09.01.2019 Aufrufe

PT-Magazin 01 2019

Magazin für Wirtschaft und Gesellschaft. Offizielles Informationsmagazin des Wettbewerbs "Großer Preis des Mittelstandes" der Oskar-Patzelt-Stiftung

Magazin für Wirtschaft und Gesellschaft. Offizielles Informationsmagazin des Wettbewerbs "Großer Preis des Mittelstandes" der Oskar-Patzelt-Stiftung

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

© Luestling<br />

Über den Autor<br />

<strong>PT</strong>-MAGAZIN 1/2<strong>01</strong>9<br />

Christian Wolter ist Ingenieur und verfasst<br />

u.a. Artikel mit Schwerpunkt Wissenschaftsjournalismus<br />

aber auch zum<br />

Thema Reisen.<br />

Wirtschaft<br />

34<br />

Johann Friedrich Bury, Johann Wolfgang von Goethe<br />

in seinem italienischen Freundeskreis<br />

kaum acht Meilen zurückleget“, heißt es<br />

in einem zeitgenössischen Bericht.<br />

Die Reisegeschwindigkeit mit der<br />

Kutsche hatte im Lauf der Zeit vor allem<br />

durch verbesserte Straßen deutlich zugenommen.<br />

Für Frankreich ergeben sich<br />

gemäß dem Postmuseum in Amboise<br />

folgende Werte: lag die Durchschnittsgeschwindigkeit<br />

im 17. Jahrhundert noch<br />

bei 2,2 Km/h, stieg sie bis Ende des<br />

18. Jahrhunderts auf 3,4 Km/h. 1814 zum<br />

Ende der Kriege von Napoléon wurden<br />

4,3 Km/h erreicht, 1830 waren es 6,5<br />

Kilometer in der Stunde. Im Revolutionsjahr<br />

1848 war längst die Eisenbahn der<br />

Maßstab und die Kutschen rasten mit<br />

Durchschnittsgeschwindigkeiten von<br />

9,5 Km/h durchs Land.<br />

Bei kommerziell angebotenen Kutschenfahrten<br />

konnte zwischen ordinärer<br />

Post oder der Eilpost gewählt werden.<br />

Die Verbindungen wurden nach<br />

Fahrplan zu festen Preisen angeboten.<br />

Gebucht wurde das Billett im Posthaus<br />

auf Vorkasse, hier war auch das nach<br />

Gewicht beschränkte Gepäck abzugeben.<br />

Die Sitzplätze in der Kutsche wurden<br />

dabei peu a peu nach Buchungszeitpunkt<br />

vergeben.<br />

Gegenüber Caroline Herder<br />

erwähnte Goethe im September 1788,<br />

dass seine Rückreise aus Italien über<br />

1700 Kilometer (226 Deutsche Meilen)<br />

etwa 500 Taler, davon 340 Taler für die<br />

offizielle Postkutsche, gekostet habe.<br />

Umgerechnet also 1,50 Taler pro Meile<br />

Kutschenfahrt. Die Kaufkraft eines Talers<br />

entsprach etwa 20 bis 100 Euro, je nachdem<br />

welche Produkte man heranzieht,<br />

die es damals wie heute zu kaufen gab.<br />

Am 7. September 1797 war Goethe<br />

mit seiner Staatskarosse auf dem Weg<br />

in die Schweiz von Stuttgart nach Tübingen<br />

unterwegs. Dieser Abschnitt auf der<br />

„Schweizer Straße“, die bis nach Schaffhausen<br />

führte, wurde von der Ordinaripost<br />

zweimal in der Woche angeboten.<br />

1751 war dafür ein Gulden (entsprechend<br />

zwei Drittel Taler) fällig. Auf dem 16%<br />

Steilabschnitt nach Dettenhausen boten<br />

vorspannberechtigte Bauern aus Waldenbuch<br />

ihre Pferde an.<br />

Zwischen zwei Poststationen lagen<br />

typischerweise drei deutsche Meilen<br />

(etwa 25 Kilometer) die bei sieben bis<br />

zwölf km/h je nach Straßenqualität und<br />

Gelände in 3 bis 5 Stunden zurückgelegt<br />

wurden. An den Stationen gab es<br />

einen Ein- und einen Ausstiegsbereich,<br />

dazwischen wurden frische Pferde aus<br />

dem Stall geholt und der Kutsche vorgespannt.<br />

Häufig wurde bis zu 2 Stunden<br />

pausiert und im angeschlossenen<br />

Gasthaus eingekehrt. Zahlreiche Wirtshäuser<br />

längs der Strecke, mit den typischen<br />

Namen wie „Hirsch“, „Krone“ oder<br />

„Lamm“ lockten müde und hungrige Reisende<br />

an. Der verbreitete Name „Gasthof<br />

zur Post“ zeugt noch heute von den<br />

üblichen Gasthöfen an den Poststationen.<br />

Als Tageleistung kamen so maximal<br />

100 Kilometer zustande.<br />

Der Fahrpreis beinhaltete das Fahrgeld,<br />

Vorspanngeld, Brückengeld, Chausseegeld,<br />

Trinkgeld und Schmiergeld. Das<br />

Wort Schmiergeld ist dabei ganz wörtlich<br />

zu nehmen. An jeder Poststation<br />

schmierte der Wagenmeister die Radlager<br />

nach, damit sie sich nicht festfraßen.<br />

Im Jahr 1790 kam Goethe erneut<br />

nach Italien. Die Reise erfolgte diesmal<br />

ganz im Gegensatz zu 1786 hochoffiziell<br />

im fürstlichen Auftrag. Die Mutter<br />

des Herzogs Anna Amalia, die seit dem<br />

letzten Jahr in Italien weilte, war nach<br />

Weimar zurückzugeleiten. Mit der ehemaligen<br />

herzoglichen „Halbchaise“ ging<br />

es am 13. März 1790 auf die Fahrt, begleitet<br />

vom Diener Paul Götze.<br />

In Verona wurde die Kutsche abgestellt<br />

und ein Mitfahrzeug bis Padua<br />

genommen, von dort ging es weiter mit<br />

dem Schiff weiter nach Venedig, wo<br />

Goethe am Nachmittag des 31. März<br />

eintraf. Hier wartete er mehrere Wochen<br />

auf die aus dem Süden kommende<br />

Herzogin. Am 22. Mai begleitete er den<br />

herzoglichen Tross schließlich zurück in<br />

die thüringische Residenz, mit Besichtigungsaufenthalten<br />

in Padua, Vicenza<br />

und Mantua.<br />

Im gleichen Jahr 1790 ging es für<br />

Goethe nach Schlesien und 1792 nach<br />

Frankreich. Die dritte Schweizreise kam<br />

1797 zustande. Eine weitere größere<br />

Fahrt führte 18<strong>01</strong> nach Bad Pyrmont, 1815<br />

ergab sich eine zweite Rheinreise. 1823<br />

kurte er im böhmischen Marienbad.<br />

Betuchte fuhren in der Regel mit<br />

dem eigenen Fahrzeug. Für den, der es<br />

sich leisten konnte kam auch der Extraposten<br />

in Frage. Hier konnte man Strecke,<br />

Zeiten und seine Fahrgäste frei wählen.<br />

Im Laufe seines Lebens hat Goethe<br />

etwa 40 größere Reisen unternommen,<br />

für die er rund 31.000 Kilometer zurücklegte.<br />

Berücksichtigt man noch 140 kürzere<br />

Reisen, so hat er rund 40.000 Kilometer<br />

hinter sich gebracht. Er bereiste<br />

u.a. dreimal die Schweiz, zweimal Italien,<br />

kam siebzehnmal nach Böhmen.<br />

Er betrat polnischen und französischen<br />

Boden. Er fuhr mit Kutschen und Schiffen,<br />

marschierte zu Fuß oder nutzte<br />

Pferde und Maulesel.<br />

Am 26. August 1831 bestieg Johann<br />

Wolfgang von Goethe die Kutsche mit<br />

Ziel des nahen Ilmenau, um dort seinen<br />

82. Geburtstag zu feiern - den folgenden<br />

sollte er nicht mehr erleben. Es war Goethes<br />

letzte Reise im Leben.<br />

Nur 3 1 ⁄ 2 Jahre nach Goethes Tod<br />

wurde am 07.12.1835 in Deutschland mit<br />

der Einweihung der Eisenbahn zwischen<br />

Nürnberg und Fürth das Ende des Pferdeund<br />

Kutschenzeitalters eingeläutet.<br />

Die Vorbedingungen des Massentourismus<br />

entstanden. ó

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!