Sammel_Militaer_4_2018
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WELTGESCHEHEN<br />
Aktuelle Konflikte,<br />
Krisen und<br />
Analysen — S. 8<br />
GROSSÜBUNG<br />
Österreichische<br />
Panzer bei der ILÜ<br />
der Bundeswehr — S. 36<br />
militär<br />
TRUPPENBESUCH<br />
Militär Aktuell zu<br />
Gast beim Institut<br />
Pionier — S. 50<br />
DAS NEUE<br />
ÖSTERREICHISCHE<br />
MILITÄRMAGAZIN<br />
AUSGABE 4|18<br />
EURO 3,80<br />
AKTUELL<br />
GENERALSTABSCHEF ROBERT BRIEGER:<br />
„Das Bundesheer muss<br />
sich wieder stärker auf<br />
seine Kernaufgabe<br />
konzentrieren!“ — S. 42<br />
Der Mensch ist drauf und<br />
dran, den Krieg vollends zu<br />
industrialisieren: Autonome<br />
Waffen, die selbst entscheiden,<br />
wen sie wann töten, könnten eine<br />
Revolution der Kampfführung<br />
auslösen – mit unvorhersehbaren<br />
Folgen und Konsequenzen.<br />
DOSSIER ROBOTIC WARS<br />
Wenn Maschinen<br />
Krieg führen
E D I T O R I A L<br />
0 0 3<br />
LIEBE LESERIN, LIEBER LESER<br />
E<br />
inmal entwickelt, werden autonome Waffensysteme<br />
Konflikte in nie gekannter Größenordnung<br />
und in einer Geschwindigkeit ermöglichen,<br />
die das menschliche Denkvermögen<br />
übersteigen“, heißt es in einem offenen<br />
Brief, den Robotik-Experten, Forscher und<br />
Wirtschaftskapitäne vor einem Jahr an die Vereinten Nationen<br />
richteten. Kapazunder wie Tesla-Chef Elon Musk fordern<br />
die Weltgemeinschaft darin nachdrücklich auf, Waffen<br />
zu verbieten, die selbstständig ein Ziel erfassen und angreifen.<br />
„Wir haben nicht viel Zeit, um zu handeln“, heißt es in<br />
dem Schreiber weiter. „Ist die Büchse der Pandora einmal<br />
geöffnet, wird sie nur schwer wieder zu schließen sein.“<br />
Nun könnte man die Warnungen als reflexhaften Aufschrei<br />
von Anti-Militaristen abtun, der mit der Entwicklung neuer<br />
Waffensysteme stets einhergeht. Man könnte die Entwicklung<br />
autonomer Minidrohnen und Kleinst-Atom-U-Boote aber<br />
auch als historisch revolutionären „Game Changer“ begreifen,<br />
die kriegerische Auseinandersetzungen auf eine völlig neue,<br />
kaum einschätzbare Ebene katapultieren. Und damit hätten<br />
diese Technologien sogar das Potenzial, die militärischen<br />
Machtverhältnisse global neu zu definieren wie das auch<br />
Wladimir Putin anstrebt. Der russische Präsident mutmaßte<br />
bereits vor längerer Zeit, dass „derjenige die Welt beherrschen<br />
wird, der auf diesem Gebiet führend ist“. Betrachtet man die<br />
milliardenschweren Forschungsaktivitäten von Streitkräften<br />
und Rüstungskonzernen weltweit, dann dürften auch andere<br />
Staatschefs zu einem ähnlichen Schluss gekommen sein.<br />
Schon jetzt setzt in robusten internationalen Missionen<br />
kaum mehr ein Soldat einen Fuß vor das Camp, bevor nicht<br />
Drohnen die Umgebung aufgeklärt haben. Schon bald dürften<br />
zum Schutz der eigenen Truppe und zur effektiveren<br />
Bekämpfung feindlicher Kombatanten aber noch weit fortschrittlichere<br />
Technologien zum Einsatz kommen, wie uns<br />
Oberstleutnant Markus Reisner in unserem aktuellen Dossier<br />
„Krieg der Zukunft“ (ab Seite 14) verrät. Der Bundesheer-<br />
Offizier hat mit „Robotic Wars“ kürzlich ein vielbeachtetes<br />
Buch zum Thema vorgelegt und beschreibt im Gespräch<br />
nicht nur den Status Quo bei der Entwicklung autonomer<br />
Waffen, sondern auch Zukunftsperspektiven und ethische<br />
Fragestellungen, die sich rund um deren Einsatz stellen.<br />
Außerdem widmen wir uns in der aktuellen Ausgabe u.a. der<br />
Teilnahme des Bundesheeres an der Informationslehrübung<br />
<strong>2018</strong> der Bundeswehr (ab Seite 36), dem neuen L-39NG-Trainingsjet<br />
von Aero Vodochody (ab Seite 62) und dem Dekontaminationssystem<br />
Mammut der ABC-Abwehrtruppe (Seite<br />
67). Wir haben darüber hinaus dem Institut Pionier der Heerestruppenschule<br />
einen Besuch abgestattet (ab Seite 50), am<br />
Manama Airpower Symposium in Bahrain teilgenommen (ab<br />
Seite 58) und mit Generalstabschef Robert Brieger über die<br />
Zukunft des Bundesheeres gesprochen (ab Seite 42).<br />
IMPRESSUM<br />
COV E R FOTO : T U R B O S Q U I D/ M I C H A E L W E I S H E I M WO O L F Y FOTO S : 1 2 3 R F<br />
NATO-BASIS ÄMARI<br />
TRUPPENÜBUNGSPLATZ BERGEN<br />
PRAG KORNEUBURG<br />
WELS<br />
WIEN<br />
BRUCKNEUDORF<br />
MAILAND<br />
MILITÄR AKTUELL UNTERWEGS Um Informationen,<br />
Interviews und Bilder zusammenzutragen, sind unsere<br />
Redakteure weltweit unterwegs. Die Storys der aktuellen<br />
Ausgaben recherchierten wir unter anderem in Bahrain,<br />
Deutschland und Tschechien. In Vorbereitung auf die nächste<br />
Ausgabe von Militär Aktuell waren unsere Mitarbeiter zudem<br />
in den vergangenen Tagen bei Jettrainer-Hersteller Leonardo<br />
in Mailand und auf der NATO-Basis in Ämari in Estland zu Gast.<br />
BAHRAIN<br />
MAURITIUS<br />
Medieninhaber und Herausgeber:<br />
QMM Quality Multi Media GmbH,<br />
Mariahilfer Straße 88a/II/2a, A-1070 Wien,<br />
FN 349501 y, UID:ATU65891526,<br />
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Key Account Management:<br />
Thomas Jusko, t.jusko@qmm.at, René<br />
Niehoff, r.niehoff@qualitymultimedia.ch<br />
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Textchef: Jakob Hübner<br />
Fotoredaktion: Nati Senegacnik<br />
Lektorat: Gunther Natter<br />
Redaktion, Beirat und Textbeiträge:<br />
Christoph Bilban, Brigadier Walter Feichtinger,<br />
Heinz Gärtner, Johannes Luxner,<br />
Georg Mader, Oberst Dieter Muhr,<br />
Brigadier Harald Müller, Thomas Roithner,<br />
Frank Sauer, Hans Schneeweiß<br />
Hersteller: PrintandSmile<br />
Redaktionskontakt:<br />
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88a/II/2a, A-1070 Wien, Österreich<br />
Geschäftsführung: Andreas Dressler,<br />
a.dressler@qmm.at, Günther Havranek<br />
www.qmm.at<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
0 0 4 I N H A L T<br />
INHALT<br />
010<br />
Im Jahr 2015 stieg die Zahl der<br />
Asylwerber innerhalb der EU auf<br />
rund 1,3 Millionen. Stabilisierungsmaßnahmen<br />
sollen einen ähnlichen<br />
Massenansturm in Zukunft verhindern.<br />
032<br />
Führen<br />
050<br />
Kompetenzzentrum:<br />
Am Institut Pionier der<br />
Heerestruppenschule steht die<br />
Kampfmittelabwehr ebenso auf<br />
dem Lehrplan wie der Brückenbau.<br />
und koordinieren: Wachtmeister Mathias Hofbauer<br />
(links) vom Panzerbataillon 14 gibt Einblicke in seine<br />
Tätigkeit als Kommandant eines Leopard-Kampfpanzers.<br />
003 EDITORIAL, IMPRESSUM<br />
006 MOMENTUM<br />
Jagdkommando-Soldaten üben<br />
sich im Zielspringen.<br />
008 WELTGESCHEHEN<br />
Aktuelle Kurzmeldungen<br />
aus aller Welt.<br />
010 MIGRATION BEHERRSCHEN<br />
Mit einem breiten Maßnahmenpaket<br />
ist ein Flüchtlings-Massenansturm<br />
wie im Jahr 2015 zu<br />
verhindern.<br />
014 DOSSIER: KRIEG DER ZUKUNFT<br />
Wie autonome Waffensysteme<br />
die Kriegsführung verändern:<br />
Interview mit „Robotic Wars“-<br />
Autor Oberstleutnant Markus<br />
Reisner sowie Beiträgen und<br />
Gastkommentaren der Militärexperten<br />
Heinz Gärtner, Frank<br />
Sauer und von Friedensforscher<br />
Thomas Roithner.<br />
030 NEUES AUS DEM HEER<br />
Aktuelle Kurzmeldungen aus<br />
dem Bundesheer.<br />
032 EIN TAG MIT …<br />
… Panzerkommandant Wachtmeister<br />
Mathias Hofbauer.<br />
036 REPORTAGE<br />
Mit dem Panzerbataillon 14 und<br />
dem Panzergrenadierbataillon 35<br />
bei der Informationslehrübung<br />
der Bundeswehr am Truppenübungsplatz<br />
Bergen.<br />
042 INTERVIEW<br />
Generalstabschef Robert<br />
Brieger über die finanzielle<br />
Ausstattung des Heeres,<br />
internationale Kooperationen<br />
und eine stärkere Fokussierung<br />
auf die Landesverteidung.<br />
046 DIE LUFTSTREITKRÄFTE<br />
Wie Eurofighter, Black Hawk &<br />
Co zur Erfüllung vieler Aufgaben<br />
des Bundesheeres beitragen.<br />
050 LOKALAUGENSCHEIN<br />
Zu Besuch beim Institut Pionier<br />
an der Heerestruppenschule.<br />
054 KOCHEN AM LAGERFEUER<br />
So geht’s richtig: eine Anleitung<br />
in neun Schritten.<br />
FOTO S : G E T T Y I M AG E S , S E B AST I A N F R E I L E R I L LU ST R AT I O N : C L AU D I A M O L I TO R I S<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
I N D I E S E M H E F T<br />
056 RÜSTUNGSNEWS<br />
Neuheiten aus der Welt der<br />
Rüstungs- und Sicherheitstechnik.<br />
058 MILITÄR AKTUELL HEBT AB<br />
Wir waren auch heuer wieder<br />
Medienpartner der Bahrain<br />
Airshow und des Manama<br />
Airpower Symposiums.<br />
062 TRAINER AUS TSCHECHIEN<br />
Militär Aktuell war beim Roll-out<br />
des potenziellen Saab 105-<br />
Nachfolgers L-39NG von<br />
Aero Vodochody in Prag.<br />
064 INSELSTAAT IM FOKUS<br />
Mauritius verfügt zwar über<br />
keine Armee, aber wie Österreich<br />
über Alouette III-Hubschrauber.<br />
066 SCHLUSSPUNKT<br />
IFK-Forscher Christoph Bilban<br />
über die überregionalen Konflikte<br />
und geopolitischen Spannungen<br />
im Südkaukasus.<br />
067 INFOGRAFIK<br />
Die Leistungsmerkmale der<br />
neuen Mammut-Dekontaminationssysteme<br />
des Bundesheeres.<br />
067<br />
Modernes Gerät für die ABC-Abwehrtruppe:<br />
Das neue Dekontaminationssystem<br />
Mammut unterstützt die<br />
Soldaten bei der Bekämpfung<br />
von radiologischen, biologischen<br />
und chemischen Gefahrenstoffen.<br />
neu<br />
DOSSIER<br />
Schwerpunktthema<br />
rund um<br />
autonome Waffensysteme<br />
und den Krieg der Zukunft.
0 0 6 P A N O R A M A<br />
Punktlandung!<br />
FOTO S : H B F/ DA N I E L T R I P P O LT, H B F/ G U N T E R P U S C H<br />
Mit dem Fallschirm hoch über Wien<br />
aus einer AB-212 springen und<br />
wenige Minuten später punktgenau<br />
auf dem Flachdach eines Turms der<br />
Vienna Twin Towers am Wienerberg<br />
landen? Für die Soldaten des<br />
Jagdkommandos überhaupt kein<br />
Problem. Im Rahmen einer mehrtägigen<br />
Übung trainierten die Elitesoldaten<br />
Landungen im verbauten<br />
Gebiet und sprangen dabei insgesamt<br />
zehn Mal auf Dächer ab –<br />
mehrmals auch in der Nacht. Den<br />
Höhepunkt der Übung bildete<br />
die Landung auf dem 127 Meter<br />
hohen Gebäudekomplex, die von<br />
der Heeresbild- und Filmstelle<br />
perfekt in Szene gesetzt wurde.<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
M O M E N T U M<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
0 0 8 W E L T & S T R A T E G I E<br />
AFGHANISTAN:<br />
DIE BILANZ IST<br />
ERNÜCHTERND<br />
„Die Überlegungen zur Gründung einer eigenen europäischen<br />
Armee sind sehr beleidigend! Vielleicht sollte Europa erst<br />
einmal seinen fairen Anteil an der NATO zahlen, die<br />
von den USA in hohem Maße subventioniert wird!“<br />
US-Präsident Donald Trump<br />
Der amerikanische Präsident Donald Trump ließ Mitte November rund um seine<br />
Teilnahme an einer großen Gedenkfeier in Frankreich zum Ende des Ersten Weltkriegs<br />
vor hundert Jahren einmal mehr mit einer kritischenAussage in Richtung<br />
Europa aufhorchen. Dieses Mal stieß dem amerikanischen Staatschef zur Abwechslung<br />
nicht das lasche Engagement der Europäer in der NATO sauer auf, sondern die<br />
jüngsten Forderungen des französischen Staatschefs Emmanuel Macron nach der Gründung<br />
einer europäischen Armee . Die Pläne seien „sehr beleidigend“, schrieb Trump auf<br />
dem Kurznachrichtendienst Twitter – und kam dann doch wieder auf die transatlantische<br />
Verteidigungsbündnis zu sprechen: „Vielleicht sollte Europa erst einmal seinen fairen Anteil an<br />
der NATO zahlen, die von den USA in hohem Maße subventioniert wird.“<br />
FOTO S : G E T T Y I M AG E S<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
W E LT G E S C H E H E N<br />
Am 7. Oktober 2001 begannen die<br />
USA mit Angriffen auf Ziele in ganz<br />
Afghanistan ihren Krieg gegen den<br />
Terror, die Generäle versprachen ein<br />
schnelles Ende. Etwas mehr als 17 Jahre<br />
später ist davon keine Rede mehr,<br />
die Kampfhandlungen im Land halten<br />
noch immer an. Zuletzt konnten die<br />
Taliban sogar wieder große Geländegewinne<br />
verzeichnen, die Bilanz der<br />
Auseinandersetzungen liest sich ernüchternd:<br />
Laut offiziellen Angaben<br />
haben die USA für ihren bislang längsten<br />
Krieg rund 800 Milliarden Euro<br />
ausgegeben (inklusive der Kosten für<br />
den Bau von Straßen, Brücken und<br />
Kraftwerken, …) und in den Kämpfen<br />
mehr als 2.400 Soldaten verloren.<br />
Zudem wächst nun der Unmut in der<br />
konfliktgeplagten afghanischen Bevölkerung,<br />
die sich Frieden für ihr Land<br />
erhofft hatte und die den USA nun<br />
Unfähigkeit vorwirft. Und: Dass es Washington<br />
in Afghanistan von Anfang an<br />
nicht um die Bekämpfung der Taliban<br />
ging, sondern nur darum, durch einen<br />
lang anhaltenden Konflikt vor Ort<br />
Truppen stationieren zu können.<br />
NORDKOREA: PLÄNE NICHT AUFGEGEBEN!<br />
Baut Nordkorea sein Raketenprogramm heimlich weiter aus? Nach der<br />
jüngsten Annäherung zwischen Kim Jong-un und Donald Trump berichten<br />
die New York Times nun davon, dass laut einer aktuellen Studie des „Center<br />
for Strategic and International Studies“ (CSIS) neueste Satellitenbilder belegen<br />
würden, dass Pjöngjang seine Raketenbasen weiter ausbaue. Zudem<br />
habe der amerikanische Geheimdienst Erkenntnisse darüber, dass die<br />
„Produktion von nuklearem Material, neuen Atomwaffen und von Raketen<br />
weitergeht, die auf mobilen Abschussrampen platziert und in den Bergen<br />
auf geheimen Basen versteckt werden können.“ Nordkorea soll dem Bericht<br />
zufolge mittlerweile 40 bis 60 atomare Sprengköpfe besitzen. Die Reaktion<br />
von Trump? „Die Geschichte ist falsch. Das sind nur Fake News.“<br />
PKK: ZU UNRECHT<br />
AUF DER TERRORLISTE<br />
Die kurdische Arbeiterpartei PKK ist zwischen<br />
den Jahren 2014 und 2017 zu Unrecht<br />
auf der EU-Terrorliste geführt worden, wie<br />
das EU-Gericht in Luxemburg nun mitteilte.<br />
Die zugrundeliegenden Beschlüsse der<br />
EU-Staaten seien wegen Verfahrensfehlern<br />
nichtig, die gegen die verbotene Organisation<br />
verhängte Vermögenssperre war nicht ausreichend<br />
begründet. Konkrete Auswirkungen<br />
hat das Urteil allerdings nicht, da es für <strong>2018</strong><br />
einen neuen Beschluss zur Terrorliste gibt.<br />
Ein Antrag auf die rückwirkende Streichung<br />
der PKK von der Terrorliste seit 2002 (damals<br />
wurde sie erstmals eingetragen) wurde vom<br />
Gericht zurückgewiesen.<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
0 1 0 W E L T & S T R A T E G I E<br />
WAS TUN?<br />
Als im Jahr 2015 die Migration nach Europa<br />
immer größere Ausmaße annahm, waren viele<br />
EU-Länder mit der Entwicklung heillos überfordert.<br />
Dabei war vor einer derartigen Situation schon<br />
lange davor gewarnt worden – Lösungsvorschläge<br />
blieben aber weitgehend ungehört.<br />
Text: BRIGADIER HARALD MÜLLER<br />
E<br />
uropa wandelte sich<br />
in seiner jüngeren<br />
Geschichte von<br />
einem Auswanderungs-<br />
zu einem<br />
Zuwanderungskontinent. Großteils erfolgte<br />
der Zuzug auf legalem Weg, in<br />
Teilen aber auch illegal. Da die erlaubten<br />
Zugänge immer restriktiver werden,<br />
der Bedarf aber gleichzeitig steigt,<br />
suchen immer mehr Menschen nach<br />
illegalen Schlupflöchern, um ans Ziel<br />
ihrer Träume zu gelangen. Zudem werden<br />
immer mehr Menschen aus ihrer<br />
Heimat vertrieben und suchen Zuflucht<br />
auch in europäischen Ländern.<br />
Vor allem in den Regionen östlich, südöstlich<br />
und südlich der Europäischen<br />
Union verschlechterten sich die Lebensbedingungen<br />
in den vergangenen<br />
Jahren teils massiv. Das Bevölkerungswachstum<br />
dort ist hoch, dem meist<br />
überdurchschnittlich hohen Jugendanteil<br />
stehen nur ungenügend Ressourcen<br />
zur Verfügung. Dazu kommen Arbeitslosigkeit<br />
und Korruption, Armut und<br />
Hunger, Klimaverschlechterungen einhergehend<br />
mit Katastrophen, gewaltsame<br />
Konflikte sowie gescheiterte Staatsordnungen.<br />
Die Hemmschwelle, ihre<br />
Heimat zu verlassen, ist vor diesem<br />
Hintergrund für viele Menschen nicht<br />
sehr hoch und moderne Informationsund<br />
Kommunikationstechnologien als<br />
Verbindung zu der schon im Ausland<br />
lebenden Diaspora, vielfältige Transportmittel<br />
und -wege sowie das sehr<br />
lukrative Schlepperwesen erleichtern<br />
Migrationswilligen diesen Schritt noch.<br />
Legt man diese Push- und Pull-Faktoren<br />
einer Potenzialbeurteilung zugrunde,<br />
so stehen an deren Ende mehrere<br />
Millionen Migrationswillige mit Ziel<br />
Europa, die aus den unterschiedlichsten<br />
Gründen ihre Reise antreten – die<br />
Fachleute sprechen von einem „Mixed<br />
Migration Flow“. Betrugen die Asylwerberzahlen<br />
in der EU in den Jahren<br />
2002 bis 2013 im Durchschnitt jährlich<br />
rund 290.000 Menschen, schwollen sie<br />
2015 vor allem aufgrund der gewaltsamen<br />
Konflikte im Nahen und Mittleren<br />
Osten sowie in Nordafrika auf<br />
rund 1,3<br />
Millionen (die<br />
Zahlen für Österreich<br />
liegen bei 88.300) an, um<br />
in der Folge nicht wegen eines<br />
abnehmenden Bedarfs,<br />
sondern aufgrund verschiedener<br />
Gegenmaßnahmen der EU<br />
und ihrer Mitglieder wieder zu<br />
sinken. Prekär wurde die Lage<br />
deshalb, weil Migranten sich nur<br />
einige Länder der EU als Zielland<br />
aussuchten. Außerdem wurde nach<br />
einem umfassenden rechtsstaatlichen<br />
Verfahren auf Basis der Genfer<br />
Flüchtlingskonvention festgestellt,<br />
dass über die Jahre nur rund<br />
die Hälfte der Werber tatsächlich<br />
schutzberechtigt waren und der<br />
Rest eigentlich wieder ausreisen<br />
hätte müssen.<br />
Durch den plötzlichen Massenansturm<br />
waren die Institutionen so-<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
I F K - A N A LY S E<br />
FOTO : G E T T Y I M AG E S<br />
Empfehlungen von Tampere 1999,<br />
Haager Programm 2004) unterbreitet<br />
haben, einzelne Mitgliedsstaaten aber<br />
immer wieder anlassbedingt ausscherten.<br />
An dieser Stelle muss auch auf das<br />
große EU-Ziel des freien Personenverkehrs<br />
hingewiesen werden. In Umsetzung<br />
desselben muss über allen Mitgliedsstaaten<br />
ein Raum der Freiheit,<br />
der Sicherheit und des Rechts ohne<br />
Binnengrenzen aufgebaut werden.<br />
Daher müssen die EU-Außengrenzen<br />
kontrolliert, die Einwanderung, das<br />
Asyl sowie die Bekämpfung der grenzüberschreitenden<br />
Kriminalität geregelt<br />
werden. Dies sollte auf der Grundlage<br />
von Solidarität entwickelt werden.<br />
In der letzten Phase der europäischen<br />
EU-Migrations- und Asylgeschichte<br />
wurde versucht, Migrationspolitik<br />
als gemeinschaftliches Politikfeld zu<br />
eta blieren, was zwischen den Polen<br />
„Eigeninteresse“ und „Solidarität“ aber<br />
schwierig ist. Um Migration trotzdem<br />
steuern zu können, wurde im Laufe<br />
der Jahre ein Zwiebelschalensystem<br />
von den Herkunftsländern bis in das<br />
Territorium der EU entwickelt, das<br />
unterschiedlichste Maßnahmen<br />
zusammenfasst:<br />
wie die Bevölkerung der EU<br />
und auch Österreichs teilweise<br />
überfordert. Auswirkungen<br />
ergaben sich auf die<br />
demografische und religiöse<br />
Struktur ebenso wie auf die Kultur,<br />
die Wirtschaft, den Staatshaushalt,<br />
das Bildungssystem,<br />
die Sicherheit und den Gesundheitsbereich<br />
eines Aufnahmelandes,<br />
die sich als<br />
Chancen aber auch Risiken<br />
manifestieren. Um die Zuwanderung<br />
für eine Gesellschaft bewältigbar<br />
zu machen, ist jedenfalls<br />
eine bedarfs- und humanorientierte<br />
Steuerung notwendig.<br />
In diesem Zusammenhang wirft<br />
man „der EU“ gerne Versagen vor.<br />
Es ist aber eher so, dass die EU-Institutionen<br />
schon seit Langem die<br />
Herausforderungen erkannt und<br />
Lösungsvorschläge (unter anderem<br />
•<br />
Bekämpfung der Ursachen (Push-<br />
Faktoren) illegaler Migration in Partnerschaft<br />
mit den Herkunftsländern<br />
•<br />
Unterstützung von nahe den Herkunftsländern<br />
liegenden überforderten<br />
Zielländern<br />
•<br />
Optimierung der legalen Zuwanderungsmöglichkeiten<br />
in Partnerschaft<br />
mit den Herkunftsländern<br />
unter Berücksichtigung von selbstbestimmten<br />
Prioritäten der Aufnahmestaaten<br />
•<br />
Optimierung des UN-Resettlements<br />
(Umsiedlung aus überforderten<br />
Ländern in aufnahmebereite Länder)<br />
•<br />
Bekämpfung von Menschenschmuggel<br />
und -handel<br />
•<br />
Rettung von Menschenleben<br />
und humanitäre Hilfe an<br />
Migrationsrouten<br />
•<br />
Optimierung des EU-Außengrenzschutzes<br />
(unter anderem<br />
FRONTEX)<br />
•<br />
Etablierung eines „Gemeinsamen<br />
Europäischen Asylsystems“ mit<br />
einheitlichen Standards<br />
•<br />
abgestimmte Rückführung nicht<br />
Bleibeberechtigter<br />
•<br />
Unterstützung von betroffenen<br />
EU-Mitgliedsstaaten: Verteilung<br />
(Relocation), Finanzhilfen, …<br />
•<br />
Optimierung der Integration für<br />
Bleibeberechtigte<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
0 1 2 W e l T & S T r a T e G I e<br />
TODESZONE MITTELMEER<br />
Fluchtrouten nach Europa gibt<br />
es für Flüchtlinge und Migranten<br />
aus Afrika viele – die wohl gefährlichste<br />
führt über das Mittelmeer.<br />
Alleine im heurigen Jahr<br />
sind laut offiziellen Zahlen mehr<br />
als 2.000 Menschen auf diesem<br />
Weg ertrunken.<br />
Video-Tipp<br />
Im Videoblog „Feichtinger kompakt“<br />
informiert Brigadier Walter Feichtinger<br />
seit März 2017 in mittlerweile mehr als<br />
30 Sendungen über internationale Krisen<br />
und Konfliktregionen. Ganz aktuell<br />
beschäftigen sich zwei Folgen auch<br />
mit dem Thema Migration,<br />
nachzusehen auf dem<br />
YouTube-Videokanal<br />
des Bundesheeres.<br />
Unter Hinweis auf die Pull-Faktoren<br />
sollte außerdem die Diaspora in den<br />
Aufnahmeländern in die Überlegungen<br />
eingebunden werden. Im Wesentlichen<br />
rankten sich bis dato alle Diskussionen<br />
um diese Maßnahmen, wobei immer<br />
wieder einzelne als Allheilmittel erko-<br />
ren wurden. Es ist aber klar, dass angesichts<br />
des riesigen Migrantenpotenzials<br />
nur die Anwendung des gesamten<br />
Pakets zum langfristigen Erfolg führen<br />
kann. Entscheidend dabei ist jedenfalls<br />
ein koordinierter gesamtgesellschaftlicher<br />
Ansatz unter Einbeziehung aller<br />
staatlichen wie nichtstaatlichen Akteure<br />
auf allen Ebenen.<br />
Der Autor ist Mitarbeiter am Institut<br />
für Friedenssicherung und Konfliktmanagement<br />
an der Landesverteidigungsakademie.<br />
„Migration verlangt Ernsthaftigkeit!“<br />
BRIGADIER WALTER<br />
FEICHTINGER ist seit<br />
2002 Leiter des Instituts<br />
für Friedenssicherung und<br />
Konfliktmanagement (IFK)<br />
an der Landesverteidigungsakademie.<br />
es ist müßig, immer auf die „Migrationsgefahr“<br />
hinzuweisen, ohne ernsthaft die<br />
wesentlichen Probleme anzusprechen.<br />
drei aspekte stechen dabei hervor:<br />
Migration als Bedrohung<br />
In europa und den USa wird Migration<br />
derzeit primär als Gefahr dargestellt und<br />
empfunden. Wenn Präsident Trump einige<br />
Tausend Menschen, die richtung USa<br />
aufbrechen, als „Invasoren“ bezeichnet<br />
und ein militärisches Großaufgebot an die<br />
Grenze schickt, so ist das grotesk und überzogen.<br />
Migration ist ein uraltes Phänomen,<br />
das zum größtmöglichen Nutzen aller<br />
Beteiligten zu gestalten ist.<br />
Misswirtschaft und politisches Versagen<br />
die Kolonialzeit ist nicht das alleinige erklärungsmuster<br />
für desaströse Zustände und<br />
gewaltsame Konflikte in den Herkunftsländern.<br />
ohne ernsthafte Bekämpfung von<br />
Korruption, Vetternwirtschaft, systematischer<br />
ausgrenzung und Verfolgung von<br />
Minderheiten, randgruppen oder der<br />
opposition kann es weder Fortschritt noch<br />
positive entwicklung geben. ausländische<br />
Kooperationspartner und Wirtschaftstreibende<br />
sind daher aufgerufen, diesen Systemen<br />
keinen weiteren Vorschub zu leisten.<br />
ein fairer Wettbewerb samt Öffnung der<br />
Märkte wäre ein wichtiger Beitrag.<br />
Bevölkerungszunahme<br />
es klingt dramatisch, dass sich die Bevölkerung<br />
afrikas zwischen <strong>2018</strong> und 2050 verdoppeln<br />
wird. Im einklang mit ethischen<br />
und moralischen Grundsätzen ist zu fragen,<br />
wie verantwortungsvoll dieser Trend angesichts<br />
herrschender Hungersnöte und weitverbreiteter<br />
Perspektivenlosigkeit ist. aufklärung,<br />
Bildung und entwicklung sind die<br />
besten Garanten für ein „einpendeln“ der<br />
Geburtenrate. Gemeinsam mit Sicherheit<br />
müssen diese Bereiche daher im Zentrum<br />
aller Bemühungen sein.<br />
europäische Ängste und das Streben nach<br />
Schutz sind nach 2015 nachvollziehbar.<br />
Sie dürfen aber nicht dazu führen, dass<br />
wesentliche aspekte ausgeblendet und<br />
das eigene Handeln fehlgeleitet werden.<br />
FoTo S : G e T T Y I M aG e S , N a d j a M e I ST e r<br />
M I L I T Ä R A k T u E L L
Training Für Die Zukunft<br />
Aermacchi M-346: eine außerordentlich kosteneffiziente, technologisch<br />
fortgeschrittene Plattform für integrierte Trainingssysteme der nächsten Generation,<br />
Homeland Security und Air Policing. In den Luftwaffen Italiens, der Republik Singapur<br />
und Israels im Einsatz und in Produktion für die Luftwaffe Polens.<br />
Leonardo ist weltweit führend im Design, der Produktion und dem Support<br />
militärischer Flugzeuge. In den letzten 50 Jahren haben 2.000 Leonardo-Flugzeuge<br />
über 20.000 militärische und zivile Piloten in über 40 Ländern auf allen fünf<br />
Kontinenten trainiert.<br />
Inspiriert von der Vision, dem Forschungsdrang und dem Genie des großen Erfinders -<br />
Leonardo entwickelt die Technologie von morgen.<br />
leonardocompany.com<br />
Helicopters | Aeronautics | Electronics, Defence & Security Systems | Space
0 1 4 W E L T & S T R A T E G I E<br />
Die Entwicklung von Robotern und<br />
autonomen Waffensystemen sorgt für<br />
eine technologische Revolution der<br />
Schlachtfelder. Drohnenschwärme,<br />
selbstständig agierende Panzer und<br />
Unterwassersysteme verändern den<br />
Charakter des Krieges - und dessen<br />
ethische grenzen: Der Mensch tötet<br />
nicht mehr, er lässt töten.<br />
Text: JÜRGEN ZACHARIAS<br />
A<br />
m „Tag des<br />
jüngsten Gerichts“<br />
im Jahr<br />
2029 fegte ein<br />
atomares Armageddon<br />
Milliarden<br />
Menschen hinweg. Sie verglühten<br />
innerhalb von Sekundenbruchteilen,<br />
kamen in den Feuerstürmen um und<br />
starben an der massiven Strahlung.<br />
Die Welt stand nicht am Rande des<br />
Abgrunds, sie befand sich mittendrin –<br />
und das alles nur, weil Menschen die<br />
Kontrolle aus der Hand gegeben hatten.<br />
irgendwann abgeschaltet zu werden,<br />
mussten sie sich gegen ihre menschlichen<br />
Herren auflehnen. Also zettelten<br />
die Maschinen einen Atomkrieg an,<br />
jagten mit vollautomatischen Kriegsrobotern<br />
die wenigen Überlebenden und<br />
gingen sogar noch einen Schritt weiter:<br />
Mit einer Zeitmaschine schickten sie<br />
einen Androiden zurück ins Jahr 1984,<br />
um dort die Mutter des Anführers der<br />
menschlichen Resistance zu töten und<br />
damit die Wurzeln des Widerstands zu<br />
zerschlagen, bevor er sich überhaupt<br />
formieren kann.<br />
bedienen, Ziele ausmachen, kompakte<br />
Lagebilder schaffen und darin vollautonom<br />
agieren. Allerdings könnte es bis<br />
zu diesem Schritt nur noch wenige Jahre<br />
dauern, wenn man sich die jüngsten<br />
Entwicklungen in diesem Sektor vor<br />
Augen führt.<br />
Ferngesteuerte Marschflugkörper, die<br />
Tausende Kilometer weit fliegen können<br />
und auf ihrem Weg Hindernissen<br />
selbstständig ausweichen, sind in vielen<br />
Armee-Arsenalen längst Massenware.<br />
Ebenso Roboter, die Sprengsätze erken-<br />
KRIEG DER<br />
Weil Militärs intelligenten Computersystemen<br />
mehr vertraut hatten als ihren<br />
Soldaten. Weil sie die Verteidigung<br />
ihres Landes und die Kontrolle über<br />
ihre Raketen Bytes und Bits übertragen<br />
hatten und die intelligenten Verteidigungssysteme<br />
irgendwann ein eigenes<br />
Bewusstsein entwickelten. Und das<br />
sagte ihnen: Überleben – um jeden<br />
Preis! Um nicht Gefahr zu laufen,<br />
Zugegeben: Die Sache mit der Zeitreise<br />
ist auch heute, mehr als drei Jahrzehnte<br />
nach dem Erscheinen des Science-<br />
Fiction-Klassikers „Terminator“ immer<br />
noch Utopie. Der Rest des Plots scheint<br />
aber gar nicht mehr so weit hergeholt.<br />
Zwar ist die Technik auch jetzt noch<br />
nicht so weit, dass Roboter wie Arnold<br />
Schwarzenegger als Terminator T-800<br />
selbstständig unterschiedlichste Waffen<br />
nen und entschärfen. Algorithmen<br />
filtern für Militärs heute bereits riesige<br />
Datenmengen, autonom agierende Maschinengewehre<br />
fungieren als Grenzschützer<br />
und Drohnen schaffen präzisere<br />
und umfassendere Lagebilder als<br />
jemals zuvor. Dass unbemannte Fluggeräte<br />
gegen Terroristen oder feindliche<br />
Kombattanten sogar aktiv Kampfhandlungen<br />
setzen, gesteuert von einem<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
EXTRA<br />
16 SEITEN<br />
D O S S I E R<br />
DAS MILITÄR AKTUELL<br />
SCHWERPUNKT-<br />
THEMA<br />
ZUKUNFT<br />
FOTO : G E T T Y I M AG E S<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
0 1 6 W E L T & S T R A T E G I E<br />
Tausende Kilometer weit entfernt vor<br />
einem Computer sitzenden Operator?<br />
Auch das ist längst Realität! Aber was<br />
ist mit koordiniert agierenden Minidrohnen,<br />
die sich in Schwärmen von<br />
mehreren Hundert Stück und mit<br />
Sprengstoff beladen auf Stellungen<br />
stürzen? Was ist mit tierähnlich konstruierten<br />
Tragerobotern, die auf praktisch<br />
jedem Terrain einsetzbar sind?<br />
Und die zur Unterstützung von Stoßtrupps<br />
große Lasten über Hunderte<br />
Kilometer hinweg tragen können, ohne<br />
zwischendurch betankt oder auf andere<br />
Art und Weise gefüttert zu werden?<br />
Auch schon Realität? Und wenn ja,<br />
was ist mit den von Russland eher beiläufig<br />
angekündigten interkontinentalen,<br />
nuklear bewaffneten und angetriebenen<br />
autonomen Untersee-Torpedos,<br />
die sich selbst ihren Weg in feindliche<br />
Häfen suchen und mit einer ungeheuren<br />
Sprengkraft ganze Küstenabschnitte<br />
nachhaltig zerstören, verstrahlen<br />
und damit über viele Jahre hinweg unbenutzbar<br />
machen können? Nur eine<br />
besonders drastische Drohkulisse?<br />
Oder ebenso Zukunftsmusik wie<br />
Drohnen in Vogelform, die das Bewegungsmuster<br />
der Tiere perfekt imitieren,<br />
Zielräume aus der Luft aufklären<br />
und vorhandene Überlandhochspannungsleitungen<br />
zur eigenen Stromversorgung<br />
nutzen?<br />
Egal, wie lange die eine oder andere<br />
Entwicklung noch auf sich warten<br />
lässt, die Beispiele zeigen: Ob in der<br />
NEUES SOLDATENBILD<br />
Weniger Schlachtfeld und mehr Bildschirm – Soldaten<br />
werden in Zukunft immer seltener selbst zur Waffe<br />
greifen. Sie werden vielmehr über Monitore autonome<br />
Waffensysteme steuern und überwachen.<br />
Luft, zu Land, auf dem Wasser, unter<br />
Wasser, im Weltall oder im Cyberbereich<br />
– Militärs sind bei der Entwicklung<br />
unbemannter Systeme äußerst<br />
kreativ und es kann ihnen dabei insbesondere<br />
seit 9/11 und dem Beginn des<br />
Kriegs gegen den Terror nicht schnell<br />
genug gehen. Schon jetzt unterhalten<br />
rund 30 Staaten automatische Abwehrsysteme<br />
gegen Raketen- und Artilleriebeschuss,<br />
beinahe ebenso viele<br />
Länder betreiben Flotten mit bewaffneten<br />
Drohnen. Und da wie dort werden<br />
die Systeme immer autonomer.<br />
Die neue US-Drohne MQ-25 beispielsweise<br />
soll vollautomatisch auf<br />
Flugzeugträgern starten und landen<br />
und den – ebenfalls mit jeder Menge<br />
Sensoren vollgepackten – „Fünfte-Generation-Kampfjet“<br />
F-35 mit Treibstoff<br />
versorgen. Umgerüstete F-16 könnten<br />
den als Joint Strike Fighter bezeichneten<br />
neuen Super-Kampfjet in diesem<br />
Szenario als unbemannte Roboter begleiten.<br />
Die Russen wollen in ihrem als<br />
Okhotnik angekündigten „Sechste-Generation-Fighter“<br />
überhaupt gleich<br />
ganz auf einen Piloten verzichten. Unbemannt<br />
soll der Jäger die Art und<br />
Weise revolutionieren, wie Luftschlachten<br />
ausgetragen werden. Das<br />
Design verspricht eine echte aeronautische<br />
Zäsur zu werden, müssen die<br />
Ingenieure bei der Konstruktion doch<br />
weder auf den Piloten, noch auf die<br />
Wirkung von G-Kräften auf den<br />
menschlichen Körper, auf Schleudersitz<br />
und andere Schutzsysteme achten.<br />
Revolutionär sind auch die mit<br />
Sprengstoff beladenen israelischen<br />
Drohnen Harpy und Harop, die im<br />
Kamikaze-Stil feindliche Stellungen<br />
angreifen können. Spürt die Harpy bei<br />
ihren stundenlangen Flügen über einem<br />
zuvor definierten Gebiet Radarsequenzen<br />
von Luftabwehrsystemen auf,<br />
schlägt sie automatisch zu und stürzt<br />
sich ins Ziel. Die etwas größere Harop<br />
ist mit 23 Kilogramm Sprengstoff<br />
ausgerüstet und kann aktiv vorher<br />
bestimmte Ziele zerstören. Wie Ocean<br />
Aero beweist, macht der technologische<br />
Fortschritt auch vor dem Wasser<br />
nicht halt. Mit dem Submaran hat der<br />
zum Lockheed-Konzern gehörende<br />
Anbieter eine unbemannte Ozeandrohne<br />
entwickelt, die sich mit Windund<br />
Sonnenenergie über und unter<br />
Wasser bewegen und über lange Zeiträume<br />
hinweg Daten sammeln kann.<br />
Neue Lagebilder schaffen, lautet der<br />
Auftrag. Bestehendes Wissen verdichten,<br />
Lücken und Abwehrschwächen im<br />
Verteidigungsbund des Gegners ausmachen<br />
und damit den Weg bereiten<br />
für Kommandoaktionen und Angriffe,<br />
die im Idealfall von anderen autonomen<br />
Systemen geführt werden.<br />
Die raschen Fortschritte in der Robotik,<br />
in der Automatisierung, Digitalisierung<br />
und bei der Erforschung<br />
künstlicher Intelligenz treiben die Entwicklung<br />
jedenfalls rasant voran und<br />
lassen bald schon noch weit ausgereiftere<br />
Systeme greifbar werden. Waffen,<br />
die schneller und präziser agieren, als<br />
das die heutige Technik und erst recht<br />
der Mensch jemals schaffen könnten.<br />
Die ohne Probleme mit Unmengen an<br />
Daten hantieren, sich mit anderen Systemen<br />
austauschen, Informationen abgleichen<br />
und die Militärs bei Konflikten<br />
und Auseinandersetzungen einen<br />
großen strategischen Vorteil versprechen.<br />
Und die – das kommt noch<br />
dazu – helfen, die Zahl der benötigten<br />
Soldaten deutlich zu reduzieren. Es<br />
braucht heute keine 300 bis 400 Mann<br />
Besatzung mehr, um etwa einen<br />
Zerstörer zu betreiben. Maximal die<br />
Hälfte genügt, um die hochmodernen<br />
amerikanische Zumwalt-Schiffe zu<br />
steuern und zu bedienen – an Land ist<br />
die Entwicklung ähnlich. Schon in<br />
zehn bis fünfzehn Jahren – so Exper-<br />
FOTO S : G E T T Y I M AG E S<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
KRIEG DER ZUKUNFT<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
0 1 8 W e L T & S T R A T e g I e<br />
ten – wird sich die Zahl der Soldaten<br />
in Kampfeinheiten auf die Hälfte oder<br />
noch weniger reduzieren und die<br />
Schlagkraft trotzdem entscheidend erhöht<br />
werden. Brigaden würden dann<br />
nicht mehr wie heute bis zu 5.000 Soldaten<br />
stark sein, sondern nur noch<br />
1.500 bis 3.000 Mann. Und diese würden<br />
kaum mehr im Feld stehen und damit<br />
direkt der Gefahr von feindlichem<br />
Beschuss ausgesetzt sein, sondern vermehrt<br />
vor dem Bildschirm Robotersysteme<br />
steuern und bedienen, die an ihrer<br />
Stelle an vorderster Front agieren.<br />
Damit müsste auch das Bild des Soldaten<br />
völlig neu gezeichnet werden – an<br />
die Stelle von Sturmgewehr und Stahlhelm<br />
rücken Joystick und Headset.<br />
Und natürlich müssten auch in der<br />
Ausbildung die Schwerpunkte neu gesetzt<br />
werden: Dann würde es wohl weniger<br />
um das richtige Verhalten im Gelände,<br />
Ausdauerläufe und das Pumpen<br />
von Liegestütz gehen, als vielmehr um<br />
die rasche Verarbeitung von Informationen.<br />
Und um die präzise Koordination<br />
und den raschen Einsatz unterschiedlicher<br />
intelligenter Waffen und<br />
Plattformen.<br />
Die angeführten Beispiele zeigen: Autonom<br />
agierende Systeme machen<br />
schlagkräftige Armeen noch potenter.<br />
Sie geben aber auch kleinen Ländern<br />
und selbst Terrororganisationen wie<br />
dem Islamischen Staat die Möglichkeit,<br />
mit wenig Budget maximalen Schaden<br />
anzurichten. Noch vor wenigen Jahren<br />
war es für Rebellengruppen etwa undenkbar,<br />
selbst Luftangriffe durchzuführen.<br />
Mit kommerziell erhältlichen<br />
und mit Sprengstoff beladenen Drohnen<br />
ist das nun aber überhaupt kein<br />
Problem mehr – einige Tausend Euro,<br />
ein wenig Hirnschmalz und handwerkliches<br />
Geschick vorausgesetzt. Drohnen<br />
sind es auch, die in Zukunft hochtrainierte<br />
Special Forces und Kommandoeinheiten<br />
in vielen Einsatzszenarien<br />
obsolet machen könnten. Etwa wenn es<br />
darum geht, den hochrangigen General<br />
einer feindlichen Armee oder einen<br />
gesuchten Terroristen zu eliminieren.<br />
Minidrohnen erfüllen – ausgestattet<br />
mit Kamera und einer Gesichtserkennungs-Software<br />
und bewaffnet mit einigen<br />
Gramm Sprengstoff – die Mission<br />
effektiver, aus Sicht der Auftraggeber<br />
zudem deutlich smarter. Im Geschwader<br />
eingesetzt hätten derartige<br />
Minidrohnen sogar das Potenzial, die<br />
Garnison ganzer Stützpunkte und die<br />
Verteidigungskräfte großer Städte innerhalb<br />
weniger Minuten zu eliminieren<br />
und dabei die Infrastruktur kaum<br />
oder gar nicht zu zerstören. Städte, die<br />
vor ihrer Erstürmung erst wochenlang<br />
mit schwerem Gerät beschossen und<br />
in Schutt und Asche gelegt wurden wie<br />
noch im Zweiten Weltkrieg? Undenkbar!<br />
Nach dem Drohnensturm müssten<br />
kleine Stoßtrupps lediglich verbliebene<br />
Widerstandsnester ausheben, urbane<br />
Zentren würden mehr oder weniger<br />
unbeschädigt in Feindeshand fallen.<br />
Trifft bei all der beschriebenen Automatisierung<br />
und Autonomie der Waffensysteme<br />
in Zukunft aber immer<br />
noch der Mensch die Entscheidung<br />
über Leben und Tod? Oder machen das<br />
dann bereits die Maschinen? Und wie<br />
ist das rechtlich zu bewerten? Moralisch<br />
und ethisch? Und provokant<br />
nachgehakt: Wäre diese Entwicklung<br />
tatsächlich so furchterregend, wie sie<br />
sich für viele vermutlich anhört? Würden<br />
damit kriegerische Auseinandersetzungen<br />
nicht vielmehr auf das Wesentliche<br />
reduziert? Auf die Ausschaltung<br />
des Feindes mit größtmöglicher<br />
Vermeidung von Kollateralschäden.<br />
Würden Kriege damit nicht humaner,<br />
als das jetzt der Fall ist, soweit dieser<br />
Begriff in diesem Zusammenhang<br />
überhaupt angebracht ist?<br />
Seit Jahren zerbrechen sich Forscher,<br />
Wissenschaftler, Menschenrechtsorganisationen<br />
und Militärs über Antworten<br />
auf diese Fragen den Kopf – auf einen<br />
gemeinsamen Nenner sind sie bislang<br />
aber nicht gekommen. Groß verwundern<br />
muss das auch nicht, denn<br />
welche hochgerüstete Armee reglementiert<br />
schon freiwillig ihren in den<br />
vergangenen Jahren erarbeiteten Technologievorsprung.<br />
Moderne Streitkräfte<br />
können schon heute mit intelligenten<br />
Waffensystemen jederzeit, an jedem<br />
Ort der Welt eine letale Wirkung<br />
entfalten, ohne eigenes Personal zu gefährden<br />
und ohne vorher eine Kriegserklärung<br />
abgeben zu müssen. Interventionen<br />
sind dadurch immer dann umsetzbar,<br />
wenn sie hochrangige Militärs<br />
Harop<br />
Von Israel Aircraft Industries (IAI)<br />
entwickelte Loitering Weapon mit<br />
23 Kilogramm Sprengstoff, die<br />
stundenlang über einem Zielgebiet<br />
kreisen und mithilfe ihrer Sensorik<br />
automatisch vordefinierte<br />
Ziele im Kamikaze-Stil<br />
angreifen kann.<br />
Schwärme<br />
Koordiniert vorgehende<br />
Minidrohnen-Systeme könnten<br />
in Zukunft zur Bekämpfung von<br />
beweglichen und stationären<br />
Zielen eingesetzt werden<br />
und damit herkömmliche<br />
Abwehrmaßnahmen<br />
völlig überfordern.<br />
MQ-25<br />
Die autonom startende und<br />
landende US-„Tankstellendrohne“<br />
soll ausgehend von Flugzeugträgern<br />
Jets wie den F-35 Joint Strike<br />
Fighter mit Treibstoff versorgen.<br />
Damit können sie den Radius der<br />
Trägerflugzeuge deutlich<br />
erhöhen.<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
militärs verfügen in ihren arsenalen<br />
mittlerweile über eine große bandbreite an<br />
intelligenten Waffensystemen –<br />
drohnen gehören dazu ebenso wie<br />
unbemannte Wasser-, unterwasserund<br />
land-Plattformen.<br />
Platform M<br />
das aus der Ferne gesteuerte<br />
russische roboter-bodenfahrzeug<br />
(das bereits in syrien zum einsatz<br />
gekommen sein soll) ist mit<br />
sturmgewehr und granatwerfer<br />
ausgestattet und für aufklärungs-,<br />
Patrouillen- und kampfeinsätze<br />
geeignet.<br />
5<br />
Systeme<br />
der<br />
Zukunft<br />
KRIEG DER ZUKUNFT<br />
Submaran<br />
dieses Wind- und solarbetriebene<br />
oberflächen- und<br />
unterwasserschiff erleichtert die<br />
beobachtung und erkundung<br />
von meeres- und unterwassergebieten<br />
und liefert militärs<br />
damit deutlich umfassendere<br />
lagebilder als bisher.<br />
Foto s : W i k i m e d i a Co m m o n s / J u l i a n H e r zo g , 1 2 3 r F,<br />
a l a m y, o C e a n a e r o, e r i C s H i n d e l b oW e r / b o e i n g<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
0 2 0 W E L T & S T R A T E G I E<br />
für richtig halten. Und das präziser und<br />
mit weniger Aufwand als jemals zuvor<br />
in der Militärgeschichte. Darauf zu verzichten<br />
kommt für viele Generäle einer<br />
freiwilligen Schwächung der eigenen<br />
Truppe gleich – und die gilt es um<br />
jeden Preis zu vermeiden.<br />
Um abschließend einen Bogen zurück<br />
zum Beginn dieses Berichts zu schlagen:<br />
Am 26. September 1983 kam es in<br />
der Nähe von Moskau zu einem Szenario,<br />
das der eingangs beschriebenen<br />
Handlung des ersten Terminator-Films<br />
frappant ähnelte. Damals wurde kurz<br />
nach Mitternacht im Bunker von<br />
Oberstleutnant Stanislaw Petrow ein<br />
Alarm ausgelöst, sowjetischen Frühwarnsatelliten<br />
hatten den Start von fünf<br />
Interkontinentalraketen in den USA registriert.<br />
Petrow treten Schweißperlen<br />
auf die Stirn. Er läuft hin und her, fährt<br />
sich mit der Hand durch die Haare,<br />
blickt wieder und wieder ungläubig auf<br />
den Bildschirm. Sollten die Amerikaner<br />
tatsächlich einen Angriff wagen? Sollte<br />
damit das Undenkbare Realität werden?<br />
Aber warum greifen sie mit nur<br />
fünf Raketen an? Ihnen muss doch klar<br />
sein, dass Russland zurückschlagen<br />
wird – vernichtend. Was macht es aus<br />
Sicht der Amerikaner für einen Sinn,<br />
einen Angriff zu starten, der – trotz<br />
vermutlich vieler Millionen Todesopfer<br />
in einigen größeren russischen Städten<br />
– nur vergleichsweise geringen Schaden<br />
anrichten wird, und dann im Gegenschlag<br />
der Sowjetunion unterzugehen?<br />
Petrow grübelt. Der Offizier ist<br />
sich unsicher. Soll er den Alarm weitergeben<br />
oder nicht? Sekunden vergehen,<br />
dann hört er auf sein Bauchgefühl – er<br />
meldet einen Fehlalarm.<br />
Wie sich später herausstellen sollte,<br />
hatte das Frühwarnsystem angeschlagen,<br />
weil das Sonnenlicht durch untypische<br />
Wolkenformationen reflektiert<br />
worden war. Da man diese Möglichkeit<br />
bei der Programmierung des Systems<br />
schlichtweg nicht bedacht hatte, stand<br />
die Welt für Minuten am Rande des<br />
Abgrunds. Vor einem Sturz wurde sie<br />
schlussendlich nur deshalb gerettet,<br />
weil ein russischer Soldat auf seinen Instinkt<br />
gehört hatte. Ob ein Computersystem<br />
ähnlich entschieden hätte?<br />
ARTILLERIE<br />
Das Schießpulver sorgte in<br />
vielen Facetten für eine Revolution<br />
der Kriegsführung –<br />
etwa auch da es den Einsatz<br />
zunächst einfacher Kanonen<br />
möglich machte, die sowohl<br />
gegen Infanterie als auch Befestigungsmauern<br />
eingesetzt<br />
wurden. Erstmals dokumentiert<br />
wurde der Einsatz zur<br />
Mitte des 14. Jahrhunderts,<br />
Unterschiede zwischen Feld-,<br />
Festungs- und Belagerungsartillerie<br />
gab es zunächst keine.<br />
1.<br />
RITTER<br />
Die schon von den Römern<br />
bekannten Taktiken fanden mehr oder<br />
weniger bis ins Mittelalter Berücksichtigung.<br />
Von steigender Bedeutung<br />
wurde dann allerdings der Einsatz<br />
von Rittern – gut ausgebildeten<br />
Berufskriegern mit gesellschaftlicher<br />
Bedeutung, die im direkten Kampf der<br />
Infanterie haushoch überlegen waren.<br />
ARMBRUST<br />
In der Schlacht von Hastings (1066)<br />
erstmals in größerem Stil in Europa eingesetzt,<br />
wurde die Armbrust ebenso<br />
wie Langbögen beim Zweiten Lateranischen<br />
Konzil 1139 verboten, da sie<br />
wegen ihrer Reichweite und ihrer<br />
Durchschlagskraft gegen Rüstungen als<br />
unritterlich galt. Leitete den langsamen<br />
Niedergang des Rittertums ein.<br />
REVOLUTION:<br />
SCHIESSPULVER<br />
In China wurde bereits zwischen dem<br />
zehnten und zwölften Jahrhundert<br />
eine schwarze Substanz benutzt,<br />
um Projektile mit hohem Tempo<br />
abzufeuern. Bis das Pulver in Europa<br />
ankam, dauerte es noch zwei<br />
Jahrhunderte, dort führte es dann zur<br />
Einführung von Musketen, die nach und<br />
nach Pfeil und Bogen ablösten und die<br />
Kriegsführung von Grund auf veränderten.<br />
GEPANZERTE SCHIFFE<br />
Die Entwicklung besserer<br />
Kanonen machte hölzerne<br />
Schiffe immer verwundbarer,<br />
weshalb ab Mitte des 19. Jahrhunderts<br />
damit begonnen wurde<br />
Schiffe mit einer Panzerung aus<br />
Eisen zu versehen. 1859 stellte<br />
Frankreich mit der La Gloire das<br />
erste gepanzertes Holzschiff in<br />
Dienst, der technische Fortschritt<br />
führte Ende des 19. Jahrhunderts<br />
zum Bau erster Schlachtschiffe,<br />
die damals noch als Linienschiffe<br />
bezeichnet wurden.<br />
Steht mit Schallkanonen die nächste Entwicklung bereits ante portas?<br />
Amerikanische Behörden behaupten vor rund einem Jahr, in Kuba stationierte<br />
Diplomaten seien mit einer neuartigen, nicht hörbaren „Schallwaffe“ angegriffen<br />
worden. Zwar gibt es mit dem sogenannten „long range acoustic device“ (LRAD)<br />
tatsächlich ein auch von Militärs verwendetes Gerät, das mit hörbaren Schallwellen<br />
Sprache und Töne über große Distanzen übermitteln und mit schrillen,<br />
schmerzhaften Tönen Angreifer sogar außer Gefecht setzen kann, vergleichbare<br />
Waffen im Ultra- oder Infraschallbereich sind bisher allerdings keine bekannt.<br />
MASCHINENGEWEHR<br />
Vorläufer des Maschinengewehrs<br />
kamen bereits im Amerikanischen<br />
Bürgerkrieg (1861 bis<br />
1865) zum Einsatz, im Ersten<br />
Weltkrieg (1914 bis 1918) fand es<br />
dann massenhaft Verwendung.<br />
In Kombination mit Stacheldraht<br />
sorgte die verheerende Wirkung<br />
des Maschinengewehr-Feuers<br />
für große Vorteile der Verteidiger<br />
gegenüber den Angreifern,<br />
was mit ein Grund für die<br />
verlustreichen jahrelangen<br />
Stellungskriege jener Zeit war.<br />
G R A F I K : G OT T F R I E D H A L M S C H L AG E R<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
Meilensteine<br />
KRIEG DER ZUKUNFT<br />
der Waffentechnologie<br />
Die Erfindung des Schießpulvers und der Einsatz der ersten<br />
Atombombe gelten als die ersten zwei ganz großen Revolutionen<br />
der Kriegsführung – die Entwicklung autonomer Waffensysteme<br />
könnte nun die dritte Revolution einläuten.<br />
U-BOOT<br />
GIFTGAS<br />
PANZER<br />
KAMPFFLUGZEUGE<br />
MOTORISIERUNG<br />
Am 22. September 1914<br />
versenkte das deutsche U-Boot<br />
U-9 innerhalb von einer Stunde<br />
drei britische Panzerkreuzer<br />
und holte damit den Krieg auch<br />
unter Wasser. Wie dann zweieinhalb<br />
Dekaden später im<br />
Zweiten Weltkrieg feierte<br />
Deutschland zunächst auch zu<br />
Beginn des Ersten Weltkrieges<br />
große Erfolge seiner U-Boot-<br />
Flotte – mit Fortdauer des Krieges<br />
wurden die Jäger aber<br />
immer öfter zu Gejagten.<br />
Der Einsatz von rund 150 Tonnen<br />
Chlorgas durch deutsche<br />
Truppen in der Nähe des flandrischen<br />
Städtchens Ypern im<br />
Jahr 1915 gilt militärgeschichtlich<br />
als Geburtsstunde moderner<br />
Massenvernichtungswaffen.<br />
Anfangs wurde das<br />
Gas – günstiger Windstand<br />
vorausgesetzt – einfach aus<br />
Flaschen abgelassen, bald<br />
schon begann man den<br />
Kampfstoff aber auch in<br />
Granaten zu verschießen.<br />
Der österreichische Kaiser<br />
Franz Joseph I. bezeichnete<br />
einen von der Firma Austro-<br />
Daimler konstruierten Panzerwagen<br />
im Jahr 1906 als<br />
unbrauchbar, weil der Motorenlärm<br />
angeblich die Pferde<br />
seiner Entourage scheu<br />
machte. Die Briten setzten hingegen<br />
stärker auf die Entwicklung<br />
ihrer sogenannten Tanks,<br />
die sie unter anderem bei der<br />
Schlacht an der Somme erfolgreich<br />
zum Einsatz brachten.<br />
Schon kurz nach der Erfindung<br />
des Flugzeugs begannen<br />
Militärs weltweit mit der neuen<br />
Technologie zu experimentierten.<br />
Zunächst wurden einzelne<br />
Maschinen zur Frontaufklärung<br />
eingesetzt. Nachdem der Franzose<br />
Roland Garros an seiner<br />
Maschine 1915 ein Maschinengewehr<br />
angebracht hatte,<br />
kam es aber immer öfter auch<br />
zu Luftkämpfen und auch<br />
zu ersten Einsätzen gegen<br />
Bodenziele.<br />
Über Jahrhunderte hinweg<br />
trugen Pferde, Esel und<br />
Planwagen die Hauptlast der<br />
militärischen Ausrüstung. Der<br />
technologische Fortschritt und<br />
die beginnende Motorisierung<br />
von Fahrzeugen bereitete nun<br />
aber nicht nur Panzern und<br />
Lastwagen den Weg, sondern<br />
ermöglichte den Militärs auch<br />
ein schnelleres Vorrücken.<br />
Nazi-Deutschland nutzte die<br />
sich bietenden Möglichkeiten<br />
für seine „Blitzkrieg“-Taktik.<br />
3. REVOLUTION:<br />
REVOLUTION:<br />
AUTONOME WAFFENSYSTEME<br />
DIGITALISIERUNG 2. ATOMBOMBE<br />
FLUGZEUGTRÄGER<br />
Nach der Entwicklung von Schießpulver<br />
und Atomwaffen könnte die<br />
Entwicklung von autonomen Waffensystemen<br />
die dritte Revolution<br />
der Kriegsführung sein. Aktuell<br />
kommen weltweit zwar noch<br />
nirgendwo offensive, vollautonome<br />
Kriegsgeräte zum Einsatz,<br />
allerdings werden Waffen zusehens<br />
automatisiert und autonomisiert<br />
– die aktuellen Fortschritte in<br />
Robotik, Automatisierung und<br />
Digitalisierung beschleunigen die<br />
Entwicklung immer weiter.<br />
Computer erleichterten in den<br />
vergangenen Jahrzehnten die<br />
militärische Kommunikation,<br />
verbesserten aber auch die<br />
Präzision, Handhabung, Steuerung<br />
und Effektivität vieler<br />
Waffen. Dazu kommt, dass<br />
Streitkräfte in den vergangenen<br />
Jahren auch vermehrt Kräfte im<br />
Cyberbereich aufgebaut<br />
haben, um dort selbst aktiv<br />
werden und die nationale<br />
Infrastruktur vor Angriffen<br />
beschützen zu können.<br />
Die zweite Revolution der<br />
Kriegsführung begann am<br />
6. August 1945 mit dem Abwurf<br />
der Atombombe Little Boy vom<br />
US-Bomber Enola Gay auf<br />
die japanische Stadt Hiroshima.<br />
Drei Tage später ließen die<br />
Amerikaner die Bombe Fat Man<br />
auf Nagasaki folgen und zwangen<br />
damit das Kaiserreich Japan zur<br />
Kapitulation. Heute gibt es weltweit<br />
neun Atommächte, die in<br />
ihren Arsenalen rund 16.300<br />
Atomsprengköpfe lagern.<br />
Blieb der Einsatz von Flugzeugen<br />
zunächst auf Land- und<br />
Küstengebiete beschränkt,<br />
erlaubten Start- und Landeplattformen<br />
auf Schiffen nun auch<br />
den Einsatz über Wasser als<br />
zusätzliche Komponente der<br />
Seekriegsführung. Als erster<br />
Flugzeugträger der Geschichte<br />
gilt die britische HMS Argus,<br />
die am 16. September 1918 in<br />
Dienst gestellt wurde.<br />
RAKETEN<br />
Raketen gleichen die Reichweiten-Nachteile<br />
der Artillerie aus und können auch<br />
über Hunderte und Tausende Kilometer<br />
hinweg Ziele treffen. Erstmals zum<br />
Einsatz kam die Technologie im<br />
Zweiten Weltkrieg, als die von Nazi-<br />
Deutschland als Wunderwaffe gepriesene<br />
V2 vor allem auf London und<br />
später auf Antwerpen abgefeuert wurde.<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
0 2 2 W E L T & S T R A T E G I E<br />
Interview: JÜRGEN ZACHARIAS<br />
Fotos: SEBASTIAN FREILER<br />
„ES MUSS Oberstleutnant Markus Reisner<br />
beschreibt in seinem Buch „Robotic<br />
IMMER<br />
Wars“ den aktuellen Forschungsstand<br />
bei autonomen Waffensystemen.<br />
ZUERST<br />
Wir wollten von ihm wissen:<br />
Wohin geht die weitere Entwicklung?<br />
Sind vollautonome Systeme in Zukunft<br />
ETWAS<br />
denkbar? Und: Was hat das mit der<br />
Büchse der Pandora zu tun?<br />
PASSIEREN! “<br />
H<br />
err Reisner, in Medien ist derzeit<br />
viel von autonomen Waffensystemen<br />
die Rede. Etwa von autonom<br />
agierenden Atom-Torpedos und<br />
von Minidrohnen, die gezielt Terroristen<br />
ausschalten. Was davon<br />
ist Fiktion? Was bereits einsetzbar?<br />
Wir befinden uns tatsächlich mitten in einer sogenannten<br />
„Revolution in Military Affairs“, in der vieles<br />
von dem, was die meisten Menschen als Science-<br />
Fiction bezeichnen würden, bereits Realität geworden<br />
ist. Die Entwicklung autonomer militärischer<br />
Systeme bekam infolge von 9/11 einen entscheidenden<br />
Technologieschub. Ab diesem Zeitpunkt<br />
wurde begonnen viel Geld in neue militärische<br />
Entwicklungen zu investieren und daher gibt es<br />
heute in allen Domänen der Kriegsführung –<br />
Luft, Land, See, Weltraum und Cyberraum –<br />
mehr oder weniger der Öffentlichkeit bekannte<br />
– Systeme, die mit einem immer höheren<br />
Autonomiegrad agieren.<br />
Man kann also davon ausgehen, dass<br />
Militärs über mehr technische Möglichkeiten<br />
verfügen, als sie bekannt<br />
geben?<br />
Kann man das nicht immer? Das Militär<br />
war – insbesondere in Zeiten<br />
herausfordernder kriegerischer<br />
Auseinandersetzungen – schon<br />
immer ein wichtiger Treiber<br />
technologischer Weiterentwicklungen.<br />
Diese führten<br />
dann Jahre später auch in zivilen Bereichen – wie<br />
beispielsweise im Falle des Internet oder des GPS –<br />
zu revolutionären Innovationen. Und natürlich finden<br />
viele dieser neuen Entwicklungen anfangs erst<br />
im Geheimen statt.<br />
Wie weit hinkt das Wissen der Öffentlichkeit<br />
der militärischen Realität hinterher?<br />
Dies ist eine berechtigte Frage. Manchmal werden<br />
militärische Neuentwicklungen erst durch Zufall<br />
bekannt, also wenn beispielsweise eine neu entwickelte<br />
Drohne abstürzt oder eine neuartige Software<br />
entdeckt wird. Plötzlich tauchen dann Bilder<br />
der Trümmer in der Öffentlichkeit auf oder die<br />
Entwickler von Antivirensoftware schlagen Alarm.<br />
Manches neues System wird dabei auch vom<br />
Gegner nach seiner Entdeckung gezielt enttarnt.<br />
Wir denken bei derartigen Neuentwicklungen<br />
meist an die USA, die weltweit in vielerlei<br />
Hinsicht nach wie vor führend<br />
sind. Man sollte aber auch nicht unterschätzen,<br />
was an Entwicklungen<br />
mittlerweile – oder gerade auch –in<br />
Israel, in Russland und in China passiert.<br />
Man möchte in keinem Fall ins<br />
Hintertreffen geraten und darum<br />
werden hohe Summen in die Erforschung<br />
neuer Systeme gesteckt. Die<br />
Defense Advanced Research Projects<br />
Agency (Anm.: DARPA) des US-<br />
Verteidigungsministeriums verfügt<br />
alleine über ein Jahresbudget von<br />
drei Milliarden Euro.<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
KRIEG DER ZUKUNFT<br />
Ist die Entwicklung autonomer Waffensysteme<br />
auf diese Länder und andere große<br />
Streitkräfte beschränkt?<br />
Nein, der Wissenstransfer hat bereits auch in<br />
das Portfolio von terroristischen Gruppierungen<br />
Einzug gehalten. Der Islamische Staat etwa<br />
hat im Irak und in Syrien handelsübliche Drohnen<br />
zur Aufklärung oder mit Sprengstoff bestückt<br />
als fliegende Bomben eingesetzt. Wiederholt<br />
wurden auch aus Drohnen selbst gebastelte<br />
Sprengkörper abgeworfen. Anfang dieses<br />
Jahres kam es in Israel zu einer Zäsur, als eine<br />
den iranischen Revolutionsgarden zugeordnete,<br />
in Syrien gestartete und mit Sprengstoff ausgestattete<br />
Drohne in den israelischen Luftraum<br />
eindrang. Dort wurde sie unverzüglich von einem<br />
israelischen Apache-Kampfhubschrauber<br />
abgeschossen. Dies war für Israel eine unangenehme<br />
Überraschung. Israel griff als Reaktion<br />
auch die Bodenkontrollstation der Drohne in<br />
Syrien an, dabei wurde auch eine israelische<br />
F-16 abgeschossen.<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
0 2 4 W E L T & S T R A T E G I E<br />
Israel wurde aber auch davor immer<br />
wieder aus Nachbarländern beschossen.<br />
Schon, aber bei diesem Angriff handelte<br />
es sich nicht wie sonst um eine ungelenkte<br />
Rakete, sondern um ein System,<br />
das sich exakt steuern und damit gezielt<br />
einsetzen ließ. Es wäre möglicherweise<br />
in der Lage gewesen, ein ausgewähltes<br />
Ziel punktgenau zu attackieren. Spannend<br />
daran ist, dass die iranische Drohne<br />
frappant jener amerikanischen RQ-<br />
170 Sentinel ähnelte, die aufgrund ihrer<br />
Einsätze in Afghanistan auch als „Biest<br />
von Kandahar“ bekannt wurde. Im Dezember<br />
2011 ging dann eine dieser US-<br />
Drohnen über dem Iran verloren, angeblich<br />
wurde sie von einer Spezialeinheit<br />
zur elektronischen Kriegsführung<br />
übernommen und zur Landung gezwungen.<br />
Es kommt für den Verlust jedoch<br />
auch ein technisches Gebrechen<br />
infrage. Drei Jahre später präsentierte<br />
der Iran dann jedenfalls eine selbst entwickelte<br />
Drohne mit großer Ähnlichkeit.<br />
Sie wurde als Saeqeh (zu Deutsch:<br />
Donner) bezeichnet und war offensichtlich<br />
Anfang <strong>2018</strong> in Israel zum<br />
Einsatz gebracht worden.<br />
Wie automatisiert oder autonom<br />
agieren diese Systeme mittlerweile?<br />
In der Frage versteckt ist die Krux an<br />
der Geschichte, nämlich die Begrifflichkeit.<br />
Grundsätzlich unterscheiden<br />
wir zwischen Automation und Autonomie.<br />
Ein Automat ist ein System, das<br />
beispielsweise an einem Fließband automatisiert<br />
Arbeitsschritte durchführt,<br />
während Autonomie voraussetzt, dass<br />
das maschinelle System zu einem gewissen<br />
Maße selbstständige Entscheidungen<br />
treffen kann. Dabei unterscheidet<br />
man im Prinzip drei Stufen der<br />
menschlichen Einflussnahme. Diese<br />
sind menschliche Voll- und Teilsteuerung<br />
beziehungsweise völlige maschinelle<br />
Selbststeuerung. Der Punkt ist,<br />
dass wir aktuell noch immer in dem<br />
Bereich sind, in dem der Mensch die<br />
Letztentscheidung trifft.<br />
Die Betonung liegt auf „noch“?<br />
Ja, denn wie vorhin schon erwähnt,<br />
weisen die neu entwickelten Systeme<br />
immer höhere Stufen von Autonomie<br />
auf. Alle namhaften Drohnen-Hersteller<br />
arbeiten aktuell beispielsweise an<br />
sogenannten „Sense and Avoid“-Systemen,<br />
die es einer Drohne unter anderem<br />
ermöglichen, selbstständig zu starten,<br />
zu landen und das Einsatzgebiet zu<br />
erreichen. Mögliche Hindernisse – wie<br />
andere Luftfahrzeuge – werden von<br />
den Sensoren der Drohne erkannt und<br />
eine entsprechende eigenständige Flugsteuerung<br />
durchgeführt. Der Operator<br />
erspart sich dadurch unspektakuläre<br />
Routinetätigkeiten und kann sich ganz<br />
auf die unmittelbare Einsatzsteuerung<br />
– also das Auslösen der mitgeführten<br />
Luft-Boden-Raketen – konzentrieren.<br />
So lassen sich viel rascher hintereinander<br />
Einsätze durchführen.<br />
Könnten die Systeme nicht längst<br />
auch vollautonom agieren? Einsätze<br />
also ganz ohne Zutun des Menschen<br />
ausführen?<br />
Auch um diese Frage beantworten zu<br />
können, müssen wir zuerst neuerlich<br />
die Begrifflichkeit klären. Die Frage ist:<br />
Was verstehen wir unter Teilautonomie<br />
und was unter Vollautonomie? Wenn<br />
wir unter einem vollautonomen System<br />
eines mit technischer Singularität –<br />
also im Sinne sogenannter künstlicher<br />
Intelligenz – verstehen, dann muss man<br />
sagen, nein, so weit sind wir noch nicht.<br />
Was es aber schon gibt, sind Systeme,<br />
die in einem bestimmten Raum weitgehend<br />
autonom agieren können und im<br />
Fall der Fälle in der Lage sind, klar definierte<br />
Schritte bis hin zur Bekämpfung<br />
eines „Eindringlings“ zu setzen. Ob dieser<br />
Eindringling aber ein verirrtes Tier<br />
ist oder jemand, der einen Sprengsatz<br />
deponieren will, kann das System nicht<br />
unterscheiden und daher kann es auch<br />
nicht „vernünftig“ reagieren.<br />
Technisch dürfte das aber wohl nur<br />
eine Frage der Zeit sein, oder?<br />
Definitiv! Daher sollten wir auch möglichst<br />
rasch die Frage beantworten, ob<br />
wir Waffen mit künstlicher Intelligenz<br />
und einer – im menschlichen Sinne<br />
gedachten – Vernunftebene überhaupt<br />
zulassen wollen und ob wir wirklich<br />
wollen, dass eine Maschine oder eine<br />
Software über Leben und Tod entscheidet.<br />
Die Wissenschaft neigt dazu, hemmungslos<br />
an der Kreation von Neuem<br />
zu arbeiten. Dazu ein Bespiel: Während<br />
der Entwicklung der Atombombe hat<br />
Robert Oppenheimer zu keinem Zeitpunkt<br />
gesagt, dass man damit Schluss<br />
machen sollte, weil damit möglicherweise<br />
die ganze Menschheit vernichtet<br />
werden kann. Erst hinterher bezeichnete<br />
er sich selbst als den „Zerstörer der<br />
Welten“, da war die Büchse der Pandora<br />
aber längst geöffnet …<br />
… und ließ sich seitdem auch nicht<br />
mehr schließen.<br />
Es gibt zwar einen Atomwaffensperrvertrag,<br />
ein generelles Verbot von<br />
Kernwaffen gibt es aber nicht. Eine derartige<br />
Initiative wurde erst vor Kurzem,<br />
sehr zum Missfallen der Atommächte,<br />
neuerlich gestartet. Ein anderes Beispiel<br />
ist die Luftkriegsführung, für deren<br />
Regelung es bis heute keine Konvention<br />
gibt. Und warum? Weil schon<br />
nach dem Ersten Weltkrieg viele Staaten<br />
klar zu erkennen gegeben haben,<br />
dass sie sich die Möglichkeiten des neuen<br />
Waffensystems nicht einschränken<br />
lassen wollen. Beim Einsatz von Giftgas<br />
konnte man sich zwar zu einem Verbot<br />
durchringen, aber auch erst, als man<br />
gesehen hatte, welch furchtbare Wirkung<br />
es hat. Neue Entwicklungen wie<br />
Lethal Autonomous Weapon Systems<br />
(LAWS) oder Angriffssoftware im<br />
Cyberbereich könnten daher für die<br />
Menschheit ähnlich schwerwiegend<br />
sein. Vermutlich würden uns erst die<br />
Folgen des Einsatzes von derartigen<br />
militärischen „Disruptive Technologies“<br />
darüber nachdenken lassen, den<br />
Einsatz zu beschränken.<br />
Muss also immer erst etwas passieren,<br />
bevor man etwas verbietet?<br />
So kann man das wohl auf den Punkt<br />
bringen, ja.<br />
Im Zusammenhang mit autonomen<br />
Waffensystemen ist immer wieder<br />
von einer dritten Revolution der<br />
Kriegsführung die Rede – teilen Sie<br />
diese Einschätzung?<br />
Der Einsatz autonomer Waffensysteme<br />
verspricht auf die Kriegsführung in der<br />
Tat eine ähnlich einschneidende Wirkung<br />
zu haben wie die Erfindung des<br />
Schießpulvers, der Armbrust, des<br />
Maschinengewehrs, des Flugzeugs und<br />
schließlich von Nuklearwaffen. Daher<br />
sollte man sich auch sehr genau überlegen,<br />
ob man diese Büchse der Pandora<br />
tatsächlich aufmachen möchte.<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
Militärs werden wohl kaum freiwillig<br />
einem Verbot zustimmen.<br />
Deshalb sehe ich das Thema auch sehr<br />
fatalistisch. Als im 12. Jahrhundert in<br />
Europa die Armbrust aufkam, wurde<br />
ihr Einsatz sogar kirchlich gebannt,<br />
sie galt als unritterlich – zum Einsatz<br />
kam sie trotzdem. Der Unterschied<br />
ist aber nun, dass wir uns dieses Mal<br />
nicht sicher sein können, unsere Entwicklung<br />
auch zu hundert Prozent<br />
kontrollieren zu können. Es besteht<br />
die Gefahr, dass wir in unserer Technikhörigkeit<br />
zu „Sklaven der Technik“<br />
werden. Oder noch schlimmer: Was,<br />
wenn wir autonome Systeme entwickeln,<br />
die sich möglicherweise selbst<br />
als vernünftige Wesen erkennen?<br />
Würden diese es zulassen, dass man<br />
sie abschaltet? Ich denke nicht!<br />
Sie würden wohl Mittel und Wege<br />
suchen, das eigene Überleben zu<br />
sichern, so wie das intelligente<br />
Waffensystem Skynet in den<br />
Terminator-Filmen?<br />
Das ist natürlich sehr fiktional, aber<br />
nicht denkunmöglich. Es wäre vielleicht<br />
tatsächlich das Ziel der intelligenten<br />
Maschinen, ihre „unvollkommenen“<br />
menschlichen Erfinder auszulöschen.<br />
Österreich tritt bekanntlich für ein<br />
Verbot derartiger Systeme ein.<br />
Ja, und das ist auch gut so. Das neutrale<br />
Österreich kann dahingehend<br />
mahnend den Finger heben und darauf<br />
hinweisen, dass mit der Entwicklung<br />
von vollautonomen Kampfmaschinen<br />
eine gefährliche Entwicklung<br />
stattfindet.<br />
Die Großmächte wird das aber<br />
wohl kaum interessieren.<br />
Das ist richtig, aber der Umstand des<br />
Hinweisens kann trotzdem als Denkanstoß<br />
genügen, das eigene Tun zu<br />
hinterfragen. Wenn keine mahnenden<br />
Stimmen da sind, auf wen soll man<br />
dann hören? Die Betroffenen, die<br />
Streithähne, die sich gegenüberstehen,<br />
denken nicht mehr rational –<br />
dafür braucht es ein drittes Element.<br />
Trotzdem wird man wohl nur sehr<br />
leise gehört werden, wenn die Amerikaner<br />
sogar argumentieren, dass<br />
KRIEG DER ZUKUNFT<br />
autonome Systeme ein viel genaueres<br />
Agieren möglich machen und<br />
damit helfen, Kollateralschäden im<br />
Kriegsfall zu minimieren. Dieser<br />
Denkweise folgend wären diese<br />
Systeme sogar zu begrüßen, oder?<br />
Natürlich, die Entwicklung neuer teilautonomer<br />
Systeme hat durchaus<br />
auch seine positiven Seiten. Dies<br />
möchte ich nicht in Abrede stellen. So<br />
ist der Einsatz entsprechender Systeme<br />
wohl gegenüber Flächenbombardements<br />
– wie sie aktuell in Syrien<br />
immer noch praktiziert werden – zu<br />
bevorzugen. Diese Systeme hätten somit<br />
theoretisch durchaus das Potenzial,<br />
Konflikte in einem gewissen Rahmen<br />
einzuhegen und Kollateralschäden<br />
in Grenzen zu halten. Es könnte<br />
so gelingen, die Grundsätze des humanitären<br />
Völkerrechts wie Unterscheidung<br />
und Verhältnismäßigkeit<br />
einzuhalten.<br />
Könnten damit – weitergedacht –<br />
irgendwann hochgerüstete Roboterarmeen<br />
unsere Kriege austragen<br />
und menschliche Verluste mehr<br />
oder weniger ganz reduziert werden?<br />
Sehr theoretisch ist das denkbar, die<br />
Frage ist aber: Wo führt das hin? Verfügen<br />
beide Seiten über ähnliche Systeme,<br />
herrscht eine Symmetrie der<br />
Kräfte, die aber durchbrochen werden<br />
muss, um den eigenen Kräften<br />
zum Sieg zu verhelfen …<br />
Wir wären also mitten in einem<br />
neuen Wettrüsten?<br />
Gewissermaßen, ja. Wenn ein Land<br />
wie China ankündigt, Tausende Panzer<br />
zu autonomen Kampfmaschinen<br />
umzurüsten, oder Russland erklärt,<br />
autonom agierende nukleare Torpedos<br />
zu entwickeln, die ganze Küstenstädte<br />
in Schutt und Asche legen<br />
können, dann provoziert das natürlich<br />
Gegenmaßnahmen und -entwicklungen.<br />
Wo führt die Entwicklung also hin?<br />
Sie führt uns auf die nächste Stufe der<br />
Kriegsführung – wie in der Entwicklung<br />
der Menschheit die Erfindung<br />
des Rades oder im militärischen Be-
0 2 6 W E L T & S T R A T E G I E<br />
reich die Erfindung des Schießpulvers.<br />
Man kann die Entwicklung nicht mehr<br />
aufhalten, man kann nur versuchen,<br />
die Konsequenzen in überschaubaren<br />
Bahnen zu halten und zu verhindern,<br />
dass uns die Kontrolle entgleitet. In<br />
letzter Konsequenz muss es immer der<br />
Mensch sein, der entscheidet, was die<br />
von ihm geschaffenen Dinge tun und<br />
das gilt auch und vor allem für die<br />
Frage über Leben und Tod. Diese Frage<br />
auszulagern ist inhuman.<br />
Sie sind selbst Offizier: Was bedeutet<br />
diese Entwicklung für das Bundesheer?<br />
Werden Länder wie Österreich<br />
in einem Konflikt durch die technologische<br />
Weiterentwicklung nicht noch<br />
chancenloser, als sie es ohnehin<br />
bereits waren?<br />
Wenn man ehrlich ist, dann schwindet<br />
vor dem Hintergrund der neuesten<br />
Entwicklungen die Bedeutung vieler bekannter<br />
konventioneller Waffensysteme.<br />
Sie werden zwar nicht ersetzt, aber sie<br />
werden marginalisiert. Und wenn man<br />
dann auch noch den Punkt berücksichtigt,<br />
dass viele der neuen modernen<br />
Waffensysteme nur mit elektrischer<br />
Energie betrieben und gesteuert werden<br />
können, dann kommt in Zukunft eben<br />
genau die Kontrolle dieser Energie und<br />
somit dem Cyberraum eine immer größere<br />
Bedeutung zu. In diesem Bereich<br />
können nun aber auch kleine Länder und<br />
Armeen vergleichsweise gute Sicherhei-<br />
ten entwickeln, die sie einerseits nicht<br />
angreifbar machen und ihnen andererseits<br />
auch das Potenzial geben, selbst<br />
aktiv zu werden. Das gleiche gilt übrigens<br />
auch für terroristische Organisationen,<br />
die nun nicht mehr auf spektakuläre<br />
Anschläge angewiesen sind, sondern<br />
mit wenigen Klicks viel schlimmere<br />
Katastrophen verursachen können,<br />
zu denen sie mit herkömmlichen Mitteln<br />
nie fähig gewesen wären. Wir kommen<br />
durch die technologische Entwicklung<br />
also in eine Situation, die auch eher<br />
ressourcenschwachen Ländern und Institutionen<br />
große Möglichkeiten gibt.<br />
Die mächtigsten Staaten der Welt mit<br />
den stärksten Streitkräften können<br />
nichts dagegen tun, wenn sie irgendwo<br />
im Cyberbereich eine Hintertür offenstehen<br />
gelassen haben, über die jemand<br />
eindringen und ihre Armeen und deren<br />
Führungssysteme lahmlegen kann.<br />
In seinem Buch „Robotic Wars“ (<strong>2018</strong>, Miles-Verlag, 392 Seiten) geht<br />
Oberstleutnant Markus Reisner auf den aktuellen Entwicklungsstand bei<br />
unbemannten militärischen Robotern ein. Und er geht der Frage nach,<br />
ob wir Menschen es zulassen wollen, dass in Zukunft die Entscheidung<br />
über Leben und Tod von vollautonomen, mit künstlicher Intelligenz<br />
ausgestatten Maschinen getroffen wird.<br />
Heißt das, dass sich kleine Länder<br />
wie Österreich vor allem im Cyberbereich<br />
Nischen suchen und dynamischer<br />
agieren müssen, um den Großen<br />
Paroli bieten zu können?<br />
Kleine Länder sind definitiv gefordert,<br />
genau zu beobachten und mitzudenken,<br />
was an technologischen Entwicklungen<br />
gerade passiert, um eben zu<br />
vermeiden, dass man ins Hintertreffen<br />
kommt. Man darf nicht vergessen, dass<br />
Österreich ein Hochtechnologieland<br />
ist und dass darauf schlussendlich auch<br />
unser Wohlstand beruht. Wir sollten<br />
also danach trachten, dass uns dieses<br />
Wissen und dieser Vorsprung nicht<br />
verloren gehen und man nicht zu einem<br />
leichten Opfer wird, das man so im<br />
Vorbeigehen einfach mitnimmt. Das ist<br />
auch mit relativ geringen Mitteln machbar,<br />
dazu braucht es keinen „Fünfte-Generation-Kampfjet“<br />
oder vollautonom<br />
agierende Kampfpanzer, sondern nur<br />
eine richtige Schwerpunktsetzung verbunden<br />
mit dem Aufbau entsprechender<br />
Kapazitäten. Ein reiches Land wie<br />
Österreich sollte sich das eigentlich<br />
leisten können. Tun wir es nicht, dann<br />
werden wir möglichen Gegnern zukünftig<br />
schutzlos ausgeliefert sein. Das<br />
Wort „vielleicht“ existiert in diesem Zusammenhang<br />
nicht! Es wäre durch „mit<br />
Sicherheit“ zu ersetzen. Es liegt also an<br />
uns, ob wir dieses Szenario Wirklichkeit<br />
werden lassen oder nicht.<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
EXPERTEN<br />
RUNDE<br />
Drohnen, unbemannte Lastenträger und<br />
selbstständig fahrende Fahrzeuge – das<br />
Arsenal von Streitkräften weltweit wird immer<br />
moderner, ein von Kampfrobotern anstelle von<br />
Soldaten geführter Krieg erscheint mittlerweile<br />
durchaus vorstellbar. Aber wollen wir das<br />
tatsächlich zulassen? Bis wohin darf Technik<br />
gehen? Braucht es eine Rüstungskontrolle<br />
für Roboter? Und wenn ja: Wie könnte diese<br />
aussehen? Wir haben drei Experten mit<br />
diesen Fragestellungen konfrontiert.<br />
KRIEG DER ZUKUNFT<br />
AUTONOME WAFFEN?<br />
GASTKOMMENTAR<br />
Foto : B e i G e St e l lt<br />
Streitkräfte auf der ganzen Welt<br />
loten den einsatz von künstlicher<br />
intelligenz für militärische Zwecke<br />
aus. im Falle „autonomer Waffensysteme“<br />
kann dies bedeuten, dass die Maschine<br />
selbstständig nach Zielen sucht,<br />
diese auswählt und bekämpft – ohne<br />
menschliche Aufsicht und Kontrolle.<br />
Dieses selbstständige erfassen und Bekämpfen<br />
von Zielen ist natürlich weder<br />
gänzlich neu noch per se problematisch.<br />
Stationäre Verteidigungssysteme<br />
mit dieser Fähigkeit sind schon seit Jahrzehnten<br />
im einsatz. Sofern diese auf anfliegende<br />
Munition wie Mörsergranaten<br />
oder Raketen – also unbelebte Ziele –<br />
schießen, bleiben sie eine willkommene<br />
und unwidersprochene einsatzmöglichkeit<br />
für Waffenautonomie. Anders bei<br />
zukünftig möglichen mobilen Systemen,<br />
die belebte Ziele oder direkt Menschen<br />
suchen und attackieren. Hier wirft Waffenautonomie<br />
gravierende völkerrechtliche,<br />
sicherheitspolitische und ethische<br />
Probleme auf.<br />
Aus kriegsvölkerrechtlicher Sicht ist unklar,<br />
wer die Verantwortung trägt, sollte<br />
ein autonomes Waffensystem Zivilisten<br />
ein dem militärischen Ziel unangemessenes,<br />
nicht rechtfertigbares und somit<br />
illegales leid zufügen. Aus sicherheitspolitischer<br />
Sicht drohen neue eskalationsrisiken.<br />
Von den Finanzmärkten sind<br />
unvorhersehbare interaktionen zwischen<br />
Algorithmen samt sogenannter flash<br />
crashes längst bekannt – was, wenn<br />
nicht nur Aktienkurse einbrechen,<br />
sondern Waffensysteme schießen?<br />
Aus ethischer Sicht stellt sich die Frage,<br />
ob es nicht die Würde des Menschen<br />
verletzt, entscheidung über leben und<br />
tod auf dem Schlachtfeld an anonyme<br />
Algorithmen zu delegieren.<br />
Die Staatengemeinschaft bei den Vereinten<br />
Nationen in Genf diskutiert das<br />
thema seit 2014. Bereits gut zwei Dutzend<br />
Staaten fordern dort ein völkerrechtlich<br />
bindendes Verbot von autonomen<br />
Waffen. Österreich gehört zu den<br />
DR. FRANK<br />
SAUER<br />
forscht und lehrt<br />
an der Universität<br />
der Bundeswehr<br />
München<br />
und twittert<br />
@drfranksauer.<br />
Der Autor gibt<br />
seine persönliche<br />
Meinung wieder.<br />
Vorreitern bei diesem Bemühen um<br />
internationale Rüstungskontrolle. Zu<br />
Recht, denn die Kontrolle über Waffen<br />
sollte – außer bei Verteidigungssystemen<br />
– in Menschenhand bleiben.<br />
Alles andere würde eine<br />
ethische Grenze überschreiten. Denn<br />
das Mindeste, das wir den im Krieg<br />
von uns getöteten Menschen schuldig<br />
sind, ist, mit ihrem Sterben weiterhin<br />
unser menschliches Gewissen<br />
zu belasten.<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
0 2 8 W e l t & s t R A t e g i e<br />
GASTKOMMENTAR<br />
KRIEG IM<br />
ZEITRAFFER<br />
UNIV. PROF. DR.<br />
HEINZ GÄRTNER<br />
ist Professor für<br />
Politikwissenschaft.<br />
Er ist unter anderem<br />
an der Universität<br />
Wien und am<br />
International<br />
Institute for Peace<br />
(IIP) tätig.<br />
Autonome Waffensysteme<br />
(AWs), die selbst ihre Ziele<br />
auswählen und auch treffen,<br />
ohne dass soldaten in Kampfhandlungen<br />
involviert sind, werden<br />
technisch immer möglicher. Diese<br />
Kriegsführung autonomer Waffensysteme<br />
basiert auf der sammlung<br />
und speicherung von Datenmengen<br />
feindlicher strategien und systeme.<br />
Die Anwendung von Hardware wird<br />
nur möglich, wenn sie von intelligenter<br />
software gesteuert wird. Die militärischen<br />
implikationen gehen weit über<br />
die AWs hinaus. sie sind in die künstliche<br />
intelligenz (Ai) eingebaut, die letztlich<br />
die politischen entscheidungen der<br />
Politik erleichtern soll. Das ist wahrscheinlich,<br />
ersetzen wird sie sie nicht.<br />
entscheidungsträger entscheiden über<br />
die nationale sicherheit auf der basis,<br />
wann, wo, warum, wie und unter welchen<br />
Umständen militärische gewalt<br />
angewendet werden soll. es führt kein<br />
Weg vorbei an der traditionellen Methode:<br />
Diagnose – einschätzung – entscheidung<br />
– evaluation. Ai kann entscheidungsträgern<br />
instrumente in die<br />
Hand geben, effektiver zu handeln und<br />
auch AWs besser einzusetzen und Muster<br />
zu sehen, die vorher nicht sichtbar<br />
waren. Datenanalysen und Algorithmen<br />
sind von Menschen für Menschen<br />
entwickelt, und sind nur so nützlich, wie<br />
nützlich sie Menschen machen. Politik<br />
kann Ai zur Unterfütterung von entscheidungen<br />
benützen, ähnlich wie sie Wissenschaft<br />
gebraucht.<br />
Ai verhindert nicht irrationalität in der<br />
Politik. Falsche Kriegsentscheidungen<br />
sind damit nicht ausgeschlossen. Der<br />
erste Weltkrieg wäre genauswenig verhindert<br />
worden wie der irakkrieg des<br />
george W. bush oder die Annahme,<br />
bashar al-Assad in syrien werde stürzen<br />
wie gaddafi in libyen. Alternative informationen<br />
waren in jedem Fall vorhanden.<br />
Durch Ai werden entscheidungen –<br />
auch falsche – im Zeitraffer mit weniger<br />
Nachdenkzeit umgesetzt, AWs führen<br />
zu schnellerer truppenverlegung, Zielerfassung<br />
und -vernichtung. Wenn Politiker<br />
entscheidungen ausschließlich auf<br />
der basis der informationen von Ai treffen<br />
und Kommandanten sich ausschließlich<br />
auf AWs verlassen, sind sie entweder<br />
dumm oder faul.<br />
GASTKOMMENTAR<br />
ÖSTERREICH IN DIE ERSTE REIHE!<br />
DR. THOMAS<br />
ROITHNER ist<br />
Friedensforscher<br />
und Privatdozent für<br />
Politikwissenschaft<br />
an der Universität<br />
Wien.<br />
Herstellen können wir das alles,<br />
sagte mir kürzlich ein<br />
Vertreter eines europäischen<br />
Rüstungskonzerns auf meine Frage<br />
nach „intelligenten“ autonomen<br />
Waffensystemen. seine ergänzung<br />
und des Pudels Kern: sofern die Politik<br />
das wünscht.<br />
im kommenden eU-Haushalt gibt es<br />
erstmals einen Rüstungsfonds samt<br />
budget. Konzerne saßen beim skizzieren<br />
mit am tisch und wittern nun<br />
goldgräberstimmung. Drohnen sind nur<br />
ein teil. exzellent versteht es die Rüstungsbranche,<br />
lobby bei den eU-institutionen<br />
zu betreiben. 2005 – kaum die<br />
Rede von künstlicher intelligenz bei<br />
Waffen – stellte man am eU-institut für<br />
sicherheitsstudien fest, dass derartige<br />
entscheidungen „nicht mehr nur von<br />
unmittelbaren erfordernissen bestimmter<br />
Krisen“ geleitet sind, „sondern auch von<br />
den strukturellen, technologischen, industriellen<br />
und wirtschaftlichen Aspekten“.<br />
Das globale Verhältnis von Politik<br />
und Rüstung wurde seither nicht transparenter.<br />
Wedelt heute der Hund mit dem<br />
schwanz oder umgekehrt?<br />
geächtet sind heute biowaffen, Chemiewaffen<br />
und Anti-Personen-Minen. Auch<br />
ein Verbotsvertrag für Atomwaffen liegt<br />
zur Ratifizierung auf. besonders beim<br />
Verbot von Atomwaffen und Minen ist<br />
Österreich in der allerersten Reihe gestanden.<br />
Und Österreich wartet auch<br />
diesmal nicht, bis autonome Kampfroboter<br />
untereinander das humanitäre Völkerrecht<br />
ausdiskutieren, bevor sie abdrücken.<br />
bei der entwicklung ist besonders<br />
den sicherheitsratsmitgliedern auf die<br />
Finger zu schauen. Die Zivilgesellschaft<br />
kann dabei helfen.<br />
es braucht eine genaue Regulierung, besser<br />
ein Verbot im Rahmen der UNo. Das<br />
Argument eines durch Kampfroboter ausgelösten<br />
Flächenbrandes abseits menschlichen<br />
einflusses ist stärker als jenes der<br />
Kriege ohne menschliche irrtümer. Die<br />
Zurechenbarkeit von kriegerischen Handlungen<br />
und Kriegstoten droht weiter zu<br />
erodieren. Krieg per Algorithmus, Verantwortung<br />
perdu und der Mensch ist außen<br />
vor. es braucht auch bei autonomen<br />
Waffen ein belastbares Netz an verifizierbaren<br />
Regeln zur stärkung des UN-gewaltverbots,<br />
bevor der geist ganz aus<br />
der Flasche ist. Und bevor der schwanz<br />
mit dem Hund wedelt.<br />
Foto s : b e i g e st e l lt<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
www.aero.cz | www.l-39ng.cz
0 3 0 h e e r & M e h r<br />
Nach den starken Regenfällen und Überflutungen Ende Oktober<br />
im Süden Österreichs standen in den vergangenen Wochen<br />
zahlreiche Soldaten des Bundesheeres im Assistenzeinsatz.<br />
Mit teils schwerem Gerät wurden zahlreiche Aufräum-<br />
und Wiederherstellungsarbeiten geleistet. In<br />
der Nähe von Waidegg im Kärntner Gailtal half das<br />
Bundesheer beispielsweise, einen gebrochenen<br />
Damm zu schließen. Dabei setzten zwei S-70<br />
Black Hawk insgesamt 80 Panzerigel und 220<br />
mit Schotter gefüllte „Big Bags“ (sackartige Behälter)<br />
an der Schadstelle ab. Zivile Einsatzkräfte konnten<br />
diese Barrikade in der Folge mit Unterstützung der<br />
Villacher Pioniere verstärken und den Damm schließen.<br />
BLACK HAWK D<br />
VIDEO-AUSZEICHNUNGEN<br />
Bei den austrian Video awards in den Gösserhallen in Favoriten<br />
wurde das Bundesheer Mitte november mit zwei<br />
awards ausgezeichnet. der preis in der Kategorie „360-<br />
Grad-Video“ ging an den mehrdimensionalen Clip „das<br />
Bundesheer im Überblick“, die serie „tagwache mit Kratky“<br />
wurde zur besten „Branded Content“-idee gewählt. in<br />
der Videoreihe besucht Ö3-star robert Kratky jeweils eine<br />
einheit und darf teile der ausbildung mitmachen. die bislang<br />
13 veröffentlichten Folgen kommen auf vier Millionen<br />
Views, freut sich oberst Michael hafner von der abteilung<br />
information und Öffentlichkeitsarbeit: „robert Kratkys<br />
truppenbesuche vermitteln einen bildstarken einblick in<br />
die aktivitäten und leistungen des Bundesheeres.“<br />
www.youtube.com/c/österreichsbundesheer<br />
Foto s : B u n d e s h e e r , h B F/ da n i e l t r i p p o lt, o r F,<br />
B u n d e s h e e r / h o r st G o r u p<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
N E W S A U S D E N S T R E I T K R Ä F T E N<br />
AMM<br />
SALZBURGER IST<br />
„SOLDAT DES JAHRES <strong>2018</strong>“<br />
Im Rahmen der Matinee „Militär des Jahres <strong>2018</strong>“ würdigte Verteidigungsminister<br />
Mario Kunasek Mitte November Soldatinnen<br />
und Soldaten, zivile Bedienstete sowie Dienststellen des Bundesheeres<br />
für besondere Leistungen im Jahr <strong>2018</strong>. Dabei wurde Vizeleutnant<br />
Richard Prenter als „Soldat des Jahres“ ausgezeichnet.<br />
Der gebürtige Kärntner ist für die militärische Sicherheit in der<br />
Schwarzenberg-Kaserne verantwortlich und wirkt maßgeblich<br />
bei der Ausbildung und Führung des Wachzuges mit. In der Kategorie<br />
„Einheit des Jahres“ gewann die Fliegereinheit „Aviation<br />
Detachment EUFOR ALTHEA“, der IT-Experte Manfred Schmidt<br />
wurde als „Zivilbediensteter des Jahres <strong>2018</strong>“ ausgezeichnet und<br />
Gefreiter Lukas Holzer als „Rekrut des Jahres“. Vizeleutnant<br />
Christian Brunninger erhielt die Sonderkategorie „Bester Werber<br />
für Freiwillige Meldungen zu Milizübungen <strong>2018</strong>“.<br />
ÖBH & ORF: NEUES<br />
ONLINE-VIDEOARCHIV<br />
Der ORF hat in seiner TVthek ein neues<br />
Videoarchiv zum Bundesheer online gestellt.<br />
Darin wird die Geschichte des Bundesheeres<br />
in Form von Beiträgen und Sendungen des<br />
ORF aus den vergangenen Jahrzehnten multimedial<br />
dargestellt. Es widmet sich bedeutenden<br />
heeresgeschichtlichen Entwicklungen<br />
und Geschehnissen seit den 1960er -Jahren,<br />
aber auch Themen wie den Auslandseinsätzen.<br />
www.tvthek.orf.at/archive<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
0 3 2 H E E R & M E H R<br />
„Ich muss dafür sorgen,<br />
dass die Besatzung<br />
eine schlagkräftige<br />
Einheit bildet!“<br />
Wachtmeister Mathias Hofbauer<br />
DER<br />
KOMMANDANT<br />
Als Panzerkommandant koordiniert Wachtmeister Mathias Hofbauer die Abläufe<br />
am Kampfpanzer Leopard – das verlangt von ihm viel Fitness und Konzentration, gute<br />
Führungsqualitäten und bedeutet weit mehr als nur Dienst am schweren Gerät.<br />
Text: JOHANNES LUXNER<br />
Fotos: SEBASTIAN FREILER<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
T R U P P E N B E S U C H<br />
intErviEw<br />
„Es gilt viele schnelle<br />
Entscheidungen zu treffen!“<br />
TROCKENTRAINING Im Rahmen der Ausbildung von<br />
angehenden Panzerkommandanten wird zunächst<br />
am Simulator ausgebildet und Schritt für Schritt an die<br />
militärischen Aufgaben herangeführt. Scharf geschossen<br />
wird dann etwa am Truppenübungsplatz in Allentsteig.<br />
Wachtmeister Mathias Hofbauers militärische<br />
Heimat ist das Panzerbataillon 14<br />
in der Welser Hessen-Kaserne. Dort ist<br />
der 27-Jährige in der 1. Panzerkompanie<br />
als Panzerkommandant, aber auch in der<br />
Ausbildung junger Soldaten tätig.<br />
Worin bestehen die konkreten Aufgaben<br />
eines Panzerkommandanten?<br />
Prinzipiell geht es darum, die Besatzung<br />
eines Kampfpanzers zu führen und zu koordinieren,<br />
damit alle Abläufe entsprechend<br />
ineinandergreifen, was natürlich nach entsprechenden<br />
Vorbereitungen, Trainings und<br />
Übungen verlangt. Ich muss dafür sorgen,<br />
dass die Besatzung eine schlagkräftige Einheit<br />
bildet: Es handelt sich um eine Schnittstellenfunktion<br />
und es gilt viele schnelle Entscheidungen<br />
zu treffen. Große Teile unserer Arbeit<br />
spielen sich draußen ab, wir sind viel im<br />
Gelände unterwegs. Fitness ist daher ein großer<br />
Faktor. Ich bin aber auch in der Ausbildung<br />
von Grundwehrdienern und angehenden<br />
Panzerkommandanten tätig – die Bandbreite<br />
ist also sehr groß.<br />
Warum haben Sie sich für eine militärische<br />
Laufbahn entschieden?<br />
Ich bin ausgebildeter Werbetechniker, doch<br />
während meines Grundwehrdienstes am<br />
Panzer wuchs meine Begeisterung von Woche<br />
zu Woche. Die Tätigkeit und das Arbeitsklima<br />
haben mir gefallen. Dazu kommt, dass<br />
mir das Militärische nicht ganz unbekannt<br />
war. Ich komme aus einer Militärfamilie –<br />
schon mein Großvater und mein Onkel waren<br />
in diversen Funktionen beim Bundesheer.<br />
Was schätzen Sie an Ihrem Beruf?<br />
Dass er immer wieder sehr spannende Momente<br />
mit sich bringt. Die Verlegungen auf<br />
den Truppenübungsplatz Allentsteig, wo mit<br />
dem Leopard auch scharf geschossen wird,<br />
zählt ebenso dazu wie internationale Wettbewerbe.<br />
Der Schießwettbewerb im Rahmen<br />
der Strong European Tank Challenge, ein<br />
multinationaler Panzerwettbewerb, war<br />
bisher einer der absoluten Höhepunkte in<br />
meiner Laufbahn. Wir haben dort viele Leute<br />
aus anderen Ländern kennengelernt und<br />
Einblicke in die Abläufe bei anderen Armeen<br />
bekommen. Das war extrem interessant.<br />
OUTDOORJOB Übungen sind<br />
ein zentraler Teil von Wachtmeister<br />
Hofbauers Tätigkeit als Panzerkommandant.<br />
Vieles spielt sich dabei<br />
draußen ab und körperliche Fitness<br />
ist dafür eine Grundvoraussetzung.<br />
TECHNISCHE FACETTEN Für den<br />
Beruf des Panzerkommandanten<br />
sind große Teamfähigkeit und entsprechende<br />
Führungskompetenzen<br />
entscheidend. Die Tätigkeit erfordert<br />
aber auch viel technisches<br />
Wissen hinsichtlich der Panzer, um<br />
für alle militärischen Situationen<br />
bestmöglich gerüstet zu sein.<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
IM ERNSTFALL<br />
STETS BEREIT.<br />
WIR SCHÜTZEN ÖSTERREICH.<br />
Unvorhersehbare Ereignisse erfordern permanente Einsatzbereitschaft.<br />
Investitionen in das Bundesheer sind Investitionen in die Sicherheit Österreichs.<br />
bundesheer.at
0 3 6 H E E R &<br />
M<br />
E H R<br />
PANZER<br />
Von 17. September bis 14. Oktober verlegten Soldaten des Panzerbataillons 14<br />
und des Panzergrenadierbataillons 35 zur Informationslehrübung <strong>2018</strong><br />
auf den Truppenübungsplatz Bergen in Norddeutschland, um dort dem Führungsnachwuchs<br />
der Deutschen Bundeswehr die Abläufe in einem modernen<br />
Gefecht zu veranschaulichen. Text: DIETER MUHR Mitarbeit: OSKAR BAUMEISTER & OLIVER ARNING<br />
W<br />
umm! Wumm!<br />
Donnernd verlässt<br />
Granate<br />
um Granate die<br />
Rohre der beiden<br />
Leopard-<br />
Kampfpanzer, der Rückstoß schüttelt<br />
die bis zu 70 Tonnen schweren Kolosse<br />
kräftig durch. Staub steigt auf, ein<br />
Maschinengewehr knattert. Noch<br />
einmal knallt es heftig, dann legen die<br />
beiden Leos den Rückwärtsgang ein.<br />
Sie ziehen mehre Dutzend Meter lange<br />
Staubfahnen hinter sich her und<br />
tauchen – an mehreren Büschen vorbei<br />
– in einer kleinen Senke ab. Sie<br />
proben damit den geordneten Rückzug,<br />
verschwinden im „Fog of War“,<br />
der hier am ausgetrockneten Gelände<br />
des Truppenübungsplatzes Bergen in<br />
der Lüneberger Heide in Deutschlands<br />
Norden förmlich greifbar wird.<br />
Wieder knallt und kracht es, ein Hubschrauber<br />
fliegt über das Gelände.<br />
Einmal im Jahr ist hier in Niedersachsen<br />
auf halber Strecke zwischen<br />
Hamburg und Hannover für zehn<br />
Tage Krieg. Rund 2.000 Soldaten trainieren<br />
dann bei der Informationslehrübung<br />
der Bundeswehr, kurz ILÜ, den<br />
militärischen Ernstfall. Im Rahmen<br />
eines fiktiven Szenarios üben Panzer,<br />
Panzergrenadiere, Artillerie, Pioniere<br />
und Kampfhubschrauber im scharfen<br />
Schuss den Kampf der verbundenen<br />
Kräfte in einer Mission der Vereinten<br />
FOTO S : PA N Z E R B ATA I L LO N 1 4 , B U N D E SW E H R H E E R E SV E R B I N D U N G SSTA B<br />
Ö ST E R R E I C H<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
I L Ü 2 0 1 8<br />
STAUBIGE ANGELEGENHEIT<br />
Die Trockenheit der vergangenen<br />
Wochen und Monate sorgte am<br />
Truppenübungsplatz Bergen für<br />
ungewohnte Bedingungen und<br />
meterlange Staubfahnen.<br />
IM SCHARFEN SCHUSS In insgesamt<br />
28 Übungsdurchgängen wurden die<br />
Abläufe geprobt, 21 davon wurden im<br />
scharfen Schuss absolviert.<br />
ON TOUR<br />
FEUER! Die Bundesheer-Soldaten konnten<br />
bei der ILÜ ihre Fähigkeiten im Gefechtsschießen<br />
vor allem in der Phase Verzögerung<br />
unter Beweis stellen.<br />
Nationen. Angenommener Schauplatz<br />
dafür ist die Republik Altraverdo,<br />
die seit 1965 unabhängig ist und<br />
deren Beziehungen zum Nachbarstaat<br />
Wislanien nicht die besten sind.<br />
Immer wieder kommt es zu Grenzstreitigkeiten;<br />
eine Gewalteskalation<br />
führt zum Abzug einer eingesetzten<br />
UNO-Beobachtermission. Da weitere<br />
Vermittlungsversuche der UNO an<br />
der ablehnenden Haltung Wislaniens<br />
scheitern, bittet die UNO um militärische<br />
Unterstützung. Davon unbeeindruckt<br />
will Wislanien seine Gebietsansprüche<br />
mit Waffengewalt<br />
durchsetzen. Die Kommandos Sanität<br />
und Cyber- und Informationsraum<br />
(CIR) der Bundeswehr sind in dieses<br />
Szenario ebenso eingebunden wie die<br />
Streitkräftebasis – es handelt sich bei<br />
der ILÜ um die größte Übung von<br />
Landstreitkräften in Deutschland.<br />
Wobei: Ganz genau genommen ist die<br />
ILÜ gar keine Übung, sondern eine<br />
„Übungs-Vorführung“. An verschiedenen<br />
Stationen wird dem militärischen<br />
Führungsnachwuchs in Bergen<br />
ein Bild vom künftigen Anforderungsszenario<br />
vermittelt. Die ILÜ<br />
EINSATZ IM HOHEN NORDEN Verlegt<br />
wurde großteils mit der Bahn, vom Gefechtsverband<br />
des Panzerbataillons 203 wurden<br />
die Österreicher gut aufgenommen.<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
0 3 8 H E E R & M E H R<br />
KONTINGENTSKOMMANDANT<br />
MAJOR CHRISTIAN BRUNMAYR<br />
war mit der österreichischen Teilnahme<br />
an der ILÜ rundum zufrieden. Jetzt gilt<br />
es in der Nachbereitung die „Lessons<br />
Identified“ und „Lessons Learned“<br />
aufzubereiten und nach den<br />
anstrengenden vier Wochen<br />
„Zeit mit der Familie zu verbringen“.<br />
gesamt 28 Übungsdurchgängen wurden<br />
21 im scharfen Schuss absolviert.<br />
Brunmayr zufrieden: „Es konnten alle<br />
gestellten Aufträge durchgeführt werden.<br />
Grund hierfür ist sicherlich die<br />
dem österreichischen Soldaten aller<br />
Ebenen innewohnende Flexibilität,<br />
die vor allem bei komplexeren Problemstellungen<br />
zum Tragen kam.“<br />
GEFREITE ANNA FRIEBE ist seit 2016 in<br />
der 2. Kompanie des Panzerbataillons 14 als<br />
Panzerfahrerin eingesetzt. Ihr gefällt das spannende<br />
und abwechslungsreiche Berufsbild<br />
und die Kameradschaft. Außerdem sagt sie<br />
selbstbewusst: „Wer fährt schon Panzer?!“<br />
„Es ist spannend die anderen Waffensysteme<br />
zu sehen. Ich kenne jetzt dank der ILÜ auch<br />
den deutschen Leopard A6 und A7.“<br />
dient damit als „Vorzeigeübung“ für<br />
Lehrgänge und Kommanden der<br />
Bundeswehr, denen ein anschaulicher<br />
Eindruck des modernen Gefechtes<br />
geboten werden soll und die auf großen<br />
Tribünen das staubige Geschehen<br />
aufmerksam verfolgen. Und dabei<br />
bekommen sie neben deutschen<br />
Soldaten auch internationale Kräfte<br />
zu sehen: Neben einem Kontingent<br />
des deutschen NATO-Partners Niederlande<br />
waren heuer im Oktober<br />
erstmals auch 78 Soldaten des Panzerbataillons<br />
14 aus Wels und Grenadiere<br />
des Panzergrenadierbataillons<br />
35 aus Großmittel bei der ILÜ mit<br />
dabei.<br />
Das österreichische Kontingent unter<br />
dem Kommando von Major Christian<br />
Brunmayr verlegte nach einer dreiwöchigen<br />
Vorbereitung am Truppenübungsplatz<br />
Allentsteig Mitte September<br />
mit zwölf Leopard, sechs<br />
Ulan und 24 Radfahrzeugen sowie 29<br />
Containern großteils per Bahn nach<br />
Bergen, wo es vom Gefechtsverband<br />
des deutschen Panzerbataillons 203<br />
gut aufgenommen wurde. Brunmayr<br />
selbst hatte schon im Vorfeld an drei<br />
Planungsbesprechungen und einem<br />
Kick-off-Meeting teilgenommen, beschreibt<br />
die Zusammenarbeit mit den<br />
deutschen Kameraden gegenüber<br />
Militär Aktuell als professionell und<br />
vorbildlich: „Das war alles sehr harmonisch.<br />
Wir hatten ein Ziel vor Augen,<br />
das es gemeinsam zu erreichen<br />
galt.“ Und das gemeinsam hart erarbeitet<br />
wurde: Die Österreicher waren<br />
im Gefechtsschießen mit Schwergewicht<br />
in der Phase Verzögerung eingesetzt.<br />
Die in Altraverdo mobilisierten<br />
Kräfte hatten dabei den Auftrag,<br />
die angreifenden Feindkräfte aus<br />
Wislanien einzubremsen und zu<br />
verlangsamen, um der hinter ihnen<br />
befindlichen Verteidigung Zeit zum<br />
Aufbau von befestigten Stellungen<br />
und Wechselstellungen zu geben, die<br />
anschließend das Vorrücken der Angreifer<br />
stoppen sollten. Von den ins-<br />
Ein lauter Knall. In Bergen bebt schon<br />
wieder die Erde. Infanteristen stürmen<br />
unter Feuerschutz ein Haus, später<br />
wird der Abtransport von Verletzten<br />
geübt. Sanitäter übernehmen die<br />
Erstversorgung, mittels MEDEVAC<br />
und NH90-Hubschrauber werden einige<br />
Soldaten ausgeflogen. Der Heli<br />
zieht tief über die Bäume hinweg,<br />
setzt auf einer Lichtung kurz auf und<br />
hebt dann nach Aufnahme einiger<br />
Patienten auch schon wieder ab. Das<br />
Programm auf der ILÜ ist dicht, auch<br />
Minenräumgeräte kommen zum Einsatz,<br />
Panzer und Panzerhaubitzen,<br />
Faltstraßengeräte, Kräne, Verbindungsfahrzeuge,<br />
Transport-Lkw<br />
und viele andere Gerätschaften.<br />
Für das österreichische Kontingent<br />
bedeutet die Übung ein enormes<br />
Plus, wie Brunmayr erklärt: „Vor allem<br />
in der strategischen Verlegungsfähigkeit<br />
konnten wir neue Erfahrungen<br />
sammeln. Es galt zudem zahlreiche<br />
Bestimmungen von Zoll bis über<br />
Gefahrenguttransporte zu beachten,<br />
um rechtzeitig im Einsatzraum<br />
gefechtsbereit zu sein.“ Auszeichnen<br />
konnte sich vor Ort laut dem Kontingentskommandanten<br />
neben den<br />
österreichischen Panzerbesatzungen,<br />
die spätestens seit ihrem Sieg bei der<br />
„Strong Europe Tank Challenge 2017“<br />
und dem dritten Platz bei der diesjährigen<br />
Auflage international hohes Ansehen<br />
genießen, auch das „vergleichsweise<br />
kleine Logistikelement“. Gebildet<br />
wurde es von einem Instandset-<br />
FOTO S : B U N D E SW E H R H E E R E SV E R B I N D U N G SSTA B Ö ST E R R E I C H<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
I L Ü 2 0 1 8<br />
WACHTMEISTER PATRICK CSIKI<br />
Der in Linz geborene Panzerkommandant<br />
ist 22 Jahre alt und zum ersten Mal bei<br />
einer großen Übung dabei. „Dass unsere<br />
Aufgabe nicht einfach ist, wussten wir.<br />
Dass wir gemeinsam mit den Deutschen<br />
so intensiv vorgeübt haben, war zwar<br />
anstrengend, hat mich in meiner Aufgabe<br />
aber sicherer gemacht.“<br />
VIZELEUTNATN<br />
HANS-PETER UNTERLERCHER<br />
ist Kommandant des Instandsetzungszugs<br />
beim Panzerbataillon 14. Der gebürtige Bad<br />
Ischler dient seit 34 Jahren im Bundesheer<br />
und ist mit Leib und Seele Panzermann. „Wir<br />
verfolgen ein anderes Instandsetzungskonzept<br />
als die Bundeswehr. Vieles der Material -<br />
erhaltung machen wir im Bataillon selbst. Wir<br />
haben daher einen großen Erfahrungsschatz,<br />
der von den deutschen Kameraden geschätzt<br />
wurde. Die Deutschen haben wiederum Erfahrungen<br />
aufgrund der vielen internationalen<br />
Einsätze, die sie bestreiten.“<br />
WACHTMEISTER<br />
MARTIN KÜHBERGER<br />
ist Transportfahrer beim Panzerstabsbataillon 4<br />
in Wels. Der 29-Jährige kommt aus Grein an<br />
der Donau und ist seit 2010 in der Truppe.<br />
Kühberger ist Berufssoldat und als Transportexperte<br />
war er insbesondere vom Fahren<br />
auf sandigem Untergrund, wie er in der<br />
niedersächsischen Heide vorwiegend<br />
vorzufinden ist, beeindruckt. „Die<br />
Zusammenarbeit mit den deutschen<br />
Kameraden war einwandfrei und tadellos.“<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
0 4 0 H E E R & M E H R<br />
AUFSTELLUNG Ein Teil des österreichischen Kontingents bei der ILÜ am Truppenübungsplatz Bergen in Norddeutschland.<br />
zungsteil des Panzerbataillons 14 sowie<br />
einem Nachschub- und Transportelement<br />
aus dem Panzerstabsbataillon<br />
4. „Die geleistete Arbeit war<br />
hervorragend und ermöglichte, immer<br />
acht voll einsatzbereite Kampfpanzer<br />
sowie vier voll einsatzbereite<br />
Schützenpanzer für die Auftragserfüllung<br />
zur Verfügung zu haben.“ Als herausfordernd<br />
beschreibt Brunmayr<br />
die lange Einsatzzeit: „Es galt vier<br />
Wochen Material und Personal ,einsatzbereit‘<br />
zu halten, was nur durch<br />
den hohen Durchhaltewillen der eingesetzten<br />
Soldaten erreicht werden<br />
konnte. Die Belastungen waren<br />
durch eine Vielzahl an Überstunden,<br />
die zu leisten waren, sehr hoch.“<br />
Die ILÜ ist übrigens nicht nur eine<br />
Leistungsschau, sondern auch ein<br />
Trendbarometer. Die jährlich stattfindende<br />
Veranstaltung wird inhaltlich<br />
stets den Erfordernissen der Zeit<br />
und den wahrscheinlichsten Einsatzszenarien<br />
der Deutschen Bundeswehr<br />
angepasst. Bildete die ILÜ bis<br />
vor wenigen Jahren vor allem Szenarien<br />
ab, wie sie sich für die Bundeswehr<br />
in Afghanistan stellten, stand<br />
heuer mit dem Konflikt zwischen<br />
den Ländern Altraverdo und Wislanien<br />
die seit einigen Jahren wieder im<br />
Fokus stehende Landes- und Bündnisverteidigung<br />
im Mittelpunkt. Verstärkt<br />
kamen daher im Oktober auch<br />
wieder gepanzerte Kräfte zum Einsatz.<br />
Die erstmalige Einbindung des<br />
Kommandos Cyber- und Informationsraum<br />
veranschaulichte zudem<br />
die ständig steigende Bedeutung der<br />
elektronischen Kriegsführung. Die<br />
Vorgangsweise der „Cybersoldaten“<br />
war für die Besucher zwar nicht so<br />
anschaulich darstellbar wie die Gefechtssituationen<br />
und Panzerkämpfe,<br />
Einblicke in die Fähigkeiten gaben<br />
aber kurze Videos. Deren Botschaft<br />
war klar: Kampfpanzer, Artillerie<br />
und Co sorgen zwar für Power am<br />
Schlachtfeld, nur im Verbund mit<br />
den mehr oder weniger im Verborgenen<br />
operierenden Cyberkräften kann<br />
es aber gelingen, den Vormarsch<br />
eines Feindes zu stoppen.<br />
FOTO S : PA N Z E R B ATA I L LO N 1 4 , B U N D E SW E H R H E E R E SV E R B I N D U N G SSTA B<br />
Ö ST E R R E I C H<br />
NEUER FOKUS Die ILÜ bildete in der Vergangenheit Stabilisierungsszenarien ab, heuer stand die Landes- und Bündnisverteidigung im Mittelpunkt.<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
hds.hirtenberger.com<br />
The Mortar Company.<br />
60MM KOMMANDO SYSTEM<br />
Das 60mm Kommandowerfer-System von Hirtenberger Defence Systems (HDS) ist ein<br />
Vorderlader-Steilfeuersystem, ausgelegt für Kommandooperationen im Kaliber 60mm, bestehend<br />
aus dem Waffensystem, einer umfassende Munitionsfamilie mit High Explosive, verschiedenen<br />
Rauchtypen sowie sichtbarer und IR-Beleuchtungsmunition und digitalem sowie analogem Richtmittel.<br />
Das hochmobile Waffensystem mit einer Reichweite von 2.3 km und einem Gewicht<br />
von 6.5 kg bietet eine massive Verstärkung der Bewaffnung einer Infanteriegruppe.<br />
Das umfangreiche Leistungsprofil der Waffe wird durch das elektronische Richtmittel, bekannt als GRid<br />
Aiming Mode (GRAM), revolutioniert, da der Schütze damit auch Ziele ohne direkte ‚ Sichtverbindung<br />
bekämpfen kann. Weiters wird das Waffensystem durch den neuen Zielvorgang mittels digitaler Zielvorgabe<br />
präziser im Ziel und reduziert dadurch den Munitionsverbrauch und im Weiteren auch den Trainingsaufwand.
0 4 2 H E E R & M E H R<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
I N T E R V I E W<br />
ICH BIN<br />
VORSICHTIG<br />
OPTIMISTISCH!<br />
Der neue Generalstabschef<br />
Robert Brieger will<br />
das erreichen, was<br />
seinen Vorgängern<br />
verwehrt geblieben ist:<br />
Das Heeresbudget auf<br />
ein Prozent des BIP<br />
anheben. In einem<br />
ersten Schritt soll<br />
noch in dieser<br />
Legislaturperiode<br />
die 3-Milliarden-<br />
Euro-Grenze<br />
genommen<br />
werden.<br />
Interview: JÜRGEN ZACHARIAS<br />
Fotos: JULIA STIX<br />
Herr General, würden<br />
Sie der Einschätzung<br />
zustimmen, dass die<br />
Welt und dabei insbesondere<br />
unsere östliche<br />
und südöstliche<br />
Nachbarschaft in den vergangenen<br />
Jahren unsicherer geworden ist?<br />
Dem stimme ich vollinhaltlich zu! Diese<br />
Entwicklung betrifft aber nicht nur die<br />
gegenwärtige Lage, sondern auch die<br />
Prognosen für die Zukunft, die für den<br />
absehbaren Zeitraum bis 2030 recht unsichere<br />
Zeiten auf uns zukommen sehen.<br />
Wir gehen bis dahin von einem steigenden<br />
Spektrum an hybriden, aber auch<br />
konventionellen Herausforderungen<br />
aus, die auch zunehmend technische<br />
Entwicklungen widerspiegeln. Der<br />
Cyberraum bekommt beispielsweise<br />
eine immer größere Bedeutung.<br />
Wie kann es sein, dass sich angesichts<br />
dieser Entwicklung das Heeresbudget<br />
trotzdem nicht vom Fleck bewegt,<br />
in Relation zum BIP sogar weiter<br />
schrumpft?<br />
Grundsätzlich ist klar, dass die immer<br />
breitere Palette an Herausforderungen<br />
auch immer breitere Reaktionsmuster<br />
erfordert. Es ist in Österreich aber in<br />
den vergangenen Jahren nicht gelungen,<br />
in der Öffentlichkeit und bei den Entscheidungsträgern<br />
ein entsprechendes<br />
Sicherheits- und Bedrohungsbewusstsein<br />
zu erzeugen. Dort herrscht vielfach<br />
weiter der Glaube vor, wir wären auf<br />
einer Insel der Seligen, weshalb ich es<br />
mir auch zum Ziel gesetzt habe, im Rahmen<br />
meiner Möglichkeiten als Generalstabschef<br />
auf diese Sicherheitsrisiken<br />
hinzuweisen. Je geringer die Mittel für<br />
das Bundesheer, umso größer das Sicherheitsrisiko,<br />
das letztlich die verantwortlichen<br />
Politiker tragen und gegenüber der<br />
Bevölkerung auch verantworten müssen<br />
– das muss jedem klar sein!<br />
Sie sehen ihren Job also auch darin,<br />
auf diese Risiken hinzuweisen und damit<br />
für mehr Budgetmittel zu werben?<br />
Unsere militärische Verantwortung<br />
schließt mit ein, dass wir diese Fakten<br />
aufzeigen, dass wir sie auch im internationalen<br />
Vergleich bewerten und den<br />
Entscheidungsträgern die daraus resultierenden<br />
Ableitungen zugänglich machen.<br />
Nur so können diese eine budgetäre<br />
Entwicklung einleiten, die eine spürbare<br />
Verbesserung für uns bedeutet.<br />
Was wäre eine spürbare Verbesserung?<br />
Der Minister und ich haben uns darauf<br />
verständigt, zunächst eine moderate<br />
Forderung aufzustellen und im Rahmen<br />
dieser Legislaturperiode die 3-Milliarden-Euro-Grenze<br />
überschreiten zu wollen.<br />
Wir stehen aktuell bei rund 2,26<br />
Milliarden Euro und es hat sich in den<br />
vergangenen Jahren ein erheblicher<br />
Investitionsstau aufgetürmt, der mit<br />
rund 3 Milliarden Euro beziffert werden<br />
kann – eine Erhöhung ist also dringend<br />
notwendig!<br />
Diese 3 Milliarden würde man brauchen,<br />
um alte Gerätschaften durch<br />
neue zu ersetzen und zu modernisieren<br />
– eine mögliche Aufrüstung ist in<br />
diesem Betrag aber nicht inkludiert,<br />
oder?<br />
Nein, wir sprechen bei diesem Betrag<br />
von Nachrüstung und Ausrüstung und<br />
nicht von Aufrüstung. Natürlich sind die<br />
3 Milliarden nur eine grobe Kalkulation<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
0 4 4 H E E R & M E H R<br />
der größten Brocken Mobilität, Miliz,<br />
Digitalisierung und Luftraumüberwachung,<br />
die dann im Detail leicht variieren<br />
können. Wichtig wäre es, dass wir in<br />
Zukunft nicht nur Geld zur Modernisierung<br />
des Geräts bekommen, sondern<br />
auch ein entsprechend dotiertes Regelbudget.<br />
Nur dann ist Planungssicherheit<br />
gegeben.<br />
Sie haben zuvor von einer moderaten<br />
Forderung gesprochen, die Sie „zunächst“<br />
stellen. Welches Budgetziel<br />
verfolgen Sie darüber hinaus lang -<br />
fristig?<br />
Es war schon eine Forderung der Zilk-<br />
Commenda-Kommission, auf ein Budget<br />
in Höhe von einem Prozent des BIP<br />
zu kommen, was der Hälfte dessen<br />
entspricht, was die NATO von ihren<br />
Mitgliedsländern einfordert. Unser<br />
Ziel muss es sein, mittel- bis langfristig<br />
dorthin zu kommen.<br />
Das wären aktuell rund vier Milliarden<br />
Euro – ist das realistisch?<br />
Bei einer anhaltend guten Wirtschaftsentwicklung<br />
ist dieses Ziel aus meiner<br />
Sicht in jedem Fall realisierbar und ich<br />
bin dahingehend auch vorsichtig optimistisch.<br />
Die aktuelle ökonomische Entwicklung<br />
sollte eine entsprechende Ausstattung<br />
zulassen, ohne dass es zu Einsparungen<br />
in anderen Bereichen kommen<br />
muss. Damit wären wir endlich in<br />
der Lage, unsere verfassungsmäßigen<br />
Aufträge auch glaubwürdig zu erfüllen.<br />
Mit jedem Euro, den man von diesem<br />
Ziel abgeht, geht man Risiken ein, die<br />
der Politik und der Öffentlichkeit aber<br />
auch transparent gemacht werden müssen.<br />
Sie sollen wissen, worauf sie sich<br />
einlassen, wenn das Sicherheitsinstrument<br />
der Republik gravierende Fähigkeitslücken<br />
aufweist.<br />
Ein Mittel, um Gelder effektiver einzusetzen<br />
wäre auch eine verstärkte<br />
internationale Zusammenarbeit.<br />
Viele Bedrohungsszenarien etwa im Bereich<br />
Terrorismus sind heute so umfassend,<br />
dass ihnen ohnehin nur mehr<br />
partnerschaftlich mit anderen Nationen<br />
und insbesondere der EU begegnet werden<br />
kann. Darüber hinaus können uns<br />
gemeinsame Initiativen aber natürlich<br />
auch dabei helfen, die vorhandenen<br />
Mittel synergetischer zur Wirkung zu<br />
NEU IM AMT<br />
Verteidigungsminister Mario<br />
Kunasek bestellte im Juli<br />
den bis dahin als Stabschef<br />
im Ministerium tätigen<br />
62-jährigen Robert Brieger<br />
als Nachfolger von Othmar<br />
Commenda zum neuen<br />
Generalstabschef.<br />
bringen. Es ist aktuell beispielsweise so,<br />
dass es in der Europäischen Union in diversen<br />
Waffengattungen weit über 100<br />
verschiedene Waffensysteme gibt, während<br />
die Vereinigten Staaten im selben<br />
Spektrum mit deutlich weniger auskommen.<br />
Das zeigt: Wir haben in vielen Bereichen<br />
zu viele parallele Technologien<br />
und daher ist jede Initiative, die uns wie<br />
beispielsweise PESCO hilft, die Anstrengungen<br />
zu bündeln und zu gemeinsamen<br />
Lösungen zu kommen, prinzipiell<br />
zu begrüßen. Dazu wollen wir natürlich<br />
auch unseren Teil beitragen, deshalb hat<br />
sich Österreich ja auch dazu entschlossen,<br />
im PESCO-Projekt einer gemeinsamen<br />
ABC-Abwehrtechnologie eine<br />
Führungsrolle einzunehmen.<br />
Wie weit kann die internationale<br />
Zusammenarbeit gehen? Sind dabei<br />
auch Aspekte wie der gemeinsame<br />
Einkauf von Systemen denkbar?<br />
Die Neutralität in ihren Kerngeboten<br />
verbietet uns das Führen von Kriegen<br />
und das Stationieren fremder Streitkräfte<br />
auf unserem Territorium, sie verbietet<br />
uns aber nicht, mit Partnernationen vernünftig<br />
militärisch zusammenzuarbeiten.<br />
Dazu gibt es ein weites Feld an<br />
Möglichkeiten, das jetzt auch schon<br />
etwa im Wege gemeinsamer Übungen<br />
genutzt wird. Mit unserem strategischen<br />
Partner, der Bundeswehr, verfolgen wir<br />
zudem gemeinsame Vorhaben wie die<br />
Einsatzvorbereitung bestimmter Auslandseinsätze;<br />
wenn im Rahmen gemeinsamer<br />
Beschaffungsprojekte Preisreduktionen<br />
erzielt werden können, ist<br />
auch diese Möglichkeit einer ernsthaften<br />
Beurteilung zu unterziehen. Wie zuvor<br />
schon erwähnt, müssen wir jeden Euro<br />
umdrehen.<br />
Wenn vom Investitionsrückstau die<br />
Rede ist, dann geht es in der Diskussion<br />
immer um neue Hubschrauber,<br />
Fahrzeuge oder Trainingsflugzeuge.<br />
Welcher Investitionsbedarf hat sich<br />
in den vergangenen Jahren aber auch<br />
im Bereich der Ausbildung aufgetan?<br />
Viele hochqualifizierte Mitarbeiter<br />
haben das Bundesheer zuletzt verlassen,<br />
der Engpass beispielsweise bei<br />
den Piloten ist mittlerweile besorgniserregend.<br />
Uns ist es zuletzt gelungen, die Pilotenverträge<br />
zu verbessern, aber natürlich ist<br />
es für die Attraktivität des Berufes wichtig,<br />
ein gesichertes Arbeitsumfeld vorzufinden,<br />
weshalb wir auch zeitnah eine<br />
Entscheidung über die Luftraumüberwachung<br />
brauchen. Nur so können wir<br />
die Piloten auch im System halten und<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
I N T E R V I E W<br />
neue rekrutieren. Dabei müssen wir<br />
auch darüber nachdenken, ob es wirklich<br />
notwendig ist, sämtliche Piloten<br />
nach den Kriterien des Jetpiloten auszuwählen.<br />
Die Piloten von Hubschraubern<br />
und Flächenflugzeugen müssen nicht<br />
die Belastungen aushalten wie Jetpiloten<br />
und dahingehend ist vielleicht eine<br />
Differenzierung vorzunehmen, die ich<br />
bei der zuständigen Stelle auch bereits<br />
angeregt habe. Die Frage nach der<br />
Effizienz und Nutzwertanalyse stellt<br />
sich darüber hinaus aber auch in vielen<br />
anderen Ausbildungsfragen, weshalb<br />
Minister Kunasek zuletzt auch die Diskussion<br />
über die Länge des Wehrdienstes<br />
wieder aufgenommen hat. Es ist<br />
nicht effizient, jemanden sechs Monate<br />
auszubilden und ihn dann – wenn er die<br />
notwendigen Fähigkeiten erlangt hat –<br />
auf Nimmerwiedersehen zu verlieren.<br />
Rechnen Sie mit einer Verlängerung<br />
des Wehrdienstes?<br />
Eine Verlängerung wäre wünschenswert,<br />
aber die Diskussion ist eben erst<br />
wiedereröffnet worden und wird nicht<br />
sofort zu Ergebnissen führen. Das<br />
Beispiel zeigt aber, dass wir über viele<br />
Dinge nachdenken, um das Bundesheer<br />
in Zukunft auf bessere Beine zu stellen<br />
und attraktiver zu machen.<br />
Apropos Zukunft: In einem Interview<br />
mit der APA meinten Sie kürzlich,<br />
dass Sie das Bundesheer verstärkt als<br />
„bewaffnete Macht“ positionieren<br />
wollen. Inwieweit ist dahingehend<br />
wieder Aufbauarbeit zu leisten, nachdem<br />
man sich in den vergangenen<br />
Jahren teilweise diametral dazu<br />
positioniert hat?<br />
Das Bundesheer und die Republik<br />
Österreich sind gut beraten, sich wieder<br />
verstärkt auf den Verfassungsauftrag zu<br />
besinnen, und der lautet militärische<br />
Landesverteidigung und zwar in einer<br />
modernen, der Lage angepassten Form.<br />
Die Fähigkeit für Subsidiäreinsätze etwa<br />
im Katastrophenfall oder zur sicherheitspolizeilichen<br />
Assistenz ist natürlich<br />
weiterhin sicherzustellen, auch dabei<br />
geht es um den Schutz der Bevölkerung.<br />
Der Hauptauftrag muss aber wieder die<br />
Landesverteidigung sein.<br />
Abschließend: Wo sehen Sie das<br />
Bundesheer in fünf Jahren?<br />
Ich sehe das Bundesheer in fünf Jahren<br />
verstärkt auf die Kernaufgabe ausgerichtet,<br />
mit einem leistungsfähigen,<br />
motivierten Kaderpersonal und in<br />
einem sukzessiven Prozess der technischen<br />
Erneuerung. Ich sehe es nicht<br />
neuerlich umgegliedert, ich möchte<br />
Kontinuität in der Struktur und dosierte<br />
Modernisierungsschritte dort, wo sie<br />
wirklich notwendig sind – sei es in der<br />
Ausrüstung, sei es in der Ausbildungsmethodik,<br />
im Bildungswesen oder in<br />
der Forschung. Häufige Strukturänderungen<br />
haben uns nicht weitergebracht.<br />
Es ist Zeit, der Truppe gesicherte Rahmenbedingungen<br />
für die Erfüllung ihrer<br />
Kernaufgaben zu geben.
0 4 6 H E E R &<br />
M<br />
E H R<br />
ÜBER UND<br />
UNTER DEN<br />
WOLKEN:<br />
ALLZEIT<br />
BEREIT<br />
Österreichs luftstreitkräfte sind rund um die Uhr im Einsatz. Sie sorgen für den Schutz<br />
des rot-weiß-roten Luftraums ebenso wie für den Transport von Mensch und Material und<br />
kommen auch im Katastrophenfall zum Einsatz – ein Überblick. text: JOHaNNeS luXNer<br />
ie werden bei Waldbränden<br />
angefordert. Bei<br />
S<br />
Überflutungen, Vermurungen<br />
und Luftraumverletzungen.<br />
Aber auch<br />
zum Sprengen von Lawinen,<br />
zum Transport von Mensch und<br />
Material sowie zum Schutz der Grenzen<br />
und natürlich auch zur Aufklärung.<br />
Kommt es zu Ausnahmesituationen<br />
oder müssen besondere Aufträge erfüllt<br />
werden, mischen die rot-weiß-roten<br />
Luftstreitkräfte in vielen Bereichen mit.<br />
Ohne sie wäre die Erfüllung wesentlicher<br />
Aufgaben des Bundesheeres nicht<br />
oder nur schwer möglich, wie zuletzt<br />
auch die Aufräumarbeiten nach den<br />
Unwettern in Südösterreich einmal<br />
mehr deutlich gemacht haben.<br />
Ungeachtet der vielen Einsatzfacetten<br />
und -bereiche ist die wohl wichtigste<br />
Aufgabe der Luftstreitkräfte die Wahrung<br />
der österreichischen Lufthoheit.<br />
FOTO S : B U N D E S H E E R , B U N D E S H E E R / M A R KU S Z I N N E R<br />
m i l i t ä r a k t u e l l
A D V E R T O R I A L<br />
Eurofighter und Saab 105 steigen etwa<br />
dann auf, wenn Flugzeuge auf Anfragen<br />
der Austro Control nicht reagieren,<br />
vom Radarschirm verschwinden oder<br />
überraschend ihren Kurs ändern. Um in<br />
solchen Fällen schnell reagieren zu können,<br />
ist eine klare Entscheidungsabfolge<br />
notwendig. Aber auch eine rasche Alarmierung<br />
– bis zum Abheben der Eurofighter<br />
oder der Saab 105 im Zuge eines<br />
Alarmstarts dauert es maximal zehn<br />
Minuten. Koordiniert und gesteuert<br />
wird all das im Kommando Luftstreitkräfte<br />
in Salzburg – allerdings ändert<br />
sich mit Ende des Jahres die organisatorische<br />
Struktur. Das Kommando Luftstreitkräfte<br />
wird aufgelöst und einem<br />
neuen Streitkräftekommando in Graz<br />
nachgeordnet. Das gesamte fliegerische<br />
Personal bleibt aber in Salzburg.<br />
WEITLÄUFIGES NETZWERK Wichtige Teile<br />
des Transportwesens des Bundesheeres fallen<br />
ebenso ins Aufgabengebiet der Luftstreitkräfte<br />
wie die Überwachung des österreichischen<br />
Luftraums. Das Netzwerk erstreckt sich über<br />
das ganze Land – etwa auch in Form großer<br />
Radaranlagen wie hier am Kolomansberg<br />
(oben). Unten im Bild ein Überwachungsmonitor<br />
in der Einsatzzentrale Basisraum.<br />
Davon unbeeinflusst ist und bleibt die<br />
Einsatzzentrale Basisraum (EZ/B) in<br />
St. Johann im Pongau, das betriebliche<br />
Herzstück der Luftraumüberwachung.<br />
In Form eines diensthabenden Systems<br />
sind die Einheiten der Luftstreitkräfte<br />
365 Tage im Jahr und 24 Stunden am<br />
Tag verfügbar und auf Einsätze vorbereitet.<br />
An der Spitze steht der diensthabende<br />
Offizier Luft, der zugleich wichtiger<br />
Entscheidungsträger und zentrale<br />
Schnittstelle ist, wie Generalmajor Karl<br />
Gruber, der scheidende Kommandant<br />
der Luftstreitkräfte, im Gespräch mit<br />
Militär Aktuell erklärt: „Er ist derjenige,<br />
der im Fall der Fälle den Bundesminister<br />
informiert und der gegebenenfalls<br />
Weisungen erteilt wie beispielsweise das<br />
Erzwingen einer Landung.“ Um dabei<br />
möglichst bedarfsgerecht reagieren zu<br />
können, wird verstärkt auch international<br />
zusammengearbeitet. Die jüngst<br />
erfolgte Ratifizierung eines Vertrags<br />
zwischen der Republik Österreich, der<br />
Schweizerischen Eidgenossenschaft und<br />
dem Fürstentum Liechtenstein über die<br />
grenzüberschreitende polizeiliche Zusammenarbeit<br />
macht es nun etwa möglich,<br />
dass Österreich gemeinsam mit<br />
der Schweiz in grenzüberschreitender<br />
Weise luftpolizeiliche Aufgaben erledigt,<br />
wenn ein Flugzeug terrorverdächtig<br />
ist. „Derzeit wird das Technical<br />
Agreement dazu umgesetzt, das alle<br />
betrieblichen Details regelt“, so Gruber<br />
über die jüngste Entwicklung, die große<br />
Vorteile bringt: „Verdächtige Flugzeuge<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
0 4 8 h e e r & M e h r<br />
Foto s : 1 2 3 r F, B u n d e s h e e r / C a r i n a ka r lov i ts<br />
Am Weg zu neuen<br />
Hubschraubern<br />
Die Entscheidung über die Zukunft der<br />
Eurofighter und damit auch jene über den<br />
Nachfolger der Saab-105 lässt derzeit noch auf<br />
sich warten. Mehr Bewegung gibt’s aber bei den<br />
geplanten Hubschrauber-Beschaffungen, wie<br />
Generalmajor Karl Gruber im Interview erklärt.<br />
scheIdender koMMandant Noch<br />
vor der Auflösung des Kommandos Luftstreitkräfte<br />
verabschiedete sich Generalmajor<br />
Gruber im November in den Ruhestand.<br />
herr Generalmajor, wie ist der aktuelle<br />
stand der dinge bei der geplanten<br />
Beschaffung der neuen<br />
hubschrauber als ersatz für die<br />
alten Alouette III? Wann ist mit<br />
ersten ergebnissen zu rechnen?<br />
derzeit sind die ausschreibungsunterlagen<br />
für die neuen hubschrauber in<br />
der Fertigstellung. in den nächsten<br />
Monaten ist damit zu rechnen, dass<br />
die ausschreibung rausgeht und dass<br />
dann entsprechenden angebote von<br />
den herstellern folgen. die Budgetmittel<br />
sind jedenfalls zugesichert und<br />
wir sind zuversichtlich, dass wir in<br />
etwa einem Jahr erste hinweise darauf<br />
haben, in welche richtung es bei der<br />
typenwahl gehen wird.<br />
Varianten wurden bei der Beschaffung<br />
viele diskutiert, bis hin zur<br />
Verkleinerung der staffel.<br />
die grundsätzliche absicht ist es, zwölf<br />
einsatzmaschinen und mehrere schulmaschinen<br />
zu beschaffen, wobei die<br />
schulmaschinen idealerweise die<br />
gleiche hubschrauber-type sind, nur<br />
mit unterschiedlichem ausrüstungsstand.<br />
Was die Größe der staffeln<br />
betrifft: die neue hubschraubergeneration<br />
unterscheidet sich sehr deutlich<br />
von älteren Maschinen, die maximal<br />
200 Flugstunden pro Jahr leisten können.<br />
neue Maschinen schaffen das<br />
doppelte, weshalb eine staffel mit<br />
sechs neuen hubschraubern das gleiche<br />
leisten kann wie eine staffel mit<br />
zwölf alten hubschraubern. unter<br />
dem strich geht es darum, eine gute<br />
lösung zu finden, die in der anschaffung<br />
und im Betrieb kostengünstig ist.<br />
die hubschrauber sollen vor allem<br />
aufgaben erledigen, bei denen es<br />
nicht sinnvoll ist, den viel größeren<br />
Black Hawk einzusetzen, wie etwa im<br />
Bereich aufklärung und Überwachung.<br />
schon erfolgt ist der ankauf von<br />
neuen schulungsflugzeugen – wie<br />
bewähren sich die DA40 bislang?<br />
die Maschinen sind sehr modern ausgerüstet<br />
und schaffen große kapazitäten,<br />
weil es mit den DA40 auch<br />
möglich ist, instrumentenflug zu trainieren.<br />
das gibt uns die Möglichkeit,<br />
sehr kostengünstig die instrumentenflugbefähigung<br />
für hubschrauberpiloten<br />
zu erhalten, weil die Flugstunde<br />
viel günstiger ist als die hubschrauberflugstunde.<br />
das hat den positiven<br />
effekt, dass dadurch in weiterer Folge<br />
auch mehr hubschrauber für den<br />
einsatzbetrieb zur verfügung stehen.<br />
bleiben so durchgehend beobachtbar –<br />
Verfolger müssen nicht mehr an der<br />
Grenze umdrehen, sondern können im<br />
ausländischen Luftraum weiterfliegen,<br />
bis das Nachbarland die Verfolgung<br />
übernehmen kann.“<br />
Neben der Wahrung der Lufthoheit ist<br />
die Luftunterstützung die zweite wichtige<br />
Aufgabe der Luftstreitkräfte – das<br />
gesamte Lufttransportwesen des Heeres<br />
fällt etwa in diesen Bereich. Die Luftunterstützung<br />
ist in militärischer Hinsicht<br />
etwa auch dann gefragt, wenn es bei<br />
einem Alpinkurs des Militärs zu einem<br />
Unfall kommt und zur Bergung ein<br />
Rettungshubschrauber benötigt wird.<br />
ÖSTERREICHS<br />
FlUGstützpUnkte<br />
radar<br />
eInsatzzentrale<br />
BasIsraUM (ez/B)<br />
M I l I t ä r a k t U e l l
A D V E R T O R I A L<br />
„Es können aber auch zivile Bedarfsträger,<br />
das sind üblicherweise die neun<br />
Landeswarnzentralen der Bundesländer,<br />
Luftunterstützung anfordern“, erklärt<br />
Gruber die Grundzüge der Alarmketten.<br />
Um für Katastropheneinsätze<br />
wie nach dem Abgang von Muren oder<br />
Lawinen entsprechend schnell zur Verfügung<br />
zu stehen, befinden sich die Einheiten<br />
in ständiger Grundbereitschaft.<br />
Drohen extreme Wetterszenarien, werden<br />
Hubschrauber auch vorab verlegt,<br />
um dann im Anlassfall kurze Wege zu<br />
haben. In puncto Organisation laufen<br />
aber auch in diesem Bereich alle Fäden<br />
beim Offizier Luft in der Einsatzzentrale<br />
Luft in Salzburg zusammen.<br />
All diese Aspekte und Einsatzszenarien<br />
verlangen nach einem komplexen Zusammenspiel:<br />
Von der Führung über<br />
den Systembetrieb bis hin zum Radarbeobachtungsdienst,<br />
dem Radarleitdienst,<br />
der militärischen Flugverkehrskontrolle,<br />
aber auch der Bereitstellung<br />
der Maschinen und Technik sowie in<br />
Belangen der Feuerwehr sind rund 120<br />
Mitarbeiter im ständigen Einsatz, um<br />
die Luftraumüberwachung und die<br />
Luftunterstützung zu gewährleisten. In<br />
Summe zählen die Luftstreitkräfte inklusive<br />
Rekruten rund 4.500 Mitarbeiter<br />
in ganz Österreich. Technisches Herzstück<br />
ist das Luftraumbeobachtungsund<br />
Führungssystem Goldhaube. Das<br />
System vernetzt Radargeräte, Flugzeuge,<br />
Fliegerabwehr und Führungszentrale<br />
und ermöglicht ein Zusammenwirken<br />
von Planungsprozessen, Einsatzführungsprozessen,<br />
Alarmierungsprozessen<br />
und der Leitung der Luftfahrzeuge. Das<br />
Führungssystem zählt zum komplexesten,<br />
was das Bundesheer zu bieten hat.<br />
Und wartet mit einer Besonderheit auf:<br />
„Wir kaufen das dafür nötige System<br />
und die Software nicht ein. Es ist eine<br />
Eigenentwicklung, die seit dem Jahr<br />
1985 im Einsatz ist und laufend weiterentwickelt<br />
wird“, so Gruber. „Der große<br />
Vorteil ist, dass User und Softwareentwickler<br />
Tür an Tür sitzen. Damit sind<br />
wir europaweit führend.“<br />
LUFTSTREITKRÄFTE AUF EINEN BLICK<br />
LINZ HÖRSCHING<br />
Luftfahrttechnologisches Logistikzentrum<br />
Fliegerwerft 3<br />
3 × C-130 Hercules<br />
15 × Saab 105<br />
23 × AB 212<br />
ALLENTSTEIG<br />
(kein fix stationiertes<br />
Fluggerät)<br />
STEINMANDL<br />
KOLOMANNSBERG<br />
SALZBURG<br />
(Mobiles Radar,<br />
stationiert in der<br />
Schwarzenbergkaserne)I<br />
LANGENLEBARN<br />
Fliegerwerft 1<br />
8 × Alouette III<br />
9 × S-70 Black Hawk<br />
10 × Bell OH-52 Kiowa<br />
8 × PC-6<br />
ST. JOHANN/PONGAU<br />
AIGEN<br />
Fliegerabwehrbataillon<br />
2<br />
14 × Alouette III<br />
WR. NEUSTADT<br />
(kein fix stationiertes<br />
Fluggerät)<br />
VOMP<br />
(kein fix<br />
stationiertes<br />
Fluggerät)<br />
KLAGENFURT<br />
(kein fix stationiertes<br />
Fluggerät)<br />
SPEIKKOGEL<br />
ZELTWEG<br />
Fliegerwerft 2<br />
15 × Eurofighter<br />
12 × PC-7<br />
4 × DA40<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
0 5 0 H E E R &<br />
M<br />
E H R<br />
BAUEN &<br />
SPRENGEN<br />
Das Institut Pionier der Heerestruppenschule in Bruckneudorf vermittelt mit<br />
der Aus- und Weiterbildung der Bundesheerpioniere hochspezialisiertes Wissen<br />
vom Brückenbau bis zur Kampfmittelabwehr. Text: JOHANNES LUXNER Fotos: SEBASTIAN FREILER<br />
E<br />
s ist die sprichwörtliche<br />
Suche nach der<br />
Nadel im Heuhaufen,<br />
die am Gelände der<br />
ehemaligen Uchatius-Kaserne<br />
mit bemerkenswertem<br />
Aufwand trainiert<br />
wird – denn hier im burgenländischen<br />
Kaisersteinbruch, ein paar Kilometer<br />
vom eigentlichen Standort<br />
des Institut Pionier in Bruckneudorf<br />
entfernt, finden wesentliche Teile der<br />
Kampfmittelabwehrausbildung für<br />
die Pioniere des Bundesheeres statt.<br />
Insbesondere die Minenabwehr ist<br />
hier ein großes Thema – eine Spezialaufgabe,<br />
deren Unterricht für außergewöhnliche<br />
Szenarien sorgt: Rotweiß<br />
gestreifte Absperrbänder durchziehen<br />
einen großen Teil des zugewucherten<br />
Kasernenareals, zu dessen at-<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
T R U P P E N B E S U C H<br />
INSTITUT PIONIER DER<br />
HEERESTRUPPENSCHULE<br />
THEORIE & PRAXIS Große Teile der<br />
Tätigkeit des Institut Pionier spielen sich in<br />
den Hörsälen und am Gelände der Bruckneudorfer<br />
Benedek-Kaserne ab. Kampfmittelabwehr<br />
ist ebenso Thema wie Brückenbau.<br />
Das Institut Pionier<br />
der Heerestruppenschule<br />
ist für die Aus-,<br />
Fort- und Weiterbildung<br />
der Fachbereiche<br />
Pionierbaudienst<br />
und Kampfmittelabwehr<br />
verantwortlich.<br />
Es existiert in seiner<br />
heutigen Organisationsform seit dem<br />
Jahr 2008. Standort ist die Benedek-<br />
Kaserne in Bruckneudorf, wo auch<br />
große Teile des Unterrichts stattfinden.<br />
Zudem verfügt das Institut Pionier<br />
im benachbarten Kaisersteinbruch<br />
über Ausbildungs- und Trainingsstätten<br />
im Bereich Kampfmittelabwehr.<br />
Außerdem wird auch vor Ort<br />
bei den Bataillonen unterrichtet, wie<br />
etwa in Melk an der Donau, wo die<br />
Wassergruppenausbildung angesiedelt<br />
ist, aber etwa auch am Standort<br />
Eisenstadt. Rund 70 verschiedene<br />
Lehrgänge mit etwa 800 Teilnehmern<br />
werden vom Institut jedes Jahr<br />
organisiert und durchgeführt. Die<br />
Vielfalt ist groß: Der Bereich des Pionierbaus<br />
bedeutet eine sehr technische<br />
Ausbildung, die pionierspezifische<br />
Wissensvermittlung in Gewerken<br />
wie Maurer, Tischler, Zimmerer,<br />
Schlosser und Betonbauer bietet. Das<br />
schnelle Errichten von Brücken ist<br />
ebenso Thema wie Bunkerbau und<br />
militärische Gebäudeobjekte aller<br />
Art. Hinsichtlich der Kampfmittelabwehr<br />
bietet das Institut insbesondere<br />
Ausbildungen im Bereich der Minenabwehr<br />
und spielt damit auch ein<br />
wichtige Rolle im Zuge der Auslandseinsätze<br />
des Bundesheeres. In Summe<br />
beschäftigt das Institut Pionier<br />
rund 50 Mitarbeiter – vorwiegend<br />
Lehroffiziere und Lehrunteroffiziere.<br />
TECHNISCHE AUSBILDUNG In den Werkstätten des Instituts wird pionierspezifisches<br />
Wissen in Berufen wie Tischler, Zimmerer, Maurer, Betonbauer und Schlosser vermittelt.<br />
mosphärischen Qualitäten auch eine<br />
Vielzahl an ausrangierten Militärfahrzeugen<br />
beiträgt. Die Bänder trennen<br />
bereits geräumte Abschnitte von jenen<br />
Bereichen, in denen es noch gilt<br />
Kampfmittel zu finden. Mit Metalldetektoren<br />
ausgestattete Soldaten in<br />
Schutzausrüstung sind hier damit<br />
beschäftigt, Minenattrappen aufzu-<br />
spüren, die von den Ausbildnern des<br />
Institut Pionier entsprechend platziert<br />
worden waren.<br />
Aber auch in einer großen<br />
Halle direkt daneben haben<br />
Lehrpersonal und Ausbildungsteilnehmer<br />
lange Bahnen aus Absperrbändern<br />
gezogen, die quer über den<br />
Burgenland<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
0 5 2 H E E R & M E H R<br />
grobkörnigen Hallenboden aus Schotter<br />
laufen. Sie bilden einen Raster, der<br />
bei der Millimeterarbeit Orientierung<br />
bietet. Hier wird im Lauf der Wochen<br />
und Monate jeder einzelne Stein<br />
mehrmals umgedreht – eine Tätigkeit,<br />
die in der militärischen Praxis<br />
mit unmittelbarer Lebensgefahr verbunden<br />
ist und nach einer intensiven<br />
Ausbildung verlangt. Doch der Bereich<br />
Kampfmittel, der etwa auch<br />
wichtige militärische Themen wie<br />
den Sprengdienst umfasst, ist lediglich<br />
ein Teilbereich des Instituts. Das<br />
Institut Pionier ist auch für die Ausund<br />
Weiterbildung der Soldaten des<br />
Pionierbaus verantwortlich. Das<br />
Know-how, das etwa dann gefragt ist,<br />
wenn die Pionierbataillone des Bundesheeres<br />
nach Hochwässern Brücken<br />
errichten, wird in der Bruckneudorfer<br />
Benedek-Kaserne vermittelt.<br />
„Im Grunde sind wir eine technische<br />
Ausbildungsstätte“, erklärt Vizeleutnant<br />
Johannes Mutschlechner vom<br />
MINENABWEHR Am Gelände der<br />
ehemaligen Uchatius Kaserne in<br />
Kaisersteinbruch erfolgt die praktische<br />
Ausbildung in Sachen Kampfmittelabwehr.<br />
Institut Pionier das Grundwesen der<br />
heeresinternen Ausbildungsinstitution.<br />
„Doch wir unterrichten hier keine<br />
Grundwehrdiener, sondern wir bilden<br />
ausschließlich den Kadernachwuchs<br />
der Pioniere im Unteroffiziers-<br />
und Offiziersbereich aus.“<br />
Dementsprechend groß ist die Bandbreite<br />
der angebotenen Inhalte. In<br />
Summe hält das Institut Pionier Jahr<br />
für Jahr rund 70 Lehrgänge ab. Klassische<br />
Gewerke und deren spezifische<br />
Anwendung für die Bedürfnisse<br />
des Pionierbaus wie Maurer, Schlosser,<br />
Tischler, Zimmerer und Betonbauer<br />
werden hier in entsprechenden<br />
Werkstätten ebenso unterrichtet wie<br />
Wissen in relevanten Bereichen wie<br />
etwa Mechanik und Statik vermittelt<br />
wird.<br />
„Bei mir hat der Zufall Regie geführt!“<br />
OFFIZIERSSTELLVERTRETER<br />
MARKUS SEEWALD ist in Bruckneudorf<br />
für ein außerordentlich<br />
explosives Thema zuständig.<br />
Herr Seewald, um welches Spezialgebiet<br />
dreht sich ihr militärischer Alltag?<br />
Ich bin als Lehrunteroffizier in der Lehrgruppe<br />
Sperr-/Sprengdienst tätig. Wie<br />
die Bezeichnung bereits signalisiert,<br />
ist mein Aufgabengebiet die Aus- und<br />
Weiterbildung des Kadernachwuchses<br />
im Bereich des Sprengdienstes. Wir<br />
beschäftigen uns mit allem, was mit<br />
militärischen Sperren, aber auch deren<br />
Beseitigung zu tun hat. In der militärischen<br />
Praxis dienen Sperren dazu, den<br />
Gegner in bestimmte Richtungen zu<br />
lenken und haben eine kanalisierende<br />
Wirkung, aus der sich ein strategischer<br />
Vorteil ergeben kann, etwa weil der<br />
Gegner die Sperre umfahren muss.<br />
In welchen Zusammenhängen sind gezielte<br />
Explosionen in der Praxis gefragt?<br />
Wenn es im Rahmen von Hochwasserkatastrophen<br />
zu Verklausungen kommt und<br />
es zu gefährlich ist, die Stelle mit schwerem<br />
Gerät zu erreichen, kann eine gezielte<br />
Sprengung durch die Pioniere das<br />
Problem lösen. Wir vermitteln das entsprechende<br />
Wissen für solche Spezialaufgaben.<br />
In seltenen Fällen wie etwa im Fall<br />
des Zementwerks in Kaltenleutgeben ist<br />
das Institut Pionier auch aktiv an Sprengungen<br />
beteiligt. Die Sprengung vor fünf<br />
Jahren wurde komplett durch das Institut<br />
geplant und durchgeführt.<br />
Welchen Zugang haben Sie zur Thematik?<br />
Wie kam das Interesse fürs<br />
Sprengen?<br />
In erster Linie hat der Zufall eine Rolle gespielt,<br />
denn eigentlich habe ich eine<br />
Privatschule mit EDV-Schwerpunkt absolviert.<br />
Ich habe nach meinem Abschluss<br />
allerdings nicht gleich einen Job gefunden<br />
und mich daher freiwillig zum<br />
Bundesheer gemeldet. Ich bin in Bruckneudorf<br />
bei den Pionieren eingerückt,<br />
wo damals auch die Spezialisten für Lastenseilbahnen,<br />
der Seilbahnzug, beheimatet<br />
waren. So kam ich mit der Thematik<br />
in Berührung und die Sache wurde für<br />
mich interessant. Ich habe mich daher ein<br />
Jahr lang freiwillig verpflichtet und bin<br />
letztlich beim Heer geblieben.<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
T R U P P E N B E S U C H<br />
Imposantes Zeugnis der unzähligen<br />
Ausbildungen im Bereich des Pionierbaudiensts<br />
ist das Ausbildungsgelände<br />
in Bruckneudorf. Insbesondere der<br />
sogenannte Brückengarten mit seinen<br />
massiven Brückenelementen, die von<br />
den Pionieren mitunter spektakulär<br />
in die Landschaft gestellt wurden,<br />
verdeutlicht, dass hier Außergewöhnliches<br />
geleistet wird. Um das schnelle<br />
Errichten von Stegen und Brücken<br />
aller Formen und Größen gezielt zu<br />
trainieren, wurde eine eigene Brückengrube<br />
errichtet, die entsprechende<br />
Möglichkeiten bietet. In unmittelbarer<br />
Nähe zum Brückenbauplatz zeugen<br />
Objekte wie Wachtürme, Bunker<br />
und Flugdächer von der technischen<br />
Versiertheit im Pionierbau. Genauso<br />
ist in der Ausbildung der Pioniere<br />
der Straßenbau ein Thema, aber auch<br />
die schnelle Sicherung von Hängen.<br />
Während der praktischen Ausbildung,<br />
die in der ersten Jahreshälfte<br />
stattfindet, kommt es in diesem<br />
Bereich des Ausbildungsgeländes<br />
zu massiven Erdbewegungen durch<br />
die Teilnehmer der Lehrgänge.<br />
Trotz der vielen Outdoor-Aufgaben<br />
spielt sich ein Großteil der Tätigkeit<br />
der Mitarbeiter in den Hörsälen des<br />
Institutsgebäudes ab – aber auch in<br />
den Büros, wo sich das Institut hochtechnisiert<br />
zeigt und wo mitunter<br />
Bemerkenswertes zu Unterrichtszwecken<br />
entsteht. „Die Minenattrappen,<br />
die für die Minensucherausbildung<br />
nötig sind, kosten pro Stück bis zu<br />
mehrere Hundert Euro“, erklärt Vizeleutnant<br />
Mutschlechner. Genau aus<br />
diesem Grund befindet sich in sei-<br />
VOLLPROFIS Im sogenannte Brückengarten in Bruckneudorf werden die technischen Fähigkeiten<br />
der Pioniere sichtbar. Viele der Objekte sind im Rahmen von Ausbildungen entstanden.<br />
nem Büro ein 3D-Drucker: „Sich<br />
die Pläne dieser Sprengmittel zu<br />
besorgen, digital nachzubauen und<br />
dann mit dem 3D-Drucker selbst anzufertigen,<br />
kostet nur einen Bruchteil<br />
davon.“
0 5 4 H E E R &<br />
M<br />
E H R<br />
5<br />
1<br />
3<br />
2<br />
4 6<br />
RICHTIG<br />
ANFEUERN<br />
Leben im Felde: Militär Aktuell hat sich in der Heerestruppenschule Bruckneudorf zeigen<br />
lassen, wie Soldaten in neun Schritten eine perfekte Feuerstelle bauen.<br />
Text: JOHANNES LUXNER<br />
Fotos: SEBASTIAN FREILER<br />
Wer im Wald eine Feuerstelle anlegen<br />
möchte, sollte zwei wichtige Grundsätze<br />
beachten: Halte genügend<br />
Abstand zu umstehenden Bäumen<br />
und entferne umherliegendes, leicht<br />
brennbares Material wie Äste oder<br />
Laub aus der unmittelbaren Nähe.<br />
Eine sichere Feuerstelle verlangt in jedem<br />
Fall nach einem sicheren Standort!<br />
(1). Um auf Nummer sicher zu<br />
gehen – und auch, um das Feuer<br />
leichter entfachen und die Feuerstelle<br />
außerdem als Kochgelegenheit nutzen<br />
zu können – gräbt man mit dem Spaten<br />
eine kreisrunde Vertiefung (rund<br />
20 Zentimeter Tiefe sind völlig ausreichend)<br />
in den Boden (2).<br />
Ohne Holz bekanntlich kein Feuer:<br />
Im nächsten Schritt machen wir uns<br />
daher auf die Suche nach trockenem<br />
Material wie Ästen in unterschiedlichen<br />
Längen und Stärken (3). Anschließend<br />
schichten wir in der Feuerstelle<br />
das Holz pyramidenförmig<br />
auf. Besonders gut brennbares Material<br />
wie Reisig kommt nach innen,<br />
nach außen hin können die Äste zunehmend<br />
länger und dicker werden<br />
(4). Mit einer Anzündhilfe wie zusammengerolltem<br />
Papier entfachen<br />
wir anschließend das Feuer – unter<br />
Heeresangehörigen wird der Anzünd-<br />
Behelf „Fidibus“ genannt (5).<br />
Nun ist mitunter etwas Geduld und<br />
Fingerspitzengefühl gefragt, damit<br />
das Feuer nicht ausgeht. Stetes Nachlegen<br />
von Holz nährt das Feuer<br />
(6) –ist es groß genug, werden größere<br />
Äste quer über die Vertiefung<br />
gelegt (7). Bereits nach kurzer Zeit<br />
entsteht auf diese Art eine gute Wärmequelle,<br />
die während eines längeren<br />
Aufenthalts im Gelände bei den Soldaten<br />
zumindest für ein wenig Behaglichkeit<br />
sorgt (8) – und in weiterer<br />
Folge auch Möglichkeiten zum Stillen<br />
des Hungers bietet.<br />
Hat das Feuer ausreichend viel Glut<br />
erzeugt, kann mithilfe eines dicken<br />
Astes eine Kochgelegenheit geschaffen<br />
werden, um wie hier Essen zu<br />
wärmen oder Wasser zu erhitzen<br />
(9). Als Grundsatz gilt: Je mehr<br />
hungrige Soldaten, umso breiter<br />
sollte die Vertiefung im Boden sein<br />
(siehe Schritt 2). Zum Kochen muss<br />
übrigens nicht zwingend das Koch<br />
geschirr der Soldatenausrüstung<br />
verwendet werden: Auch mit<br />
Alufolie umwickeltes und direkt<br />
in die Glut gelegtes Fleisch oder<br />
Erdäpfel werden zu einer schnellen<br />
warmen Mahlzeit.<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
S E R V I C E<br />
7<br />
8<br />
9
0 5 6<br />
S I C H E R H E I T & W I R T S C H A F T<br />
Sollte Indien nicht doch noch vor dem Jahr 2020 die Typenentscheidung für seine seit Langem geplanten 110 neuen<br />
Kampfflugzeuge fällen, dann wurde am 27. September in den USA der letzte Militärjet-Großauftrag dieser Dekade vergeben.<br />
Boeing und Partner Saab erhielten an diesem Tag den Zuschlag für den neuen Trainingsjet der USAF – der US-Ableger<br />
T-100 der italienischen Leonardo M346 und Lockheeds T-50A gingen leer aus. Beim Sieger T-X handelt es sich um das einzige<br />
gänzlich neu entworfene Design im Bieterverfahren, das aber mit überraschend „schlanken“ Kosten punkten konnte.<br />
USAF-Staatssekretärin H. A. Wilson gab das Volumen für den Sieger des T-X-Wettbewerbs mit 7,9 Milliarden Euro an und<br />
ergänzte, dass man anfangs mit einem Aufwand von bis zu 17 Milliarden Euro für die geplanten 351 Stück und 46 Simulatoren<br />
gerechnet habe. Die ersten sieben T-X sollen 2023 an die Randolph-AFB (Texas) geliefert und Erst-Einsatzbereitschaft<br />
2024 erreicht werden. Gute Absatzchancen sehen Boeing und Saab auch im Export, etwa als Ersatz für weltweit noch immer<br />
rund 200 im Einsatz befindliche Alpha Jets, 400 ältere BAE Hawk oder auch für die österreichischen Saab-105.<br />
IM FOKUS<br />
DER KONZERN<br />
IM ÜBERBLICK<br />
16.200<br />
Mitarbeiter<br />
rund 3 Mrd. Euro<br />
Umsatz (2017)<br />
Top-Produkte<br />
Iron Dome und<br />
David Sling Raketenabwehr,<br />
Drohnen<br />
Harop & Harpy<br />
ISRAEL AIRCRAFT INDUSTRIES (IAI)<br />
Israels größtes Rüstungsunternehmen IAI hat im Oktober für seine bodengestützen Firmenzweig den mit<br />
rund 700 Millionen Euro größten Einzel-Exportauftrag seiner Geschichte an Land gezogen. Auf Basis der<br />
seit 2014 laufenden gemeinsamen Entwicklungsarbeit mit der staatlichen indischen Rüstungsforschung<br />
(DRDO) beschafft die indische Marine nun<br />
via IAI-Kunde Bharat Electronics Ltd. das<br />
jüngste Derivat des Boden-Luftverteidigungssystems<br />
Barak-8, um es auf den drei<br />
Stealth-Schiffen der seit 2016 eingeführten<br />
Kolkata-Zerstörerklasse einzurüsten. Das<br />
System ist für eine Bekämpfung von Überschall-Antischiffsraketen,<br />
Flugzeuge und<br />
ballistische Raketen ausgelegt, hat einen<br />
23-kg Gefechts- sowie einen Aktivradarsuchkopf,<br />
welcher fünf bis sieben Kilometer<br />
vor dem Ziel aktiviert wird.<br />
FOTO S : H E R ST E L L E R , G E O R G M A D E R<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
„QUALITÄT WIRD AN LETALITÄT GEMESSEN“<br />
MICHAEL<br />
BARTH<br />
ist Vizepräsident<br />
von Hirtenberger<br />
Defense Systems<br />
(HDS).<br />
Auf der Eurosatory in Paris hat die<br />
österreichische Hirtenberger Defense<br />
Systems (HDS) über ihre britische Niederlassung<br />
eine Zusammenarbeit mit<br />
ST-Engineering aus Singapur verkündet.<br />
Gemeinsam soll in Europa das Absatzpotenzial<br />
für die mobilen und semiautomatischen<br />
120-mm-Granatwerfer<br />
(SRAMS) von ST-Engineering mit in<br />
NATO und EU eingeführter HDS-Munition<br />
optimiert werden – ein Gespräch mit<br />
HDS-Vizepräsident Carsten Barth.<br />
Herr Barth, was ist die Grundidee hinter<br />
der Zusammenarbeit mit ST-Engineering?<br />
Damit haben wir eine Kapazitätslücke<br />
geschlossen. Wir haben qualifizierte<br />
und in Europa beziehungsweise der<br />
NATO verwendete Munition, die ebenso<br />
bekannt ist wie unsere konventionellen<br />
60-, 81- und 120-mm-Mörser.<br />
Aber heute braucht es in der Feuerunterstützung<br />
echte mobile Fähigkeiten,<br />
nicht mehr ein gezogenes System mit<br />
zwei Rädern – der Unterschied kann<br />
über Leben und Tod entscheiden.<br />
Inwiefern?<br />
Die europäischen NATO- und EU-Staaten<br />
bekamen 2014 in der Ostukraine<br />
sehr anschaulich demonstriert, wie<br />
sehr präzises – in dem Fall russisches –<br />
radargelenktes Gegenfeuer ganze Einheiten<br />
binnen Minuten vernichten<br />
kann. Im Konflikt mit einem modern<br />
gerüsteten Gegner bleiben heute nach<br />
dem Feuern nur mehr wenige Minuten,<br />
um die Stellung zu wechseln – bestenfalls.<br />
Abgeprotzte Werfer mit 80-kg-<br />
Platte sind dafür viel zu unbeweglich.<br />
Das heißt, Sie und Ihr asiatischer Partner<br />
peilen den europäischen Markt an?<br />
Ja, weil wir hier im Gegensatz zu unserem<br />
Partner am Markt eingeführt sind,<br />
aber auch weil wir bei den bis vor Kurzem<br />
jahrelang geschrumpften Armeen<br />
gute Absatzmöglichkeiten sehen. Wir<br />
verfolgen den Ansatz der Einrüstung<br />
von SRAMS samt HDS-Munition und<br />
Feuerleitsystem in vorhandene Fahrzeuge<br />
– der Ankauf neuer Fahrzeuge ist<br />
nicht notwendig. Dank der innovativen<br />
Rückstoß-Dämpfung auf nur 26 Tonnen<br />
ist das System eine gute Alternative zu<br />
selbstfahrender Artillerie, deren Neubeschaffung<br />
Jahre dauert und mindestens<br />
das Zehnfache kostet.<br />
An welche Fahrzeuge denken Sie dabei?<br />
66, 88 oder Kettenfahrzeuge?<br />
Die Einrüstung ist in praktisch allen<br />
Typen möglich, bis hin zu 44 und<br />
sogar Hägglunds-artigen Fahrzeugen.<br />
Und was trägt die HDS-Munition bei?<br />
Durch die Präzision und die um 60 Prozent<br />
gesteigerte Qualität beispielsweise<br />
unserer neuen ConFrag-Munition, kann<br />
mit weniger Granaten mehr und viel<br />
raschere Wirkung erzielt werden, wodurch<br />
weniger Gewicht mitgeführt<br />
werden muss. Qualität wird in unserem<br />
Geschäft immer noch an Letalität<br />
gemessen.<br />
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IRAN, JEMEN & RUSSLAND<br />
IM FOKUS<br />
So wie fast alles in der Golfregion an Steigerungsstufen gemessen wird, war auch<br />
die fünfte Auflage der Bahrain Airshow die bislang größte. Gegenüber 2016 stieg<br />
die Zahl der Aussteller um 70 Prozent, beim Manama Airpower Symposium<br />
wurden Kooperationen gegen regionale und überregionale Gegner beschworen.<br />
Text & Fotos: GEORG MADER<br />
D<br />
ie Bahrain Airshow<br />
auf der Sakhir Airbase<br />
scheint sich<br />
zwischen der Dubai-<br />
Airshow und der<br />
IDEX-Messe in Abu<br />
Dhabi erfolgreich als Luftfahrt- und<br />
Rüstungsmesse mit globalem Anspruch<br />
zu etablieren. Gegenüber der<br />
letzten Auflage im Jahr 2016 nahmen<br />
heuer Mitte November um 70 Prozent<br />
mehr Aussteller teil, unter den insgesamt<br />
187 Firmen vor Ort waren elf der<br />
15 Branchengrößen. Sie präsentierten<br />
110 militärische und zivile Flugzeuge<br />
teils im Flug und mit Schiebel (deren<br />
Camcopter werden von ADASI in den<br />
Emiraten betrieben) und Frequentis<br />
gab es sogar Österreich-Bezug. Besonders<br />
Frequentis scheint in der Region<br />
gut etabliert. Die Wiener Firma hat in<br />
den vergangenen Jahren das Netzwerk<br />
der militärischen Flugsicherung in<br />
Bahrain aufgebaut und betreibt dieses<br />
nun über ihren lokalen Partner<br />
MENA, ein Update beziehungsweise<br />
Ausbau steht unmittelbar bevor.<br />
Wie schon bei der vergangenen Auflage<br />
der Veranstaltung war Militär Aktuell<br />
auch heuer in Bahrain wieder gern<br />
gesehener Medienpartner, auch beim<br />
mit gut 20 teilnehmenden „Airchiefs“<br />
hochkarätig besetzten Manama Airpower<br />
Symposium. Es waren dabei mit<br />
Generalmajor Hamad bin Abdullah Al<br />
Khalifah und Generalleutnant Joseph<br />
Guastella besonders der „Airchief“ der<br />
Luftwaffe Bahrains sowie der für den<br />
mittleren Osten zuständige US-Luftwaffenkommandant<br />
(AFCENT), die<br />
im Rahmen des Symposiums daran erinnerten,<br />
dass mehrere Golfstaaten im<br />
Stellvertreterkrieg gegen den Iran im<br />
Jemen kriegführende Länder sind.<br />
Während Ersterer enthüllte, dass seine<br />
20 älteren F-16 – Bahrain ist ab 2022<br />
Erstkunde des Block-70 – seit 2015<br />
IM SCHEINWERFERLICHT<br />
Diese F-15E Strike Eagle mit der Nose Art „Papi’s kleines Monster“<br />
flog natürlich nicht von ihrem Heimatstützpunkt Mountain<br />
Home/Idaho nach Bahrain. Laut Kennung am Leitwerk stammt<br />
die Maschine aus den frühen 1990er-Jahren und ist damit ein Indikator<br />
für das fortgeschrittene Alter des Gros der heutigen USAF-Staffeln.<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
Erste Republik<br />
im HGM<br />
www.hgm.at
0 6 0 S I C H E R H E I T & W I R T S C H A F T<br />
VIELE EINDRÜCKE Der Typhoon der 41. RAF-Staffel<br />
kam aus Akrotiri/Zypern, die vier Su-30SM der „Russian<br />
Knights“ hatten in Bahrain erst ihren zweiten Auslandsaufenthalt<br />
seit Malaysia 2017. Analog zur Weltlage müssen<br />
Europäer heute weit fahren, um sie zu sehen. Im Bild darunter<br />
moderiert Lockheed-Vizepräsident Gary North gerade<br />
ein Panel mit den Airchiefs von Pakistan und Bahrain<br />
sowie der US AFCENTCOM General Guastella zu sie alle<br />
bedrohenden Entwicklungen und verstärkter internationaler<br />
Vernetzung und Zusammenarbeit.<br />
von saudischen Basen 3.500 Einsätze<br />
mit 10.000 Flugstunden geflogen haben,<br />
bestätigte Letzterer gegenüber<br />
Militär Aktuell die jüngst erfolgte Einstellung<br />
der US-Tankerunterstützung<br />
für die saudisch-geführte Koalition.<br />
Beide betonten außerdem – wie mehrere<br />
weitere „Airchiefs“ – die als sehr<br />
real empfundene Bedrohung durch<br />
maritime und asymmetrische Mittel<br />
des Iran und diskutierten dessen Unterstützung<br />
für irreguläre Kräfte sowie<br />
die Drohungen Teherans, die für die<br />
Weltwirtschaft essenzielle Straße von<br />
Hormuz zu sperren. Auch die hochwertige<br />
elektronische Kriegsführung<br />
Russlands in Syrien und die Tatsache,<br />
dass Algerien, Ägypten, Syrien, die<br />
Türkei und der Iran bald ein – wie<br />
man am Golf einhellig der Ansicht ist –<br />
Moskau zuarbeitendes Luftkontrollnetzwerk<br />
auf Basis von Radars diverser<br />
S-300- und S-400 Luftabwehrsysteme<br />
bilden würden, rufen Besorgnis hervor.<br />
Und lassen auch den Ruf nach<br />
elektronischer Gegentechnologie sowie<br />
noch mehr regionaler Vernetzung<br />
und den weiteren Abbau nationaler<br />
Sensitivitäts-Schranken lauter werden.<br />
Davon unbeeindruckt war Russland<br />
tags darauf auf der Airshow präsent.<br />
Die vier Su-30SM der „Russian<br />
Knights“ hatten ihren ersten – dank<br />
Schubvektorsteuerung spektakulären<br />
– internationalen Auftritt in diesem<br />
Jahr, die Rüstungsexportagentur Rosoborneksport<br />
einen ganzen Pavillion.<br />
Neben der Luftwaffe Bahrains – am<br />
zweiten Tag der Show wurde der Ankauf<br />
von zwölf Kampfhubschrauber<br />
Bell AH-1Z um rund 850 Millionen<br />
Euro fixiert – flogen Mirage-2000<br />
und F-16/60 der Emirate sowie in der<br />
Region stationierte F-35B und B-1B<br />
ihr Programm am jahreszeitbedingt<br />
diffus-fahlen Himmel.<br />
Die heimische Eurofighter-Tranche-1-<br />
Zwickmühle aus 2007 ist den Befehlshabern<br />
am Golf übrigens durchaus<br />
bekannt. Oman hat heuer zwölf Stück<br />
Tranche-3 in Dienst gestellt, Katar erhält<br />
24 Stück ab 2022 und Kuwait die<br />
ersten von 28 schon Ende 2019. Deren<br />
stellvertretender Luftwaffenkommandant<br />
Brigadegeneral D. B. Almutairi<br />
merkte – als seine Privatmeinung – an,<br />
dass ein so reiches Land wie Österreich<br />
die Erstserie „weggeben“ und<br />
neue Tranche-3 kaufen soll. Demgegenüber<br />
würde der Chef der Luftwaffe<br />
des unter westlichem Waffenambargo<br />
stehenden und sich daher auf Su-30<br />
und Su-35 vorbereitenden Sudan, Generalleutnant<br />
Salah A. Abdelkhalig<br />
„diese 15 sofort, wie sie sind, anstatt<br />
allem russischen und chinesischen<br />
Gerät nehmen, das ist doch das Beste,<br />
was es gibt!“ Verbunden mit einer Einladung<br />
nach Khartoum bestätigte er<br />
Militär Aktuell abschließend, dass seit<br />
Staatschef Bashirs Abwendung vom<br />
Iran im Jahr 2015 die Luftwaffe mit<br />
westlichen Transpondern/IFF ausgestattet<br />
wurde und bis heute Su-24MR<br />
den Saudis für die Jemen-Aufklärung<br />
unterstellt sind.<br />
SELTENER ANBLICK Bereits um 18.00 Uhr<br />
lädt die menschenleere Ramp in Bahrain zu<br />
Nachtstudien ein. Wie hier von einer MV-22B<br />
Osprey der 166. Kipprotorstaffel des<br />
US-Marinekorps, eingeflogen vom<br />
amphibischem Landungsschiff<br />
„USS Essex“.<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
Ball<br />
der<br />
Offiziere<br />
18. Jänner 2019<br />
in der Wiener Hofburg<br />
mit feierlicher Eröffnung um 21:30 Uhr<br />
Kartenpreise: Eintritt: € 75 / Studenten: € 30<br />
ABSOLVENTENVEREINIGUNG ALT-NEUSTADT<br />
1010 Wien, Schwarzenbergplatz 1<br />
Telefon: +43 1 715 05 70, Fax: +43 1 712 19 64<br />
E-Mail: info@ballderoffiziere.at<br />
Online Ticketverkauf<br />
www.ballderoffiziere.at
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Als Nachfolger für die fast 50 Jahre alten Saab-105Ö hat AERO Vodochody dem<br />
Bundesheer die neueste Version seines L-39 Albatros angeboten – der Roll-out<br />
des Next-Generation-Modells erfolgte Mitte Oktober in der Nähe von Prag.<br />
Text & Fotos: GEORG MADER<br />
TSCHECHISCHE<br />
ALTERNATIVE<br />
ie geht es mit<br />
W<br />
dem Eurofighter<br />
weiter?<br />
Wird der Jet<br />
beim Bundesheer<br />
nach notwendigen<br />
Updates weiterbetrieben?<br />
Und falls nein, auf welches Modell<br />
gedenkt Österreich umzusteigen und<br />
wie wird vor diesem Hintergrund die<br />
Nachfolgefrage für die fast 50 Jahre<br />
alten Saab-105Ö gelöst? Definitive<br />
Antworten auf diese Fragen wird es<br />
wohl erst in den kommenden Monaten<br />
und Jahren geben, trotzdem bringen<br />
sich schon jetzt potenzielle Kandidaten<br />
für die Saab-Nachfolge in<br />
Stellung. Dazu zählt auch der tsche-<br />
chische Hersteller Aero Vodochody,<br />
der für seinen L-39NG (das NG steht<br />
für Next Generation) Chancen in<br />
Österreich sieht und Militär Aktuell<br />
kürzlich zum Roll-out des Albatros-<br />
Nachfolgers nach Prag lud.<br />
Von Tschechiens Ministerpräsident<br />
Andrej Babiš über den Vorsitzenden<br />
des AERO-Eigners Penta-Group bis<br />
hin zur 2015 von Leonardo abgewanderten<br />
Firmenspitze wurde beim Rollout<br />
im 100. Jahr seines Bestehens auch<br />
das „Wiederaufleben“ des traditionsreichen<br />
Jet-Herstellers gefeiert. Von<br />
1953 an waren in den Hallen bei Odolena<br />
Voda – wo der Roll-out stattfand<br />
– insgesamt 3.405 MiG-15bis/UTI<br />
gefertigt worden, ab 1963 dann auch<br />
3.665 L-29 Delfin und ab 1968 insgesamt<br />
2.957 L-39/59 Albatros. Bis auf<br />
Polen haben alle Luftwaffen der Warschauer-Pakt-Länder<br />
jahrzehntelang<br />
auf L-39 ausgebildet, allein die UdSSR<br />
betrieb 2.000 Maschinen. Mit dem<br />
Ende des Ostblocks brachen all diese<br />
Abnehmer dann allerdings weg und<br />
unter dem neuen Mehrheitseigner<br />
Boeing verschätzte sich das Unternehmen<br />
in den 1990er-Jahren außerdem<br />
mit 72 Stück des aus dem L-39 abgeleiteten<br />
leichten Kampfflugzeugs L-159<br />
ALCA schwer. Die tschechische Luftwaffe<br />
(Vzdušné síly AČR) stellte nur 24<br />
Maschinen in Dienst, der Rest wurde<br />
jahrelang eingelagert, ehe sie letztlich<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
A E R O V O D O C H O D Y<br />
TAKE-OFF Bei Redaktionsschluss fliegt nur der Testträger<br />
L-39CW 2626, eine ältere Zelle mit US-Triebwerk und Avionik<br />
des NG (großes Bild). Der Nachfolger wurde beim Rollout<br />
mit Muskelkraft der Belegschaft ins Freie gerollt (Bild<br />
oben) und soll noch <strong>2018</strong> fliegen. AERO-Firmenchef<br />
Giuseppe Giordo (Bild unten links, gemeinsam mit Militär<br />
Aktuell-Autor Georg Mader und AERO-Eigner und Penta-<br />
Präsident Marek Dospiva) sehen für ihr Modell jedenfalls<br />
gute Absatzchancen – auch in Österreich.<br />
sen – das erste neu gebaute Flugzeug<br />
von AERO in 19 Jahren. In weiterer<br />
Folge wurden fünf L-159-Einsitzer für<br />
die tschechische Luftwaffe zu L-159T1-<br />
Zweisitzern umgebaut, drei neue<br />
L-159T2 mit italienischem Grifo-<br />
Bord radar sollen folgen.<br />
Seit AERO im Juli 2014 auf der Farnborough-Messe<br />
(UK) die NG-Version<br />
des L-39 angekündigt hatte, arbeiteten<br />
Techniker und Ingenieure – finanziert<br />
mit einem Darlehen<br />
der Czech Export<br />
Bank in Höhe<br />
von rund zwölf Millionen Euro – an<br />
der grundlegenden Überarbeitung des<br />
früher so erfolgreichen Basismodells.<br />
Im Juli 2017 startete dann die Fertigung<br />
des am 12. Oktober als Nummer<br />
7001 vorgestellten NG, noch heuer soll<br />
der Erstflug erfolgen. Laut Vizepräsident<br />
und NG-Programmdirektor Marco<br />
Venanzetti handelt es sich dabei um<br />
eine beinahe 100-prozentige Neuentwicklung,<br />
die nur optisch dem Vorgänger<br />
ähnle. Kernstück ist das amerikanische<br />
Williams FJ44-4M-Triebwerk,<br />
das gleich stark wie das alte Iwtschenko-Progress<br />
AI-25-TL ist, aber wesentlich<br />
sparsamer. Zudem verfügt der NG<br />
jetzt über einen sogenannten „nassen<br />
Flügel“ mit Treibstofftanks sowie eine<br />
neue einteilige Cockpithaube. Darunter<br />
ist ein reines Bildschirmcockpit<br />
von Genesys-Aerosystems verbaut,<br />
welches die Anzeigen moderner<br />
Kampfflugzeuge ab- und nachbilden<br />
kann. An drei Punkten können außerdem<br />
Kanonenbehälter sowie ungelenkte<br />
Luft-Bodenmittel mitgeführt und<br />
optional je nach Wunsch Stör- oder<br />
Zielmarkierungsbehälter sowie ein<br />
elektro-optischer oder Infrarot-Sensor<br />
integriert werden.<br />
Marco Venanzettis Botschaft an die<br />
geladenen österreichischen Medienvertreter<br />
– und zwei angereiste BMLV-<br />
Beamte in Zivil: Natürlich sei das hier<br />
ein Unterschall-Jet, aber auch solche<br />
Flugzeuge könnten durchaus eine<br />
Funktion in der Luftraumüberwachung<br />
wahrnehmen. Die Schul- und<br />
Waffentrainingsflugzeuge könnten –<br />
ähnlich wie derzeit die Saab-105Ö in<br />
Österreich – das Air Policing in all jenen<br />
Höhen- und Geschwindigkeitsan<br />
die US-amerikanische Feinddarsteller-Firma<br />
Draken-International (21<br />
Stück um je rund 700.000 Euro) sowie<br />
an die Luftwaffe des neuen Irak (15<br />
Stück) doch noch verkauft wurden.<br />
Für die Iraker wurde außerdem ein<br />
L-159T1 Zweisitzer vom Band gelasbändern<br />
übernehmen und unterstützen,<br />
für die nicht unbedingt überschallschnelles<br />
Fluggerät notwendig ist. Das<br />
übrigens auch mit Infrarot-Luft-Luft-<br />
Lenkwaffen an den Flügelspitzen anstelle<br />
der Außentanks beim alten Modell.<br />
Geschäftsführer und Marketingchef<br />
Massimo Ghione – wie Direktor<br />
Guiseppe Giordo und NG-Programmleiter<br />
Venanzetti bis 2015 bei Konkurrent<br />
Alenia-Aermacchi (jetzt Leonardo)<br />
– bestätigte ganz offen das Österreich<br />
übergebene Anbot für zwölf Maschinen<br />
(sechs davon als Waffentrainer)<br />
um zehn bis zwölf Millionen Euro pro<br />
Stück und rund 1.900 Euro pro reiner<br />
Flugstunde (ohne Systemkostenanteil).<br />
Obwohl das an die Staatsfirma LOM-<br />
Praha ausgelagerte Centrum leteckého<br />
výcviku (Trainings- beziehungsweise<br />
Simulationszentrum) in Pardubice<br />
wohl auch vier bis sechs Maschinen<br />
erhalten wird, war an den präsenten<br />
Uniformen der gleichzeitig mit dem<br />
Roll-out abgehaltenen L-39 User<br />
Group mit gut zwei Dutzend L-39-<br />
Nutzerländern in Europa, Afrika<br />
und Asien gut erkennbar, an wen der<br />
Nachfolger in erster Linie gerichtet<br />
ist. Und das mit Unterstützung von<br />
höchster Stelle: Premier Babiš: „Ich<br />
und meine Minister werden die Verkaufsbemühungen<br />
persönlich überall<br />
unterstützen, um sicherzustellen, dass<br />
es ein Markterfolg wird.“<br />
Bereits für den NG entschieden hat<br />
sich der Senegal. Das westafrikanische<br />
Land hat vier L-39NG-Jets bestellt,<br />
zwei davon werden 2020 und zwei<br />
weitere 2021 ausgeliefert – samt volldigitalisiertem<br />
Helmvisier Targo II von<br />
ELBIT. Darüber hinaus wurden auch<br />
bereits Absichtserklärungen mit Skytech<br />
aus Portugal über zehn (plus<br />
sechs Optionen) sowie mit RSW-Aviation<br />
aus Phoenix/Arizona über zwölf<br />
plus Umrüstung von sechs L-39 auf<br />
L-39CW (alte Zelle, neues Triebwerk<br />
und Avionik) bestätigt. Beide Anbieter<br />
von Feinddarsteller- und Trainingslösungen<br />
an NATO und USAF sollen bis<br />
Jahresende Verträge zeichnen. AERO-<br />
Direktor Giordo abschließend: „Wer<br />
jetzt neue Jets will, sollte rasch handeln<br />
– oder sich auf einen frühesten<br />
Liefertermin 2022/23 einstellen.“<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
0 6 4 S I C H E R H E I T & W I R T S C H A F T<br />
EXOTISCHE<br />
Auf der blau-grünen Maskareneninsel Mauritius stieß Militär Aktuell jüngst auf<br />
eine fliegende Überraschung: Der Inselstaat verfügt zwar über keine Armee,<br />
unterhält aber fünf Alouette III aus indischer Produktion. Text & Fotos: GEORG MADER<br />
eologisch waren die<br />
GVulkaninseln der Maskarenen<br />
nie mit Festland<br />
verbunden, weshalb<br />
sich dort – knapp<br />
900 Kilometer östlich<br />
von Madagaskar und inmitten des Indischen<br />
Ozeans – eine exotische Tierwelt<br />
entwickelt hat. Viele der vor allem<br />
von portugiesischen und holländischen<br />
Seefahrern als willkommenes Frischfleisch<br />
und Proviant gejagten Tiere (die<br />
bekannteste Art ist wohl der Dodo)<br />
wurden innerhalb kürzester Zeit ausgerottet,<br />
trotzdem gibt es auf Mauritius<br />
(und dem nebenan gelegenen französischen<br />
Überseedépartement La Réunion)<br />
auch heute noch viele Arten, die<br />
so anderswo nicht heimisch sind. Diese<br />
Tatsache dürften sich wohl auch die<br />
offiziellen Organe des Landes zum Vorbild<br />
genommen haben, unterhalten sie<br />
mit einigen Polizeihubschraubern und<br />
Küstenwachefliegern doch ebenfalls<br />
exotisches Gerät – allerdings mit stark<br />
indischem Einfluss.<br />
Die seit 1968 von England unabhängige<br />
Inselnation verfügt zwar über kein<br />
Militär, allerdings je eine dem Polizeihochkommissar<br />
unterstellte Polizeihubschrauber-<br />
und Küstenwachefliegereinheit.<br />
Deren gemeinsames „Nest“<br />
am Flughafen Plaisance zu besuchen<br />
bedingte eine fast zweimonatige „inner -<br />
insulare“ Genehmigungsphase, bis<br />
schließlich der Premierminister selbst<br />
Militär Aktuell Tür und Tor öffnete.<br />
Der Aufwand lohnte sich, dahinter gab<br />
es fünf Österreichern gut vertraute und<br />
top gewartete SA.316B Alouette III der<br />
indischen Chetak-Baureihe zu sehen.<br />
Die Männer der von indischen Offizieren<br />
in zwei- bis dreijähriger Rotation<br />
geführten Staffel haben ihren ältesten<br />
Hubschrauber erst heuer nach 44 Jahren<br />
abgestellt und waren der Meinung,<br />
dies wäre die älteste Alouette überhaupt.<br />
Groß das Erstaunen, als Militär<br />
Aktuell diese Ansicht mit Hinweis auf<br />
Aigen im Ennstal toppen konnte. Völlig<br />
unterschiedlich ist natürlich das Einsatzgebiet:<br />
Während die rot-weiß-roten<br />
Alouette vornehmlich im Gebirge unterwegs<br />
sind, nehmen unsere „Rotor-<br />
Antipoden“ im Indischen Ozean vor<br />
allem Überwachungs-, Patrouillenund<br />
Rettungseinsätze über Meer<br />
wahr – und das bis zu zehn Kilometer<br />
vor der Küste. Seit 2016 operieren die<br />
Hubschrauber außerdem auch vom<br />
ebenfalls indisch gebauten Patrouillenschiff<br />
Barracuda aus.<br />
Das zu überwachende Gebiet ist riesig:<br />
Die EEZ (Exklusive Wirtschaftszone)<br />
von Mauritius ist inklusive der Inseln<br />
Rodriguez und Agalega 2.000 mal größer<br />
als seine nur etwas mehr als 2.000<br />
Quadratkilometer umfassende Landmasse.<br />
Neben den Hubschraubern<br />
kommen daher auch Flugzeuge zum<br />
Einsatz und wieder ist es Indien, das<br />
Mauritius’ Küstenwache mit drei, bald<br />
vier in Kanpur gebauten Dornier-<br />
228/202 ausrüstete, um mit ELTA-Radar<br />
illegale und suspekte Schiffsbewegungen<br />
zu erfassen. Militär Aktuell<br />
wurden als deren erste Bewaffnung<br />
7,62-mm-Zwillings-MG-Behälter gezeigt,<br />
damit sollen potenzielle Piraten<br />
abgeschreckt und notfalls auch bekämpft<br />
werden. Damit des indischen<br />
Einflusses aber noch nicht genug, drängt<br />
Delhi zunehmend auch auf eine militärische<br />
Nutzung der nördlichen Insel<br />
Agalega. Indien sieht sich durch das<br />
chinesische „Projekt Perlenkette“ von<br />
Myanmar, Sri Lanka über die Malediven<br />
bis Djibouti und Gwadar in Pakistan<br />
„eingekreist“ und Mauritius als<br />
natürlichen Verbündeten. Aber nicht<br />
alle Mauritianer sehen das umgekehrt<br />
auch so und pochen lieber auf ihre Neutralität.<br />
Und ja, auch das kommt uns<br />
Österreichern irgendwie bekannt vor.<br />
IM ÜBERWACHUNGSEINSATZ<br />
In diesem Jahr hat Mauritius die älteste<br />
Alouette III seiner Hubschraubereinheit<br />
nach 44 Dienstjahren abgestellt, die<br />
Überwachung der riesigen Exklusiven<br />
Wirtschaftszone (EEZ) erfolgt auch mithilfe<br />
von aktuell drei Dornier-228/202.<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
A D V E R T O R I A L<br />
GUT KOMMUNIZIEREN<br />
An Informations- und Überwachungssysteme werden im militärischen Umfeld und<br />
im Securitybereich höchste Anforderungen in Bezug auf Mobilität, Zuverlässigkeit<br />
und Robustheit gestellt – die Schweizer Solifos AG wird diesen Ansprüchen<br />
mit modernen und mobilen Hightech-Kabelsystemen mehr als nur gerecht.<br />
rfolg oder Misserfolg einer<br />
militärischen Opera-<br />
E<br />
tion hängt nicht nur,<br />
aber zu sehr großen Teilen<br />
von Kommunikation<br />
ab. Nur wenn Soldaten<br />
untereinander wichtige Informationen<br />
austauschen, Vorgesetzte Befehle weitergeben<br />
und Computernetzwerke miteinander<br />
Verbindung halten können,<br />
sind Waffensysteme punktgenau zum<br />
Einsatz zu bringen und Operationen<br />
erfolgreich auszuführen. Da einem<br />
Gegenüber dieser Faktor natürlich<br />
bewusst ist, kommt der Zuverlässigkeit<br />
und Qualität der Kommunikation unter<br />
erschwerten Bedingungen besondere<br />
Bedeutung zu. Sie muss sowohl bei eingeschränkter<br />
Verfügbarkeit (Satellit) als<br />
auch mit sehr hohen Bandbreiten möglich<br />
sein sowie Schlechtwetter und den<br />
rauen Bedingungen in militärischen<br />
Einsätzen trotzen.<br />
können zusätzlich noch Sensorikanwendungen<br />
mit integriert werden. Mit<br />
dem 6-mm-Hybridfeldkabel sind Leistungen<br />
bis zu 24 kW übertragbar. Mit<br />
diesem nur 6 mm starken Feldkabel<br />
können 2 kW Leistung sogar über fünf<br />
Kilometer zuverlässig transportiert<br />
werden.<br />
Das Angebot von Solifos umfasst Fiberoptik-<br />
und Kupferkabel sowie Verbindungskabel<br />
für Daten- und Energieübertragungen,<br />
die allesamt sehr robust<br />
sind, wenig Gewicht haben, mit unterschiedlichen<br />
Militärsteckertypen konfektioniert<br />
sind und sich in der Anwendung<br />
unter rauen Feldbedingungen<br />
bereits bestens bewährt haben. Die<br />
Produkte kommen in der Schweizer<br />
Armee und der Bundeswehr ebenso<br />
zum Einsatz wie bei anderen NATO-<br />
Nationen und Streitkräften weltweit.<br />
Die Verkabelung von Feldlagern ist<br />
damit ebenso möglich wie die Anbindung<br />
abgesetzter Funkstationen,<br />
Überwachungsanlagen, Sensoren und<br />
die Vernetzung in Waffensystemen.<br />
Um die Robustheit der vernetzten Systeme<br />
im taktischen Umfeld sicherzustellen,<br />
integriert Solifos auch COTS-<br />
Geräte in gehärtete Gehäuse. Das Ergebnis<br />
sind qualitativ hochstehende,<br />
ganzheitliche Lösungen für die lichtwellenleiterbasierte<br />
Übertragung und<br />
Verteilung von Daten. Darüber hinaus<br />
bietet Solifos ergänzend zu seinen<br />
Kernprodukten auch umfangreiches<br />
Zubehör und viele Serviceleistungen<br />
wie Training, Verifikationen im eigenen<br />
Messlabor, Engineering, Support und<br />
Systemintegration an, damit militärische<br />
Kommunikation sicher und<br />
zuverlässig möglich wird.<br />
FOTO S : S O L I FO S<br />
Die Lösung, um mit diesen Herausforderungen<br />
moderner elektronischer<br />
Kriegsführung klarzukommen, liegt in<br />
taktischen fiberoptischen Kommunikationsnetzwerken,<br />
wie sie zum Produktportfolio<br />
der Schweizer Solifos AG gehören.<br />
Das im April <strong>2018</strong> im Zuge eines<br />
Management-Buy-out aus der Brugg<br />
Kabel AG entstandene Start-up hat<br />
seinen Fokus auf die Entwicklung und<br />
Herstellung von fiberoptischen Kabeln<br />
und Hybridkabeln für Daten und<br />
Stromversorgung gelegt. Bei Bedarf<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
0 6 6 s c h l u s s p u n k t<br />
SüdkaukaSuS:<br />
WEITER kEIn FRIEdEn In SIchT!<br />
Der Südkaukasus ist seit Jahrhunderten ein Epizentrum geopolitischer Spannungen und überregionaler<br />
Konflikte und wird laut Ansicht von Christoph Bilban auch in den kommenden Jahren<br />
nicht zur Ruhe kommen. Der Russland- und Kaukasus-Experte forscht aktuell für das Institut für<br />
Friedenssicherung und Konfliktmanagement (IFK) zur Rolle Russlands in dessen Nachbarländern<br />
und zu aktuellen Perspektiven des Konfliktmanagements in der Region.<br />
Wegen des nach wie vor „heißen“<br />
kriegs im osten der<br />
ukraine werden die „eingefrorenen“<br />
konflikte im südkaukasus<br />
gerne übersehen. Dort brach vor etwas<br />
mehr als zehn Jahren im august<br />
2008 der Fünf-tage-krieg zwischen<br />
Georgien und Russland aus. Dieser<br />
war gewissermaßen der Vorbote für<br />
den „neuen“ ost-West-konflikt des<br />
21. Jahrhunderts.<br />
Inmitten dieser geopolitischen spannungen<br />
müssen sich auch die drei<br />
südkaukasus-Republiken Georgien,<br />
armenien und aserbaidschan zurechtfinden.<br />
Die Region zwischen dem<br />
schwarzen und dem kaspischen meer<br />
ist seit Jahrhunderten austragungsort<br />
hegemonialer konflikte der Großmächte.<br />
Für moskau stellt der südkaukasus<br />
ehemaliges kernland dar, welches teuer<br />
erkämpft wurde – und heute ein wesentlicher<br />
puffer zu den konfliktherden<br />
im nahen osten und zum nato-mitglied<br />
türkei ist. Jede annäherung der<br />
Region an den Westen – ob nun nato<br />
oder eu – wird vom kreml kritisch<br />
beäugt. Vor allem die bestrebungen<br />
Georgiens nach einer nato-mitgliedschaft<br />
belasten das noch immer angespannte<br />
Verhältnis weiter. an eine lösung<br />
der konflikte mit abchasien und<br />
südossetien, die beide von Russlands<br />
unterstützung abhängen, ist nicht zu<br />
denken. seit 2008 verhärten sich aber<br />
nicht nur die realen Grenzen, sondern<br />
auch jene in den köpfen.<br />
ebenso scheint sich im armenischaserbaidschanischen<br />
konflikt um<br />
berg-karabach keine entspannung<br />
einzustellen. Die Waffenruhe wird regelmäßig<br />
verletzt und erst im Juni <strong>2018</strong><br />
besetzten aserbaidschans truppen<br />
„Gemeinsam ist allen<br />
konflikten in der<br />
Region, dass die<br />
internationale<br />
Gemeinschaft lediglich<br />
Zuschauer ist.“<br />
militärisch wichtiges Gelände im niemandsland<br />
an der Grenze zu armenien.<br />
beide länder liefern sich ein Wettrüsten.<br />
Russland ist der wichtigste Waffenlieferant<br />
für beide. an den angespannten<br />
beziehungen konnte auch die demokratische<br />
„samtene Revolution“ (märz/<br />
april <strong>2018</strong>) in armenien nichts ändern.<br />
Die politischen Fronten bleiben verhärtet<br />
und die unterschiedlichen sichtweisen<br />
blockieren jeden Dialog.<br />
Gemeinsam ist allen konflikten in der<br />
Region, dass die internationale Gemeinschaft<br />
lediglich Zuschauer ist.<br />
In Georgien kann die eu-beobachtermission<br />
nur auf der georgischen seite<br />
patrouillieren und berichten. bei den<br />
Genfer Gesprächen herrscht stillstand.<br />
auch die Verhandlungen im bergkarabach-konflikt<br />
erzielen keine<br />
Fortschritte. Dabei hängt die beilegung<br />
beider konflikte in erster linie<br />
von den lokalen akteuren ab. Das<br />
internationale krisen- und konfliktmanagement<br />
hat zwar alle Werkzeuge<br />
zur lösung der konflikte bereitgestellt,<br />
die betroffenen akteure können sich<br />
aber nicht einigen. Der ost-West-konflikt<br />
bildet dabei nur den Rahmen, darf<br />
jedoch keine ausrede für weiteren<br />
stillstand sein.<br />
Foto s : G e t t y I m aG e s , b e I G e st e l lt<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
0 6 7 P A n o r A M A<br />
Anfang Oktober übergab<br />
Verteidigungsminister<br />
Mario Kunasek die neuen<br />
Dekontaminationssysteme<br />
Mammut an die Truppe.<br />
Die acht neuen Fahrzeuge<br />
ersetzen die drei Jahrzehnte<br />
alten ABC-Dekontaminationsfahrzeuge<br />
ÖAF S-LKW.<br />
Text: HANS SCHNEEWEISS<br />
HIGHTEC<br />
Das neue Dekontaminationssystem<br />
Mammut ist vielseitig einsetzbar<br />
und unterstützt bei der Abwehr<br />
von radiologischen, biologischen<br />
und chemischen Gefahrenstoffen<br />
durch Personendekontamination,<br />
Waffen- und Gerätedekontaminati-<br />
on, Infrastrukturdekontamination<br />
und Dekontamination von sensiblem<br />
Gerät. Im Gegensatz zu den<br />
alten Fahrzeugen ÖAF S-LKW ermöglicht<br />
das 36 Tonnen schwere<br />
Mammut einen gleichzeitigen Einsatz<br />
von Personendekontamination<br />
ABC-KAMPFMITTEL<br />
Das Dekontaminationssystem<br />
Mammut bildet die Basis für<br />
die Errichtung eines Dekontaminationsplatzes<br />
und ist zur<br />
Durchführung der Dekontamination<br />
nach einem Einsatz von<br />
ABC-Kampfmitteln (atomar,<br />
biologisch, chemisch) beziehungsweise<br />
nach der Freisetzung<br />
industrieller Gefahrstoffe<br />
geeignet.<br />
UMWELTVERTRÄG-<br />
LICHKEIT<br />
Die neue umweltschonendere<br />
und effizientere<br />
Dekontaminationschemie<br />
des Mammut reduziert<br />
den Chemiebedarf<br />
und den Wasserverbrauch<br />
deutlich.<br />
TEMPERATUR-<br />
UNEMPFINDLICHKEIT<br />
Die Dekontaminationsausstattung<br />
erlaubt Einsätze<br />
bei Temperaturen von<br />
minus 30 Grad bis plus<br />
50 Grad Celsius.<br />
ARBEITSKRAN<br />
Der 33-Metertonnen-Ladekran<br />
mit Arbeitskorb<br />
der Firma Palfinger ist<br />
vielseitig einsetzbar und<br />
erleichtert der Besatzung<br />
die Handhabung<br />
des gesamten Systems.<br />
HÖHE<br />
3,90 Meter<br />
TRÄGERFAHRZEUG<br />
Als Fahrgestell dient ein MAN TGS<br />
35.480 8×8 BB-MIL mit vollautomatischem<br />
Schaltgetriebe, permanentem<br />
Allradantrieb und zuschaltbaren<br />
Ausgleichssperren.<br />
LänGE<br />
10,50 Meter<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
I N F O G R A F I K<br />
H MAMMUT<br />
breIte<br />
2,50 Meter<br />
sowie Waffen- und Gerätedekontamination.<br />
Nach Katastrophen oder<br />
terroristischen Anschlägen kann<br />
das Mammut außerdem für die<br />
Dekontamination von Gebäuden,<br />
Straßen, Grenzkontrollstellen,<br />
wichtigen Einrichtungen – und<br />
I l lu st r at I o n e n :<br />
C l au d I a m o l I to r I s<br />
Foto : b e I g e st e l lt<br />
DEKONTAMINATIONS-<br />
EQUIPMENT<br />
auf dem Fahrzeug sind drei<br />
Container (module) aufgebaut.<br />
mit dem ersten lassen<br />
sich gepanzerte Kampf- und<br />
gefechtsfahrzeuge, aber auch<br />
Kleinfahrzeuge dekontaminieren.<br />
mit dem zweiten ausrüstung<br />
wie nachtsichtgeräte<br />
oder Funkgeräte. das dritte<br />
modul dient zur dekontamination<br />
von Personen.<br />
FAHRZEUG-<br />
DEKONTAMINATION<br />
dazu wird in einem ersten<br />
schritt eine auffangwanne (maximal<br />
20 meter länge und 4<br />
meter breite) aufgebaut. In dieser<br />
werden die abwässer aufgefangen<br />
und abgepumpt. dann<br />
wird in drei schritten gereinigt:<br />
erst die Vorreinigung für den<br />
gröbsten schmutz, dann findet<br />
– unter Zumischung der<br />
dekontaminationschemie –<br />
die Hauptreinigung statt und<br />
schließlich die nachreinigung.<br />
durch die neue Technologie<br />
von Heißgas-/Heißdampfkammer<br />
sowie einer Vakuumkammer<br />
– auch sensiblen<br />
IKT-Geräten wie etwa Funkgeräten<br />
oder Mobiltelefonen<br />
eingesetzt werden.<br />
PERSONEN-<br />
DEKONTAMINATION<br />
dafür werden neben dem truck<br />
zwei Zelte aufgebaut. das Vorzelt<br />
dient für das entkleiden von<br />
kontaminierten Personen, beide<br />
Zelte als sicht- und Witterungsschutz.<br />
die Personendekontamination<br />
wird mithilfe des<br />
sogenannten „modul 3“ durchgeführt.<br />
bis zu 40 menschen<br />
können so in einer stunde<br />
dekontaminiert werden.<br />
FACTBOX<br />
Dekontaminationssystem Mammut<br />
Hersteller Rheinmetall MAN Military Vehicles<br />
Aufbau EMPL Austria Fahrzeugwerk GmbH<br />
Kran mit Arbeitskorb Palfinger<br />
Module Kärcher Futurtech GmbH<br />
Fahrgestell MAN TGS 35.480 8x8 BB-MIL<br />
Motor Euro-5-Dieselmotor<br />
Leistung 353 kW (480 PS)<br />
Besatzung 3 Mann<br />
Einsatzgewicht 36 Tonnen<br />
Hzl. Gesamtgewicht 41 Tonnen<br />
Stationierung Korneuburg,<br />
Mautern, Graz, Hörsching, Absam<br />
INTERVIEW<br />
„Das ist der höchste<br />
Stand der Technik!“<br />
Vizeleutnant<br />
Andreas Hämmerle<br />
ist Hauptlehrunteroffizier<br />
für<br />
Dekontamination.<br />
Was zeichnet das Mammut aus?<br />
Die Effizienz und die Handhabung! Die<br />
Fahrzeugtechnik ist im Vergleich zu unseren<br />
bisherigen Fahrzeugen – Baujahr<br />
1988 – völlig neu und ermöglicht neue<br />
Dekontaminationsverfahren und ein vielseitigeres<br />
und leichteres Arbeiten. Deshalb<br />
ist der Chemieverbrauch bei besseren Ergebnissen<br />
maßgeblich geringer und der<br />
Wasserverbrauch bei der Dekontamination<br />
von Personen ist von 2.500 auf 600<br />
Liter pro Stunde gesunken.<br />
Wie wurden die Aufgaben vor der<br />
Anschaffung des Mammut bewältigt?<br />
Früher wurden die Geräte mittels einer<br />
Nassdekontamination dekontaminiert<br />
und nachher entsorgt. Genauso wurden<br />
kontaminierte Bekleidungsgegenstände<br />
dekontaminiert. Mit dem System Mammut<br />
wird die Bekleidung nun mittels der<br />
Heißgas-/Heißdampfkammer dekontaminiert<br />
und kann der Truppe später wieder<br />
zugeführt werden. Auch kann jetzt die<br />
Dekontamination von oben mittels Kran<br />
und von unten mittels Bodensprühdüsen<br />
durchgeführt werden. Bei den vorigen<br />
Systemen hatten wir diese Fähigkeit nicht.<br />
Fährt sich das Mammut anders als ein<br />
gewöhnlicher Lkw?<br />
Trotz seines Gesamtgewichts von 36 Tonnen<br />
fährt er sich dank seines vollautomatischen<br />
Schaltgetriebes genauso gut wie<br />
ein 16-Tonner. Die Länge von 10,5 Metern<br />
spürt man allerings in den Kurven,<br />
wo man trotz zwei gelenkter Achsen<br />
öfters reversieren muss.<br />
M i l i t ä r A k t u e l l
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