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Sammel_Militaer_4_2018

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WELTGESCHEHEN<br />

Aktuelle Konflikte,<br />

Krisen und<br />

Analysen — S. 8<br />

GROSSÜBUNG<br />

Österreichische<br />

Panzer bei der ILÜ<br />

der Bundeswehr — S. 36<br />

militär<br />

TRUPPENBESUCH<br />

Militär Aktuell zu<br />

Gast beim Institut<br />

Pionier — S. 50<br />

DAS NEUE<br />

ÖSTERREICHISCHE<br />

MILITÄRMAGAZIN<br />

AUSGABE 4|18<br />

EURO 3,80<br />

AKTUELL<br />

GENERALSTABSCHEF ROBERT BRIEGER:<br />

„Das Bundesheer muss<br />

sich wieder stärker auf<br />

seine Kernaufgabe<br />

konzentrieren!“ — S. 42<br />

Der Mensch ist drauf und<br />

dran, den Krieg vollends zu<br />

industrialisieren: Autonome<br />

Waffen, die selbst entscheiden,<br />

wen sie wann töten, könnten eine<br />

Revolution der Kampfführung<br />

auslösen – mit unvorhersehbaren<br />

Folgen und Konsequenzen.<br />

DOSSIER ROBOTIC WARS<br />

Wenn Maschinen<br />

Krieg führen


E D I T O R I A L<br />

0 0 3<br />

LIEBE LESERIN, LIEBER LESER<br />

E<br />

inmal entwickelt, werden autonome Waffensysteme<br />

Konflikte in nie gekannter Größenordnung<br />

und in einer Geschwindigkeit ermöglichen,<br />

die das menschliche Denkvermögen<br />

übersteigen“, heißt es in einem offenen<br />

Brief, den Robotik-Experten, Forscher und<br />

Wirtschaftskapitäne vor einem Jahr an die Vereinten Nationen<br />

richteten. Kapazunder wie Tesla-Chef Elon Musk fordern<br />

die Weltgemeinschaft darin nachdrücklich auf, Waffen<br />

zu verbieten, die selbstständig ein Ziel erfassen und angreifen.<br />

„Wir haben nicht viel Zeit, um zu handeln“, heißt es in<br />

dem Schreiber weiter. „Ist die Büchse der Pandora einmal<br />

geöffnet, wird sie nur schwer wieder zu schließen sein.“<br />

Nun könnte man die Warnungen als reflexhaften Aufschrei<br />

von Anti-Militaristen abtun, der mit der Entwicklung neuer<br />

Waffensysteme stets einhergeht. Man könnte die Entwicklung<br />

autonomer Minidrohnen und Kleinst-Atom-U-Boote aber<br />

auch als historisch revolutionären „Game Changer“ begreifen,<br />

die kriegerische Auseinandersetzungen auf eine völlig neue,<br />

kaum einschätzbare Ebene katapultieren. Und damit hätten<br />

diese Technologien sogar das Potenzial, die militärischen<br />

Machtverhältnisse global neu zu definieren wie das auch<br />

Wladimir Putin anstrebt. Der russische Präsident mutmaßte<br />

bereits vor längerer Zeit, dass „derjenige die Welt beherrschen<br />

wird, der auf diesem Gebiet führend ist“. Betrachtet man die<br />

milliardenschweren Forschungsaktivitäten von Streitkräften<br />

und Rüstungskonzernen weltweit, dann dürften auch andere<br />

Staatschefs zu einem ähnlichen Schluss gekommen sein.<br />

Schon jetzt setzt in robusten internationalen Missionen<br />

kaum mehr ein Soldat einen Fuß vor das Camp, bevor nicht<br />

Drohnen die Umgebung aufgeklärt haben. Schon bald dürften<br />

zum Schutz der eigenen Truppe und zur effektiveren<br />

Bekämpfung feindlicher Kombatanten aber noch weit fortschrittlichere<br />

Technologien zum Einsatz kommen, wie uns<br />

Oberstleutnant Markus Reisner in unserem aktuellen Dossier<br />

„Krieg der Zukunft“ (ab Seite 14) verrät. Der Bundesheer-<br />

Offizier hat mit „Robotic Wars“ kürzlich ein vielbeachtetes<br />

Buch zum Thema vorgelegt und beschreibt im Gespräch<br />

nicht nur den Status Quo bei der Entwicklung autonomer<br />

Waffen, sondern auch Zukunftsperspektiven und ethische<br />

Fragestellungen, die sich rund um deren Einsatz stellen.<br />

Außerdem widmen wir uns in der aktuellen Ausgabe u.a. der<br />

Teilnahme des Bundesheeres an der Informationslehrübung<br />

<strong>2018</strong> der Bundeswehr (ab Seite 36), dem neuen L-39NG-Trainingsjet<br />

von Aero Vodochody (ab Seite 62) und dem Dekontaminationssystem<br />

Mammut der ABC-Abwehrtruppe (Seite<br />

67). Wir haben darüber hinaus dem Institut Pionier der Heerestruppenschule<br />

einen Besuch abgestattet (ab Seite 50), am<br />

Manama Airpower Symposium in Bahrain teilgenommen (ab<br />

Seite 58) und mit Generalstabschef Robert Brieger über die<br />

Zukunft des Bundesheeres gesprochen (ab Seite 42).<br />

IMPRESSUM<br />

COV E R FOTO : T U R B O S Q U I D/ M I C H A E L W E I S H E I M WO O L F Y FOTO S : 1 2 3 R F<br />

NATO-BASIS ÄMARI<br />

TRUPPENÜBUNGSPLATZ BERGEN<br />

PRAG KORNEUBURG<br />

WELS<br />

WIEN<br />

BRUCKNEUDORF<br />

MAILAND<br />

MILITÄR AKTUELL UNTERWEGS Um Informationen,<br />

Interviews und Bilder zusammenzutragen, sind unsere<br />

Redakteure weltweit unterwegs. Die Storys der aktuellen<br />

Ausgaben recherchierten wir unter anderem in Bahrain,<br />

Deutschland und Tschechien. In Vorbereitung auf die nächste<br />

Ausgabe von Militär Aktuell waren unsere Mitarbeiter zudem<br />

in den vergangenen Tagen bei Jettrainer-Hersteller Leonardo<br />

in Mailand und auf der NATO-Basis in Ämari in Estland zu Gast.<br />

BAHRAIN<br />

MAURITIUS<br />

Medieninhaber und Herausgeber:<br />

QMM Quality Multi Media GmbH,<br />

Mariahilfer Straße 88a/II/2a, A-1070 Wien,<br />

FN 349501 y, UID:ATU65891526,<br />

Chefredaktion: Jürgen Zacharias,<br />

j.zacharias@qmm.at<br />

Key Account Management:<br />

Thomas Jusko, t.jusko@qmm.at, René<br />

Niehoff, r.niehoff@qualitymultimedia.ch<br />

Artdirektion: Gottfried Halmschlager<br />

Textchef: Jakob Hübner<br />

Fotoredaktion: Nati Senegacnik<br />

Lektorat: Gunther Natter<br />

Redaktion, Beirat und Textbeiträge:<br />

Christoph Bilban, Brigadier Walter Feichtinger,<br />

Heinz Gärtner, Johannes Luxner,<br />

Georg Mader, Oberst Dieter Muhr,<br />

Brigadier Harald Müller, Thomas Roithner,<br />

Frank Sauer, Hans Schneeweiß<br />

Hersteller: PrintandSmile<br />

Redaktionskontakt:<br />

Brigitte Janko, b.janko@qmm.at,<br />

Tel. 01/342 242-0, Mariahilfer Straße<br />

88a/II/2a, A-1070 Wien, Österreich<br />

Geschäftsführung: Andreas Dressler,<br />

a.dressler@qmm.at, Günther Havranek<br />

www.qmm.at<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


0 0 4 I N H A L T<br />

INHALT<br />

010<br />

Im Jahr 2015 stieg die Zahl der<br />

Asylwerber innerhalb der EU auf<br />

rund 1,3 Millionen. Stabilisierungsmaßnahmen<br />

sollen einen ähnlichen<br />

Massenansturm in Zukunft verhindern.<br />

032<br />

Führen<br />

050<br />

Kompetenzzentrum:<br />

Am Institut Pionier der<br />

Heerestruppenschule steht die<br />

Kampfmittelabwehr ebenso auf<br />

dem Lehrplan wie der Brückenbau.<br />

und koordinieren: Wachtmeister Mathias Hofbauer<br />

(links) vom Panzerbataillon 14 gibt Einblicke in seine<br />

Tätigkeit als Kommandant eines Leopard-Kampfpanzers.<br />

003 EDITORIAL, IMPRESSUM<br />

006 MOMENTUM<br />

Jagdkommando-Soldaten üben<br />

sich im Zielspringen.<br />

008 WELTGESCHEHEN<br />

Aktuelle Kurzmeldungen<br />

aus aller Welt.<br />

010 MIGRATION BEHERRSCHEN<br />

Mit einem breiten Maßnahmenpaket<br />

ist ein Flüchtlings-Massenansturm<br />

wie im Jahr 2015 zu<br />

verhindern.<br />

014 DOSSIER: KRIEG DER ZUKUNFT<br />

Wie autonome Waffensysteme<br />

die Kriegsführung verändern:<br />

Interview mit „Robotic Wars“-<br />

Autor Oberstleutnant Markus<br />

Reisner sowie Beiträgen und<br />

Gastkommentaren der Militärexperten<br />

Heinz Gärtner, Frank<br />

Sauer und von Friedensforscher<br />

Thomas Roithner.<br />

030 NEUES AUS DEM HEER<br />

Aktuelle Kurzmeldungen aus<br />

dem Bundesheer.<br />

032 EIN TAG MIT …<br />

… Panzerkommandant Wachtmeister<br />

Mathias Hofbauer.<br />

036 REPORTAGE<br />

Mit dem Panzerbataillon 14 und<br />

dem Panzergrenadierbataillon 35<br />

bei der Informationslehrübung<br />

der Bundeswehr am Truppenübungsplatz<br />

Bergen.<br />

042 INTERVIEW<br />

Generalstabschef Robert<br />

Brieger über die finanzielle<br />

Ausstattung des Heeres,<br />

internationale Kooperationen<br />

und eine stärkere Fokussierung<br />

auf die Landesverteidung.<br />

046 DIE LUFTSTREITKRÄFTE<br />

Wie Eurofighter, Black Hawk &<br />

Co zur Erfüllung vieler Aufgaben<br />

des Bundesheeres beitragen.<br />

050 LOKALAUGENSCHEIN<br />

Zu Besuch beim Institut Pionier<br />

an der Heerestruppenschule.<br />

054 KOCHEN AM LAGERFEUER<br />

So geht’s richtig: eine Anleitung<br />

in neun Schritten.<br />

FOTO S : G E T T Y I M AG E S , S E B AST I A N F R E I L E R I L LU ST R AT I O N : C L AU D I A M O L I TO R I S<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


I N D I E S E M H E F T<br />

056 RÜSTUNGSNEWS<br />

Neuheiten aus der Welt der<br />

Rüstungs- und Sicherheitstechnik.<br />

058 MILITÄR AKTUELL HEBT AB<br />

Wir waren auch heuer wieder<br />

Medienpartner der Bahrain<br />

Airshow und des Manama<br />

Airpower Symposiums.<br />

062 TRAINER AUS TSCHECHIEN<br />

Militär Aktuell war beim Roll-out<br />

des potenziellen Saab 105-<br />

Nachfolgers L-39NG von<br />

Aero Vodochody in Prag.<br />

064 INSELSTAAT IM FOKUS<br />

Mauritius verfügt zwar über<br />

keine Armee, aber wie Österreich<br />

über Alouette III-Hubschrauber.<br />

066 SCHLUSSPUNKT<br />

IFK-Forscher Christoph Bilban<br />

über die überregionalen Konflikte<br />

und geopolitischen Spannungen<br />

im Südkaukasus.<br />

067 INFOGRAFIK<br />

Die Leistungsmerkmale der<br />

neuen Mammut-Dekontaminationssysteme<br />

des Bundesheeres.<br />

067<br />

Modernes Gerät für die ABC-Abwehrtruppe:<br />

Das neue Dekontaminationssystem<br />

Mammut unterstützt die<br />

Soldaten bei der Bekämpfung<br />

von radiologischen, biologischen<br />

und chemischen Gefahrenstoffen.<br />

neu<br />

DOSSIER<br />

Schwerpunktthema<br />

rund um<br />

autonome Waffensysteme<br />

und den Krieg der Zukunft.


0 0 6 P A N O R A M A<br />

Punktlandung!<br />

FOTO S : H B F/ DA N I E L T R I P P O LT, H B F/ G U N T E R P U S C H<br />

Mit dem Fallschirm hoch über Wien<br />

aus einer AB-212 springen und<br />

wenige Minuten später punktgenau<br />

auf dem Flachdach eines Turms der<br />

Vienna Twin Towers am Wienerberg<br />

landen? Für die Soldaten des<br />

Jagdkommandos überhaupt kein<br />

Problem. Im Rahmen einer mehrtägigen<br />

Übung trainierten die Elitesoldaten<br />

Landungen im verbauten<br />

Gebiet und sprangen dabei insgesamt<br />

zehn Mal auf Dächer ab –<br />

mehrmals auch in der Nacht. Den<br />

Höhepunkt der Übung bildete<br />

die Landung auf dem 127 Meter<br />

hohen Gebäudekomplex, die von<br />

der Heeresbild- und Filmstelle<br />

perfekt in Szene gesetzt wurde.<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


M O M E N T U M<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


0 0 8 W E L T & S T R A T E G I E<br />

AFGHANISTAN:<br />

DIE BILANZ IST<br />

ERNÜCHTERND<br />

„Die Überlegungen zur Gründung einer eigenen europäischen<br />

Armee sind sehr beleidigend! Vielleicht sollte Europa erst<br />

einmal seinen fairen Anteil an der NATO zahlen, die<br />

von den USA in hohem Maße subventioniert wird!“<br />

US-Präsident Donald Trump<br />

Der amerikanische Präsident Donald Trump ließ Mitte November rund um seine<br />

Teilnahme an einer großen Gedenkfeier in Frankreich zum Ende des Ersten Weltkriegs<br />

vor hundert Jahren einmal mehr mit einer kritischenAussage in Richtung<br />

Europa aufhorchen. Dieses Mal stieß dem amerikanischen Staatschef zur Abwechslung<br />

nicht das lasche Engagement der Europäer in der NATO sauer auf, sondern die<br />

jüngsten Forderungen des französischen Staatschefs Emmanuel Macron nach der Gründung<br />

einer europäischen Armee . Die Pläne seien „sehr beleidigend“, schrieb Trump auf<br />

dem Kurznachrichtendienst Twitter – und kam dann doch wieder auf die transatlantische<br />

Verteidigungsbündnis zu sprechen: „Vielleicht sollte Europa erst einmal seinen fairen Anteil an<br />

der NATO zahlen, die von den USA in hohem Maße subventioniert wird.“<br />

FOTO S : G E T T Y I M AG E S<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


W E LT G E S C H E H E N<br />

Am 7. Oktober 2001 begannen die<br />

USA mit Angriffen auf Ziele in ganz<br />

Afghanistan ihren Krieg gegen den<br />

Terror, die Generäle versprachen ein<br />

schnelles Ende. Etwas mehr als 17 Jahre<br />

später ist davon keine Rede mehr,<br />

die Kampfhandlungen im Land halten<br />

noch immer an. Zuletzt konnten die<br />

Taliban sogar wieder große Geländegewinne<br />

verzeichnen, die Bilanz der<br />

Auseinandersetzungen liest sich ernüchternd:<br />

Laut offiziellen Angaben<br />

haben die USA für ihren bislang längsten<br />

Krieg rund 800 Milliarden Euro<br />

ausgegeben (inklusive der Kosten für<br />

den Bau von Straßen, Brücken und<br />

Kraftwerken, …) und in den Kämpfen<br />

mehr als 2.400 Soldaten verloren.<br />

Zudem wächst nun der Unmut in der<br />

konfliktgeplagten afghanischen Bevölkerung,<br />

die sich Frieden für ihr Land<br />

erhofft hatte und die den USA nun<br />

Unfähigkeit vorwirft. Und: Dass es Washington<br />

in Afghanistan von Anfang an<br />

nicht um die Bekämpfung der Taliban<br />

ging, sondern nur darum, durch einen<br />

lang anhaltenden Konflikt vor Ort<br />

Truppen stationieren zu können.<br />

NORDKOREA: PLÄNE NICHT AUFGEGEBEN!<br />

Baut Nordkorea sein Raketenprogramm heimlich weiter aus? Nach der<br />

jüngsten Annäherung zwischen Kim Jong-un und Donald Trump berichten<br />

die New York Times nun davon, dass laut einer aktuellen Studie des „Center<br />

for Strategic and International Studies“ (CSIS) neueste Satellitenbilder belegen<br />

würden, dass Pjöngjang seine Raketenbasen weiter ausbaue. Zudem<br />

habe der amerikanische Geheimdienst Erkenntnisse darüber, dass die<br />

„Produktion von nuklearem Material, neuen Atomwaffen und von Raketen<br />

weitergeht, die auf mobilen Abschussrampen platziert und in den Bergen<br />

auf geheimen Basen versteckt werden können.“ Nordkorea soll dem Bericht<br />

zufolge mittlerweile 40 bis 60 atomare Sprengköpfe besitzen. Die Reaktion<br />

von Trump? „Die Geschichte ist falsch. Das sind nur Fake News.“<br />

PKK: ZU UNRECHT<br />

AUF DER TERRORLISTE<br />

Die kurdische Arbeiterpartei PKK ist zwischen<br />

den Jahren 2014 und 2017 zu Unrecht<br />

auf der EU-Terrorliste geführt worden, wie<br />

das EU-Gericht in Luxemburg nun mitteilte.<br />

Die zugrundeliegenden Beschlüsse der<br />

EU-Staaten seien wegen Verfahrensfehlern<br />

nichtig, die gegen die verbotene Organisation<br />

verhängte Vermögenssperre war nicht ausreichend<br />

begründet. Konkrete Auswirkungen<br />

hat das Urteil allerdings nicht, da es für <strong>2018</strong><br />

einen neuen Beschluss zur Terrorliste gibt.<br />

Ein Antrag auf die rückwirkende Streichung<br />

der PKK von der Terrorliste seit 2002 (damals<br />

wurde sie erstmals eingetragen) wurde vom<br />

Gericht zurückgewiesen.<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


0 1 0 W E L T & S T R A T E G I E<br />

WAS TUN?<br />

Als im Jahr 2015 die Migration nach Europa<br />

immer größere Ausmaße annahm, waren viele<br />

EU-Länder mit der Entwicklung heillos überfordert.<br />

Dabei war vor einer derartigen Situation schon<br />

lange davor gewarnt worden – Lösungsvorschläge<br />

blieben aber weitgehend ungehört.<br />

Text: BRIGADIER HARALD MÜLLER<br />

E<br />

uropa wandelte sich<br />

in seiner jüngeren<br />

Geschichte von<br />

einem Auswanderungs-<br />

zu einem<br />

Zuwanderungskontinent. Großteils erfolgte<br />

der Zuzug auf legalem Weg, in<br />

Teilen aber auch illegal. Da die erlaubten<br />

Zugänge immer restriktiver werden,<br />

der Bedarf aber gleichzeitig steigt,<br />

suchen immer mehr Menschen nach<br />

illegalen Schlupflöchern, um ans Ziel<br />

ihrer Träume zu gelangen. Zudem werden<br />

immer mehr Menschen aus ihrer<br />

Heimat vertrieben und suchen Zuflucht<br />

auch in europäischen Ländern.<br />

Vor allem in den Regionen östlich, südöstlich<br />

und südlich der Europäischen<br />

Union verschlechterten sich die Lebensbedingungen<br />

in den vergangenen<br />

Jahren teils massiv. Das Bevölkerungswachstum<br />

dort ist hoch, dem meist<br />

überdurchschnittlich hohen Jugendanteil<br />

stehen nur ungenügend Ressourcen<br />

zur Verfügung. Dazu kommen Arbeitslosigkeit<br />

und Korruption, Armut und<br />

Hunger, Klimaverschlechterungen einhergehend<br />

mit Katastrophen, gewaltsame<br />

Konflikte sowie gescheiterte Staatsordnungen.<br />

Die Hemmschwelle, ihre<br />

Heimat zu verlassen, ist vor diesem<br />

Hintergrund für viele Menschen nicht<br />

sehr hoch und moderne Informationsund<br />

Kommunikationstechnologien als<br />

Verbindung zu der schon im Ausland<br />

lebenden Diaspora, vielfältige Transportmittel<br />

und -wege sowie das sehr<br />

lukrative Schlepperwesen erleichtern<br />

Migrationswilligen diesen Schritt noch.<br />

Legt man diese Push- und Pull-Faktoren<br />

einer Potenzialbeurteilung zugrunde,<br />

so stehen an deren Ende mehrere<br />

Millionen Migrationswillige mit Ziel<br />

Europa, die aus den unterschiedlichsten<br />

Gründen ihre Reise antreten – die<br />

Fachleute sprechen von einem „Mixed<br />

Migration Flow“. Betrugen die Asylwerberzahlen<br />

in der EU in den Jahren<br />

2002 bis 2013 im Durchschnitt jährlich<br />

rund 290.000 Menschen, schwollen sie<br />

2015 vor allem aufgrund der gewaltsamen<br />

Konflikte im Nahen und Mittleren<br />

Osten sowie in Nordafrika auf<br />

rund 1,3<br />

Millionen (die<br />

Zahlen für Österreich<br />

liegen bei 88.300) an, um<br />

in der Folge nicht wegen eines<br />

abnehmenden Bedarfs,<br />

sondern aufgrund verschiedener<br />

Gegenmaßnahmen der EU<br />

und ihrer Mitglieder wieder zu<br />

sinken. Prekär wurde die Lage<br />

deshalb, weil Migranten sich nur<br />

einige Länder der EU als Zielland<br />

aussuchten. Außerdem wurde nach<br />

einem umfassenden rechtsstaatlichen<br />

Verfahren auf Basis der Genfer<br />

Flüchtlingskonvention festgestellt,<br />

dass über die Jahre nur rund<br />

die Hälfte der Werber tatsächlich<br />

schutzberechtigt waren und der<br />

Rest eigentlich wieder ausreisen<br />

hätte müssen.<br />

Durch den plötzlichen Massenansturm<br />

waren die Institutionen so-<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


I F K - A N A LY S E<br />

FOTO : G E T T Y I M AG E S<br />

Empfehlungen von Tampere 1999,<br />

Haager Programm 2004) unterbreitet<br />

haben, einzelne Mitgliedsstaaten aber<br />

immer wieder anlassbedingt ausscherten.<br />

An dieser Stelle muss auch auf das<br />

große EU-Ziel des freien Personenverkehrs<br />

hingewiesen werden. In Umsetzung<br />

desselben muss über allen Mitgliedsstaaten<br />

ein Raum der Freiheit,<br />

der Sicherheit und des Rechts ohne<br />

Binnengrenzen aufgebaut werden.<br />

Daher müssen die EU-Außengrenzen<br />

kontrolliert, die Einwanderung, das<br />

Asyl sowie die Bekämpfung der grenzüberschreitenden<br />

Kriminalität geregelt<br />

werden. Dies sollte auf der Grundlage<br />

von Solidarität entwickelt werden.<br />

In der letzten Phase der europäischen<br />

EU-Migrations- und Asylgeschichte<br />

wurde versucht, Migrationspolitik<br />

als gemeinschaftliches Politikfeld zu<br />

eta blieren, was zwischen den Polen<br />

„Eigeninteresse“ und „Solidarität“ aber<br />

schwierig ist. Um Migration trotzdem<br />

steuern zu können, wurde im Laufe<br />

der Jahre ein Zwiebelschalensystem<br />

von den Herkunftsländern bis in das<br />

Territorium der EU entwickelt, das<br />

unterschiedlichste Maßnahmen<br />

zusammenfasst:<br />

wie die Bevölkerung der EU<br />

und auch Österreichs teilweise<br />

überfordert. Auswirkungen<br />

ergaben sich auf die<br />

demografische und religiöse<br />

Struktur ebenso wie auf die Kultur,<br />

die Wirtschaft, den Staatshaushalt,<br />

das Bildungssystem,<br />

die Sicherheit und den Gesundheitsbereich<br />

eines Aufnahmelandes,<br />

die sich als<br />

Chancen aber auch Risiken<br />

manifestieren. Um die Zuwanderung<br />

für eine Gesellschaft bewältigbar<br />

zu machen, ist jedenfalls<br />

eine bedarfs- und humanorientierte<br />

Steuerung notwendig.<br />

In diesem Zusammenhang wirft<br />

man „der EU“ gerne Versagen vor.<br />

Es ist aber eher so, dass die EU-Institutionen<br />

schon seit Langem die<br />

Herausforderungen erkannt und<br />

Lösungsvorschläge (unter anderem<br />

•<br />

Bekämpfung der Ursachen (Push-<br />

Faktoren) illegaler Migration in Partnerschaft<br />

mit den Herkunftsländern<br />

•<br />

Unterstützung von nahe den Herkunftsländern<br />

liegenden überforderten<br />

Zielländern<br />

•<br />

Optimierung der legalen Zuwanderungsmöglichkeiten<br />

in Partnerschaft<br />

mit den Herkunftsländern<br />

unter Berücksichtigung von selbstbestimmten<br />

Prioritäten der Aufnahmestaaten<br />

•<br />

Optimierung des UN-Resettlements<br />

(Umsiedlung aus überforderten<br />

Ländern in aufnahmebereite Länder)<br />

•<br />

Bekämpfung von Menschenschmuggel<br />

und -handel<br />

•<br />

Rettung von Menschenleben<br />

und humanitäre Hilfe an<br />

Migrationsrouten<br />

•<br />

Optimierung des EU-Außengrenzschutzes<br />

(unter anderem<br />

FRONTEX)<br />

•<br />

Etablierung eines „Gemeinsamen<br />

Europäischen Asylsystems“ mit<br />

einheitlichen Standards<br />

•<br />

abgestimmte Rückführung nicht<br />

Bleibeberechtigter<br />

•<br />

Unterstützung von betroffenen<br />

EU-Mitgliedsstaaten: Verteilung<br />

(Relocation), Finanzhilfen, …<br />

•<br />

Optimierung der Integration für<br />

Bleibeberechtigte<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


0 1 2 W e l T & S T r a T e G I e<br />

TODESZONE MITTELMEER<br />

Fluchtrouten nach Europa gibt<br />

es für Flüchtlinge und Migranten<br />

aus Afrika viele – die wohl gefährlichste<br />

führt über das Mittelmeer.<br />

Alleine im heurigen Jahr<br />

sind laut offiziellen Zahlen mehr<br />

als 2.000 Menschen auf diesem<br />

Weg ertrunken.<br />

Video-Tipp<br />

Im Videoblog „Feichtinger kompakt“<br />

informiert Brigadier Walter Feichtinger<br />

seit März 2017 in mittlerweile mehr als<br />

30 Sendungen über internationale Krisen<br />

und Konfliktregionen. Ganz aktuell<br />

beschäftigen sich zwei Folgen auch<br />

mit dem Thema Migration,<br />

nachzusehen auf dem<br />

YouTube-Videokanal<br />

des Bundesheeres.<br />

Unter Hinweis auf die Pull-Faktoren<br />

sollte außerdem die Diaspora in den<br />

Aufnahmeländern in die Überlegungen<br />

eingebunden werden. Im Wesentlichen<br />

rankten sich bis dato alle Diskussionen<br />

um diese Maßnahmen, wobei immer<br />

wieder einzelne als Allheilmittel erko-<br />

ren wurden. Es ist aber klar, dass angesichts<br />

des riesigen Migrantenpotenzials<br />

nur die Anwendung des gesamten<br />

Pakets zum langfristigen Erfolg führen<br />

kann. Entscheidend dabei ist jedenfalls<br />

ein koordinierter gesamtgesellschaftlicher<br />

Ansatz unter Einbeziehung aller<br />

staatlichen wie nichtstaatlichen Akteure<br />

auf allen Ebenen.<br />

Der Autor ist Mitarbeiter am Institut<br />

für Friedenssicherung und Konfliktmanagement<br />

an der Landesverteidigungsakademie.<br />

„Migration verlangt Ernsthaftigkeit!“<br />

BRIGADIER WALTER<br />

FEICHTINGER ist seit<br />

2002 Leiter des Instituts<br />

für Friedenssicherung und<br />

Konfliktmanagement (IFK)<br />

an der Landesverteidigungsakademie.<br />

es ist müßig, immer auf die „Migrationsgefahr“<br />

hinzuweisen, ohne ernsthaft die<br />

wesentlichen Probleme anzusprechen.<br />

drei aspekte stechen dabei hervor:<br />

Migration als Bedrohung<br />

In europa und den USa wird Migration<br />

derzeit primär als Gefahr dargestellt und<br />

empfunden. Wenn Präsident Trump einige<br />

Tausend Menschen, die richtung USa<br />

aufbrechen, als „Invasoren“ bezeichnet<br />

und ein militärisches Großaufgebot an die<br />

Grenze schickt, so ist das grotesk und überzogen.<br />

Migration ist ein uraltes Phänomen,<br />

das zum größtmöglichen Nutzen aller<br />

Beteiligten zu gestalten ist.<br />

Misswirtschaft und politisches Versagen<br />

die Kolonialzeit ist nicht das alleinige erklärungsmuster<br />

für desaströse Zustände und<br />

gewaltsame Konflikte in den Herkunftsländern.<br />

ohne ernsthafte Bekämpfung von<br />

Korruption, Vetternwirtschaft, systematischer<br />

ausgrenzung und Verfolgung von<br />

Minderheiten, randgruppen oder der<br />

opposition kann es weder Fortschritt noch<br />

positive entwicklung geben. ausländische<br />

Kooperationspartner und Wirtschaftstreibende<br />

sind daher aufgerufen, diesen Systemen<br />

keinen weiteren Vorschub zu leisten.<br />

ein fairer Wettbewerb samt Öffnung der<br />

Märkte wäre ein wichtiger Beitrag.<br />

Bevölkerungszunahme<br />

es klingt dramatisch, dass sich die Bevölkerung<br />

afrikas zwischen <strong>2018</strong> und 2050 verdoppeln<br />

wird. Im einklang mit ethischen<br />

und moralischen Grundsätzen ist zu fragen,<br />

wie verantwortungsvoll dieser Trend angesichts<br />

herrschender Hungersnöte und weitverbreiteter<br />

Perspektivenlosigkeit ist. aufklärung,<br />

Bildung und entwicklung sind die<br />

besten Garanten für ein „einpendeln“ der<br />

Geburtenrate. Gemeinsam mit Sicherheit<br />

müssen diese Bereiche daher im Zentrum<br />

aller Bemühungen sein.<br />

europäische Ängste und das Streben nach<br />

Schutz sind nach 2015 nachvollziehbar.<br />

Sie dürfen aber nicht dazu führen, dass<br />

wesentliche aspekte ausgeblendet und<br />

das eigene Handeln fehlgeleitet werden.<br />

FoTo S : G e T T Y I M aG e S , N a d j a M e I ST e r<br />

M I L I T Ä R A k T u E L L


Training Für Die Zukunft<br />

Aermacchi M-346: eine außerordentlich kosteneffiziente, technologisch<br />

fortgeschrittene Plattform für integrierte Trainingssysteme der nächsten Generation,<br />

Homeland Security und Air Policing. In den Luftwaffen Italiens, der Republik Singapur<br />

und Israels im Einsatz und in Produktion für die Luftwaffe Polens.<br />

Leonardo ist weltweit führend im Design, der Produktion und dem Support<br />

militärischer Flugzeuge. In den letzten 50 Jahren haben 2.000 Leonardo-Flugzeuge<br />

über 20.000 militärische und zivile Piloten in über 40 Ländern auf allen fünf<br />

Kontinenten trainiert.<br />

Inspiriert von der Vision, dem Forschungsdrang und dem Genie des großen Erfinders -<br />

Leonardo entwickelt die Technologie von morgen.<br />

leonardocompany.com<br />

Helicopters | Aeronautics | Electronics, Defence & Security Systems | Space


0 1 4 W E L T & S T R A T E G I E<br />

Die Entwicklung von Robotern und<br />

autonomen Waffensystemen sorgt für<br />

eine technologische Revolution der<br />

Schlachtfelder. Drohnenschwärme,<br />

selbstständig agierende Panzer und<br />

Unterwassersysteme verändern den<br />

Charakter des Krieges - und dessen<br />

ethische grenzen: Der Mensch tötet<br />

nicht mehr, er lässt töten.<br />

Text: JÜRGEN ZACHARIAS<br />

A<br />

m „Tag des<br />

jüngsten Gerichts“<br />

im Jahr<br />

2029 fegte ein<br />

atomares Armageddon<br />

Milliarden<br />

Menschen hinweg. Sie verglühten<br />

innerhalb von Sekundenbruchteilen,<br />

kamen in den Feuerstürmen um und<br />

starben an der massiven Strahlung.<br />

Die Welt stand nicht am Rande des<br />

Abgrunds, sie befand sich mittendrin –<br />

und das alles nur, weil Menschen die<br />

Kontrolle aus der Hand gegeben hatten.<br />

irgendwann abgeschaltet zu werden,<br />

mussten sie sich gegen ihre menschlichen<br />

Herren auflehnen. Also zettelten<br />

die Maschinen einen Atomkrieg an,<br />

jagten mit vollautomatischen Kriegsrobotern<br />

die wenigen Überlebenden und<br />

gingen sogar noch einen Schritt weiter:<br />

Mit einer Zeitmaschine schickten sie<br />

einen Androiden zurück ins Jahr 1984,<br />

um dort die Mutter des Anführers der<br />

menschlichen Resistance zu töten und<br />

damit die Wurzeln des Widerstands zu<br />

zerschlagen, bevor er sich überhaupt<br />

formieren kann.<br />

bedienen, Ziele ausmachen, kompakte<br />

Lagebilder schaffen und darin vollautonom<br />

agieren. Allerdings könnte es bis<br />

zu diesem Schritt nur noch wenige Jahre<br />

dauern, wenn man sich die jüngsten<br />

Entwicklungen in diesem Sektor vor<br />

Augen führt.<br />

Ferngesteuerte Marschflugkörper, die<br />

Tausende Kilometer weit fliegen können<br />

und auf ihrem Weg Hindernissen<br />

selbstständig ausweichen, sind in vielen<br />

Armee-Arsenalen längst Massenware.<br />

Ebenso Roboter, die Sprengsätze erken-<br />

KRIEG DER<br />

Weil Militärs intelligenten Computersystemen<br />

mehr vertraut hatten als ihren<br />

Soldaten. Weil sie die Verteidigung<br />

ihres Landes und die Kontrolle über<br />

ihre Raketen Bytes und Bits übertragen<br />

hatten und die intelligenten Verteidigungssysteme<br />

irgendwann ein eigenes<br />

Bewusstsein entwickelten. Und das<br />

sagte ihnen: Überleben – um jeden<br />

Preis! Um nicht Gefahr zu laufen,<br />

Zugegeben: Die Sache mit der Zeitreise<br />

ist auch heute, mehr als drei Jahrzehnte<br />

nach dem Erscheinen des Science-<br />

Fiction-Klassikers „Terminator“ immer<br />

noch Utopie. Der Rest des Plots scheint<br />

aber gar nicht mehr so weit hergeholt.<br />

Zwar ist die Technik auch jetzt noch<br />

nicht so weit, dass Roboter wie Arnold<br />

Schwarzenegger als Terminator T-800<br />

selbstständig unterschiedlichste Waffen<br />

nen und entschärfen. Algorithmen<br />

filtern für Militärs heute bereits riesige<br />

Datenmengen, autonom agierende Maschinengewehre<br />

fungieren als Grenzschützer<br />

und Drohnen schaffen präzisere<br />

und umfassendere Lagebilder als<br />

jemals zuvor. Dass unbemannte Fluggeräte<br />

gegen Terroristen oder feindliche<br />

Kombattanten sogar aktiv Kampfhandlungen<br />

setzen, gesteuert von einem<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


EXTRA<br />

16 SEITEN<br />

D O S S I E R<br />

DAS MILITÄR AKTUELL<br />

SCHWERPUNKT-<br />

THEMA<br />

ZUKUNFT<br />

FOTO : G E T T Y I M AG E S<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


0 1 6 W E L T & S T R A T E G I E<br />

Tausende Kilometer weit entfernt vor<br />

einem Computer sitzenden Operator?<br />

Auch das ist längst Realität! Aber was<br />

ist mit koordiniert agierenden Minidrohnen,<br />

die sich in Schwärmen von<br />

mehreren Hundert Stück und mit<br />

Sprengstoff beladen auf Stellungen<br />

stürzen? Was ist mit tierähnlich konstruierten<br />

Tragerobotern, die auf praktisch<br />

jedem Terrain einsetzbar sind?<br />

Und die zur Unterstützung von Stoßtrupps<br />

große Lasten über Hunderte<br />

Kilometer hinweg tragen können, ohne<br />

zwischendurch betankt oder auf andere<br />

Art und Weise gefüttert zu werden?<br />

Auch schon Realität? Und wenn ja,<br />

was ist mit den von Russland eher beiläufig<br />

angekündigten interkontinentalen,<br />

nuklear bewaffneten und angetriebenen<br />

autonomen Untersee-Torpedos,<br />

die sich selbst ihren Weg in feindliche<br />

Häfen suchen und mit einer ungeheuren<br />

Sprengkraft ganze Küstenabschnitte<br />

nachhaltig zerstören, verstrahlen<br />

und damit über viele Jahre hinweg unbenutzbar<br />

machen können? Nur eine<br />

besonders drastische Drohkulisse?<br />

Oder ebenso Zukunftsmusik wie<br />

Drohnen in Vogelform, die das Bewegungsmuster<br />

der Tiere perfekt imitieren,<br />

Zielräume aus der Luft aufklären<br />

und vorhandene Überlandhochspannungsleitungen<br />

zur eigenen Stromversorgung<br />

nutzen?<br />

Egal, wie lange die eine oder andere<br />

Entwicklung noch auf sich warten<br />

lässt, die Beispiele zeigen: Ob in der<br />

NEUES SOLDATENBILD<br />

Weniger Schlachtfeld und mehr Bildschirm – Soldaten<br />

werden in Zukunft immer seltener selbst zur Waffe<br />

greifen. Sie werden vielmehr über Monitore autonome<br />

Waffensysteme steuern und überwachen.<br />

Luft, zu Land, auf dem Wasser, unter<br />

Wasser, im Weltall oder im Cyberbereich<br />

– Militärs sind bei der Entwicklung<br />

unbemannter Systeme äußerst<br />

kreativ und es kann ihnen dabei insbesondere<br />

seit 9/11 und dem Beginn des<br />

Kriegs gegen den Terror nicht schnell<br />

genug gehen. Schon jetzt unterhalten<br />

rund 30 Staaten automatische Abwehrsysteme<br />

gegen Raketen- und Artilleriebeschuss,<br />

beinahe ebenso viele<br />

Länder betreiben Flotten mit bewaffneten<br />

Drohnen. Und da wie dort werden<br />

die Systeme immer autonomer.<br />

Die neue US-Drohne MQ-25 beispielsweise<br />

soll vollautomatisch auf<br />

Flugzeugträgern starten und landen<br />

und den – ebenfalls mit jeder Menge<br />

Sensoren vollgepackten – „Fünfte-Generation-Kampfjet“<br />

F-35 mit Treibstoff<br />

versorgen. Umgerüstete F-16 könnten<br />

den als Joint Strike Fighter bezeichneten<br />

neuen Super-Kampfjet in diesem<br />

Szenario als unbemannte Roboter begleiten.<br />

Die Russen wollen in ihrem als<br />

Okhotnik angekündigten „Sechste-Generation-Fighter“<br />

überhaupt gleich<br />

ganz auf einen Piloten verzichten. Unbemannt<br />

soll der Jäger die Art und<br />

Weise revolutionieren, wie Luftschlachten<br />

ausgetragen werden. Das<br />

Design verspricht eine echte aeronautische<br />

Zäsur zu werden, müssen die<br />

Ingenieure bei der Konstruktion doch<br />

weder auf den Piloten, noch auf die<br />

Wirkung von G-Kräften auf den<br />

menschlichen Körper, auf Schleudersitz<br />

und andere Schutzsysteme achten.<br />

Revolutionär sind auch die mit<br />

Sprengstoff beladenen israelischen<br />

Drohnen Harpy und Harop, die im<br />

Kamikaze-Stil feindliche Stellungen<br />

angreifen können. Spürt die Harpy bei<br />

ihren stundenlangen Flügen über einem<br />

zuvor definierten Gebiet Radarsequenzen<br />

von Luftabwehrsystemen auf,<br />

schlägt sie automatisch zu und stürzt<br />

sich ins Ziel. Die etwas größere Harop<br />

ist mit 23 Kilogramm Sprengstoff<br />

ausgerüstet und kann aktiv vorher<br />

bestimmte Ziele zerstören. Wie Ocean<br />

Aero beweist, macht der technologische<br />

Fortschritt auch vor dem Wasser<br />

nicht halt. Mit dem Submaran hat der<br />

zum Lockheed-Konzern gehörende<br />

Anbieter eine unbemannte Ozeandrohne<br />

entwickelt, die sich mit Windund<br />

Sonnenenergie über und unter<br />

Wasser bewegen und über lange Zeiträume<br />

hinweg Daten sammeln kann.<br />

Neue Lagebilder schaffen, lautet der<br />

Auftrag. Bestehendes Wissen verdichten,<br />

Lücken und Abwehrschwächen im<br />

Verteidigungsbund des Gegners ausmachen<br />

und damit den Weg bereiten<br />

für Kommandoaktionen und Angriffe,<br />

die im Idealfall von anderen autonomen<br />

Systemen geführt werden.<br />

Die raschen Fortschritte in der Robotik,<br />

in der Automatisierung, Digitalisierung<br />

und bei der Erforschung<br />

künstlicher Intelligenz treiben die Entwicklung<br />

jedenfalls rasant voran und<br />

lassen bald schon noch weit ausgereiftere<br />

Systeme greifbar werden. Waffen,<br />

die schneller und präziser agieren, als<br />

das die heutige Technik und erst recht<br />

der Mensch jemals schaffen könnten.<br />

Die ohne Probleme mit Unmengen an<br />

Daten hantieren, sich mit anderen Systemen<br />

austauschen, Informationen abgleichen<br />

und die Militärs bei Konflikten<br />

und Auseinandersetzungen einen<br />

großen strategischen Vorteil versprechen.<br />

Und die – das kommt noch<br />

dazu – helfen, die Zahl der benötigten<br />

Soldaten deutlich zu reduzieren. Es<br />

braucht heute keine 300 bis 400 Mann<br />

Besatzung mehr, um etwa einen<br />

Zerstörer zu betreiben. Maximal die<br />

Hälfte genügt, um die hochmodernen<br />

amerikanische Zumwalt-Schiffe zu<br />

steuern und zu bedienen – an Land ist<br />

die Entwicklung ähnlich. Schon in<br />

zehn bis fünfzehn Jahren – so Exper-<br />

FOTO S : G E T T Y I M AG E S<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


KRIEG DER ZUKUNFT<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


0 1 8 W e L T & S T R A T e g I e<br />

ten – wird sich die Zahl der Soldaten<br />

in Kampfeinheiten auf die Hälfte oder<br />

noch weniger reduzieren und die<br />

Schlagkraft trotzdem entscheidend erhöht<br />

werden. Brigaden würden dann<br />

nicht mehr wie heute bis zu 5.000 Soldaten<br />

stark sein, sondern nur noch<br />

1.500 bis 3.000 Mann. Und diese würden<br />

kaum mehr im Feld stehen und damit<br />

direkt der Gefahr von feindlichem<br />

Beschuss ausgesetzt sein, sondern vermehrt<br />

vor dem Bildschirm Robotersysteme<br />

steuern und bedienen, die an ihrer<br />

Stelle an vorderster Front agieren.<br />

Damit müsste auch das Bild des Soldaten<br />

völlig neu gezeichnet werden – an<br />

die Stelle von Sturmgewehr und Stahlhelm<br />

rücken Joystick und Headset.<br />

Und natürlich müssten auch in der<br />

Ausbildung die Schwerpunkte neu gesetzt<br />

werden: Dann würde es wohl weniger<br />

um das richtige Verhalten im Gelände,<br />

Ausdauerläufe und das Pumpen<br />

von Liegestütz gehen, als vielmehr um<br />

die rasche Verarbeitung von Informationen.<br />

Und um die präzise Koordination<br />

und den raschen Einsatz unterschiedlicher<br />

intelligenter Waffen und<br />

Plattformen.<br />

Die angeführten Beispiele zeigen: Autonom<br />

agierende Systeme machen<br />

schlagkräftige Armeen noch potenter.<br />

Sie geben aber auch kleinen Ländern<br />

und selbst Terrororganisationen wie<br />

dem Islamischen Staat die Möglichkeit,<br />

mit wenig Budget maximalen Schaden<br />

anzurichten. Noch vor wenigen Jahren<br />

war es für Rebellengruppen etwa undenkbar,<br />

selbst Luftangriffe durchzuführen.<br />

Mit kommerziell erhältlichen<br />

und mit Sprengstoff beladenen Drohnen<br />

ist das nun aber überhaupt kein<br />

Problem mehr – einige Tausend Euro,<br />

ein wenig Hirnschmalz und handwerkliches<br />

Geschick vorausgesetzt. Drohnen<br />

sind es auch, die in Zukunft hochtrainierte<br />

Special Forces und Kommandoeinheiten<br />

in vielen Einsatzszenarien<br />

obsolet machen könnten. Etwa wenn es<br />

darum geht, den hochrangigen General<br />

einer feindlichen Armee oder einen<br />

gesuchten Terroristen zu eliminieren.<br />

Minidrohnen erfüllen – ausgestattet<br />

mit Kamera und einer Gesichtserkennungs-Software<br />

und bewaffnet mit einigen<br />

Gramm Sprengstoff – die Mission<br />

effektiver, aus Sicht der Auftraggeber<br />

zudem deutlich smarter. Im Geschwader<br />

eingesetzt hätten derartige<br />

Minidrohnen sogar das Potenzial, die<br />

Garnison ganzer Stützpunkte und die<br />

Verteidigungskräfte großer Städte innerhalb<br />

weniger Minuten zu eliminieren<br />

und dabei die Infrastruktur kaum<br />

oder gar nicht zu zerstören. Städte, die<br />

vor ihrer Erstürmung erst wochenlang<br />

mit schwerem Gerät beschossen und<br />

in Schutt und Asche gelegt wurden wie<br />

noch im Zweiten Weltkrieg? Undenkbar!<br />

Nach dem Drohnensturm müssten<br />

kleine Stoßtrupps lediglich verbliebene<br />

Widerstandsnester ausheben, urbane<br />

Zentren würden mehr oder weniger<br />

unbeschädigt in Feindeshand fallen.<br />

Trifft bei all der beschriebenen Automatisierung<br />

und Autonomie der Waffensysteme<br />

in Zukunft aber immer<br />

noch der Mensch die Entscheidung<br />

über Leben und Tod? Oder machen das<br />

dann bereits die Maschinen? Und wie<br />

ist das rechtlich zu bewerten? Moralisch<br />

und ethisch? Und provokant<br />

nachgehakt: Wäre diese Entwicklung<br />

tatsächlich so furchterregend, wie sie<br />

sich für viele vermutlich anhört? Würden<br />

damit kriegerische Auseinandersetzungen<br />

nicht vielmehr auf das Wesentliche<br />

reduziert? Auf die Ausschaltung<br />

des Feindes mit größtmöglicher<br />

Vermeidung von Kollateralschäden.<br />

Würden Kriege damit nicht humaner,<br />

als das jetzt der Fall ist, soweit dieser<br />

Begriff in diesem Zusammenhang<br />

überhaupt angebracht ist?<br />

Seit Jahren zerbrechen sich Forscher,<br />

Wissenschaftler, Menschenrechtsorganisationen<br />

und Militärs über Antworten<br />

auf diese Fragen den Kopf – auf einen<br />

gemeinsamen Nenner sind sie bislang<br />

aber nicht gekommen. Groß verwundern<br />

muss das auch nicht, denn<br />

welche hochgerüstete Armee reglementiert<br />

schon freiwillig ihren in den<br />

vergangenen Jahren erarbeiteten Technologievorsprung.<br />

Moderne Streitkräfte<br />

können schon heute mit intelligenten<br />

Waffensystemen jederzeit, an jedem<br />

Ort der Welt eine letale Wirkung<br />

entfalten, ohne eigenes Personal zu gefährden<br />

und ohne vorher eine Kriegserklärung<br />

abgeben zu müssen. Interventionen<br />

sind dadurch immer dann umsetzbar,<br />

wenn sie hochrangige Militärs<br />

Harop<br />

Von Israel Aircraft Industries (IAI)<br />

entwickelte Loitering Weapon mit<br />

23 Kilogramm Sprengstoff, die<br />

stundenlang über einem Zielgebiet<br />

kreisen und mithilfe ihrer Sensorik<br />

automatisch vordefinierte<br />

Ziele im Kamikaze-Stil<br />

angreifen kann.<br />

Schwärme<br />

Koordiniert vorgehende<br />

Minidrohnen-Systeme könnten<br />

in Zukunft zur Bekämpfung von<br />

beweglichen und stationären<br />

Zielen eingesetzt werden<br />

und damit herkömmliche<br />

Abwehrmaßnahmen<br />

völlig überfordern.<br />

MQ-25<br />

Die autonom startende und<br />

landende US-„Tankstellendrohne“<br />

soll ausgehend von Flugzeugträgern<br />

Jets wie den F-35 Joint Strike<br />

Fighter mit Treibstoff versorgen.<br />

Damit können sie den Radius der<br />

Trägerflugzeuge deutlich<br />

erhöhen.<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


militärs verfügen in ihren arsenalen<br />

mittlerweile über eine große bandbreite an<br />

intelligenten Waffensystemen –<br />

drohnen gehören dazu ebenso wie<br />

unbemannte Wasser-, unterwasserund<br />

land-Plattformen.<br />

Platform M<br />

das aus der Ferne gesteuerte<br />

russische roboter-bodenfahrzeug<br />

(das bereits in syrien zum einsatz<br />

gekommen sein soll) ist mit<br />

sturmgewehr und granatwerfer<br />

ausgestattet und für aufklärungs-,<br />

Patrouillen- und kampfeinsätze<br />

geeignet.<br />

5<br />

Systeme<br />

der<br />

Zukunft<br />

KRIEG DER ZUKUNFT<br />

Submaran<br />

dieses Wind- und solarbetriebene<br />

oberflächen- und<br />

unterwasserschiff erleichtert die<br />

beobachtung und erkundung<br />

von meeres- und unterwassergebieten<br />

und liefert militärs<br />

damit deutlich umfassendere<br />

lagebilder als bisher.<br />

Foto s : W i k i m e d i a Co m m o n s / J u l i a n H e r zo g , 1 2 3 r F,<br />

a l a m y, o C e a n a e r o, e r i C s H i n d e l b oW e r / b o e i n g<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


0 2 0 W E L T & S T R A T E G I E<br />

für richtig halten. Und das präziser und<br />

mit weniger Aufwand als jemals zuvor<br />

in der Militärgeschichte. Darauf zu verzichten<br />

kommt für viele Generäle einer<br />

freiwilligen Schwächung der eigenen<br />

Truppe gleich – und die gilt es um<br />

jeden Preis zu vermeiden.<br />

Um abschließend einen Bogen zurück<br />

zum Beginn dieses Berichts zu schlagen:<br />

Am 26. September 1983 kam es in<br />

der Nähe von Moskau zu einem Szenario,<br />

das der eingangs beschriebenen<br />

Handlung des ersten Terminator-Films<br />

frappant ähnelte. Damals wurde kurz<br />

nach Mitternacht im Bunker von<br />

Oberstleutnant Stanislaw Petrow ein<br />

Alarm ausgelöst, sowjetischen Frühwarnsatelliten<br />

hatten den Start von fünf<br />

Interkontinentalraketen in den USA registriert.<br />

Petrow treten Schweißperlen<br />

auf die Stirn. Er läuft hin und her, fährt<br />

sich mit der Hand durch die Haare,<br />

blickt wieder und wieder ungläubig auf<br />

den Bildschirm. Sollten die Amerikaner<br />

tatsächlich einen Angriff wagen? Sollte<br />

damit das Undenkbare Realität werden?<br />

Aber warum greifen sie mit nur<br />

fünf Raketen an? Ihnen muss doch klar<br />

sein, dass Russland zurückschlagen<br />

wird – vernichtend. Was macht es aus<br />

Sicht der Amerikaner für einen Sinn,<br />

einen Angriff zu starten, der – trotz<br />

vermutlich vieler Millionen Todesopfer<br />

in einigen größeren russischen Städten<br />

– nur vergleichsweise geringen Schaden<br />

anrichten wird, und dann im Gegenschlag<br />

der Sowjetunion unterzugehen?<br />

Petrow grübelt. Der Offizier ist<br />

sich unsicher. Soll er den Alarm weitergeben<br />

oder nicht? Sekunden vergehen,<br />

dann hört er auf sein Bauchgefühl – er<br />

meldet einen Fehlalarm.<br />

Wie sich später herausstellen sollte,<br />

hatte das Frühwarnsystem angeschlagen,<br />

weil das Sonnenlicht durch untypische<br />

Wolkenformationen reflektiert<br />

worden war. Da man diese Möglichkeit<br />

bei der Programmierung des Systems<br />

schlichtweg nicht bedacht hatte, stand<br />

die Welt für Minuten am Rande des<br />

Abgrunds. Vor einem Sturz wurde sie<br />

schlussendlich nur deshalb gerettet,<br />

weil ein russischer Soldat auf seinen Instinkt<br />

gehört hatte. Ob ein Computersystem<br />

ähnlich entschieden hätte?<br />

ARTILLERIE<br />

Das Schießpulver sorgte in<br />

vielen Facetten für eine Revolution<br />

der Kriegsführung –<br />

etwa auch da es den Einsatz<br />

zunächst einfacher Kanonen<br />

möglich machte, die sowohl<br />

gegen Infanterie als auch Befestigungsmauern<br />

eingesetzt<br />

wurden. Erstmals dokumentiert<br />

wurde der Einsatz zur<br />

Mitte des 14. Jahrhunderts,<br />

Unterschiede zwischen Feld-,<br />

Festungs- und Belagerungsartillerie<br />

gab es zunächst keine.<br />

1.<br />

RITTER<br />

Die schon von den Römern<br />

bekannten Taktiken fanden mehr oder<br />

weniger bis ins Mittelalter Berücksichtigung.<br />

Von steigender Bedeutung<br />

wurde dann allerdings der Einsatz<br />

von Rittern – gut ausgebildeten<br />

Berufskriegern mit gesellschaftlicher<br />

Bedeutung, die im direkten Kampf der<br />

Infanterie haushoch überlegen waren.<br />

ARMBRUST<br />

In der Schlacht von Hastings (1066)<br />

erstmals in größerem Stil in Europa eingesetzt,<br />

wurde die Armbrust ebenso<br />

wie Langbögen beim Zweiten Lateranischen<br />

Konzil 1139 verboten, da sie<br />

wegen ihrer Reichweite und ihrer<br />

Durchschlagskraft gegen Rüstungen als<br />

unritterlich galt. Leitete den langsamen<br />

Niedergang des Rittertums ein.<br />

REVOLUTION:<br />

SCHIESSPULVER<br />

In China wurde bereits zwischen dem<br />

zehnten und zwölften Jahrhundert<br />

eine schwarze Substanz benutzt,<br />

um Projektile mit hohem Tempo<br />

abzufeuern. Bis das Pulver in Europa<br />

ankam, dauerte es noch zwei<br />

Jahrhunderte, dort führte es dann zur<br />

Einführung von Musketen, die nach und<br />

nach Pfeil und Bogen ablösten und die<br />

Kriegsführung von Grund auf veränderten.<br />

GEPANZERTE SCHIFFE<br />

Die Entwicklung besserer<br />

Kanonen machte hölzerne<br />

Schiffe immer verwundbarer,<br />

weshalb ab Mitte des 19. Jahrhunderts<br />

damit begonnen wurde<br />

Schiffe mit einer Panzerung aus<br />

Eisen zu versehen. 1859 stellte<br />

Frankreich mit der La Gloire das<br />

erste gepanzertes Holzschiff in<br />

Dienst, der technische Fortschritt<br />

führte Ende des 19. Jahrhunderts<br />

zum Bau erster Schlachtschiffe,<br />

die damals noch als Linienschiffe<br />

bezeichnet wurden.<br />

Steht mit Schallkanonen die nächste Entwicklung bereits ante portas?<br />

Amerikanische Behörden behaupten vor rund einem Jahr, in Kuba stationierte<br />

Diplomaten seien mit einer neuartigen, nicht hörbaren „Schallwaffe“ angegriffen<br />

worden. Zwar gibt es mit dem sogenannten „long range acoustic device“ (LRAD)<br />

tatsächlich ein auch von Militärs verwendetes Gerät, das mit hörbaren Schallwellen<br />

Sprache und Töne über große Distanzen übermitteln und mit schrillen,<br />

schmerzhaften Tönen Angreifer sogar außer Gefecht setzen kann, vergleichbare<br />

Waffen im Ultra- oder Infraschallbereich sind bisher allerdings keine bekannt.<br />

MASCHINENGEWEHR<br />

Vorläufer des Maschinengewehrs<br />

kamen bereits im Amerikanischen<br />

Bürgerkrieg (1861 bis<br />

1865) zum Einsatz, im Ersten<br />

Weltkrieg (1914 bis 1918) fand es<br />

dann massenhaft Verwendung.<br />

In Kombination mit Stacheldraht<br />

sorgte die verheerende Wirkung<br />

des Maschinengewehr-Feuers<br />

für große Vorteile der Verteidiger<br />

gegenüber den Angreifern,<br />

was mit ein Grund für die<br />

verlustreichen jahrelangen<br />

Stellungskriege jener Zeit war.<br />

G R A F I K : G OT T F R I E D H A L M S C H L AG E R<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


Meilensteine<br />

KRIEG DER ZUKUNFT<br />

der Waffentechnologie<br />

Die Erfindung des Schießpulvers und der Einsatz der ersten<br />

Atombombe gelten als die ersten zwei ganz großen Revolutionen<br />

der Kriegsführung – die Entwicklung autonomer Waffensysteme<br />

könnte nun die dritte Revolution einläuten.<br />

U-BOOT<br />

GIFTGAS<br />

PANZER<br />

KAMPFFLUGZEUGE<br />

MOTORISIERUNG<br />

Am 22. September 1914<br />

versenkte das deutsche U-Boot<br />

U-9 innerhalb von einer Stunde<br />

drei britische Panzerkreuzer<br />

und holte damit den Krieg auch<br />

unter Wasser. Wie dann zweieinhalb<br />

Dekaden später im<br />

Zweiten Weltkrieg feierte<br />

Deutschland zunächst auch zu<br />

Beginn des Ersten Weltkrieges<br />

große Erfolge seiner U-Boot-<br />

Flotte – mit Fortdauer des Krieges<br />

wurden die Jäger aber<br />

immer öfter zu Gejagten.<br />

Der Einsatz von rund 150 Tonnen<br />

Chlorgas durch deutsche<br />

Truppen in der Nähe des flandrischen<br />

Städtchens Ypern im<br />

Jahr 1915 gilt militärgeschichtlich<br />

als Geburtsstunde moderner<br />

Massenvernichtungswaffen.<br />

Anfangs wurde das<br />

Gas – günstiger Windstand<br />

vorausgesetzt – einfach aus<br />

Flaschen abgelassen, bald<br />

schon begann man den<br />

Kampfstoff aber auch in<br />

Granaten zu verschießen.<br />

Der österreichische Kaiser<br />

Franz Joseph I. bezeichnete<br />

einen von der Firma Austro-<br />

Daimler konstruierten Panzerwagen<br />

im Jahr 1906 als<br />

unbrauchbar, weil der Motorenlärm<br />

angeblich die Pferde<br />

seiner Entourage scheu<br />

machte. Die Briten setzten hingegen<br />

stärker auf die Entwicklung<br />

ihrer sogenannten Tanks,<br />

die sie unter anderem bei der<br />

Schlacht an der Somme erfolgreich<br />

zum Einsatz brachten.<br />

Schon kurz nach der Erfindung<br />

des Flugzeugs begannen<br />

Militärs weltweit mit der neuen<br />

Technologie zu experimentierten.<br />

Zunächst wurden einzelne<br />

Maschinen zur Frontaufklärung<br />

eingesetzt. Nachdem der Franzose<br />

Roland Garros an seiner<br />

Maschine 1915 ein Maschinengewehr<br />

angebracht hatte,<br />

kam es aber immer öfter auch<br />

zu Luftkämpfen und auch<br />

zu ersten Einsätzen gegen<br />

Bodenziele.<br />

Über Jahrhunderte hinweg<br />

trugen Pferde, Esel und<br />

Planwagen die Hauptlast der<br />

militärischen Ausrüstung. Der<br />

technologische Fortschritt und<br />

die beginnende Motorisierung<br />

von Fahrzeugen bereitete nun<br />

aber nicht nur Panzern und<br />

Lastwagen den Weg, sondern<br />

ermöglichte den Militärs auch<br />

ein schnelleres Vorrücken.<br />

Nazi-Deutschland nutzte die<br />

sich bietenden Möglichkeiten<br />

für seine „Blitzkrieg“-Taktik.<br />

3. REVOLUTION:<br />

REVOLUTION:<br />

AUTONOME WAFFENSYSTEME<br />

DIGITALISIERUNG 2. ATOMBOMBE<br />

FLUGZEUGTRÄGER<br />

Nach der Entwicklung von Schießpulver<br />

und Atomwaffen könnte die<br />

Entwicklung von autonomen Waffensystemen<br />

die dritte Revolution<br />

der Kriegsführung sein. Aktuell<br />

kommen weltweit zwar noch<br />

nirgendwo offensive, vollautonome<br />

Kriegsgeräte zum Einsatz,<br />

allerdings werden Waffen zusehens<br />

automatisiert und autonomisiert<br />

– die aktuellen Fortschritte in<br />

Robotik, Automatisierung und<br />

Digitalisierung beschleunigen die<br />

Entwicklung immer weiter.<br />

Computer erleichterten in den<br />

vergangenen Jahrzehnten die<br />

militärische Kommunikation,<br />

verbesserten aber auch die<br />

Präzision, Handhabung, Steuerung<br />

und Effektivität vieler<br />

Waffen. Dazu kommt, dass<br />

Streitkräfte in den vergangenen<br />

Jahren auch vermehrt Kräfte im<br />

Cyberbereich aufgebaut<br />

haben, um dort selbst aktiv<br />

werden und die nationale<br />

Infrastruktur vor Angriffen<br />

beschützen zu können.<br />

Die zweite Revolution der<br />

Kriegsführung begann am<br />

6. August 1945 mit dem Abwurf<br />

der Atombombe Little Boy vom<br />

US-Bomber Enola Gay auf<br />

die japanische Stadt Hiroshima.<br />

Drei Tage später ließen die<br />

Amerikaner die Bombe Fat Man<br />

auf Nagasaki folgen und zwangen<br />

damit das Kaiserreich Japan zur<br />

Kapitulation. Heute gibt es weltweit<br />

neun Atommächte, die in<br />

ihren Arsenalen rund 16.300<br />

Atomsprengköpfe lagern.<br />

Blieb der Einsatz von Flugzeugen<br />

zunächst auf Land- und<br />

Küstengebiete beschränkt,<br />

erlaubten Start- und Landeplattformen<br />

auf Schiffen nun auch<br />

den Einsatz über Wasser als<br />

zusätzliche Komponente der<br />

Seekriegsführung. Als erster<br />

Flugzeugträger der Geschichte<br />

gilt die britische HMS Argus,<br />

die am 16. September 1918 in<br />

Dienst gestellt wurde.<br />

RAKETEN<br />

Raketen gleichen die Reichweiten-Nachteile<br />

der Artillerie aus und können auch<br />

über Hunderte und Tausende Kilometer<br />

hinweg Ziele treffen. Erstmals zum<br />

Einsatz kam die Technologie im<br />

Zweiten Weltkrieg, als die von Nazi-<br />

Deutschland als Wunderwaffe gepriesene<br />

V2 vor allem auf London und<br />

später auf Antwerpen abgefeuert wurde.<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


0 2 2 W E L T & S T R A T E G I E<br />

Interview: JÜRGEN ZACHARIAS<br />

Fotos: SEBASTIAN FREILER<br />

„ES MUSS Oberstleutnant Markus Reisner<br />

beschreibt in seinem Buch „Robotic<br />

IMMER<br />

Wars“ den aktuellen Forschungsstand<br />

bei autonomen Waffensystemen.<br />

ZUERST<br />

Wir wollten von ihm wissen:<br />

Wohin geht die weitere Entwicklung?<br />

Sind vollautonome Systeme in Zukunft<br />

ETWAS<br />

denkbar? Und: Was hat das mit der<br />

Büchse der Pandora zu tun?<br />

PASSIEREN! “<br />

H<br />

err Reisner, in Medien ist derzeit<br />

viel von autonomen Waffensystemen<br />

die Rede. Etwa von autonom<br />

agierenden Atom-Torpedos und<br />

von Minidrohnen, die gezielt Terroristen<br />

ausschalten. Was davon<br />

ist Fiktion? Was bereits einsetzbar?<br />

Wir befinden uns tatsächlich mitten in einer sogenannten<br />

„Revolution in Military Affairs“, in der vieles<br />

von dem, was die meisten Menschen als Science-<br />

Fiction bezeichnen würden, bereits Realität geworden<br />

ist. Die Entwicklung autonomer militärischer<br />

Systeme bekam infolge von 9/11 einen entscheidenden<br />

Technologieschub. Ab diesem Zeitpunkt<br />

wurde begonnen viel Geld in neue militärische<br />

Entwicklungen zu investieren und daher gibt es<br />

heute in allen Domänen der Kriegsführung –<br />

Luft, Land, See, Weltraum und Cyberraum –<br />

mehr oder weniger der Öffentlichkeit bekannte<br />

– Systeme, die mit einem immer höheren<br />

Autonomiegrad agieren.<br />

Man kann also davon ausgehen, dass<br />

Militärs über mehr technische Möglichkeiten<br />

verfügen, als sie bekannt<br />

geben?<br />

Kann man das nicht immer? Das Militär<br />

war – insbesondere in Zeiten<br />

herausfordernder kriegerischer<br />

Auseinandersetzungen – schon<br />

immer ein wichtiger Treiber<br />

technologischer Weiterentwicklungen.<br />

Diese führten<br />

dann Jahre später auch in zivilen Bereichen – wie<br />

beispielsweise im Falle des Internet oder des GPS –<br />

zu revolutionären Innovationen. Und natürlich finden<br />

viele dieser neuen Entwicklungen anfangs erst<br />

im Geheimen statt.<br />

Wie weit hinkt das Wissen der Öffentlichkeit<br />

der militärischen Realität hinterher?<br />

Dies ist eine berechtigte Frage. Manchmal werden<br />

militärische Neuentwicklungen erst durch Zufall<br />

bekannt, also wenn beispielsweise eine neu entwickelte<br />

Drohne abstürzt oder eine neuartige Software<br />

entdeckt wird. Plötzlich tauchen dann Bilder<br />

der Trümmer in der Öffentlichkeit auf oder die<br />

Entwickler von Antivirensoftware schlagen Alarm.<br />

Manches neues System wird dabei auch vom<br />

Gegner nach seiner Entdeckung gezielt enttarnt.<br />

Wir denken bei derartigen Neuentwicklungen<br />

meist an die USA, die weltweit in vielerlei<br />

Hinsicht nach wie vor führend<br />

sind. Man sollte aber auch nicht unterschätzen,<br />

was an Entwicklungen<br />

mittlerweile – oder gerade auch –in<br />

Israel, in Russland und in China passiert.<br />

Man möchte in keinem Fall ins<br />

Hintertreffen geraten und darum<br />

werden hohe Summen in die Erforschung<br />

neuer Systeme gesteckt. Die<br />

Defense Advanced Research Projects<br />

Agency (Anm.: DARPA) des US-<br />

Verteidigungsministeriums verfügt<br />

alleine über ein Jahresbudget von<br />

drei Milliarden Euro.<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


KRIEG DER ZUKUNFT<br />

Ist die Entwicklung autonomer Waffensysteme<br />

auf diese Länder und andere große<br />

Streitkräfte beschränkt?<br />

Nein, der Wissenstransfer hat bereits auch in<br />

das Portfolio von terroristischen Gruppierungen<br />

Einzug gehalten. Der Islamische Staat etwa<br />

hat im Irak und in Syrien handelsübliche Drohnen<br />

zur Aufklärung oder mit Sprengstoff bestückt<br />

als fliegende Bomben eingesetzt. Wiederholt<br />

wurden auch aus Drohnen selbst gebastelte<br />

Sprengkörper abgeworfen. Anfang dieses<br />

Jahres kam es in Israel zu einer Zäsur, als eine<br />

den iranischen Revolutionsgarden zugeordnete,<br />

in Syrien gestartete und mit Sprengstoff ausgestattete<br />

Drohne in den israelischen Luftraum<br />

eindrang. Dort wurde sie unverzüglich von einem<br />

israelischen Apache-Kampfhubschrauber<br />

abgeschossen. Dies war für Israel eine unangenehme<br />

Überraschung. Israel griff als Reaktion<br />

auch die Bodenkontrollstation der Drohne in<br />

Syrien an, dabei wurde auch eine israelische<br />

F-16 abgeschossen.<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


0 2 4 W E L T & S T R A T E G I E<br />

Israel wurde aber auch davor immer<br />

wieder aus Nachbarländern beschossen.<br />

Schon, aber bei diesem Angriff handelte<br />

es sich nicht wie sonst um eine ungelenkte<br />

Rakete, sondern um ein System,<br />

das sich exakt steuern und damit gezielt<br />

einsetzen ließ. Es wäre möglicherweise<br />

in der Lage gewesen, ein ausgewähltes<br />

Ziel punktgenau zu attackieren. Spannend<br />

daran ist, dass die iranische Drohne<br />

frappant jener amerikanischen RQ-<br />

170 Sentinel ähnelte, die aufgrund ihrer<br />

Einsätze in Afghanistan auch als „Biest<br />

von Kandahar“ bekannt wurde. Im Dezember<br />

2011 ging dann eine dieser US-<br />

Drohnen über dem Iran verloren, angeblich<br />

wurde sie von einer Spezialeinheit<br />

zur elektronischen Kriegsführung<br />

übernommen und zur Landung gezwungen.<br />

Es kommt für den Verlust jedoch<br />

auch ein technisches Gebrechen<br />

infrage. Drei Jahre später präsentierte<br />

der Iran dann jedenfalls eine selbst entwickelte<br />

Drohne mit großer Ähnlichkeit.<br />

Sie wurde als Saeqeh (zu Deutsch:<br />

Donner) bezeichnet und war offensichtlich<br />

Anfang <strong>2018</strong> in Israel zum<br />

Einsatz gebracht worden.<br />

Wie automatisiert oder autonom<br />

agieren diese Systeme mittlerweile?<br />

In der Frage versteckt ist die Krux an<br />

der Geschichte, nämlich die Begrifflichkeit.<br />

Grundsätzlich unterscheiden<br />

wir zwischen Automation und Autonomie.<br />

Ein Automat ist ein System, das<br />

beispielsweise an einem Fließband automatisiert<br />

Arbeitsschritte durchführt,<br />

während Autonomie voraussetzt, dass<br />

das maschinelle System zu einem gewissen<br />

Maße selbstständige Entscheidungen<br />

treffen kann. Dabei unterscheidet<br />

man im Prinzip drei Stufen der<br />

menschlichen Einflussnahme. Diese<br />

sind menschliche Voll- und Teilsteuerung<br />

beziehungsweise völlige maschinelle<br />

Selbststeuerung. Der Punkt ist,<br />

dass wir aktuell noch immer in dem<br />

Bereich sind, in dem der Mensch die<br />

Letztentscheidung trifft.<br />

Die Betonung liegt auf „noch“?<br />

Ja, denn wie vorhin schon erwähnt,<br />

weisen die neu entwickelten Systeme<br />

immer höhere Stufen von Autonomie<br />

auf. Alle namhaften Drohnen-Hersteller<br />

arbeiten aktuell beispielsweise an<br />

sogenannten „Sense and Avoid“-Systemen,<br />

die es einer Drohne unter anderem<br />

ermöglichen, selbstständig zu starten,<br />

zu landen und das Einsatzgebiet zu<br />

erreichen. Mögliche Hindernisse – wie<br />

andere Luftfahrzeuge – werden von<br />

den Sensoren der Drohne erkannt und<br />

eine entsprechende eigenständige Flugsteuerung<br />

durchgeführt. Der Operator<br />

erspart sich dadurch unspektakuläre<br />

Routinetätigkeiten und kann sich ganz<br />

auf die unmittelbare Einsatzsteuerung<br />

– also das Auslösen der mitgeführten<br />

Luft-Boden-Raketen – konzentrieren.<br />

So lassen sich viel rascher hintereinander<br />

Einsätze durchführen.<br />

Könnten die Systeme nicht längst<br />

auch vollautonom agieren? Einsätze<br />

also ganz ohne Zutun des Menschen<br />

ausführen?<br />

Auch um diese Frage beantworten zu<br />

können, müssen wir zuerst neuerlich<br />

die Begrifflichkeit klären. Die Frage ist:<br />

Was verstehen wir unter Teilautonomie<br />

und was unter Vollautonomie? Wenn<br />

wir unter einem vollautonomen System<br />

eines mit technischer Singularität –<br />

also im Sinne sogenannter künstlicher<br />

Intelligenz – verstehen, dann muss man<br />

sagen, nein, so weit sind wir noch nicht.<br />

Was es aber schon gibt, sind Systeme,<br />

die in einem bestimmten Raum weitgehend<br />

autonom agieren können und im<br />

Fall der Fälle in der Lage sind, klar definierte<br />

Schritte bis hin zur Bekämpfung<br />

eines „Eindringlings“ zu setzen. Ob dieser<br />

Eindringling aber ein verirrtes Tier<br />

ist oder jemand, der einen Sprengsatz<br />

deponieren will, kann das System nicht<br />

unterscheiden und daher kann es auch<br />

nicht „vernünftig“ reagieren.<br />

Technisch dürfte das aber wohl nur<br />

eine Frage der Zeit sein, oder?<br />

Definitiv! Daher sollten wir auch möglichst<br />

rasch die Frage beantworten, ob<br />

wir Waffen mit künstlicher Intelligenz<br />

und einer – im menschlichen Sinne<br />

gedachten – Vernunftebene überhaupt<br />

zulassen wollen und ob wir wirklich<br />

wollen, dass eine Maschine oder eine<br />

Software über Leben und Tod entscheidet.<br />

Die Wissenschaft neigt dazu, hemmungslos<br />

an der Kreation von Neuem<br />

zu arbeiten. Dazu ein Bespiel: Während<br />

der Entwicklung der Atombombe hat<br />

Robert Oppenheimer zu keinem Zeitpunkt<br />

gesagt, dass man damit Schluss<br />

machen sollte, weil damit möglicherweise<br />

die ganze Menschheit vernichtet<br />

werden kann. Erst hinterher bezeichnete<br />

er sich selbst als den „Zerstörer der<br />

Welten“, da war die Büchse der Pandora<br />

aber längst geöffnet …<br />

… und ließ sich seitdem auch nicht<br />

mehr schließen.<br />

Es gibt zwar einen Atomwaffensperrvertrag,<br />

ein generelles Verbot von<br />

Kernwaffen gibt es aber nicht. Eine derartige<br />

Initiative wurde erst vor Kurzem,<br />

sehr zum Missfallen der Atommächte,<br />

neuerlich gestartet. Ein anderes Beispiel<br />

ist die Luftkriegsführung, für deren<br />

Regelung es bis heute keine Konvention<br />

gibt. Und warum? Weil schon<br />

nach dem Ersten Weltkrieg viele Staaten<br />

klar zu erkennen gegeben haben,<br />

dass sie sich die Möglichkeiten des neuen<br />

Waffensystems nicht einschränken<br />

lassen wollen. Beim Einsatz von Giftgas<br />

konnte man sich zwar zu einem Verbot<br />

durchringen, aber auch erst, als man<br />

gesehen hatte, welch furchtbare Wirkung<br />

es hat. Neue Entwicklungen wie<br />

Lethal Autonomous Weapon Systems<br />

(LAWS) oder Angriffssoftware im<br />

Cyberbereich könnten daher für die<br />

Menschheit ähnlich schwerwiegend<br />

sein. Vermutlich würden uns erst die<br />

Folgen des Einsatzes von derartigen<br />

militärischen „Disruptive Technologies“<br />

darüber nachdenken lassen, den<br />

Einsatz zu beschränken.<br />

Muss also immer erst etwas passieren,<br />

bevor man etwas verbietet?<br />

So kann man das wohl auf den Punkt<br />

bringen, ja.<br />

Im Zusammenhang mit autonomen<br />

Waffensystemen ist immer wieder<br />

von einer dritten Revolution der<br />

Kriegsführung die Rede – teilen Sie<br />

diese Einschätzung?<br />

Der Einsatz autonomer Waffensysteme<br />

verspricht auf die Kriegsführung in der<br />

Tat eine ähnlich einschneidende Wirkung<br />

zu haben wie die Erfindung des<br />

Schießpulvers, der Armbrust, des<br />

Maschinengewehrs, des Flugzeugs und<br />

schließlich von Nuklearwaffen. Daher<br />

sollte man sich auch sehr genau überlegen,<br />

ob man diese Büchse der Pandora<br />

tatsächlich aufmachen möchte.<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


Militärs werden wohl kaum freiwillig<br />

einem Verbot zustimmen.<br />

Deshalb sehe ich das Thema auch sehr<br />

fatalistisch. Als im 12. Jahrhundert in<br />

Europa die Armbrust aufkam, wurde<br />

ihr Einsatz sogar kirchlich gebannt,<br />

sie galt als unritterlich – zum Einsatz<br />

kam sie trotzdem. Der Unterschied<br />

ist aber nun, dass wir uns dieses Mal<br />

nicht sicher sein können, unsere Entwicklung<br />

auch zu hundert Prozent<br />

kontrollieren zu können. Es besteht<br />

die Gefahr, dass wir in unserer Technikhörigkeit<br />

zu „Sklaven der Technik“<br />

werden. Oder noch schlimmer: Was,<br />

wenn wir autonome Systeme entwickeln,<br />

die sich möglicherweise selbst<br />

als vernünftige Wesen erkennen?<br />

Würden diese es zulassen, dass man<br />

sie abschaltet? Ich denke nicht!<br />

Sie würden wohl Mittel und Wege<br />

suchen, das eigene Überleben zu<br />

sichern, so wie das intelligente<br />

Waffensystem Skynet in den<br />

Terminator-Filmen?<br />

Das ist natürlich sehr fiktional, aber<br />

nicht denkunmöglich. Es wäre vielleicht<br />

tatsächlich das Ziel der intelligenten<br />

Maschinen, ihre „unvollkommenen“<br />

menschlichen Erfinder auszulöschen.<br />

Österreich tritt bekanntlich für ein<br />

Verbot derartiger Systeme ein.<br />

Ja, und das ist auch gut so. Das neutrale<br />

Österreich kann dahingehend<br />

mahnend den Finger heben und darauf<br />

hinweisen, dass mit der Entwicklung<br />

von vollautonomen Kampfmaschinen<br />

eine gefährliche Entwicklung<br />

stattfindet.<br />

Die Großmächte wird das aber<br />

wohl kaum interessieren.<br />

Das ist richtig, aber der Umstand des<br />

Hinweisens kann trotzdem als Denkanstoß<br />

genügen, das eigene Tun zu<br />

hinterfragen. Wenn keine mahnenden<br />

Stimmen da sind, auf wen soll man<br />

dann hören? Die Betroffenen, die<br />

Streithähne, die sich gegenüberstehen,<br />

denken nicht mehr rational –<br />

dafür braucht es ein drittes Element.<br />

Trotzdem wird man wohl nur sehr<br />

leise gehört werden, wenn die Amerikaner<br />

sogar argumentieren, dass<br />

KRIEG DER ZUKUNFT<br />

autonome Systeme ein viel genaueres<br />

Agieren möglich machen und<br />

damit helfen, Kollateralschäden im<br />

Kriegsfall zu minimieren. Dieser<br />

Denkweise folgend wären diese<br />

Systeme sogar zu begrüßen, oder?<br />

Natürlich, die Entwicklung neuer teilautonomer<br />

Systeme hat durchaus<br />

auch seine positiven Seiten. Dies<br />

möchte ich nicht in Abrede stellen. So<br />

ist der Einsatz entsprechender Systeme<br />

wohl gegenüber Flächenbombardements<br />

– wie sie aktuell in Syrien<br />

immer noch praktiziert werden – zu<br />

bevorzugen. Diese Systeme hätten somit<br />

theoretisch durchaus das Potenzial,<br />

Konflikte in einem gewissen Rahmen<br />

einzuhegen und Kollateralschäden<br />

in Grenzen zu halten. Es könnte<br />

so gelingen, die Grundsätze des humanitären<br />

Völkerrechts wie Unterscheidung<br />

und Verhältnismäßigkeit<br />

einzuhalten.<br />

Könnten damit – weitergedacht –<br />

irgendwann hochgerüstete Roboterarmeen<br />

unsere Kriege austragen<br />

und menschliche Verluste mehr<br />

oder weniger ganz reduziert werden?<br />

Sehr theoretisch ist das denkbar, die<br />

Frage ist aber: Wo führt das hin? Verfügen<br />

beide Seiten über ähnliche Systeme,<br />

herrscht eine Symmetrie der<br />

Kräfte, die aber durchbrochen werden<br />

muss, um den eigenen Kräften<br />

zum Sieg zu verhelfen …<br />

Wir wären also mitten in einem<br />

neuen Wettrüsten?<br />

Gewissermaßen, ja. Wenn ein Land<br />

wie China ankündigt, Tausende Panzer<br />

zu autonomen Kampfmaschinen<br />

umzurüsten, oder Russland erklärt,<br />

autonom agierende nukleare Torpedos<br />

zu entwickeln, die ganze Küstenstädte<br />

in Schutt und Asche legen<br />

können, dann provoziert das natürlich<br />

Gegenmaßnahmen und -entwicklungen.<br />

Wo führt die Entwicklung also hin?<br />

Sie führt uns auf die nächste Stufe der<br />

Kriegsführung – wie in der Entwicklung<br />

der Menschheit die Erfindung<br />

des Rades oder im militärischen Be-


0 2 6 W E L T & S T R A T E G I E<br />

reich die Erfindung des Schießpulvers.<br />

Man kann die Entwicklung nicht mehr<br />

aufhalten, man kann nur versuchen,<br />

die Konsequenzen in überschaubaren<br />

Bahnen zu halten und zu verhindern,<br />

dass uns die Kontrolle entgleitet. In<br />

letzter Konsequenz muss es immer der<br />

Mensch sein, der entscheidet, was die<br />

von ihm geschaffenen Dinge tun und<br />

das gilt auch und vor allem für die<br />

Frage über Leben und Tod. Diese Frage<br />

auszulagern ist inhuman.<br />

Sie sind selbst Offizier: Was bedeutet<br />

diese Entwicklung für das Bundesheer?<br />

Werden Länder wie Österreich<br />

in einem Konflikt durch die technologische<br />

Weiterentwicklung nicht noch<br />

chancenloser, als sie es ohnehin<br />

bereits waren?<br />

Wenn man ehrlich ist, dann schwindet<br />

vor dem Hintergrund der neuesten<br />

Entwicklungen die Bedeutung vieler bekannter<br />

konventioneller Waffensysteme.<br />

Sie werden zwar nicht ersetzt, aber sie<br />

werden marginalisiert. Und wenn man<br />

dann auch noch den Punkt berücksichtigt,<br />

dass viele der neuen modernen<br />

Waffensysteme nur mit elektrischer<br />

Energie betrieben und gesteuert werden<br />

können, dann kommt in Zukunft eben<br />

genau die Kontrolle dieser Energie und<br />

somit dem Cyberraum eine immer größere<br />

Bedeutung zu. In diesem Bereich<br />

können nun aber auch kleine Länder und<br />

Armeen vergleichsweise gute Sicherhei-<br />

ten entwickeln, die sie einerseits nicht<br />

angreifbar machen und ihnen andererseits<br />

auch das Potenzial geben, selbst<br />

aktiv zu werden. Das gleiche gilt übrigens<br />

auch für terroristische Organisationen,<br />

die nun nicht mehr auf spektakuläre<br />

Anschläge angewiesen sind, sondern<br />

mit wenigen Klicks viel schlimmere<br />

Katastrophen verursachen können,<br />

zu denen sie mit herkömmlichen Mitteln<br />

nie fähig gewesen wären. Wir kommen<br />

durch die technologische Entwicklung<br />

also in eine Situation, die auch eher<br />

ressourcenschwachen Ländern und Institutionen<br />

große Möglichkeiten gibt.<br />

Die mächtigsten Staaten der Welt mit<br />

den stärksten Streitkräften können<br />

nichts dagegen tun, wenn sie irgendwo<br />

im Cyberbereich eine Hintertür offenstehen<br />

gelassen haben, über die jemand<br />

eindringen und ihre Armeen und deren<br />

Führungssysteme lahmlegen kann.<br />

In seinem Buch „Robotic Wars“ (<strong>2018</strong>, Miles-Verlag, 392 Seiten) geht<br />

Oberstleutnant Markus Reisner auf den aktuellen Entwicklungsstand bei<br />

unbemannten militärischen Robotern ein. Und er geht der Frage nach,<br />

ob wir Menschen es zulassen wollen, dass in Zukunft die Entscheidung<br />

über Leben und Tod von vollautonomen, mit künstlicher Intelligenz<br />

ausgestatten Maschinen getroffen wird.<br />

Heißt das, dass sich kleine Länder<br />

wie Österreich vor allem im Cyberbereich<br />

Nischen suchen und dynamischer<br />

agieren müssen, um den Großen<br />

Paroli bieten zu können?<br />

Kleine Länder sind definitiv gefordert,<br />

genau zu beobachten und mitzudenken,<br />

was an technologischen Entwicklungen<br />

gerade passiert, um eben zu<br />

vermeiden, dass man ins Hintertreffen<br />

kommt. Man darf nicht vergessen, dass<br />

Österreich ein Hochtechnologieland<br />

ist und dass darauf schlussendlich auch<br />

unser Wohlstand beruht. Wir sollten<br />

also danach trachten, dass uns dieses<br />

Wissen und dieser Vorsprung nicht<br />

verloren gehen und man nicht zu einem<br />

leichten Opfer wird, das man so im<br />

Vorbeigehen einfach mitnimmt. Das ist<br />

auch mit relativ geringen Mitteln machbar,<br />

dazu braucht es keinen „Fünfte-Generation-Kampfjet“<br />

oder vollautonom<br />

agierende Kampfpanzer, sondern nur<br />

eine richtige Schwerpunktsetzung verbunden<br />

mit dem Aufbau entsprechender<br />

Kapazitäten. Ein reiches Land wie<br />

Österreich sollte sich das eigentlich<br />

leisten können. Tun wir es nicht, dann<br />

werden wir möglichen Gegnern zukünftig<br />

schutzlos ausgeliefert sein. Das<br />

Wort „vielleicht“ existiert in diesem Zusammenhang<br />

nicht! Es wäre durch „mit<br />

Sicherheit“ zu ersetzen. Es liegt also an<br />

uns, ob wir dieses Szenario Wirklichkeit<br />

werden lassen oder nicht.<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


EXPERTEN<br />

RUNDE<br />

Drohnen, unbemannte Lastenträger und<br />

selbstständig fahrende Fahrzeuge – das<br />

Arsenal von Streitkräften weltweit wird immer<br />

moderner, ein von Kampfrobotern anstelle von<br />

Soldaten geführter Krieg erscheint mittlerweile<br />

durchaus vorstellbar. Aber wollen wir das<br />

tatsächlich zulassen? Bis wohin darf Technik<br />

gehen? Braucht es eine Rüstungskontrolle<br />

für Roboter? Und wenn ja: Wie könnte diese<br />

aussehen? Wir haben drei Experten mit<br />

diesen Fragestellungen konfrontiert.<br />

KRIEG DER ZUKUNFT<br />

AUTONOME WAFFEN?<br />

GASTKOMMENTAR<br />

Foto : B e i G e St e l lt<br />

Streitkräfte auf der ganzen Welt<br />

loten den einsatz von künstlicher<br />

intelligenz für militärische Zwecke<br />

aus. im Falle „autonomer Waffensysteme“<br />

kann dies bedeuten, dass die Maschine<br />

selbstständig nach Zielen sucht,<br />

diese auswählt und bekämpft – ohne<br />

menschliche Aufsicht und Kontrolle.<br />

Dieses selbstständige erfassen und Bekämpfen<br />

von Zielen ist natürlich weder<br />

gänzlich neu noch per se problematisch.<br />

Stationäre Verteidigungssysteme<br />

mit dieser Fähigkeit sind schon seit Jahrzehnten<br />

im einsatz. Sofern diese auf anfliegende<br />

Munition wie Mörsergranaten<br />

oder Raketen – also unbelebte Ziele –<br />

schießen, bleiben sie eine willkommene<br />

und unwidersprochene einsatzmöglichkeit<br />

für Waffenautonomie. Anders bei<br />

zukünftig möglichen mobilen Systemen,<br />

die belebte Ziele oder direkt Menschen<br />

suchen und attackieren. Hier wirft Waffenautonomie<br />

gravierende völkerrechtliche,<br />

sicherheitspolitische und ethische<br />

Probleme auf.<br />

Aus kriegsvölkerrechtlicher Sicht ist unklar,<br />

wer die Verantwortung trägt, sollte<br />

ein autonomes Waffensystem Zivilisten<br />

ein dem militärischen Ziel unangemessenes,<br />

nicht rechtfertigbares und somit<br />

illegales leid zufügen. Aus sicherheitspolitischer<br />

Sicht drohen neue eskalationsrisiken.<br />

Von den Finanzmärkten sind<br />

unvorhersehbare interaktionen zwischen<br />

Algorithmen samt sogenannter flash<br />

crashes längst bekannt – was, wenn<br />

nicht nur Aktienkurse einbrechen,<br />

sondern Waffensysteme schießen?<br />

Aus ethischer Sicht stellt sich die Frage,<br />

ob es nicht die Würde des Menschen<br />

verletzt, entscheidung über leben und<br />

tod auf dem Schlachtfeld an anonyme<br />

Algorithmen zu delegieren.<br />

Die Staatengemeinschaft bei den Vereinten<br />

Nationen in Genf diskutiert das<br />

thema seit 2014. Bereits gut zwei Dutzend<br />

Staaten fordern dort ein völkerrechtlich<br />

bindendes Verbot von autonomen<br />

Waffen. Österreich gehört zu den<br />

DR. FRANK<br />

SAUER<br />

forscht und lehrt<br />

an der Universität<br />

der Bundeswehr<br />

München<br />

und twittert<br />

@drfranksauer.<br />

Der Autor gibt<br />

seine persönliche<br />

Meinung wieder.<br />

Vorreitern bei diesem Bemühen um<br />

internationale Rüstungskontrolle. Zu<br />

Recht, denn die Kontrolle über Waffen<br />

sollte – außer bei Verteidigungssystemen<br />

– in Menschenhand bleiben.<br />

Alles andere würde eine<br />

ethische Grenze überschreiten. Denn<br />

das Mindeste, das wir den im Krieg<br />

von uns getöteten Menschen schuldig<br />

sind, ist, mit ihrem Sterben weiterhin<br />

unser menschliches Gewissen<br />

zu belasten.<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


0 2 8 W e l t & s t R A t e g i e<br />

GASTKOMMENTAR<br />

KRIEG IM<br />

ZEITRAFFER<br />

UNIV. PROF. DR.<br />

HEINZ GÄRTNER<br />

ist Professor für<br />

Politikwissenschaft.<br />

Er ist unter anderem<br />

an der Universität<br />

Wien und am<br />

International<br />

Institute for Peace<br />

(IIP) tätig.<br />

Autonome Waffensysteme<br />

(AWs), die selbst ihre Ziele<br />

auswählen und auch treffen,<br />

ohne dass soldaten in Kampfhandlungen<br />

involviert sind, werden<br />

technisch immer möglicher. Diese<br />

Kriegsführung autonomer Waffensysteme<br />

basiert auf der sammlung<br />

und speicherung von Datenmengen<br />

feindlicher strategien und systeme.<br />

Die Anwendung von Hardware wird<br />

nur möglich, wenn sie von intelligenter<br />

software gesteuert wird. Die militärischen<br />

implikationen gehen weit über<br />

die AWs hinaus. sie sind in die künstliche<br />

intelligenz (Ai) eingebaut, die letztlich<br />

die politischen entscheidungen der<br />

Politik erleichtern soll. Das ist wahrscheinlich,<br />

ersetzen wird sie sie nicht.<br />

entscheidungsträger entscheiden über<br />

die nationale sicherheit auf der basis,<br />

wann, wo, warum, wie und unter welchen<br />

Umständen militärische gewalt<br />

angewendet werden soll. es führt kein<br />

Weg vorbei an der traditionellen Methode:<br />

Diagnose – einschätzung – entscheidung<br />

– evaluation. Ai kann entscheidungsträgern<br />

instrumente in die<br />

Hand geben, effektiver zu handeln und<br />

auch AWs besser einzusetzen und Muster<br />

zu sehen, die vorher nicht sichtbar<br />

waren. Datenanalysen und Algorithmen<br />

sind von Menschen für Menschen<br />

entwickelt, und sind nur so nützlich, wie<br />

nützlich sie Menschen machen. Politik<br />

kann Ai zur Unterfütterung von entscheidungen<br />

benützen, ähnlich wie sie Wissenschaft<br />

gebraucht.<br />

Ai verhindert nicht irrationalität in der<br />

Politik. Falsche Kriegsentscheidungen<br />

sind damit nicht ausgeschlossen. Der<br />

erste Weltkrieg wäre genauswenig verhindert<br />

worden wie der irakkrieg des<br />

george W. bush oder die Annahme,<br />

bashar al-Assad in syrien werde stürzen<br />

wie gaddafi in libyen. Alternative informationen<br />

waren in jedem Fall vorhanden.<br />

Durch Ai werden entscheidungen –<br />

auch falsche – im Zeitraffer mit weniger<br />

Nachdenkzeit umgesetzt, AWs führen<br />

zu schnellerer truppenverlegung, Zielerfassung<br />

und -vernichtung. Wenn Politiker<br />

entscheidungen ausschließlich auf<br />

der basis der informationen von Ai treffen<br />

und Kommandanten sich ausschließlich<br />

auf AWs verlassen, sind sie entweder<br />

dumm oder faul.<br />

GASTKOMMENTAR<br />

ÖSTERREICH IN DIE ERSTE REIHE!<br />

DR. THOMAS<br />

ROITHNER ist<br />

Friedensforscher<br />

und Privatdozent für<br />

Politikwissenschaft<br />

an der Universität<br />

Wien.<br />

Herstellen können wir das alles,<br />

sagte mir kürzlich ein<br />

Vertreter eines europäischen<br />

Rüstungskonzerns auf meine Frage<br />

nach „intelligenten“ autonomen<br />

Waffensystemen. seine ergänzung<br />

und des Pudels Kern: sofern die Politik<br />

das wünscht.<br />

im kommenden eU-Haushalt gibt es<br />

erstmals einen Rüstungsfonds samt<br />

budget. Konzerne saßen beim skizzieren<br />

mit am tisch und wittern nun<br />

goldgräberstimmung. Drohnen sind nur<br />

ein teil. exzellent versteht es die Rüstungsbranche,<br />

lobby bei den eU-institutionen<br />

zu betreiben. 2005 – kaum die<br />

Rede von künstlicher intelligenz bei<br />

Waffen – stellte man am eU-institut für<br />

sicherheitsstudien fest, dass derartige<br />

entscheidungen „nicht mehr nur von<br />

unmittelbaren erfordernissen bestimmter<br />

Krisen“ geleitet sind, „sondern auch von<br />

den strukturellen, technologischen, industriellen<br />

und wirtschaftlichen Aspekten“.<br />

Das globale Verhältnis von Politik<br />

und Rüstung wurde seither nicht transparenter.<br />

Wedelt heute der Hund mit dem<br />

schwanz oder umgekehrt?<br />

geächtet sind heute biowaffen, Chemiewaffen<br />

und Anti-Personen-Minen. Auch<br />

ein Verbotsvertrag für Atomwaffen liegt<br />

zur Ratifizierung auf. besonders beim<br />

Verbot von Atomwaffen und Minen ist<br />

Österreich in der allerersten Reihe gestanden.<br />

Und Österreich wartet auch<br />

diesmal nicht, bis autonome Kampfroboter<br />

untereinander das humanitäre Völkerrecht<br />

ausdiskutieren, bevor sie abdrücken.<br />

bei der entwicklung ist besonders<br />

den sicherheitsratsmitgliedern auf die<br />

Finger zu schauen. Die Zivilgesellschaft<br />

kann dabei helfen.<br />

es braucht eine genaue Regulierung, besser<br />

ein Verbot im Rahmen der UNo. Das<br />

Argument eines durch Kampfroboter ausgelösten<br />

Flächenbrandes abseits menschlichen<br />

einflusses ist stärker als jenes der<br />

Kriege ohne menschliche irrtümer. Die<br />

Zurechenbarkeit von kriegerischen Handlungen<br />

und Kriegstoten droht weiter zu<br />

erodieren. Krieg per Algorithmus, Verantwortung<br />

perdu und der Mensch ist außen<br />

vor. es braucht auch bei autonomen<br />

Waffen ein belastbares Netz an verifizierbaren<br />

Regeln zur stärkung des UN-gewaltverbots,<br />

bevor der geist ganz aus<br />

der Flasche ist. Und bevor der schwanz<br />

mit dem Hund wedelt.<br />

Foto s : b e i g e st e l lt<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


www.aero.cz | www.l-39ng.cz


0 3 0 h e e r & M e h r<br />

Nach den starken Regenfällen und Überflutungen Ende Oktober<br />

im Süden Österreichs standen in den vergangenen Wochen<br />

zahlreiche Soldaten des Bundesheeres im Assistenzeinsatz.<br />

Mit teils schwerem Gerät wurden zahlreiche Aufräum-<br />

und Wiederherstellungsarbeiten geleistet. In<br />

der Nähe von Waidegg im Kärntner Gailtal half das<br />

Bundesheer beispielsweise, einen gebrochenen<br />

Damm zu schließen. Dabei setzten zwei S-70<br />

Black Hawk insgesamt 80 Panzerigel und 220<br />

mit Schotter gefüllte „Big Bags“ (sackartige Behälter)<br />

an der Schadstelle ab. Zivile Einsatzkräfte konnten<br />

diese Barrikade in der Folge mit Unterstützung der<br />

Villacher Pioniere verstärken und den Damm schließen.<br />

BLACK HAWK D<br />

VIDEO-AUSZEICHNUNGEN<br />

Bei den austrian Video awards in den Gösserhallen in Favoriten<br />

wurde das Bundesheer Mitte november mit zwei<br />

awards ausgezeichnet. der preis in der Kategorie „360-<br />

Grad-Video“ ging an den mehrdimensionalen Clip „das<br />

Bundesheer im Überblick“, die serie „tagwache mit Kratky“<br />

wurde zur besten „Branded Content“-idee gewählt. in<br />

der Videoreihe besucht Ö3-star robert Kratky jeweils eine<br />

einheit und darf teile der ausbildung mitmachen. die bislang<br />

13 veröffentlichten Folgen kommen auf vier Millionen<br />

Views, freut sich oberst Michael hafner von der abteilung<br />

information und Öffentlichkeitsarbeit: „robert Kratkys<br />

truppenbesuche vermitteln einen bildstarken einblick in<br />

die aktivitäten und leistungen des Bundesheeres.“<br />

www.youtube.com/c/österreichsbundesheer<br />

Foto s : B u n d e s h e e r , h B F/ da n i e l t r i p p o lt, o r F,<br />

B u n d e s h e e r / h o r st G o r u p<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


N E W S A U S D E N S T R E I T K R Ä F T E N<br />

AMM<br />

SALZBURGER IST<br />

„SOLDAT DES JAHRES <strong>2018</strong>“<br />

Im Rahmen der Matinee „Militär des Jahres <strong>2018</strong>“ würdigte Verteidigungsminister<br />

Mario Kunasek Mitte November Soldatinnen<br />

und Soldaten, zivile Bedienstete sowie Dienststellen des Bundesheeres<br />

für besondere Leistungen im Jahr <strong>2018</strong>. Dabei wurde Vizeleutnant<br />

Richard Prenter als „Soldat des Jahres“ ausgezeichnet.<br />

Der gebürtige Kärntner ist für die militärische Sicherheit in der<br />

Schwarzenberg-Kaserne verantwortlich und wirkt maßgeblich<br />

bei der Ausbildung und Führung des Wachzuges mit. In der Kategorie<br />

„Einheit des Jahres“ gewann die Fliegereinheit „Aviation<br />

Detachment EUFOR ALTHEA“, der IT-Experte Manfred Schmidt<br />

wurde als „Zivilbediensteter des Jahres <strong>2018</strong>“ ausgezeichnet und<br />

Gefreiter Lukas Holzer als „Rekrut des Jahres“. Vizeleutnant<br />

Christian Brunninger erhielt die Sonderkategorie „Bester Werber<br />

für Freiwillige Meldungen zu Milizübungen <strong>2018</strong>“.<br />

ÖBH & ORF: NEUES<br />

ONLINE-VIDEOARCHIV<br />

Der ORF hat in seiner TVthek ein neues<br />

Videoarchiv zum Bundesheer online gestellt.<br />

Darin wird die Geschichte des Bundesheeres<br />

in Form von Beiträgen und Sendungen des<br />

ORF aus den vergangenen Jahrzehnten multimedial<br />

dargestellt. Es widmet sich bedeutenden<br />

heeresgeschichtlichen Entwicklungen<br />

und Geschehnissen seit den 1960er -Jahren,<br />

aber auch Themen wie den Auslandseinsätzen.<br />

www.tvthek.orf.at/archive<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


0 3 2 H E E R & M E H R<br />

„Ich muss dafür sorgen,<br />

dass die Besatzung<br />

eine schlagkräftige<br />

Einheit bildet!“<br />

Wachtmeister Mathias Hofbauer<br />

DER<br />

KOMMANDANT<br />

Als Panzerkommandant koordiniert Wachtmeister Mathias Hofbauer die Abläufe<br />

am Kampfpanzer Leopard – das verlangt von ihm viel Fitness und Konzentration, gute<br />

Führungsqualitäten und bedeutet weit mehr als nur Dienst am schweren Gerät.<br />

Text: JOHANNES LUXNER<br />

Fotos: SEBASTIAN FREILER<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


T R U P P E N B E S U C H<br />

intErviEw<br />

„Es gilt viele schnelle<br />

Entscheidungen zu treffen!“<br />

TROCKENTRAINING Im Rahmen der Ausbildung von<br />

angehenden Panzerkommandanten wird zunächst<br />

am Simulator ausgebildet und Schritt für Schritt an die<br />

militärischen Aufgaben herangeführt. Scharf geschossen<br />

wird dann etwa am Truppenübungsplatz in Allentsteig.<br />

Wachtmeister Mathias Hofbauers militärische<br />

Heimat ist das Panzerbataillon 14<br />

in der Welser Hessen-Kaserne. Dort ist<br />

der 27-Jährige in der 1. Panzerkompanie<br />

als Panzerkommandant, aber auch in der<br />

Ausbildung junger Soldaten tätig.<br />

Worin bestehen die konkreten Aufgaben<br />

eines Panzerkommandanten?<br />

Prinzipiell geht es darum, die Besatzung<br />

eines Kampfpanzers zu führen und zu koordinieren,<br />

damit alle Abläufe entsprechend<br />

ineinandergreifen, was natürlich nach entsprechenden<br />

Vorbereitungen, Trainings und<br />

Übungen verlangt. Ich muss dafür sorgen,<br />

dass die Besatzung eine schlagkräftige Einheit<br />

bildet: Es handelt sich um eine Schnittstellenfunktion<br />

und es gilt viele schnelle Entscheidungen<br />

zu treffen. Große Teile unserer Arbeit<br />

spielen sich draußen ab, wir sind viel im<br />

Gelände unterwegs. Fitness ist daher ein großer<br />

Faktor. Ich bin aber auch in der Ausbildung<br />

von Grundwehrdienern und angehenden<br />

Panzerkommandanten tätig – die Bandbreite<br />

ist also sehr groß.<br />

Warum haben Sie sich für eine militärische<br />

Laufbahn entschieden?<br />

Ich bin ausgebildeter Werbetechniker, doch<br />

während meines Grundwehrdienstes am<br />

Panzer wuchs meine Begeisterung von Woche<br />

zu Woche. Die Tätigkeit und das Arbeitsklima<br />

haben mir gefallen. Dazu kommt, dass<br />

mir das Militärische nicht ganz unbekannt<br />

war. Ich komme aus einer Militärfamilie –<br />

schon mein Großvater und mein Onkel waren<br />

in diversen Funktionen beim Bundesheer.<br />

Was schätzen Sie an Ihrem Beruf?<br />

Dass er immer wieder sehr spannende Momente<br />

mit sich bringt. Die Verlegungen auf<br />

den Truppenübungsplatz Allentsteig, wo mit<br />

dem Leopard auch scharf geschossen wird,<br />

zählt ebenso dazu wie internationale Wettbewerbe.<br />

Der Schießwettbewerb im Rahmen<br />

der Strong European Tank Challenge, ein<br />

multinationaler Panzerwettbewerb, war<br />

bisher einer der absoluten Höhepunkte in<br />

meiner Laufbahn. Wir haben dort viele Leute<br />

aus anderen Ländern kennengelernt und<br />

Einblicke in die Abläufe bei anderen Armeen<br />

bekommen. Das war extrem interessant.<br />

OUTDOORJOB Übungen sind<br />

ein zentraler Teil von Wachtmeister<br />

Hofbauers Tätigkeit als Panzerkommandant.<br />

Vieles spielt sich dabei<br />

draußen ab und körperliche Fitness<br />

ist dafür eine Grundvoraussetzung.<br />

TECHNISCHE FACETTEN Für den<br />

Beruf des Panzerkommandanten<br />

sind große Teamfähigkeit und entsprechende<br />

Führungskompetenzen<br />

entscheidend. Die Tätigkeit erfordert<br />

aber auch viel technisches<br />

Wissen hinsichtlich der Panzer, um<br />

für alle militärischen Situationen<br />

bestmöglich gerüstet zu sein.<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


IM ERNSTFALL<br />

STETS BEREIT.<br />

WIR SCHÜTZEN ÖSTERREICH.<br />

Unvorhersehbare Ereignisse erfordern permanente Einsatzbereitschaft.<br />

Investitionen in das Bundesheer sind Investitionen in die Sicherheit Österreichs.<br />

bundesheer.at


0 3 6 H E E R &<br />

M<br />

E H R<br />

PANZER<br />

Von 17. September bis 14. Oktober verlegten Soldaten des Panzerbataillons 14<br />

und des Panzergrenadierbataillons 35 zur Informationslehrübung <strong>2018</strong><br />

auf den Truppenübungsplatz Bergen in Norddeutschland, um dort dem Führungsnachwuchs<br />

der Deutschen Bundeswehr die Abläufe in einem modernen<br />

Gefecht zu veranschaulichen. Text: DIETER MUHR Mitarbeit: OSKAR BAUMEISTER & OLIVER ARNING<br />

W<br />

umm! Wumm!<br />

Donnernd verlässt<br />

Granate<br />

um Granate die<br />

Rohre der beiden<br />

Leopard-<br />

Kampfpanzer, der Rückstoß schüttelt<br />

die bis zu 70 Tonnen schweren Kolosse<br />

kräftig durch. Staub steigt auf, ein<br />

Maschinengewehr knattert. Noch<br />

einmal knallt es heftig, dann legen die<br />

beiden Leos den Rückwärtsgang ein.<br />

Sie ziehen mehre Dutzend Meter lange<br />

Staubfahnen hinter sich her und<br />

tauchen – an mehreren Büschen vorbei<br />

– in einer kleinen Senke ab. Sie<br />

proben damit den geordneten Rückzug,<br />

verschwinden im „Fog of War“,<br />

der hier am ausgetrockneten Gelände<br />

des Truppenübungsplatzes Bergen in<br />

der Lüneberger Heide in Deutschlands<br />

Norden förmlich greifbar wird.<br />

Wieder knallt und kracht es, ein Hubschrauber<br />

fliegt über das Gelände.<br />

Einmal im Jahr ist hier in Niedersachsen<br />

auf halber Strecke zwischen<br />

Hamburg und Hannover für zehn<br />

Tage Krieg. Rund 2.000 Soldaten trainieren<br />

dann bei der Informationslehrübung<br />

der Bundeswehr, kurz ILÜ, den<br />

militärischen Ernstfall. Im Rahmen<br />

eines fiktiven Szenarios üben Panzer,<br />

Panzergrenadiere, Artillerie, Pioniere<br />

und Kampfhubschrauber im scharfen<br />

Schuss den Kampf der verbundenen<br />

Kräfte in einer Mission der Vereinten<br />

FOTO S : PA N Z E R B ATA I L LO N 1 4 , B U N D E SW E H R H E E R E SV E R B I N D U N G SSTA B<br />

Ö ST E R R E I C H<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


I L Ü 2 0 1 8<br />

STAUBIGE ANGELEGENHEIT<br />

Die Trockenheit der vergangenen<br />

Wochen und Monate sorgte am<br />

Truppenübungsplatz Bergen für<br />

ungewohnte Bedingungen und<br />

meterlange Staubfahnen.<br />

IM SCHARFEN SCHUSS In insgesamt<br />

28 Übungsdurchgängen wurden die<br />

Abläufe geprobt, 21 davon wurden im<br />

scharfen Schuss absolviert.<br />

ON TOUR<br />

FEUER! Die Bundesheer-Soldaten konnten<br />

bei der ILÜ ihre Fähigkeiten im Gefechtsschießen<br />

vor allem in der Phase Verzögerung<br />

unter Beweis stellen.<br />

Nationen. Angenommener Schauplatz<br />

dafür ist die Republik Altraverdo,<br />

die seit 1965 unabhängig ist und<br />

deren Beziehungen zum Nachbarstaat<br />

Wislanien nicht die besten sind.<br />

Immer wieder kommt es zu Grenzstreitigkeiten;<br />

eine Gewalteskalation<br />

führt zum Abzug einer eingesetzten<br />

UNO-Beobachtermission. Da weitere<br />

Vermittlungsversuche der UNO an<br />

der ablehnenden Haltung Wislaniens<br />

scheitern, bittet die UNO um militärische<br />

Unterstützung. Davon unbeeindruckt<br />

will Wislanien seine Gebietsansprüche<br />

mit Waffengewalt<br />

durchsetzen. Die Kommandos Sanität<br />

und Cyber- und Informationsraum<br />

(CIR) der Bundeswehr sind in dieses<br />

Szenario ebenso eingebunden wie die<br />

Streitkräftebasis – es handelt sich bei<br />

der ILÜ um die größte Übung von<br />

Landstreitkräften in Deutschland.<br />

Wobei: Ganz genau genommen ist die<br />

ILÜ gar keine Übung, sondern eine<br />

„Übungs-Vorführung“. An verschiedenen<br />

Stationen wird dem militärischen<br />

Führungsnachwuchs in Bergen<br />

ein Bild vom künftigen Anforderungsszenario<br />

vermittelt. Die ILÜ<br />

EINSATZ IM HOHEN NORDEN Verlegt<br />

wurde großteils mit der Bahn, vom Gefechtsverband<br />

des Panzerbataillons 203 wurden<br />

die Österreicher gut aufgenommen.<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


0 3 8 H E E R & M E H R<br />

KONTINGENTSKOMMANDANT<br />

MAJOR CHRISTIAN BRUNMAYR<br />

war mit der österreichischen Teilnahme<br />

an der ILÜ rundum zufrieden. Jetzt gilt<br />

es in der Nachbereitung die „Lessons<br />

Identified“ und „Lessons Learned“<br />

aufzubereiten und nach den<br />

anstrengenden vier Wochen<br />

„Zeit mit der Familie zu verbringen“.<br />

gesamt 28 Übungsdurchgängen wurden<br />

21 im scharfen Schuss absolviert.<br />

Brunmayr zufrieden: „Es konnten alle<br />

gestellten Aufträge durchgeführt werden.<br />

Grund hierfür ist sicherlich die<br />

dem österreichischen Soldaten aller<br />

Ebenen innewohnende Flexibilität,<br />

die vor allem bei komplexeren Problemstellungen<br />

zum Tragen kam.“<br />

GEFREITE ANNA FRIEBE ist seit 2016 in<br />

der 2. Kompanie des Panzerbataillons 14 als<br />

Panzerfahrerin eingesetzt. Ihr gefällt das spannende<br />

und abwechslungsreiche Berufsbild<br />

und die Kameradschaft. Außerdem sagt sie<br />

selbstbewusst: „Wer fährt schon Panzer?!“<br />

„Es ist spannend die anderen Waffensysteme<br />

zu sehen. Ich kenne jetzt dank der ILÜ auch<br />

den deutschen Leopard A6 und A7.“<br />

dient damit als „Vorzeigeübung“ für<br />

Lehrgänge und Kommanden der<br />

Bundeswehr, denen ein anschaulicher<br />

Eindruck des modernen Gefechtes<br />

geboten werden soll und die auf großen<br />

Tribünen das staubige Geschehen<br />

aufmerksam verfolgen. Und dabei<br />

bekommen sie neben deutschen<br />

Soldaten auch internationale Kräfte<br />

zu sehen: Neben einem Kontingent<br />

des deutschen NATO-Partners Niederlande<br />

waren heuer im Oktober<br />

erstmals auch 78 Soldaten des Panzerbataillons<br />

14 aus Wels und Grenadiere<br />

des Panzergrenadierbataillons<br />

35 aus Großmittel bei der ILÜ mit<br />

dabei.<br />

Das österreichische Kontingent unter<br />

dem Kommando von Major Christian<br />

Brunmayr verlegte nach einer dreiwöchigen<br />

Vorbereitung am Truppenübungsplatz<br />

Allentsteig Mitte September<br />

mit zwölf Leopard, sechs<br />

Ulan und 24 Radfahrzeugen sowie 29<br />

Containern großteils per Bahn nach<br />

Bergen, wo es vom Gefechtsverband<br />

des deutschen Panzerbataillons 203<br />

gut aufgenommen wurde. Brunmayr<br />

selbst hatte schon im Vorfeld an drei<br />

Planungsbesprechungen und einem<br />

Kick-off-Meeting teilgenommen, beschreibt<br />

die Zusammenarbeit mit den<br />

deutschen Kameraden gegenüber<br />

Militär Aktuell als professionell und<br />

vorbildlich: „Das war alles sehr harmonisch.<br />

Wir hatten ein Ziel vor Augen,<br />

das es gemeinsam zu erreichen<br />

galt.“ Und das gemeinsam hart erarbeitet<br />

wurde: Die Österreicher waren<br />

im Gefechtsschießen mit Schwergewicht<br />

in der Phase Verzögerung eingesetzt.<br />

Die in Altraverdo mobilisierten<br />

Kräfte hatten dabei den Auftrag,<br />

die angreifenden Feindkräfte aus<br />

Wislanien einzubremsen und zu<br />

verlangsamen, um der hinter ihnen<br />

befindlichen Verteidigung Zeit zum<br />

Aufbau von befestigten Stellungen<br />

und Wechselstellungen zu geben, die<br />

anschließend das Vorrücken der Angreifer<br />

stoppen sollten. Von den ins-<br />

Ein lauter Knall. In Bergen bebt schon<br />

wieder die Erde. Infanteristen stürmen<br />

unter Feuerschutz ein Haus, später<br />

wird der Abtransport von Verletzten<br />

geübt. Sanitäter übernehmen die<br />

Erstversorgung, mittels MEDEVAC<br />

und NH90-Hubschrauber werden einige<br />

Soldaten ausgeflogen. Der Heli<br />

zieht tief über die Bäume hinweg,<br />

setzt auf einer Lichtung kurz auf und<br />

hebt dann nach Aufnahme einiger<br />

Patienten auch schon wieder ab. Das<br />

Programm auf der ILÜ ist dicht, auch<br />

Minenräumgeräte kommen zum Einsatz,<br />

Panzer und Panzerhaubitzen,<br />

Faltstraßengeräte, Kräne, Verbindungsfahrzeuge,<br />

Transport-Lkw<br />

und viele andere Gerätschaften.<br />

Für das österreichische Kontingent<br />

bedeutet die Übung ein enormes<br />

Plus, wie Brunmayr erklärt: „Vor allem<br />

in der strategischen Verlegungsfähigkeit<br />

konnten wir neue Erfahrungen<br />

sammeln. Es galt zudem zahlreiche<br />

Bestimmungen von Zoll bis über<br />

Gefahrenguttransporte zu beachten,<br />

um rechtzeitig im Einsatzraum<br />

gefechtsbereit zu sein.“ Auszeichnen<br />

konnte sich vor Ort laut dem Kontingentskommandanten<br />

neben den<br />

österreichischen Panzerbesatzungen,<br />

die spätestens seit ihrem Sieg bei der<br />

„Strong Europe Tank Challenge 2017“<br />

und dem dritten Platz bei der diesjährigen<br />

Auflage international hohes Ansehen<br />

genießen, auch das „vergleichsweise<br />

kleine Logistikelement“. Gebildet<br />

wurde es von einem Instandset-<br />

FOTO S : B U N D E SW E H R H E E R E SV E R B I N D U N G SSTA B Ö ST E R R E I C H<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


I L Ü 2 0 1 8<br />

WACHTMEISTER PATRICK CSIKI<br />

Der in Linz geborene Panzerkommandant<br />

ist 22 Jahre alt und zum ersten Mal bei<br />

einer großen Übung dabei. „Dass unsere<br />

Aufgabe nicht einfach ist, wussten wir.<br />

Dass wir gemeinsam mit den Deutschen<br />

so intensiv vorgeübt haben, war zwar<br />

anstrengend, hat mich in meiner Aufgabe<br />

aber sicherer gemacht.“<br />

VIZELEUTNATN<br />

HANS-PETER UNTERLERCHER<br />

ist Kommandant des Instandsetzungszugs<br />

beim Panzerbataillon 14. Der gebürtige Bad<br />

Ischler dient seit 34 Jahren im Bundesheer<br />

und ist mit Leib und Seele Panzermann. „Wir<br />

verfolgen ein anderes Instandsetzungskonzept<br />

als die Bundeswehr. Vieles der Material -<br />

erhaltung machen wir im Bataillon selbst. Wir<br />

haben daher einen großen Erfahrungsschatz,<br />

der von den deutschen Kameraden geschätzt<br />

wurde. Die Deutschen haben wiederum Erfahrungen<br />

aufgrund der vielen internationalen<br />

Einsätze, die sie bestreiten.“<br />

WACHTMEISTER<br />

MARTIN KÜHBERGER<br />

ist Transportfahrer beim Panzerstabsbataillon 4<br />

in Wels. Der 29-Jährige kommt aus Grein an<br />

der Donau und ist seit 2010 in der Truppe.<br />

Kühberger ist Berufssoldat und als Transportexperte<br />

war er insbesondere vom Fahren<br />

auf sandigem Untergrund, wie er in der<br />

niedersächsischen Heide vorwiegend<br />

vorzufinden ist, beeindruckt. „Die<br />

Zusammenarbeit mit den deutschen<br />

Kameraden war einwandfrei und tadellos.“<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


0 4 0 H E E R & M E H R<br />

AUFSTELLUNG Ein Teil des österreichischen Kontingents bei der ILÜ am Truppenübungsplatz Bergen in Norddeutschland.<br />

zungsteil des Panzerbataillons 14 sowie<br />

einem Nachschub- und Transportelement<br />

aus dem Panzerstabsbataillon<br />

4. „Die geleistete Arbeit war<br />

hervorragend und ermöglichte, immer<br />

acht voll einsatzbereite Kampfpanzer<br />

sowie vier voll einsatzbereite<br />

Schützenpanzer für die Auftragserfüllung<br />

zur Verfügung zu haben.“ Als herausfordernd<br />

beschreibt Brunmayr<br />

die lange Einsatzzeit: „Es galt vier<br />

Wochen Material und Personal ,einsatzbereit‘<br />

zu halten, was nur durch<br />

den hohen Durchhaltewillen der eingesetzten<br />

Soldaten erreicht werden<br />

konnte. Die Belastungen waren<br />

durch eine Vielzahl an Überstunden,<br />

die zu leisten waren, sehr hoch.“<br />

Die ILÜ ist übrigens nicht nur eine<br />

Leistungsschau, sondern auch ein<br />

Trendbarometer. Die jährlich stattfindende<br />

Veranstaltung wird inhaltlich<br />

stets den Erfordernissen der Zeit<br />

und den wahrscheinlichsten Einsatzszenarien<br />

der Deutschen Bundeswehr<br />

angepasst. Bildete die ILÜ bis<br />

vor wenigen Jahren vor allem Szenarien<br />

ab, wie sie sich für die Bundeswehr<br />

in Afghanistan stellten, stand<br />

heuer mit dem Konflikt zwischen<br />

den Ländern Altraverdo und Wislanien<br />

die seit einigen Jahren wieder im<br />

Fokus stehende Landes- und Bündnisverteidigung<br />

im Mittelpunkt. Verstärkt<br />

kamen daher im Oktober auch<br />

wieder gepanzerte Kräfte zum Einsatz.<br />

Die erstmalige Einbindung des<br />

Kommandos Cyber- und Informationsraum<br />

veranschaulichte zudem<br />

die ständig steigende Bedeutung der<br />

elektronischen Kriegsführung. Die<br />

Vorgangsweise der „Cybersoldaten“<br />

war für die Besucher zwar nicht so<br />

anschaulich darstellbar wie die Gefechtssituationen<br />

und Panzerkämpfe,<br />

Einblicke in die Fähigkeiten gaben<br />

aber kurze Videos. Deren Botschaft<br />

war klar: Kampfpanzer, Artillerie<br />

und Co sorgen zwar für Power am<br />

Schlachtfeld, nur im Verbund mit<br />

den mehr oder weniger im Verborgenen<br />

operierenden Cyberkräften kann<br />

es aber gelingen, den Vormarsch<br />

eines Feindes zu stoppen.<br />

FOTO S : PA N Z E R B ATA I L LO N 1 4 , B U N D E SW E H R H E E R E SV E R B I N D U N G SSTA B<br />

Ö ST E R R E I C H<br />

NEUER FOKUS Die ILÜ bildete in der Vergangenheit Stabilisierungsszenarien ab, heuer stand die Landes- und Bündnisverteidigung im Mittelpunkt.<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


hds.hirtenberger.com<br />

The Mortar Company.<br />

60MM KOMMANDO SYSTEM<br />

Das 60mm Kommandowerfer-System von Hirtenberger Defence Systems (HDS) ist ein<br />

Vorderlader-Steilfeuersystem, ausgelegt für Kommandooperationen im Kaliber 60mm, bestehend<br />

aus dem Waffensystem, einer umfassende Munitionsfamilie mit High Explosive, verschiedenen<br />

Rauchtypen sowie sichtbarer und IR-Beleuchtungsmunition und digitalem sowie analogem Richtmittel.<br />

Das hochmobile Waffensystem mit einer Reichweite von 2.3 km und einem Gewicht<br />

von 6.5 kg bietet eine massive Verstärkung der Bewaffnung einer Infanteriegruppe.<br />

Das umfangreiche Leistungsprofil der Waffe wird durch das elektronische Richtmittel, bekannt als GRid<br />

Aiming Mode (GRAM), revolutioniert, da der Schütze damit auch Ziele ohne direkte ‚ Sichtverbindung<br />

bekämpfen kann. Weiters wird das Waffensystem durch den neuen Zielvorgang mittels digitaler Zielvorgabe<br />

präziser im Ziel und reduziert dadurch den Munitionsverbrauch und im Weiteren auch den Trainingsaufwand.


0 4 2 H E E R & M E H R<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


I N T E R V I E W<br />

ICH BIN<br />

VORSICHTIG<br />

OPTIMISTISCH!<br />

Der neue Generalstabschef<br />

Robert Brieger will<br />

das erreichen, was<br />

seinen Vorgängern<br />

verwehrt geblieben ist:<br />

Das Heeresbudget auf<br />

ein Prozent des BIP<br />

anheben. In einem<br />

ersten Schritt soll<br />

noch in dieser<br />

Legislaturperiode<br />

die 3-Milliarden-<br />

Euro-Grenze<br />

genommen<br />

werden.<br />

Interview: JÜRGEN ZACHARIAS<br />

Fotos: JULIA STIX<br />

Herr General, würden<br />

Sie der Einschätzung<br />

zustimmen, dass die<br />

Welt und dabei insbesondere<br />

unsere östliche<br />

und südöstliche<br />

Nachbarschaft in den vergangenen<br />

Jahren unsicherer geworden ist?<br />

Dem stimme ich vollinhaltlich zu! Diese<br />

Entwicklung betrifft aber nicht nur die<br />

gegenwärtige Lage, sondern auch die<br />

Prognosen für die Zukunft, die für den<br />

absehbaren Zeitraum bis 2030 recht unsichere<br />

Zeiten auf uns zukommen sehen.<br />

Wir gehen bis dahin von einem steigenden<br />

Spektrum an hybriden, aber auch<br />

konventionellen Herausforderungen<br />

aus, die auch zunehmend technische<br />

Entwicklungen widerspiegeln. Der<br />

Cyberraum bekommt beispielsweise<br />

eine immer größere Bedeutung.<br />

Wie kann es sein, dass sich angesichts<br />

dieser Entwicklung das Heeresbudget<br />

trotzdem nicht vom Fleck bewegt,<br />

in Relation zum BIP sogar weiter<br />

schrumpft?<br />

Grundsätzlich ist klar, dass die immer<br />

breitere Palette an Herausforderungen<br />

auch immer breitere Reaktionsmuster<br />

erfordert. Es ist in Österreich aber in<br />

den vergangenen Jahren nicht gelungen,<br />

in der Öffentlichkeit und bei den Entscheidungsträgern<br />

ein entsprechendes<br />

Sicherheits- und Bedrohungsbewusstsein<br />

zu erzeugen. Dort herrscht vielfach<br />

weiter der Glaube vor, wir wären auf<br />

einer Insel der Seligen, weshalb ich es<br />

mir auch zum Ziel gesetzt habe, im Rahmen<br />

meiner Möglichkeiten als Generalstabschef<br />

auf diese Sicherheitsrisiken<br />

hinzuweisen. Je geringer die Mittel für<br />

das Bundesheer, umso größer das Sicherheitsrisiko,<br />

das letztlich die verantwortlichen<br />

Politiker tragen und gegenüber der<br />

Bevölkerung auch verantworten müssen<br />

– das muss jedem klar sein!<br />

Sie sehen ihren Job also auch darin,<br />

auf diese Risiken hinzuweisen und damit<br />

für mehr Budgetmittel zu werben?<br />

Unsere militärische Verantwortung<br />

schließt mit ein, dass wir diese Fakten<br />

aufzeigen, dass wir sie auch im internationalen<br />

Vergleich bewerten und den<br />

Entscheidungsträgern die daraus resultierenden<br />

Ableitungen zugänglich machen.<br />

Nur so können diese eine budgetäre<br />

Entwicklung einleiten, die eine spürbare<br />

Verbesserung für uns bedeutet.<br />

Was wäre eine spürbare Verbesserung?<br />

Der Minister und ich haben uns darauf<br />

verständigt, zunächst eine moderate<br />

Forderung aufzustellen und im Rahmen<br />

dieser Legislaturperiode die 3-Milliarden-Euro-Grenze<br />

überschreiten zu wollen.<br />

Wir stehen aktuell bei rund 2,26<br />

Milliarden Euro und es hat sich in den<br />

vergangenen Jahren ein erheblicher<br />

Investitionsstau aufgetürmt, der mit<br />

rund 3 Milliarden Euro beziffert werden<br />

kann – eine Erhöhung ist also dringend<br />

notwendig!<br />

Diese 3 Milliarden würde man brauchen,<br />

um alte Gerätschaften durch<br />

neue zu ersetzen und zu modernisieren<br />

– eine mögliche Aufrüstung ist in<br />

diesem Betrag aber nicht inkludiert,<br />

oder?<br />

Nein, wir sprechen bei diesem Betrag<br />

von Nachrüstung und Ausrüstung und<br />

nicht von Aufrüstung. Natürlich sind die<br />

3 Milliarden nur eine grobe Kalkulation<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


0 4 4 H E E R & M E H R<br />

der größten Brocken Mobilität, Miliz,<br />

Digitalisierung und Luftraumüberwachung,<br />

die dann im Detail leicht variieren<br />

können. Wichtig wäre es, dass wir in<br />

Zukunft nicht nur Geld zur Modernisierung<br />

des Geräts bekommen, sondern<br />

auch ein entsprechend dotiertes Regelbudget.<br />

Nur dann ist Planungssicherheit<br />

gegeben.<br />

Sie haben zuvor von einer moderaten<br />

Forderung gesprochen, die Sie „zunächst“<br />

stellen. Welches Budgetziel<br />

verfolgen Sie darüber hinaus lang -<br />

fristig?<br />

Es war schon eine Forderung der Zilk-<br />

Commenda-Kommission, auf ein Budget<br />

in Höhe von einem Prozent des BIP<br />

zu kommen, was der Hälfte dessen<br />

entspricht, was die NATO von ihren<br />

Mitgliedsländern einfordert. Unser<br />

Ziel muss es sein, mittel- bis langfristig<br />

dorthin zu kommen.<br />

Das wären aktuell rund vier Milliarden<br />

Euro – ist das realistisch?<br />

Bei einer anhaltend guten Wirtschaftsentwicklung<br />

ist dieses Ziel aus meiner<br />

Sicht in jedem Fall realisierbar und ich<br />

bin dahingehend auch vorsichtig optimistisch.<br />

Die aktuelle ökonomische Entwicklung<br />

sollte eine entsprechende Ausstattung<br />

zulassen, ohne dass es zu Einsparungen<br />

in anderen Bereichen kommen<br />

muss. Damit wären wir endlich in<br />

der Lage, unsere verfassungsmäßigen<br />

Aufträge auch glaubwürdig zu erfüllen.<br />

Mit jedem Euro, den man von diesem<br />

Ziel abgeht, geht man Risiken ein, die<br />

der Politik und der Öffentlichkeit aber<br />

auch transparent gemacht werden müssen.<br />

Sie sollen wissen, worauf sie sich<br />

einlassen, wenn das Sicherheitsinstrument<br />

der Republik gravierende Fähigkeitslücken<br />

aufweist.<br />

Ein Mittel, um Gelder effektiver einzusetzen<br />

wäre auch eine verstärkte<br />

internationale Zusammenarbeit.<br />

Viele Bedrohungsszenarien etwa im Bereich<br />

Terrorismus sind heute so umfassend,<br />

dass ihnen ohnehin nur mehr<br />

partnerschaftlich mit anderen Nationen<br />

und insbesondere der EU begegnet werden<br />

kann. Darüber hinaus können uns<br />

gemeinsame Initiativen aber natürlich<br />

auch dabei helfen, die vorhandenen<br />

Mittel synergetischer zur Wirkung zu<br />

NEU IM AMT<br />

Verteidigungsminister Mario<br />

Kunasek bestellte im Juli<br />

den bis dahin als Stabschef<br />

im Ministerium tätigen<br />

62-jährigen Robert Brieger<br />

als Nachfolger von Othmar<br />

Commenda zum neuen<br />

Generalstabschef.<br />

bringen. Es ist aktuell beispielsweise so,<br />

dass es in der Europäischen Union in diversen<br />

Waffengattungen weit über 100<br />

verschiedene Waffensysteme gibt, während<br />

die Vereinigten Staaten im selben<br />

Spektrum mit deutlich weniger auskommen.<br />

Das zeigt: Wir haben in vielen Bereichen<br />

zu viele parallele Technologien<br />

und daher ist jede Initiative, die uns wie<br />

beispielsweise PESCO hilft, die Anstrengungen<br />

zu bündeln und zu gemeinsamen<br />

Lösungen zu kommen, prinzipiell<br />

zu begrüßen. Dazu wollen wir natürlich<br />

auch unseren Teil beitragen, deshalb hat<br />

sich Österreich ja auch dazu entschlossen,<br />

im PESCO-Projekt einer gemeinsamen<br />

ABC-Abwehrtechnologie eine<br />

Führungsrolle einzunehmen.<br />

Wie weit kann die internationale<br />

Zusammenarbeit gehen? Sind dabei<br />

auch Aspekte wie der gemeinsame<br />

Einkauf von Systemen denkbar?<br />

Die Neutralität in ihren Kerngeboten<br />

verbietet uns das Führen von Kriegen<br />

und das Stationieren fremder Streitkräfte<br />

auf unserem Territorium, sie verbietet<br />

uns aber nicht, mit Partnernationen vernünftig<br />

militärisch zusammenzuarbeiten.<br />

Dazu gibt es ein weites Feld an<br />

Möglichkeiten, das jetzt auch schon<br />

etwa im Wege gemeinsamer Übungen<br />

genutzt wird. Mit unserem strategischen<br />

Partner, der Bundeswehr, verfolgen wir<br />

zudem gemeinsame Vorhaben wie die<br />

Einsatzvorbereitung bestimmter Auslandseinsätze;<br />

wenn im Rahmen gemeinsamer<br />

Beschaffungsprojekte Preisreduktionen<br />

erzielt werden können, ist<br />

auch diese Möglichkeit einer ernsthaften<br />

Beurteilung zu unterziehen. Wie zuvor<br />

schon erwähnt, müssen wir jeden Euro<br />

umdrehen.<br />

Wenn vom Investitionsrückstau die<br />

Rede ist, dann geht es in der Diskussion<br />

immer um neue Hubschrauber,<br />

Fahrzeuge oder Trainingsflugzeuge.<br />

Welcher Investitionsbedarf hat sich<br />

in den vergangenen Jahren aber auch<br />

im Bereich der Ausbildung aufgetan?<br />

Viele hochqualifizierte Mitarbeiter<br />

haben das Bundesheer zuletzt verlassen,<br />

der Engpass beispielsweise bei<br />

den Piloten ist mittlerweile besorgniserregend.<br />

Uns ist es zuletzt gelungen, die Pilotenverträge<br />

zu verbessern, aber natürlich ist<br />

es für die Attraktivität des Berufes wichtig,<br />

ein gesichertes Arbeitsumfeld vorzufinden,<br />

weshalb wir auch zeitnah eine<br />

Entscheidung über die Luftraumüberwachung<br />

brauchen. Nur so können wir<br />

die Piloten auch im System halten und<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


I N T E R V I E W<br />

neue rekrutieren. Dabei müssen wir<br />

auch darüber nachdenken, ob es wirklich<br />

notwendig ist, sämtliche Piloten<br />

nach den Kriterien des Jetpiloten auszuwählen.<br />

Die Piloten von Hubschraubern<br />

und Flächenflugzeugen müssen nicht<br />

die Belastungen aushalten wie Jetpiloten<br />

und dahingehend ist vielleicht eine<br />

Differenzierung vorzunehmen, die ich<br />

bei der zuständigen Stelle auch bereits<br />

angeregt habe. Die Frage nach der<br />

Effizienz und Nutzwertanalyse stellt<br />

sich darüber hinaus aber auch in vielen<br />

anderen Ausbildungsfragen, weshalb<br />

Minister Kunasek zuletzt auch die Diskussion<br />

über die Länge des Wehrdienstes<br />

wieder aufgenommen hat. Es ist<br />

nicht effizient, jemanden sechs Monate<br />

auszubilden und ihn dann – wenn er die<br />

notwendigen Fähigkeiten erlangt hat –<br />

auf Nimmerwiedersehen zu verlieren.<br />

Rechnen Sie mit einer Verlängerung<br />

des Wehrdienstes?<br />

Eine Verlängerung wäre wünschenswert,<br />

aber die Diskussion ist eben erst<br />

wiedereröffnet worden und wird nicht<br />

sofort zu Ergebnissen führen. Das<br />

Beispiel zeigt aber, dass wir über viele<br />

Dinge nachdenken, um das Bundesheer<br />

in Zukunft auf bessere Beine zu stellen<br />

und attraktiver zu machen.<br />

Apropos Zukunft: In einem Interview<br />

mit der APA meinten Sie kürzlich,<br />

dass Sie das Bundesheer verstärkt als<br />

„bewaffnete Macht“ positionieren<br />

wollen. Inwieweit ist dahingehend<br />

wieder Aufbauarbeit zu leisten, nachdem<br />

man sich in den vergangenen<br />

Jahren teilweise diametral dazu<br />

positioniert hat?<br />

Das Bundesheer und die Republik<br />

Österreich sind gut beraten, sich wieder<br />

verstärkt auf den Verfassungsauftrag zu<br />

besinnen, und der lautet militärische<br />

Landesverteidigung und zwar in einer<br />

modernen, der Lage angepassten Form.<br />

Die Fähigkeit für Subsidiäreinsätze etwa<br />

im Katastrophenfall oder zur sicherheitspolizeilichen<br />

Assistenz ist natürlich<br />

weiterhin sicherzustellen, auch dabei<br />

geht es um den Schutz der Bevölkerung.<br />

Der Hauptauftrag muss aber wieder die<br />

Landesverteidigung sein.<br />

Abschließend: Wo sehen Sie das<br />

Bundesheer in fünf Jahren?<br />

Ich sehe das Bundesheer in fünf Jahren<br />

verstärkt auf die Kernaufgabe ausgerichtet,<br />

mit einem leistungsfähigen,<br />

motivierten Kaderpersonal und in<br />

einem sukzessiven Prozess der technischen<br />

Erneuerung. Ich sehe es nicht<br />

neuerlich umgegliedert, ich möchte<br />

Kontinuität in der Struktur und dosierte<br />

Modernisierungsschritte dort, wo sie<br />

wirklich notwendig sind – sei es in der<br />

Ausrüstung, sei es in der Ausbildungsmethodik,<br />

im Bildungswesen oder in<br />

der Forschung. Häufige Strukturänderungen<br />

haben uns nicht weitergebracht.<br />

Es ist Zeit, der Truppe gesicherte Rahmenbedingungen<br />

für die Erfüllung ihrer<br />

Kernaufgaben zu geben.


0 4 6 H E E R &<br />

M<br />

E H R<br />

ÜBER UND<br />

UNTER DEN<br />

WOLKEN:<br />

ALLZEIT<br />

BEREIT<br />

Österreichs luftstreitkräfte sind rund um die Uhr im Einsatz. Sie sorgen für den Schutz<br />

des rot-weiß-roten Luftraums ebenso wie für den Transport von Mensch und Material und<br />

kommen auch im Katastrophenfall zum Einsatz – ein Überblick. text: JOHaNNeS luXNer<br />

ie werden bei Waldbränden<br />

angefordert. Bei<br />

S<br />

Überflutungen, Vermurungen<br />

und Luftraumverletzungen.<br />

Aber auch<br />

zum Sprengen von Lawinen,<br />

zum Transport von Mensch und<br />

Material sowie zum Schutz der Grenzen<br />

und natürlich auch zur Aufklärung.<br />

Kommt es zu Ausnahmesituationen<br />

oder müssen besondere Aufträge erfüllt<br />

werden, mischen die rot-weiß-roten<br />

Luftstreitkräfte in vielen Bereichen mit.<br />

Ohne sie wäre die Erfüllung wesentlicher<br />

Aufgaben des Bundesheeres nicht<br />

oder nur schwer möglich, wie zuletzt<br />

auch die Aufräumarbeiten nach den<br />

Unwettern in Südösterreich einmal<br />

mehr deutlich gemacht haben.<br />

Ungeachtet der vielen Einsatzfacetten<br />

und -bereiche ist die wohl wichtigste<br />

Aufgabe der Luftstreitkräfte die Wahrung<br />

der österreichischen Lufthoheit.<br />

FOTO S : B U N D E S H E E R , B U N D E S H E E R / M A R KU S Z I N N E R<br />

m i l i t ä r a k t u e l l


A D V E R T O R I A L<br />

Eurofighter und Saab 105 steigen etwa<br />

dann auf, wenn Flugzeuge auf Anfragen<br />

der Austro Control nicht reagieren,<br />

vom Radarschirm verschwinden oder<br />

überraschend ihren Kurs ändern. Um in<br />

solchen Fällen schnell reagieren zu können,<br />

ist eine klare Entscheidungsabfolge<br />

notwendig. Aber auch eine rasche Alarmierung<br />

– bis zum Abheben der Eurofighter<br />

oder der Saab 105 im Zuge eines<br />

Alarmstarts dauert es maximal zehn<br />

Minuten. Koordiniert und gesteuert<br />

wird all das im Kommando Luftstreitkräfte<br />

in Salzburg – allerdings ändert<br />

sich mit Ende des Jahres die organisatorische<br />

Struktur. Das Kommando Luftstreitkräfte<br />

wird aufgelöst und einem<br />

neuen Streitkräftekommando in Graz<br />

nachgeordnet. Das gesamte fliegerische<br />

Personal bleibt aber in Salzburg.<br />

WEITLÄUFIGES NETZWERK Wichtige Teile<br />

des Transportwesens des Bundesheeres fallen<br />

ebenso ins Aufgabengebiet der Luftstreitkräfte<br />

wie die Überwachung des österreichischen<br />

Luftraums. Das Netzwerk erstreckt sich über<br />

das ganze Land – etwa auch in Form großer<br />

Radaranlagen wie hier am Kolomansberg<br />

(oben). Unten im Bild ein Überwachungsmonitor<br />

in der Einsatzzentrale Basisraum.<br />

Davon unbeeinflusst ist und bleibt die<br />

Einsatzzentrale Basisraum (EZ/B) in<br />

St. Johann im Pongau, das betriebliche<br />

Herzstück der Luftraumüberwachung.<br />

In Form eines diensthabenden Systems<br />

sind die Einheiten der Luftstreitkräfte<br />

365 Tage im Jahr und 24 Stunden am<br />

Tag verfügbar und auf Einsätze vorbereitet.<br />

An der Spitze steht der diensthabende<br />

Offizier Luft, der zugleich wichtiger<br />

Entscheidungsträger und zentrale<br />

Schnittstelle ist, wie Generalmajor Karl<br />

Gruber, der scheidende Kommandant<br />

der Luftstreitkräfte, im Gespräch mit<br />

Militär Aktuell erklärt: „Er ist derjenige,<br />

der im Fall der Fälle den Bundesminister<br />

informiert und der gegebenenfalls<br />

Weisungen erteilt wie beispielsweise das<br />

Erzwingen einer Landung.“ Um dabei<br />

möglichst bedarfsgerecht reagieren zu<br />

können, wird verstärkt auch international<br />

zusammengearbeitet. Die jüngst<br />

erfolgte Ratifizierung eines Vertrags<br />

zwischen der Republik Österreich, der<br />

Schweizerischen Eidgenossenschaft und<br />

dem Fürstentum Liechtenstein über die<br />

grenzüberschreitende polizeiliche Zusammenarbeit<br />

macht es nun etwa möglich,<br />

dass Österreich gemeinsam mit<br />

der Schweiz in grenzüberschreitender<br />

Weise luftpolizeiliche Aufgaben erledigt,<br />

wenn ein Flugzeug terrorverdächtig<br />

ist. „Derzeit wird das Technical<br />

Agreement dazu umgesetzt, das alle<br />

betrieblichen Details regelt“, so Gruber<br />

über die jüngste Entwicklung, die große<br />

Vorteile bringt: „Verdächtige Flugzeuge<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


0 4 8 h e e r & M e h r<br />

Foto s : 1 2 3 r F, B u n d e s h e e r / C a r i n a ka r lov i ts<br />

Am Weg zu neuen<br />

Hubschraubern<br />

Die Entscheidung über die Zukunft der<br />

Eurofighter und damit auch jene über den<br />

Nachfolger der Saab-105 lässt derzeit noch auf<br />

sich warten. Mehr Bewegung gibt’s aber bei den<br />

geplanten Hubschrauber-Beschaffungen, wie<br />

Generalmajor Karl Gruber im Interview erklärt.<br />

scheIdender koMMandant Noch<br />

vor der Auflösung des Kommandos Luftstreitkräfte<br />

verabschiedete sich Generalmajor<br />

Gruber im November in den Ruhestand.<br />

herr Generalmajor, wie ist der aktuelle<br />

stand der dinge bei der geplanten<br />

Beschaffung der neuen<br />

hubschrauber als ersatz für die<br />

alten Alouette III? Wann ist mit<br />

ersten ergebnissen zu rechnen?<br />

derzeit sind die ausschreibungsunterlagen<br />

für die neuen hubschrauber in<br />

der Fertigstellung. in den nächsten<br />

Monaten ist damit zu rechnen, dass<br />

die ausschreibung rausgeht und dass<br />

dann entsprechenden angebote von<br />

den herstellern folgen. die Budgetmittel<br />

sind jedenfalls zugesichert und<br />

wir sind zuversichtlich, dass wir in<br />

etwa einem Jahr erste hinweise darauf<br />

haben, in welche richtung es bei der<br />

typenwahl gehen wird.<br />

Varianten wurden bei der Beschaffung<br />

viele diskutiert, bis hin zur<br />

Verkleinerung der staffel.<br />

die grundsätzliche absicht ist es, zwölf<br />

einsatzmaschinen und mehrere schulmaschinen<br />

zu beschaffen, wobei die<br />

schulmaschinen idealerweise die<br />

gleiche hubschrauber-type sind, nur<br />

mit unterschiedlichem ausrüstungsstand.<br />

Was die Größe der staffeln<br />

betrifft: die neue hubschraubergeneration<br />

unterscheidet sich sehr deutlich<br />

von älteren Maschinen, die maximal<br />

200 Flugstunden pro Jahr leisten können.<br />

neue Maschinen schaffen das<br />

doppelte, weshalb eine staffel mit<br />

sechs neuen hubschraubern das gleiche<br />

leisten kann wie eine staffel mit<br />

zwölf alten hubschraubern. unter<br />

dem strich geht es darum, eine gute<br />

lösung zu finden, die in der anschaffung<br />

und im Betrieb kostengünstig ist.<br />

die hubschrauber sollen vor allem<br />

aufgaben erledigen, bei denen es<br />

nicht sinnvoll ist, den viel größeren<br />

Black Hawk einzusetzen, wie etwa im<br />

Bereich aufklärung und Überwachung.<br />

schon erfolgt ist der ankauf von<br />

neuen schulungsflugzeugen – wie<br />

bewähren sich die DA40 bislang?<br />

die Maschinen sind sehr modern ausgerüstet<br />

und schaffen große kapazitäten,<br />

weil es mit den DA40 auch<br />

möglich ist, instrumentenflug zu trainieren.<br />

das gibt uns die Möglichkeit,<br />

sehr kostengünstig die instrumentenflugbefähigung<br />

für hubschrauberpiloten<br />

zu erhalten, weil die Flugstunde<br />

viel günstiger ist als die hubschrauberflugstunde.<br />

das hat den positiven<br />

effekt, dass dadurch in weiterer Folge<br />

auch mehr hubschrauber für den<br />

einsatzbetrieb zur verfügung stehen.<br />

bleiben so durchgehend beobachtbar –<br />

Verfolger müssen nicht mehr an der<br />

Grenze umdrehen, sondern können im<br />

ausländischen Luftraum weiterfliegen,<br />

bis das Nachbarland die Verfolgung<br />

übernehmen kann.“<br />

Neben der Wahrung der Lufthoheit ist<br />

die Luftunterstützung die zweite wichtige<br />

Aufgabe der Luftstreitkräfte – das<br />

gesamte Lufttransportwesen des Heeres<br />

fällt etwa in diesen Bereich. Die Luftunterstützung<br />

ist in militärischer Hinsicht<br />

etwa auch dann gefragt, wenn es bei<br />

einem Alpinkurs des Militärs zu einem<br />

Unfall kommt und zur Bergung ein<br />

Rettungshubschrauber benötigt wird.<br />

ÖSTERREICHS<br />

FlUGstützpUnkte<br />

radar<br />

eInsatzzentrale<br />

BasIsraUM (ez/B)<br />

M I l I t ä r a k t U e l l


A D V E R T O R I A L<br />

„Es können aber auch zivile Bedarfsträger,<br />

das sind üblicherweise die neun<br />

Landeswarnzentralen der Bundesländer,<br />

Luftunterstützung anfordern“, erklärt<br />

Gruber die Grundzüge der Alarmketten.<br />

Um für Katastropheneinsätze<br />

wie nach dem Abgang von Muren oder<br />

Lawinen entsprechend schnell zur Verfügung<br />

zu stehen, befinden sich die Einheiten<br />

in ständiger Grundbereitschaft.<br />

Drohen extreme Wetterszenarien, werden<br />

Hubschrauber auch vorab verlegt,<br />

um dann im Anlassfall kurze Wege zu<br />

haben. In puncto Organisation laufen<br />

aber auch in diesem Bereich alle Fäden<br />

beim Offizier Luft in der Einsatzzentrale<br />

Luft in Salzburg zusammen.<br />

All diese Aspekte und Einsatzszenarien<br />

verlangen nach einem komplexen Zusammenspiel:<br />

Von der Führung über<br />

den Systembetrieb bis hin zum Radarbeobachtungsdienst,<br />

dem Radarleitdienst,<br />

der militärischen Flugverkehrskontrolle,<br />

aber auch der Bereitstellung<br />

der Maschinen und Technik sowie in<br />

Belangen der Feuerwehr sind rund 120<br />

Mitarbeiter im ständigen Einsatz, um<br />

die Luftraumüberwachung und die<br />

Luftunterstützung zu gewährleisten. In<br />

Summe zählen die Luftstreitkräfte inklusive<br />

Rekruten rund 4.500 Mitarbeiter<br />

in ganz Österreich. Technisches Herzstück<br />

ist das Luftraumbeobachtungsund<br />

Führungssystem Goldhaube. Das<br />

System vernetzt Radargeräte, Flugzeuge,<br />

Fliegerabwehr und Führungszentrale<br />

und ermöglicht ein Zusammenwirken<br />

von Planungsprozessen, Einsatzführungsprozessen,<br />

Alarmierungsprozessen<br />

und der Leitung der Luftfahrzeuge. Das<br />

Führungssystem zählt zum komplexesten,<br />

was das Bundesheer zu bieten hat.<br />

Und wartet mit einer Besonderheit auf:<br />

„Wir kaufen das dafür nötige System<br />

und die Software nicht ein. Es ist eine<br />

Eigenentwicklung, die seit dem Jahr<br />

1985 im Einsatz ist und laufend weiterentwickelt<br />

wird“, so Gruber. „Der große<br />

Vorteil ist, dass User und Softwareentwickler<br />

Tür an Tür sitzen. Damit sind<br />

wir europaweit führend.“<br />

LUFTSTREITKRÄFTE AUF EINEN BLICK<br />

LINZ HÖRSCHING<br />

Luftfahrttechnologisches Logistikzentrum<br />

Fliegerwerft 3<br />

3 × C-130 Hercules<br />

15 × Saab 105<br />

23 × AB 212<br />

ALLENTSTEIG<br />

(kein fix stationiertes<br />

Fluggerät)<br />

STEINMANDL<br />

KOLOMANNSBERG<br />

SALZBURG<br />

(Mobiles Radar,<br />

stationiert in der<br />

Schwarzenbergkaserne)I<br />

LANGENLEBARN<br />

Fliegerwerft 1<br />

8 × Alouette III<br />

9 × S-70 Black Hawk<br />

10 × Bell OH-52 Kiowa<br />

8 × PC-6<br />

ST. JOHANN/PONGAU<br />

AIGEN<br />

Fliegerabwehrbataillon<br />

2<br />

14 × Alouette III<br />

WR. NEUSTADT<br />

(kein fix stationiertes<br />

Fluggerät)<br />

VOMP<br />

(kein fix<br />

stationiertes<br />

Fluggerät)<br />

KLAGENFURT<br />

(kein fix stationiertes<br />

Fluggerät)<br />

SPEIKKOGEL<br />

ZELTWEG<br />

Fliegerwerft 2<br />

15 × Eurofighter<br />

12 × PC-7<br />

4 × DA40<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


0 5 0 H E E R &<br />

M<br />

E H R<br />

BAUEN &<br />

SPRENGEN<br />

Das Institut Pionier der Heerestruppenschule in Bruckneudorf vermittelt mit<br />

der Aus- und Weiterbildung der Bundesheerpioniere hochspezialisiertes Wissen<br />

vom Brückenbau bis zur Kampfmittelabwehr. Text: JOHANNES LUXNER Fotos: SEBASTIAN FREILER<br />

E<br />

s ist die sprichwörtliche<br />

Suche nach der<br />

Nadel im Heuhaufen,<br />

die am Gelände der<br />

ehemaligen Uchatius-Kaserne<br />

mit bemerkenswertem<br />

Aufwand trainiert<br />

wird – denn hier im burgenländischen<br />

Kaisersteinbruch, ein paar Kilometer<br />

vom eigentlichen Standort<br />

des Institut Pionier in Bruckneudorf<br />

entfernt, finden wesentliche Teile der<br />

Kampfmittelabwehrausbildung für<br />

die Pioniere des Bundesheeres statt.<br />

Insbesondere die Minenabwehr ist<br />

hier ein großes Thema – eine Spezialaufgabe,<br />

deren Unterricht für außergewöhnliche<br />

Szenarien sorgt: Rotweiß<br />

gestreifte Absperrbänder durchziehen<br />

einen großen Teil des zugewucherten<br />

Kasernenareals, zu dessen at-<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


T R U P P E N B E S U C H<br />

INSTITUT PIONIER DER<br />

HEERESTRUPPENSCHULE<br />

THEORIE & PRAXIS Große Teile der<br />

Tätigkeit des Institut Pionier spielen sich in<br />

den Hörsälen und am Gelände der Bruckneudorfer<br />

Benedek-Kaserne ab. Kampfmittelabwehr<br />

ist ebenso Thema wie Brückenbau.<br />

Das Institut Pionier<br />

der Heerestruppenschule<br />

ist für die Aus-,<br />

Fort- und Weiterbildung<br />

der Fachbereiche<br />

Pionierbaudienst<br />

und Kampfmittelabwehr<br />

verantwortlich.<br />

Es existiert in seiner<br />

heutigen Organisationsform seit dem<br />

Jahr 2008. Standort ist die Benedek-<br />

Kaserne in Bruckneudorf, wo auch<br />

große Teile des Unterrichts stattfinden.<br />

Zudem verfügt das Institut Pionier<br />

im benachbarten Kaisersteinbruch<br />

über Ausbildungs- und Trainingsstätten<br />

im Bereich Kampfmittelabwehr.<br />

Außerdem wird auch vor Ort<br />

bei den Bataillonen unterrichtet, wie<br />

etwa in Melk an der Donau, wo die<br />

Wassergruppenausbildung angesiedelt<br />

ist, aber etwa auch am Standort<br />

Eisenstadt. Rund 70 verschiedene<br />

Lehrgänge mit etwa 800 Teilnehmern<br />

werden vom Institut jedes Jahr<br />

organisiert und durchgeführt. Die<br />

Vielfalt ist groß: Der Bereich des Pionierbaus<br />

bedeutet eine sehr technische<br />

Ausbildung, die pionierspezifische<br />

Wissensvermittlung in Gewerken<br />

wie Maurer, Tischler, Zimmerer,<br />

Schlosser und Betonbauer bietet. Das<br />

schnelle Errichten von Brücken ist<br />

ebenso Thema wie Bunkerbau und<br />

militärische Gebäudeobjekte aller<br />

Art. Hinsichtlich der Kampfmittelabwehr<br />

bietet das Institut insbesondere<br />

Ausbildungen im Bereich der Minenabwehr<br />

und spielt damit auch ein<br />

wichtige Rolle im Zuge der Auslandseinsätze<br />

des Bundesheeres. In Summe<br />

beschäftigt das Institut Pionier<br />

rund 50 Mitarbeiter – vorwiegend<br />

Lehroffiziere und Lehrunteroffiziere.<br />

TECHNISCHE AUSBILDUNG In den Werkstätten des Instituts wird pionierspezifisches<br />

Wissen in Berufen wie Tischler, Zimmerer, Maurer, Betonbauer und Schlosser vermittelt.<br />

mosphärischen Qualitäten auch eine<br />

Vielzahl an ausrangierten Militärfahrzeugen<br />

beiträgt. Die Bänder trennen<br />

bereits geräumte Abschnitte von jenen<br />

Bereichen, in denen es noch gilt<br />

Kampfmittel zu finden. Mit Metalldetektoren<br />

ausgestattete Soldaten in<br />

Schutzausrüstung sind hier damit<br />

beschäftigt, Minenattrappen aufzu-<br />

spüren, die von den Ausbildnern des<br />

Institut Pionier entsprechend platziert<br />

worden waren.<br />

Aber auch in einer großen<br />

Halle direkt daneben haben<br />

Lehrpersonal und Ausbildungsteilnehmer<br />

lange Bahnen aus Absperrbändern<br />

gezogen, die quer über den<br />

Burgenland<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


0 5 2 H E E R & M E H R<br />

grobkörnigen Hallenboden aus Schotter<br />

laufen. Sie bilden einen Raster, der<br />

bei der Millimeterarbeit Orientierung<br />

bietet. Hier wird im Lauf der Wochen<br />

und Monate jeder einzelne Stein<br />

mehrmals umgedreht – eine Tätigkeit,<br />

die in der militärischen Praxis<br />

mit unmittelbarer Lebensgefahr verbunden<br />

ist und nach einer intensiven<br />

Ausbildung verlangt. Doch der Bereich<br />

Kampfmittel, der etwa auch<br />

wichtige militärische Themen wie<br />

den Sprengdienst umfasst, ist lediglich<br />

ein Teilbereich des Instituts. Das<br />

Institut Pionier ist auch für die Ausund<br />

Weiterbildung der Soldaten des<br />

Pionierbaus verantwortlich. Das<br />

Know-how, das etwa dann gefragt ist,<br />

wenn die Pionierbataillone des Bundesheeres<br />

nach Hochwässern Brücken<br />

errichten, wird in der Bruckneudorfer<br />

Benedek-Kaserne vermittelt.<br />

„Im Grunde sind wir eine technische<br />

Ausbildungsstätte“, erklärt Vizeleutnant<br />

Johannes Mutschlechner vom<br />

MINENABWEHR Am Gelände der<br />

ehemaligen Uchatius Kaserne in<br />

Kaisersteinbruch erfolgt die praktische<br />

Ausbildung in Sachen Kampfmittelabwehr.<br />

Institut Pionier das Grundwesen der<br />

heeresinternen Ausbildungsinstitution.<br />

„Doch wir unterrichten hier keine<br />

Grundwehrdiener, sondern wir bilden<br />

ausschließlich den Kadernachwuchs<br />

der Pioniere im Unteroffiziers-<br />

und Offiziersbereich aus.“<br />

Dementsprechend groß ist die Bandbreite<br />

der angebotenen Inhalte. In<br />

Summe hält das Institut Pionier Jahr<br />

für Jahr rund 70 Lehrgänge ab. Klassische<br />

Gewerke und deren spezifische<br />

Anwendung für die Bedürfnisse<br />

des Pionierbaus wie Maurer, Schlosser,<br />

Tischler, Zimmerer und Betonbauer<br />

werden hier in entsprechenden<br />

Werkstätten ebenso unterrichtet wie<br />

Wissen in relevanten Bereichen wie<br />

etwa Mechanik und Statik vermittelt<br />

wird.<br />

„Bei mir hat der Zufall Regie geführt!“<br />

OFFIZIERSSTELLVERTRETER<br />

MARKUS SEEWALD ist in Bruckneudorf<br />

für ein außerordentlich<br />

explosives Thema zuständig.<br />

Herr Seewald, um welches Spezialgebiet<br />

dreht sich ihr militärischer Alltag?<br />

Ich bin als Lehrunteroffizier in der Lehrgruppe<br />

Sperr-/Sprengdienst tätig. Wie<br />

die Bezeichnung bereits signalisiert,<br />

ist mein Aufgabengebiet die Aus- und<br />

Weiterbildung des Kadernachwuchses<br />

im Bereich des Sprengdienstes. Wir<br />

beschäftigen uns mit allem, was mit<br />

militärischen Sperren, aber auch deren<br />

Beseitigung zu tun hat. In der militärischen<br />

Praxis dienen Sperren dazu, den<br />

Gegner in bestimmte Richtungen zu<br />

lenken und haben eine kanalisierende<br />

Wirkung, aus der sich ein strategischer<br />

Vorteil ergeben kann, etwa weil der<br />

Gegner die Sperre umfahren muss.<br />

In welchen Zusammenhängen sind gezielte<br />

Explosionen in der Praxis gefragt?<br />

Wenn es im Rahmen von Hochwasserkatastrophen<br />

zu Verklausungen kommt und<br />

es zu gefährlich ist, die Stelle mit schwerem<br />

Gerät zu erreichen, kann eine gezielte<br />

Sprengung durch die Pioniere das<br />

Problem lösen. Wir vermitteln das entsprechende<br />

Wissen für solche Spezialaufgaben.<br />

In seltenen Fällen wie etwa im Fall<br />

des Zementwerks in Kaltenleutgeben ist<br />

das Institut Pionier auch aktiv an Sprengungen<br />

beteiligt. Die Sprengung vor fünf<br />

Jahren wurde komplett durch das Institut<br />

geplant und durchgeführt.<br />

Welchen Zugang haben Sie zur Thematik?<br />

Wie kam das Interesse fürs<br />

Sprengen?<br />

In erster Linie hat der Zufall eine Rolle gespielt,<br />

denn eigentlich habe ich eine<br />

Privatschule mit EDV-Schwerpunkt absolviert.<br />

Ich habe nach meinem Abschluss<br />

allerdings nicht gleich einen Job gefunden<br />

und mich daher freiwillig zum<br />

Bundesheer gemeldet. Ich bin in Bruckneudorf<br />

bei den Pionieren eingerückt,<br />

wo damals auch die Spezialisten für Lastenseilbahnen,<br />

der Seilbahnzug, beheimatet<br />

waren. So kam ich mit der Thematik<br />

in Berührung und die Sache wurde für<br />

mich interessant. Ich habe mich daher ein<br />

Jahr lang freiwillig verpflichtet und bin<br />

letztlich beim Heer geblieben.<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


T R U P P E N B E S U C H<br />

Imposantes Zeugnis der unzähligen<br />

Ausbildungen im Bereich des Pionierbaudiensts<br />

ist das Ausbildungsgelände<br />

in Bruckneudorf. Insbesondere der<br />

sogenannte Brückengarten mit seinen<br />

massiven Brückenelementen, die von<br />

den Pionieren mitunter spektakulär<br />

in die Landschaft gestellt wurden,<br />

verdeutlicht, dass hier Außergewöhnliches<br />

geleistet wird. Um das schnelle<br />

Errichten von Stegen und Brücken<br />

aller Formen und Größen gezielt zu<br />

trainieren, wurde eine eigene Brückengrube<br />

errichtet, die entsprechende<br />

Möglichkeiten bietet. In unmittelbarer<br />

Nähe zum Brückenbauplatz zeugen<br />

Objekte wie Wachtürme, Bunker<br />

und Flugdächer von der technischen<br />

Versiertheit im Pionierbau. Genauso<br />

ist in der Ausbildung der Pioniere<br />

der Straßenbau ein Thema, aber auch<br />

die schnelle Sicherung von Hängen.<br />

Während der praktischen Ausbildung,<br />

die in der ersten Jahreshälfte<br />

stattfindet, kommt es in diesem<br />

Bereich des Ausbildungsgeländes<br />

zu massiven Erdbewegungen durch<br />

die Teilnehmer der Lehrgänge.<br />

Trotz der vielen Outdoor-Aufgaben<br />

spielt sich ein Großteil der Tätigkeit<br />

der Mitarbeiter in den Hörsälen des<br />

Institutsgebäudes ab – aber auch in<br />

den Büros, wo sich das Institut hochtechnisiert<br />

zeigt und wo mitunter<br />

Bemerkenswertes zu Unterrichtszwecken<br />

entsteht. „Die Minenattrappen,<br />

die für die Minensucherausbildung<br />

nötig sind, kosten pro Stück bis zu<br />

mehrere Hundert Euro“, erklärt Vizeleutnant<br />

Mutschlechner. Genau aus<br />

diesem Grund befindet sich in sei-<br />

VOLLPROFIS Im sogenannte Brückengarten in Bruckneudorf werden die technischen Fähigkeiten<br />

der Pioniere sichtbar. Viele der Objekte sind im Rahmen von Ausbildungen entstanden.<br />

nem Büro ein 3D-Drucker: „Sich<br />

die Pläne dieser Sprengmittel zu<br />

besorgen, digital nachzubauen und<br />

dann mit dem 3D-Drucker selbst anzufertigen,<br />

kostet nur einen Bruchteil<br />

davon.“


0 5 4 H E E R &<br />

M<br />

E H R<br />

5<br />

1<br />

3<br />

2<br />

4 6<br />

RICHTIG<br />

ANFEUERN<br />

Leben im Felde: Militär Aktuell hat sich in der Heerestruppenschule Bruckneudorf zeigen<br />

lassen, wie Soldaten in neun Schritten eine perfekte Feuerstelle bauen.<br />

Text: JOHANNES LUXNER<br />

Fotos: SEBASTIAN FREILER<br />

Wer im Wald eine Feuerstelle anlegen<br />

möchte, sollte zwei wichtige Grundsätze<br />

beachten: Halte genügend<br />

Abstand zu umstehenden Bäumen<br />

und entferne umherliegendes, leicht<br />

brennbares Material wie Äste oder<br />

Laub aus der unmittelbaren Nähe.<br />

Eine sichere Feuerstelle verlangt in jedem<br />

Fall nach einem sicheren Standort!<br />

(1). Um auf Nummer sicher zu<br />

gehen – und auch, um das Feuer<br />

leichter entfachen und die Feuerstelle<br />

außerdem als Kochgelegenheit nutzen<br />

zu können – gräbt man mit dem Spaten<br />

eine kreisrunde Vertiefung (rund<br />

20 Zentimeter Tiefe sind völlig ausreichend)<br />

in den Boden (2).<br />

Ohne Holz bekanntlich kein Feuer:<br />

Im nächsten Schritt machen wir uns<br />

daher auf die Suche nach trockenem<br />

Material wie Ästen in unterschiedlichen<br />

Längen und Stärken (3). Anschließend<br />

schichten wir in der Feuerstelle<br />

das Holz pyramidenförmig<br />

auf. Besonders gut brennbares Material<br />

wie Reisig kommt nach innen,<br />

nach außen hin können die Äste zunehmend<br />

länger und dicker werden<br />

(4). Mit einer Anzündhilfe wie zusammengerolltem<br />

Papier entfachen<br />

wir anschließend das Feuer – unter<br />

Heeresangehörigen wird der Anzünd-<br />

Behelf „Fidibus“ genannt (5).<br />

Nun ist mitunter etwas Geduld und<br />

Fingerspitzengefühl gefragt, damit<br />

das Feuer nicht ausgeht. Stetes Nachlegen<br />

von Holz nährt das Feuer<br />

(6) –ist es groß genug, werden größere<br />

Äste quer über die Vertiefung<br />

gelegt (7). Bereits nach kurzer Zeit<br />

entsteht auf diese Art eine gute Wärmequelle,<br />

die während eines längeren<br />

Aufenthalts im Gelände bei den Soldaten<br />

zumindest für ein wenig Behaglichkeit<br />

sorgt (8) – und in weiterer<br />

Folge auch Möglichkeiten zum Stillen<br />

des Hungers bietet.<br />

Hat das Feuer ausreichend viel Glut<br />

erzeugt, kann mithilfe eines dicken<br />

Astes eine Kochgelegenheit geschaffen<br />

werden, um wie hier Essen zu<br />

wärmen oder Wasser zu erhitzen<br />

(9). Als Grundsatz gilt: Je mehr<br />

hungrige Soldaten, umso breiter<br />

sollte die Vertiefung im Boden sein<br />

(siehe Schritt 2). Zum Kochen muss<br />

übrigens nicht zwingend das Koch<br />

geschirr der Soldatenausrüstung<br />

verwendet werden: Auch mit<br />

Alufolie umwickeltes und direkt<br />

in die Glut gelegtes Fleisch oder<br />

Erdäpfel werden zu einer schnellen<br />

warmen Mahlzeit.<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


S E R V I C E<br />

7<br />

8<br />

9


0 5 6<br />

S I C H E R H E I T & W I R T S C H A F T<br />

Sollte Indien nicht doch noch vor dem Jahr 2020 die Typenentscheidung für seine seit Langem geplanten 110 neuen<br />

Kampfflugzeuge fällen, dann wurde am 27. September in den USA der letzte Militärjet-Großauftrag dieser Dekade vergeben.<br />

Boeing und Partner Saab erhielten an diesem Tag den Zuschlag für den neuen Trainingsjet der USAF – der US-Ableger<br />

T-100 der italienischen Leonardo M346 und Lockheeds T-50A gingen leer aus. Beim Sieger T-X handelt es sich um das einzige<br />

gänzlich neu entworfene Design im Bieterverfahren, das aber mit überraschend „schlanken“ Kosten punkten konnte.<br />

USAF-Staatssekretärin H. A. Wilson gab das Volumen für den Sieger des T-X-Wettbewerbs mit 7,9 Milliarden Euro an und<br />

ergänzte, dass man anfangs mit einem Aufwand von bis zu 17 Milliarden Euro für die geplanten 351 Stück und 46 Simulatoren<br />

gerechnet habe. Die ersten sieben T-X sollen 2023 an die Randolph-AFB (Texas) geliefert und Erst-Einsatzbereitschaft<br />

2024 erreicht werden. Gute Absatzchancen sehen Boeing und Saab auch im Export, etwa als Ersatz für weltweit noch immer<br />

rund 200 im Einsatz befindliche Alpha Jets, 400 ältere BAE Hawk oder auch für die österreichischen Saab-105.<br />

IM FOKUS<br />

DER KONZERN<br />

IM ÜBERBLICK<br />

16.200<br />

Mitarbeiter<br />

rund 3 Mrd. Euro<br />

Umsatz (2017)<br />

Top-Produkte<br />

Iron Dome und<br />

David Sling Raketenabwehr,<br />

Drohnen<br />

Harop & Harpy<br />

ISRAEL AIRCRAFT INDUSTRIES (IAI)<br />

Israels größtes Rüstungsunternehmen IAI hat im Oktober für seine bodengestützen Firmenzweig den mit<br />

rund 700 Millionen Euro größten Einzel-Exportauftrag seiner Geschichte an Land gezogen. Auf Basis der<br />

seit 2014 laufenden gemeinsamen Entwicklungsarbeit mit der staatlichen indischen Rüstungsforschung<br />

(DRDO) beschafft die indische Marine nun<br />

via IAI-Kunde Bharat Electronics Ltd. das<br />

jüngste Derivat des Boden-Luftverteidigungssystems<br />

Barak-8, um es auf den drei<br />

Stealth-Schiffen der seit 2016 eingeführten<br />

Kolkata-Zerstörerklasse einzurüsten. Das<br />

System ist für eine Bekämpfung von Überschall-Antischiffsraketen,<br />

Flugzeuge und<br />

ballistische Raketen ausgelegt, hat einen<br />

23-kg Gefechts- sowie einen Aktivradarsuchkopf,<br />

welcher fünf bis sieben Kilometer<br />

vor dem Ziel aktiviert wird.<br />

FOTO S : H E R ST E L L E R , G E O R G M A D E R<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


„QUALITÄT WIRD AN LETALITÄT GEMESSEN“<br />

MICHAEL<br />

BARTH<br />

ist Vizepräsident<br />

von Hirtenberger<br />

Defense Systems<br />

(HDS).<br />

Auf der Eurosatory in Paris hat die<br />

österreichische Hirtenberger Defense<br />

Systems (HDS) über ihre britische Niederlassung<br />

eine Zusammenarbeit mit<br />

ST-Engineering aus Singapur verkündet.<br />

Gemeinsam soll in Europa das Absatzpotenzial<br />

für die mobilen und semiautomatischen<br />

120-mm-Granatwerfer<br />

(SRAMS) von ST-Engineering mit in<br />

NATO und EU eingeführter HDS-Munition<br />

optimiert werden – ein Gespräch mit<br />

HDS-Vizepräsident Carsten Barth.<br />

Herr Barth, was ist die Grundidee hinter<br />

der Zusammenarbeit mit ST-Engineering?<br />

Damit haben wir eine Kapazitätslücke<br />

geschlossen. Wir haben qualifizierte<br />

und in Europa beziehungsweise der<br />

NATO verwendete Munition, die ebenso<br />

bekannt ist wie unsere konventionellen<br />

60-, 81- und 120-mm-Mörser.<br />

Aber heute braucht es in der Feuerunterstützung<br />

echte mobile Fähigkeiten,<br />

nicht mehr ein gezogenes System mit<br />

zwei Rädern – der Unterschied kann<br />

über Leben und Tod entscheiden.<br />

Inwiefern?<br />

Die europäischen NATO- und EU-Staaten<br />

bekamen 2014 in der Ostukraine<br />

sehr anschaulich demonstriert, wie<br />

sehr präzises – in dem Fall russisches –<br />

radargelenktes Gegenfeuer ganze Einheiten<br />

binnen Minuten vernichten<br />

kann. Im Konflikt mit einem modern<br />

gerüsteten Gegner bleiben heute nach<br />

dem Feuern nur mehr wenige Minuten,<br />

um die Stellung zu wechseln – bestenfalls.<br />

Abgeprotzte Werfer mit 80-kg-<br />

Platte sind dafür viel zu unbeweglich.<br />

Das heißt, Sie und Ihr asiatischer Partner<br />

peilen den europäischen Markt an?<br />

Ja, weil wir hier im Gegensatz zu unserem<br />

Partner am Markt eingeführt sind,<br />

aber auch weil wir bei den bis vor Kurzem<br />

jahrelang geschrumpften Armeen<br />

gute Absatzmöglichkeiten sehen. Wir<br />

verfolgen den Ansatz der Einrüstung<br />

von SRAMS samt HDS-Munition und<br />

Feuerleitsystem in vorhandene Fahrzeuge<br />

– der Ankauf neuer Fahrzeuge ist<br />

nicht notwendig. Dank der innovativen<br />

Rückstoß-Dämpfung auf nur 26 Tonnen<br />

ist das System eine gute Alternative zu<br />

selbstfahrender Artillerie, deren Neubeschaffung<br />

Jahre dauert und mindestens<br />

das Zehnfache kostet.<br />

An welche Fahrzeuge denken Sie dabei?<br />

66, 88 oder Kettenfahrzeuge?<br />

Die Einrüstung ist in praktisch allen<br />

Typen möglich, bis hin zu 44 und<br />

sogar Hägglunds-artigen Fahrzeugen.<br />

Und was trägt die HDS-Munition bei?<br />

Durch die Präzision und die um 60 Prozent<br />

gesteigerte Qualität beispielsweise<br />

unserer neuen ConFrag-Munition, kann<br />

mit weniger Granaten mehr und viel<br />

raschere Wirkung erzielt werden, wodurch<br />

weniger Gewicht mitgeführt<br />

werden muss. Qualität wird in unserem<br />

Geschäft immer noch an Letalität<br />

gemessen.<br />

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0 5 8 S I C H E R H E I T & W I R T S C H A F T<br />

IRAN, JEMEN & RUSSLAND<br />

IM FOKUS<br />

So wie fast alles in der Golfregion an Steigerungsstufen gemessen wird, war auch<br />

die fünfte Auflage der Bahrain Airshow die bislang größte. Gegenüber 2016 stieg<br />

die Zahl der Aussteller um 70 Prozent, beim Manama Airpower Symposium<br />

wurden Kooperationen gegen regionale und überregionale Gegner beschworen.<br />

Text & Fotos: GEORG MADER<br />

D<br />

ie Bahrain Airshow<br />

auf der Sakhir Airbase<br />

scheint sich<br />

zwischen der Dubai-<br />

Airshow und der<br />

IDEX-Messe in Abu<br />

Dhabi erfolgreich als Luftfahrt- und<br />

Rüstungsmesse mit globalem Anspruch<br />

zu etablieren. Gegenüber der<br />

letzten Auflage im Jahr 2016 nahmen<br />

heuer Mitte November um 70 Prozent<br />

mehr Aussteller teil, unter den insgesamt<br />

187 Firmen vor Ort waren elf der<br />

15 Branchengrößen. Sie präsentierten<br />

110 militärische und zivile Flugzeuge<br />

teils im Flug und mit Schiebel (deren<br />

Camcopter werden von ADASI in den<br />

Emiraten betrieben) und Frequentis<br />

gab es sogar Österreich-Bezug. Besonders<br />

Frequentis scheint in der Region<br />

gut etabliert. Die Wiener Firma hat in<br />

den vergangenen Jahren das Netzwerk<br />

der militärischen Flugsicherung in<br />

Bahrain aufgebaut und betreibt dieses<br />

nun über ihren lokalen Partner<br />

MENA, ein Update beziehungsweise<br />

Ausbau steht unmittelbar bevor.<br />

Wie schon bei der vergangenen Auflage<br />

der Veranstaltung war Militär Aktuell<br />

auch heuer in Bahrain wieder gern<br />

gesehener Medienpartner, auch beim<br />

mit gut 20 teilnehmenden „Airchiefs“<br />

hochkarätig besetzten Manama Airpower<br />

Symposium. Es waren dabei mit<br />

Generalmajor Hamad bin Abdullah Al<br />

Khalifah und Generalleutnant Joseph<br />

Guastella besonders der „Airchief“ der<br />

Luftwaffe Bahrains sowie der für den<br />

mittleren Osten zuständige US-Luftwaffenkommandant<br />

(AFCENT), die<br />

im Rahmen des Symposiums daran erinnerten,<br />

dass mehrere Golfstaaten im<br />

Stellvertreterkrieg gegen den Iran im<br />

Jemen kriegführende Länder sind.<br />

Während Ersterer enthüllte, dass seine<br />

20 älteren F-16 – Bahrain ist ab 2022<br />

Erstkunde des Block-70 – seit 2015<br />

IM SCHEINWERFERLICHT<br />

Diese F-15E Strike Eagle mit der Nose Art „Papi’s kleines Monster“<br />

flog natürlich nicht von ihrem Heimatstützpunkt Mountain<br />

Home/Idaho nach Bahrain. Laut Kennung am Leitwerk stammt<br />

die Maschine aus den frühen 1990er-Jahren und ist damit ein Indikator<br />

für das fortgeschrittene Alter des Gros der heutigen USAF-Staffeln.<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


Erste Republik<br />

im HGM<br />

www.hgm.at


0 6 0 S I C H E R H E I T & W I R T S C H A F T<br />

VIELE EINDRÜCKE Der Typhoon der 41. RAF-Staffel<br />

kam aus Akrotiri/Zypern, die vier Su-30SM der „Russian<br />

Knights“ hatten in Bahrain erst ihren zweiten Auslandsaufenthalt<br />

seit Malaysia 2017. Analog zur Weltlage müssen<br />

Europäer heute weit fahren, um sie zu sehen. Im Bild darunter<br />

moderiert Lockheed-Vizepräsident Gary North gerade<br />

ein Panel mit den Airchiefs von Pakistan und Bahrain<br />

sowie der US AFCENTCOM General Guastella zu sie alle<br />

bedrohenden Entwicklungen und verstärkter internationaler<br />

Vernetzung und Zusammenarbeit.<br />

von saudischen Basen 3.500 Einsätze<br />

mit 10.000 Flugstunden geflogen haben,<br />

bestätigte Letzterer gegenüber<br />

Militär Aktuell die jüngst erfolgte Einstellung<br />

der US-Tankerunterstützung<br />

für die saudisch-geführte Koalition.<br />

Beide betonten außerdem – wie mehrere<br />

weitere „Airchiefs“ – die als sehr<br />

real empfundene Bedrohung durch<br />

maritime und asymmetrische Mittel<br />

des Iran und diskutierten dessen Unterstützung<br />

für irreguläre Kräfte sowie<br />

die Drohungen Teherans, die für die<br />

Weltwirtschaft essenzielle Straße von<br />

Hormuz zu sperren. Auch die hochwertige<br />

elektronische Kriegsführung<br />

Russlands in Syrien und die Tatsache,<br />

dass Algerien, Ägypten, Syrien, die<br />

Türkei und der Iran bald ein – wie<br />

man am Golf einhellig der Ansicht ist –<br />

Moskau zuarbeitendes Luftkontrollnetzwerk<br />

auf Basis von Radars diverser<br />

S-300- und S-400 Luftabwehrsysteme<br />

bilden würden, rufen Besorgnis hervor.<br />

Und lassen auch den Ruf nach<br />

elektronischer Gegentechnologie sowie<br />

noch mehr regionaler Vernetzung<br />

und den weiteren Abbau nationaler<br />

Sensitivitäts-Schranken lauter werden.<br />

Davon unbeeindruckt war Russland<br />

tags darauf auf der Airshow präsent.<br />

Die vier Su-30SM der „Russian<br />

Knights“ hatten ihren ersten – dank<br />

Schubvektorsteuerung spektakulären<br />

– internationalen Auftritt in diesem<br />

Jahr, die Rüstungsexportagentur Rosoborneksport<br />

einen ganzen Pavillion.<br />

Neben der Luftwaffe Bahrains – am<br />

zweiten Tag der Show wurde der Ankauf<br />

von zwölf Kampfhubschrauber<br />

Bell AH-1Z um rund 850 Millionen<br />

Euro fixiert – flogen Mirage-2000<br />

und F-16/60 der Emirate sowie in der<br />

Region stationierte F-35B und B-1B<br />

ihr Programm am jahreszeitbedingt<br />

diffus-fahlen Himmel.<br />

Die heimische Eurofighter-Tranche-1-<br />

Zwickmühle aus 2007 ist den Befehlshabern<br />

am Golf übrigens durchaus<br />

bekannt. Oman hat heuer zwölf Stück<br />

Tranche-3 in Dienst gestellt, Katar erhält<br />

24 Stück ab 2022 und Kuwait die<br />

ersten von 28 schon Ende 2019. Deren<br />

stellvertretender Luftwaffenkommandant<br />

Brigadegeneral D. B. Almutairi<br />

merkte – als seine Privatmeinung – an,<br />

dass ein so reiches Land wie Österreich<br />

die Erstserie „weggeben“ und<br />

neue Tranche-3 kaufen soll. Demgegenüber<br />

würde der Chef der Luftwaffe<br />

des unter westlichem Waffenambargo<br />

stehenden und sich daher auf Su-30<br />

und Su-35 vorbereitenden Sudan, Generalleutnant<br />

Salah A. Abdelkhalig<br />

„diese 15 sofort, wie sie sind, anstatt<br />

allem russischen und chinesischen<br />

Gerät nehmen, das ist doch das Beste,<br />

was es gibt!“ Verbunden mit einer Einladung<br />

nach Khartoum bestätigte er<br />

Militär Aktuell abschließend, dass seit<br />

Staatschef Bashirs Abwendung vom<br />

Iran im Jahr 2015 die Luftwaffe mit<br />

westlichen Transpondern/IFF ausgestattet<br />

wurde und bis heute Su-24MR<br />

den Saudis für die Jemen-Aufklärung<br />

unterstellt sind.<br />

SELTENER ANBLICK Bereits um 18.00 Uhr<br />

lädt die menschenleere Ramp in Bahrain zu<br />

Nachtstudien ein. Wie hier von einer MV-22B<br />

Osprey der 166. Kipprotorstaffel des<br />

US-Marinekorps, eingeflogen vom<br />

amphibischem Landungsschiff<br />

„USS Essex“.<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


Ball<br />

der<br />

Offiziere<br />

18. Jänner 2019<br />

in der Wiener Hofburg<br />

mit feierlicher Eröffnung um 21:30 Uhr<br />

Kartenpreise: Eintritt: € 75 / Studenten: € 30<br />

ABSOLVENTENVEREINIGUNG ALT-NEUSTADT<br />

1010 Wien, Schwarzenbergplatz 1<br />

Telefon: +43 1 715 05 70, Fax: +43 1 712 19 64<br />

E-Mail: info@ballderoffiziere.at<br />

Online Ticketverkauf<br />

www.ballderoffiziere.at


0 6 2 S I C H E R H E I T & W I R T S C H A F T<br />

Als Nachfolger für die fast 50 Jahre alten Saab-105Ö hat AERO Vodochody dem<br />

Bundesheer die neueste Version seines L-39 Albatros angeboten – der Roll-out<br />

des Next-Generation-Modells erfolgte Mitte Oktober in der Nähe von Prag.<br />

Text & Fotos: GEORG MADER<br />

TSCHECHISCHE<br />

ALTERNATIVE<br />

ie geht es mit<br />

W<br />

dem Eurofighter<br />

weiter?<br />

Wird der Jet<br />

beim Bundesheer<br />

nach notwendigen<br />

Updates weiterbetrieben?<br />

Und falls nein, auf welches Modell<br />

gedenkt Österreich umzusteigen und<br />

wie wird vor diesem Hintergrund die<br />

Nachfolgefrage für die fast 50 Jahre<br />

alten Saab-105Ö gelöst? Definitive<br />

Antworten auf diese Fragen wird es<br />

wohl erst in den kommenden Monaten<br />

und Jahren geben, trotzdem bringen<br />

sich schon jetzt potenzielle Kandidaten<br />

für die Saab-Nachfolge in<br />

Stellung. Dazu zählt auch der tsche-<br />

chische Hersteller Aero Vodochody,<br />

der für seinen L-39NG (das NG steht<br />

für Next Generation) Chancen in<br />

Österreich sieht und Militär Aktuell<br />

kürzlich zum Roll-out des Albatros-<br />

Nachfolgers nach Prag lud.<br />

Von Tschechiens Ministerpräsident<br />

Andrej Babiš über den Vorsitzenden<br />

des AERO-Eigners Penta-Group bis<br />

hin zur 2015 von Leonardo abgewanderten<br />

Firmenspitze wurde beim Rollout<br />

im 100. Jahr seines Bestehens auch<br />

das „Wiederaufleben“ des traditionsreichen<br />

Jet-Herstellers gefeiert. Von<br />

1953 an waren in den Hallen bei Odolena<br />

Voda – wo der Roll-out stattfand<br />

– insgesamt 3.405 MiG-15bis/UTI<br />

gefertigt worden, ab 1963 dann auch<br />

3.665 L-29 Delfin und ab 1968 insgesamt<br />

2.957 L-39/59 Albatros. Bis auf<br />

Polen haben alle Luftwaffen der Warschauer-Pakt-Länder<br />

jahrzehntelang<br />

auf L-39 ausgebildet, allein die UdSSR<br />

betrieb 2.000 Maschinen. Mit dem<br />

Ende des Ostblocks brachen all diese<br />

Abnehmer dann allerdings weg und<br />

unter dem neuen Mehrheitseigner<br />

Boeing verschätzte sich das Unternehmen<br />

in den 1990er-Jahren außerdem<br />

mit 72 Stück des aus dem L-39 abgeleiteten<br />

leichten Kampfflugzeugs L-159<br />

ALCA schwer. Die tschechische Luftwaffe<br />

(Vzdušné síly AČR) stellte nur 24<br />

Maschinen in Dienst, der Rest wurde<br />

jahrelang eingelagert, ehe sie letztlich<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


A E R O V O D O C H O D Y<br />

TAKE-OFF Bei Redaktionsschluss fliegt nur der Testträger<br />

L-39CW 2626, eine ältere Zelle mit US-Triebwerk und Avionik<br />

des NG (großes Bild). Der Nachfolger wurde beim Rollout<br />

mit Muskelkraft der Belegschaft ins Freie gerollt (Bild<br />

oben) und soll noch <strong>2018</strong> fliegen. AERO-Firmenchef<br />

Giuseppe Giordo (Bild unten links, gemeinsam mit Militär<br />

Aktuell-Autor Georg Mader und AERO-Eigner und Penta-<br />

Präsident Marek Dospiva) sehen für ihr Modell jedenfalls<br />

gute Absatzchancen – auch in Österreich.<br />

sen – das erste neu gebaute Flugzeug<br />

von AERO in 19 Jahren. In weiterer<br />

Folge wurden fünf L-159-Einsitzer für<br />

die tschechische Luftwaffe zu L-159T1-<br />

Zweisitzern umgebaut, drei neue<br />

L-159T2 mit italienischem Grifo-<br />

Bord radar sollen folgen.<br />

Seit AERO im Juli 2014 auf der Farnborough-Messe<br />

(UK) die NG-Version<br />

des L-39 angekündigt hatte, arbeiteten<br />

Techniker und Ingenieure – finanziert<br />

mit einem Darlehen<br />

der Czech Export<br />

Bank in Höhe<br />

von rund zwölf Millionen Euro – an<br />

der grundlegenden Überarbeitung des<br />

früher so erfolgreichen Basismodells.<br />

Im Juli 2017 startete dann die Fertigung<br />

des am 12. Oktober als Nummer<br />

7001 vorgestellten NG, noch heuer soll<br />

der Erstflug erfolgen. Laut Vizepräsident<br />

und NG-Programmdirektor Marco<br />

Venanzetti handelt es sich dabei um<br />

eine beinahe 100-prozentige Neuentwicklung,<br />

die nur optisch dem Vorgänger<br />

ähnle. Kernstück ist das amerikanische<br />

Williams FJ44-4M-Triebwerk,<br />

das gleich stark wie das alte Iwtschenko-Progress<br />

AI-25-TL ist, aber wesentlich<br />

sparsamer. Zudem verfügt der NG<br />

jetzt über einen sogenannten „nassen<br />

Flügel“ mit Treibstofftanks sowie eine<br />

neue einteilige Cockpithaube. Darunter<br />

ist ein reines Bildschirmcockpit<br />

von Genesys-Aerosystems verbaut,<br />

welches die Anzeigen moderner<br />

Kampfflugzeuge ab- und nachbilden<br />

kann. An drei Punkten können außerdem<br />

Kanonenbehälter sowie ungelenkte<br />

Luft-Bodenmittel mitgeführt und<br />

optional je nach Wunsch Stör- oder<br />

Zielmarkierungsbehälter sowie ein<br />

elektro-optischer oder Infrarot-Sensor<br />

integriert werden.<br />

Marco Venanzettis Botschaft an die<br />

geladenen österreichischen Medienvertreter<br />

– und zwei angereiste BMLV-<br />

Beamte in Zivil: Natürlich sei das hier<br />

ein Unterschall-Jet, aber auch solche<br />

Flugzeuge könnten durchaus eine<br />

Funktion in der Luftraumüberwachung<br />

wahrnehmen. Die Schul- und<br />

Waffentrainingsflugzeuge könnten –<br />

ähnlich wie derzeit die Saab-105Ö in<br />

Österreich – das Air Policing in all jenen<br />

Höhen- und Geschwindigkeitsan<br />

die US-amerikanische Feinddarsteller-Firma<br />

Draken-International (21<br />

Stück um je rund 700.000 Euro) sowie<br />

an die Luftwaffe des neuen Irak (15<br />

Stück) doch noch verkauft wurden.<br />

Für die Iraker wurde außerdem ein<br />

L-159T1 Zweisitzer vom Band gelasbändern<br />

übernehmen und unterstützen,<br />

für die nicht unbedingt überschallschnelles<br />

Fluggerät notwendig ist. Das<br />

übrigens auch mit Infrarot-Luft-Luft-<br />

Lenkwaffen an den Flügelspitzen anstelle<br />

der Außentanks beim alten Modell.<br />

Geschäftsführer und Marketingchef<br />

Massimo Ghione – wie Direktor<br />

Guiseppe Giordo und NG-Programmleiter<br />

Venanzetti bis 2015 bei Konkurrent<br />

Alenia-Aermacchi (jetzt Leonardo)<br />

– bestätigte ganz offen das Österreich<br />

übergebene Anbot für zwölf Maschinen<br />

(sechs davon als Waffentrainer)<br />

um zehn bis zwölf Millionen Euro pro<br />

Stück und rund 1.900 Euro pro reiner<br />

Flugstunde (ohne Systemkostenanteil).<br />

Obwohl das an die Staatsfirma LOM-<br />

Praha ausgelagerte Centrum leteckého<br />

výcviku (Trainings- beziehungsweise<br />

Simulationszentrum) in Pardubice<br />

wohl auch vier bis sechs Maschinen<br />

erhalten wird, war an den präsenten<br />

Uniformen der gleichzeitig mit dem<br />

Roll-out abgehaltenen L-39 User<br />

Group mit gut zwei Dutzend L-39-<br />

Nutzerländern in Europa, Afrika<br />

und Asien gut erkennbar, an wen der<br />

Nachfolger in erster Linie gerichtet<br />

ist. Und das mit Unterstützung von<br />

höchster Stelle: Premier Babiš: „Ich<br />

und meine Minister werden die Verkaufsbemühungen<br />

persönlich überall<br />

unterstützen, um sicherzustellen, dass<br />

es ein Markterfolg wird.“<br />

Bereits für den NG entschieden hat<br />

sich der Senegal. Das westafrikanische<br />

Land hat vier L-39NG-Jets bestellt,<br />

zwei davon werden 2020 und zwei<br />

weitere 2021 ausgeliefert – samt volldigitalisiertem<br />

Helmvisier Targo II von<br />

ELBIT. Darüber hinaus wurden auch<br />

bereits Absichtserklärungen mit Skytech<br />

aus Portugal über zehn (plus<br />

sechs Optionen) sowie mit RSW-Aviation<br />

aus Phoenix/Arizona über zwölf<br />

plus Umrüstung von sechs L-39 auf<br />

L-39CW (alte Zelle, neues Triebwerk<br />

und Avionik) bestätigt. Beide Anbieter<br />

von Feinddarsteller- und Trainingslösungen<br />

an NATO und USAF sollen bis<br />

Jahresende Verträge zeichnen. AERO-<br />

Direktor Giordo abschließend: „Wer<br />

jetzt neue Jets will, sollte rasch handeln<br />

– oder sich auf einen frühesten<br />

Liefertermin 2022/23 einstellen.“<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


0 6 4 S I C H E R H E I T & W I R T S C H A F T<br />

EXOTISCHE<br />

Auf der blau-grünen Maskareneninsel Mauritius stieß Militär Aktuell jüngst auf<br />

eine fliegende Überraschung: Der Inselstaat verfügt zwar über keine Armee,<br />

unterhält aber fünf Alouette III aus indischer Produktion. Text & Fotos: GEORG MADER<br />

eologisch waren die<br />

GVulkaninseln der Maskarenen<br />

nie mit Festland<br />

verbunden, weshalb<br />

sich dort – knapp<br />

900 Kilometer östlich<br />

von Madagaskar und inmitten des Indischen<br />

Ozeans – eine exotische Tierwelt<br />

entwickelt hat. Viele der vor allem<br />

von portugiesischen und holländischen<br />

Seefahrern als willkommenes Frischfleisch<br />

und Proviant gejagten Tiere (die<br />

bekannteste Art ist wohl der Dodo)<br />

wurden innerhalb kürzester Zeit ausgerottet,<br />

trotzdem gibt es auf Mauritius<br />

(und dem nebenan gelegenen französischen<br />

Überseedépartement La Réunion)<br />

auch heute noch viele Arten, die<br />

so anderswo nicht heimisch sind. Diese<br />

Tatsache dürften sich wohl auch die<br />

offiziellen Organe des Landes zum Vorbild<br />

genommen haben, unterhalten sie<br />

mit einigen Polizeihubschraubern und<br />

Küstenwachefliegern doch ebenfalls<br />

exotisches Gerät – allerdings mit stark<br />

indischem Einfluss.<br />

Die seit 1968 von England unabhängige<br />

Inselnation verfügt zwar über kein<br />

Militär, allerdings je eine dem Polizeihochkommissar<br />

unterstellte Polizeihubschrauber-<br />

und Küstenwachefliegereinheit.<br />

Deren gemeinsames „Nest“<br />

am Flughafen Plaisance zu besuchen<br />

bedingte eine fast zweimonatige „inner -<br />

insulare“ Genehmigungsphase, bis<br />

schließlich der Premierminister selbst<br />

Militär Aktuell Tür und Tor öffnete.<br />

Der Aufwand lohnte sich, dahinter gab<br />

es fünf Österreichern gut vertraute und<br />

top gewartete SA.316B Alouette III der<br />

indischen Chetak-Baureihe zu sehen.<br />

Die Männer der von indischen Offizieren<br />

in zwei- bis dreijähriger Rotation<br />

geführten Staffel haben ihren ältesten<br />

Hubschrauber erst heuer nach 44 Jahren<br />

abgestellt und waren der Meinung,<br />

dies wäre die älteste Alouette überhaupt.<br />

Groß das Erstaunen, als Militär<br />

Aktuell diese Ansicht mit Hinweis auf<br />

Aigen im Ennstal toppen konnte. Völlig<br />

unterschiedlich ist natürlich das Einsatzgebiet:<br />

Während die rot-weiß-roten<br />

Alouette vornehmlich im Gebirge unterwegs<br />

sind, nehmen unsere „Rotor-<br />

Antipoden“ im Indischen Ozean vor<br />

allem Überwachungs-, Patrouillenund<br />

Rettungseinsätze über Meer<br />

wahr – und das bis zu zehn Kilometer<br />

vor der Küste. Seit 2016 operieren die<br />

Hubschrauber außerdem auch vom<br />

ebenfalls indisch gebauten Patrouillenschiff<br />

Barracuda aus.<br />

Das zu überwachende Gebiet ist riesig:<br />

Die EEZ (Exklusive Wirtschaftszone)<br />

von Mauritius ist inklusive der Inseln<br />

Rodriguez und Agalega 2.000 mal größer<br />

als seine nur etwas mehr als 2.000<br />

Quadratkilometer umfassende Landmasse.<br />

Neben den Hubschraubern<br />

kommen daher auch Flugzeuge zum<br />

Einsatz und wieder ist es Indien, das<br />

Mauritius’ Küstenwache mit drei, bald<br />

vier in Kanpur gebauten Dornier-<br />

228/202 ausrüstete, um mit ELTA-Radar<br />

illegale und suspekte Schiffsbewegungen<br />

zu erfassen. Militär Aktuell<br />

wurden als deren erste Bewaffnung<br />

7,62-mm-Zwillings-MG-Behälter gezeigt,<br />

damit sollen potenzielle Piraten<br />

abgeschreckt und notfalls auch bekämpft<br />

werden. Damit des indischen<br />

Einflusses aber noch nicht genug, drängt<br />

Delhi zunehmend auch auf eine militärische<br />

Nutzung der nördlichen Insel<br />

Agalega. Indien sieht sich durch das<br />

chinesische „Projekt Perlenkette“ von<br />

Myanmar, Sri Lanka über die Malediven<br />

bis Djibouti und Gwadar in Pakistan<br />

„eingekreist“ und Mauritius als<br />

natürlichen Verbündeten. Aber nicht<br />

alle Mauritianer sehen das umgekehrt<br />

auch so und pochen lieber auf ihre Neutralität.<br />

Und ja, auch das kommt uns<br />

Österreichern irgendwie bekannt vor.<br />

IM ÜBERWACHUNGSEINSATZ<br />

In diesem Jahr hat Mauritius die älteste<br />

Alouette III seiner Hubschraubereinheit<br />

nach 44 Dienstjahren abgestellt, die<br />

Überwachung der riesigen Exklusiven<br />

Wirtschaftszone (EEZ) erfolgt auch mithilfe<br />

von aktuell drei Dornier-228/202.<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


A D V E R T O R I A L<br />

GUT KOMMUNIZIEREN<br />

An Informations- und Überwachungssysteme werden im militärischen Umfeld und<br />

im Securitybereich höchste Anforderungen in Bezug auf Mobilität, Zuverlässigkeit<br />

und Robustheit gestellt – die Schweizer Solifos AG wird diesen Ansprüchen<br />

mit modernen und mobilen Hightech-Kabelsystemen mehr als nur gerecht.<br />

rfolg oder Misserfolg einer<br />

militärischen Opera-<br />

E<br />

tion hängt nicht nur,<br />

aber zu sehr großen Teilen<br />

von Kommunikation<br />

ab. Nur wenn Soldaten<br />

untereinander wichtige Informationen<br />

austauschen, Vorgesetzte Befehle weitergeben<br />

und Computernetzwerke miteinander<br />

Verbindung halten können,<br />

sind Waffensysteme punktgenau zum<br />

Einsatz zu bringen und Operationen<br />

erfolgreich auszuführen. Da einem<br />

Gegenüber dieser Faktor natürlich<br />

bewusst ist, kommt der Zuverlässigkeit<br />

und Qualität der Kommunikation unter<br />

erschwerten Bedingungen besondere<br />

Bedeutung zu. Sie muss sowohl bei eingeschränkter<br />

Verfügbarkeit (Satellit) als<br />

auch mit sehr hohen Bandbreiten möglich<br />

sein sowie Schlechtwetter und den<br />

rauen Bedingungen in militärischen<br />

Einsätzen trotzen.<br />

können zusätzlich noch Sensorikanwendungen<br />

mit integriert werden. Mit<br />

dem 6-mm-Hybridfeldkabel sind Leistungen<br />

bis zu 24 kW übertragbar. Mit<br />

diesem nur 6 mm starken Feldkabel<br />

können 2 kW Leistung sogar über fünf<br />

Kilometer zuverlässig transportiert<br />

werden.<br />

Das Angebot von Solifos umfasst Fiberoptik-<br />

und Kupferkabel sowie Verbindungskabel<br />

für Daten- und Energieübertragungen,<br />

die allesamt sehr robust<br />

sind, wenig Gewicht haben, mit unterschiedlichen<br />

Militärsteckertypen konfektioniert<br />

sind und sich in der Anwendung<br />

unter rauen Feldbedingungen<br />

bereits bestens bewährt haben. Die<br />

Produkte kommen in der Schweizer<br />

Armee und der Bundeswehr ebenso<br />

zum Einsatz wie bei anderen NATO-<br />

Nationen und Streitkräften weltweit.<br />

Die Verkabelung von Feldlagern ist<br />

damit ebenso möglich wie die Anbindung<br />

abgesetzter Funkstationen,<br />

Überwachungsanlagen, Sensoren und<br />

die Vernetzung in Waffensystemen.<br />

Um die Robustheit der vernetzten Systeme<br />

im taktischen Umfeld sicherzustellen,<br />

integriert Solifos auch COTS-<br />

Geräte in gehärtete Gehäuse. Das Ergebnis<br />

sind qualitativ hochstehende,<br />

ganzheitliche Lösungen für die lichtwellenleiterbasierte<br />

Übertragung und<br />

Verteilung von Daten. Darüber hinaus<br />

bietet Solifos ergänzend zu seinen<br />

Kernprodukten auch umfangreiches<br />

Zubehör und viele Serviceleistungen<br />

wie Training, Verifikationen im eigenen<br />

Messlabor, Engineering, Support und<br />

Systemintegration an, damit militärische<br />

Kommunikation sicher und<br />

zuverlässig möglich wird.<br />

FOTO S : S O L I FO S<br />

Die Lösung, um mit diesen Herausforderungen<br />

moderner elektronischer<br />

Kriegsführung klarzukommen, liegt in<br />

taktischen fiberoptischen Kommunikationsnetzwerken,<br />

wie sie zum Produktportfolio<br />

der Schweizer Solifos AG gehören.<br />

Das im April <strong>2018</strong> im Zuge eines<br />

Management-Buy-out aus der Brugg<br />

Kabel AG entstandene Start-up hat<br />

seinen Fokus auf die Entwicklung und<br />

Herstellung von fiberoptischen Kabeln<br />

und Hybridkabeln für Daten und<br />

Stromversorgung gelegt. Bei Bedarf<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


0 6 6 s c h l u s s p u n k t<br />

SüdkaukaSuS:<br />

WEITER kEIn FRIEdEn In SIchT!<br />

Der Südkaukasus ist seit Jahrhunderten ein Epizentrum geopolitischer Spannungen und überregionaler<br />

Konflikte und wird laut Ansicht von Christoph Bilban auch in den kommenden Jahren<br />

nicht zur Ruhe kommen. Der Russland- und Kaukasus-Experte forscht aktuell für das Institut für<br />

Friedenssicherung und Konfliktmanagement (IFK) zur Rolle Russlands in dessen Nachbarländern<br />

und zu aktuellen Perspektiven des Konfliktmanagements in der Region.<br />

Wegen des nach wie vor „heißen“<br />

kriegs im osten der<br />

ukraine werden die „eingefrorenen“<br />

konflikte im südkaukasus<br />

gerne übersehen. Dort brach vor etwas<br />

mehr als zehn Jahren im august<br />

2008 der Fünf-tage-krieg zwischen<br />

Georgien und Russland aus. Dieser<br />

war gewissermaßen der Vorbote für<br />

den „neuen“ ost-West-konflikt des<br />

21. Jahrhunderts.<br />

Inmitten dieser geopolitischen spannungen<br />

müssen sich auch die drei<br />

südkaukasus-Republiken Georgien,<br />

armenien und aserbaidschan zurechtfinden.<br />

Die Region zwischen dem<br />

schwarzen und dem kaspischen meer<br />

ist seit Jahrhunderten austragungsort<br />

hegemonialer konflikte der Großmächte.<br />

Für moskau stellt der südkaukasus<br />

ehemaliges kernland dar, welches teuer<br />

erkämpft wurde – und heute ein wesentlicher<br />

puffer zu den konfliktherden<br />

im nahen osten und zum nato-mitglied<br />

türkei ist. Jede annäherung der<br />

Region an den Westen – ob nun nato<br />

oder eu – wird vom kreml kritisch<br />

beäugt. Vor allem die bestrebungen<br />

Georgiens nach einer nato-mitgliedschaft<br />

belasten das noch immer angespannte<br />

Verhältnis weiter. an eine lösung<br />

der konflikte mit abchasien und<br />

südossetien, die beide von Russlands<br />

unterstützung abhängen, ist nicht zu<br />

denken. seit 2008 verhärten sich aber<br />

nicht nur die realen Grenzen, sondern<br />

auch jene in den köpfen.<br />

ebenso scheint sich im armenischaserbaidschanischen<br />

konflikt um<br />

berg-karabach keine entspannung<br />

einzustellen. Die Waffenruhe wird regelmäßig<br />

verletzt und erst im Juni <strong>2018</strong><br />

besetzten aserbaidschans truppen<br />

„Gemeinsam ist allen<br />

konflikten in der<br />

Region, dass die<br />

internationale<br />

Gemeinschaft lediglich<br />

Zuschauer ist.“<br />

militärisch wichtiges Gelände im niemandsland<br />

an der Grenze zu armenien.<br />

beide länder liefern sich ein Wettrüsten.<br />

Russland ist der wichtigste Waffenlieferant<br />

für beide. an den angespannten<br />

beziehungen konnte auch die demokratische<br />

„samtene Revolution“ (märz/<br />

april <strong>2018</strong>) in armenien nichts ändern.<br />

Die politischen Fronten bleiben verhärtet<br />

und die unterschiedlichen sichtweisen<br />

blockieren jeden Dialog.<br />

Gemeinsam ist allen konflikten in der<br />

Region, dass die internationale Gemeinschaft<br />

lediglich Zuschauer ist.<br />

In Georgien kann die eu-beobachtermission<br />

nur auf der georgischen seite<br />

patrouillieren und berichten. bei den<br />

Genfer Gesprächen herrscht stillstand.<br />

auch die Verhandlungen im bergkarabach-konflikt<br />

erzielen keine<br />

Fortschritte. Dabei hängt die beilegung<br />

beider konflikte in erster linie<br />

von den lokalen akteuren ab. Das<br />

internationale krisen- und konfliktmanagement<br />

hat zwar alle Werkzeuge<br />

zur lösung der konflikte bereitgestellt,<br />

die betroffenen akteure können sich<br />

aber nicht einigen. Der ost-West-konflikt<br />

bildet dabei nur den Rahmen, darf<br />

jedoch keine ausrede für weiteren<br />

stillstand sein.<br />

Foto s : G e t t y I m aG e s , b e I G e st e l lt<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


0 6 7 P A n o r A M A<br />

Anfang Oktober übergab<br />

Verteidigungsminister<br />

Mario Kunasek die neuen<br />

Dekontaminationssysteme<br />

Mammut an die Truppe.<br />

Die acht neuen Fahrzeuge<br />

ersetzen die drei Jahrzehnte<br />

alten ABC-Dekontaminationsfahrzeuge<br />

ÖAF S-LKW.<br />

Text: HANS SCHNEEWEISS<br />

HIGHTEC<br />

Das neue Dekontaminationssystem<br />

Mammut ist vielseitig einsetzbar<br />

und unterstützt bei der Abwehr<br />

von radiologischen, biologischen<br />

und chemischen Gefahrenstoffen<br />

durch Personendekontamination,<br />

Waffen- und Gerätedekontaminati-<br />

on, Infrastrukturdekontamination<br />

und Dekontamination von sensiblem<br />

Gerät. Im Gegensatz zu den<br />

alten Fahrzeugen ÖAF S-LKW ermöglicht<br />

das 36 Tonnen schwere<br />

Mammut einen gleichzeitigen Einsatz<br />

von Personendekontamination<br />

ABC-KAMPFMITTEL<br />

Das Dekontaminationssystem<br />

Mammut bildet die Basis für<br />

die Errichtung eines Dekontaminationsplatzes<br />

und ist zur<br />

Durchführung der Dekontamination<br />

nach einem Einsatz von<br />

ABC-Kampfmitteln (atomar,<br />

biologisch, chemisch) beziehungsweise<br />

nach der Freisetzung<br />

industrieller Gefahrstoffe<br />

geeignet.<br />

UMWELTVERTRÄG-<br />

LICHKEIT<br />

Die neue umweltschonendere<br />

und effizientere<br />

Dekontaminationschemie<br />

des Mammut reduziert<br />

den Chemiebedarf<br />

und den Wasserverbrauch<br />

deutlich.<br />

TEMPERATUR-<br />

UNEMPFINDLICHKEIT<br />

Die Dekontaminationsausstattung<br />

erlaubt Einsätze<br />

bei Temperaturen von<br />

minus 30 Grad bis plus<br />

50 Grad Celsius.<br />

ARBEITSKRAN<br />

Der 33-Metertonnen-Ladekran<br />

mit Arbeitskorb<br />

der Firma Palfinger ist<br />

vielseitig einsetzbar und<br />

erleichtert der Besatzung<br />

die Handhabung<br />

des gesamten Systems.<br />

HÖHE<br />

3,90 Meter<br />

TRÄGERFAHRZEUG<br />

Als Fahrgestell dient ein MAN TGS<br />

35.480 8×8 BB-MIL mit vollautomatischem<br />

Schaltgetriebe, permanentem<br />

Allradantrieb und zuschaltbaren<br />

Ausgleichssperren.<br />

LänGE<br />

10,50 Meter<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


I N F O G R A F I K<br />

H MAMMUT<br />

breIte<br />

2,50 Meter<br />

sowie Waffen- und Gerätedekontamination.<br />

Nach Katastrophen oder<br />

terroristischen Anschlägen kann<br />

das Mammut außerdem für die<br />

Dekontamination von Gebäuden,<br />

Straßen, Grenzkontrollstellen,<br />

wichtigen Einrichtungen – und<br />

I l lu st r at I o n e n :<br />

C l au d I a m o l I to r I s<br />

Foto : b e I g e st e l lt<br />

DEKONTAMINATIONS-<br />

EQUIPMENT<br />

auf dem Fahrzeug sind drei<br />

Container (module) aufgebaut.<br />

mit dem ersten lassen<br />

sich gepanzerte Kampf- und<br />

gefechtsfahrzeuge, aber auch<br />

Kleinfahrzeuge dekontaminieren.<br />

mit dem zweiten ausrüstung<br />

wie nachtsichtgeräte<br />

oder Funkgeräte. das dritte<br />

modul dient zur dekontamination<br />

von Personen.<br />

FAHRZEUG-<br />

DEKONTAMINATION<br />

dazu wird in einem ersten<br />

schritt eine auffangwanne (maximal<br />

20 meter länge und 4<br />

meter breite) aufgebaut. In dieser<br />

werden die abwässer aufgefangen<br />

und abgepumpt. dann<br />

wird in drei schritten gereinigt:<br />

erst die Vorreinigung für den<br />

gröbsten schmutz, dann findet<br />

– unter Zumischung der<br />

dekontaminationschemie –<br />

die Hauptreinigung statt und<br />

schließlich die nachreinigung.<br />

durch die neue Technologie<br />

von Heißgas-/Heißdampfkammer<br />

sowie einer Vakuumkammer<br />

– auch sensiblen<br />

IKT-Geräten wie etwa Funkgeräten<br />

oder Mobiltelefonen<br />

eingesetzt werden.<br />

PERSONEN-<br />

DEKONTAMINATION<br />

dafür werden neben dem truck<br />

zwei Zelte aufgebaut. das Vorzelt<br />

dient für das entkleiden von<br />

kontaminierten Personen, beide<br />

Zelte als sicht- und Witterungsschutz.<br />

die Personendekontamination<br />

wird mithilfe des<br />

sogenannten „modul 3“ durchgeführt.<br />

bis zu 40 menschen<br />

können so in einer stunde<br />

dekontaminiert werden.<br />

FACTBOX<br />

Dekontaminationssystem Mammut<br />

Hersteller Rheinmetall MAN Military Vehicles<br />

Aufbau EMPL Austria Fahrzeugwerk GmbH<br />

Kran mit Arbeitskorb Palfinger<br />

Module Kärcher Futurtech GmbH<br />

Fahrgestell MAN TGS 35.480 8x8 BB-MIL<br />

Motor Euro-5-Dieselmotor<br />

Leistung 353 kW (480 PS)<br />

Besatzung 3 Mann<br />

Einsatzgewicht 36 Tonnen<br />

Hzl. Gesamtgewicht 41 Tonnen<br />

Stationierung Korneuburg,<br />

Mautern, Graz, Hörsching, Absam<br />

INTERVIEW<br />

„Das ist der höchste<br />

Stand der Technik!“<br />

Vizeleutnant<br />

Andreas Hämmerle<br />

ist Hauptlehrunteroffizier<br />

für<br />

Dekontamination.<br />

Was zeichnet das Mammut aus?<br />

Die Effizienz und die Handhabung! Die<br />

Fahrzeugtechnik ist im Vergleich zu unseren<br />

bisherigen Fahrzeugen – Baujahr<br />

1988 – völlig neu und ermöglicht neue<br />

Dekontaminationsverfahren und ein vielseitigeres<br />

und leichteres Arbeiten. Deshalb<br />

ist der Chemieverbrauch bei besseren Ergebnissen<br />

maßgeblich geringer und der<br />

Wasserverbrauch bei der Dekontamination<br />

von Personen ist von 2.500 auf 600<br />

Liter pro Stunde gesunken.<br />

Wie wurden die Aufgaben vor der<br />

Anschaffung des Mammut bewältigt?<br />

Früher wurden die Geräte mittels einer<br />

Nassdekontamination dekontaminiert<br />

und nachher entsorgt. Genauso wurden<br />

kontaminierte Bekleidungsgegenstände<br />

dekontaminiert. Mit dem System Mammut<br />

wird die Bekleidung nun mittels der<br />

Heißgas-/Heißdampfkammer dekontaminiert<br />

und kann der Truppe später wieder<br />

zugeführt werden. Auch kann jetzt die<br />

Dekontamination von oben mittels Kran<br />

und von unten mittels Bodensprühdüsen<br />

durchgeführt werden. Bei den vorigen<br />

Systemen hatten wir diese Fähigkeit nicht.<br />

Fährt sich das Mammut anders als ein<br />

gewöhnlicher Lkw?<br />

Trotz seines Gesamtgewichts von 36 Tonnen<br />

fährt er sich dank seines vollautomatischen<br />

Schaltgetriebes genauso gut wie<br />

ein 16-Tonner. Die Länge von 10,5 Metern<br />

spürt man allerings in den Kurven,<br />

wo man trotz zwei gelenkter Achsen<br />

öfters reversieren muss.<br />

M i l i t ä r A k t u e l l


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