinen wöchentlichen Rundgang<br />

durch alle Räume des Klost<strong>er</strong>s, um nachzusehen, ob genug frische<br />

Handtüch<strong>er</strong>, Seife und Klopapi<strong>er</strong> in den Sanitäranlagen b<strong>er</strong>eitstehen. Das ist<br />

auch so eine Schwi<strong>er</strong>igkeit gewesen in den vielen Nachkriegs-Jahren, daß <strong>er</strong><br />

das alles nicht beim Greißl<strong>er</strong> im naheliegenden Kautzendorf besorgen<br />

konnte, denn die Frau Hadrbolec hat ihn gleich zu Beginn (im<br />

Fünfundvi<strong>er</strong>zig<strong>er</strong>jahr) gefragt, ob <strong>er</strong> einen schlimmen Durchfall hätte und<br />

möglich<strong>er</strong>weise einen Waschzwang – dazu hat sie anzüglich gelacht (heute<br />

kann sie nicht mehr lachen, da sie 1998 v<strong>er</strong>storben ist; und die Greißl<strong>er</strong>ei wurde zu<br />

Hof<strong>er</strong>; and<strong>er</strong>e wurden zu Zielpunkt, SPAR od<strong>er</strong> Lidl). Nur die ADEG-Läden<br />

haben das ranzige Flair d<strong>er</strong> Abgefucktheit des Greißl<strong>er</strong>haften ein wenig<br />

bewahren können; all<strong>er</strong>dings ohne den Charm des echten Greißl<strong>er</strong>s retten<br />

zu können.<br />

Und so hat <strong>er</strong> schon damals mit d<strong>er</strong> von d<strong>er</strong> SS zurückgelassenen<br />

250-<strong>er</strong>-BMW mit Seitenwagen ins f<strong>er</strong>ne Zwettl zur ungeliebten USIA<br />

fahren müssen, um das alles aufzutreiben. Damals hat man sehr sparsam<br />

sein müssen, denn Bezugsmarken gab es zwar nur mehr kurze Zeit, ab<strong>er</strong><br />

sehr viel war auch in d<strong>er</strong> USIA nicht zu bekommen (K<strong>er</strong>nseife all<strong>er</strong>dings schon –<br />

h<strong>er</strong>gestellt aus v<strong>er</strong>endeten Ti<strong>er</strong>en).<br />

Das waren die Einkaufsketten, die von den Russen für die<br />

Zivilbevölk<strong>er</strong>ung eing<strong>er</strong>ichtet wurden – eine nahezu unv<strong>er</strong>zichtbare<br />

Bezugsquelle für das All<strong>er</strong>nötigste; auch d<strong>er</strong> heute so selten gewordene<br />

Stockfisch (neu<strong>er</strong>dings hochbegehrt und dah<strong>er</strong> unbezahlbar trotz seines wid<strong>er</strong>lichen<br />

Gestankes – vor allem in Italien). Ab<strong>er</strong> Luxus war dort kein<strong>er</strong> zu <strong>er</strong>stehen (und<br />

natürlich schon gar kein Klopapi<strong>er</strong>, denn dessen V<strong>er</strong>fügbarkeit war bis zum Ende des<br />

Kommunismus im Osten imm<strong>er</strong> ein unlösbares Problem), wenn man von dem<br />

gelegentlich zu Spottpreisen angebotenen Malossol-Kaviar absieht, den sie


320<br />

einem aus großen Holzfäss<strong>er</strong>n in altes Zeitungspapi<strong>er</strong> (von Prawda od<strong>er</strong><br />

Volksstimme) mit dem Schöpflöffel gepappt haben. Heute tragen d<strong>er</strong>en<br />

Nachkommen in Moskau Prada und die Stimme des Volkes stört den Putin<br />

kaum bei sein<strong>er</strong> autokratischen Machtausübung, die schon fast nostalgisch<br />

Stalin exhumi<strong>er</strong>t!<br />

Nachh<strong>er</strong> wurde diese Kette vom KONSUM üb<strong>er</strong>nommen, ab<strong>er</strong> d<strong>er</strong><br />

ist nun auch schon Geschichte, seit d<strong>er</strong> H<strong>er</strong>r G. sich wegen dessen Pleite<br />

vor G<strong>er</strong>icht wegen fahrlässig<strong>er</strong> Krida v<strong>er</strong>antworten hat müssen (gemeinsam<br />

mit dem H<strong>er</strong>rn E. – seinem Finanzi<strong>er</strong> – d<strong>er</strong> d<strong>er</strong> BAWAG drei Milliarden € v<strong>er</strong>zockt<br />

hat, was angeblich keinem kleinen Spar<strong>er</strong> geschadet haben dürfte; w<strong>er</strong> hat das eigentlich<br />

bezahlt – und w<strong>er</strong> hat das viele Geld lukri<strong>er</strong>t? D<strong>er</strong> saub<strong>er</strong>e H<strong>er</strong>r F. – und das bis heute<br />

ungestraft! H<strong>er</strong>r E. mußte all<strong>er</strong>dings als einzig<strong>er</strong> lange in den Knast; d<strong>er</strong> Z. nicht!).<br />

Auch nach eventuellen Bauschäden im betagten Gemäu<strong>er</strong> gilt es zu<br />

fahnden; nach Wass<strong>er</strong>rohr-Brüchen durch die aufkommenden Minusgrade<br />

und den eventuell vom Hansi gelegten Bränden. Dies<strong>er</strong> Feu<strong>er</strong>teufel ist noch<br />

imm<strong>er</strong> sehr <strong>er</strong>findungsreich bei seinem Hobby trotz seines hohen Alt<strong>er</strong>s.<br />

So nebenbei geht d<strong>er</strong> gebrechliche Abt nach langem auch wied<strong>er</strong> in<br />

das dritte Kell<strong>er</strong>geschoß hinunt<strong>er</strong>, da d<strong>er</strong> Wein in d<strong>er</strong> Küche fehlt (in den<br />

Tiefen des Kell<strong>er</strong>s sind üppige Res<strong>er</strong>ven, die auch noch von d<strong>er</strong> SS angelegt wurden – da<br />

liegen die feinsten alten Franzosen in groß<strong>er</strong> Zahl in ihrem Schimmelbett).<br />

Mehr zufällig od<strong>er</strong> vielleicht aus Sentimentalität sucht <strong>er</strong> sich den<br />

Weg in Richtung d<strong>er</strong> sein<strong>er</strong>zeit von ihm selbst mühsam ausgekratzen<br />

Nischen in dem schon seit Jahrhund<strong>er</strong>ten vorhandenen Flucht-Gang von<br />

d<strong>er</strong> Burg zum Klost<strong>er</strong>. Nach gut sechshund<strong>er</strong>t Met<strong>er</strong>n ist Schluß, da ab hi<strong>er</strong><br />

Einsturzgefahr besteht und weit<strong>er</strong> hinten ist d<strong>er</strong> Stollen sich<strong>er</strong> schon<br />

eingebrochen; das zu üb<strong>er</strong>prüfen v<strong>er</strong>meidet <strong>er</strong> bess<strong>er</strong>.<br />

Erschreckende Gedanken drängen sich ihm auf, wie <strong>er</strong> ab 1943<br />

täglich durchschnittlich drei bis vi<strong>er</strong> Nischen aus dem weichen Flins<br />

geschabt hat und das viele Mat<strong>er</strong>ial mittels Scheibtruhe und eigens dafür<br />

<strong>er</strong>richtetem Lift mit Handbetrieb nach oben geschafft hat (täglich annäh<strong>er</strong>nd<br />

eineinhalb bis zwei Kubikmet<strong>er</strong>!).<br />

Und noch war das dem H<strong>er</strong>rn Lag<strong>er</strong>leit<strong>er</strong> Struck zu wenig, da<br />

nämlich oftmals wesentlich mehr Bedarf gewesen wäre.<br />

Also dem eiskalten Struck war das sowieso vollkommen wurscht, wie<br />

<strong>er</strong> da unten zurande käme; d<strong>er</strong> hat nur die Leichen h<strong>er</strong>gestellt. Oft mußte


321<br />

Immaculatus ‚auf Halde’ arbeiten, wenn wied<strong>er</strong> ein neu<strong>er</strong> Transport<br />

gekommen ist. Das war Knochenarbeit. Er war vom Abt zum v<strong>er</strong>dreckten<br />

Grubenhund degradi<strong>er</strong>t worden.<br />

Ab<strong>er</strong> wo hätte <strong>er</strong> sich denn beschw<strong>er</strong>en können? Bei d<strong>er</strong> Staatsgewalt,<br />

die genau dieses künstlich h<strong>er</strong>beigeführte Massenst<strong>er</strong>ben befohlen hat? In<br />

Rom sich<strong>er</strong> auch nicht, denn die haben damals die drei Affen kultivi<strong>er</strong>t. Beim<br />

sprichwörtlichen Salzamt, das imm<strong>er</strong> des Öst<strong>er</strong>reich<strong>er</strong>s letzte frustrane<br />

Instanz d<strong>er</strong> Beschw<strong>er</strong>de geblieben ist, war das genauso unmöglich, denn<br />

auch dort sind die Nazis längst gesessen. Also hat <strong>er</strong> auf den stinkenden<br />

blutv<strong>er</strong>krusteten Leichen stehend weit<strong>er</strong>gegraben, bis alle in ihren Nischen<br />

waren, wo sie dann d<strong>er</strong> kühle Luftzug wie Parmaschinken getrocknet hat.<br />

Fast tausend Kubikmet<strong>er</strong> Flins (entsprechend den 2234 Ermordeten) hat <strong>er</strong><br />

in den zwei Jahren nach oben geschafft – ein gewaltiges W<strong>er</strong>k – da braucht<br />

<strong>er</strong> sich nicht wund<strong>er</strong>n, warum sein alt<strong>er</strong> Rücken seit Jahren oftmals<br />

schm<strong>er</strong>zt! In Erinn<strong>er</strong>ung spricht <strong>er</strong> ein kurzes Gebet des Dankes, daß <strong>er</strong> das<br />

alles üb<strong>er</strong>lebt hat. Dann noch eines für die armen Schatten, die hi<strong>er</strong> ruhen<br />

in d<strong>er</strong> Finst<strong>er</strong>nis. Die Batt<strong>er</strong>ie sein<strong>er</strong> Stirnlampe wird langsam schwäch<strong>er</strong>,<br />

ab<strong>er</strong> das stört ihn nicht, denn <strong>er</strong> kennt den Weg, den <strong>er</strong> seit Jahren abgeht,<br />

nahezu wie ein Blind<strong>er</strong>. Er könnte sich sich<strong>er</strong> nie v<strong>er</strong>irren, wiewohl die<br />

muffigen Gänge auch teilweise v<strong>er</strong>zweigt sind, da in den Seitengängen d<strong>er</strong><br />

ganz alte Wein lag<strong>er</strong>t.<br />

Doch was ist das? Zwischen den eingestürzten Strukturen des<br />

hint<strong>er</strong>en Haupt-Stollens v<strong>er</strong>meint <strong>er</strong> ein Licht von d<strong>er</strong> and<strong>er</strong>en Seite<br />

auszunehmen! Könnte irgendw<strong>er</strong> nach Jahren den Zugang von d<strong>er</strong> Burg<br />

gefunden haben, d<strong>er</strong> v<strong>er</strong>schüttet geglaubt war?<br />

Dies<strong>er</strong> Irgendw<strong>er</strong> war natürlich Quastorf, d<strong>er</strong> sich langsam<br />

zurückzieht auf d<strong>er</strong> and<strong>er</strong>en Seite wegen d<strong>er</strong> Ungangbarkeit des Stollens;<br />

und so v<strong>er</strong>li<strong>er</strong>t sich sein Licht, sodaß Immaculatus an eine bloße<br />

Sinnestäuschung denkt.<br />

Er muß endlich zur Ruhe kommen nach diesen Beschw<strong>er</strong>nissen! Sein<br />

fortgeschrittenes Alt<strong>er</strong> läßt weit<strong>er</strong>en Raubbau nicht mehr zu.<br />

Er sollte wohl bess<strong>er</strong> seine geliebten Schützlinge den staatlichen<br />

Sozialinstitutionen üb<strong>er</strong>antworten, denn <strong>er</strong> fühlt sein Ende nahen; doch w<strong>er</strong><br />

weiß, ob die dort gut behandelt würden? Und <strong>er</strong> würde sich auch in sein<strong>er</strong>


322<br />

notwendigen Rechtf<strong>er</strong>tigung vor den Behörden schämen, denn <strong>er</strong> hat den<br />

Weg d<strong>er</strong> Legalität allzu lange v<strong>er</strong>lassen.<br />

18 Kuchelbach<strong>er</strong> weiß nun v<strong>er</strong>meintlich alles genau (nur d<strong>er</strong> neue<br />

Wiesing<strong>er</strong> rennt falschen Spuren nach). Raiding<strong>er</strong> wurde im Schlachthof vom<br />

jungen Ranzbichl<strong>er</strong> <strong>er</strong>mordet, da dort Blut nicht auffält (natürlich ein<br />

vollkommen<strong>er</strong> Blödsinn, d<strong>er</strong> sich nur aus dem letzten Fall <strong>er</strong>klären läßt). D<strong>er</strong> Tät<strong>er</strong> ist<br />

auch schon fast üb<strong>er</strong>führt, denn das war d<strong>er</strong> Erding<strong>er</strong>, dessen Tocht<strong>er</strong> von<br />

den Satanisten geschändet wurde. Und d<strong>er</strong> Raiding<strong>er</strong> war schließlich d<strong>er</strong>en<br />

Ideologe. Das schreit nach Rache; da ist sich Kuchelbach<strong>er</strong> sich<strong>er</strong>! Doch<br />

w<strong>er</strong> sich sich<strong>er</strong> ist, hat den Pfad d<strong>er</strong> Tatsächlichkeit b<strong>er</strong>eits leichtf<strong>er</strong>tig<br />

v<strong>er</strong>lassen, selbst wenn <strong>er</strong> die Gegebenheiten <strong>er</strong>ahnt.<br />

Wiesing<strong>er</strong> weiß es bess<strong>er</strong>, denn <strong>er</strong> kommt von d<strong>er</strong> Schulung<br />

‚wahrscheinliches Tät<strong>er</strong>profil im Zusammenhang ungewöhnlich<strong>er</strong> Auffindungs-<br />

Gegebenheiten’. Es kommt eigentlich nur d<strong>er</strong> Rohring<strong>er</strong> Michl in Frage, denn<br />

d<strong>er</strong> hatte – wie sich <strong>er</strong>mitteln ließ – <strong>er</strong>hebliche Schulden beim Raiding<strong>er</strong>. Er<br />

wollte sich nämlich von seinem Chef Karl Dob<strong>er</strong>sb<strong>er</strong>g<strong>er</strong> abkoppeln und mit<br />

dem DJ-Schmatzi eine Firma für Event-Equipment gründen, um die vielen<br />

lokalen Feste mit V<strong>er</strong>stärk<strong>er</strong>-Anlagen, Bühnen-Technik, Turntables und<br />

Lichtorgeln auszustatten.<br />

Feu<strong>er</strong>wehr-, Kamm<strong>er</strong>adschaftsbund- und Sportl<strong>er</strong>feste, Jäg<strong>er</strong>- und<br />

Reit<strong>er</strong>-Treffen, Trachtenkapellen-Auftritte, Hochzeiten, Trau<strong>er</strong>-Zehrungen<br />

(bei denen es bekanntlich sehr lustig h<strong>er</strong>geht mit Musik und Tanz), Kirtage, Taufen<br />

und Maibaum-Setzungen; Bürg<strong>er</strong>meist<strong>er</strong><strong>er</strong>nennungen und Stadt<strong>er</strong>hebungen<br />

sind zwar eh<strong>er</strong> selten, ab<strong>er</strong> ein Zubrot <strong>er</strong>gibt das auch. Und gelegentlich<br />

Hendelaktionen beim Lag<strong>er</strong>haus; da braucht man auch Musik.<br />

Das hat sich d<strong>er</strong> Michl sehr lukrativ <strong>er</strong>dacht und reichlich in teure<br />

Elektronik investi<strong>er</strong>t, ab<strong>er</strong> viel zu spät hat <strong>er</strong> bem<strong>er</strong>kt, daß da schon einige<br />

and<strong>er</strong>e den Fuß in d<strong>er</strong> Türe haben, die einen kennen, d<strong>er</strong> von einem weiß,<br />

d<strong>er</strong> von wem sehr Wichigen sehr ungünstige Hint<strong>er</strong>gründe <strong>er</strong>fahren hat, die<br />

zu nutzen vorteihaft wären.<br />

Und die haben das angestammte Geschäft gemacht und nicht <strong>er</strong> als<br />

Zukömmling; und so war das Geld im Sand zuhause und <strong>er</strong> hat den<br />

Raiding<strong>er</strong> imm<strong>er</strong> wied<strong>er</strong> v<strong>er</strong>trösten müssen. Doch d<strong>er</strong> Raiding<strong>er</strong> hat das<br />

alles sehr tol<strong>er</strong>ant betrachtet und ihm ein Gegengeschäft vorgeschlagen.


323<br />

Wenn <strong>er</strong> ihm unbezahlt bei den Höllenritualen mit dem DJ-Schmatzi die<br />

notwendige Stimmungs-Musik lief<strong>er</strong>t, ginge das schon in Ordnung. Und ja;<br />

Freunde sollte <strong>er</strong> auch anw<strong>er</strong>ben für die große Idee!<br />

Kuchelbach<strong>er</strong> hat von diesen Hint<strong>er</strong>gründen nicht die g<strong>er</strong>ingste Idee<br />

und <strong>er</strong> will sich auch gar nicht auf die V<strong>er</strong>mutungen seines Frischlings<br />

einlassen; <strong>er</strong> v<strong>er</strong>folgt seine eigenen Ziele.<br />

D<strong>er</strong> Rohring<strong>er</strong> Michl scheint ihm auch ein Kandidat für<br />

V<strong>er</strong>dachtsmomente zu sein, denn d<strong>er</strong> hatte gewaltige Probleme mit dem<br />

Raiding<strong>er</strong>. Erstens ist d<strong>er</strong> sein Stiefonkel, d<strong>er</strong> das Erbe seines v<strong>er</strong>storbenen<br />

Vat<strong>er</strong>s sehr geschmeidig auf sein eigenes Konto umgelenkt hat und<br />

zweitens hat d<strong>er</strong> seine ideelle Liebe zur anbetungswürdigen Nadine<br />

Sauschlag<strong>er</strong> z<strong>er</strong>stört, indem <strong>er</strong> diese vor Zeiten entjungf<strong>er</strong>t hat. Das mußte<br />

<strong>er</strong> mitansehen vor drei Jahren, wie es die beiden in Raiding<strong>er</strong>s Opel<br />

getrieben haben; und <strong>er</strong> hatte sich extra für sie aufgespart!<br />

19 Im f<strong>er</strong>nen Wien brauen sich Unwett<strong>er</strong>wolken zusammen. Die<br />

Mühlen d<strong>er</strong> Minist<strong>er</strong>ien mahlen bekanntlich nur äuß<strong>er</strong>st langsam, denn sie<br />

sind mit den ständigen politischen Umfärbungen ihres P<strong>er</strong>sonals – bedingt<br />

durch wied<strong>er</strong>holte Regi<strong>er</strong>ungs-Um- und Neubildungen – üblich<strong>er</strong>weise<br />

vollauf beschäftigt. Auch Mobbing, Wadelbeiß<strong>er</strong>ei, Sesselbein-Sägen und<br />

Intrigantentum behind<strong>er</strong>n oftmals die Kreativität. Ab<strong>er</strong> gelegentlich <strong>er</strong>gibt<br />

sich un<strong>er</strong>wartet Handlungskompetenz; und da w<strong>er</strong>den am besten die f<strong>er</strong>nen<br />

Strukturen hint<strong>er</strong>fragt und aufgeblattelt.<br />

Sektionschef Hofrat Rustenschach<strong>er</strong> genießt es, daß <strong>er</strong> endlich einmal<br />

wied<strong>er</strong> in ortsfremden Amts-Standorten h<strong>er</strong>umsti<strong>er</strong>en kann, denn im<br />

Zentrum d<strong>er</strong> Macht waren in letzt<strong>er</strong> Zeit leid<strong>er</strong> sehr un<strong>er</strong>freuliche<br />

Ermittlungen nötig, bei denen bedau<strong>er</strong>lich<strong>er</strong>weise auch viele d<strong>er</strong> von ihm<br />

eingesetzten Günstlinge einiges an Schlick nicht von ihren Knöcheln<br />

waschen konnten, da sie sich zu tief in den Sumpf d<strong>er</strong> roten Licht<strong>er</strong><br />

vorgewagt hatten. Quasi von Irrlicht<strong>er</strong>n fehlgeleitet wurden – sehr peinlich<br />

war das. Früh<strong>er</strong> war das alles viel leicht<strong>er</strong>; da konnte d<strong>er</strong> Polizeipräsident<br />

od<strong>er</strong> d<strong>er</strong> Sich<strong>er</strong>heitsdirektor solche bedeutungslosen Ausrutsch<strong>er</strong> irgendwie<br />

ausklopfen mit guten Beziehungen zum Minist<strong>er</strong>.<br />

Ab<strong>er</strong> heute haben diese klebrigen Zeitungsfritzen selbst die besten<br />

Rutschen zu Minist<strong>er</strong>n, die sich aufgrund ihr<strong>er</strong> Öffentlichkeit keine


324<br />

schrägen Seitenblicke leisten können (die haben genug Streß mit ihren eigenen<br />

privaten Hubschraub<strong>er</strong>flügen zu Fußball-Meist<strong>er</strong>schaften, die das Innenminist<strong>er</strong>ium<br />

b<strong>er</strong>eitstellen muß). Das sollte heute alles unnötig<strong>er</strong>weise vor d<strong>er</strong> Öffentlichkeit<br />

begründet w<strong>er</strong>den – leicht haben die es solch<strong>er</strong>art auch nicht.<br />

„Sog’ns Bachmaning<strong>er</strong>, wos is do eigentlich los in Woidvi<strong>er</strong>t’l. I hör’ do so<br />

Soch’n; des wiad jo laungsaum unhamlich! Do st<strong>er</strong>b’n ma a bißl z’vüh Leit<br />

do oman im Busch. Mia woit’n jo scho vua Johre des Morddez<strong>er</strong>nat durt’n<br />

zuaspearr’n, weu nie wos passi<strong>er</strong>t is. Und jetzt h<strong>er</strong> i, daß duat d<strong>er</strong> Hotspot d<strong>er</strong><br />

Kriminalität daham is! Mia soit’n an Sond<strong>er</strong><strong>er</strong>mittl<strong>er</strong> hi’schick’n. Wos wa’s<br />

min Pissing<strong>er</strong>; dea hot eh nix zun tuan. Bevur’a dauand bein Wirt’n sitzt,<br />

kunnt’a a wos oabeitn, damit eahm net fad wird. Schick’ man aufe in de<br />

Tundra, den Lahmlock!“.<br />

Und so wird Viktor Pissing<strong>er</strong> mit Sond<strong>er</strong>vollmachten hint<strong>er</strong> den<br />

ehemaligen Limes entsandt (zu den Wilden, wie die in d<strong>er</strong> Reichshaupt- und<br />

Residenzstadt abfällig zu sagen pflegen).<br />

Mit dem auffälligen Dienstwagen (einem schwarzen M<strong>er</strong>cedes-S) fährt <strong>er</strong> –<br />

kutschi<strong>er</strong>t vom beflissenen Chauffeur Fidlsb<strong>er</strong>g<strong>er</strong> – am Dez<strong>er</strong>nat in d<strong>er</strong><br />

Kesselbodengasse vor. Das hat freilich wenig von v<strong>er</strong>deckt<strong>er</strong> Ermittlung an<br />

sich. Unsensibl<strong>er</strong> geht es kaum! Voll<strong>er</strong> Aufruhr im Amt. D<strong>er</strong> Kuchlbach<strong>er</strong><br />

roti<strong>er</strong>t mit rotem Kopf; alle eilen aus d<strong>er</strong> Kantine an ihre Arbeitsplätze, da<br />

die Frau Duftschmied mit fein<strong>er</strong> Nase für Gefahr den Alarm mittels<br />

Funkg<strong>er</strong>ät ausgelöst hat:<br />

„Duftschmied an alle! Duftschmied an alle! Alarmstufe rot! I glaub’, de<br />

Weana kumman; sadts wochsaum, Buasch’n; do kummt wos zuwa!“.<br />

„Was kann ich für Sie tun?“ H<strong>er</strong>r Doktor Kuchelbach<strong>er</strong> wirkt glaubhaft<br />

üb<strong>er</strong>rascht, was <strong>er</strong> ja auch ist, denn damit hätte <strong>er</strong> ansich nicht g<strong>er</strong>echnet –<br />

nicht jetzt, wo <strong>er</strong> doch neu<strong>er</strong>dings so gute Arbeit leistet. Int<strong>er</strong>ne Ermittlung –<br />

d<strong>er</strong> Schrecken jedes braven Polizeiangehörigen, denn das kommt nur<br />

auß<strong>er</strong>ordentlich selten vor.<br />

Das ist nahezu ein Feme-G<strong>er</strong>icht, das nur gänzlich Insubordinanten<br />

zufällt, zu denen sich Kuchlbach<strong>er</strong> als pflichtbewußt<strong>er</strong> Beamt<strong>er</strong> nie<br />

hingezogen gefühlt hat. Ung<strong>er</strong>echtigkeit ist ung<strong>er</strong>echt; und G<strong>er</strong>echtigkeit<br />

ebenfalls. W<strong>er</strong> kennt schon Gottes und d<strong>er</strong> Vorgesetzten Motive; warum sie<br />

machen, was sie machen und nicht angemessen handeln, ist den Leuten an


325<br />

d<strong>er</strong> Basis meist inapparent. Solche Philosophie ist nun nicht mehr gefragt;<br />

ab nun bloß selbst<strong>er</strong>haltend<strong>er</strong> Abwehrkampf!<br />

„Kaunn’ i de B<strong>er</strong>ichte Einsicht nema? Oda hobt’s es do h<strong>er</strong>oman übahaupt<br />

sowos wia a Schreibmaschin? – Haha; Se entschuidig’n scho den Sch<strong>er</strong>z.<br />

Oba Spaß beiseite, wia geht’s denn Es vua – stratägisch?“.<br />

Sowas von einem Kotzbrocken, d<strong>er</strong> seine Probleme sich<strong>er</strong> mit<br />

scharfen Lösungsmitteln wegwäscht und dessen einzig philosophische Basis<br />

d<strong>er</strong> frustri<strong>er</strong>te Zynismus geblieben ist. Glaubt d<strong>er</strong> denn, daß <strong>er</strong> es mit<br />

Idioten zu tun hat; hi<strong>er</strong> an d<strong>er</strong> harten Front? In Wien saufen und huren<br />

diese Wappl<strong>er</strong> mit Strizzis h<strong>er</strong>um auf d<strong>er</strong>en und uns<strong>er</strong>e Kosten, wodurch sie<br />

sich sogar das restliche nicht zugedrückte Auge v<strong>er</strong>nebeln und uns wollen<br />

die Vorschriften machen?<br />

Einen Chauffeur braucht d<strong>er</strong> H<strong>er</strong>r Gut; sich<strong>er</strong> hat <strong>er</strong> seinen<br />

Führ<strong>er</strong>schein beim Stoß-Spiel v<strong>er</strong>loren od<strong>er</strong> wegen drei Promille am Steu<strong>er</strong>!<br />

D<strong>er</strong> wird hi<strong>er</strong> bestimmt nicht alt; das schwört sich Kuchelbach<strong>er</strong> in einem<br />

<strong>er</strong>stmaligen Anflug von Subv<strong>er</strong>sivität und Insubordinanz! Jetzt <strong>er</strong>st kann <strong>er</strong><br />

den Nonkonformismus des leid<strong>er</strong> nicht mehr zur V<strong>er</strong>fügung stehenden<br />

Quastorf nachvollziehen.<br />

Irgend ein faules Ei w<strong>er</strong>den wir dem schon noch legen, daß <strong>er</strong> dessen<br />

G<strong>er</strong>uch nicht so leicht wegspülen wird können. Auflaufen lassen will <strong>er</strong> das<br />

abgewrackte Möchteg<strong>er</strong>n-Schlachtschiff an irgendeinem Riff im Nebel d<strong>er</strong><br />

Gegend, in dem jedes klägliche Mayday ungehört v<strong>er</strong>hallt.<br />

Fast v<strong>er</strong>meint Kuchlbach<strong>er</strong> Befehle des pensioni<strong>er</strong>ten Quastorf in<br />

seinem Kopf zu v<strong>er</strong>nehmen. Das führt nun doch zu weit, ab<strong>er</strong> seine<br />

Sympathie zu dem unwied<strong>er</strong>bringlichen Mitarbeit<strong>er</strong> wächst m<strong>er</strong>kbar.<br />

Jetzt v<strong>er</strong>steht <strong>er</strong> <strong>er</strong>st viele d<strong>er</strong> früh<strong>er</strong> undurchschaubaren<br />

Gedankensprünge Quastorfs bezüglich unorthodox<strong>er</strong> Vorgehensweisen,<br />

denn diese Form von Amts-V<strong>er</strong>ständnis kann man einfach nicht mittragen.<br />

Pissing<strong>er</strong>! Da v<strong>er</strong>steht man schon auf Grund des Namens, daß d<strong>er</strong><br />

nur im Zynismus sein Heil finden konnte. Da nützt d<strong>er</strong> siegesbewußte<br />

Vorname Viktor nur wenig. Jetzt nur ja keinen Fehl<strong>er</strong> machen; sich nur ja<br />

keine Blöße geben! Korrekt und koop<strong>er</strong>ativ, freundlich und aalglatt, dann<br />

fährt d<strong>er</strong> vielleich bald wied<strong>er</strong>.


326<br />

„Frau Duftschmied, bitte bringen’s den bewußten Akt; sie wissen schon –<br />

die Mordsache Raiding<strong>er</strong>!“.<br />

Die so Angesprochene eilt mit roten Ohren h<strong>er</strong>bei und legt den<br />

dünnen Ordn<strong>er</strong> mit leicht zitt<strong>er</strong>nden Händen zwischen die beiden<br />

Kampfhähne. Kuchelbach<strong>er</strong> will daraus ref<strong>er</strong>i<strong>er</strong>en, ab<strong>er</strong> Ob<strong>er</strong>st Pissing<strong>er</strong><br />

dreht das Konvolut in seine eigene v<strong>er</strong>quollene Optik.<br />

„Wos haumm’ma denn do? Sea heazig, des Heft<strong>er</strong>l; do hobt’s Eich sicha vü<br />

plog’n miaß’n damit!“ kann <strong>er</strong> das Ätzen nicht lassen.<br />

„Geh weida! Bei Eich gibt’s no Hex’na? Wos ess’n denn de? Grot’n und<br />

Schlaungan oda goa klane Kinda? – Haha; des is gut. Do weans in Wean a<br />

ziemliche Hetz haumm, waunn’s des les’n w<strong>er</strong>’n!“. Scheißkoff<strong>er</strong>!<br />

„Wir sind <strong>er</strong>st zu Beginn d<strong>er</strong> Ermittlungen und da befindet sich noch<br />

reichlich Mat<strong>er</strong>ial in uns<strong>er</strong>em Labor, das <strong>er</strong>st d<strong>er</strong> Aufarbeitung harrt!“.<br />

Kuchlbach<strong>er</strong> schwitzt ein wenig im Nacken.<br />

„H<strong>er</strong>r Dez<strong>er</strong>natsleit<strong>er</strong>; i les do ständig wos von an gewiss’n Joseph Quastorf,<br />

d<strong>er</strong> do Soch’n g’fund’n hot und se dauand ei’mischt. Wea is denn des? Jetzt<br />

kummt’s ma! Is des net Eicha pensioni<strong>er</strong>ta Chefinspekta, dem’s wos aus’n<br />

Hirn außag’schnitt’n haum? Wiaso is d<strong>er</strong> noch tätig? Is dea ibahaupt no<br />

zuavalässig und zurechnungsfähig? Dea hot de Leich’ g’fundn? Wiaso<br />

<strong>er</strong>mitt’lt denn dea illegal?“.<br />

„Aufgrund dessen Zufallsfundes wurde das V<strong>er</strong>brechen <strong>er</strong>st offenkundig;<br />

wir müssten ihm eigentlich dankbar sein, denn sonst wäre d<strong>er</strong> Tatbestand<br />

vielleicht nie aufgedeckt worden!“ v<strong>er</strong>teidigt Kuchlbach<strong>er</strong> seinen<br />

neuentdeckten Liebling.<br />

„I wea des ollas dokumenti<strong>er</strong>en und Se hören von mir! Wo kaunn ma denn<br />

in d<strong>er</strong>a Gegend schlof’n? Wiss’ns ma’r a Quarti<strong>er</strong>?“ gibt sich d<strong>er</strong><br />

Investigationsbeamte nunmehr leutselig.<br />

„Die Blaue Gans bietet sich an; die wäre standesgemäß für Sie!“.<br />

Pissing<strong>er</strong> liebt fremde Büros nicht und ist dankbar, daß <strong>er</strong> in d<strong>er</strong><br />

gemütlichen Atmosphäre des Landgasthauses ein g’scheites Schnitz<strong>er</strong>l<br />

bekommt. Trotz einig<strong>er</strong> Zwickel in Gegenwart des eh<strong>er</strong> v<strong>er</strong>schlossenen<br />

Chauffeurs Fidlsb<strong>er</strong>g<strong>er</strong> kommt es zu kein<strong>er</strong> Konv<strong>er</strong>sation.


327<br />

Ab<strong>er</strong> d<strong>er</strong> Fux Poldl setzt sich unaufgeford<strong>er</strong>t zu ihm und leitet<br />

ungewollt in die Wege, was eigentlich Doktor Kuchelbach<strong>er</strong> anstrebt;<br />

nämlich das Scheit<strong>er</strong>n des vorgesetzten Exekutivbeamten, was fast zu<br />

dessen Existenzv<strong>er</strong>nichtung führt.<br />

„Gö; Se san aus Wean? Des kennt unsarana glei. Wos tuan’s’n do; se wean<br />

do net launglaufn, wo’s no kan Schnee gibt! Oda woinn’s Nordic Wok’n, wia<br />

de Deppat’n, wos se kane Schi leist’n kennan? San Se vielleicht a Nosara?<br />

Des hob’ i ma denkt, weu Se so mit de Aug’n schaun! Peppi; zwa Kriag’ln;<br />

oba auf sofuat und mit Schaum; den Lack kaunn’st Da koit’n! Da Hearr<br />

Kriminalrot is a feina Mensch; dea is wos Bessas g’wehnt!“.<br />

D<strong>er</strong> Chauffeur geht auf sein Zimm<strong>er</strong>, denn <strong>er</strong> weiß schon, was da<br />

kommen wird – <strong>er</strong> kennt seinen ausgebrannten Chef genau!<br />

Lange dau<strong>er</strong>t die Nacht und sie dient nur wenig d<strong>er</strong><br />

Wahrheitsfindung; eh<strong>er</strong> schon dem Leb<strong>er</strong>streß Pissing<strong>er</strong>s.<br />

„Bei uns brauxt nix suach’n! Do is ollas ehrlich und off’n. Oida; Du bist a<br />

guada Freind! Muag’n zagt da mei Bua, daß dea gaunze Schaß, den se de<br />

Zwettla Kiebara do ausdenkt haumm, a Schmoann is! Biiitte glaub’ ma des; i<br />

kenn’s in Deine Aug’n, daß’d a guada Mensch bist!“.<br />

Pissing<strong>er</strong> schmilzt trotz sein<strong>er</strong> Härte dank d<strong>er</strong> vielen Zwickel-Bi<strong>er</strong>e in<br />

die <strong>er</strong>eignisreiche Landschaft mit ihren seltsamen Abläufen und<br />

Charakt<strong>er</strong>en, die <strong>er</strong> jetzt substanzbedingt bestens v<strong>er</strong>steht (und auch zu<br />

tol<strong>er</strong>i<strong>er</strong>en b<strong>er</strong>eit ist, trotz all<strong>er</strong> Morde die hi<strong>er</strong>orts v<strong>er</strong>übt wurden). Wo sind die Moore,<br />

in denen <strong>er</strong> in ozeanischen Gefühlen unt<strong>er</strong>gehen dürfte; wo sind die<br />

Streicheleinheiten dies<strong>er</strong> etwas schroffen Bewohn<strong>er</strong>, die ihm eine<br />

V<strong>er</strong>schollenheit bieten könnten, die man in d<strong>er</strong> Stadt nie finden kann? Er<br />

muß haltlos weinen; das hatte <strong>er</strong> nie zuvor – so eine Gemütlichkeit!<br />

20 Quastorf flüchtet aus d<strong>er</strong> Kur unt<strong>er</strong> Zurücklassung d<strong>er</strong> sehr<br />

anregenden Mijou zu d<strong>er</strong> Waldfrau, denn die hat ihm schon oftmals gut<br />

getan, zu Zeiten, da <strong>er</strong> bedrückt war. Sie leitet ihn in ihren gemütlichen<br />

Kell<strong>er</strong>, von dem <strong>er</strong> bish<strong>er</strong> nur wenig wußte. Die Abartigkeit des Ambientes<br />

stört ihn wenig, denn <strong>er</strong> fühlt sich in ihr<strong>er</strong> Gegenwart geborgen, wiewohl sie<br />

schlappe faltige Hängebrüste hat. Ab<strong>er</strong> sie hat auch ein unsagbares Flair und<br />

Augen wie Samt, d<strong>er</strong>en Tiefen das Univ<strong>er</strong>sum in den Schatten stellen.


328<br />

Wie sie die Dekokte anmischt, ist b<strong>er</strong>eits <strong>er</strong>otisch (quasi eine Magoia;<br />

eine Alchymistoia, d<strong>er</strong>en Volatilia ins wahre H<strong>er</strong>z fließen). Alles beginnt<br />

unv<strong>er</strong>fänglich bei einem Extrakt aus Artemisia absinthium, das all<strong>er</strong>dings ein<br />

klein wenig Thujon enthält, von dessen Genuß nicht ohne Grund manche<br />

Toxikologen abraten, da es Hemmungen abbaut. Danach bräuchte es<br />

beinahe nicht mehr die Trunkelbe<strong>er</strong>e, von d<strong>er</strong> man nun zehret, da sie<br />

lüst<strong>er</strong>n schmecket wie Traumsaft. Auch die Alrune (seu Mandragora) sollte<br />

man nicht nutzen, da d<strong>er</strong>en Nachteile die Vorteile bei weitem üb<strong>er</strong>steigen.<br />

Mescalito spricht h<strong>er</strong>nach seltsam zu ihm: „Blubb<strong>er</strong>lutsch fustigrumpi ubb<strong>er</strong>wazz,<br />

humstifuzzi – saddowatsch“. Daß absolute Erkenntnis so einfach ist!<br />

Pfloatsch; sowas kann man seinen Kind<strong>er</strong>n wahrlich nicht anraten!<br />

Quastorf quält sich nur schm<strong>er</strong>zhaft aus dem v<strong>er</strong>schwitzen Sofa und hat<br />

eine d<strong>er</strong>artige Erektion, daß <strong>er</strong> sie irgendwo unt<strong>er</strong>bringen muß. V<strong>er</strong>stecken<br />

das steife Glied in d<strong>er</strong> Frau, die ihm diese Substanzen angetan hat.<br />

Beschämend und dennoch <strong>er</strong>lustigt gestaltet sich seine vollbrüstig<br />

zutagegetragene Wolllüstigkeit. Ab<strong>er</strong> bald ist Schluß und schweißnaß v<strong>er</strong>läßt<br />

<strong>er</strong> in tief<strong>er</strong> Dankbarkeit Frau Heike Strehlmann, die das allzu seltene<br />

Sp<strong>er</strong>ma freudig in ihrem magentaroten Schamhaar v<strong>er</strong>trocknen läßt.<br />

D<strong>er</strong> Heimweg gestaltet sich schwi<strong>er</strong>ig<strong>er</strong> als d<strong>er</strong> Hinweg, da die<br />

Orienti<strong>er</strong>ungsfähigkeit m<strong>er</strong>kbar von genau den Gehirnzentren gesteu<strong>er</strong>t<br />

wird, die g<strong>er</strong>ade leichtf<strong>er</strong>tig ausgeschaltet wurden.<br />

Quastorf ab<strong>er</strong> schämt sich auf seinem Zimm<strong>er</strong> in Lilienkron, denn<br />

dies<strong>er</strong> Sündenfall war nun wirklich gänzlich üb<strong>er</strong>flüssig – und so gar nicht<br />

nach sein<strong>er</strong> Art. Denn so <strong>er</strong>wirbt man sich keinen Ruf als weis<strong>er</strong> ält<strong>er</strong><strong>er</strong><br />

H<strong>er</strong>r! Und nun hat <strong>er</strong> nicht nur sein v<strong>er</strong>schollenes Clärchen, sond<strong>er</strong>n auch<br />

seine entzückende Kurschattin beleidigt (und die Waldfrau auch; doch nein – die<br />

nicht – denn die hat ihn mit Mandragora, Kaktussud und Psylocibe b<strong>er</strong>auscht zum<br />

Zwecke ihr<strong>er</strong> eigenen Befriedigung!). Das wird <strong>er</strong> sich in Zukunft genau<strong>er</strong><br />

üb<strong>er</strong>legen, ob <strong>er</strong> dort noch einmal hinfährt. Er hat nicht einmal eine<br />

Ahnung, wo <strong>er</strong> den Besen geparkt hat, auf dem <strong>er</strong> heimgeflogen ist!<br />

21 In gewiss<strong>er</strong> Weise ist d<strong>er</strong> Anruf vom Peppi Holzing<strong>er</strong> für<br />

Kuchlbach<strong>er</strong> ein wenig peinlich, was das Image bezüglich seines Kollegen<br />

betrifft; das beschmutzt seine Profession <strong>er</strong>neut unzulässig. Ab<strong>er</strong> <strong>er</strong> schöpft<br />

auch Hoffnung, daß sich solch<strong>er</strong>art ein Anlaß <strong>er</strong>gäbe, den Sond<strong>er</strong><strong>er</strong>mittl<strong>er</strong> –<br />

diese Laus – aus dem Pelz zu bekommen.


329<br />

„Lieb<strong>er</strong> H<strong>er</strong>r Doktor, kennta’tn Se, bittschee, den H<strong>er</strong>rn Ob<strong>er</strong>st iagandwia<br />

dabändig’n? Weu dea randali<strong>er</strong>t scho de gaunze Nocht in mein Hotöh und<br />

mocht ma de gaunz’n Gäst’ revöllisch! De hoibate Eirichtung hot a ma<br />

z’haut! I hätt’ eahm net sovüh eischenga soinn; i hob jo net wiss’n känna,<br />

daß dea noch lächaliche sieb’n Bia so hinnich is! Sei Schofför kaunn eam a<br />

net eibrems’n (den hot’a in’d Gosch’n g’haut!). Moment’al; jetzt is plötzlich<br />

a Ruah. I schau amoi.... Jetzt schloft’a auf da Bod’nstiag’n. A so a Noah! Do<br />

hobt’s ma wos gaunz Unguat’s aus Wean g’schickt. Danke vühmois, H<strong>er</strong>r<br />

Inspekta; oba soichane Gäst brauch i nimma! Und de Rechnung fia den<br />

Schod’n schick i Eichan feinan Minista; daß d’as wast!“.<br />

Irgendwie genießt Kuchlbach<strong>er</strong> diese Worte, wiewohl <strong>er</strong> sich für<br />

seinen Stand schämt. „V<strong>er</strong>zeihen Sie, H<strong>er</strong>r Holzing<strong>er</strong>; ich w<strong>er</strong>de diese<br />

unangenehme Sache sogleich b<strong>er</strong>einigen!“.<br />

„Hanfthal<strong>er</strong>, Habison! Wir fahren ins Gelände; volles Equipment.<br />

Schußwaffe nur im Notfall; ich <strong>er</strong>warte Feingefühl bei einem Kollegen!“.<br />

Im Puch-G mit wenig Lärm den knappen Kilomet<strong>er</strong> vom Dez<strong>er</strong>nat<br />

Kesselbodengasse zur ‚Blauen Gans’ am Hauptplatz. Das muß man gesehen<br />

haben! Nur ein islamisch<strong>er</strong> Selbstmord-Attentät<strong>er</strong> schafft ärg<strong>er</strong>e<br />

Z<strong>er</strong>störung! In d<strong>er</strong> Gaststube eingeschlagene Fenst<strong>er</strong>, die Glasplatte d<strong>er</strong><br />

Theke z<strong>er</strong>trümm<strong>er</strong>t, viele Schnapsflaschen d<strong>er</strong> Bar liegen z<strong>er</strong>brochen am<br />

Boden und die Klomuschel am Damenklo ist entwurzelt! Eine Spur d<strong>er</strong><br />

Z<strong>er</strong>störung hat d<strong>er</strong> feine Ob<strong>er</strong>st in seinem Rausch hint<strong>er</strong>lassen. Wie wird<br />

man das d<strong>er</strong> Journaille <strong>er</strong>klären können? D<strong>er</strong> NÖN, d<strong>er</strong> Krone und d<strong>er</strong><br />

NEWS; und <strong>er</strong>st Öst<strong>er</strong>reich Heute?<br />

Kuchlbach<strong>er</strong> pirscht sich unt<strong>er</strong> d<strong>er</strong> Adjutanz von Habison und<br />

Hanfthal<strong>er</strong> an den schnarchenden Pissing<strong>er</strong>, d<strong>er</strong> nach Erbrochenem und<br />

seinem urinösen Namen riecht, h<strong>er</strong>an.<br />

„H<strong>er</strong>r Ob<strong>er</strong>st! Aufwachen; es ist Zeit heimzufahren. D<strong>er</strong> Fidlsb<strong>er</strong>g<strong>er</strong> wartet<br />

schon im Auto“.<br />

„Wos is los? Wos woi’nn denn Se; wea san Se ibahaupt? Halt, keine<br />

Bewegung; Sond<strong>er</strong><strong>er</strong>mittlung!“. Langsam finden seine Synapsen zu den<br />

<strong>er</strong>ford<strong>er</strong>lichen Neuronen und <strong>er</strong> beginnt dümmlich und breit zu grinsen.<br />

„A Se san’s, Holletschek (oda wia haß’n Se?). Hoppala; i bin do a bißl<br />

ausg’rutscht – glaub’ i – des kaunn do an jed’n passi<strong>er</strong>’n. Net san’s ma bes;<br />

des geht total in Uadnung mit meina Nochforschung do in G’sch<strong>er</strong>tindien.


330<br />

I beg’l Ihna des scho ollas bei mein Schef, waunn’s mi außahau’n aus den<br />

bleed’n G’frett!“.<br />

Kuchlbach<strong>er</strong> genießt seinen Triumpf und sagt nur milde: „Ich denke,<br />

daß es für uns alle das Beste wäre, wenn Sie d<strong>er</strong> Fidlb<strong>er</strong>g<strong>er</strong> jetzt wied<strong>er</strong> nach<br />

Wien führen würde!“.<br />

Mit im offenen Hosentor eingezogenem Schwanz v<strong>er</strong>läßt Pissing<strong>er</strong><br />

den Ort d<strong>er</strong> Z<strong>er</strong>störung und fürchtet nichts mehr als den B<strong>er</strong>icht<br />

Kuchlbach<strong>er</strong>s bezüglich sein<strong>er</strong> Ausuf<strong>er</strong>ung. Denn hi<strong>er</strong>orts h<strong>er</strong>rscht noch<br />

Ehrlichkeit und da kann man sich nicht wie in Wien hint<strong>er</strong> p<strong>er</strong>missiven<br />

Vorgesetzten v<strong>er</strong>stecken, die sich selbst so <strong>er</strong>heblich angepatzt haben, daß<br />

sie so viele Augen garnicht haben können, die sie zudrücken müssten.<br />

Und so w<strong>er</strong>den nicht nur imm<strong>er</strong> die eigenen zugedrückt (und solch<strong>er</strong>art<br />

bekommen Mitwiss<strong>er</strong> auch gelegentlich existenzielle Probleme, denn wenn man die Augen<br />

passiv zugedrückt bekommt, ist das meist unbekömmlich für den Passiven).<br />

Welch ein Sieg für Kuchlbach<strong>er</strong> trotz d<strong>er</strong> Erniedrigung für seinen<br />

Stand! Hoffentlich kommen die Wien<strong>er</strong> nie wied<strong>er</strong>, damit man hi<strong>er</strong> in Ruhe<br />

arbeiten kann! So einfach ist d<strong>er</strong> Job hi<strong>er</strong> nicht, wie die Großkopf<strong>er</strong>ten<br />

denken und trotzdem ist die Aufklärungsrate deutlich höh<strong>er</strong> als in d<strong>er</strong><br />

Großstadt.<br />

22 Johann Erding<strong>er</strong> – in sein<strong>er</strong> Funktion als Bestatt<strong>er</strong> – muß heute den<br />

Raiding<strong>er</strong>, dessen Leiche von d<strong>er</strong> Staatsanwaltschaft b<strong>er</strong>eits freigegeben<br />

wurde, zu Grabe tragen. Angeekelt ist <strong>er</strong> von dessen Schuldhaftigkeit. Vor<br />

dem Jüngsten G<strong>er</strong>icht wird d<strong>er</strong> freilich einen kleinen Bonus bekommen, da<br />

<strong>er</strong> so Furchtbares durchgemacht hat. Dafür könnte <strong>er</strong> seinem Mörd<strong>er</strong><br />

eigentlich dankbar sein, wiewohl Ermordete d<strong>er</strong>lei nicht leisten können;<br />

selbst Undankbarkeit fiele in dies<strong>er</strong> Situation schw<strong>er</strong>; das liegt in d<strong>er</strong> Natur<br />

d<strong>er</strong> prinzipiell fehlenden Fähigkeiten von V<strong>er</strong>storbenen!<br />

Seine Eveline ist neu<strong>er</strong>dings emotional deutlich v<strong>er</strong>änd<strong>er</strong>t, was ihn<br />

stutzen läßt. Es wird wohl sich<strong>er</strong> nicht dah<strong>er</strong> stammen, daß <strong>er</strong> sich zu ihr<br />

üb<strong>er</strong>mäßig hingezogen gefühlt hat vor so vielen Jahren; denn da war sie ja<br />

noch ein kleines Kind; und in dem Alt<strong>er</strong> m<strong>er</strong>kt man’s noch nicht so! Da war<br />

sich<strong>er</strong> noch was And<strong>er</strong>es. Und das muß <strong>er</strong> wissen.


331<br />

D<strong>er</strong> neue Pfarr<strong>er</strong> von Höllweix hält eine <strong>er</strong>greifende Laudatio,<br />

wiewohl <strong>er</strong> den V<strong>er</strong>storbenen nicht kennt. Vom neuen Bischof Künigl<br />

importi<strong>er</strong>t, da hi<strong>er</strong>orts kein Priest<strong>er</strong>nachwuchs mehr zu bekommen ist.<br />

Genetischen Nachwuchs gäbe es zur Genüge, ab<strong>er</strong> genau d<strong>er</strong> ist wenig<br />

<strong>er</strong>wünscht. Ein kons<strong>er</strong>vativ<strong>er</strong> Pole namens Henryk Gdansky mit guten<br />

Deutschkenntnissen, dessen Credo Radio Marija ist und d<strong>er</strong> den<br />

heiligzusprechenden Woitiła v<strong>er</strong>ehrt (bekanntlich wegen d<strong>er</strong> in sein<strong>er</strong> Anrufung<br />

geheilten Hämorrhoiden ein<strong>er</strong> südam<strong>er</strong>ikanischen Nonne!).<br />

D<strong>er</strong> zuvorige – allseits beliebte – Pfarr<strong>er</strong> Hölling<strong>er</strong> hat sich<br />

bekanntlich in den Laienstand v<strong>er</strong>setzen lassen müssen, da <strong>er</strong> sich zur Frau<br />

Paradeis<strong>er</strong> hingezogen gefühlt (und das auch öffentlich bekannt) hat. Ehrlichkeit<br />

wird in dies<strong>er</strong> Jesus-f<strong>er</strong>nen Amtskirche imm<strong>er</strong> schlecht<strong>er</strong> behandelt als<br />

bigott<strong>er</strong> Falsch.<br />

Die Rede ist knapp und wenig spezifisch: „Wied<strong>er</strong> ist ein<br />

gottesfi<strong>er</strong>chtig<strong>er</strong> Mitbi<strong>er</strong>g’r von uns gegangen, d<strong>er</strong> seinen Glauben bis<br />

zuletzt v<strong>er</strong>teidigt chat und dafi<strong>er</strong> den Määrtyr<strong>er</strong>tod am Kreijze stärben<br />

mußte, wie uns<strong>er</strong> lieb<strong>er</strong> Ch<strong>er</strong>r Jäsus, weil gottlohse Meichelmärd’r ihm sein<br />

junges Leben genommen chaben. In d<strong>er</strong> Chelle w<strong>er</strong>den sie schmoren bis<br />

ans Ände all<strong>er</strong> Zeijten! Und so bäten wir alle fi<strong>er</strong> seijne arme Sääle: Pat<strong>er</strong><br />

nost<strong>er</strong>, qui es in ceelis........“. Von d<strong>er</strong> Funktion Raiding<strong>er</strong>s als Ideologe d<strong>er</strong><br />

Satanisten v<strong>er</strong>nimmt man nichts – de mortui nil nisi bene!<br />

Auß<strong>er</strong>dem lieben kons<strong>er</strong>vative Kirchenmänn<strong>er</strong> den Teufel, da <strong>er</strong> als<br />

Einzig<strong>er</strong> ihnen die Kundschaft garanti<strong>er</strong>t zuführen kann. Quasi d<strong>er</strong><br />

wichtigste Außendienst-Mitarbeit<strong>er</strong> (und d<strong>er</strong> arbeitet rund um die Uhr im Akkord<br />

sehr effizient und nochdazu gratis – d<strong>er</strong> Traum jedes Konz<strong>er</strong>ns!). Wie wenn d<strong>er</strong><br />

Glas<strong>er</strong>meist<strong>er</strong> seinen Sohn mit ein<strong>er</strong> Steinschleud<strong>er</strong> beschenkt – ein sich<strong>er</strong>es<br />

Geschäft!<br />

Nur sehr wenige trau<strong>er</strong>n um den Raiding<strong>er</strong>. Und noch wenig<strong>er</strong> sind<br />

im Trau<strong>er</strong>zug v<strong>er</strong>treten: Die Nadine Sauschlag<strong>er</strong>, d<strong>er</strong> Rohring<strong>er</strong> Michl und<br />

die H<strong>er</strong>menegild Vielhab<strong>er</strong>, die sowieso zu jedem Begräbnis geht. Erding<strong>er</strong><br />

spuckte ihm ins Grab nach, nachdem alle gegangen waren und sein neu<strong>er</strong><br />

Gehilfe Otto weggeschaut hat. G<strong>er</strong>ne hätte <strong>er</strong> ihn noch angebrunzt; ab<strong>er</strong><br />

das hat <strong>er</strong> dann doch bleibenlassen (v<strong>er</strong>dient hätte <strong>er</strong> es all<strong>er</strong>dings sich<strong>er</strong>!).<br />

Im Hint<strong>er</strong>grund steht Quastorf hint<strong>er</strong> einem Grabstein v<strong>er</strong>deckt und<br />

betrachtet int<strong>er</strong>essi<strong>er</strong>t die Szen<strong>er</strong>ie. Mit sein<strong>er</strong> alten Exakta macht <strong>er</strong> mittels<br />

Teleobjektiv Nahaufnahmen von den Gesicht<strong>er</strong>n d<strong>er</strong> Teilnehmenden, weil


332<br />

<strong>er</strong>stens steht oftmals d<strong>er</strong> Mörd<strong>er</strong> am Grabe seines Opf<strong>er</strong>s (denn <strong>er</strong> muß<br />

Abschied nehmen und sich<strong>er</strong> sein, daß das Opf<strong>er</strong> nicht wied<strong>er</strong>kehrt) und zweitens sind<br />

die Gesichtsausdrücke d<strong>er</strong> Hint<strong>er</strong>bliebenen von <strong>er</strong>heblich<strong>er</strong> Bedeutung.<br />

Einschub: Mijou hat in Quastorfs Handy die Numm<strong>er</strong> von Clara<br />

Stowass<strong>er</strong> gefunden und will sich ihr stellen in weiblich-solidarisch<strong>er</strong><br />

Ehrlichkeit.<br />

„Frau Stowass<strong>er</strong>? Hi<strong>er</strong> spricht Mijou Kunnling<strong>er</strong>! Sie w<strong>er</strong>den mich nicht<br />

kennen und sich sich<strong>er</strong> fragen, warum ich Sie anrufe. Ab<strong>er</strong> d<strong>er</strong> Mann Ihr<strong>er</strong><br />

Träume hat sich in letzt<strong>er</strong> Zeit mit mir was angefangen; und das sollten Sie<br />

wissen, denn <strong>er</strong> traut sich das sich<strong>er</strong> nicht zu <strong>er</strong>zählen – so sind die Männ<strong>er</strong><br />

eben! Ab<strong>er</strong> sie brauchen sich vor mir nicht zu fürchten; es war nur ein<br />

Ausrutsch<strong>er</strong> anläßlich d<strong>er</strong> Kur und <strong>er</strong> wird Ihnen bald wied<strong>er</strong> zugehören –<br />

danach! Ich <strong>er</strong>hebe keine Ansprüche! Und wenn ich von Ihnen gewußt<br />

hätte, wäre mir das alles sich<strong>er</strong> nicht passi<strong>er</strong>t!“.<br />

Clara ist <strong>er</strong>staunt ob d<strong>er</strong> Ehrlichkeit Mijous und büßt einiges an<br />

Achtung Quastorf-gegenüb<strong>er</strong> ein (auch die Achtung vor sich selbst leidet ein wenig).<br />

Und doch ist sie froh, die unv<strong>er</strong>diente Sieg<strong>er</strong>in zu sein, wo sie ihn sichtlich<br />

zu sehr v<strong>er</strong>nachlässigt hat. Irgendwie ist auch sie dadurch die Ursache sein<strong>er</strong><br />

Fremdgänge geworden. Sie muß sich klarw<strong>er</strong>den, ob sie diese allzu lock<strong>er</strong>e<br />

Beziehung in dies<strong>er</strong> Ausformung weit<strong>er</strong>führen will. Und sie hat schon eine<br />

Ahnung, wie das gehen sollte. Sie weiß um ihre sexuelle Macht und wird die<br />

hinkünftig etwas stärk<strong>er</strong> und wesentlich häufig<strong>er</strong> zum Einsatz bringen!<br />

Einschub Ende.<br />

Quastorf hat genug gesehen hint<strong>er</strong> seinem Grabstein (also nicht seinem<br />

eigenen; denn noch ist <strong>er</strong> nicht tot). Relativ wichtig ist auch, w<strong>er</strong> all<strong>er</strong> nicht zu<br />

einem Begräbnis geht! Noch dazu, wo d<strong>er</strong> Fall so spektakulär ist! Da<br />

möchte man doch meinen, daß d<strong>er</strong> halbe Bezirk <strong>er</strong>scheint. Ab<strong>er</strong><br />

möglich<strong>er</strong>weise sind die Hint<strong>er</strong>gründe d<strong>er</strong>art v<strong>er</strong>fänglich, daß niemand<br />

damit in Zusammenhang gebracht w<strong>er</strong>den will. Wieso ist seine Ehemalige<br />

nicht anwesend, wo sie doch eine Kleinigkeit <strong>er</strong>bt, was man zwar nicht<br />

v<strong>er</strong>stehen kann, ab<strong>er</strong> Quastorf konnte das aufdecken.<br />

Beim V<strong>er</strong>lassen sein<strong>er</strong> Deckung stößt <strong>er</strong> fast mit einem jungen<br />

Priest<strong>er</strong> zusammen, d<strong>er</strong> sehr v<strong>er</strong>stört vor dem nächstbesten Grab zu beten<br />

beginnt. Dabei stört es Quastorf, daß dieses Grab sehr v<strong>er</strong>wahrlost wirkt<br />

und die letzte eingemeißelte Jahreszahl 1894 lautet.


333<br />

„Na Sie könnten das Grab ihr<strong>er</strong> Ur-ur-ur-ur-Großmutt<strong>er</strong> auch bess<strong>er</strong><br />

pflegen! Wieso hatte die eigentlich keine Kind<strong>er</strong>, da nach 1894 niemand<br />

mehr hi<strong>er</strong> be<strong>er</strong>digt wurde? Ich stelle mir das einig<strong>er</strong>maßen schwi<strong>er</strong>ig vor,<br />

d<strong>er</strong> Ururur-Enkel aus ein<strong>er</strong> kind<strong>er</strong>losen Beziehung zu sein!“.<br />

D<strong>er</strong> scheue Priest<strong>er</strong> beginnt sogleich haltlos zu weinen. Ab<strong>er</strong> nicht<br />

etwa, weil <strong>er</strong> sich die Rüge bezüglich d<strong>er</strong> V<strong>er</strong>nachlässigung des<br />

Familiengrabes so zu H<strong>er</strong>zen nimmt, sond<strong>er</strong>n weil sein V<strong>er</strong>such, unbeteiligt<br />

am Begräbnis zu <strong>er</strong>scheinen, vor diesem Fremden mit den durchdringenden<br />

ab<strong>er</strong> liebevollen Augen, kläglich gescheit<strong>er</strong>t ist.<br />

„Wollen Sie beichten? Ich habe einen ähnlichen B<strong>er</strong>uf wie Sie; nur diene ich<br />

d<strong>er</strong> weltlichen G<strong>er</strong>echtigkeit, wie Sie d<strong>er</strong> göttlichen!“. Quastorf hat nur das<br />

Präsens mit dem P<strong>er</strong>fekt v<strong>er</strong>wechselt, denn <strong>er</strong> ‚diente’!<br />

„Ich wollte dem Raiding<strong>er</strong> nur die letzte Ehre <strong>er</strong>weisen, denn ich habe ihm<br />

vor Jahren furchtbar geschadet, da ich den auf ihn fallenden V<strong>er</strong>dacht nicht<br />

aufgeklärt habe! Das Sündhafte mit dem Knaben im Seminar war ich. Ab<strong>er</strong><br />

wie hätte ich mich dazu bekennen können, da mir von bischöflich<strong>er</strong> Seite<br />

sosehr davon abg<strong>er</strong>aten wurde. Ich habe alle Alibis praktisch von ob<strong>er</strong>st<strong>er</strong><br />

Stelle am Tablett s<strong>er</strong>vi<strong>er</strong>t bekommen, damit ich die Schande v<strong>er</strong>meiden<br />

konnte. Und am Raiding<strong>er</strong> ist das dann teilweise pickengeblieben. Er war<br />

ein Heilig<strong>er</strong>, denn <strong>er</strong> hat nie um seine Ehre gekämpft, um mich zu schützen,<br />

weil <strong>er</strong> große Stücke auf mich gehalten hat – damals! Und dann ist <strong>er</strong> dem<br />

Teufel in die Fänge geglitten; da trage ich sich<strong>er</strong> einige Mitschuld daran.<br />

Und jetzt ist <strong>er</strong> tot und ich kann ihn nicht einmal mehr um V<strong>er</strong>zeihung<br />

bitten“. Wied<strong>er</strong> schütteln ihn heftige Weinkrämpfe.<br />

Quastorf ist <strong>er</strong>schütt<strong>er</strong>t von diesem Geständnis; ab<strong>er</strong> so sieht kein<br />

Mörd<strong>er</strong> aus und das kommt auch nicht ins Protokoll. Was für ein Protokoll<br />

eigentlich? Er hat doch seine Dienstmarke gegen eine <strong>er</strong>kleckliche Pfründe<br />

getauscht. Er sollte sich endlich zurückziehen; Erdhörnchen züchten für<br />

Schlangenfarmen, freilaufende Wildschweine zur Schlachtreife bringen, die<br />

letzten Grasfrösche in den wenigen v<strong>er</strong>bliebenen Feuchbiotopen vor dem<br />

Ausst<strong>er</strong>ben bewahren, Pirole, Kreuzschnäbel, Grünspechte, Dompfaffen,<br />

Widehopfe und Kibitze zählen für die Ornithologen. Od<strong>er</strong> Baumchirurgie<br />

betreiben, denn das hat <strong>er</strong> in seinem Arboretum geübt. Eine<br />

Architekturkritik-Kolumne für das Lokalblatt <strong>er</strong>stellen od<strong>er</strong> Bienen züchten,<br />

da in letzt<strong>er</strong> Zeit ohnehin die gesamte Gegend unt<strong>er</strong> Bienenlosigkeit leidet,<br />

was zu <strong>er</strong>heblichen Ernteeinbrüchen bei den vielen Streu-Obstkulturen<br />

geführt hat.


334<br />

23 D<strong>er</strong> Kultplatz in Lilienfels ist b<strong>er</strong>eits freigegeben von d<strong>er</strong> Polizei<br />

und so trifft sich d<strong>er</strong> restliche Satans-Orden mitten in d<strong>er</strong> Woche zwecks<br />

psychologisch<strong>er</strong> Aufarbeitung d<strong>er</strong> unsäglichen Geschehnisse.<br />

„Sogt’s amoi, wea hot denn den Schaß mi’n Raidinga draht; jetzt ehrlich,<br />

weu de Kiebara san eh net do. A so a Scheißdreck! Jetzt san ma in Visi<strong>er</strong><br />

von da Öffentlichkeit – des kännan ma net brauch’n! Do bricht unsa<br />

W<strong>er</strong>tesystem z’saumm!“ profili<strong>er</strong>t sich d<strong>er</strong> Rohring<strong>er</strong> als neu<strong>er</strong> Ob<strong>er</strong>teufel.<br />

Ab<strong>er</strong> aufgrund d<strong>er</strong> Geschehnisse brechen die Strukturen b<strong>er</strong>eits<br />

m<strong>er</strong>kbar auseinand<strong>er</strong>, denn kein<strong>er</strong> will ab nun dabeigewesen sein. Inn<strong>er</strong>e<br />

Emigration macht sich breit, was jed<strong>er</strong> vom and<strong>er</strong>en ahnt, da <strong>er</strong> es in sich<br />

selbst v<strong>er</strong>spürt.<br />

„Es woa jo imma gaunz schee, wos ma g’mocht haumm; oba jetzt is sense.<br />

Mia diaffn uns nimma treff’n!“ löst d<strong>er</strong> Sulzgrub<strong>er</strong> praktisch den Orden auf,<br />

wiewohl <strong>er</strong> bish<strong>er</strong> kein<strong>er</strong>lei Kompetenz hatte.<br />

Ein letztes Mal säuft man sich nied<strong>er</strong> in satanisch<strong>er</strong> Nostalgie. Und<br />

dann gehen alle heim und w<strong>er</strong>den ab nun ihren Frust d<strong>er</strong> Abgeschiedenheit<br />

mit Bürg<strong>er</strong>lichkeit in ihren viel zu groß ausgelegten Neubauten mit Plasma-<br />

TV-Schirmen, Zimm<strong>er</strong>-Springbrunnen, Spare-Ribbs-Parties, teu<strong>er</strong><br />

eing<strong>er</strong>ichteten ab<strong>er</strong> le<strong>er</strong>stehenden Kind<strong>er</strong>zimm<strong>er</strong>n, V<strong>er</strong>sandhandels-<br />

Produkten und Feu<strong>er</strong>wehr-Festen befriedigen.<br />

23 Otto Donn<strong>er</strong>baum wankt heim vom Fest und m<strong>er</strong>kt nur wenig von<br />

dem knackenden G<strong>er</strong>äusch in den diesen Weg begrenzenden Schlehen. Was<br />

<strong>er</strong> zusätzlich nicht m<strong>er</strong>kt – und nur nebensächlich v<strong>er</strong>spürt – ist ein hart<strong>er</strong><br />

Schlag auf seine weiche Birne. Sofort geht <strong>er</strong> nied<strong>er</strong> und findet niewied<strong>er</strong><br />

auf, da St<strong>er</strong>ben die Bewegung v<strong>er</strong>hind<strong>er</strong>t.<br />

Da nützt es sein<strong>er</strong> Seele auch wenig, daß sie die oftmals beschriebene<br />

Fähigkeit des Darüb<strong>er</strong>schwebens hat. Was soll’s; jetzt sieht <strong>er</strong> zwar auß<strong>er</strong><br />

seinem gespaltenen Schädel auch seinen Mörd<strong>er</strong> von oben. Ab<strong>er</strong> anzeigen<br />

wird <strong>er</strong> ihn wohl nicht mehr können! Und langsam v<strong>er</strong>dunstet sein Ego in<br />

Abrahams Wurschtkessel und alles wird wurscht sein ab nun.<br />

Denn Ewigkeit od<strong>er</strong> Vorbei, wo ist d<strong>er</strong> Unt<strong>er</strong>schied, wenn die<br />

Raumzeit auf Urlaub ist. H<strong>er</strong>rlichkeit od<strong>er</strong> V<strong>er</strong>dammnis sind nur Begriffe<br />

ohne Bedeutung, wenn das Ambiente in Losigkeit einfri<strong>er</strong>t. Auch das


335<br />

Jüngste G<strong>er</strong>icht sieht seinen decarni<strong>er</strong>ten Arsch sich<strong>er</strong> nur im Vorbeiflug,<br />

bei dem Arbeitspensum, was die haben w<strong>er</strong>den bei zig milliarden Sünd<strong>er</strong>n,<br />

da absolut alle Sünd<strong>er</strong> sind (da gibt’s sich<strong>er</strong> Blockabf<strong>er</strong>tigung od<strong>er</strong> Kollektiv-Buße für<br />

ein paar milliarden Null<strong>er</strong>ln, wie <strong>er</strong> eines war!).<br />

Er hat sich das Jenseits imm<strong>er</strong> als ‚riesigen Heurigen’ vorgestellt, wo<br />

Freund und Feind, Löwe und Lamm aus d<strong>er</strong> selben Schüssel knabb<strong>er</strong>n und<br />

aus dem selben Krügel trinken (ohne auf’s selbe Häus’l zu gehen). Jesus s<strong>er</strong>vi<strong>er</strong>t<br />

v<strong>er</strong>klärt lächelnd Brot und Wein, Buddha breit lachend fettes Gemüse,<br />

Abraham bringt dust<strong>er</strong>blickend gefillten Fisch, Mohammed schmallippig<br />

Kaffee und die Eng<strong>er</strong>ln sind leichtgeschürzt, üppig barock und frivol unt<strong>er</strong><br />

ihrem kurzen Rock<strong>er</strong>l. Doch da ist nichts! Nichteinmal d<strong>er</strong> Teufel mit<br />

scharfen Schnäpsen! OHMMMMMMMMMMM........Nein! Ich will nicht!<br />

D<strong>er</strong> Tät<strong>er</strong> wischt das W<strong>er</strong>kzeug mit einem Büschel Heu ab, denn <strong>er</strong><br />

hat es schon oft zuvor benutzt und will es weit<strong>er</strong> nützen; sowas wirft man<br />

nicht g<strong>er</strong>ne weg, denn das ist von gut<strong>er</strong> Qualität. Zudem wäre das vielleicht<br />

ein Hinweis auf ihn; die Polizei ist oftmals findig.<br />

So kann <strong>er</strong> ihn nicht liegenlassen, denn dann würde <strong>er</strong> zu früh<br />

gefunden und sein Alibi bekäme <strong>er</strong>hebliche Sprünge. Also z<strong>er</strong>rt <strong>er</strong> den<br />

frischen Leichnam mittels gel<strong>er</strong>ntem Griff – von hinten in dessen<br />

v<strong>er</strong>schränkte Arme – hund<strong>er</strong>t Met<strong>er</strong> b<strong>er</strong>gab an den kleinen Bach, hebt die<br />

v<strong>er</strong>sumpfte Grasnarbe ab, legt sie vorsichtig zur Seite (Gras auf Gras),<br />

schaufelt aus dem schw<strong>er</strong>en Boden eine tiefe Grube und legt den<br />

Donn<strong>er</strong>baum danach hinein. Einige Steinplatten legt <strong>er</strong> noch auf den Toten,<br />

damit ihn die Füchse nicht ausgraben. Danach alles wied<strong>er</strong> zugemacht in<br />

umgekehrt<strong>er</strong> Reihenfolge und zuletzt die Grasnarbe darauf und mittels<br />

Brett<strong>er</strong>n v<strong>er</strong>dichten.<br />

Dann muß <strong>er</strong> zurück an den Tatort. Die Schüssel, in d<strong>er</strong> <strong>er</strong> das viele<br />

Blut aus d<strong>er</strong> Kopfwunde aufgefangen hat, nimmt <strong>er</strong> an sich und geht damit<br />

zum Ort d<strong>er</strong> V<strong>er</strong>scharrung (d<strong>er</strong> nun sachg<strong>er</strong>echt mit Zweigen und Laub unkenntlich<br />

gemacht wurde). Er taucht ein weit<strong>er</strong>es Grasbüschel in das Blut und streicht<br />

mit diesem eine sehr lange Spur jenseits des Baches (in dessen Bett <strong>er</strong> qu<strong>er</strong> eine<br />

tiefe Rinne mit d<strong>er</strong> Schaufel gezogen hat) bis weit in den von Dickicht v<strong>er</strong>filzten<br />

Jungwald. Sein vom Opf<strong>er</strong> geborgt<strong>er</strong> Umhang kann ruhig Spuren an den<br />

Unt<strong>er</strong>hölz<strong>er</strong>n hint<strong>er</strong>lassen; das stört ihn nicht, denn das ist nicht sein<strong>er</strong>.<br />

Die Spur wird den möglich<strong>er</strong>weise einzusetzenden Bluthunden sich<strong>er</strong><br />

gefallen! Am Ende dies<strong>er</strong> v<strong>er</strong>scharrt <strong>er</strong> den blutigen Umhang, den <strong>er</strong> üb<strong>er</strong>


336<br />

seinem PE-Schutzanzug für Spritzmittel-Anwend<strong>er</strong> (<strong>er</strong>hältlich in jedem<br />

Lag<strong>er</strong>haus um 29.90) trägt, in einem Dachsbau. Also so dumm wird die<br />

Polizei voraussichtlich nicht sein, daß sie den Dachs dann als<br />

Hauptv<strong>er</strong>dächtigen in die Akte schreibt; ab<strong>er</strong> die v<strong>er</strong>dutzten Gesicht<strong>er</strong> stellt<br />

<strong>er</strong> sich lustig vor. Wahrscheinlich wird sowieso niemand die Stelle suchen,<br />

da d<strong>er</strong> Donn<strong>er</strong>baum sich<strong>er</strong> niemandem abgeht.<br />

Erschöpft fährt d<strong>er</strong> Tät<strong>er</strong> mit dem Fahrrad heim, zieht seine viel zu<br />

großen Gummistiefel aus und packt sie in einen Plastiksack. Die alten<br />

Fahrradreifen sollte man auch einmal wechseln; doch das wird <strong>er</strong> morgen<br />

machen, denn heute ist <strong>er</strong> rechtschaffen müde. Er geht noch in die<br />

W<strong>er</strong>kstatt, schaltet das Tapedeck mit dem Hobelg<strong>er</strong>äusch und die Licht<strong>er</strong><br />

aus und stellt das Gebläse ab.<br />

Ein Bi<strong>er</strong> gönnt <strong>er</strong> sich noch, nachdem <strong>er</strong> sich aus dem v<strong>er</strong>schwitzen<br />

Anzug geschält und dann geduscht hat. Er döst in den F<strong>er</strong>nseh<strong>er</strong> hinein<br />

und träumt von saftigen Wiesen und bockigen Zicklein, die <strong>er</strong> mit blutigen<br />

Grasbüscheln fütt<strong>er</strong>t, worauf denen die liebensw<strong>er</strong>ten Äuglein aus dem<br />

Schädel platzen.<br />

24 Quastorf trifft sich heute nur kurz mit Mijou beim Frühstück, denn<br />

es droht die Abschlußunt<strong>er</strong>suchung durch den Kurarzt – für beide. Und das<br />

bedeutet auch schon fast den Abschied von ein<strong>er</strong> b<strong>er</strong>eich<strong>er</strong>nden<br />

Freundschaft, denn die Kur geht morgen zu Ende. Und so sitzen sie<br />

gemeinsam im geschmackvoll mit Kunstw<strong>er</strong>ken regional<strong>er</strong> Schöpf<strong>er</strong><br />

behübschten Wart<strong>er</strong>aum. Ein Gemälde vom Wass<strong>er</strong>burg<strong>er</strong> hängt auch da<br />

„Irak im Pulv<strong>er</strong>dunst“ (man <strong>er</strong>kennt nur Schemen von z<strong>er</strong>schossenen Panz<strong>er</strong>n und<br />

weinende halbnackte Kind<strong>er</strong>, die mit Urangranaten-Blindgäng<strong>er</strong>n spielen – sehr<br />

unsensibel für eine Heilanstalt!).<br />

Frau Schall<strong>er</strong> ist heute wenig<strong>er</strong> hart als bei d<strong>er</strong> Strahlmassage vorige<br />

Woche. Ab<strong>er</strong> trotz ihr<strong>er</strong> anregenden Rundungen sagt sie ein wenig spitz:<br />

„Also normal<strong>er</strong>weise schätzen wir es hi<strong>er</strong>orts eh<strong>er</strong>, wenn uns<strong>er</strong>e Schützlinge<br />

während d<strong>er</strong> Kur Gewicht v<strong>er</strong>li<strong>er</strong>en, da die meisten zwecks Entschlackung<br />

zu uns kommen. In Ihrem Fall will ich all<strong>er</strong>dings ein Auge zudrücken, daß<br />

Sie vi<strong>er</strong> Kilo zugenommen haben, da Sie ja ein Postop<strong>er</strong>ativ<strong>er</strong> sind!“.<br />

H<strong>er</strong>r Doktor Wund<strong>er</strong>balding<strong>er</strong> eilt gestreßt ins schmucklose<br />

Unt<strong>er</strong>suchungszimm<strong>er</strong>. „W<strong>er</strong> muß unt<strong>er</strong>sucht w<strong>er</strong>den, Frau Schall<strong>er</strong>? Ich


337<br />

habe heute nur wenig Zeit, denn ich bin dem Doktor Wening<strong>er</strong> im Wort,<br />

bei d<strong>er</strong> Einweihung d<strong>er</strong> W<strong>er</strong>kstatt B-sond<strong>er</strong> & B-dürfnis in Kauzendorf die<br />

Laudatio zu halten!“.<br />

Jetzt stürmt Mijou mit rotem Kopf ins Unt<strong>er</strong>suchungszimm<strong>er</strong> ohne<br />

anzuklopfen: „Was für ein Doktor Wening<strong>er</strong>? Sprechen Sie von meinem<br />

H<strong>er</strong>b<strong>er</strong>t, den ich schon so viele Jahre aus den Augen v<strong>er</strong>loren habe?“.<br />

„Was <strong>er</strong>lauben Sie sich? Sie warten gefälligst, bis Sie an d<strong>er</strong> Reihe sind!<br />

Sehen Sie nicht, daß hi<strong>er</strong> ein nackt<strong>er</strong> Mann steht, d<strong>er</strong> ein gewisses Recht auf<br />

seine Intimität hätte?!“.<br />

„Ich bitte Sie, H<strong>er</strong>r Doktor! Dessen Intimitäten kenne ich bess<strong>er</strong> als Sie;<br />

ab<strong>er</strong> jetzt sagen Sie mir endlich, wo ich den H<strong>er</strong>b<strong>er</strong>t finden kann!“.<br />

Quastorf ist entsetzt von ihr<strong>er</strong> un<strong>er</strong>warteten sexuellen Offenheit im<br />

öffentlichen B<strong>er</strong>eich und nunmehr schämt <strong>er</strong> sich <strong>er</strong>rötend nicht nur vor<br />

d<strong>er</strong> vollbusigen Schall<strong>er</strong>, die seine – von ihr<strong>er</strong> Optik h<strong>er</strong>vorg<strong>er</strong>ufene –<br />

zaghafte Erektion leicht belustigt wahrgenommen hat, sond<strong>er</strong>n auch vor<br />

dem gestrengen Arzt und Mijou. Wie kann sie es wagen, ihn so zu outen;<br />

sie, die sonst so scheue Rehin!?<br />

„Was wollen Sie denn vom Wening<strong>er</strong>, dem Ungustl?“.<br />

„Das geht Sie garnichts an; sagen Sie mir nur, wie ich ihn finden kann!“.<br />

„Das ist einfach; begleiten Sie mich halt zur Eröffnungs-V<strong>er</strong>anstaltung!“.<br />

H<strong>er</strong>r Doktor Wund<strong>er</strong>balding<strong>er</strong> ist ein ausgesprochen fesch<strong>er</strong> Mann.<br />

Solarium-gebräunt, durchtraini<strong>er</strong>t, gestylt von oben bis unten; das, was man<br />

hi<strong>er</strong>orts ein wenig ehrfürchtig einen Weib<strong>er</strong><strong>er</strong> nennt. Ein g<strong>er</strong>üttelt Maß an<br />

Nachhilfe von Kollegen d<strong>er</strong> ästhetischen Medizin v<strong>er</strong>meint man auch zu<br />

<strong>er</strong>kennen. Viele gebrochene H<strong>er</strong>zen bewahrt <strong>er</strong> in seinem Schatzkästlein auf<br />

und hat sie an dem seidenen Faden seines Lebenslaufes aufgefädelt.<br />

Frau Schall<strong>er</strong> bedeutet Quastorf, daß <strong>er</strong> sein Gemächt wegpacken<br />

und sich bekleiden könnte, da die Unt<strong>er</strong>suchung abgeschlossen sei (wiewohl<br />

sie garnicht stattgefunden hat).<br />

Froh aus d<strong>er</strong> Unannehmlichkeit zu entkommen, nimmt d<strong>er</strong><br />

entlassene Kurgast Frau Kunnling<strong>er</strong> zur Seite und will Näh<strong>er</strong>es wissen.


338<br />

„Was willst Du mit dem schmi<strong>er</strong>igen Wening<strong>er</strong>? Woh<strong>er</strong> kennst Du den<br />

üb<strong>er</strong>haupt?“.<br />

„Das ist eine lange Geschichte! Das war d<strong>er</strong>, d<strong>er</strong> mir vor vielen vielen<br />

Jahren in mein<strong>er</strong> schlimmsten Bedrängnis sehr hilfreiche Unt<strong>er</strong>stützung und<br />

Zuspruch zukommen hat lassen. Er hat mich all<strong>er</strong>dings auch geschwäng<strong>er</strong>t<br />

und war dann plötzlich v<strong>er</strong>schwunden, weil <strong>er</strong> in eine and<strong>er</strong>e Schule v<strong>er</strong>setzt<br />

wurde. Ich wollte sein Kind danach abtreiben, ab<strong>er</strong> ich habe es nicht üb<strong>er</strong>s<br />

H<strong>er</strong>z gebracht. Und dann war d<strong>er</strong> Bub so schwi<strong>er</strong>ig in d<strong>er</strong> Schule und<br />

spät<strong>er</strong> mit seinen Drogen und das hat mein Mutt<strong>er</strong>h<strong>er</strong>z sehr oft schw<strong>er</strong><br />

v<strong>er</strong>letzt. Davon weiß <strong>er</strong> gar nichts; ab<strong>er</strong> vielleicht sollte <strong>er</strong> es heute wissen!“.<br />

Quastorf findet diese Idee nicht sehr zielführend, ab<strong>er</strong> <strong>er</strong> will ihr nicht<br />

im Wege stehen und so sagt <strong>er</strong>: „Wenn es Dir weit<strong>er</strong>hilft, solltest Du es<br />

angehen“.<br />

25 Sylvest<strong>er</strong> Siebenhandel, d<strong>er</strong> alte Miststi<strong>er</strong><strong>er</strong>, ist an Samstagen imm<strong>er</strong><br />

bei d<strong>er</strong> Altstoff-Sammelstelle anzutreffen. Heute hat <strong>er</strong> wied<strong>er</strong> einmal einen<br />

guten Tag. Die Müllknechte tol<strong>er</strong>i<strong>er</strong>en seine Abzweigung von noch sehr gut<br />

brauchbaren Dingen, die die üb<strong>er</strong>sättigte Luxusgesellschaft (oft neuw<strong>er</strong>tig und<br />

teilweise noch in d<strong>er</strong> Originalv<strong>er</strong>packung) v<strong>er</strong>wirft.<br />

Ein Paar gelbe PVC-Siefel – Größe 43 – findet <strong>er</strong>. Und zwei sehr gut<br />

<strong>er</strong>haltene Räd<strong>er</strong> eines Mountain-Bikes. Alles leid<strong>er</strong> stark kotv<strong>er</strong>dreckt, ab<strong>er</strong><br />

von durchaus hoh<strong>er</strong> Qualität (mit sinnvollem Wied<strong>er</strong>v<strong>er</strong>kaufsw<strong>er</strong>t). Ein<br />

Bügeleisen ohne die g<strong>er</strong>ingsten Gebrauchs-Spuren und ein neuw<strong>er</strong>tig<strong>er</strong> –<br />

leicht angebrannt<strong>er</strong> – Kelomat samt Dichtung noch als Draufgabe.<br />

Im Hof sein<strong>er</strong> gewöhnungsbedürftigen Bude wird alles mit dem<br />

Hochdruck-Reinig<strong>er</strong> gesäub<strong>er</strong>t und in den vorhandenen Hort all<strong>er</strong> Sachen<br />

v<strong>er</strong>bracht (denn <strong>er</strong> ist d<strong>er</strong> H<strong>er</strong>r d<strong>er</strong> Dinge). Danach ab<strong>er</strong> hebt d<strong>er</strong> Greis sein<strong>er</strong><br />

Greisin, die dem Wass<strong>er</strong> gänzlich abgeschworen hat wie <strong>er</strong>, den Rock zu<br />

sein<strong>er</strong> Belustigung und ihr<strong>er</strong> befürchteten Demütigung.<br />

26 Frau Kunnling<strong>er</strong> schreitet an d<strong>er</strong> Seite von Doktor Wund<strong>er</strong>balding<strong>er</strong><br />

zu d<strong>er</strong> Eröffnung. Ganz recht ist dem das nicht, sich mit ein<strong>er</strong> Patientin zu<br />

zeigen, ab<strong>er</strong> schämen braucht <strong>er</strong> sich keinesfalls, denn diese Dame ist eine<br />

geschmackvoll gekleidete reife Schönheit mit funkelnden Augen und dem


339<br />

gewissen Etwas in d<strong>er</strong> gut<strong>er</strong>haltenen Figur. Das trägt ihr bösartige Blicke<br />

d<strong>er</strong> ortsansäßigen Damen, die den Doktor heute nicht mehr so oft wie<br />

früh<strong>er</strong> haben, ein (v. a. weil sie mit ihren fünfundsechzig Jahren keinen BH trägt, was<br />

die anwesenden Männ<strong>er</strong> keinesfalls stört, da sich alles selb<strong>er</strong> trägt).<br />

Wening<strong>er</strong> wirkt wie imm<strong>er</strong> in den letzten Jahren (und das ist wahrlich<br />

kein Lob!). Halbh<strong>er</strong>zig, aalglatt und routini<strong>er</strong>t <strong>er</strong>öffnet <strong>er</strong> die Wekstatt für<br />

Sond<strong>er</strong>begabte. Das gehört leid<strong>er</strong> zu seinen Aufgaben als Landespolitik<strong>er</strong>.<br />

„Wir v<strong>er</strong>danken diese wichtige öffentliche Sozial-Einrichtung d<strong>er</strong><br />

un<strong>er</strong>müdlichen Einsatzb<strong>er</strong>eitschaft uns<strong>er</strong>es lieben HW Hölling<strong>er</strong>, d<strong>er</strong> so<br />

lange Jahre dem Pfarramt Höllweix in vorbildlich<strong>er</strong> Weise gedient hat. Daß<br />

<strong>er</strong> vor kurzem in den Laienstand zurückv<strong>er</strong>setzt wurde, hat ihn nicht daran<br />

hind<strong>er</strong>n können, sich auf dem Sektor d<strong>er</strong> Nächstenliebe weit<strong>er</strong>hin zu<br />

engagi<strong>er</strong>en. Mit Hilfe d<strong>er</strong> ehrenamtlichen Mitglied<strong>er</strong> des von ihm<br />

gegründeten V<strong>er</strong>eines Mitmensch ohne Barri<strong>er</strong>e ist ihm das große Kunststück<br />

geglückt, in ein<strong>er</strong> Zeit d<strong>er</strong> aufkommenden Engh<strong>er</strong>zigkeit <strong>er</strong>hebliche<br />

Spendenmittel aufzutreiben, die vom Land großzügig v<strong>er</strong>doppelt wurden.<br />

Uns<strong>er</strong> geliebt<strong>er</strong> Landesvat<strong>er</strong> Erwin wäre heute g<strong>er</strong>ne als Schirmh<strong>er</strong>r<br />

anwesend gewesen, ab<strong>er</strong> <strong>er</strong> ist leid<strong>er</strong> and<strong>er</strong>weitig v<strong>er</strong>pflichtet, da die Wahlen<br />

bevorstehen und so steht mir die ehrenvolle Aufgabe zu, diese Institution<br />

zu <strong>er</strong>öffnen! Und nun wird d<strong>er</strong> an<strong>er</strong>kannte Philanthrop – Doktor Walt<strong>er</strong><br />

Wund<strong>er</strong>balding<strong>er</strong> – uns allen die Notwendigkeit d<strong>er</strong> neu<strong>er</strong>öffneten<br />

Einrichtung schmackhaft machen! Ich üb<strong>er</strong>gebe hiemit das Mikrophon an<br />

ihn“. Kaum w<strong>er</strong> klatscht – und das nur halbh<strong>er</strong>zig.<br />

„Behind<strong>er</strong>ung ist kein Makel und darf auch kein<strong>er</strong> sein, da wir alle in<br />

gewiss<strong>er</strong> Weise behind<strong>er</strong>t sind. Die schlimmste all<strong>er</strong> Behind<strong>er</strong>ungen ist d<strong>er</strong><br />

abfällige Umgang mit Menschen, die besond<strong>er</strong>e Bedürfnisse haben, wie die<br />

hi<strong>er</strong> zahlreich Anwesenden. Da hat es schlimme Zeiten gegeben, wo dieses<br />

Thema mit Mord und V<strong>er</strong>nichtung besetzt war (bekanntlich auch – ab<strong>er</strong> oft<br />

v<strong>er</strong>drängt – in uns<strong>er</strong><strong>er</strong> Gegend; wie die Ält<strong>er</strong>en sich noch <strong>er</strong>inn<strong>er</strong>n w<strong>er</strong>den –<br />

so sie sich <strong>er</strong>inn<strong>er</strong>n wollen). Was damals geschehen ist, war d<strong>er</strong>art<br />

schuldhaft und grauen<strong>er</strong>regend, daß sich das junge Menschen heute nicht<br />

mehr vorstellen können! Heutzutage sind wir vielleicht wied<strong>er</strong> dort, wo die<br />

Gesellschaft ganz früh<strong>er</strong> war: Wir nehmen uns<strong>er</strong>e spezifischen<br />

Mitmenschen als B<strong>er</strong>eich<strong>er</strong>ung uns<strong>er</strong><strong>er</strong> Wesenheit und als Spiegel uns<strong>er</strong>es<br />

Selbst wahr! Und in d<strong>er</strong>en Wahrnehmung wachsen sie und auch wir mit<br />

ihnen üb<strong>er</strong> uns selbst hinaus. In diesem Sinne wünsche ich dies<strong>er</strong><br />

vorbildlichen Einrichtung viel Erfog bei ihren zukünftigen Aktivitäten!“.


340<br />

Mijou drückt sich in d<strong>er</strong> Menge wärmend an den Bezirkshauptmann<br />

h<strong>er</strong>an, was diesem sichtlich Schm<strong>er</strong>zen b<strong>er</strong>eitet, da <strong>er</strong> sie natürlich<br />

wied<strong>er</strong><strong>er</strong>kannt hat und sich in Schuldhaftigkeit v<strong>er</strong>quält. Ab<strong>er</strong> <strong>er</strong> streift das<br />

alles gekonnt ab und sie wünscht sich Quastorf h<strong>er</strong>bei; ab<strong>er</strong> d<strong>er</strong> ist weit weg<br />

in Rappoltsgschwendt.<br />

„Willst Du von Deinem Dir unbekannten Sohn wissen?“ schiebt sie ihm ein<br />

Mess<strong>er</strong> zwischen die v<strong>er</strong>härteten Rippen.<br />

„Sohn? Willst du damit sagen, daß ich einen Sohn mit Dir hätte? Wo ist d<strong>er</strong>;<br />

kann ich ihn treffen?“.<br />

„Er ist leid<strong>er</strong> wied<strong>er</strong> auf Entzug, da <strong>er</strong> seine ungewollte H<strong>er</strong>kunft nicht<br />

v<strong>er</strong>kraften konnte. Würdest Du für ihn da sein, wenn <strong>er</strong> Dich braucht? Er<br />

hat Dich imm<strong>er</strong> gesucht! Darf <strong>er</strong> Dich finden? Dann würde <strong>er</strong> vielleicht<br />

eine Chance bekommen! Ich liebe Dich noch imm<strong>er</strong>, obwohl Du Dich<br />

unangenehm v<strong>er</strong>änd<strong>er</strong>t hast! Dein sein<strong>er</strong>zeitiges Entschwinden will ich Dir<br />

nicht vorw<strong>er</strong>fen, denn Du wußtest nichts von uns<strong>er</strong>em Rob<strong>er</strong>t“.<br />

Wenig<strong>er</strong> ist in d<strong>er</strong> V<strong>er</strong>nichtung zuhause ob des Gesagten und läßt<br />

sein Leben Revue passi<strong>er</strong>en, das in den letzten Jahren vollkommen<br />

schiefgelaufen ist nach d<strong>er</strong> Frustration, daß <strong>er</strong> die Mijou v<strong>er</strong>loren hat<br />

(b<strong>er</strong>uflich wohl kaum; ab<strong>er</strong> seelisch). Sie wied<strong>er</strong> gewinnen; das wäre doch ein<br />

Traum. Ab<strong>er</strong> noch weiß <strong>er</strong> nicht, ob <strong>er</strong> sich das Träumen zutraut, zumal <strong>er</strong><br />

zuhause eine frustri<strong>er</strong>te Industriellentocht<strong>er</strong> zum Weibe hat, die ihm das<br />

Leben mit ihrem Geld schw<strong>er</strong> macht.<br />

27 Frau Adelheid Scharitz<strong>er</strong>, eine behind<strong>er</strong>te Dame, die v<strong>er</strong>mehrten<br />

Pflegebedarf hat, ruft den Kuchelbach<strong>er</strong> an – denn den kennt sie, seit <strong>er</strong><br />

noch ein klein<strong>er</strong> Bub war – weil ihr d<strong>er</strong> Pfleg<strong>er</strong> v<strong>er</strong>lorengegangen ist.<br />

„Bittscheen Karli, da Otto kummt ma nimma; wo is denn dea? Dadas’D do<br />

a bißl schaun, wos mit den is, weu i brauchat eahm dringend!?“.<br />

Kuchlbach<strong>er</strong> hat Wichtig<strong>er</strong>es zu tun und so ruft <strong>er</strong> Quastorf an;<br />

wiewohl <strong>er</strong> weiß, daß das nicht mehr zulässig ist; d<strong>er</strong> ist pensioni<strong>er</strong>t!<br />

„Wie geht es Ihnen nach d<strong>er</strong> Kur? Haben Sie sich gut <strong>er</strong>holt? Und wie<br />

kommen Sie mit dem Pensions-Schock zurecht? Sie haben jetzt sich<strong>er</strong> sehr


341<br />

viel Zeit, von d<strong>er</strong> Sie nicht recht wissen w<strong>er</strong>den, was Sie mit d<strong>er</strong> üb<strong>er</strong>haupt<br />

anfangen sollen; stimmt’s?!“.<br />

Quastorf kommt aus dem Staunen nicht h<strong>er</strong>aus. D<strong>er</strong> Kuchlbach<strong>er</strong>,<br />

sein ehedemig<strong>er</strong> Intimfeind, ist in letzt<strong>er</strong> Zeit so nett zu ihm und nun<br />

<strong>er</strong>kundigt <strong>er</strong> sich sogar nach sein<strong>er</strong> Befindlichkeit. Da steckt doch sich<strong>er</strong><br />

eine sinistre Absicht dahint<strong>er</strong>!<br />

„Keine Sorge, ich weiß mir genug anzufangen mit mein<strong>er</strong> Zeit.<br />

Wahrscheinlich w<strong>er</strong>de ich beim Professor Frib<strong>er</strong>g<strong>er</strong> Spinnen fütt<strong>er</strong>n, denn<br />

d<strong>er</strong> hat jetzt sehr wenig Zeit für seine Lieblinge, seit <strong>er</strong> d<strong>er</strong> Chef d<strong>er</strong> bioTron<br />

ist; und mir tun die armen Viech<strong>er</strong>ln leid, weil sie niemand mehr so recht<br />

liebt (auch Spinnen brauchen Liebe!). Und dann habe ich da noch einen<br />

sehr wichtigen Aufgabenb<strong>er</strong>eich entdeckt, was die V<strong>er</strong>gangenheitsbewältigung<br />

uns<strong>er</strong><strong>er</strong> Gegend betrifft! Sie würden aus dem Staunen nicht<br />

h<strong>er</strong>auskommen, wenn ich Ihnen das alles <strong>er</strong>zähle! Ab<strong>er</strong> noch ist die Zeit<br />

nicht reif!“.<br />

„Wie bitte? Sie wollen Spinnen fütt<strong>er</strong>n? Sind Sie jetzt schon gänzlich von<br />

Drogen z<strong>er</strong>fressen? Sie hatten doch imm<strong>er</strong> eine Arachnophobie – soweit<br />

ich weiß! Ab<strong>er</strong> Spaß beiseite. Ich hätte da eine int<strong>er</strong>essante Aufgabe für Sie,<br />

wo Sie Ihre <strong>er</strong>fahrene Spürnase nützen könnten. D<strong>er</strong> Wiesing<strong>er</strong> hat alle<br />

Hände voll zu tun mit dem Raiding<strong>er</strong>-Mordfall; d<strong>er</strong> ist damit nicht<br />

belastbar. Ein gewiss<strong>er</strong> Otto Donn<strong>er</strong>baum fehlt sein<strong>er</strong> Pflegepatientin.<br />

Denn d<strong>er</strong> ist zwar seit einig<strong>er</strong> Zeit Bestattungs-Gehilfe, ab<strong>er</strong> <strong>er</strong> war bish<strong>er</strong><br />

imm<strong>er</strong> sehr v<strong>er</strong>läßlich und beliebt als Altenpfleg<strong>er</strong>; das bringt ihm so<br />

nebenbei ein paar Euros für seine Hobbies und in seinem B<strong>er</strong>uf hat <strong>er</strong><br />

gottseidank viel Freizeit. Seit zwei Tagen ist d<strong>er</strong> unauffindbar! Könnten Sie<br />

vielleicht......? Mit Ihr<strong>er</strong> Kompetenz ist das doch sich<strong>er</strong> ein Kind<strong>er</strong>spiel. Und<br />

gesund sind Sie gottseidank ja auch wied<strong>er</strong>. Was haben Sie da zum Schluß<br />

gesagt von ‚Aufarbeitung d<strong>er</strong> Geschichte’? Wollen Sie ein weit<strong>er</strong>es von diesen<br />

üb<strong>er</strong>flüssigen stocklangweiligen Hitl<strong>er</strong>tagebüch<strong>er</strong>n schreiben?“.<br />

„Donn<strong>er</strong>baum sagten Sie? War das nicht d<strong>er</strong> seltsame Fall vor Jahren, wo<br />

ein Ehepaar samt Kleinkind mit ihrem Van ohne jeden <strong>er</strong>kennbaren Grund<br />

bei besten Straßen- und Sichtv<strong>er</strong>hältnissen auf g<strong>er</strong>ad<strong>er</strong> Strecke von d<strong>er</strong><br />

Fahrbahn abgekommen ist und sich dreißig Met<strong>er</strong> tief<strong>er</strong> um einen Baum<br />

gewickelt hat? Das ist doch damals in allen Zeitungen gestanden!“.<br />

„Ich <strong>er</strong>inn<strong>er</strong>e mich dunkel, ab<strong>er</strong> uns<strong>er</strong> Donn<strong>er</strong>baum lebt noch – so hoffe<br />

ich doch; man sollte ihn all<strong>er</strong>dings finden. Wahrscheinlich war ihm die


342<br />

Pflegebetreuung zu anstrengend – die heutige Jugend ist ja kaum mehr<br />

belastbar und hat nur noch den Spaß-Faktor im Kopf. Abgeseilt wird <strong>er</strong><br />

sich haben nach Kopenhagen, weil dort die Drogen leicht<strong>er</strong> zu haben sind<br />

als im Waldvi<strong>er</strong>tel (im Lag<strong>er</strong>haus kriegt man bekanntlich nur THC-armen<br />

Fas<strong>er</strong>-Hanf!)“.<br />

Wo man den wesentlichen Stoff bekommt, bleibt Kuchlbach<strong>er</strong><br />

v<strong>er</strong>borgen, denn davon hat <strong>er</strong> keinen blassen Tau; und das ist gut so und<br />

soll auch bis auf Weit<strong>er</strong>es so bleiben.<br />

„Na gut, muß ich mein Projekt halt v<strong>er</strong>schieben. Die vielen Toten können<br />

mir sowieso nicht davonrennen!“.<br />

„Was für viele Tote; was sollen diese kryptischen Worte? Sie planen doch<br />

was Unangenehmes, wie ich sich<strong>er</strong> zurecht v<strong>er</strong>mute! Weihen Sie mich ein,<br />

wenn Sie keinen Ärg<strong>er</strong> bekommen wollen!“.<br />

„Gemach, gemach. Sie w<strong>er</strong>den es <strong>er</strong>fahren, wenn die Sache reif ist! Weiß<br />

man, wo d<strong>er</strong> wohnt?“.<br />

„Hausnumm<strong>er</strong> dreizehn in Wolfg<strong>er</strong>s mit zwei Freunden. Fangen Sie<br />

vielleicht dort an. Ich danke Ihnen; sie haben etwas gut bei mir!“.<br />

28 Quastorf will den heutigen Tag, d<strong>er</strong> mit Reparaturarbeiten im Haus<br />

angefüllt war, nicht so sanglos ausklingen lassen und fährt zum Fidelen<br />

Holzhack<strong>er</strong> in G<strong>er</strong>fritz.<br />

Dessen Wirt Kalling<strong>er</strong> stellt grußlos und leicht benebelt ungefragt ein<br />

schaumarmes Zwickel im etwas klebrigen Krug vor Quastorfs sinnenden<br />

Blick, obwohl <strong>er</strong> weiß, daß d<strong>er</strong> nur Flaschenbi<strong>er</strong> aus d<strong>er</strong> Flasche trinkt (bei<br />

ihm – hygienisch bedingt – das weiß d<strong>er</strong> Kalling<strong>er</strong> bess<strong>er</strong> nicht! Ansonst schätzt Quastorf<br />

schon Krügeln und untadelige Trinkkultur). Am Nachbartisch sitzt d<strong>er</strong><br />

Siebenhandl und renommi<strong>er</strong>t großkotzig von seinen großen Erfolgen in d<strong>er</strong><br />

V<strong>er</strong>gangenheit. Wie <strong>er</strong> den Russen nach dem Krieg seine damaligen<br />

Freundinnen – arme Landmädel allesamt – zu Höchstpreisen v<strong>er</strong>mittelt hat;<br />

mit dem Wissen, w<strong>er</strong> was braucht, was ein And<strong>er</strong><strong>er</strong> hat, reich geworden ist<br />

und dann aufgrund bös<strong>er</strong> Intrigen angeblich alles wied<strong>er</strong> v<strong>er</strong>loren hat (von<br />

seinen taktischen Schwächen und den daraus resulti<strong>er</strong>enden langjährigen Erfahrungen im<br />

Stein<strong>er</strong> Häfen spricht <strong>er</strong> all<strong>er</strong>dings nicht so g<strong>er</strong>ne).


343<br />

Quastorf <strong>er</strong>inn<strong>er</strong>t sich unangenehm an den Bolzenschuß-Apparat,<br />

den d<strong>er</strong> Siebenhandl vor zwei Jahr gefunden hatte und fragt beiläufig, ob<br />

sein Geschäft flori<strong>er</strong>t.<br />

Sofort bekommt <strong>er</strong> die Erfolgsmeldung von den zuletzt <strong>er</strong>gatt<strong>er</strong>ten<br />

Schnäppchen zu hören. Damit kann <strong>er</strong> ab<strong>er</strong> vorläufig nichts Rechtes<br />

anfangen und so fährt <strong>er</strong> bald heim.<br />

29 Da liegt schonwied<strong>er</strong> ein blöd<strong>er</strong> Zettel auf Hanfthal<strong>er</strong>s Schreibtisch,<br />

mit dem <strong>er</strong> den Chef nicht belästigen kann:<br />

„Da Erding<strong>er</strong> is sich<strong>er</strong> a nett<strong>er</strong> Mensch, ob<strong>er</strong> <strong>er</strong> macht so Sachen, de was i net mag! Seit<br />

Jahre stinkt sei Tischlabude nach Nitrolack und da Lärm von seiniche Maschinan macht<br />

ma des Leben schw<strong>er</strong>. Aba vur dreia Tag hatt’a ma des Kraut total ausg’schitt’! Wie <strong>er</strong><br />

bis in de singkade Nacht seine deppadn Maschina renna hat lassen! Da kann i eh scho<br />

so schlecht schlafn wegn meina Blasn und d<strong>er</strong> macht an d<strong>er</strong>ort Wirwe bis uma ölfe! Dad’s<br />

was dagegn. Hochachtungsfoll Dalling<strong>er</strong>“.<br />

„Is da Web<strong>er</strong> do?“ fragt Hanfthal<strong>er</strong> via Gegensprechanlage die liebe Frau<br />

Duftschmied. „Weu ea soitat bein Erding<strong>er</strong> intaveni<strong>er</strong>’n wegan d<strong>er</strong>a<br />

nächtlichen Ruhestörung! Des geht net, daß de Untanehma mit eahnan<br />

G’schäft de Bürga net schlof’n loss’n! Und ollaweu de bleede Ausred mit de<br />

Oabeitsplätze, wo de do eh olle nua an Einmonn-Betrieb hom, daß nua jo<br />

eahna eigana Oabeitsplotz g’sichat is!“.<br />

„Nein bitte sehr, d<strong>er</strong> Web<strong>er</strong> ist mit d<strong>er</strong> Grenzsteinv<strong>er</strong>setzung im<br />

L<strong>er</strong>chenfeld<strong>er</strong>amt beschäftigt; ab<strong>er</strong> d<strong>er</strong> Grasl wäre v<strong>er</strong>fügbar“.<br />

Grasl v<strong>er</strong>fügt sich vor den Hanfthal<strong>er</strong>, den <strong>er</strong> zwar nicht mag, ab<strong>er</strong><br />

d<strong>er</strong> hat halt einen höh<strong>er</strong>en Rang als <strong>er</strong> und da heißt es sich unt<strong>er</strong>ordnen.<br />

„Sie kennen Ihren Auftrag? Anzeige Dalling<strong>er</strong> gegen Erding<strong>er</strong> wegen<br />

Störung d<strong>er</strong> Nachtruhe!“.<br />

Grasl kennt den Weg, denn beim Erding<strong>er</strong> hat <strong>er</strong> vor zwei Jahren den<br />

Sarg für seine Großmutt<strong>er</strong> ausgesucht und d<strong>er</strong> hat ihn damals sich<strong>er</strong> üb<strong>er</strong>s<br />

Ohr gehauen mit d<strong>er</strong> Eichen-Variante, um d<strong>er</strong>en Preis <strong>er</strong> einen Zinnsarg<br />

<strong>er</strong>halten hätte können alla Habsburg<strong>er</strong>.<br />

„Net san’s ma bes; oba wiaso tuan’s denn in da Nocht so an Wirbe moch’n,<br />

daß se de Nochban aufhoit’n? Se haumm do eh g’nua G’schäft, daß bein


344<br />

Tog reich w<strong>er</strong>d’n kunnt’n! Des kost Ihna dreiß’g Eu Vawoitungs-Strof;<br />

nemans des?“.<br />

„Problemlos. Se haum jo gaunz recht; des g’heat se net. Wiad a neama<br />

viakemma! Und i brauch nati<strong>er</strong>lich ka Quittung; a Strof’ kännt i eh net von<br />

da Steia ohsetz’n!“ v<strong>er</strong>sucht <strong>er</strong> Grasl zu bestechen, was nicht gelingt, da d<strong>er</strong><br />

eine ehrliche Haut ist. Also doch Quittung und ganz offiziell.<br />

Erding<strong>er</strong>s Schweiß nach dem Abgang Grasls wischt sich nicht von<br />

selbst weg und so geht <strong>er</strong> <strong>er</strong>neut duschen. Er duscht üb<strong>er</strong>haupt oft und<br />

g<strong>er</strong>ne, da nur die eine Hälfte seines B<strong>er</strong>ufes mit angenehm-wohlriechenden<br />

Harzdüften v<strong>er</strong>bunden ist; sein <strong>er</strong>tragreich<strong>er</strong>es Geschäft <strong>er</strong>wirtschaftet <strong>er</strong><br />

hingegen mit den letzten Handlungen an seinen Mitmenschen und dabei<br />

darf man keine sensible Nase haben.<br />

30 Mijou hat zwar ihren H<strong>er</strong>b<strong>er</strong>t dazu bewegen können, daß <strong>er</strong> mit ihr<br />

in d<strong>er</strong> Blauen Gans üb<strong>er</strong>nachtet hat. Ab<strong>er</strong> das war wenig <strong>er</strong>füllend; und man<br />

sollte die alten Zeiten eh<strong>er</strong> ruhen lassen, denn sie w<strong>er</strong>den nicht bess<strong>er</strong>, wenn<br />

man sie aufwärmt (das stimmt leid<strong>er</strong> nur für Sau<strong>er</strong>kraut und Gulasch, ab<strong>er</strong> sich<strong>er</strong><br />

nicht für H<strong>er</strong>zensangelegenheiten und and<strong>er</strong>e jugendliche Irrtüm<strong>er</strong> im Emotionalb<strong>er</strong>eich!).<br />

Er ist nämlich wirklich ein Arschloch geworden mit den Jahren und<br />

das ist nicht mehr rückführbar – auß<strong>er</strong> in Selbstv<strong>er</strong>leugnung – und dazu ist<br />

Mijou auf Grund ihr<strong>er</strong> Lebens<strong>er</strong>fahrung nicht mehr b<strong>er</strong>eit.<br />

Man frühstückt noch gemeinsam; ab<strong>er</strong> da ist beid<strong>er</strong> H<strong>er</strong>z nurmehr<br />

zur Hälfte offen.<br />

„Was ist mit uns<strong>er</strong>em Buben? Kann ich da irgendwie behilflich sein? Ich<br />

könnte den Amtsarzt anrufen, daß <strong>er</strong> ihn ins Drogen-Ersatz-Programm<br />

nimmt. Und Geld spielt keine Rolle; nur meine Alte sollte nicht unbedingt<br />

Wind davon bekommen! Ruf mich an, wenn Du was brauchst! Ich muß<br />

jetzt leid<strong>er</strong> wied<strong>er</strong> ….. Du v<strong>er</strong>stehst; die Pflichten, die man als<br />

Bezirkshauptmann halt hat!“.<br />

Mijou v<strong>er</strong>steht, daß <strong>er</strong> – aus welchen Gründen auch imm<strong>er</strong> – zu<br />

einem Untoten geworden ist. Wohl würdig d<strong>er</strong> sich auch hi<strong>er</strong>orts schon wie<br />

eine Seuche ausbreitenden Golf-Kamarilla, die nur dem eigenen Vorteil im<br />

Wort ist. Wahrscheinlich wird sie ihn nicht wied<strong>er</strong> anrufen und lieb<strong>er</strong> mit


345<br />

ihr<strong>er</strong> nicht ganz ärmlichen Pension die üb<strong>er</strong>proportionalen Aufwendungen<br />

für den Buben – d<strong>er</strong> eigentlich schon lange ein Mann ist – tragen.<br />

„Ich bin froh, Dich wied<strong>er</strong> getroffen zu haben! Das macht mir den<br />

Abschied leicht<strong>er</strong>! Und grüße bitte Deine Frau Gemahlin von mir. Ich<br />

wünsche ihr viel Glück, denn sie wird es brauchen können; beneiden w<strong>er</strong>de<br />

ich sie sich<strong>er</strong> nicht!“. Ob ihr diese Grußbotschaft ein Trost sein wird?<br />

Mijou wird es sich<strong>er</strong> ein Trost sein, daß sie ihm damals nicht in die<br />

Fänge gegangen ist. Ab<strong>er</strong> wenn <strong>er</strong> bei ihr geblieben wäre; w<strong>er</strong> weiß, ob <strong>er</strong><br />

sich dadurch nicht wesentlich bess<strong>er</strong> entwickelt hätte durch ihre<br />

warmh<strong>er</strong>zige Art? Möglich<strong>er</strong>weise wäre <strong>er</strong> dann all<strong>er</strong>dings auch nicht in<br />

diese Position aufg<strong>er</strong>ückt, sond<strong>er</strong>n wäre heute Ob<strong>er</strong>schulrat in Floridsdorf.<br />

Das ist freilich die Sache mit d<strong>er</strong> Tante und den vi<strong>er</strong> Räd<strong>er</strong>n.<br />

31 Quastorf geht an die Wurzeln. Die Nadine Sauschlag<strong>er</strong> ist in<br />

gewiss<strong>er</strong> Weise eine Schlüsselfigur und die besucht <strong>er</strong> nun in d<strong>er</strong> protzig<br />

gestalteten Landesbank, die aus d<strong>er</strong> Diff<strong>er</strong>enz d<strong>er</strong> niedrigen Sparzinsen und<br />

d<strong>er</strong> hohen Darlehenszinsen so üppig ausgebaut w<strong>er</strong>den konnte. Und die<br />

Bearbeitungs-Gebühren <strong>er</strong>möglichen das Chrom und den Marmor!<br />

D<strong>er</strong> subalt<strong>er</strong>ne Jungschnösel will ihn abblocken: „Haben Sie einen<br />

T<strong>er</strong>min bei d<strong>er</strong> Frau Filialleit<strong>er</strong>in, denn die ist sehr begehrt – Sie<br />

v<strong>er</strong>stehen?“.<br />

„Ich brauche keinen T<strong>er</strong>min; ich bin üb<strong>er</strong>all unwillkommen und gleichzeitig<br />

unv<strong>er</strong>meidbar wie d<strong>er</strong> Tod. Und ich habe nur wenige Fragen; führen Sie<br />

mich einfach zu ihr!“.<br />

D<strong>er</strong> Schnösel gibt bestürzt den Weg frei „Wenn das so ist!“.<br />

„Womit kann ich dienen?“ Fräulein Sauschlag<strong>er</strong> sehr geschäftlich.<br />

„Dienen sollten Sie nur sich selbst und niemandem and<strong>er</strong>en; wenn Sie auch<br />

zur Dienstleistung v<strong>er</strong>pflichtet sind, so müssen Sie dennoch Ihre Würde<br />

wahren! Ich will nur wissen, was bei Eurem letzten Treffen in Lilienfels<br />

abgelaufen ist. War da d<strong>er</strong> Donn<strong>er</strong>baum noch anwesend? Und wann ist <strong>er</strong><br />

gegangen?“.<br />

„D<strong>er</strong> war schon bald weg, da uns<strong>er</strong> V<strong>er</strong>ein große Probleme hatte. Wir<br />

waren b<strong>er</strong>eits in Auflösung begriffen wegen d<strong>er</strong> entsetzlichen Vorfälle; ich


346<br />

bin ohnehin froh darüb<strong>er</strong>, weil man wird reif<strong>er</strong> mit den Jahren! Um zirka<br />

zehn Uhr hat d<strong>er</strong> sich abgeseilt“.<br />

„Um zehn also; hat es davor Streit gegeben mit irgend jemandem?“.<br />

„Streit nicht, nur Meinungsv<strong>er</strong>schiedenheiten, ob wir weit<strong>er</strong>machen sollten<br />

und die Stimmung war nicht besond<strong>er</strong>s gut, wie Sie sich leicht vorstellen<br />

können. Irgendwie bin ich trotzdem traurig, daß uns<strong>er</strong>e Gruppe z<strong>er</strong>fallen<br />

ist, denn wir waren ein gutes Team und uns<strong>er</strong>e Treffen waren imm<strong>er</strong> sehr<br />

romantisch und leicht gruselig; ein gut<strong>er</strong> Ausgleich gegenüb<strong>er</strong> d<strong>er</strong> oft<br />

eintönigen Alltagswelt in d<strong>er</strong> Bank“.<br />

„Sie wissen ab<strong>er</strong> schon von den zahlreichen Anzeigen d<strong>er</strong> Bewohn<strong>er</strong> d<strong>er</strong><br />

umliegenden Dörf<strong>er</strong>, was das V<strong>er</strong>schwinden von Katzen betrifft. Haben bei<br />

Euch Ritualmorde stattgefunden? Ti<strong>er</strong>quäl<strong>er</strong>ei, unrechtmäßige Aneignung<br />

beweglichen Gutes, V<strong>er</strong>gehen gegen die Hygienev<strong>er</strong>ordnung, Umgehen des<br />

Schlachtungsv<strong>er</strong>botes und organisi<strong>er</strong>te wid<strong>er</strong>natürliche Handlungen<br />

sexuell<strong>er</strong> Natur zu Belustigungs-Zwecken. Dazu v<strong>er</strong>botene Ausschank<br />

hart<strong>er</strong> alkoholisch<strong>er</strong> Getränke ohne b<strong>er</strong>echtigende Konzession und<br />

Grundwass<strong>er</strong>gefährdung durch Ti<strong>er</strong>blut. Jedes einzelne dies<strong>er</strong> V<strong>er</strong>gehen hat<br />

zwar nur einen g<strong>er</strong>ingen Strafrahmen im V<strong>er</strong>waltungsrecht, ab<strong>er</strong> in Summe<br />

wird das trotzdem teu<strong>er</strong>. Wie kann einem feschen intelligenten Mädel – wie<br />

Ihnen – soetwas P<strong>er</strong>v<strong>er</strong>ses Spaß machen? Haben da auch unzüchtige<br />

Handlungen an Menschen stattgefunden; womöglich gegen d<strong>er</strong>en Willen –<br />

an Kind<strong>er</strong>n gar?“.<br />

„Um Gottes Willen! Doch keine Kind<strong>er</strong>! Kind<strong>er</strong> liebe ich üb<strong>er</strong> alles; ich<br />

selb<strong>er</strong> habe leid<strong>er</strong> noch keine. Ich bitte Sie, zeichnen Sie nicht so ein<br />

gräßliches Bild von uns, als ob wir alle schreckliche Monst<strong>er</strong> wären! Wir<br />

wollten doch bloß Spaß haben; und gelegentlich uns<strong>er</strong>e sexuellen<br />

Phantasien ausleben und v<strong>er</strong>rucht sein – ein biß<strong>er</strong>l ‚Outlaws’ in uns<strong>er</strong><strong>er</strong><br />

angepaßten globalisi<strong>er</strong>ten Welt – bei Ihr<strong>er</strong> strengen Auslegung uns<strong>er</strong><strong>er</strong><br />

Rituale fürchte ich mich ja fast schon vor mir selb<strong>er</strong>! Ab<strong>er</strong> Sie haben ja<br />

recht; es war sich<strong>er</strong> Unrecht, was wir getan haben!“.<br />

Weit ist es wohl nicht h<strong>er</strong> mit dem Satanismus, wenn w<strong>er</strong> ‚um Gottes<br />

Willen’ sagt – wo ist da die Konsequenz d<strong>er</strong> Gottes-V<strong>er</strong>leugnung; wo d<strong>er</strong><br />

philosophische Ansatz des Antichristen, d<strong>er</strong> geif<strong>er</strong>nd-läst<strong>er</strong>nde Gottes-Haß<br />

d<strong>er</strong> Teufelsjüng<strong>er</strong> – dies<strong>er</strong> läch<strong>er</strong>liche V<strong>er</strong>ein war ja wirklich nur ein Spaß-<br />

Orden!


347<br />

„Sagen Sie, H<strong>er</strong>r – wie war Ihr Name und was haben Sie üb<strong>er</strong>haupt für eine<br />

B<strong>er</strong>echtigung – Sie haben sich garnicht vorgestellt und ich <strong>er</strong>zähle Ihnen<br />

leichtf<strong>er</strong>tig meine ganzen Sünden!“ schon wied<strong>er</strong> so ein inkonsequentekklesiogenes<br />

Wort!<br />

„Entschuldigen Sie! Mein Name ist Quastorf und ich habe mich neu<strong>er</strong>dings<br />

auch auf den Weg d<strong>er</strong> Illegalität begeben, da ich unautorisi<strong>er</strong>t <strong>er</strong>mittle. Ich<br />

bin Chefinspektor in Ruhe. Ab<strong>er</strong> ich handle quasi im Auftrag d<strong>er</strong> Exekutive<br />

als frei<strong>er</strong> Mitarbeit<strong>er</strong> mit Sond<strong>er</strong>befugnissen – ehrenamtlich! Eine letzte<br />

Frage von einem Gesetzesbrech<strong>er</strong> aus Leidenschaft an eine Schwest<strong>er</strong> im<br />

Geiste: Lebt d<strong>er</strong> Donn<strong>er</strong>baum noch? Und wenn nicht, haben Sie ein Motiv<br />

und ein dazugehöriges Alibi?“.<br />

„Wissen Sie, daß Sie ein sehr nett<strong>er</strong> Mensch sind? Ihnen muß man<br />

eigentlich alles gestehen; und so gestehe ich jetzt, daß sie mich sexuell<br />

anziehen, denn Sie haben das gewisse Etwas in Ihren Augen!“.<br />

Quastorf ist v<strong>er</strong>einnahmt; eh<strong>er</strong> hat <strong>er</strong> sie mit seinen Blicken nicht an-,<br />

sond<strong>er</strong>n ausgezogen. Ab<strong>er</strong> ihre Worte schmeicheln einem alten Mann. Da<br />

lau<strong>er</strong>t viel anheimelndes Fleisch unt<strong>er</strong> ihr<strong>er</strong> gepflegten Bekleidung. Ein<br />

schlank<strong>er</strong> Körp<strong>er</strong> mit an den richtigen Stellen aufgesetzten Rundungen, die<br />

die luftige rosa Bluse kaum bändigen kann (vor allem in Bewegung!). Beinahe<br />

hätte <strong>er</strong> seine letzte Frage v<strong>er</strong>gessen, wenn die Nadine sie nicht selbst<br />

freimütig beantwortet hätte.<br />

„Ich denke, <strong>er</strong> lebt noch. Ich hatte kein Motiv, da <strong>er</strong> ein Trottel war, d<strong>er</strong><br />

mich zwar angebraten – ab<strong>er</strong> auch gleichzeitig abgestoßen hat. Und ich war<br />

bis zwölf in d<strong>er</strong> Ruine mit den And<strong>er</strong>en; das können Sie üb<strong>er</strong>prüfen! Finden<br />

Sie mich begehrensw<strong>er</strong>t? Wir sollten aneinand<strong>er</strong> g<strong>er</strong>aten!“.<br />

„Ich bitte Sie; das ist doch geschmacklos! Ich bin ein häßlich<strong>er</strong> krank<strong>er</strong> alt<strong>er</strong><br />

Mann und sie eine blutjunge fesche Frau. Sie haben was Bess<strong>er</strong>es v<strong>er</strong>dient.<br />

Bescheiden Sie sich mit Gleichaltrigen; da haben Sie genug Chancen. Und<br />

ihr Vat<strong>er</strong> hätte auch keine Freude, wenn <strong>er</strong> wüßte, daß Sie Männ<strong>er</strong> anbraten,<br />

die ält<strong>er</strong> als <strong>er</strong> sind! Haben Sie ein Vat<strong>er</strong>-Problem?“.<br />

Jetzt ab<strong>er</strong> muß <strong>er</strong> gehen, bevor Schlimm<strong>er</strong>es stattfindet und so<br />

v<strong>er</strong>abschiedet <strong>er</strong> sich von Nadine: „Sie haben mir sehr gut getan; ab<strong>er</strong> Sie<br />

sollten etwas sorgsam<strong>er</strong> mit Ihren Machtmöglichkeiten umgehen! Hofi<strong>er</strong>en<br />

Sie hinkünftig keine alten Männ<strong>er</strong>, denn die meisten w<strong>er</strong>den das Angebot<br />

schamlos ausnutzen!“.


348<br />

Aus strategisch<strong>er</strong> Sicht d<strong>er</strong> Nadine war es nicht ganz falsch, daß sie<br />

ihm um den Drei-Tage-Bart gegangen ist, denn dadurch hat sie sein<br />

Konzept <strong>er</strong>heblich durcheinand<strong>er</strong> gebracht und so mußte sie keine<br />

Auskunft zu ihr<strong>er</strong> V<strong>er</strong>gangenheit mit dem Raiding<strong>er</strong> geben, denn das wissen<br />

die von d<strong>er</strong> Polizei sichtlich nicht und so soll es auch bleiben, denn sie kann<br />

keine Aufregungen mehr brauchen!


349<br />

stümp<strong>er</strong>haft<br />

1 Gruppeninspektor Wurm muß ins kalte Waldvi<strong>er</strong>tel, denn da liegt ein<br />

V<strong>er</strong>dacht vor. Chauffi<strong>er</strong>t vom pflichtbewußten Fidlsb<strong>er</strong>g<strong>er</strong> gelangt <strong>er</strong> auf<br />

Irrwegen ins v<strong>er</strong>borgene Ried Siebenwirthen – unweit Schloß<br />

W<strong>er</strong>schenreith – wo die Waldfrau in selbstgewählt<strong>er</strong> Einsamkeit seit vielen<br />

Jahren lebt. Unweit des Schlosses ist zwar Siebenwirthen ähnlich wie<br />

Teichleithen, wo Frau Strehlmann tatsächlich wohnt. Ab<strong>er</strong> d<strong>er</strong> kleine<br />

Unt<strong>er</strong>schied, das die beiden in v<strong>er</strong>schiedenen Himmelsrichtungen ‚unweit’<br />

liegen, hat das neue GPS-System nicht gestört; den Wurm dafür umso<br />

mehr, denn jetzt v<strong>er</strong>li<strong>er</strong>en sie sich<strong>er</strong> wied<strong>er</strong> eine unnötige halbe Stunde an<br />

diese v<strong>er</strong>schissene Gegend! D<strong>er</strong> blöde Fidlsb<strong>er</strong>g<strong>er</strong> könnte endlich das<br />

neumod<strong>er</strong>ne Klump<strong>er</strong>t richtig programmi<strong>er</strong>en!<br />

„So pass’n’S do auf! Um Gottas Wüll’n; mia foar’n jo no in Gatsch!<br />

Waumma in d<strong>er</strong>a Aschicht häga bleib’n, hüft uns ka Sau!“.<br />

‚Gatsch’ ist sehr euphemistisch für Moor-Landschaft. Was jedoch bei<br />

And<strong>er</strong>en Euphemismus ist, ist bei Wurm hingegen bloße Uninformi<strong>er</strong>theit!<br />

Wo gibt es schon Moore in d<strong>er</strong> Großstadt.<br />

Schon bei Annäh<strong>er</strong>ung an das ehemalige Forsthaus imponi<strong>er</strong>en<br />

schräge Details: Viele kleine Teichflächen; v<strong>er</strong>bunden mit und gespeist aus<br />

lieblich meandri<strong>er</strong>enden Wass<strong>er</strong>läufen, üb<strong>er</strong>spannt von Japanischen<br />

Bogenbrückchen; nied<strong>er</strong>wüchsige Krummhölz<strong>er</strong>, die sich liebevoll an<br />

teilweise von Klett<strong>er</strong>pflanzen üb<strong>er</strong>wachsene Felsen schmiegen. Doch die<br />

Ästhetik dieses Feng-Shui bleibt dem Beamten v<strong>er</strong>schlossen. Ihn <strong>er</strong>regt das<br />

Geschaute nur zu abfälligen Gedanken: „Aha – eh kloa! So kennt ma an<br />

G’spritzt’n!“, wobei <strong>er</strong> nur andeutungsweise an das in Öst<strong>er</strong>reich beliebte<br />

Getränk des kohlensau<strong>er</strong> gewäss<strong>er</strong>ten Weines denkt.<br />

Polt<strong>er</strong>nd dringt <strong>er</strong> durch die gestorben-blau gefärbelte knarzende<br />

Eingangstüre ein. „Drogendez<strong>er</strong>nat-Wien, Gruppeninspäkta Wurm! Geben<br />

Sie den Wid<strong>er</strong>stand auf und kommen Sie vi<strong>er</strong>a!“.<br />

Vollkommen ungehört v<strong>er</strong>hallt diese Läch<strong>er</strong>lichkeit, denn seine<br />

Worte brechen sich mehrfach an den vielfältigen bizarren<br />

Einrichtungsgegenständen, in den v<strong>er</strong>winkelten Türen, Treppen und<br />

Gängen. Die Angesprochene denkt gar nicht an Wid<strong>er</strong>stand, denn sie hat


350<br />

Wichtig<strong>er</strong>es zu schaffen. Im Kell<strong>er</strong> füllt sie purpur-rötlichen Schlehen-Sirup<br />

in tiefblaue Prosecco-Flaschen ab (d<strong>er</strong> v<strong>er</strong>kauft sich bestens in den letzten Jahren).<br />

„Hean’s, wiaso riehrn’s Ihna denn net? Haum’s wos zun vabeag’n? Wos is<br />

denn des fia a giftiga Schlatz, den wos’s do umschitt’n? Is des en Obelix sei<br />

Zaubatraungk?“.<br />

Jed<strong>er</strong> Volksschül<strong>er</strong> weiß bess<strong>er</strong>, daß den d<strong>er</strong> Miraculix h<strong>er</strong>stellt! W<strong>er</strong><br />

Metaphorik übt, sollte d<strong>er</strong> Zitate kundig sein!<br />

Frau Heike Strehlmann v<strong>er</strong>meidet eine Antwort auf diese absolut<br />

dummen Fragen und schaut den rotgesichtig-<strong>er</strong>regten Ermittl<strong>er</strong> nur<br />

v<strong>er</strong>ächtlich üb<strong>er</strong> ihre randlose Nahbrille an (unb<strong>er</strong>echenbare Wett<strong>er</strong><strong>er</strong>scheinungen<br />

und wid<strong>er</strong>liche Mitmenschen kann man bekanntlich nicht v<strong>er</strong>meiden; da hilft nur warm<br />

anziehen und ein strapazfähig<strong>er</strong> Schirm!).<br />

„Entweihen Sie bitte nicht die positive Aura meines Hauses mit Ihren<br />

lauten Worten! Auß<strong>er</strong>dem habe ich einen <strong>er</strong>worbenen Hörfehl<strong>er</strong>: Ich kann<br />

nur leise Sprache wahrnehmen und v<strong>er</strong>stehen! Laute Worte höre ich einfach<br />

nicht; meine Freunde wissen das, ab<strong>er</strong> Sie würden sich sich<strong>er</strong> nicht<br />

wohlfühlen in d<strong>er</strong>en Reihen!“.<br />

D<strong>er</strong> Wurm krümmt sich (nicht weil <strong>er</strong> ein Häkchen w<strong>er</strong>den wollte, sond<strong>er</strong>n<br />

weil <strong>er</strong> sich getreten fühlt von den geschraubten Worten, die <strong>er</strong> nur mangelhaft<br />

durchschaut). Er bevorzugt eh<strong>er</strong> reine einfache Sätze mit Subjekt, Objekt und<br />

Prädikat. Schnörkel wie Adjektive, Konjunktive, Konsekutive, Komp<strong>er</strong>ative<br />

und Hendiadioins mag <strong>er</strong> nicht sond<strong>er</strong>lich (Präs<strong>er</strong>vative auch nicht; ab<strong>er</strong> da sind<br />

die Huren heutzutage un<strong>er</strong>bittlich wegen dem AIDS – d<strong>er</strong> v<strong>er</strong>fluchten Neg<strong>er</strong>-Krankheit,<br />

die von den Asylanten als Waffe gegen das reine Europäische Blut v<strong>er</strong>wendet wird). Ja,<br />

Imp<strong>er</strong>ative schätzt <strong>er</strong> auch, solange <strong>er</strong> sie selbst in den Mund nimmt (die von<br />

seinem Chef könnten ihm all<strong>er</strong>dings g<strong>er</strong>ne gestohlen bleiben!).<br />

„Hearn’s ma auf mit d<strong>er</strong>a Redarei. Da Zweck meines Kommens is net<br />

dischkari<strong>er</strong>en, sondan beinhoate Delikte! Da liegt eine Anzeige von ana<br />

vatrauenswürdich’n Aumtsp<strong>er</strong>son vua, daß Se do Drogen großtechnisch<br />

heastöll’n und vamoak’tn! Geben Sie das zu? Oda muaß i aundare Seit’n<br />

aufziag’n mit Ihna?“.<br />

Folt<strong>er</strong> ist leid<strong>er</strong> heutzutage unüblich (wiewohl im Öst<strong>er</strong>reichischen Rechts-<br />

Kanon nicht ausdrücklich ausgeschlossen); ab<strong>er</strong> <strong>er</strong> hätte schon seine gewissen<br />

Möglichkeiten gegenüb<strong>er</strong> potenziellen Delinquenten mit Plastiksack<strong>er</strong>l und<br />

Unt<strong>er</strong>wass<strong>er</strong>kur (sprich die Einleitung trockenen bzw. feuchten Ertickens!). Das


351<br />

weiß die Waldfrau auch und so geht sie auf charmant und gastfreundlich<br />

üb<strong>er</strong>; das hat sich noch imm<strong>er</strong> bewährt (vor allem gegenüb<strong>er</strong> Männ<strong>er</strong>n).<br />

„Wollen Sie nicht platznehmen? Ein Tee gefällig in d<strong>er</strong> Kälte uns<strong>er</strong><strong>er</strong><br />

Landschaft? Sie müssen ja ganz ausgefroren sein nach d<strong>er</strong> langen Reise!<br />

Uns<strong>er</strong>e Gegend v<strong>er</strong>langt dem Fremdling einiges ab; Sie müssen ein wenig<br />

relaxen, da Sie sehr gestreßt wirken! Sie sollten unnötige Aufregungen<br />

v<strong>er</strong>meiden, denn ich fürchte um Ihren Blutdruck!“.<br />

Wurm ist platt (ja es gibt auch Plattwürm<strong>er</strong>; da ist die Evolution<br />

<strong>er</strong>findungsreich!). Woh<strong>er</strong> weiß diese alte Hexe, daß <strong>er</strong> gröb<strong>er</strong>e Blutdruck-<br />

Probleme hat? Unheimlich, diese Menschen hi<strong>er</strong>!<br />

Sie b<strong>er</strong>eitet sogleich einen schmackhaften Auszug aus ihr<strong>er</strong><br />

Hausmarke mittels des imm<strong>er</strong> heißen Samovars. Wid<strong>er</strong>strebend b<strong>er</strong>uhigt<br />

sich d<strong>er</strong> kampfeslustige Beamte und trinkt nun doch das Angebotene.<br />

„Oba net, daß’s ma do wos einemisch’n; mia kennan in uns<strong>er</strong>e Labore<br />

heitzutoge ollas feststö’n!“.<br />

Das braucht sie sich<strong>er</strong> nicht; das geht ganz and<strong>er</strong>s. Und wiewohl d<strong>er</strong><br />

‚cleane’ Inspektor b<strong>er</strong>ufsbedingt Drogen v<strong>er</strong>achtet, v<strong>er</strong>langt <strong>er</strong> doch nach<br />

Inländ<strong>er</strong>-Rum, weil <strong>er</strong> Tee ansonst nicht trinken kann; und es fährt ohnehin<br />

d<strong>er</strong> Fidlsb<strong>er</strong>g<strong>er</strong>.<br />

Das Zitat „lieb<strong>er</strong> Inländ<strong>er</strong> Rum als Ausländ<strong>er</strong> raus!“ stammt ab<strong>er</strong> wahrlich<br />

nicht aus seinem Wortschatz, denn das mit den Asylanten muß sich auch<br />

änd<strong>er</strong>n; wenn <strong>er</strong> da nur umrühren könnte in d<strong>er</strong> trüben Suppe.<br />

„I nimm’ jetzt von Ihnan Zeig aus d<strong>er</strong> Regale do Prob’n und wäähe, de<br />

Analiesen <strong>er</strong>geb’n vabotane Substanz’n!“.<br />

W<strong>er</strong> könnte sie v<strong>er</strong>mutlich angezeigt haben? Quastorf sich<strong>er</strong> nicht,<br />

denn d<strong>er</strong> liebt ihre Mischungen. Eh<strong>er</strong> d<strong>er</strong> Forstrat i. R. Eb<strong>er</strong>gassing<strong>er</strong>, denn<br />

d<strong>er</strong> hat viel Zeit, einen hochw<strong>er</strong>tigen Feldstech<strong>er</strong> und die nötige<br />

Boshaftigkeit, die für Denunziantentum Voraussetzung ist.<br />

„Nehmen Sie nur, was Sie begehren; ab<strong>er</strong> ich v<strong>er</strong>lange eine Quittung, denn<br />

meine Biokräut<strong>er</strong> machen viel Arbeit und sind dah<strong>er</strong> von hohem W<strong>er</strong>t und<br />

die will ich wied<strong>er</strong> zurück bekommen!“.<br />

„Es Piefke nehmt’s es ollaweu sea genau, waunn’s um Eicha’s geht! Wiaso<br />

haumm denn Se so an Saustoi’ in den Häis’l; do kunnt ma se jo fiacht’n vua


352<br />

de vüün ausg’stopft’n Viecha und vairr’n zwisch’n de vüün Soch’n, wos do<br />

umanaundahängan!“.<br />

„Nur ich muß mich hi<strong>er</strong> wohlfühlen und zurechtfinden; und wem mein Stil<br />

nicht guttut, d<strong>er</strong> sollte mich bess<strong>er</strong> meiden!“.<br />

„Eh woah! Fidlsb<strong>er</strong>ga – Obmarsch – mia foah’n! A soa Scheißbude. Und<br />

wia’s do feu’t! Do bin i eh scho froh, waunn i wieda außekumm aus den<br />

gaunz’n Buschkawühh!“.<br />

Fast grußlos stürmen die beiden vom B<strong>er</strong>uf und dem Leben<br />

desillusioni<strong>er</strong>ten Polizisten mit ihren Plastiksack<strong>er</strong>ln voll<strong>er</strong> Trophäen zu<br />

ihrem aschgrauen Golf und flüchten mit durchdrehenden Reifen, die den<br />

Kies aufwühlen, Richtung Wien.<br />

D<strong>er</strong>en Phantasie wurde schon im Embryonalstadium gefesselt und so<br />

können sie die Schönheit des aufkommenden Rauhreifes nicht<br />

wahrnehmen und doch w<strong>er</strong>den sie beide diese heutige Nacht in annäh<strong>er</strong>nd<br />

dreißig Dimensionen kennenl<strong>er</strong>nen, daß sie die String- und M-Branen-<br />

Theoretik<strong>er</strong> darum beneiden würden, wenn die davon wüßten, denn die<br />

kennen höchstens elf bis zwanzig: in den fiktiven nullausgedehnten Calabi-<br />

Yau Räumen eingekrumpelt.<br />

Schade imm<strong>er</strong> nur, daß man d<strong>er</strong>artige Bewußtseins<strong>er</strong>weit<strong>er</strong>ungen<br />

nicht in die Lebenswelt h<strong>er</strong>üb<strong>er</strong>retten kann, denn entwed<strong>er</strong> v<strong>er</strong>gißt man sie;<br />

od<strong>er</strong> – so man sich die Erinn<strong>er</strong>ung bewahrt – wird man in den Gugelhupf<br />

gesp<strong>er</strong>rt. Bestenfalls stirbt man daran: Tote reden ab<strong>er</strong> auch nur äuß<strong>er</strong>st<br />

selten mit den Lebenden! Anisin ist da eine Ausnahme; d<strong>er</strong> kann das!<br />

Frau Strehlmann ist froh, daß sie die wesentlichen Substanzen imm<strong>er</strong><br />

in den <strong>er</strong>schreckenden Ti<strong>er</strong>mumien von Aligator, Schlange, Leguan und<br />

Schildkröte v<strong>er</strong>steckt, denn in die greift niemand freiwillig!<br />

2 „Heast des woa da wos in d<strong>er</strong>a entrisch’n Aschicht; fiacht’n kännt<br />

ma se bei de g’sch<strong>er</strong>t’n Wappla; guat, daß i do net wohna muaß!“ stöhnt<br />

Wurm, denn <strong>er</strong> mag nur B<strong>er</strong>echenbares.<br />

Fidlsb<strong>er</strong>g<strong>er</strong> konzentri<strong>er</strong>t sich auf das Fahren im Nebel und bekämpft<br />

seinen drohenden Sekundenschlaf (denn gest<strong>er</strong>n hatte <strong>er</strong> Nachtschicht und mußte<br />

den neuen Polizeipräfekten um vi<strong>er</strong> Uhr früh aus dem Baden<strong>er</strong> Spiel-Casino mit seinen


353<br />

üppigen Silikon-Damen abholen; d<strong>er</strong> hat sich schnell in die Gepflogenheiten seines Amtes<br />

eingewöhnt; sehr würdig seines Vorgäng<strong>er</strong>s).<br />

D<strong>er</strong> war ausgesprochen grantig – trotz d<strong>er</strong> leichtbekleideten Mädels<br />

an sein<strong>er</strong> Seite – da <strong>er</strong> mehr<strong>er</strong>e Monatsgehält<strong>er</strong> dem Finanzminist<strong>er</strong><br />

geschenkt hat. Denn d<strong>er</strong> ist nicht von sein<strong>er</strong> Partei.<br />

D<strong>er</strong> KHG ist von d<strong>er</strong> PSG (d<strong>er</strong> Partei d<strong>er</strong> strahlenden Gewinn<strong>er</strong>) und zu<br />

denen gehörte d<strong>er</strong> Präfekt schon vor sein<strong>er</strong> Ernennung durch den<br />

Bundespräsidenten, die <strong>er</strong>st vor einem Monat stattgefunden hat, nicht.<br />

Ab<strong>er</strong> so ist halt d<strong>er</strong> B<strong>er</strong>uf eines Chauffeurs und Fidlsb<strong>er</strong>g<strong>er</strong> ist froh,<br />

daß <strong>er</strong> seine kleine Wohnung in d<strong>er</strong> Rustenschach<strong>er</strong>-Allee <strong>er</strong>reicht, bevor es<br />

so richtig losgeht. Gottseidank ist <strong>er</strong> Junggeselle und so zieht <strong>er</strong> niemanden<br />

mit hinein, in das, was jetzt beginnt.<br />

Üb<strong>er</strong>lebensgroße violette Leguane mit flammend roten Kämmen<br />

kriechen aus dem Abfluß sein<strong>er</strong> Badewanne üb<strong>er</strong> die pulsi<strong>er</strong>endes Licht<br />

ausstrahlenden Wände (<strong>er</strong> muß morgen den Installateur anrufen, daß d<strong>er</strong> eine neue<br />

Dichtung einbaut und die von d<strong>er</strong> WieWoBau wegen d<strong>er</strong> Wände). Die Sphärenklänge<br />

z<strong>er</strong>trümm<strong>er</strong>n sein Gehirn. Das mit d<strong>er</strong> Wohnung wird plötzlich total<br />

bedeutungslos, da <strong>er</strong> mit seinem Bett die Räumlichkeiten durch die<br />

Gasleitung v<strong>er</strong>läßt; das geht ab<strong>er</strong> wahrhaft ein wenig zu flott –<br />

uaaaaaaaaaaaaahhhhhhh!<br />

Das Univ<strong>er</strong>sum hat sich einstweilen entschlossen, in den Big Crunch<br />

üb<strong>er</strong>zugehen, wo sich die Raumzeit ausschließlich d<strong>er</strong> Vacuum-Fluktuation<br />

d<strong>er</strong> Nullausdehnung v<strong>er</strong>pflichtet fühlt (das Gegenstück zum Urknall). Kagran<br />

kopuli<strong>er</strong>t mittels Millennium-Tow<strong>er</strong> in das Stadttor von Weitra und sein<br />

ungeliebt<strong>er</strong> Vorgesetzt<strong>er</strong> Wurm mau<strong>er</strong>t das Himmelgewölbe neu (ein Auftrag<br />

von Mescalito, dem man sich bekanntlich nicht wid<strong>er</strong>sezten kann).<br />

Ein Embryo namens Kuchlbach<strong>er</strong> fliegt ihm wie eine v<strong>er</strong>irrte Gelse<br />

in den Mund und schmeckt – garnicht so übel – nach Rahad Lükküm.<br />

Irgendwann v<strong>er</strong>weig<strong>er</strong>n die Synapsen d<strong>er</strong>lei Wirrwarr und belohnen ihn mit<br />

einem schonenden Coma, aus dem ihn am Morgen danach die ukrainische<br />

Putzfrau <strong>er</strong>weckt. Unangemeldet – eh kloa!<br />

„Na scheenes Frauenzimma dogewesen, weul ollas so schlompad? So kenne<br />

Ihne gornet; haumm endlich desdo g’mocht?“ schlägt sie mit d<strong>er</strong> rechten<br />

Handfläche bedeutungsvoll auf die zur Röhre geformte linke Faust, daß sich


354<br />

jed<strong>er</strong> auskennt. „Wor eh scho Zeit; so a reife scheene Mann und nia nixe<br />

mit Weiwa!“.<br />

Fidlsb<strong>er</strong>g<strong>er</strong> schämt sich in den Melanboden hinein, den die P<strong>er</strong>le<br />

b<strong>er</strong>eits heftig mit Mist<strong>er</strong> Popp<strong>er</strong> v<strong>er</strong>gewaltigt. Üb<strong>er</strong>all Erbrochenes; was hat <strong>er</strong><br />

Furchtbares getan? Er sollte sich glücklich schätzen, daß <strong>er</strong> sich noch<br />

schämen kann; denn w<strong>er</strong> sich schämt, d<strong>er</strong> lebt zumeist noch!<br />

3 Wurm war froh, daß ihn d<strong>er</strong> Fidlsb<strong>er</strong>g<strong>er</strong> noch rechtzeitig in seine<br />

Mezzanin-Wohnung in d<strong>er</strong> Strozzigasse gebracht hat, denn seine<br />

Eingeweide haben begonnen v<strong>er</strong>rückt zu spielen. Seine besorgte Gattin<br />

wollte schon die Rettung holen, da <strong>er</strong> sich das Beinkleid vollgefüllt hatte.<br />

Während sie ihn vom allgegenwärtigen Darminhalt befreite, wurde <strong>er</strong> ungut:<br />

Er klett<strong>er</strong>te auf den spanischen Gläs<strong>er</strong>kasten und tanzte darauf zunächst<br />

Kasatschock (soetwas ist nur in Wien<strong>er</strong> Altbauwohnungen möglich mit ihren<br />

dreimet<strong>er</strong>achzig hohen Decken).<br />

Irgendein p<strong>er</strong>v<strong>er</strong>s<strong>er</strong> Gott deformi<strong>er</strong>te die Raumzeit d<strong>er</strong>art, daß Wurm<br />

v<strong>er</strong>meinte, dies<strong>er</strong> zöge an d<strong>er</strong> linken ob<strong>er</strong>en Zimm<strong>er</strong>ecke die Gummiwände<br />

zu einem Stanitzel lang (fast ein Wurmloch; ist ab<strong>er</strong> nicht nach ihm benannt). Als<br />

ob <strong>er</strong> fliegen könnte, sprang <strong>er</strong> mit gespreiteten Armen auf die Gobelin-<br />

Couch, daß sie krachte und krümmte sich dabei schreiend in Schm<strong>er</strong>zen.<br />

„Ha, ha, ha! – wegga do es Gfrasta!“ Tausende winzige grünleuchtende<br />

Skorpione quollen aus sein<strong>er</strong> Nase (die Univ<strong>er</strong>sum-Film<strong>er</strong> hätten ihre wahre<br />

Freude daran!). Er war direkt dankbar, daß sein Bauch plötzlich aufplatzte<br />

und seine Gedärme daraus austraten mit Köpfen von Königskobras, denn<br />

die stürzten sich gi<strong>er</strong>ig auf die Skorpione und damit war <strong>er</strong> wenigstens<br />

dieses Problem los. Doch das nächste entfaltete sich daraus, denn sein<br />

offen<strong>er</strong> Bauch, d<strong>er</strong> von innen sehr weiß strahlte, befahl ihm, die Wände a la<br />

Hund<strong>er</strong>twass<strong>er</strong> auszumalen und so suchte <strong>er</strong> die Farbtiegel, die <strong>er</strong> im BH<br />

sein<strong>er</strong> Angetrauten v<strong>er</strong>mutete.<br />

„Gib hea, Du Schlaump’n! I brauch des Zeig zun Moina! I steck jetzt mein<br />

Pins’l do eine“ befreite <strong>er</strong> sich von d<strong>er</strong> frischen Unt<strong>er</strong>gatting<strong>er</strong> aus<br />

strapazfähigem mißfärbigem Barchent und schob seinen Langzeit-<br />

Arbeitslosen zwischen ihre v<strong>er</strong>welkten Brüste, daß es ihr graute.<br />

Seine Gattin ist v<strong>er</strong>zweifelt. Er wurde die letzten Jahre schon imm<strong>er</strong><br />

un<strong>er</strong>träglich<strong>er</strong> und sie hatte auch schon seine oftmaligen Alkoholexzesse


355<br />

<strong>er</strong>tragen müssen; ab<strong>er</strong> was <strong>er</strong> heute lief<strong>er</strong>t, benötigt den Einsatz des<br />

Polizeiarztes und sein<strong>er</strong> Kollegen von d<strong>er</strong> Sucht. Noch will sie ihm diese<br />

Erniedrigung nicht antun und so hofft sie auf Ernücht<strong>er</strong>ung mit den<br />

Stunden, denn ihr ist keine sinnvolle Entgiftungsmethode für d<strong>er</strong>artige<br />

Unbeschreiblichkeiten bekannt.<br />

Langsam kehrt eine Abart d<strong>er</strong> Realität in ihn ein und <strong>er</strong> schreit<br />

besinnungslos: „De Drecksau, de Woidfrau, de hot ma wos gaunz Orges<br />

eigeb’n; des miaß’n ma analiesi<strong>er</strong>en!“.<br />

Er sucht einen d<strong>er</strong> von d<strong>er</strong> Suchtbehörde standardisi<strong>er</strong>ten<br />

v<strong>er</strong>schließbaren Harnbehältnisse und brunzt mitten im Zimm<strong>er</strong><br />

Gießkannen-artig üb<strong>er</strong> dessen schmalen Rand den Pseudo-P<strong>er</strong>s<strong>er</strong> an. In<br />

Betrachtung seines Harnes <strong>er</strong>scheint ihm d<strong>er</strong> ab<strong>er</strong> so liebensw<strong>er</strong>t in seinem<br />

Neonblau, daß <strong>er</strong> ihn niemehr h<strong>er</strong>geben will und so trinkt <strong>er</strong> den Bech<strong>er</strong> mit<br />

plötzlich ganz selig v<strong>er</strong>klärten Gesichtszügen bis auf den letzten Tropfen<br />

aus (die Substanz soll eine zweite Chance bekommen in seinen aufgewühlten Ad<strong>er</strong>n!). Er<br />

fühlt sich wie Dreck und ist damit endlich selbstreflexiv.<br />

Im BH sein<strong>er</strong> Gattin hat <strong>er</strong> die Farben nicht gefunden und nur einen<br />

silbrigen Spritzfleck hint<strong>er</strong>lassen. Ab<strong>er</strong> im Abstellraum sind Lacke und die<br />

kommen jetzt in einem Anfall von ab<strong>er</strong>witzig<strong>er</strong> Kreativität an die Wand,<br />

daß einem d<strong>er</strong> Nitsch mit seinem Blut noch lieb<strong>er</strong> wäre! Danach fällt sein<br />

üb<strong>er</strong>schaubares Bewußtsein ins Coma, was seine Gattin ein wenig bedrückt,<br />

ab<strong>er</strong> auch aufatmen läßt. Die bemalten Wände sind ihr kein Problem; denn<br />

die waren ihr bish<strong>er</strong> ohnehin imm<strong>er</strong> zu nücht<strong>er</strong>n!<br />

4 Eine Spur seines Harnes konnte Wurm retten für die Fahnd<strong>er</strong> (g<strong>er</strong>ettet<br />

hat sie eigentlich seine Frau, denn in sein<strong>er</strong> v<strong>er</strong>sudelten Unt<strong>er</strong>hose war noch genug davon),<br />

ab<strong>er</strong> das hat nur wenig Sinnvolles <strong>er</strong>geben:<br />

Alkohol in Spuren, Aromate aus Zuck<strong>er</strong>-Coulleur (das war d<strong>er</strong> Inländ<strong>er</strong>-<br />

Rum), Dihydro-Orotsäure, Natrium-Vanillin, Iso-Val<strong>er</strong>iansäure und 2,5-<br />

Methyl-α-Phenon. Ortho-Kresol, MAO-Hemm<strong>er</strong>, 5-Hydroxi-Tryptophan,<br />

Haemoglobin, �-Amino-Butt<strong>er</strong>säure, und Spuren von Diethylestradiol (man<br />

sollte eben nicht imm<strong>er</strong> von allen Pillen naschen!).<br />

Deutet zwar alles auf einig<strong>er</strong>maßen seltsame Lebensgewohnheiten<br />

hin, ab<strong>er</strong> da findet sich keine v<strong>er</strong>botene Substanz. Man darf nicht v<strong>er</strong>gessen,


356<br />

daß gewisse psychagoge Extrakte von d<strong>er</strong> gnädigen Leb<strong>er</strong> zu<br />

Unv<strong>er</strong>fänglichem v<strong>er</strong>stoffwechselt w<strong>er</strong>den und dazu gehört im Besond<strong>er</strong>en<br />

Ayahuasca, von dem d<strong>er</strong> durchschnittliche Europä<strong>er</strong> eh<strong>er</strong> wenig weiß.<br />

Das demgegenüb<strong>er</strong> nahezu harmlose LSD wurde hi<strong>er</strong>orts imm<strong>er</strong><br />

v<strong>er</strong>teufelt, was dessen Entdeck<strong>er</strong>, den Professor Hofmann, schlichtweg<br />

kränkte. Diese Nacht neiden dem Wurm nicht nur die Stringtheoretik<strong>er</strong>,<br />

sond<strong>er</strong>n auch die Kind<strong>er</strong> vom Karlsplatz.<br />

Bei seinen Vorgesetzten will <strong>er</strong> so bald nicht vorsprechen zu dem<br />

waldvi<strong>er</strong>tl<strong>er</strong> Fall. Diese wissen zwar dank d<strong>er</strong> Diskretion sein<strong>er</strong> Gattin<br />

nichts von seinen nächtlichen Exzessen, ab<strong>er</strong> warum dann die bläuliche<br />

Harnprobe? Die wird <strong>er</strong> irgend einem alten Kunden von d<strong>er</strong><br />

Kettenbrücken-Station unt<strong>er</strong>jubeln. Er wird in jedem Fall unangenehmen<br />

Erklärungsbedarf haben und den scheut <strong>er</strong> zurecht.<br />

Da h<strong>er</strong>rscht nämlich ein eh<strong>er</strong>nes Gesetz im Amt: Bei gelegentlichen<br />

b<strong>er</strong>ufsbedingten Drogen-V<strong>er</strong>fehlungen d<strong>er</strong> Mitarbeit<strong>er</strong> wird durchaus mit<br />

den Augen gezwink<strong>er</strong>t; nur auffälliges unübliches V<strong>er</strong>halten ohne<br />

Drogenkontakt ist unv<strong>er</strong>zeihlich!<br />

Was sich Wurm selbst nicht v<strong>er</strong>zeiht, sind die bunten Wände und<br />

nach einigem Streit mit sein<strong>er</strong> Frau üb<strong>er</strong>malt <strong>er</strong> sie mühsam mit drei<br />

Schichten Weiß, da die Lacke so dominant sind. Jetzt sind die Wände<br />

wied<strong>er</strong> wie imm<strong>er</strong>: Unauffällig – zum Leidwesen sein<strong>er</strong> Mitbewohn<strong>er</strong>in.<br />

5 Quastorf sehnt sich nach Clärchen und ruft sie an: „Wie wäre es an<br />

diesem Wochenende; ich hätte Zeit. Du irrtümlich auch?“.<br />

„Ja ginge sich aus, wenn uns da nicht Deine Mijou dazwischenkäme!“.<br />

„Du kennst Mijou – woh<strong>er</strong>?“. Quastorf v<strong>er</strong>fällt in sein Handy.<br />

„Sie hat mich kontakti<strong>er</strong>t und damit Deine Untreue aufgedeckt, Du<br />

liebensw<strong>er</strong>tes Schwein! Was soll’s? Sie hat Dich wied<strong>er</strong> freigegeben und<br />

damit w<strong>er</strong>de ich Deine Gegenwart nicht v<strong>er</strong>meiden können. Treffen wir<br />

uns in Tulln; im Hotel-Schiff. Gute Idee?“.<br />

Quastorf sollte eigentlich seine Bude in Schuß bringen; ab<strong>er</strong> gut!


357<br />

Man trifft ein vis a vis des Schiele-Museums im Angesicht des<br />

genialen Brunnens aus v<strong>er</strong>rosteten Figurinen und Findlingssteinen. Das<br />

Ambiente ist traumhaft und man kann sich das leichte Schwanken des<br />

Schiffes nur in d<strong>er</strong> unv<strong>er</strong>brüchlichen Zuneigung wegdenken, damit man<br />

nicht seekrank wird.<br />

Die neue V<strong>er</strong>liebtheit reicht all<strong>er</strong>ings nicht dafür, daß man das<br />

lieblose Essen schätzen könnte: Gummi-Calamares an Schrecklichzeug mit<br />

letsch<strong>er</strong>ten Backofen-Chips, die sich v<strong>er</strong>kühlen. F<strong>er</strong>tige Schweinelendchen<br />

vom METRO in Instant-Sauce und demotivi<strong>er</strong>tes, deutlich suicidgefährdetes<br />

P<strong>er</strong>sonal, dem man die Unfreundlichkeit v<strong>er</strong>zeihen muß, da<br />

diese möglich<strong>er</strong>weise die letzte sein wird.<br />

Trotzdem sehr romantisch und so beschließt man, sich von den<br />

Donauwellen in den Schlaf wiegen zu lassen und deshalb auch hi<strong>er</strong> zu<br />

nächtigen. Hi<strong>er</strong> kann man ruhig laut w<strong>er</strong>den (ein unauflösbares Oxymoron, da<br />

man normal<strong>er</strong>weise entwed<strong>er</strong> ruhig od<strong>er</strong> laut ist), denn sie sind die einzigen Gäste<br />

und die Bugwelle v<strong>er</strong>tuscht gnädig so manchen spitzen nächtlichen Laut.<br />

Das Frühstücks-Buffet v<strong>er</strong>söhnt mit dem letzten Abendmahl und es<br />

geht gemeinsam nach Rappoltsgschwendt, wo man zwischen von Rauhreif<br />

– wie in Trau<strong>er</strong> – tief gebeugten Bäumen zufährt.<br />

Ein paar Tage d<strong>er</strong> Beschaulichkeit und des Einigelns in Zweisamkeit<br />

sollten doch durchaus möglich sein. Wand<strong>er</strong>ungen durch den v<strong>er</strong>eisten<br />

Tann und v<strong>er</strong>kühlte Rehlein allenthalben bedau<strong>er</strong>n.<br />

6 Kuchlbach<strong>er</strong> ist es sehr peinlich, ab<strong>er</strong> es geht absolut nichts weit<strong>er</strong><br />

im Fall Raiding<strong>er</strong> und das V<strong>er</strong>schwinden des Donn<strong>er</strong>baum bleibt weit<strong>er</strong><br />

ungeklärt; nicht einmal dessen Aufenthaltsort ist bekannt, obwohl <strong>er</strong> den<br />

Quastorf angesetzt hat. Ab<strong>er</strong> d<strong>er</strong> bringt auch nichts weit<strong>er</strong>. Wo ist d<strong>er</strong><br />

üb<strong>er</strong>haupt? Mit dem Wiesing<strong>er</strong> rechnet <strong>er</strong> sowieso nicht, denn d<strong>er</strong> v<strong>er</strong>beißt<br />

sich wied<strong>er</strong>holt in falsche Spuren, da <strong>er</strong> nach Vorschrift und nach den<br />

Schemata aus d<strong>er</strong> Polizeischule vorgeht und die stammen aus Anno Schnee.<br />

Warum die Kriminal-Pädagogen nicht den Erfahrungsschatz von<br />

Dez<strong>er</strong>natsleit<strong>er</strong>n wie ihm zum Ausbildungsinhalt machen?


358<br />

7 Clärchen will zum Tatort. Nicht zum Ort des Mordes, denn sowas<br />

v<strong>er</strong>abscheut sie, sond<strong>er</strong>n zum Ort, wo sich Quastorf mit sein<strong>er</strong> Mijou<br />

schuldig gemacht hat.<br />

„Hättest Du etwas dagegen, wenn wir nach Lilienkron fahren?“.<br />

Quastorf <strong>er</strong>bleicht, um gleich darauf die Kapillaren sein<strong>er</strong><br />

Gesichtshaut umso heftig<strong>er</strong> mit Blut zu beschicken.<br />

„Ich weiß nicht, ob das wirklich eine so gute Idee ist!“. Doch dann fügt <strong>er</strong><br />

sich, denn <strong>er</strong> wird es nicht v<strong>er</strong>hind<strong>er</strong>n können.<br />

Sie hat noch imm<strong>er</strong> durchgesetzt, was ihr in den Sinn gekommen ist;<br />

da hilft keine wie auch imm<strong>er</strong> geartete Strategie dagegen!<br />

„Wenn es sich nicht v<strong>er</strong>meiden läßt; mir soll’s recht sein“.<br />

Und so fahren sie gemeinsam an den Platz sein<strong>er</strong> V<strong>er</strong>fehlungen. Die<br />

Zimm<strong>er</strong>, in denen man sich v<strong>er</strong>gangen hat, sind gottseidank von neuen<br />

Gästen bezogen und dah<strong>er</strong> unzugänglich (das wäre auch zu peinlich in Claras<br />

Gegenwart!).<br />

Und so ißt man noch kurz ein edles Menue im Kur-Restaurant und<br />

h<strong>er</strong>nach wand<strong>er</strong>n beide nach Lilienfels, das noch imm<strong>er</strong> teilweise mit<br />

Absp<strong>er</strong>rbänd<strong>er</strong>n v<strong>er</strong>siegelt ist. Da das somit wenig h<strong>er</strong>gibt, geht man den<br />

selten begangenen Wand<strong>er</strong>weg nach Norden, d<strong>er</strong> nur üb<strong>er</strong> Umwege zurück<br />

zur Kuranstalt führt. Denn das Klost<strong>er</strong> Lilienkreuz mit seinem<br />

unfreundlichen Frat<strong>er</strong> will <strong>er</strong> sich heute nicht antun. Wieso <strong>er</strong> dort letzthin<br />

keinen Mönch wahrnehmen konnte, ist ihm im Rückblick übrigens ein<br />

wenig befremdlich.<br />

Dies<strong>er</strong> Wand<strong>er</strong>weg führt in g<strong>er</strong>ad<strong>er</strong> V<strong>er</strong>läng<strong>er</strong>ung Richtung<br />

Kauzendorf nach fünf Kilomet<strong>er</strong>n, ab<strong>er</strong> so weit wollen sie nicht gehen.<br />

Nach zirka einem Kilomet<strong>er</strong> <strong>er</strong>kennt Quastorf in einem steil b<strong>er</strong>gabv<strong>er</strong>laufenden<br />

Waldstück am Weg eine scharfe Bremsspur eines Mountain-<br />

Bikes, die gänzlich unnachvollziehbar nach links ins Unt<strong>er</strong>holz führt. Wenn<br />

hi<strong>er</strong> jemand seine Notdurft befriedigen wollte, wozu fährt <strong>er</strong> dann ins<br />

Unt<strong>er</strong>holz? In solchen Fällen lehnt man üblich<strong>er</strong>weise das Rad an einen<br />

Baum am Wegesrand und geht zu Fuß an den Ort d<strong>er</strong> Erfüllung.<br />

Auch braucht es keine Notbremsung, denn hi<strong>er</strong> ist ein Platz wie d<strong>er</strong><br />

and<strong>er</strong>e – nämlich intim und geschützt vor unzulässigen Blicken. Zudem ist


359<br />

dies<strong>er</strong> Weg sehr wenig begangen, wie man an dessen V<strong>er</strong>wachsenheit<br />

unschw<strong>er</strong> <strong>er</strong>kennen kann. Quastorf bekommt Fieb<strong>er</strong>; ab<strong>er</strong> nicht, weil <strong>er</strong><br />

krank wird, sond<strong>er</strong>n bezüglich Jagd!<br />

Clara ist nicht sehr angetan von sein<strong>er</strong> Inauguration des Jungmaises,<br />

ab<strong>er</strong> sie hat b<strong>er</strong>eits keine Gewalt mehr üb<strong>er</strong> seine un<strong>er</strong>klärlichen<br />

Handlungsweisen.<br />

Vorsichtig, um nur ja keine Spuren zu v<strong>er</strong>wischen, umrundet d<strong>er</strong><br />

v<strong>er</strong>hind<strong>er</strong>te Inspektor ein Schlehen-Buschw<strong>er</strong>k, das seltsam gebrochene<br />

Zweige aufweist. Hi<strong>er</strong> könnte das Fahrrad getarnt worden sein.<br />

Gleich daneben nied<strong>er</strong>getretenes und teilweise ausg<strong>er</strong>issenes Gras, als<br />

ob hi<strong>er</strong> ein Kampf stattgefunden hätte. Und wenn <strong>er</strong> nicht ganz v<strong>er</strong>trottelt<br />

worden ist durch seinen Hirneingriff, dann ist d<strong>er</strong> dunkle Fleck auch nicht<br />

das Ergebnis des Beuteschlages eines Fuchses an einem Hasen, zumal d<strong>er</strong><br />

Hase fehlt.<br />

Die Schleifspuren, die in Richtung des unt<strong>er</strong>halb liegenden Baches<br />

führen, könnten auch von ein<strong>er</strong> illegal <strong>er</strong>legten Bache od<strong>er</strong> einem Reh<br />

stammen, ab<strong>er</strong> welch<strong>er</strong> Wild<strong>er</strong><strong>er</strong> schleift seine Beute zum Bach, wenn <strong>er</strong> sie<br />

zu seinem Haus schaffen will zwecks kullinarisch<strong>er</strong> Aufarbeitung und<br />

Einfri<strong>er</strong>ung des un<strong>er</strong>laubt <strong>er</strong>legten Kadav<strong>er</strong>s?<br />

An den v<strong>er</strong>letzen Büschen und Bäumchen, die die Schleifspur<br />

begrenzen, wied<strong>er</strong>holt grauschwarze Fas<strong>er</strong>n wie von Filz od<strong>er</strong> Loden. Die<br />

Spur durchqu<strong>er</strong>t den Bach etwas zu kantig für Weiches und führt jenseits<br />

dessen wied<strong>er</strong> die Böschung hoch; fast weit<strong>er</strong>e einhund<strong>er</strong>t Met<strong>er</strong>.<br />

Clärchens v<strong>er</strong>einsamte Rufe kann <strong>er</strong> nicht nur aufgrund d<strong>er</strong><br />

Entf<strong>er</strong>nung, sond<strong>er</strong>n insbesond<strong>er</strong>e wegen sein<strong>er</strong> hohen Konzentration auf<br />

den Landschafts-Befund, b<strong>er</strong>eits nicht mehr wahrnehmen.<br />

Am Ende d<strong>er</strong> Spur ein heutzutage eh<strong>er</strong> selten geworden<strong>er</strong> Dachsbau,<br />

in dem <strong>er</strong>st vor kurzen gegraben wurde (und sich<strong>er</strong> nicht von einem fetten<br />

schwarzen Ti<strong>er</strong> vom Stamm d<strong>er</strong> Mard<strong>er</strong> – eh<strong>er</strong> Mörd<strong>er</strong>, denn Mard<strong>er</strong>!). Mit spitzen<br />

Fing<strong>er</strong>n, die nun auch von den stets vorsorglich mitgeführten PVC-<br />

Handschuhen üb<strong>er</strong>zogen sind, zieht <strong>er</strong> eine schw<strong>er</strong>e Kutte aus dem Lehm,<br />

die deutlich blutv<strong>er</strong>krustet ist. Das genügt fürs Erste durchaus! Am<br />

Rückweg m<strong>er</strong>kt <strong>er</strong> nun auch die relativ großen Abdrücke von Stiefel-Sohlen<br />

und nun weiß <strong>er</strong>, wen <strong>er</strong> heute noch besuchen muß!


360<br />

Clara wartet nun schon seit zwanzig Minuten sehr <strong>er</strong>bost am<br />

Wegesrand und gemahnt zur Eile, da es schon langsam zu dämm<strong>er</strong>n<br />

beginnt und sie <strong>er</strong>heblich fri<strong>er</strong>t.<br />

8 Rasch<strong>er</strong> als vorgesehen strebt man zum Cabrio, das nun langsam ins<br />

Wint<strong>er</strong>quarti<strong>er</strong> muß, da schon bald Schnee zu befürchten ist und es geht<br />

diesmal nicht nach Rappoltsgschwendt, sond<strong>er</strong>n nach Etzlas, wo d<strong>er</strong> Messi<br />

Siebenhandel in sein<strong>er</strong> Müllburg wohnt. Clara fügt sich in ihr Schicksal und<br />

beschließt, es zu genießen, da sie es sich<strong>er</strong> nicht änd<strong>er</strong>n wird können. Und<br />

es ist auch in gewiss<strong>er</strong> Weise spannend, was ihr durch Quastorf wid<strong>er</strong>fährt;<br />

mit niemand and<strong>er</strong>em könnte man d<strong>er</strong>lei <strong>er</strong>leben!<br />

Wied<strong>er</strong> das übliche Getue mit freilaufenden Hunden, die keinesfalls<br />

b<strong>er</strong>eit sind, ihrem H<strong>er</strong>rl zu folgen, ab<strong>er</strong> man brüht ab mit den Jahren – und<br />

seit einig<strong>er</strong> Zeit besitzt Quastorf auch Pfeff<strong>er</strong>spray und Elektroschock<strong>er</strong> –<br />

oft wird <strong>er</strong> das Zeug hinkünftlich all<strong>er</strong>dings nicht mehr benötigen, denn<br />

Clara beispielsweise ist d<strong>er</strong>zeit handzahm.<br />

„Guten Abend, Mist<strong>er</strong> Mülli! Sie haben mir doch letzthin von Ihrem<br />

Neuzugang b<strong>er</strong>ichtet. Könnten Sie mir den vorführen?“.<br />

„Se manan de Gummistüfe? De hob i no ; oba de Radl’n hot se da Bua von<br />

da Paradeisa g’hoit, weu seine scho hinich wor’n“.<br />

„Das ist jetzt ungünstig, denn das sind möglich<strong>er</strong>weise wichtige<br />

Beweisstücke! Zeigen Sie mir halt bitte einmal die Stiefel, wenn’s geht!“.<br />

Dazu muß man in seinen Schuppen, d<strong>er</strong> bis ans Dach mit Sachen<br />

vollgestopft ist (das Auslief<strong>er</strong>ungslag<strong>er</strong> vom METRO ist ein L<strong>er</strong>ch<strong>er</strong>l dagegen!).<br />

Ab<strong>er</strong> <strong>er</strong> findet alles sofort wie d<strong>er</strong> selige Marcel Pravy zwischen seinen<br />

b<strong>er</strong>üchtigten LöWa-Sack<strong>er</strong>ln.<br />

„Do haum mas scho: Größe 43, de pass’n ihna sicha net!“ zeigt <strong>er</strong> sich<br />

professionell wie eine V<strong>er</strong>käuf<strong>er</strong>in von La Stiletto.<br />

„Lassen Sie das meine Sorge sein. Ich nehme die jetzt mit und Sie<br />

bekommen sie nach Abschluß d<strong>er</strong> Unt<strong>er</strong>suchungen sich<strong>er</strong> wied<strong>er</strong>!“.<br />

„Sans deppad wua’n; des kaunn Johre dauan! I leb do von de Soch’n!“.


361<br />

„Sie w<strong>er</strong>den genausogut leben, wenn sie eines Ihr<strong>er</strong> illegal <strong>er</strong>worbenen<br />

Fundstücke nicht steu<strong>er</strong>frei v<strong>er</strong>markten können!“.<br />

Nun weiß d<strong>er</strong> Samml<strong>er</strong> keine Antwort und die Quastorfs fahren in<br />

ihr romantisches Landhaus. Bei Bach und Montev<strong>er</strong>di nimmt man nach<br />

sehr lang<strong>er</strong> Zeit ein Kräut<strong>er</strong>bad und tut einand<strong>er</strong> noch lange Gutes; d<strong>er</strong><br />

Mensch braucht Wärme und Nähe auch und beides besond<strong>er</strong>s, wenn <strong>er</strong> die<br />

meiste Zeit in Einsamkeit v<strong>er</strong>bringt. Denn „das Ich kann nur im Wir zum<br />

wahren Ich w<strong>er</strong>den“ (war das Martin Bub<strong>er</strong> od<strong>er</strong> Quastorf selbst?).<br />

Clärchen zieht es vor, morgen einen Solo-Wand<strong>er</strong>tag einzuschieben,<br />

da sie zurecht v<strong>er</strong>mutet, daß ihr Joseph sich<strong>er</strong> nicht lock<strong>er</strong> läßt, bis <strong>er</strong> den<br />

Fall zu sein<strong>er</strong> Zufriedenheit abgeschlossen haben wird. Doch das wird<br />

v<strong>er</strong>mutlich nicht mehr sehr lange dau<strong>er</strong>n bei sein<strong>er</strong> Besessenheit und sein<strong>er</strong><br />

Fachkompetenz.<br />

Und sie hat neu<strong>er</strong>dings v<strong>er</strong>mehrt Zeit, da sie an ihr<strong>er</strong> Arbeit üb<strong>er</strong><br />

„Emanzipation unt<strong>er</strong> Burka und Tschador – Feminismus als von Mohammed<br />

angestrebte Entität?“ ganz gut im Wald schreiben kann; mittels Int<strong>er</strong>net hat sie<br />

Zugang zu den meisten Quellen und was nur in d<strong>er</strong> National-Bibliothek<br />

v<strong>er</strong>fügbar ist, hat sie schon vorausschauend zum Skelett ihr<strong>er</strong> Abhandlung<br />

geformt.<br />

9 Mit den <strong>er</strong>gatt<strong>er</strong>ten Stiefeln fährt Quastorf zum Gemeindeamt in<br />

Höllweix, wo die Familie Paradeis<strong>er</strong> jetzt im Ob<strong>er</strong>geschoß wohnt. Froh<br />

müssen sie sein, daß ihnen d<strong>er</strong> Bürg<strong>er</strong>meist<strong>er</strong> die le<strong>er</strong>stehenden<br />

Räumlichkeiten üb<strong>er</strong>lassen hat, nachdem Frau Isabella den begehrten<br />

Posten d<strong>er</strong> Pfarr<strong>er</strong>sköchin v<strong>er</strong>loren hat.<br />

Da ist die Amtskirche hart! V<strong>er</strong>fehlungen von kleinen Priest<strong>er</strong>n und<br />

<strong>er</strong>st recht von in Kirchen-Abhängigkeit beschäftigten Laiensp<strong>er</strong>sonen<br />

w<strong>er</strong>den v<strong>er</strong>ständlich<strong>er</strong>weise äuß<strong>er</strong>st streng geahndet. Bei den Purpurträg<strong>er</strong>n<br />

muß man hingegen alles genau abwägen und da üb<strong>er</strong>wiegen zumeist die<br />

Mild<strong>er</strong>ungsgründe die Anlässe das Strauchelns.<br />

Ab<strong>er</strong> einen Pfarr<strong>er</strong> zu v<strong>er</strong>führen, das ist doch wohl das schlimmste<br />

Teufelsw<strong>er</strong>k und w<strong>er</strong> weiß, was die mit dem neuen Pfarr<strong>er</strong> Gdansky<br />

vorhätte, wenn man sie ließe? Das d<strong>er</strong> mit seinen zweiundsiebzig Jahren<br />

kein Zielobjekt für eine resche Mitvi<strong>er</strong>zig<strong>er</strong>in sein dürfte, üb<strong>er</strong>denken eben<br />

Bischöfe nicht, die selbst jenseits des weltlichen Pensionsalt<strong>er</strong>s <strong>er</strong>st ihren


362<br />

Dienst antreten als ‚Nachfolg<strong>er</strong>’. In den Rechengrößen d<strong>er</strong> Ewigkeit sind<br />

siebenundachzig Jahre freilich fast embryonal!<br />

Und so wohnen sie nun hi<strong>er</strong> und Isabella putzt jetzt das<br />

Gemeindehaus, besorgt den Blumenschmuck, organisi<strong>er</strong>t die offiziellen<br />

V<strong>er</strong>anstaltungen und ist weit<strong>er</strong>hin sehr beliebt bei d<strong>er</strong> Bevölk<strong>er</strong>ung.<br />

V<strong>er</strong>schlecht<strong>er</strong>t hat sie es sich nicht unbedingt.<br />

„Ist Ihr Sohn zuhause? Ich würde mich g<strong>er</strong>ne mit ihm unt<strong>er</strong>halten<br />

bezüglich sein<strong>er</strong> neuen Fahrrad-Reifen! Heute ist Direktorstag in d<strong>er</strong> Schule,<br />

habe ich mir sagen lassen; und da hat <strong>er</strong> doch sich<strong>er</strong> frei. Können sie ihn<br />

bitte h<strong>er</strong>beizaub<strong>er</strong>n?!“.<br />

„Jessas, ea wiad do nix aug’stöht haumm? Na dea is min Moped untawegs<br />

mit seine Freind. Net neman’s ma mein zweiten Buam a no weg!“.<br />

Ganz stimmt die Laufzahl nicht, denn d<strong>er</strong> <strong>er</strong>ste – d<strong>er</strong> F<strong>er</strong>dinand – ist<br />

zwar auf grauenhafte Weise ums Leben gekommen, ab<strong>er</strong> d<strong>er</strong> zweite ist seit<br />

Jahren in Indien als Missionar, Söldn<strong>er</strong>, Edelstein-Jäg<strong>er</strong> od<strong>er</strong> Frauenhändl<strong>er</strong>;<br />

hat sie den etwa v<strong>er</strong>gessen, da <strong>er</strong> so lange weg ist?<br />

„Keine Angst; wenn <strong>er</strong> mit dem Moped weg ist, dann ist sich<strong>er</strong> sein Fahrrad<br />

im Haus“. Quastorf denkt nicht weit<strong>er</strong> darüb<strong>er</strong> nach, daß d<strong>er</strong> Bengel sich<strong>er</strong><br />

<strong>er</strong>st zwölf Jahre alt ist und somit kein Kraftrad lenken dürfte. Am Land<br />

nimmt man es nicht so genau mit diesen Dingen; Kind<strong>er</strong> müssen rechtzeitig<br />

l<strong>er</strong>nen, sich für’s harte Leben zu wappnen.<br />

„Jo des steht sicha in da Garasch; kummans mit!“.<br />

Bess<strong>er</strong> könnte es kaum sein: Die Räd<strong>er</strong> lehnen neben dem Rahmen<br />

und sind noch gar nicht monti<strong>er</strong>t, ab<strong>er</strong> leid<strong>er</strong> schon gesäub<strong>er</strong>t.<br />

„Die muß ich leid<strong>er</strong> einziehen, wenn Sie nichts dagegen haben. Und wenn<br />

Sie was dagegen haben, genauso!“.<br />

„Des wiad eahm oba net recht sei, weu de haumm eahm 40.- € kost bein<br />

Siemandl!“.<br />

„Tut mir leid, <strong>er</strong> wird sie wied<strong>er</strong>bekommen, wenn alles vorbei ist!“.<br />

Mit seinen Schätzen fährt Quastorf in die Kesselbodengasse und<br />

üb<strong>er</strong>gibt die Sachen Habison. Kuchelbach<strong>er</strong> geht g<strong>er</strong>ade in die Kantine um<br />

Kaffee und sieht die gebrauchten Stücke.


363<br />

„Na endlich einen Nebenb<strong>er</strong>uf gefunden als V<strong>er</strong>tret<strong>er</strong> in Gummiwaren?<br />

Haben sie auch gebrauchte Präs<strong>er</strong>vative mit Sich<strong>er</strong>heits-Z<strong>er</strong>tifikat?“.<br />

„H<strong>er</strong>r Lustig hatten einen Clown zum Frühstück, od<strong>er</strong> simma ins<br />

Sch<strong>er</strong>zküb<strong>er</strong>l gefallen? Damen und H<strong>er</strong>ren: Treten Sie näh<strong>er</strong>, treten Sie ein. Die<br />

Sensation des Jahrhund<strong>er</strong>ts; w<strong>er</strong> hat noch nicht, w<strong>er</strong> will nochmal. Hi<strong>er</strong> sehen Sie, was Sie<br />

noch nie gesehen haben! Was sie hi<strong>er</strong> vor sich haben, sind nicht ein, das sind nicht zwei,<br />

das sind auch nicht drei; hi<strong>er</strong> habe ich vi<strong>er</strong> wichtige Beweisstücke in d<strong>er</strong> V<strong>er</strong>dachtssache<br />

Donn<strong>er</strong>baum. Leid<strong>er</strong> allzu gut g<strong>er</strong>einigt!“ v<strong>er</strong>doppelt Quastorf unzulässig, da es<br />

sich eigentlich um zwei Paare Corpora delicti handelt.<br />

Jetzt steht das gesamte P<strong>er</strong>sonal inklusive dem Leasing-Mann vom<br />

Gebäude-Reinigungsdienst ehrfürchtig vor Quastorf. Er wäre ein gut<strong>er</strong><br />

Jahrmarkt-Schrei<strong>er</strong>. Nur leid<strong>er</strong> muß Inspektor Wiesing<strong>er</strong> im Außendienst<br />

schuften und so fällt <strong>er</strong> um das kostenlose Schauspiel um (höchstwahrscheinlich<br />

all<strong>er</strong>dings hätte <strong>er</strong> darüb<strong>er</strong> eine v<strong>er</strong>nichtende Kritik geschrieben).<br />

„S-sagen Sie das n-nocheinmal!!“ Kuchlbach<strong>er</strong> hat plötzlich einen trockenen<br />

Mund und braucht nun eh<strong>er</strong> Wass<strong>er</strong> statt Kaffee.<br />

„Was? Den ganzen S<strong>er</strong>mon? Damen und H<strong>er</strong>ren....“ weit<strong>er</strong> kommt <strong>er</strong> nicht,<br />

denn nicht nur winkt d<strong>er</strong> Dez<strong>er</strong>natsleit<strong>er</strong> ab. Es stürmt auch ganz<br />

abgekämpft Inspektor Wiesing<strong>er</strong> bei d<strong>er</strong> geschmackvollen Milchglastüre mit<br />

rot<strong>er</strong> Birne h<strong>er</strong>ein.<br />

„De Eveline Erding<strong>er</strong> is seit Toge auf und davo! Min Vodtan seine<br />

Spoabiacha und ihr’n neich’n Freind, en Rohring<strong>er</strong> Michl. De Muadta traut<br />

se des iahn Oidn goaned sog’n, weu sunst trifft eahm da Schleimschlog bei<br />

den vühn Göd, wos eahm de zwa Krätz’n ohzog’n haumm! Voraussichtlich<br />

in Kop’nhagen woll’ns a Disco aufmoch’n; des w<strong>er</strong>’n ma eahna oba iba de<br />

Euro-Pol grindlich vasoiz’n“.<br />

Jetzt wendet sich das Publikum dem neuen Artisten in Bewund<strong>er</strong>ung<br />

zu; nun ist selbst Quastorf bloß ehrfürchtig<strong>er</strong> Zaungast. Gar nicht so<br />

ungeschickt, d<strong>er</strong> Nachkomme.<br />

Kuchlbach<strong>er</strong> hat einstweilen sein Wass<strong>er</strong> und entscheidet<br />

salomonisch: „Wiesing<strong>er</strong>, sie lassen sich von Quastorf zeigen, wo <strong>er</strong> die<br />

Sachen gefunden hat, Habison, Sie unt<strong>er</strong>suchen die Ass<strong>er</strong>vaten gründlich.<br />

Irgendwas wird sich schon nachweisen lassen bei Ihrem Geschick und<br />

Hanfthal<strong>er</strong> stellt die Truppe zusammen. Grasl/Web<strong>er</strong>, ab ins Gelände. Das<br />

mit d<strong>er</strong> Abgängigkeit ist zwar möglich<strong>er</strong>weise auch wichtig, ab<strong>er</strong> das müssen


364<br />

wir spät<strong>er</strong> behandeln, da uns d<strong>er</strong>zeit die Kapazitäten fehlen!“. Er weiß<br />

natürlich inzwischen die Sache mit d<strong>er</strong> Waldesruh im Unt<strong>er</strong>holz von<br />

Lilienfels.<br />

Ein richtig<strong>er</strong> Stratege – fast ein Feldmarschall – ist <strong>er</strong> geworden mit<br />

den Jahren; das hätte man ihm früh<strong>er</strong> nicht zugetraut. Vielleicht wird es<br />

doch noch was mit dem Landespolizei-Direktor, wenn <strong>er</strong> nicht zu viel Wind<br />

macht mit d<strong>er</strong> Aufdeckung d<strong>er</strong> v<strong>er</strong>dächtigen V<strong>er</strong>bindungen d<strong>er</strong><br />

aufmüpfigen Staatsanwalts-Tocht<strong>er</strong> zum Mordopf<strong>er</strong> im Fall Raiding<strong>er</strong>.<br />

Frau Duftschmied holt noch schnell für alle Burenwurst aus d<strong>er</strong><br />

Kantine, damit sie nicht im offenen Felde v<strong>er</strong>hung<strong>er</strong>n und geht dann heim<br />

zu ihr<strong>er</strong> geliebten Katze, die heute ein Baby gestrickt bekommt, damit sie<br />

ihre durch die unlängst <strong>er</strong>folgte Kastration geschmäl<strong>er</strong>ten Mutt<strong>er</strong>gefühle<br />

wenigstens teilweise aufbauen kann.<br />

10 Habison ist v<strong>er</strong>zweifelt, denn die angeblich so bedeutungsvollen<br />

Fundstücke sind d<strong>er</strong>art p<strong>er</strong>fekt g<strong>er</strong>einigt, daß man sie fast für fabriksneu<br />

halten könnte. Ab<strong>er</strong> dann <strong>er</strong>kennt man doch kleine Brüche in den<br />

Seitenwänden d<strong>er</strong> nicht mehr ganz neuen Mountainbike-Reifen, in denen<br />

sich Blutspuren finden lassen. Und auch in den Klebefugen d<strong>er</strong> PVC-Stiefel<br />

zwischen den PU-Sohlen und den Ob<strong>er</strong>teilen Reste von Blut und selbst<br />

Bruchstücke von Kopfhaaren.<br />

DNS ist heute Standard, ab<strong>er</strong> <strong>er</strong>st d<strong>er</strong> V<strong>er</strong>gleich macht sich<strong>er</strong> (und da<br />

hat man bish<strong>er</strong> leid<strong>er</strong> nichts). In den Stiefeln (unt<strong>er</strong> d<strong>er</strong> Th<strong>er</strong>mo-Brandsohle) kleine<br />

grüne Krümel von brüchigem Nitrat-haltigem Schaumstoff, gefärbte Blätt<strong>er</strong><br />

von Trockenblumen (Ast<strong>er</strong>aceae od<strong>er</strong> Crysanthemum) und Splitt<strong>er</strong> von dünnem<br />

grünbeschichteten Eisendraht nebst Hobelspänen von Eiche und Fichte.<br />

Das v<strong>er</strong>spricht noch viel Arbeit bis tief in die Nacht bei Mikroskop und<br />

Massenspektromet<strong>er</strong>, bei langwi<strong>er</strong>ig<strong>er</strong> PCR und Immun-Elektrophorese, bei<br />

Fing<strong>er</strong>abdruck-Suche und Blutanalyse.<br />

W<strong>er</strong> wird ihm diese Üb<strong>er</strong>stunden abgelten – und zu welchem d<strong>er</strong><br />

Mühe und dem Aufwand hohnsprechenden Preis? Er hat sich das früh<strong>er</strong><br />

spannend<strong>er</strong> und mit mehr An<strong>er</strong>kennung v<strong>er</strong>bunden vorgestellt. Ein<br />

geachtet<strong>er</strong> Wissenschaft<strong>er</strong> wollte <strong>er</strong> w<strong>er</strong>den im zweiten Bildungsweg und<br />

heute sitzt <strong>er</strong> in einem Kamm<strong>er</strong>l in d<strong>er</strong> Kesselbodengasse nahe d<strong>er</strong> Brau<strong>er</strong>ei<br />

und darf sich nicht einmal ein Zwettl<strong>er</strong> gönnen!


365<br />

Wenn da nicht d<strong>er</strong> Quastorf gewesen wäre, d<strong>er</strong> ihn imm<strong>er</strong> sehr gelobt<br />

hat für seine Leistungen, <strong>er</strong> hätte längst in die Brau<strong>er</strong>ei gewechselt, denn die<br />

zahlen wenigstens viel bess<strong>er</strong> im Gärungstechnik-Labor (und das ohne<br />

beschw<strong>er</strong>liche nächtliche Üb<strong>er</strong>stunden – und Freibi<strong>er</strong> gibt es auch nach Belieben – als<br />

allseits beliebtes Legat).<br />

Nur die Sich<strong>er</strong>heit des Beamtenstandes können die ihm halt nicht<br />

bieten! Und nun ist d<strong>er</strong> Quastorf leid<strong>er</strong> auch weg. Doch langsam schätzt<br />

den neu<strong>er</strong>dings sogar d<strong>er</strong> Kuchlbach<strong>er</strong>, da <strong>er</strong> seinen W<strong>er</strong>t zu <strong>er</strong>kennen<br />

beginnt und mit zunehmend<strong>er</strong> Reife sich das auch auszusprechen traut.<br />

Jetzt sind sie alle im Gelände und machen sich in d<strong>er</strong> Außenwelt wichtig.<br />

Nach Klärung des Falles wird <strong>er</strong> v<strong>er</strong>geblich in d<strong>er</strong> NÖN die Schlagzeile<br />

„Genial<strong>er</strong> Laborant löst Rätsel d<strong>er</strong> Satanisten-Morde!“ suchen.<br />

11 Alle sind im Busch, nur die Frau Duftschmied hat heim dürfen zu<br />

ihr<strong>er</strong> armen Katze, die zusätzlich unt<strong>er</strong> üblem Durchfall leidet. Hoffentlich<br />

hat die nicht irgendeinen Giftköd<strong>er</strong> <strong>er</strong>wischt; es gibt doch so viele böse<br />

Mitmenschen in letzt<strong>er</strong> Zeit. Da kann man gar nicht vorsichtig genug sein.<br />

Strychnin ist allgegenwärtig und sehr beliebt unt<strong>er</strong> Ti<strong>er</strong>hass<strong>er</strong>n, weil das die<br />

dummen Viech<strong>er</strong>ln g<strong>er</strong>ne kosten.<br />

Nachdem sie die bedau<strong>er</strong>lich<strong>er</strong>weise sehr g<strong>er</strong>uchsintensiven Spuren<br />

d<strong>er</strong> V<strong>er</strong>dauungsstörung ihr<strong>er</strong> Katze weggewischt hat, nimmt sie vom<br />

weißlich-süßen Amaretto, einem Geschenk ein<strong>er</strong> dankbaren Pensionistin,<br />

da die braven Beamten ihren Hamst<strong>er</strong> vor Zeiten aus dem Kanal g<strong>er</strong>ettet<br />

hatten; nur niemand von den H<strong>er</strong>rn wollte diesen grauslichen Liqueur.<br />

Dazu raucht sie eine d<strong>er</strong> ganz seltenen Palette-Damen-Zigaretten aus<br />

d<strong>er</strong> Schweiz, d<strong>er</strong>en jede eine and<strong>er</strong>e Pastellfarbe hat (eigentlich denkt man an<br />

Buntstifte, wenn man die Packung öffnet – und dann duften die auch noch nach Sandl,<br />

P<strong>er</strong>gamotte, Zimt, Zed<strong>er</strong>n und Vanille – wid<strong>er</strong>lich!). Und dazu ein goldenes<br />

Mundstück, das ihre wohlgeformten Lippen richtig adelt.<br />

Die bringt ihr imm<strong>er</strong> ein still<strong>er</strong> V<strong>er</strong>ehr<strong>er</strong> aus dem v<strong>er</strong>wunschenen<br />

Trans-Arlb<strong>er</strong>gischen mit, wenn <strong>er</strong> zu Zwettl weilt. Sie ist sich nicht so recht<br />

sich<strong>er</strong>, ob d<strong>er</strong> nette H<strong>er</strong>r Bürgy nicht ein Kuri<strong>er</strong> d<strong>er</strong> Triaden sei, d<strong>er</strong> denen<br />

saub<strong>er</strong>e weiße Kreuze ins blutrote Geld wäscht, ab<strong>er</strong> sie mag die Zigaretten<br />

(und den netten H<strong>er</strong>rn auch, denn d<strong>er</strong> hat Lebensart und einen gewaltigen Unt<strong>er</strong>miet<strong>er</strong>).


366<br />

12 Bald ist man am V<strong>er</strong>dachtsplatz im Wald. Grasl&Web<strong>er</strong> stecken das<br />

Areal gekonnt ab, damit kein unbefugt<strong>er</strong> Schritt die Spuren v<strong>er</strong>wische<br />

(Quastorf hätte die Seinen ganz g<strong>er</strong>ne v<strong>er</strong>wischt, denn sein un<strong>er</strong>laubtes Vordringen gest<strong>er</strong>n<br />

war ein wenig unprofessionell; ab<strong>er</strong> and<strong>er</strong><strong>er</strong>seits war nur so d<strong>er</strong> Einstieg <strong>er</strong>st möglich).<br />

Kuchlbach<strong>er</strong> photographi<strong>er</strong>t mit d<strong>er</strong> guten Hasselblad, während<br />

Wiesing<strong>er</strong> mit d<strong>er</strong> Nase am Boden die vor Stunden angeford<strong>er</strong>ten<br />

Schweißhunde zu beschämen v<strong>er</strong>sucht.<br />

Bluthunde sind all<strong>er</strong>dings nicht leicht zu v<strong>er</strong>unsich<strong>er</strong>n. Nur durch<br />

edle Wurstsorten, gebrauchte Slipeinlagen, Kiel<strong>er</strong> Sprotten und natürlich<br />

durch läufige Kolleginnen. Doch d<strong>er</strong>lei fehlt gottlob hi<strong>er</strong>orts. Sie hetzen<br />

hechelnd die lange Blutfährte hinab bis zum Bach und stutzen dann<br />

korporativ. Wiesing<strong>er</strong> will sie weit<strong>er</strong> motivi<strong>er</strong>en und jagt sie üb<strong>er</strong> den Bach,<br />

in dem die Schleifrinne noch gut zu <strong>er</strong>kennen ist.<br />

Jenseits dessen gehen die sensiblen Ti<strong>er</strong>e die hund<strong>er</strong>t Met<strong>er</strong> hoch wie<br />

gest<strong>er</strong>n Quastorf (was haben die, was d<strong>er</strong> Pensionist nicht hat? Ja ein Fell natürlich<br />

und ein triefendes Maul, bei dessen intensiven G<strong>er</strong>uch man sich nur wund<strong>er</strong>n kann, wie<br />

die üb<strong>er</strong>haupt noch zart<strong>er</strong>e G<strong>er</strong>üche wahrnehmen können).<br />

Wiesing<strong>er</strong> stürzt sich auf die v<strong>er</strong>schmutzte Kutte im Dachsbau, als ob<br />

<strong>er</strong> die Welt neu <strong>er</strong>funden hätte: „Ha! Do ist d<strong>er</strong> Corpus delicius! Jetzta<br />

haumma’s. Wem des do g’heart, dea is da Märda!“.<br />

„Möglich<strong>er</strong>weise“ entgegnet Kuchlbach<strong>er</strong>, d<strong>er</strong> nur mühsam seine teure<br />

Hasselblad vor einem Bad im kalten Bach bewahren konnte, da <strong>er</strong> kurz<br />

strauchelte im Matsch.<br />

Quastorf denkt bei sich „Gemach, gemach!“. Denn es dürfte allen<br />

entgangen sein, daß <strong>er</strong>st ein Leichenfund die Sache abrundet.<br />

Doch dann kann <strong>er</strong> sein Maul nicht mehr halten und sagt<br />

Schw<strong>er</strong>wiegendes:<br />

„Die Schleifspur im Bach ist kantig; das passt nicht – wenn sie auch schon<br />

ein wenig v<strong>er</strong>waschen wurde seit gest<strong>er</strong>n – wir sollten jenseits eh<strong>er</strong> nicht<br />

nach dem V<strong>er</strong>storbenen suchen!“.<br />

Mit dies<strong>er</strong> Aussage trifft <strong>er</strong> einen faktisch wie philosophisch sehr<br />

wunden Punkt, denn d<strong>er</strong> Mensch neigt zur Suche nach dem Tod im<br />

Jenseitigen, wo doch die Ursache und auch die Folge des St<strong>er</strong>bens


367<br />

ausschließlich im Hi<strong>er</strong> und Jetzt den Anlaß und die Auswirkung haben.<br />

Leichen finden sich nicht jenseits, denn sie dienen uns in Welt zur Einkehr,<br />

so wir des Sehens kundig wurden; sie v<strong>er</strong>rotten auch ausschließlich<br />

diesseitig, kaum w<strong>er</strong> wurde dabei beobachtet, daß <strong>er</strong> auch körp<strong>er</strong>lich<br />

transzendi<strong>er</strong>te. Ein<strong>er</strong> angeblich vor lang<strong>er</strong> Zeit; ab<strong>er</strong> da ist das Quellen-<br />

Mat<strong>er</strong>ial etwas unv<strong>er</strong>lässlich.<br />

D<strong>er</strong> feinsinnige Hundeführ<strong>er</strong> Istvan Kossuth ist leicht <strong>er</strong>bost: „Dos<br />

ist nicht säähr gut füür Tie<strong>er</strong>ä, wenn wäärden in Irre gefiiehrt; Nose ihriges<br />

säähr sensibel – ishtenem! Wenn Kommissare sich einigen, wääre sehrr<br />

bess<strong>er</strong>!“. Quastorf liebt den magyarischen Zungenschlag.<br />

B<strong>er</strong>uhigend für ihre <strong>er</strong>müdeten Nasen spendet <strong>er</strong> ihnen neutralschmeckende<br />

Haf<strong>er</strong>-Pellets – eigens für diesen Zweck von ihm <strong>er</strong>funden<br />

und selbst zub<strong>er</strong>eitet mit Eiklar als Bindemittel. Nach ein<strong>er</strong> kurzen Pause<br />

w<strong>er</strong>den die ‚Tie<strong>er</strong>ä’ unruhig, kläffen und beginnen wie wild im Diesseits zu<br />

buddeln. Bald reiben sie sich an den schw<strong>er</strong>en Steinen die edlen Nasen<br />

wund und w<strong>er</strong>den vom Istvan an den langen Führungsleinen<br />

zurückg<strong>er</strong>issen. Weg mit den Kommissaren Reges in ihre <strong>er</strong>gonomischen<br />

Nirosta-Käfige im Koff<strong>er</strong>raum seines Kombi.<br />

Grasl&Web<strong>er</strong> beginnen, die Steine zu entf<strong>er</strong>nen und mit dem<br />

Klappspaten aus heimisch<strong>er</strong> Produktion (die Fabrik liegt gleich in d<strong>er</strong> Nähe) zu<br />

graben. Sehr bald stößt Grasls Spaten an eine kaltgewordene Nase und<br />

Web<strong>er</strong> hat schmutzige Schuhe unt<strong>er</strong> d<strong>er</strong> Schneide sein<strong>er</strong> Haue. Sorgsam<br />

hebt man den Schatz, d<strong>er</strong> zu Lebzeiten niemandes Schatz sein durfte,<br />

wiewohl d<strong>er</strong> Gemeuchelte das stets angestrebt hatte; doch Frauen sind<br />

bekanntlich wähl<strong>er</strong>isch auch wenn d<strong>er</strong> Zebedäus mächtig scheint.<br />

Es dau<strong>er</strong>t nicht lange und d<strong>er</strong> V<strong>er</strong>borgene liegt gänzlich frei. Frei, wie<br />

ein Donn<strong>er</strong>baum zu Lebzeiten nie sein durfte. Die Hunde wenden ihre<br />

<strong>er</strong>müdeten Nasen von Ekel gebeutelt d<strong>er</strong> Kraftnahrung Kossuths zu.<br />

D<strong>er</strong> nunmehr angeford<strong>er</strong>te Doktor Anisin muß seinem Ruf g<strong>er</strong>echt<br />

w<strong>er</strong>den und lyrisch dem Tod huldigen. Spontan reimt <strong>er</strong>:<br />

„Wie schön des Waldes Grabesruh’ doch schmücket<br />

den Leib, d<strong>er</strong> halbwegs <strong>er</strong>st v<strong>er</strong>west!<br />

Allein des Pathologen H<strong>er</strong>z bedrücket,<br />

daß langsam schon sein Fett v<strong>er</strong>käst!“


368<br />

Die Mannschaft <strong>er</strong>starrt ehrfürchtig und etwas betreten ob dies<strong>er</strong><br />

Präsentation des dunklen Poems und hätte das eh<strong>er</strong> nicht gebraucht; nur<br />

Quastorf genießt die schräge Psychodynamik boshaft.<br />

Erding<strong>er</strong> wurde schon vor ein<strong>er</strong> halben Stunde b<strong>er</strong>ufen; doch d<strong>er</strong><br />

kommt nicht. Seinen Gehilfen wird man auch nur frustran anford<strong>er</strong>n<br />

können, denn d<strong>er</strong> ist sichtlich das Opf<strong>er</strong>! Kuchlbach<strong>er</strong> telefoni<strong>er</strong>t h<strong>er</strong>um. Er<br />

kontakti<strong>er</strong>t den Staatsanwalt Sauschlag<strong>er</strong> und den Bezirkshauptmann<br />

Wening<strong>er</strong>.<br />

Erst<strong>er</strong><strong>er</strong> empfiehlt die Obduktion und weit<strong>er</strong>e Ermittlungen (no na)<br />

und Zweit<strong>er</strong><strong>er</strong> die eh<strong>er</strong> sensible Vorgangsweise, damit man die Presse nicht<br />

unnötig v<strong>er</strong>schrecke!<br />

Dann <strong>er</strong>scheint d<strong>er</strong> Erding<strong>er</strong> doch noch mit seinem ‚Silb<strong>er</strong>taxi (gaunz<br />

aus Glos; mit an Aufbau wiar a Grott’nbohn’) – das hat d<strong>er</strong> uns allen<br />

unv<strong>er</strong>gessene HC so schön üb<strong>er</strong>schrieben (nicht d<strong>er</strong> seltsame Irrling Strache,<br />

sond<strong>er</strong>n d<strong>er</strong> im Musenhimmel wohnende Artmannius rex, d<strong>er</strong> kundige Aufdeck<strong>er</strong><br />

jedwed<strong>er</strong> Schamlosigkeit des dust<strong>er</strong>-lüst<strong>er</strong>nen Waldvi<strong>er</strong>tels; und d<strong>er</strong> restlichen Welt seit<br />

Anbeginn d<strong>er</strong> Hominiden bis hin zum ‚A<strong>er</strong>onautischen Sindbart’!).<br />

Ein Stretch-M<strong>er</strong>cedes in Kombi-Ausführung mit barocken Kreuzen<br />

zu beiden Seiten und an d<strong>er</strong> ebenfalls v<strong>er</strong>dunkelten Scheibe d<strong>er</strong> Heck-<br />

Klappe. Wenn <strong>er</strong> dieses Fahrzeug d<strong>er</strong>einst ausmust<strong>er</strong>n sollte, hätte Quastof<br />

freudigen Bedarf anzumelden, denn man könnte das edle Gefährt unschw<strong>er</strong><br />

zu einem gemütlichen Campingbus umbauen.<br />

Mit schmal<strong>er</strong> Nase geht Erding<strong>er</strong> an den Kadav<strong>er</strong> h<strong>er</strong>an (das wund<strong>er</strong>t<br />

selbst die ansich oftmals unsensiblen Polizisten, da das doch dessen Brot und ständig<strong>er</strong><br />

Alltag ist). Mit zittrigen Händen und ebensolchen Augen flutscht <strong>er</strong> – d<strong>er</strong><br />

Troß hilft dabei, da Donn<strong>er</strong>baum sich selbst und somit auch Erding<strong>er</strong> nicht<br />

mehr helfen kann – seinen ehedemen Knecht in den lieblosen Blechsarg,<br />

d<strong>er</strong> schon sehr viele Lebensenden beh<strong>er</strong>b<strong>er</strong>gt hat.<br />

Daß <strong>er</strong> ihm dabei v<strong>er</strong>rutscht und mit sein<strong>er</strong> kalten schlacksigen Hand<br />

an sein Hosentor greift, wird wohl keine Metaph<strong>er</strong> sein ab<strong>er</strong> ein grausiges<br />

Menetekel, daß all<strong>er</strong>dings kaum ein<strong>er</strong> d<strong>er</strong> Anwesenden wahrgenommen hat.<br />

Quastorf lau<strong>er</strong>t schon wie d<strong>er</strong> un<strong>er</strong>regte Zen-Meist<strong>er</strong> auf das<br />

Vorbeischwimmen des im eigenen Saft aufgestauten Brätlings an den<br />

Küsten seines abgeklärten Gleichmutes.


369<br />

Erding<strong>er</strong> z<strong>er</strong>bricht im Angesicht Quastorfs und sein<strong>er</strong> selbst und<br />

kann keine weit<strong>er</strong>en Handlungen mehr ausführen. Er muß jetzt sofort<br />

beichten, muß sich entäuß<strong>er</strong>n, muß Luft bekommen im All, muß sich und<br />

damit die Welt v<strong>er</strong>nichten, die <strong>er</strong> bloß zu träumen wähnt! Und wenn <strong>er</strong><br />

aufwachen wird – hineingehen in die wahre Welt d<strong>er</strong> Wachheit – w<strong>er</strong>den all<br />

die läch<strong>er</strong>lichen Protagonisten nicht mehr vorhanden sein! Das wünscht <strong>er</strong><br />

innigst. Und so tut <strong>er</strong>, was ihm <strong>er</strong>ford<strong>er</strong>lich <strong>er</strong>scheint. Und niemand wird<br />

ihn daran hind<strong>er</strong>n!<br />

Lange hat <strong>er</strong> die Hartgelatine-Mine an seinem H<strong>er</strong>zen getragen, die <strong>er</strong><br />

bei d<strong>er</strong> bioTron sein<strong>er</strong>zeit gestohlen hatte anlässlich ein<strong>er</strong> Lief<strong>er</strong>ung<br />

selbstentworfen<strong>er</strong> Büromöbel (ganz weich ist sie dabei durch die Körp<strong>er</strong>wärme<br />

geworden). Ab<strong>er</strong> jetzt gilt d<strong>er</strong>en Einsatz! Er wift das h<strong>er</strong>zige quallige Ding vor<br />

seine Füße, tritt mutig darauf, läßt es bis auf Kopfhöhe aufhupfen wie ein<br />

munt<strong>er</strong>es Glas-Fröschlein, wift ihm einen ehrlichen Kußmund zu und<br />

schaut ihm lächelnd beim Krepi<strong>er</strong>en zu.<br />

Gut, daß die meisten Anwesenden weit weg von ihm waren; und so<br />

sie nahe gewesen sind, sich – die Schrecklichkeit ahnend – entf<strong>er</strong>nt hatten.<br />

Nur Quastorf stand mit dem Rücken zu ihm und war zusehr damit<br />

beschäftigt, mittels Erding<strong>er</strong>s Spaten (d<strong>er</strong> wahrscheinlichen Mordwaffe) weit<strong>er</strong>e<br />

Spuren freizulegen.<br />

Doch aus dem Augenwinkel nimmt <strong>er</strong> das silbrig-glänzende Ding<br />

wahr und schlägt reflektorisch mit d<strong>er</strong> Schaufel darauf ein, daß jed<strong>er</strong><br />

kundige Baseball-Fan ein Hom<strong>er</strong>un befürchten würde. Ab<strong>er</strong> es gelingt nur<br />

ein tangential<strong>er</strong> Streif-Schlag, sodaß sie nur leicht aus d<strong>er</strong> Richtung kommt.<br />

Die böse Mine macht leise plop und v<strong>er</strong>sprüht ihren Inhalt in Erding<strong>er</strong>s<br />

Antlitz, das nun einen beseligten Ausdruck bekommt. Und durch den<br />

Schlag bekommt auch Quastorf ein Gutteil ab, was d<strong>er</strong> Geschichte eine<br />

unangenehme Wendung zu besch<strong>er</strong>en scheint.<br />

„I hob’ des ollas net woi’n. Oba daunn is’s hoit passiat. Dea Oasch hot mei<br />

Tochta pudat; i bin froh, daß’a hi is. Und den Raidinga hot’s a g’heart! Dea<br />

Hund hot de do olle vagift mit seine deppatn Ideen! Kennt’s Es de Wirkung<br />

von d<strong>er</strong>a Minan? I wea mei Zeit zun Steab’n brauchn. Hot’s an von Eich<br />

dawischt? Hoffentlich net; weu i wü do kan von Eich mitnehma; i bin jo ka<br />

Mäada!“.<br />

Kuchlbach<strong>er</strong> ist entsetzt und handelt sogleich sehr kompetent!


370<br />

„Sie Wahnsinnig<strong>er</strong> haben g<strong>er</strong>ade uns<strong>er</strong>en lieben Quastorf <strong>er</strong>mordet!<br />

Hanfthal<strong>er</strong>; den NAH Christophorus II anford<strong>er</strong>n und beide sofort auf die<br />

Entgiftung ins AKH! Ab<strong>er</strong> auf plötzlich!“. Kuchlbach<strong>er</strong> sind die<br />

v<strong>er</strong>he<strong>er</strong>enden Spätfolgen d<strong>er</strong> menschenv<strong>er</strong>achtenden Minen seit einem Jahr<br />

bekannt. Rizin – nicht auszudenken – sein Quastorf!!!<br />

Nur Quastorf bleibt cool und leckt sich die v<strong>er</strong>letzten Lippen.<br />

„Den Geschmack meines Blutes kenne ich zur Genüge und auch den von<br />

Cointreau. Und Rizin schmeckt einfach nicht nach Cointreau, sond<strong>er</strong>n eh<strong>er</strong><br />

wie Tinctura amara od<strong>er</strong> ölige Galle. Ich denke da an den sein<strong>er</strong>zeitigen<br />

geschmacklosen Sch<strong>er</strong>z vom Dr. Wolfowitz, dem glücklosen Chef d<strong>er</strong><br />

bioTron, d<strong>er</strong> mir damals auf meine Vorhaltungen bezüglich<br />

‚menschenv<strong>er</strong>achtenden Kriegsmat<strong>er</strong>ials’ schmallippig lächelnd entgegnet hat: ‚Sie<br />

w<strong>er</strong>den mir nichts anhangen konnen diesbezuglich; w<strong>er</strong> kann schon st<strong>er</strong>ben von de suße<br />

Cointreau?’ und hat damit seine V<strong>er</strong>suchs-Minen gemeint, die <strong>er</strong> eigenhändig<br />

getestet hatte. H<strong>er</strong>r Kuchlbach<strong>er</strong>, v<strong>er</strong>schwenden Sie bitte keine Steu<strong>er</strong>geld<strong>er</strong><br />

mit d<strong>er</strong> gelben Libelle. Wir w<strong>er</strong>den die ganze Geschichte in all<strong>er</strong> Ruhe aus<br />

dem ehrenw<strong>er</strong>ten Be<strong>er</strong>dig<strong>er</strong> exhumi<strong>er</strong>en!“.<br />

D<strong>er</strong> Troß zieht gemeinsam nach Zwettl und nun beginnt die von<br />

allen ungeliebte Zeit d<strong>er</strong> mühsamen Aufarbeitung. Die V<strong>er</strong>höre müssen<br />

protokolli<strong>er</strong>t, das Mat<strong>er</strong>ial nach Beschriftung v<strong>er</strong>sorgt und das Equipment<br />

g<strong>er</strong>einigt, geordnet und v<strong>er</strong>staut w<strong>er</strong>den.<br />

Erding<strong>er</strong> schmiegt sich wein<strong>er</strong>lich an Quastorfs Schult<strong>er</strong> und v<strong>er</strong>mißt<br />

sein <strong>er</strong>hofftes St<strong>er</strong>ben. Coitreau statt Rizin; das ist Hohn und Entwürdigung<br />

zugleich! Quastorf hätte lieb<strong>er</strong> Clara an d<strong>er</strong> Schult<strong>er</strong>; und Mijou würde <strong>er</strong><br />

auch nicht von d<strong>er</strong> and<strong>er</strong>en stoßen. Doch <strong>er</strong> muß jetzt den klebrigen<br />

Wasenmeist<strong>er</strong> und Abdeck<strong>er</strong> dulden, da d<strong>er</strong> auf diese Weise weichgeklopft<br />

bleibt wie ein abgelegenes Wien<strong>er</strong>schnitzel, offen für die Konsumation. Daß<br />

Grasl einen Leichenwagen fahren muß, ist eine Frechheit und die v<strong>er</strong>gisst <strong>er</strong><br />

dem Kuchlbach<strong>er</strong> nie!


371<br />

glaubhaft<br />

1 Am Revi<strong>er</strong> bricht Erding<strong>er</strong> endgültig auseinand<strong>er</strong> wie eine<br />

Kokosnuß nach zwanzig Met<strong>er</strong>n Fall von ihr<strong>er</strong> Palme. Nie hätte <strong>er</strong> von sich<br />

v<strong>er</strong>mutet, daß <strong>er</strong> so tief sinken könnte. Eingeheiratet hat <strong>er</strong> in die<br />

flori<strong>er</strong>ende Tischl<strong>er</strong>w<strong>er</strong>kstätte seines Schwieg<strong>er</strong>vat<strong>er</strong>s, d<strong>er</strong> auch schon<br />

Totengräb<strong>er</strong> war. In zwanzig langen Jahren hat <strong>er</strong> ein Imp<strong>er</strong>ium daraus<br />

<strong>er</strong>schaffen: Neben d<strong>er</strong> K<strong>er</strong>ntätigkeit auch noch eine Tankstelle und einen<br />

Zulief<strong>er</strong>betrieb für Glasschmuck. In Erhaltung d<strong>er</strong> alten Waldvi<strong>er</strong>tl<strong>er</strong><br />

Tradition d<strong>er</strong> Glasv<strong>er</strong>arbeitung, die schon vor lang<strong>er</strong> Zeit größtenteils nach<br />

Gablonz abgewand<strong>er</strong>t war.<br />

Die Konkurrenz durch Swarovski brauchte <strong>er</strong> nicht zu fürchten, denn<br />

<strong>er</strong> war preislich wesentlich günstig<strong>er</strong> bei praktisch fast d<strong>er</strong> gleichen Qualität.<br />

Und dann d<strong>er</strong> Schock, daß sich seine Tocht<strong>er</strong> so schamlos demütigen hat<br />

lassen. Und es hat ihm nichts genützt, daß <strong>er</strong> den ideologischen V<strong>er</strong>ursach<strong>er</strong><br />

entf<strong>er</strong>nt hat; und es hat nichts gebracht, daß <strong>er</strong> ihren V<strong>er</strong>gewaltig<strong>er</strong><br />

<strong>er</strong>schlagen hat, denn sie ist mit all seinem Ersparten an d<strong>er</strong> Seite eines<br />

Parvenus v<strong>er</strong>schollen gegangen.<br />

Seine P<strong>er</strong>spektiven sind – nach langwi<strong>er</strong>ig<strong>er</strong> Prozeßführung –<br />

zwanzig bis fünfundzwanzig Jahre Haft. Und das steht ein knapp<br />

Fünfzigjährig<strong>er</strong> nicht lebend durch. Das entspricht praktisch Frack und ein<br />

Tag, wie die Todesstrafe unt<strong>er</strong> Häfenbrüd<strong>er</strong>n heißt. Warum mußte <strong>er</strong> genau<br />

die Blindmine stehlen? Er ist und bleibt ein Unglücksrabe!<br />

2 Quastorf hingegen ist wahrlich kein Unglücksrabe, denn <strong>er</strong> kann<br />

sich von d<strong>er</strong> V<strong>er</strong>waltungsarbeit drücken, die die aktiven Kollegen<br />

bewältigen w<strong>er</strong>den müssen. Und auf ihn wartet nur noch die strenge Clara<br />

auf seinem Hof, zu dem <strong>er</strong> jetzt hinstrebt.<br />

Im H<strong>er</strong>annahen v<strong>er</strong>nimmt <strong>er</strong> schon von F<strong>er</strong>ne glockenhelles<br />

Gelächt<strong>er</strong> seines Clärchens, wie <strong>er</strong> es schon lange v<strong>er</strong>missen mußte. Die<br />

vorhanglosen Fenst<strong>er</strong> bieten ein Schattentheat<strong>er</strong>, daß Kabuki davor <strong>er</strong>blaßt.<br />

Professor Frib<strong>er</strong>g<strong>er</strong>, Fiorella und seine geliebte Clara sind im Drei<strong>er</strong><br />

v<strong>er</strong>woben; und sichtlich sind alle <strong>er</strong>freut von den schrägen Gegebenheiten!<br />

Soll <strong>er</strong> denen ins Leben platzen?


372<br />

Quastorf ist sich unsich<strong>er</strong>, was seine Vorgangsweise betrifft.<br />

Wied<strong>er</strong>holt streicht <strong>er</strong> um sein eigenes Haus und traut sich nicht sogleich<br />

hinein. Doch dann faßt <strong>er</strong> sich ein H<strong>er</strong>z und dringt in dieses ein.<br />

Mit lautem „Hallo“ wird <strong>er</strong> von den schamlos entkleideten<br />

Anwesenden zum Mitmachen <strong>er</strong>mutigt. D<strong>er</strong> Gustl hat in vorausschauend<strong>er</strong><br />

Weise einige dicke Tüten mitgebracht (die unbedeckten dicken Titten d<strong>er</strong> Fiorella<br />

sind bloß <strong>er</strong>otisch-hochkalorisches Zubrot).<br />

Quastorf fügt sich in das Wollen sein<strong>er</strong> uneingeladenen Gäste und<br />

macht das Beste daraus; und das tut allen gut. Auch ihm; das hätte <strong>er</strong> sich in<br />

sein<strong>er</strong> allseits an<strong>er</strong>kannten Anständigkeit nie träumen lassen!<br />

3 Zu allem Üb<strong>er</strong>fluß kommt Mijou zu Besuch (das war mit Quastorf<br />

ausgemacht vor Tagen, denn <strong>er</strong> wähnte sich alleine; doch <strong>er</strong> hatte es v<strong>er</strong>gessen in all dem<br />

Trubel). Sie ist entsetzt und v<strong>er</strong>prellt von des Edelmannes offenkundig<strong>er</strong><br />

Unkeuschheit!<br />

Wortreich und glaubhaft kann <strong>er</strong> sie sein<strong>er</strong> unv<strong>er</strong>brüchlichen Liebe<br />

und vor allem sein<strong>er</strong> haltbaren Freundschaft v<strong>er</strong>sich<strong>er</strong>n, was Clara<br />

hyst<strong>er</strong>isch lachen macht, da sie es ungewollt mitanhören mußte. D<strong>er</strong> Gustl<br />

hat nicht einmal sein Geschirr weggepackt und kommt mit gebratenen<br />

Ei<strong>er</strong>n auf den Tell<strong>er</strong>n (und lustbedingt geschwollenen darunt<strong>er</strong>) an den<br />

gemeinsamen Tisch.<br />

„Wir sind doch alle <strong>er</strong>wachsene Menschen; laßt uns das fei<strong>er</strong>n! Ich habe da<br />

einen Tee von d<strong>er</strong> Heike b<strong>er</strong>eitet; d<strong>er</strong> sollte uns allen schmecken und uns<br />

ein wenig Turbo v<strong>er</strong>leihen! Den Wurm brauchen wir bekanntlich nicht<br />

mehr zu fürchten, denn w<strong>er</strong> von denen wird sich noch je wied<strong>er</strong> ins<br />

Waldvi<strong>er</strong>tel trauen nach allem, was war?!“.<br />

Mijou lacht hilflos auf und nimmt dann ebenfalls – ganz entgegen<br />

ihr<strong>er</strong> sonstige Üb<strong>er</strong>zeugung – von d<strong>er</strong> schrägen Kräut<strong>er</strong>mischung, d<strong>er</strong>en<br />

Zusammensetzung nicht einmal d<strong>er</strong> Habison analysi<strong>er</strong>en könnte; zu<br />

komplex sind d<strong>er</strong>lei biologisch-dynamische Inhaltsstoffe.<br />

Weit<strong>er</strong>e Details <strong>er</strong>übrigen sich, denn die Dinge nehmen ihren<br />

unaufhaltsamen Lauf und diese Nacht wird wied<strong>er</strong> lang und voll<br />

wildwüchsig<strong>er</strong> Phantasien sein, die einige danach für real halten w<strong>er</strong>den.


373<br />

Eine Gegebenheit, die den Morgen danach nicht unbedingt einfach<strong>er</strong><br />

gestaltet (ein Morgen, d<strong>er</strong> eigentlich ein Nachmittag ist – und es ist nicht d<strong>er</strong><br />

darauffolgende, sond<strong>er</strong>n d<strong>er</strong> üb<strong>er</strong>nächste – doch davon wissen die Wenigsten; nur an den<br />

Datumsanzeigen d<strong>er</strong> Handys und Uhren kann man den fehlenden Tag <strong>er</strong>ahnen).<br />

Langsam kommen alle zu sich und kriechen aus den<br />

ungewöhnlichsten Nischen an das schm<strong>er</strong>zende Tageslicht und ordnen ihre<br />

d<strong>er</strong>angi<strong>er</strong>ten Gewänd<strong>er</strong> und Seelenzustände. Die Schm<strong>er</strong>zen w<strong>er</strong>den mit<br />

Absinth bekämpft.<br />

Was sich im Delirium d<strong>er</strong> schrägen Substanz-Mischungen abgespielt<br />

haben muß, ist für die Beteiligten nicht ganz nachvollziehbar. Nachweisbar<br />

ist nur, daß Clara ihre Treue gegenüb<strong>er</strong> ihrem Joseph an d<strong>er</strong> Seite des<br />

langjährig ausgehung<strong>er</strong>ten Frib<strong>er</strong>g<strong>er</strong>s v<strong>er</strong>nachlässigt hat. Doch da weiß sie<br />

sich in Korporativ-Schuld gemeinsam mit Frau Kunnling<strong>er</strong>, die ihre<br />

v<strong>er</strong>nachlässigten Lustvorstellungen auf d<strong>er</strong> and<strong>er</strong>en Seite Gustls<br />

wettmachen durfte; das schweißt zusammen (od<strong>er</strong> führt zu neuen Rivalitäten<br />

bezüglich eines gemeinsamen Lustobjektes).<br />

Quastorf kann in d<strong>er</strong> trockenen Badewanne kaum atmen, da ihm<br />

Fiorellas schw<strong>er</strong>e Brüste <strong>er</strong>stickend auf Nase und Mund lasten, daß <strong>er</strong> die<br />

bitt<strong>er</strong>en Abbaustoffe des Hyoscyamins und die ödmundigen des Psylocibins<br />

aus ihrem Schweiß trinken muß. Und ihre feucht-warmen Schenkel<br />

bedrängen sein ungewohnt üb<strong>er</strong>ford<strong>er</strong>tes Gemächt. Mühsam quält <strong>er</strong> sich<br />

aus d<strong>er</strong> atonischen Umarmung d<strong>er</strong> scheintoten prallen Südländ<strong>er</strong>in, die das<br />

Vestalinnentum ein wenig falsch v<strong>er</strong>standen hat. Den Umb<strong>er</strong>to und den<br />

Luigi muß man nicht fürchten, denn die sind auf Fortbildung bei d<strong>er</strong><br />

Ehrenw<strong>er</strong>ten Familie im romantischen San Luca in Calabrien und ihre Pizz<strong>er</strong>ia<br />

ist geschlossen.<br />

Alle sind sehr froh, daß sie die harte Orgie üb<strong>er</strong>lebt haben und<br />

Quastorf b<strong>er</strong>eitet unt<strong>er</strong> Schm<strong>er</strong>zen mit Hilfe Mijous ein üppiges Brunch.<br />

Clärchen kuschelt sich einstweilen noch nachttrunken an den trotz<br />

haluzinogen<strong>er</strong> Eichung vollkommen z<strong>er</strong>störten Gustav und Fiorella grunzt<br />

sabb<strong>er</strong>nd wie eine angeschossene Bache in d<strong>er</strong> kalten Wanne.<br />

Spät<strong>er</strong> – nachdem Fiorella mittels Kaltdusche zu neuem Leben<br />

<strong>er</strong>weckt wurde – h<strong>er</strong>rscht dann Gedränge im Bad, da alle noch vor dem<br />

Essen menschen-ähnlich wirken wollen. Die Manöv<strong>er</strong>-Kritik fällt<br />

einig<strong>er</strong>maßen p<strong>er</strong>missiv aus, da alle den jeweils And<strong>er</strong>en v<strong>er</strong>zeihen müssen,


374<br />

was sie in d<strong>er</strong> eigenen <strong>er</strong>folgten Entgleisung wied<strong>er</strong><strong>er</strong>kennen. Und so<br />

v<strong>er</strong>abschiedet man sich v<strong>er</strong>schämt lächelnd voneinand<strong>er</strong>.<br />

Solche Aktionen sollten aus gesundheitlichen Rücksichten bess<strong>er</strong><br />

singulär bleiben. Gut, man tut es, ab<strong>er</strong> Wied<strong>er</strong>holung wäre nicht gefragt;<br />

w<strong>er</strong> weiß, wie oft man d<strong>er</strong>lei üb<strong>er</strong>lebt! Und sich<strong>er</strong> nehmen auch die<br />

Synapsen gewissen Schaden bei solchen wilden Ausschweifungen!<br />

Das Haus wird ein<strong>er</strong> Renovi<strong>er</strong>ung bedürfen und dazu kann man sich<br />

leid<strong>er</strong> kein<strong>er</strong> Fremdhilfe bedienen, denn zu v<strong>er</strong>fänglich sind die deutlich<br />

m<strong>er</strong>kbaren Kampfspuren d<strong>er</strong> Ausuf<strong>er</strong>ungen. Etwas beschämt<br />

v<strong>er</strong>abschieden sich die Orgiasten <strong>er</strong>neut vom Gastgeb<strong>er</strong>, da ihnen die <strong>er</strong>ste<br />

V<strong>er</strong>abschiedung nur teilweise in Erinn<strong>er</strong>ung v<strong>er</strong>blieben ist. Ein V<strong>er</strong>gleich<br />

mit Fellinis ‚Satyricon’ bietet sich ungezwungen an.<br />

4 Quastorf bedürfte nun eigentlich d<strong>er</strong> Ruhe nach all dem Streß (und<br />

das in Zeiten sein<strong>er</strong> Rekonvaleszenz! Und so gewarnt hat ihn d<strong>er</strong> Doktor Hebenstreit vor<br />

chemischen Exzessen und es war gänzlich für den Hugo!). Nun läutet sein Festnetz<br />

un<strong>er</strong>bittlich und wiewohl <strong>er</strong> es ignori<strong>er</strong>en will, zwingt ihn doch das<br />

altgewohnte Pflichtbewußtsein, abzuheben.<br />

„Ja, hi<strong>er</strong> Kuchlbach<strong>er</strong>! H<strong>er</strong>r Quastorf, wir haben hi<strong>er</strong> ein Problem, das<br />

wahrscheinlich nur Sie lösen können! D<strong>er</strong> Erding<strong>er</strong> redet wie ein Wass<strong>er</strong>fall;<br />

und einige Aussagen wirken sehr v<strong>er</strong>worren. Er munkelt was von<br />

G<strong>er</strong>üchten üb<strong>er</strong> tausende Leichen aus d<strong>er</strong> NS-Zeit im hiesigen Gebiet. Sie<br />

haben doch vor Zeiten mir gegenüb<strong>er</strong> so eine kryptische Bem<strong>er</strong>kung fallen<br />

lassen bezüglich Aufarbeitung d<strong>er</strong> V<strong>er</strong>gangenheit, die Sie im Sinne hätten! Was<br />

ist da dahint<strong>er</strong>? Klären Sie mich bitte auf!“.<br />

„Das ist eine lange Geschichte, auf die ich nur durch Zufall gestoßen bin im<br />

Rahmen meines Kuraufenthaltes. Erinn<strong>er</strong>n Sie sich an den Auffindungsort<br />

d<strong>er</strong> Leiche vom Raiding<strong>er</strong> in d<strong>er</strong> Ruine Lilienfels? Und an den dahint<strong>er</strong><br />

liegenden Erdgang, dessen Erforschung Sie nicht betreiben wollten? Ich bin<br />

d<strong>er</strong> Sache nachgegangen, da ich von Natur aus neugi<strong>er</strong>ig bin und Sie w<strong>er</strong>den<br />

nicht für möglich halten, was ich gefunden habe!“.<br />

Kuchlbach<strong>er</strong>s Nackenhaare stellen sich langsam auf: „Sie w<strong>er</strong>den <strong>er</strong><br />

mir sich<strong>er</strong> gleich unt<strong>er</strong> die Nase reiben, wie ich Sie kenne – Sie alt<strong>er</strong><br />

Schlawien<strong>er</strong>!“. D<strong>er</strong> Begriff Schlawien<strong>er</strong> hat seine etymologische H<strong>er</strong>kunft zwar nicht<br />

von ‚v<strong>er</strong>schlagenen Wien<strong>er</strong>n’, ab<strong>er</strong> man kann diese Abart d<strong>er</strong> charmanten Schlitzohren


375<br />

üb<strong>er</strong>proportional oft im Raum Wien antreffen (ab<strong>er</strong> durchaus auch in angrenzenden<br />

balkanischen, nahöstlichen und maghrebinischen Landen).<br />

„Wir können g<strong>er</strong>ne gemeinsam einen Ausflug machen, wenn Sie sich das<br />

antun wollen, ab<strong>er</strong> das hat wenig mit kriminaltechnischen Ermittlungen zu<br />

tun; denn das ist eh<strong>er</strong> Geschichte bzw. Archäologie. Od<strong>er</strong> möglich<strong>er</strong>weise<br />

doch, denn Völk<strong>er</strong>mord und Kriegsv<strong>er</strong>brechen v<strong>er</strong>jähren bekanntlich<br />

niemals! Sollten wir das auf uns nehmen? Wir w<strong>er</strong>den uns all<strong>er</strong>dings damit<br />

keine Freunde schaffen, denn sowohl die einheimische Bevölk<strong>er</strong>ung, als<br />

auch die lokalen und üb<strong>er</strong>regionalen Politik<strong>er</strong> schätzen das Aufwühlen<br />

v<strong>er</strong>gangen<strong>er</strong> V<strong>er</strong>brechen wenig, da sie – od<strong>er</strong> bess<strong>er</strong> gesagt ihre Vorfahren –<br />

oftmals darin ihre schmutzigen Fing<strong>er</strong> hatten! Wir w<strong>er</strong>den Kraft brauchen.<br />

Trauen Sie sich das zu?“.<br />

„Warum nicht? Ich schätze, wie Sie sich<strong>er</strong> langsam gem<strong>er</strong>kt haben w<strong>er</strong>den,<br />

Ihre offenkundige Kompetenz! Was sollte uns denn davon schließlich<br />

abhalten?“.<br />

„Na Ihre Ambitionen, Landespolizei-Direktor zu w<strong>er</strong>den! Denn mit dies<strong>er</strong><br />

Aktion w<strong>er</strong>den Sie sich garanti<strong>er</strong>t keine goldenen Orden v<strong>er</strong>dienen<br />

können!“.<br />

„Scheiß d’rauf! Ich will das alles aufdecken. Ich bin d<strong>er</strong> Karl; sagen wir<br />

einand<strong>er</strong> du, denn wir müssen ab nun eng<strong>er</strong> zusammenhalten!“.<br />

Ganz neue Töne, die man ab<strong>er</strong> g<strong>er</strong>ne v<strong>er</strong>nimmt nach Jahren des<br />

distanten Mißtrauens, d<strong>er</strong> rivalisi<strong>er</strong>enden Abgrenzung, des unnötigen<br />

Mobbings und d<strong>er</strong> amtstypischen Mißgunst.


376<br />

ekelhaft<br />

1 Am darauffolgenden Tag treffen sich die neuen Freunde bei einem<br />

Kaffee im Snacky-Imbiß des Kurzentrums Lilienkron. Da wird die Strategie<br />

besprochen. Dann bricht man auf mit groß<strong>er</strong> Ausrüstung: Warme<br />

Kleidung, Stirnlampen, Klappspaten, Photoapparat, Diktaphon und<br />

Maßband im Rucksack.<br />

Die Hobby-Archäologen <strong>er</strong>reichen nach ein<strong>er</strong> halben Stunde die<br />

Ruine Lilienfels und man dringt gemeinsam in den V<strong>er</strong>schlag hint<strong>er</strong> dem<br />

Kabäuschen ein. Die fünfzig Met<strong>er</strong> Gang, die beiden bekannt sind und<br />

dann bietet sich anstatt des von Kuchelbach<strong>er</strong> sein<strong>er</strong>zeit wahrgenommenen<br />

Endes des Ganges in Form ein<strong>er</strong> Flinswand und anstatt des von Quastorf<br />

danach ausgehackten Durchbruches eine relativ neue Zumau<strong>er</strong>ung aus<br />

alten, mind<strong>er</strong>w<strong>er</strong>tig gebrannten gelben Ziegeln, die nur ungeschickt mit<br />

Lehm üb<strong>er</strong>schmi<strong>er</strong>t sind, um sie zu tarnen.<br />

„Nicht schon wied<strong>er</strong>; halten die uns für ganz depp<strong>er</strong>t!“ stöhnt Quastorf und<br />

schlägt seinen Vorschlaghamm<strong>er</strong> zornig in die neue Wand. Diese gibt<br />

wid<strong>er</strong>standsarm krachend nach und dann dringen die Forsch<strong>er</strong> ein in den<br />

finst<strong>er</strong>en Tunnel. Wie schon zuvor <strong>er</strong>schließen sich unzählige Nischen, die<br />

dicht mit Mumien belegt sind. Im Licht d<strong>er</strong> Stirnlampen nehmen sich d<strong>er</strong>en<br />

oft bizarre Körp<strong>er</strong>haltungen, die sich durch den Eintrocknungs-Vorgang<br />

<strong>er</strong>geben haben, grausig aus. Quastorf kennt das; Kuchelbach<strong>er</strong> ab<strong>er</strong> ist<br />

<strong>er</strong>schütt<strong>er</strong>t und angeekelt von d<strong>er</strong> Optik und dem süßharzig ölig-ranzigen<br />

G<strong>er</strong>uch, den diese noch imm<strong>er</strong> spurweise v<strong>er</strong>strömen.<br />

„Sag, wie bist Du auf das gekommen, Du altes Schlitzohr?“.<br />

„Rein zufällig, weil ich Ich Deine Aussage ‚da ist nichts dahint<strong>er</strong>’ nicht<br />

an<strong>er</strong>kennen wollte“.<br />

Die beiden Beamten (d<strong>er</strong> eine aktiv, d<strong>er</strong> and<strong>er</strong>e b<strong>er</strong>eits im Ruhestand)<br />

schreiten den grausigen Gang die zweihund<strong>er</strong>t begehbaren Met<strong>er</strong> ab, bis sie<br />

zu d<strong>er</strong> Einsturzstrecke gelangen. Doch sie wollen weit<strong>er</strong>.<br />

Unt<strong>er</strong> h<strong>er</strong>abhängenden Blöcken und den teilweise z<strong>er</strong>borstenen<br />

abstützenden Fichten-Maßw<strong>er</strong>ken quälen sie sich durch (stets gewärtig d<strong>er</strong><br />

bedrohlichen Gefahr des V<strong>er</strong>schüttet-W<strong>er</strong>dens). Nach hund<strong>er</strong>t weit<strong>er</strong>en Met<strong>er</strong>n


377<br />

Lebensbedrohung wird d<strong>er</strong> Gang wied<strong>er</strong> höh<strong>er</strong> und nunmehr doch etwas<br />

sich<strong>er</strong><strong>er</strong>. Man geht an div<strong>er</strong>sen Seitengängen vorbei, die voll<strong>er</strong> edl<strong>er</strong><br />

langgelag<strong>er</strong>t<strong>er</strong> französisch<strong>er</strong> Weine sind und gelangt nach weit<strong>er</strong>en<br />

siebenhund<strong>er</strong>t Met<strong>er</strong>n, die in gleich<strong>er</strong> Weise beidseits von Trockenfleisch<br />

gesäumt sind, zu einem muffigen Kell<strong>er</strong>aufgang, d<strong>er</strong> einen Stock höh<strong>er</strong> zu<br />

führen scheint.<br />

Entsetzlich, was sich auch dort den Eindringlingen bietet:<br />

Bleichsüchtige Wesenheiten in härenen Kutten irren durch die an ein<br />

Gefängnis <strong>er</strong>inn<strong>er</strong>nden Zellen. Manche kaum mächtig d<strong>er</strong> Sprache und<br />

sichtlich v<strong>er</strong>schreckt von d<strong>er</strong> üb<strong>er</strong>raschenden Anwesenheit un<strong>er</strong>wartet<strong>er</strong><br />

Außenmenschen.<br />

Die beiden Forsch<strong>er</strong> gehen noch einen weit<strong>er</strong>en Stock höh<strong>er</strong> üb<strong>er</strong><br />

eine abgetretene Wendeltreppe und finden sich im Refektorium d<strong>er</strong> Abtei<br />

wied<strong>er</strong>. Sehr unfreundlich w<strong>er</strong>den sie vom greisen Abt empfangen.<br />

„Woh<strong>er</strong> kommen Sie? Was b<strong>er</strong>echtigt Sie, hi<strong>er</strong> – an diesem stillen Ort –<br />

einzudringen? Sind Sie sich dessen bewußt, daß das Hausfriedensbruch<br />

darstellt?“.<br />

Kuchlbach<strong>er</strong> lock<strong>er</strong>: „Wenn Sie uns anzeigen wollen, ist das einfach,<br />

denn die Polizei ist schon da!“.<br />

D<strong>er</strong> gebrechliche Pat<strong>er</strong> Immaculatus v<strong>er</strong>fällt sichtlich: „Sie kommen<br />

von unten? Na Sie trauen sich was! Sind Sie froh, daß Sie nicht im<br />

v<strong>er</strong>schütteten Gang <strong>er</strong>schlagen wurden!“.<br />

„Was ist das für ein Spiel, das Sie hi<strong>er</strong> aufführen? Können Sie nicht die<br />

V<strong>er</strong>gangenheit offenlegen?“.<br />

Immaculatus ist in gewiss<strong>er</strong> Weise auch dankbar für die Entdeckung,<br />

denn ab nun wird die öffentliche Hand seine Aufgaben üb<strong>er</strong>nehmen<br />

müssen. Jetzt sind die Würfel endlich gefallen! Er kann ohnehin nicht mehr<br />

mit seinen achtundachzig Jahren; noch dazu, wo ihm schon 1995 d<strong>er</strong> Pat<strong>er</strong><br />

Elias von Rom abkommandi<strong>er</strong>t worden ist, da die neue Führung solche<br />

Leute, die sich mit Exorzismus auskennen, in d<strong>er</strong> Zentrale gebraucht hat.<br />

Denn d<strong>er</strong> mußte den neu<strong>er</strong>starkten V<strong>er</strong>gangenheits-Ideen des<br />

rückwärtsgewendeten Polnischen Papstes mit d<strong>er</strong> Errichtung eines<br />

Ausbildungszentrums für Teufels-Austreibungen dienlich sein. So blieb ihm


378<br />

nur mehr Frat<strong>er</strong> Eusebius und d<strong>er</strong> ist auch schon siebenundsechzig Jahre<br />

auf d<strong>er</strong> Welt.<br />

„Lieb<strong>er</strong> H<strong>er</strong>r Abt. Die Ihnen Anv<strong>er</strong>trauten w<strong>er</strong>den in geschützten<br />

W<strong>er</strong>kstätten und in entsprechenen Heimen unt<strong>er</strong>kommen, damit Sie<br />

entlastet w<strong>er</strong>den – Sie sind ja auch nicht mehr d<strong>er</strong> Jüngste – und Sie haben<br />

b<strong>er</strong>eits Caritas zur Genüge aufgewendet. Und die unzähligen Ermordeten<br />

w<strong>er</strong>den wir Ihnen sich<strong>er</strong> nicht anlasten, da die w<strong>er</strong> and<strong>er</strong><strong>er</strong> zu v<strong>er</strong>antworten<br />

hatte. Ab<strong>er</strong> es wird schwi<strong>er</strong>ig w<strong>er</strong>den, die Gegebenheiten vor d<strong>er</strong> Presse zu<br />

rechtf<strong>er</strong>tigen. Und doch muß es sein, damit sich uns<strong>er</strong> Land wied<strong>er</strong> in den<br />

Spiegel schauen kann!“.<br />

Immaculatus beginnt haltlos zu schluchzen.<br />

„Ich habe doch nur das Beste gewollt für meine Lieblinge! Warum w<strong>er</strong>de<br />

ich nun so hart bestraft dafür? Die kann man mir doch nicht so einfach<br />

wegnehmen; nach allem, was ich für sie geleistet habe!“<br />

2 Die beiden Kommissare gelangen <strong>er</strong>schöpft in d<strong>er</strong> Kesselbodengasse<br />

an und sind sich einig, daß da eine Historik<strong>er</strong>-Kommission h<strong>er</strong>an muß, um<br />

das alles aufzuarbeiten. Denn die noch lebenden nachkommenden<br />

V<strong>er</strong>wandten d<strong>er</strong> Opf<strong>er</strong> haben ein Recht darauf, daß sie von d<strong>er</strong>en Leid<br />

<strong>er</strong>fahren und daß den V<strong>er</strong>storbenen ein würdiges Begräbnis <strong>er</strong>stattet wird.<br />

Das wird freilich schwi<strong>er</strong>ig w<strong>er</strong>den, da zum Buchführen damals wenig Zeit<br />

war. Und es wird sich<strong>er</strong> teu<strong>er</strong> für den demokratischen Nachfolgestaat, ab<strong>er</strong><br />

man kann sich die V<strong>er</strong>brech<strong>er</strong>, auf d<strong>er</strong>en Schult<strong>er</strong>n man zum Erfolg<br />

gekommen ist, bekanntlich niemals aussuchen.<br />

Jetzt heißt es, B<strong>er</strong>ichte schreiben, was Quastorf nicht kratzt, da <strong>er</strong><br />

pensionsbedingt diesbezüglich aus dem Schneid<strong>er</strong> wäre. Doch dann<br />

entschließt <strong>er</strong> sich doch, seinem neu gewonnenen Freund zur Hand zu<br />

gehen und schreibt auf, was zur Wahrheitsfindung dienen wird (die<br />

Staatsanwaltschaft braucht imm<strong>er</strong> Schriftliches).<br />

3 Clara empfängt ihren Joseph sehr liebevoll, trotz allem, was<br />

vorgefallen ist vor Tagen (und auch im Rahmen seines falsch v<strong>er</strong>standenen<br />

Kuraufenthaltes), denn auch sie ist bekanntlich nicht ganz frei von Schuld


379<br />

gewesen. Es gilt ein neues Kapitel d<strong>er</strong> Beziehung aufzuschlagen und die<br />

Fehlentwicklungen würdig aufzuarbeiten.<br />

Gemeinsam mit Kuchlbach<strong>er</strong> fahren sie nach Wien und treffen sich<br />

mit dem historisch bestens hint<strong>er</strong>fütt<strong>er</strong>ten Leit<strong>er</strong> des Dokumentations-<br />

Zentrums für NS-V<strong>er</strong>brechen Prof. Hub<strong>er</strong>t Niemey<strong>er</strong>.<br />

Sehr sensibel wird eine Vorgehensweise abgesprochen, die auch die<br />

Politik<strong>er</strong> sämtlich<strong>er</strong> Couleurs ohne Gesichtsv<strong>er</strong>lust vor d<strong>er</strong> Öffentlichkeit<br />

mittragen w<strong>er</strong>den können.<br />

Viele Wochen wird es dau<strong>er</strong>n, bis die Zusammensetzung d<strong>er</strong><br />

Historik<strong>er</strong>-Kommission feststeht und <strong>er</strong>st recht Monate bis diese<br />

Ergebnisse lief<strong>er</strong>n wird können. Da darf man sich kein<strong>er</strong> Illusion hingeben,<br />

daß dabei rasche Ergebnisse zu <strong>er</strong>warten wären, denn zu umfangreich<br />

w<strong>er</strong>den sich die notwendigen Nachforschungen gestalten.<br />

Clara kann sich<strong>er</strong> viel dazu beitragen, denn sie hat sich im Rahmen<br />

ihres Studiums schon intensiv mit Ähnlichem beschäftigt und ihre<br />

sein<strong>er</strong>zeitige Diss<strong>er</strong>tation üb<strong>er</strong> ‚Koinzidenz von Kollektivschuld und Mitläuf<strong>er</strong>tum<br />

in Zeiten oktroyi<strong>er</strong>t<strong>er</strong> Demokratie-V<strong>er</strong>weig<strong>er</strong>ung als H<strong>er</strong>ausford<strong>er</strong>ung für die<br />

Menschenwürde’ könnte durchaus zur Basis d<strong>er</strong> H<strong>er</strong>kules-Arbeit w<strong>er</strong>den. Sie<br />

wird einen fixen Platz in d<strong>er</strong> Kommission bekommen; das hat ihr d<strong>er</strong><br />

Niemey<strong>er</strong> freimütig zugesich<strong>er</strong>t.<br />

Die Presse wird sich<strong>er</strong> noch zum Problem w<strong>er</strong>den, denn die braucht<br />

bekanntlich imm<strong>er</strong> Schuldige und schill<strong>er</strong>nde Protagonisten; und das<br />

natürlich sofort. Da sollte sich d<strong>er</strong> arme Immaculatus fürchten (ab<strong>er</strong> auch die<br />

beiden Kommissare und vor allem die örtlichen Politik<strong>er</strong>, die das ja alles von früh<strong>er</strong><br />

wußten od<strong>er</strong> zumindest ahnten!).<br />

4 Alle fahren gemeinsam mit dem Fiat g<strong>er</strong>ne wied<strong>er</strong> zurück ins<br />

geliebte Waldvi<strong>er</strong>tel; froh dem Trubel und dem Lärm d<strong>er</strong> Metropole<br />

entfliehen zu können und sich in d<strong>er</strong> G<strong>er</strong>uhsamkeit d<strong>er</strong> idyllischen<br />

Landschaft wied<strong>er</strong>zufinden.<br />

Kuchlbach<strong>er</strong> ist wie ausgewechselt; <strong>er</strong> lobt die Arbeit sein<strong>er</strong> früh<strong>er</strong><br />

oftmals h<strong>er</strong>abgewürdigten Unt<strong>er</strong>gebenen in den höchsten Tönen und traut<br />

sich nach Jahren d<strong>er</strong> Enthaltsamkeit entspannt an eine neue Beziehung zu<br />

ein<strong>er</strong> Frau h<strong>er</strong>an.


380<br />

Die Frau Wening<strong>er</strong> hat ihn in ihr<strong>er</strong> Frustration mit ihrem angetrauten<br />

Bezirkshauptmann des öft<strong>er</strong>en zaghaft hofi<strong>er</strong>t (und anlässlich ein<strong>er</strong> V<strong>er</strong>nissage<br />

des Immanuel Wass<strong>er</strong>burg<strong>er</strong> sogar hint<strong>er</strong> ein<strong>er</strong> Säule des Gemeindezentrums Kauzendorf<br />

innigst umarmt und geküßt, daß ihm die Hitze in die total ungeschulten Ei<strong>er</strong> gefahren<br />

ist). Und nun, da ihr Gatte sich bei d<strong>er</strong> Kunnling<strong>er</strong> anschleicht .... na bitte!<br />

Dies<strong>er</strong> Option sollte <strong>er</strong> sich hinkünftlich nicht mehr v<strong>er</strong>schließen,<br />

denn seine Mannhaftigkeit ist allzulange brachgelegen und d<strong>er</strong><br />

Bezirkshauptmann kann ihm ohnehin nicht schaden, denn d<strong>er</strong> hat zuviel<br />

um die Ohren mit d<strong>er</strong> H<strong>er</strong>auswindung aus seinen V<strong>er</strong>filzungen und d<strong>er</strong><br />

Aufarbeitung seines v<strong>er</strong>korksten Lebens mittels sein<strong>er</strong> feministischen<br />

Gestalt-Th<strong>er</strong>apeutin, die ihn hart ford<strong>er</strong>t! Das auch noch!<br />

Und am Golfplatz ist <strong>er</strong> auch wied<strong>er</strong>holt angenehm v<strong>er</strong>pflichtet. Da<br />

spießt sich nichts, denn dort bekommt man mühelos div<strong>er</strong>se P<strong>er</strong>sil-Scheine,<br />

wenn man koop<strong>er</strong>i<strong>er</strong>t und niemandem von Rang und Namen in die Qu<strong>er</strong>e<br />

kommt.<br />

5 D<strong>er</strong> Bürg<strong>er</strong>meist<strong>er</strong> von Kautzendorf <strong>er</strong>faßt die Lage sofort und<br />

bekundet beim heurigen Leonardi-Kirtag im großen Bi<strong>er</strong>zelt, daß in d<strong>er</strong><br />

Gemeinde schon lange die Idee g<strong>er</strong>eift ist, für wirklich alle aus dem<br />

Gemeindegebiet stammenden Opf<strong>er</strong> d<strong>er</strong> beiden letzten Kriege eine in<br />

Öst<strong>er</strong>reich einmalige Gedenkstätte zu <strong>er</strong>richten.<br />

Ein Denkmal will <strong>er</strong> von angesehenen zeitgenössischen Künstl<strong>er</strong>n<br />

schaffen lassen, das alles V<strong>er</strong>gleichbare v<strong>er</strong>blassen läßt in sein<strong>er</strong><br />

Auß<strong>er</strong>ordetlichkeit. Nicht nur die von den Kam<strong>er</strong>adschaftsbündl<strong>er</strong>n zu<br />

Helden hochstilisi<strong>er</strong>ten gefallenen Soldaten und Angehörigen d<strong>er</strong> Waffen-<br />

SS (wie and<strong>er</strong>norts allgemein beschämend<strong>er</strong>weise üblich, ausschließlich diese), sond<strong>er</strong>n<br />

auch die <strong>er</strong>mordeten and<strong>er</strong>en Randgruppen Angehörenden; und die durch<br />

Not und Blindgäng<strong>er</strong> unsinnig v<strong>er</strong>storbenen unschuldigen Zivilisten<br />

(Frauen, Alte und Kind<strong>er</strong>).<br />

Die im Wid<strong>er</strong>stand od<strong>er</strong> als Kriegsdienstv<strong>er</strong>weig<strong>er</strong><strong>er</strong> und Üb<strong>er</strong>läuf<strong>er</strong><br />

heldenmütig gefallenen Nonkonformisten, die in den naheliegenden – heute<br />

b<strong>er</strong>eits vollkommen v<strong>er</strong>fallenen – StALags getöteten Kriegsgefangenen und<br />

Fremd/Zwangsarbeit<strong>er</strong>; die in den zahlreichen KZs gemeuchelten<br />

jüdischen Mitbürg<strong>er</strong>, die ebendort <strong>er</strong>mordeten Kommunisten,<br />

Sozialdemokraten und Christlich-Sozialen, die Zigeun<strong>er</strong>, Jenischen,


381<br />

Homosexuellen und Kriminellen und eben auch die vor kurzem<br />

aufgefundenen Toten, die Opf<strong>er</strong> ihr<strong>er</strong> And<strong>er</strong>sartigkeit geworden waren als<br />

sogenannt ‚unw<strong>er</strong>tes Leben’.<br />

Eine wahrlich große Aufgabe hat sich da d<strong>er</strong> v<strong>er</strong>mutlich einzige rote<br />

Bürg<strong>er</strong>meist<strong>er</strong> im Waldvi<strong>er</strong>tel vorgenommen! Alle Namen sollen<br />

alphabetisch aufgelistet w<strong>er</strong>den ohne Bew<strong>er</strong>tung ihr<strong>er</strong> politischen<br />

Zugehörigkeit.<br />

In Urgestein, rostigem Eisen und Rauchglas als unv<strong>er</strong>rottbare<br />

Symbole für die Natur des Bodens, aus dem sie stammen, das menschengeschaffene<br />

Eisen, durch das sie zumeist zu Tode kamen und die<br />

Halbtransparenz d<strong>er</strong> V<strong>er</strong>klärung ihr<strong>er</strong> von einem unmenschlichen System<br />

geschunden Leben (auch ein wenig W<strong>er</strong>bung für die ansäßigen Glas-Betriebe, denen<br />

es nicht mehr so gut wie früh<strong>er</strong> geht)!<br />

Das könnte Vorbild-Charakt<strong>er</strong> haben, so auch and<strong>er</strong>e Gemeinden<br />

mutig genug w<strong>er</strong>den könnten nach nunmehr dreiundsechzig Jahren! Wie<br />

lange wollen denn eigentlich alle noch warten bis zur V<strong>er</strong>söhnung?<br />

6 Da kommt auch die unlängst <strong>er</strong>folgte Neu<strong>er</strong>öffnung des Zentrums<br />

B-sond<strong>er</strong> & B-dürfnis g<strong>er</strong>ade zur rechten Zeit, denn die aus dem Klost<strong>er</strong><br />

Lilienkreuz befreiten Schatten d<strong>er</strong> Finst<strong>er</strong>nis wollen ans späte Licht ihr<strong>er</strong><br />

alten Tage. Ein gewisses Problem ist nur, daß man bei d<strong>er</strong> Errichtung des<br />

Institutes mit denen nicht g<strong>er</strong>echnet hatte und damit die Kapazitäten<br />

deutlich üb<strong>er</strong>ford<strong>er</strong>t sind.<br />

Doch das wird sich regeln lassen mit einigem guten Willen und d<strong>er</strong><br />

finanziellen Hilfe des Landes (eine Vorab-Zusage für eine Erweit<strong>er</strong>ung liegt b<strong>er</strong>eits<br />

vor, da es üb<strong>er</strong>all von Presse nur so wimmelt). D<strong>er</strong> Landesvat<strong>er</strong> Erwin p<strong>er</strong>sönlich<br />

will sich dafür starkmachen, denn es h<strong>er</strong>rscht zur Zeit all<strong>er</strong>orten<br />

Wahlkampf.<br />

Eine d<strong>er</strong>artige Folgewirkung sein<strong>er</strong> Tätigkeiten hätte sich Quastorf<br />

beileibe nicht <strong>er</strong>wartet, ab<strong>er</strong> <strong>er</strong> ist sehr zufrieden mit dem brauchbaren<br />

Ergebnis. Froh ist <strong>er</strong> auch, daß <strong>er</strong> sich jetzt endlich auf sein Altenteil<br />

zurückziehen wird können, denn die an sich beschauliche Gegend wird<br />

wied<strong>er</strong> ihren Frieden finden.


382<br />

Nur gelegentlich gestört durch sonntägliches Getöse von Kanonen,<br />

schw<strong>er</strong>en Mörs<strong>er</strong>n, tieforgelnd knallenden Haubitzen, dumpftönigen<br />

Granatw<strong>er</strong>f<strong>er</strong>n, knatt<strong>er</strong>nden Maschinengewehren, rasselnden Panz<strong>er</strong>n,<br />

pfeifenden Lenkwaffen und blitzhellen Blendgranaten vom leid<strong>er</strong> allzu<br />

nahegelegen Truppenübungsplatz. Ab<strong>er</strong> Buben müssen halt Krieg spielen<br />

dürfen. Imm<strong>er</strong>hin bess<strong>er</strong> als Krieg führen!<br />

„Si vis pacem, para bellum“ – ob das wirklich ein so gut<strong>er</strong> Wahlspruch<br />

ist? Darüb<strong>er</strong> streiten Philosophen seit je!<br />

7 Die Behörden waren nicht sehr glücklich mit d<strong>er</strong> notwendigen<br />

Ent<strong>er</strong>digung und Endlag<strong>er</strong>ung d<strong>er</strong> 2234 Mumien, denn das war ein<br />

gewaltig<strong>er</strong> Aufwand! D<strong>er</strong> greise Abt Immaculatus wollte nicht ins<br />

Pflegeheim sein<strong>er</strong> zwettl<strong>er</strong> Mitbrüd<strong>er</strong> und so wird <strong>er</strong> sich mit Hilfe seines<br />

Frat<strong>er</strong>s Eusebius noch einige Zeit üb<strong>er</strong> die Runden bringen.<br />

8 D<strong>er</strong> Bürg<strong>er</strong>meist<strong>er</strong> von Kautzendorf findet in seinem M<strong>er</strong>cedes, den<br />

<strong>er</strong> niemals absp<strong>er</strong>rt, da es hi<strong>er</strong>orts keine bösen Mitbürg<strong>er</strong> gibt, eine teure<br />

Bonboni<strong>er</strong>e mit einem Liebesbrief auf rosa Büttenpapi<strong>er</strong> und eine rote Rose<br />

darauf. „Meinem Augenst<strong>er</strong>n“ in rot<strong>er</strong> Tinte. Hat sich seine Adjutantin endlich<br />

getraut?<br />

Obwohl <strong>er</strong> sein<strong>er</strong> Gattin in Liebe v<strong>er</strong>pflichtet ist und sie auch sehr<br />

schätzt, v<strong>er</strong>lockt ihn doch d<strong>er</strong> Gedanke, daß <strong>er</strong> noch begehrensw<strong>er</strong>t sei.<br />

Normal<strong>er</strong>weise mag <strong>er</strong> keine Süßigkeiten, ab<strong>er</strong> von dies<strong>er</strong> Liebesgabe muß<br />

<strong>er</strong> kosten, denn d<strong>er</strong> Begleitbrief v<strong>er</strong>heißt ein schnelles Abenteu<strong>er</strong> mit sein<strong>er</strong><br />

vorgeblich scheuen Angestellten.<br />

„Du solltest endlich wissen, daß ich Deine Dien<strong>er</strong>in sein will. Komm bitte<br />

morgen zur kleinen Kapelle im Ödwald, denn dort möchte ich Dir<br />

näh<strong>er</strong>kommen – Deine Angi!“.<br />

„Was sollte man bess<strong>er</strong>, was täte man and<strong>er</strong>s, was könnte man v<strong>er</strong>säumen“<br />

denkt d<strong>er</strong> engagi<strong>er</strong>te Gemeindechef bei sich und nimmt eine d<strong>er</strong> Pralinen,<br />

die vorzüglich schmeckt. So nussig und bitt<strong>er</strong>mandelig, so amygdalin, daß es<br />

ihn nostalgisch an jugendlich v<strong>er</strong>botene Konsumation d<strong>er</strong> Marillenk<strong>er</strong>n-<br />

Nüsse <strong>er</strong>inn<strong>er</strong>t, die angeblich giftig waren. Ab<strong>er</strong> <strong>er</strong> hat sie stets v<strong>er</strong>tragen.


383<br />

KCN schmeckt einfach gut und läßt ihn nun in b<strong>er</strong>eits langsam<br />

auftretenden Krämpfen hilflos schreien. Gottlob hat <strong>er</strong> nur wenig<br />

v<strong>er</strong>schluckt und es sind Wand<strong>er</strong><strong>er</strong> zugegen und alsbald auch d<strong>er</strong> rettende<br />

Christophorus (nicht d<strong>er</strong> heilige Riese, d<strong>er</strong> Jesus durch den Bach geschleift hat, sond<strong>er</strong>n d<strong>er</strong><br />

NAH; die gelbe Libelle vom ÖAMTC). In d<strong>er</strong> Intensivstation wird sein<br />

integ<strong>er</strong>es Leben mühsam g<strong>er</strong>ettet, doch w<strong>er</strong> hat das v<strong>er</strong>ursacht? Sein Projekt<br />

dürfte nicht sehr beliebt sein.<br />

Gut, daß dafür d<strong>er</strong> Wiesing<strong>er</strong> zuständig ist und Quastorf davon<br />

nichts weiß, denn das könnte seine notwendige Alt<strong>er</strong>sruhe empfindlich<br />

stören...................


384<br />

Nachwort<br />

Wiewohl man v<strong>er</strong>meint, daß nun Quastorfs Aventuren vorbei<br />

wären, da <strong>er</strong> im Ruhestand ist und nicht peinlich weit<strong>er</strong>machen<br />

kann wie Miss Marple, <strong>er</strong>geben sich gewisse Notwendigkeiten, in<br />

weit<strong>er</strong>en Beschreibungen an seine H<strong>er</strong>kunfts-Geschichte sich<br />

zukünftig anzunäh<strong>er</strong>n, von d<strong>er</strong> man bish<strong>er</strong> leid<strong>er</strong> nur allzu wenig<br />

Kunde hat. H<strong>er</strong>r Felix Tannenb<strong>er</strong>g ist sich dies<strong>er</strong> noblen<br />

V<strong>er</strong>antwortlichkeit selbstredend voll bewußt! Und so sehr <strong>er</strong><br />

davor zurückscheut, wie das Brau<strong>er</strong>eipf<strong>er</strong>d vor dem Schlagloch,<br />

muß <strong>er</strong> nolens-volens tiefgründig hineinack<strong>er</strong>n in Quastorfs<br />

V<strong>er</strong>gangenheiten, damit d<strong>er</strong> Les<strong>er</strong> sich bess<strong>er</strong> einfühlen kann in<br />

dessen W<strong>er</strong>den. Das wird Inhalt und Ziel weit<strong>er</strong><strong>er</strong> Aufdeckungen<br />

sein müssen – was Quastorfs H<strong>er</strong>kunft und Vorgeschichte betrifft<br />

–, so schw<strong>er</strong> es auch fällt. D<strong>er</strong> gnädige Les<strong>er</strong> wird es schätzen<br />

od<strong>er</strong> auch v<strong>er</strong>dammen. Es muß dem Autor gleichgültig sein; die<br />

Pflicht zur Wahrheit darf nicht v<strong>er</strong>nachlässigt w<strong>er</strong>den. Zumal <strong>er</strong><br />

sich als ein getrieben<strong>er</strong> Dokumentator d<strong>er</strong> Gewesenheiten wähnt.<br />

Und es somit kein Halt gibt, so groß d<strong>er</strong> Schm<strong>er</strong>z des Schreibens<br />

üb<strong>er</strong> Un<strong>er</strong>findlichkeiten auch sein möge; es muß und wird<br />

geschaffen w<strong>er</strong>den!

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