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Feb/Mar MODERNE REFORM EXPERIMENT Bremen nach der Revolution von 1918

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MODERNE REFORM EXPERIMENT
Bremen nach der Revolution von 1918

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7<br />

LAURA ACKSTEINER<br />

LUDWIG QUIDDE<br />

Zwischen zwei Weltkriegen, in einer Zeit des gesellschaftlichen und<br />

politischen Umbruchs, führte er die Friedensbewegung in Deutschland an.<br />

Ludwig Quidde (geboren 23. <strong>März</strong> 1858, gestorben 4. <strong>März</strong> 1941) war ein<br />

Mann mit großen Idealen. Sein Streben nach internationalem Frieden,<br />

nach Freiheit und Demokratie, blieb bis zu seinem Lebensende ungebrochen<br />

und wurde gekrönt durch die Verleihung des Friedensnobelpreises.<br />

eboren und aufgewachsen im Bremen des mittleren 19. Jahrhunderts<br />

genoss Ludwig Quidde eine für die Zeit sehr liberale<br />

Erziehung und wuchs zu einem kritisch denkenden Mann heran.<br />

Quidde scheute sich nie davor, die gesellschaftlichen und politischen Verhältnisse<br />

seiner Zeit öffentlich zu hinterfragen, auch wenn er sich damit<br />

nicht nur Freunde machte. So provozierte er 1894 mit der Veröffentlichung<br />

von Caligula – Eine Studie über römischen Cäsarenwahnsinn einen Skandal,<br />

der das jähe Ende seiner bis dahin sehr erfolgreichen Laufbahn als Historiker<br />

zur Folge hatte. Vordergründig als historische Studie über den römischen<br />

Kaiser Caligula und seine von Gewalt und Wahnsinn geprägte Herrschaft<br />

verfasst, fanden sich in der Arbeit deutliche satirische Bezüge zu<br />

Wilhelm II., dem damaligen deutschen Kaiser. Quidde bestritt, diese Analogie<br />

beabsichtigt zu haben. Allerdings zeigte sein anschließender Einstieg<br />

in die aktive Politik, dass er mit dem preußischen Regime durchaus nicht<br />

konform ging.<br />

G<br />

Neben der Monarchie war Quidde auch ein vehementer Kritiker des<br />

preußischen Militarismus. Er verschrieb sich zunehmend dem Pazifismus,<br />

setzte sich bereits vor dem Ersten Weltkrieg, und umso intensiver danach,<br />

für Frieden und militärische Abrüstung ein. Fünfzehn Jahre war er Vorsitzender<br />

der Deutschen Friedensgesellschaft und repräsentierte die<br />

deutsche Friedensbewegung auf internationaler Ebene. Seine Texte und<br />

Reden brachten ihm mehr als einen Gefängnisaufenthalt in Deutschland<br />

ein. Aufgrund seiner internationalen Friedensbemühungen während des<br />

Ersten Weltkrieges wurde er des Verrats angeklagt und monatelang<br />

beobachtet. Internationale Anerkennung für sein pazifistisches Engagement,<br />

speziell bei der deutschen Aussöhnung mit Frankreich nach dem<br />

Krieg, erhielt Quidde erst im Jahre 1927, als man ihm zusammen mit dem<br />

französischen Pazifisten Ferdinand Buisson den Friedensnobelpreis verlieh.<br />

Nach dem Aufstieg der Nationalsozialisten zog Quidde in die Schweiz,<br />

blieb aber auch im Exil und bis zu seinem Tode 1942 seinen Idealen treu.<br />

NELE WOEHLERT<br />

AUGUSTE KIRCHHOFF<br />

Auguste Christine Louise Kirchhoff, geb. Zimmermann, kommt am<br />

23.06.1867 in Asbach auf die Welt. Sie wächst in einem bürgerlichen<br />

Haushalt auf und besucht eine ›Höhere Töchterschule‹. Nach der<br />

Heirat mit dem Bremer Rechtsanwalt und späteren Senator Heinrich<br />

Kirchhoff kann sie ein Leben in Wohlstand führen. Neben der<br />

Erziehung ihrer fünf Kinder hat sie eine Leidenschaft für die Musik,<br />

die sie mit ihrem Mann teilt.<br />

D<br />

och statt sich damit zufrieden zu geben, dass ihre Familie und<br />

sie gut versorgt sind, engagiert sich Kirchhoff politisch und<br />

sozial. Angezogen von der feministischen Bewegung des ›Bund Deutscher<br />

Frauenrechte‹ vertritt sie die Idee der gleichberechtigten gesellschaftlichen<br />

Stellung der (alleinerziehenden) Frau. Damit steht sie auch<br />

für ein Frauenstimmrecht in Deutschland und über die Grenzen hinaus ein.<br />

Als erste Vorsitzende des Vereins ›Mütter- und Säuglingsheim‹ hilft sie<br />

vor allem alleinstehenden Frauen und ihren Kindern, deren Recht auf eine<br />

glückliche Kindheit sie verteidigen will. Nur wenige Jahre später löst sie sich<br />

von dem Verein, weil sie nicht nur die Folgen von Missständen behandeln,<br />

sondern auch die Ursachen beheben möchte. Sie ist für eine neue<br />

Gesinnung, eine neue Sexualmoral und kämpft damit für eine neue Ethik.<br />

Dafür setzt sie sich ab 1909 in der Bremer Ortsgruppe des ›Bund für<br />

Mutterschutz und Sexualreform‹ ein. Ihr geht es um Rechte für Mütter, für<br />

Frauen, für Menschen – um Gerechtigkeit. Dafür nimmt sie während des<br />

Ersten Weltkrieges auch die gewagte Reise nach Den Haag auf sich, um<br />

mit Frauen aus anderen Ländern Wege zum Frieden zu suchen. Ihr Bericht<br />

darüber erscheint in einer Bremer<br />

Zeitung und erntet so viel Gegenwind,<br />

dass sie ein Veröffentlichungsverbot<br />

erhält.<br />

Das hält sie aber nicht davon ab, 1919 eine Bremer<br />

Ortsgruppe der ›Internationalen Frauenliga für Frieden und<br />

Freiheit‹ zu gründen und zu leiten. Sie kämpft gegen den<br />

zunehmenden Antisemitismus und für die soziale, politische<br />

und wirtschaftliche Zusammenarbeit sowie für die uneingeschränkte<br />

Gleichberechtigung aller Menschen.<br />

1915 schreibt Auguste Kirchhoff ihrer Tochter: ›Entweder ist<br />

Morden ein Verbrechen, aber dann ist’s immer ein Verbrechen,<br />

nicht aber wird’s zur Tugend, wenn die Großen der Welt es für<br />

gut befinden […]‹.<br />

Am 12.07.1940 stirbt Auguste Kirchhoff schließlich schwerkrank<br />

in Bremen und hinterlässt einige Artikel und Reden,<br />

deren Lektüre auch heute noch sehr lohnenswert ist.

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