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Bin ich weiß?

Methode für den Einstieg in das Thema Rassismus und Critical Whiteness

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5. <strong>Bin</strong> <strong>ich</strong> <strong>weiß</strong>?<br />

Methode für den Einstieg in das Thema Rassismus und Critical Whiteness<br />

Politische Bildung<br />

Ziele:<br />

» Diskutieren, warum Weiße ihre eigene<br />

Hautfarbe oft als farblos und normal<br />

erleben und welche Konsequenzen<br />

Hautfarben für Lebensmögl<strong>ich</strong>keiten<br />

in der Gesellschaft haben.<br />

Alter: ab 14 Jahren<br />

Gruppengröße: 10 bis 20 Personen<br />

Dauer: 30 Minuten<br />

Ort: Seminarraum<br />

Material:<br />

Ablauf: Achtung: Diese Methode ist nur für ausschließl<strong>ich</strong><br />

<strong>weiß</strong>e Seminargruppen geeignet!<br />

Felix-von- Luschan-Skala<br />

der Hautfarben (Internet)<br />

A4-Papier<br />

Stifte<br />

Die Teilnehmer*innen erhalten je eine Felix-von- Luschan-Skala<br />

der Hautfarben (im Internet z.B. bei Wikipedia zu finden).<br />

Anhand dieser Skala sollen sie s<strong>ich</strong> zuordnen. Anschließend<br />

kommen die Teilnehmer*innen zu zweit zusammen. Sie erhalten eine Kopie der Diskussionsfragen<br />

sowie A4-Papier und Stifte und werden gebeten, in den folgenden 20 Minuten die<br />

Fragen auf den Kopien zu diskutieren und s<strong>ich</strong> dazu Notizen zu machen.<br />

Nach 20 Minuten kommen alle im Plenum zusammen und stellen s<strong>ich</strong> kurz die Diskussionen<br />

aus den Zweiergruppen vor und klären ggf. entstandene Fragen.<br />

Variante:<br />

Die Teilnehmer*innen werden gebeten, s<strong>ich</strong> zu Gruppen zusammenzufinden, die exakt die<br />

gle<strong>ich</strong>e Hautfarbe haben, um zu visualisieren, aus wie vielen Farben Weiß besteht.<br />

Diskussionsfragen<br />

1. Warum nennen s<strong>ich</strong> Weiße <strong>weiß</strong>, obwohl sie doch gar n<strong>ich</strong>t <strong>weiß</strong> sind?<br />

2. Wann ist Euch das erste Mal aufgefallen, dass ihr „<strong>weiß</strong>“ seid?<br />

3. In welchen Situationen ist euch eure Hautfarbe bewusst?<br />

4. Was bedeutet Weißsein für euer Leben?<br />

NACHHALTIGE JUGENDREISEN


Zusammenhang auch genau als solcher zu<br />

verstehen – als Einblick, als Appetizer, als<br />

Anstoß.<br />

Die Impulse alleine re<strong>ich</strong>en unserer Ans<strong>ich</strong>t<br />

nach also n<strong>ich</strong>t aus, um eine Gruppenstunde,<br />

Seminar oder Workshop mit dem<br />

Thema „Afrika“ durchzuführen zu können.<br />

Weiterführende Buch- und Medienempfehlungen<br />

finden s<strong>ich</strong> deshalb auch am<br />

Ende dieser Impulse. Außerdem natürl<strong>ich</strong><br />

einige Methoden, die in Gruppenstunden<br />

mit älteren Kindern und Jugendl<strong>ich</strong>en<br />

durchgeführt werden können.<br />

Afrikabilder<br />

Im Zeitalter des medialen Überflusses haben<br />

Bilder durch ihre Allgegenwärtigkeit<br />

und ständige Wiederholung großen Einfluss.<br />

Ist euch schon einmal aufgefallen,<br />

welche Bilder auf Fotos, in Büchern, auf<br />

Konsumgütern, in den Medien und auf<br />

Spendenaktionen klassischerweise mit<br />

Afrika in Verbindung gebracht werden?<br />

Ländl<strong>ich</strong>e Gebiete und Strohhütten, ein<br />

Massai in traditioneller Kleidung im Sonnenuntergang,<br />

Safari und Giraffen, Slums<br />

und Armut, eine <strong>weiß</strong>e Person in strahlender<br />

hilfsbereiter Pose umringt von schwarzen<br />

Kindern. Was ist daran falsch, zeigt es<br />

doch nur die vorgefundene Realität?<br />

Frage: Du machst einen mehrwöchigen<br />

Urlaub in Südafrika. Du kommst aus dem<br />

Urlaub zurück und deine Freunde möchten<br />

gerne ein paar Fotos sehen. Was glaubst<br />

du, hast du fotografiert und was glaubst<br />

du, möchten deine Freunde für Bilder sehen?<br />

Ungefähr die oben beschriebenen<br />

Bilder? Also Safari, atemberaubende Natur,<br />

Giraffen, schwarze Kinder beim Fußballspielen<br />

auf einem sandigen Hinterhof<br />

– oder hast du Hochhäuser, mehrspurige<br />

Autobahnen, Strandpromenaden mit internationalem<br />

Publikum und Menschen in<br />

Businessanzügen auf dem Weg zur Arbeit<br />

fotografiert?<br />

Bilder vom afrikanischen Kontinent knüpfen<br />

oftmals an schon bekannte Vorstellungen<br />

an, die wir alle aus Reiseführen, Medien,<br />

Werbung und von Urlaubsfotos kennen.<br />

Es entsteht der Eindruck, als seien alle afrikanischen<br />

Länder gle<strong>ich</strong>. Überall gibt es<br />

Giraffen und Löwen, die Menschen laufen<br />

barfuß und oben ohne über die Felder,<br />

die Kinder haben Hunger, müssen zu unmenschl<strong>ich</strong>en<br />

Bedingungen arbeiten oder<br />

ziehen als Kindersoldaten durch die Lande.<br />

Falsch ist das n<strong>ich</strong>t, aber…<br />

Aber natürl<strong>ich</strong> gibt es auch in afrikanischen<br />

Ländern eine Ober- und Mittelsch<strong>ich</strong>t,<br />

Universitäten, Krankenhäuser und<br />

Theater und natürl<strong>ich</strong> gibt es auch in Europa<br />

Kinderarmut, kriegerische Handlungen<br />

und klimatisch bedingte Katastrophen. Eigentl<strong>ich</strong><br />

wissen wir alle das auch. Die Bildersprache<br />

in Tageszeitungen, Magazinen<br />

und Fernsehen ist aber eine andere. Hier<br />

entsteht das Afrika der Krankheiten, Kriege,<br />

Krisen und Katastrophen. Hier entsteht<br />

das homogenisierte Bild eines „unterentwickelten“,<br />

„konflikthaften“, „traditionellen“<br />

und „armen“ Kontinentes. Dem gegenüber<br />

steht Europa: re<strong>ich</strong>, fortschrittl<strong>ich</strong><br />

und aufgeklärt.<br />

2<br />

IMPULSE


Afrika ist ein riesiger Kontinent! Die Landschaften,<br />

die Menschen, die Lebensweisen,<br />

die Städte, die Pflanzen und Tiere sind<br />

überall anders, divers und individuell.<br />

Wenn ihr also eine Gruppenstunde, eine<br />

Freizeit oder ein Seminar plant, das s<strong>ich</strong><br />

mit dem afrikanischen Kontinent beschäftigen<br />

soll, überlegt euch, welchen Fokus ihr<br />

setzen möchtet.<br />

+ Warum möchtet ihr überhaupt über den<br />

afrikanischen Kontinent sprechen? Was<br />

ist das Ziel?<br />

+ Über welches Land, welche Länder wollt<br />

ihr sprechen?<br />

+ Was wisst ihr über diese Länder? Und<br />

woher habt ihr dieses Wissen? Ist die<br />

Quelle seriös?<br />

+ Kennt ihr vielle<strong>ich</strong>t jemanden, der aus<br />

diesem Land kommt oder könnt ihr z.B.<br />

über die IYNF oder die NFI Kontakte zu<br />

befreundeten Organisationen und Menschen<br />

in diesem Land aufbauen?<br />

Kolonialismus<br />

Als Kolonialismus wird die staatl<strong>ich</strong> geförderte<br />

Inbesitznahme auswärtiger Territorien<br />

beze<strong>ich</strong>net. Die Gesellschaft des<br />

eroberten Gebiets wird ihrer Eigenentwicklung<br />

beraubt. Kolonialismus geht<br />

stets mit der Unterwerfung, Vertreibung<br />

und/oder Ermordung der ansässigen Bevölkerung<br />

durch eine Kolonialherrschaft<br />

einher.<br />

Der Beginn der Kolonialzeit kann für Europa<br />

mit der „Entdeckung“ Amerikas durch<br />

Christoph Kolumbus zum Ende des 15.<br />

Jahrhunderts festgelegt werden. Das Ende<br />

der Kolonialzeit wird zumeist mit dem<br />

Ende des Zweiten Weltkrieges angegeben.<br />

Die Theorie des Postkolonialismus<br />

(manchmal auch als Neokolonialismus<br />

beze<strong>ich</strong>net) geht aber davon aus, dass die<br />

ehemaligen Kolonien nur politisch befreit<br />

wurden, weiterhin aber durch europäische<br />

S<strong>ich</strong>tweisen, Wirtschaftsformen etc. beherrscht<br />

werden.<br />

AFRIKA 3


4<br />

DEUTSCHE KOLONIALGESCHICHTE<br />

1871 wurde das Deutsche Kaiserre<strong>ich</strong> gegründet.<br />

Damit wurde Deutschland zum<br />

Nationalstaat. Gle<strong>ich</strong>zeitig wurde Deutschland<br />

im Zuge der Industrialisierung zur wirtschaftl<strong>ich</strong>en<br />

Großmacht. Zunächst waren es<br />

Industrielle, Kaufleute, Forscher und einige<br />

Politiker, die in diesem Zuge eine Notwendigkeit<br />

für die Gründung deutscher Kolonien<br />

sahen. Der Kolonialismus sollte die gesellschaftl<strong>ich</strong>en<br />

Widersprüche und Konflikte<br />

ausgle<strong>ich</strong>en, die s<strong>ich</strong> aus der kapitalistischen<br />

Entwicklung ergeben hatten. Die Befürworter*innen<br />

deutscher Kolonialpolitik argumentierten,<br />

dass neue Absatzmärkte für die<br />

deutschen Exportprodukte generiert werden<br />

müssten. Außerdem wollte man billige Rohstoffe<br />

und Luxusgüter einführen. Ein einendes<br />

„Herrenmenschengefühl“ und die Teilhabe aller<br />

Deutschen an den neuen günstigen Produkten<br />

aus den Kolonien sollten soziale Konflikte<br />

innerhalb Deutschlands glätten. Deutschland<br />

sollte auch in den Köpfen und in den Herzen<br />

der Menschen zu einer Nation werden.<br />

Zudem bestand Sorge, dass Deutschland<br />

von anderen Ländern wie etwa Portugal und<br />

Spanien wirtschaftl<strong>ich</strong> abgehängt werden<br />

könnte. Die Forderung, dass das Re<strong>ich</strong> bei<br />

der „Aufteilung der Welt“ n<strong>ich</strong>t nur zusehen<br />

dürfe, sondern die Schwelle zur Weltmacht<br />

überschreiten müsse, fand gesamtgesellschaftl<strong>ich</strong><br />

immer größeren Anklang. Unterstützt<br />

wurden diese Forderungen durch<br />

unzählige Romane und Fortsetzungsge-<br />

IMPULSE<br />

sch<strong>ich</strong>ten in Zeitungen, in denen die Kolonisation<br />

und das Leben in den Kolonien als<br />

spannendes Abenteuer beschrieben wurden.<br />

Diese Gesch<strong>ich</strong>ten vermittelten ein Sendungsbewusstsein,<br />

mit dem die Deutschen<br />

geradezu verpfl<strong>ich</strong>tet wären, Afrika „kulturell“<br />

zu missionieren. Viele Deutsche waren<br />

zur Auswanderung und vor allem zu einer<br />

Beteiligung am Kolonialismus bereit. Die<br />

Gründe hierfür waren vielfältig: christl<strong>ich</strong>es<br />

und/oder fortschrittsgläubiges Überlegenheitsgefühl,<br />

wirtschaftl<strong>ich</strong>e Not oder Profitinteresse.<br />

Dass dieses koloniale Sendungsbewusstsein<br />

von der Minderwertigkeit der Kolonisierten<br />

ausging, wurde mit einer erschreckenden<br />

Selbstverständl<strong>ich</strong>keit hingenommen.<br />

Bismarck (erster Re<strong>ich</strong>skanzler des Deutschen<br />

Re<strong>ich</strong>es, 1871 bis 1890) unterstützte<br />

die Kolonialbewegung. Er versprach s<strong>ich</strong> von<br />

seinem Engagement für deutsche Kolonien<br />

einen Wahlerfolg bei den bevorstehenden<br />

Re<strong>ich</strong>stagswahlen. Auf der „Kongo-Konferenz“<br />

in Berlin 1884/1885 s<strong>ich</strong>erten s<strong>ich</strong> die<br />

europäischen Kolonialmächte – darunter<br />

auch Deutschland – gegenseitige Gebietsrechte<br />

über afrikanisches Land zu. Der afrikanische<br />

Kontinent wurde aufgeteilt. Dabei<br />

wurden tatsächl<strong>ich</strong> bestehende Grenzen<br />

n<strong>ich</strong>t berücks<strong>ich</strong>tigt, sondern beliebig neue<br />

Grenzen gezogen. Dieses Vorgehen ist heute<br />

noch an anhand vieler Grenzverläufe afrikanischer<br />

Länder zu erkennen. Man sieht, dass<br />

die Grenzen n<strong>ich</strong>t „natürl<strong>ich</strong> gewachsen“<br />

sind, sondern reißbrettartig verlaufen.<br />

AUSWIRKUNGEN UND WIDERSTÄNDE<br />

Die deutschen Kolonialmächte erhoben zunächst<br />

in den Kolonien sogenannte „Hüttensteuern“.<br />

Diese wurde jedem Haushalt<br />

auferlegt. Bis dahin hatten die Menschen<br />

s<strong>ich</strong> selbst versorgt. Nun mussten sie s<strong>ich</strong> in<br />

Arbeitsverhältnisse und damit auch in Abhängigkeit<br />

der Kolonialherren begeben. Mit<br />

den Steuern, die in Naturalien, mit Geld oder<br />

aber durch Arbeit auf Plantagen abgegolten<br />

werden konnten, entstand ein Zwang zur Ar-


eit. Gegen diese Steuer gab es zahlre<strong>ich</strong>e<br />

Aufstände.<br />

Im März 1905 wurde die „Hüttensteuer“ in<br />

Ost-Afrika zu einer „Pro-Kopf-Steuer“, was<br />

eine vielfache Erhöhung bedeutete. Um für<br />

die Steuer aufkommen zu können, mussten<br />

die meisten Menschen auf den Baumwollplantagen<br />

arbeiten. Viele von ihnen starben<br />

bei oder in Folge dieser körperl<strong>ich</strong> höchst anstrengenden<br />

Arbeit. Im Juli 1905 gab es eine<br />

Rebellion auf einer der Plantagen. Die ersten<br />

Erfolge der Aufständischen bewirkten eine<br />

Ausweitung der Kämpfe auf den gesamten<br />

Süden und auf weitere Gebiete von Ost-Afrika.<br />

Die deutschen Truppen reagierten mit der<br />

„Politik der verbrannten Erde“: Sie brannten<br />

ganze Dörfer nieder, beschlagnahmten Vieh<br />

und Vorräte, vergifteten Brunnen und vern<strong>ich</strong>teten<br />

die Ernten auf den Feldern. Damit<br />

entzogen sie der widerständigen Bevölkerung<br />

die Lebensgrundlage.<br />

Den wohl größten Aufstand gegen die Kolonialherrschaft<br />

gab es in 1904 in „Deutsch-Südwest“<br />

ausgehend von den Hereros. General<br />

von Trotha erließ bereits 1904 den Befehl, alle<br />

Hereros innerhalb der deutschen Kolonie zu<br />

erschießen. 1907 war der Aufstand offiziell<br />

beendet – von etwa 80 000 Hereros hatten<br />

höchstens 15 000 überlebt.<br />

DAS ENDE DER KOLONIALZEIT UND DIE AUS-<br />

BLEIBENDE AUFARBEITUNG<br />

Während des Ersten Weltkriegs bzw. mit<br />

seinem Ende wurde die deutsche Kolonialherrschaft<br />

über die afrikanischen Gebiete<br />

beendet. Nach der Ausrufung der Republik<br />

im November 1918 wurde das Re<strong>ich</strong>skolonialamt<br />

vom neuen Re<strong>ich</strong>skanzler Friedr<strong>ich</strong><br />

Ebert (SPD) aufgelöst. Durch den Friedensvertrag<br />

von Versailles verlor das Re<strong>ich</strong> im<br />

Juni 1919 offiziell alle Kolonien.<br />

Damit war Deutschlands Kolonialzeit offiziell<br />

beendet – seine Kolonialisierungsbestrebungen<br />

allerdings längst n<strong>ich</strong>t. Während der<br />

Weimarer Republik und des Nationalsozialismus<br />

arbeiteten und warben die Kolonialvereine<br />

weiter und forderten: „Deutschland<br />

muss – Deutschland wird wieder Kolonialmacht<br />

werden“.<br />

Die ehemaligen Kolonien wurden nie entschädigt.<br />

Erst hundert Jahre nach dem<br />

Völkermord an den Hereros wurde dieser<br />

überhaupt erstmals als solcher von einer<br />

deutschen Politikerin benannt: „Die damaligen<br />

Gräueltaten waren ein Völkermord,<br />

für den man heute vor Ger<strong>ich</strong>t verurteilt<br />

würde.“(Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD)).<br />

Diese Aussage wurde von der Opposition<br />

als „teurer Gefühlsausbruch“ der Ministerin<br />

kritisiert, der „die entscheidende Wende zu<br />

Lasten Deutschlands“ im Streit um Reparationszahlungen<br />

bedeuten könne.<br />

Die n<strong>ich</strong>t von der Hand zu weisenden Verknüpfungen<br />

zwischen Nationalstaatl<strong>ich</strong>keit,<br />

Herrenmenschengefühl, Weltmachtbestrebungen,<br />

Rassentheorien, Völkermorden und<br />

NS-Zeit bedürfen einer Aufarbeitung, die bis<br />

heute n<strong>ich</strong>t stattgefunden hat.<br />

Rassismus<br />

Es gibt n<strong>ich</strong>t den einen Rassismus. Rassismus<br />

ist vielmehr ein Phänomen mit unterschiedl<strong>ich</strong>en<br />

Ausprägungen. So gibt es den<br />

kolonialen Rassismus, den Neo- oder auch<br />

kulturellen Rassismus (welcher s<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t<br />

mehr auf unterschiedl<strong>ich</strong>e „Rassen“ bezieht,<br />

sondern auf unterschiedl<strong>ich</strong>e Bewertung von<br />

wahrgenommenen Kulturen), den antiislamischen<br />

Rassismus und auch im Antisemitismus<br />

spielt der Rassismus eine Rolle.<br />

Nach Stuart Hall (Soziologe), geht es bei<br />

Rassismus um Abgrenzung und um die Markierung<br />

von Unterschieden mit dem Ziel,<br />

eine bestimmte Gruppe von gesellschaftli-<br />

AFRIKA 5


6<br />

chen Zugängen/Teilhabe auszuschließen. Die<br />

Gruppen werden nach willkürl<strong>ich</strong> gewählten<br />

Kriterien, wie Hautfarbe, Herkunft und kulturellen<br />

Gewohnheiten gebildet. Dabei ist es<br />

w<strong>ich</strong>tig zu verstehen, dass es n<strong>ich</strong>t wirkl<strong>ich</strong><br />

um diese Unterschiede geht, sondern um<br />

dessen gesch<strong>ich</strong>tl<strong>ich</strong>-kulturelle Aufladung.<br />

Das heißt, es geht n<strong>ich</strong>t wirkl<strong>ich</strong> darum, welche<br />

Hautfarbe jemand hat, sondern vielmehr<br />

darum, welche Bedeutung dieser im Laufe<br />

der Gesch<strong>ich</strong>te und innerhalb einer Kultur<br />

zugeschrieben wurde.<br />

Die Ursprünge des modernen Rassismus liegen<br />

in der Kolonialzeit und sind somit auch<br />

sehr eng verknüpft mit der Industrialisierung<br />

und der kapitalistischen Weltordnung. Zu<br />

Zeiten der europäischen Aufklärung, in der<br />

Freiheit, Brüderl<strong>ich</strong>keit und Gle<strong>ich</strong>heit postuliert<br />

wurde (Achtung: jedoch nur für <strong>weiß</strong>e,<br />

bürgerl<strong>ich</strong>e Männer!), musste eine Erklärung<br />

und Rechtfertigung dafür gefunden werden,<br />

warum der größere Teil der Erdbevölkerung<br />

n<strong>ich</strong>t zu diesen „freien“ und „gle<strong>ich</strong>berechtigten“<br />

Menschen gehören durfte. So wurde<br />

die koloniale Ausbeutung, Versklavung und<br />

Unterdrückung mit der angebl<strong>ich</strong> „primitiven“<br />

und „unzivilisierten“ schwarzen Bevölkerung<br />

gerechtfertigt, die erst noch zu Menschen<br />

erzogen werden müsse. Der Rassismus<br />

entstand also als eine Art Rechtfertigungsund<br />

Legitimationslegende.<br />

IMPULSE<br />

DIE KONSTRUKTION DES ANDEREN<br />

Rassismus basiert auf einer strikten Grenzziehung<br />

zwischen „dem Eigenen“ und „dem<br />

Fremden“. Rassismus liegt also n<strong>ich</strong>t erst<br />

dann vor, wenn jemand tatsächl<strong>ich</strong> von Rassen<br />

spr<strong>ich</strong>t, sondern auch dann, wenn stattdessen<br />

verallgemeinernd von Kultur, Mentalität<br />

und Wesenseigenschaften gesprochen<br />

wird. Und zwar immer dann, wenn<br />

1. so getan wird, als seien Wesen, Kultur<br />

und/oder Mentalität ursprüngl<strong>ich</strong> und<br />

angeboren.<br />

2. davon ausgegangen wird, dass alle Menschen<br />

eines Landes (einer Region, einer<br />

Gesellschaft) die gle<strong>ich</strong>e Mentalität, das<br />

gle<strong>ich</strong>e Wesen und oder die gle<strong>ich</strong>e Kultur<br />

haben.<br />

3. Kultur statisch dargestellt wird.<br />

4. die Unterschiede zwischen dem Eigenen<br />

und dem Anderen als unüberwindbar<br />

dargestellt werden.<br />

Beispiele hierfür sind z.B.:<br />

„Der Islam unterdrückt seine Frauen.“<br />

„Ausländer sind krimineller als Deutsche.“<br />

„Auf meiner Afrikareise habe <strong>ich</strong> gelernt,<br />

dass die Afrikaner*innen sehr arm sind.<br />

Trotzdem sind sie sehr glückl<strong>ich</strong>, tanzen und<br />

singen gern.“<br />

„Nordafrikanische Männer belästigen unsere<br />

Frauen.“<br />

„Schwarze haben den Rhythmus im Blut.“<br />

„Die (Italiener, Marokkaner, Syrer, etc.) sind<br />

halt so.“<br />

„Die Griechen sind selbst schuld an der Finanzkrise,<br />

sie haben oft keine Lust zu arbeiten.“<br />

Aber auch mit der Gegenüberstellung von<br />

Begriffen wie z.B.:<br />

„Entwickelt-unterentwickelt“, „modern-traditionell“,<br />

„Stadt-Land“, „zivilisiert-primitiv“,


Farbige: Der Begriff ist eine abwertende<br />

Beze<strong>ich</strong>nung der deutschen Kolonialherren<br />

Anfang des 20. Jahrhunderts als für die<br />

unterworfenen Menschen in den deutschen<br />

Kolonien. Zudem stellt s<strong>ich</strong> heutzutage die<br />

Frage „Wenn schwarze Menschen „farbig“<br />

sind, was sind dann <strong>weiß</strong>e Menschen? Unfarbig?“<br />

„helfend-hilfsbedürftig“, „emanzipiert-unaufgeklärt“<br />

wird der Andere hergestellt und<br />

gle<strong>ich</strong>zeitig abgewertet.<br />

Hierbei ist w<strong>ich</strong>tig zu verstehen, dass es bei<br />

beiden Prozessen vor allem darum geht, eine<br />

eigene Identität als Deutsche*r (Europäer*in,<br />

Weiße*r) herzustellen. Denn erst durch die<br />

Abgrenzung von anderen kann das Eigene<br />

entstehen. Rassismus dient also n<strong>ich</strong>t nur<br />

der Abwertung und Unterdrückung, sondern<br />

vor allem auch der Bildung einer Identität.<br />

ICH BIN DOCH KEIN RASSIST!<br />

Viele Menschen reagieren schockiert und<br />

abwehrend, wenn man sie darauf hinweist,<br />

dass sie s<strong>ich</strong> rassistisch geäußert haben. Das<br />

kann natürl<strong>ich</strong> auch und gerade in der Arbeit<br />

mit Kindern und Jugendl<strong>ich</strong>en passieren.<br />

Hier kann es hilfre<strong>ich</strong> sein zunächst einmal<br />

festzustellen, dass eine rassistische Äußerung<br />

Menschen n<strong>ich</strong>t zu Rassisten macht,<br />

sondern nur zu Menschen, die in einem rassistischen<br />

System aufgewachsen sind. Nur<br />

dann kann es auch gelingen, Rassismus als<br />

solchen gemeinsam zu entlarven und gegen<br />

ihn vorzugehen.<br />

Rassismus in der Sprache<br />

Sprache ist ein machtvolles Instrument. Sie<br />

ermögl<strong>ich</strong>t unser Zusammenleben. Sie prägt<br />

unser Denken. Sprache ist niemals neutral.<br />

Worte entspringen immer einem historischen<br />

Kontext und sind ein Spiegel der Gesellschaft.<br />

Daher können Wörter Bedeutungen<br />

haben, die über das hinausgehen, was<br />

eigentl<strong>ich</strong> gesagt werden wollte.<br />

Sprache spielt im Kontext von gruppenbezogener<br />

Menschenfeindl<strong>ich</strong>keit (hier Rassismus)<br />

eine große Rolle. Victor Klemperer<br />

schreibt dazu in seinem 1947 veröffentl<strong>ich</strong>en<br />

Werk, LTI (Lingua Tertii Imperii – die<br />

Sprache des Dritten Re<strong>ich</strong>es)<br />

„Worte können wie winzige Arsendosen<br />

sein: Sie werden unbemerkt verschluckt; sie<br />

scheinen keine Wirkung zu tun – und nach<br />

einiger Zeit ist die Giftwirkung doch da.“<br />

Die unten aufgeführte Liste rassistischer<br />

Wörter erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit<br />

– im Gegenteil. Sie gibt ledigl<strong>ich</strong><br />

einen kleinen Einblick. Wir empfehlen zur<br />

weiteren Vertiefung: Afrika und die deutsche<br />

Sprache, Susan Arndt, Antje Hornscheidt<br />

(Hg), 2004.<br />

N-Wort: Das Wort geht auf lat. „niger“ (=<br />

schwarz) zurück. Es wurde von Beginn an<br />

rassistisch verwendet und erstmals im 17.<br />

Jh. von <strong>weiß</strong>en Europäer*innen als Beze<strong>ich</strong>nung<br />

der Menschen in Afrika gebraucht. Das<br />

Wort steht in engem Zusammenhang mit<br />

der aus der Kolonialzeit hervorgegangenen<br />

Sklaverei.<br />

Dieser Begriff ist eng mit der Unterdrückung<br />

und Ausgrenzung von Menschen verknüpft.<br />

Es stimmt n<strong>ich</strong>t, dass es eine Zeit gab, in der<br />

das N-Wort n<strong>ich</strong>t rassistisch war.<br />

Mohr: Der Begriff geht auf griech. „moros“<br />

(= dumm) zurück. Der Begriff ist die älteste<br />

deutsche Beze<strong>ich</strong>nung für Schwarze Menschen<br />

und von Beginn an negativ.<br />

AFRIKA<br />

7


Verwendet stattdessen die selbst gewählten<br />

Begriffe „Schwarze“ oder auch PoC<br />

(People of Color)<br />

Stamm: Im Kontext des Kolonialismus hat<br />

dieser Begriff das Ziel der Herabstufung der<br />

Kolonialisierten und stand in Abgrenzung zu<br />

der <strong>weiß</strong>en Eigenbeze<strong>ich</strong>nung als Volk. Das<br />

Wort wurde aus „Stammbaum“ abgeleitet. Es<br />

suggeriert also, dass ein Verwandschaftsgrad<br />

zwischen allen Mitgliedern dieser Gruppe<br />

besteht; es s<strong>ich</strong> also um eine ursprüngl<strong>ich</strong>e<br />

und n<strong>ich</strong>t um eine durch politische und kulturelle<br />

Prozesse entstandene Gemeinschaft<br />

handelt.<br />

Benutze je nach Kontext die Begriffe:<br />

Dorf, Gemeinde, Gesellschaft etc..<br />

Eingeborene: Wurde im Kontext von Versklavung<br />

und Kolonialismus durch Weiße<br />

Europäer*innen verwendet und galt für<br />

Menschen unterworfener Gesellschaften.<br />

Der Begriff impliziert die Abwesenheit von<br />

„Zivilisation“ und wurde deshalb n<strong>ich</strong>t auf<br />

<strong>weiß</strong>e Menschen angewandt.<br />

Benutze stattdessen die Eigenbeze<strong>ich</strong>nung<br />

der jeweiligen Menschen, über die du<br />

sprechen möchtest. Wenn du die eigenen Beze<strong>ich</strong>nung<br />

n<strong>ich</strong>t kennst, kannst du ganz einfach<br />

die äquivalenten europäischen Begriffe<br />

verwenden wie z.B.: Bürger*innen, Anwohner*innen<br />

etc..<br />

Häuptling: Der Begriff setzt s<strong>ich</strong> zusammen<br />

aus dem Wortstamm „Haupt-“ und dem Suffix<br />

„-ling“ zusammen. Kritisiert wird, dass die<br />

Endung „ling“; eine verkleinernde („Prüfling“,<br />

„Lehrling“) und zumeist abwertende Konnotation<br />

(Feigling, Wüstling usw.) hat. Zudem<br />

entstand der Begriff im Zuge der Kolonialisierung.<br />

Hier sollte ganz klar zwischen politischen<br />

Machthaber*innen in Europa und<br />

den Machthaber*innen der unterworfenen<br />

Kolonien hierarchisch unterschieden werden<br />

können. Indem man den Machthaber*innen<br />

der Kolonien neue Begriffe zuwies, wies man<br />

ihnen auch Rollen zu, die eine Gle<strong>ich</strong>rangigkeit<br />

oder Vergle<strong>ich</strong>barkeit mit europäischen<br />

Machthaber*innen ausschloss.<br />

Benutze stattdessen Eigenbeze<strong>ich</strong>nungen.<br />

Wenn du diese n<strong>ich</strong>t kennst, verwende<br />

äquivalente europäische Begriffe wie<br />

z.B.: Bürgermeister*in, Präsident*in usw..<br />

Entwicklungsland/Dritte Welt: Mit dem Begriff<br />

„Dritte Welt“ wird pauschal von einer<br />

Gruppe von Ländern gesprochen, denen aus<br />

einer westl<strong>ich</strong>en Welts<strong>ich</strong>t unterstellt wird,<br />

dass sie unterentwickelt wären. Wer „Dritte<br />

Welt“ sagt, homogenisiert. Er macht also<br />

alle gemeinten Länder gle<strong>ich</strong>, obwohl sie<br />

s<strong>ich</strong> natürl<strong>ich</strong> in Staatsform, Sprache, Kultur,<br />

Strukturmerkmalen etc. unterscheiden.<br />

Die gle<strong>ich</strong>zeitige Verwendung des Begriffs<br />

„Erste Welt“ zeigt des Weiteren das globale<br />

Machtgefälle zwischen den „demokratischen<br />

Industriestaaten“ (Erste Welt), den „sozialistischen<br />

Industriestaaten“ (Zweite Welt),<br />

den „Entwicklungsländern“ (Dritte Welt) und<br />

manchmal einer Vierten Welt (der ärmsten,<br />

ohne ausländische Hilfe n<strong>ich</strong>t überlebensfähigen<br />

Staaten) auf.<br />

Oft wird in diesem Kontext alternativ<br />

von Ländern des globalen Südens gesprochen.<br />

Da hier aber ebenfalls mit „Länder<br />

des globalen Nordens“ eine hierarchische<br />

Dualität aufgemacht wird, raten wir dazu,<br />

entweder die Länder zu benennen, über die<br />

gesprochen werden soll, oder die zu thematisierende<br />

Problemlage mit Länderbeispielen<br />

in den Fokus zu rücken.<br />

Schwarzafrika/Schwarzafrikaner*in:<br />

„Schwarzafrika“ ist ein kolonialistischer Begriff.<br />

Zudem beruht der Begriff auf einem<br />

rassistischen Konzept der Einteilung der<br />

Welt und seiner Bewohner*innen, da er die<br />

angebl<strong>ich</strong>e Gemeinsamkeit auf die Hautfarbe<br />

seiner Bewohner*innen bezieht. Deshalb<br />

8<br />

IMPULSE


wird der Begriff Schwarzafrika in Afrika zu<br />

Recht abgelehnt. Genauso wie die Begriffe<br />

„dunkler Kontinent“. Besser sind die geografischen<br />

Begriffe wie zum Beispiel: Afrika<br />

südl<strong>ich</strong> der Sahara, das subsaharische Afrika,<br />

Ostafrika, Westafrika, Zentralafrika, je nach<br />

Kontext – oder, noch besser, die genauen<br />

Nationenbeze<strong>ich</strong>nungen.<br />

Rasse: Es gibt keine menschl<strong>ich</strong>en Rassen!<br />

Rassentheorien sind Theorien, die die<br />

Menschheit in verschiedene Rassen einteilen.<br />

Sie waren vor allem im 19. und im<br />

frühen 20. Jahrhundert sehr einflussre<strong>ich</strong>,<br />

gelten aber heute als überholt und wissenschaftl<strong>ich</strong><br />

n<strong>ich</strong>t mehr haltbar. Rassentheorien<br />

wurden stets genutzt, um Menschen zu<br />

unterdrücken. Siehe: Kolonialzeit, NS-Zeit,<br />

Apartheit.<br />

Achte auch darauf, n<strong>ich</strong>t unbewusst<br />

„Ethnie“ und „Kultur“ synonym für Rasse zu<br />

verwenden. Der Punkt ist, es gibt keine klar<br />

voneinander abzugrenzenden Menschengruppen.<br />

Immer wird es Überschneidungen,<br />

Hybriditäten und Kategorien der Gemeinsamkeiten<br />

geben.<br />

Afrika: Natürl<strong>ich</strong> ist dieser Begriff kein No-<br />

Go. Aber noch einmal zur Erinnerung: Der<br />

Begriff meint einen ganzen Kontinent. Bitte<br />

redet n<strong>ich</strong>t von der afrikanischen Sprache,<br />

der afrikanischen Kultur oder Lebensweise.<br />

Diese gibt es n<strong>ich</strong>t! Differenziert!<br />

Critical Whiteness<br />

Critical Whiteness kann zunächst einmal<br />

übersetzt werden mit „Kritisches Weiß-Sein“.<br />

Critical Whiteness ist eine wissenschaftl<strong>ich</strong>e,<br />

aber auch eine politische Theorie. Sie ist in den<br />

Sozialwissenschaften anzusiedeln und wurde<br />

in den 1990er Jahren in den USA entwickelt.<br />

In dieser Theorie geht es vorrangig darum,<br />

die Vormachtstellung der als <strong>weiß</strong> markierten<br />

Menschen zu hinterfragen. Sie geht da-<br />

von aus, dass s<strong>ich</strong> durch rassistische Diskurse<br />

das Weißsein zu einer privilegierten Norm<br />

etabliert hat, an der s<strong>ich</strong> alle Menschen in<br />

der Gesellschaft orientieren müssen. Das<br />

bedeutet, dass es in unserer Gesellschaft als<br />

„normal“ gilt, <strong>weiß</strong> zu sein. Dagegen fallen<br />

diejenigen auf, die „n<strong>ich</strong>t-<strong>weiß</strong>“ sind.<br />

Wenn es im Folgenden um die Begriffe<br />

„schwarz“ und „<strong>weiß</strong>“ geht, ist n<strong>ich</strong>t die Vielzahl<br />

der menschl<strong>ich</strong>en Hautfarben gemeint.<br />

Vielmehr geht es darum, welche Menschen<br />

in der Gesellschaft Rassismus erfahren und<br />

welche n<strong>ich</strong>t.<br />

Ist euch in einer alltägl<strong>ich</strong>en Situation eure<br />

Hautfarbe schon mal bewusst aufgefallen?<br />

Wenn ihr <strong>weiß</strong> seid, vermutl<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t. Anders<br />

ergeht es Schwarzen Menschen oder<br />

People of Color (PoC). Sie werden in unterschiedl<strong>ich</strong>en<br />

alltägl<strong>ich</strong>en Situationen darauf<br />

hingewiesen, welche Hautfarbe sie haben.<br />

Etwa dann, wenn sie von Menschen gefragt<br />

werden „wo sie denn herkommen“, da diese<br />

Frage immer impliziert, dass Menschen mit<br />

schwarzer Hautfarbe keine (echten) Deutschen<br />

sein können.<br />

Sowohl Schwarze als auch PoC sind selbst<br />

gewählte Beze<strong>ich</strong>nungen n<strong>ich</strong>t-<strong>weiß</strong>er<br />

Communities. Der Begriff PoC beze<strong>ich</strong>net<br />

alle Menschen, die von Rassismus betroffen<br />

sind bzw. schon einmal rassistische Erfahrungen<br />

gemacht haben.<br />

Weiße können, laut der Critical-Whiteness-Theorie,<br />

n<strong>ich</strong>t von Rassismus betroffen<br />

sein. Weiße können aufgrund ihres Äußeren<br />

diskriminiert oder unfair behandelt werden. Solche<br />

Erfahrungen sind aber n<strong>ich</strong>t gle<strong>ich</strong>zusetzen<br />

mit rassistischen Erfahrungen. Denn um rassistische<br />

Erfahrungen zu machen, müssen neben<br />

der Ungle<strong>ich</strong>behandlung, der Diskriminierung<br />

und/oder Ausgrenzung weitere Komponenten<br />

mit im Spiel sein: Privilegien und Macht.<br />

Menschen, die als <strong>weiß</strong> erkannt/verstanden<br />

werden, haben in fast allen Gebieten der<br />

AFRIKA<br />

9


Welt Privilegien und Vormachtstellungen<br />

inne! Wenn also einzelne Weiße diskriminiert<br />

werden, ändert das n<strong>ich</strong>ts an der privilegierten<br />

Stellung, die Weiße hins<strong>ich</strong>tl<strong>ich</strong><br />

Ressourcenzugängen und Teilhabe global<br />

gesehen haben. Deshalb kann hier auch<br />

n<strong>ich</strong>t von Rassismus gesprochen werden.<br />

WER DARF SPRECHEN, WER WIRD GEHÖRT?<br />

Ein zentraler Punkt der Critical-Whiteness-Theorie<br />

ist die Kritik an der Vormachtstellung<br />

des europäisch-nordamerikanischen<br />

Wissenssystems. Ist euch schon<br />

einmal aufgefallen, welche Sprachen in der<br />

Regel erlernt werden müssen, um Zugänge/<br />

Teilhabe in der globalen, akademischen Welt<br />

zu erhalten? Englisch, Spanisch, Französisch,<br />

Deutsch. Kann eine*r von euch nur vier afrikanische<br />

Sprachen aufzählen? Wusstet ihr,<br />

dass allein in Uganda 43 Sprachen gesprochen<br />

werden? Wie viele afrikanische Persönl<strong>ich</strong>keiten<br />

kennt ihr eigentl<strong>ich</strong>?<br />

Sagen wir, eine*r unter euch möchte gern<br />

ein*e Philosoph*in werden, welche Denker*innen<br />

sollte sie*er dann kennen? Aristoteles,<br />

Plato, Hegel, Marx, Arendt, Foucault?<br />

Genau, die „w<strong>ich</strong>tigen“ kommen aus dem<br />

globalen Norden. Kennt ihr nur ein*n einzige*n<br />

afrikanische*n Philosoph*in?<br />

Es ist naheliegend anzunehmen, dass die Beschränktheit<br />

nur damit zu tun hat, in welchem<br />

Teil der Welt wir aufgewachsen sind.<br />

Dass dem n<strong>ich</strong>t so ist, kann man sehr gut<br />

der Rede von Chimamanda Ngozi Ad<strong>ich</strong>ie<br />

(Schriftstellerin) entnehmen.<br />

„I was also an early writer. And when I began<br />

to write, at about the age of seven, stories in<br />

pencil with crayon illustrations that my poor<br />

mother was obligated to read, I wrote exactly<br />

the kinds of stories I was reading. All my characters<br />

were white and blueeyed. They played<br />

in the snow. They ate apples. And they talked<br />

a lot about the weather, how lovely it was<br />

that the sun had come out. Now, this despite<br />

the fact that I lived in Nigeria. I had never<br />

been outside Nigeria. We didn‘t have snow.<br />

We ate mangoes. And we never talked about<br />

the weather, because there was no need to.<br />

My characters also drank a lot of ginger beer<br />

because the characters in the British books I<br />

read drank ginger beer. Never mind that I had<br />

no idea what ginger beer was.”<br />

(The Danger of a Single Story, Chimamanda Ngozi Ad<strong>ich</strong>ie<br />

Vortrag, TED-Conference, Juli 2009)<br />

Weiterführende Bücher und Materialien<br />

+ Noah Sow, 2009, Deutschland Schwarz<br />

Weiss: Der alltägl<strong>ich</strong>e Rassismus<br />

+ Susan Arndt, Antje Hornscheid, 2009,<br />

Afrika und die Deutsche Sprache. Ein<br />

kritisches Nachschlagewerk<br />

+ Katharina Oguntoye, May Opitz, 1992,<br />

Farbe bekennen<br />

+ Glokal e.V. , 2013, Mit Postkolonialen Grüßen<br />

+ Engagement Global, Weltkarte „Perspektiven<br />

wechseln“<br />

IMPRESSUM<br />

Herausgeber: Naturfreundejugend Deutschlands,<br />

Warschauer Str. 59a, 10243 Berlin<br />

Redaktion: Lukas Nicolaisen<br />

Kontakt: lukas@naturfreundejugend.de<br />

Layout: Nicole Jaecke (fija.de)<br />

Fotos: NFJD, außer S 2: Flickr (cashburnd CC<br />

BY-SA 2.0)<br />

Die „Impulse für die Kinder- und Jugendarbeit der<br />

NaturFreunde“ erscheinen in unregelmäßiger Folge<br />

und können von Teamer*innen kostenlos über www.<br />

naturfreundejugend.de/impulse bezogen werden.<br />

Gefördert vom Bundesministerium für Familie,<br />

Senioren, Frauen und Jugend.<br />

10 IMPULSE

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