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Gazette Steglitz März 2019

Gazette für Steglitz, Lankwitz und Lichterfelde

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1 | <strong>Gazette</strong> Zehlendorf | 2017 <strong>Gazette</strong> <strong>Steglitz</strong> | <strong>März</strong> <strong>2019</strong> | 5<br />

Verbot von Silvesterfeuerwerk?<br />

Die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) diskutiert<br />

Auch zur Jahreswende 2018/19 wurde erneut eine Diskussion über ein eventuelles<br />

Verbot von Silvesterfeuerwerk angestoßen. Dabei wurden die potentielle Gefahr für<br />

Personen, Umweltaspekte, Tierschutz aber auch die Tatsache angeführt, dass manche<br />

mit ihrer Knallerei schier unerträgliche Zustände zu Silvester in bestimmten Stadtteilen<br />

schaffen. Allerdings ist eine Einschränkung oder das Verbot von Feuerwerk an bestimmte<br />

z. T. bundesrechtliche Normen gekoppelt. Im Folgenden nehmen die Fraktionen in<br />

der Bezirksverordnetenversammlung <strong>Steglitz</strong>-Zehlendorf zu diesem Thema Stellung.<br />

CDU-Fraktion<br />

Als sich am Neujahrsmorgen <strong>2019</strong> der<br />

Pulverdampf verzogen hatte, begann eine<br />

vehement geführte öffentliche Klage über<br />

die Nachteile des Silvesterfeuerwerks, verbunden<br />

mit der Forderung nach Verbot.<br />

Die Tonlage war, wie so oft, vorwurfsvoll<br />

und bevormundend. Überlegungen dazu,<br />

wer da eigentlich an Silvester Feuerwerk<br />

abbrennt, was die Menschen sich dabei<br />

denken, wieviele es sind und wie alt sie<br />

sind, kamen eher zu kurz. So bleibt festzuhalten,<br />

dass der Umgang mit Feuer und<br />

Feuerwerk an Silvester Familien mit Kindern<br />

und jungen Leuten viel Spaß macht,<br />

sehr verbreitet ist und zum Jahreswechsel<br />

einfach dazugehört. Es muss auch mal laut<br />

und bunt und aufregend sein dürfen. Einen<br />

Tugendstaat, in dem den Menschen alles<br />

vorgeschrieben wird, wollen wir nicht. Und<br />

wenn es punktuell Exzesse gibt, die auch<br />

andere Menschen gefährden, so müssen die<br />

Ordnungskräfte dagegen vor Ort einschreiten.<br />

Verbote an der einen Stelle führen nur<br />

zur Verlagerung in die Nachbarschaft außerhalb<br />

der Verbotszone. Die Gesamtheit der<br />

Berliner und Berlinerinnen soll weiterhin so<br />

Silvester feiern können, wie sie es wollen<br />

und es ihnen Freude macht.<br />

Dr. Claudia Wein<br />

Berlin SPD-Fraktion<br />

Das Abbrennen von Silvesterfeuerwerk ist<br />

seit jeher Tradition. Die Frage eines generellen<br />

Verbots stellt sich uns zurzeit nicht, allenfalls<br />

die einer Einschränkung. Unabhängig<br />

davon, wie jeder persönlich dazu steht,<br />

geht es uns in erster Linie darum, im ersten<br />

Schritt ungewünschte Begleiterscheinungen<br />

zurückzudrängen. Die Knaller werden<br />

lauter, es sind immer mehr unsichere Böller<br />

im Umlauf, viele halten sich nicht an die<br />

erlaubten Zeiten. Auch in der Nähe von Seniorenheimen<br />

und Krankenhäusern sowie<br />

im Wald wird geknallt, Knaller werden gezielt<br />

auf andere Menschen geworfen oder<br />

z. B. an unpassenden Stellen (Briefkästen)<br />

abgebrannt und dadurch Personen- und<br />

Sachschäden verursacht. Da darf es keine<br />

Toleranz geben! Die Erfahrungen in Hannover<br />

mit dem Verbot von Feuerwerk in der<br />

Innenstadt sollten ausgewertet werden.<br />

Kampagnen zur Förderung der gegenseitigen<br />

Rücksichtnahme und Aufklärung zum<br />

richtigen Abbrennen von Feuerwerk und<br />

der negativen Auswirkungen der Knallerei<br />

sind richtig und wichtig. Der Bundesgesetzgeber<br />

ist gefordert, die Größe der Raketen<br />

und den zulässigen Lärm zu beschränken<br />

und den Kommunen mehr Rechte einzuräumen.<br />

Rainer Ziffels<br />

B‘90/Grünen-Fraktion<br />

Die Stimmen, die ein Verbot eines allgemeinen<br />

Silvesterfeuerwerks fordern, wurden<br />

zum Jahreswechsel laut wie bisher nie zuvor.<br />

Für uns als Grüne ist das keine leichte<br />

Abwägung: auf der einen Seite steht der<br />

Spaß, die individuelle Freiheit und auf der<br />

anderen Schäden an Menschen, Tieren und<br />

Gebäuden in und um die Silvesternacht.<br />

So werden in Deutschland dabei laut Umweltbundesamt<br />

ca. 5000 Tonnen Feinstaub<br />

freigesetzt, das sind etwa 17 % dessen, was<br />

der Straßenverkehr im ganzen Jahr erzeugt.<br />

Die Anzahl der durch Feuerwerk Verletzten<br />

steigt und auch die Aggressivität, mit der<br />

Feuerwerk gegen Polizei- und Rettungskräfte<br />

gerichtet wird. Immer klarer wird,<br />

dass es sich hier nicht um die Freude der<br />

Mehrheit handelt, sondern ein Handeln<br />

Weniger auf Kosten Vieler. Hier muss eine<br />

Regelung gefunden werden, die einen Ausgleich<br />

der Interessen schafft: dies kann im<br />

Verbot besonders lauter Feuerwerkskörper<br />

oder Einschränkung auf bestimmte Flächen<br />

liegen. Bund, Land und Bezirke müssen hier<br />

zusammenwirken, wie dies nicht zuletzt der<br />

auch von den <strong>Steglitz</strong>-Zehlendorfer Grünen<br />

angestoßene gemeinsame Antrag von Rot-<br />

Rot-Grün im Abgeordnetenhaus vorzeichnet.<br />

Carsten Berger<br />

Alternative<br />

für<br />

Deutschland<br />

AfD-Fraktion<br />

Noch ein Verbot! Alles, was Spaß bringt,<br />

der Fortbewegung dient oder böse Geister<br />

vertreibt, soll der (grünen) Verbotskultur<br />

anheimfallen. Dieseln, Rauchen, Zündeln<br />

– und das Steak auf dem Teller? Dieseln<br />

schadet dem Klima, Rauchen ist so, als sei<br />

man selbst ein Diesel, und Zündeln am Himmel?<br />

Das ist nur etwas für Abergläubische,<br />

die noch in der Zeit der Germanen verhaftet<br />

sind und meinen, die laute und blitzende<br />

Knallerei zu Silvester vertreibe böse Geister.<br />

Die Freudkultur, die unsere Vorfahren<br />

noch kannten, wird abgelöst von einer<br />

Verbotskultur, vom Nanny-Staat, der sich,<br />

wenn er nicht gleich Vorschriften erlässt,<br />

des Nudging bedient. Ein Argument, das<br />

gegen die Silvesterböllerei angeführt wird,<br />

sind die enormen Kosten: 100 Mio. Euro<br />

sollen es sein, die da in wenigen Stunden<br />

im wahrsten Sinne des Wortes verbrannt<br />

werden. Für einen guten Zweck einsetzen,<br />

zugunsten Hungerleidender der Dritten<br />

Welt spenden, könnte man sie besser. Mit<br />

demselben Betrag könnte der Staat Not<br />

hierzulande oder in der weiten Welt lindern,<br />

verringerte er seine Verschwendungssucht<br />

um nicht einmal ein halbes Prozent! Darüber<br />

nachzudenken lohnt sich mehr.<br />

Peer Döhnert<br />

FDP-Fraktion<br />

Schon im Mittelalter hat man zu Silvester<br />

mit Krach und Feuer die bösen Geister<br />

vertrieben. Auch bei Berücksichtigung<br />

der damit einhergehenden Belastungen<br />

sollte man so eine alte Tradition nicht einfach<br />

verbieten. Man darf auch nicht jeden<br />

Silvesterfeuerwerker unter Generalverdacht<br />

stellen, dass gerade er die nötige Sorgfalt<br />

missachtet. Wer jedoch Rettungskräfte mit<br />

Böllern bewirft, wer mit Feuerwerkskörpern<br />

gezielt andere Menschen und deren Sachen<br />

gefährdet, wer illegales Feuerwerk zündet<br />

und so in Kauf nimmt, dass andere zu Schaden<br />

kommen, muss auch ohne generelles<br />

Verbot bestraft werden. Ist dies durch die<br />

Polizei in der Silvesternacht an besonders<br />

gefährdeten Stellen in der Innenstadt nicht<br />

leistbar, kann man vorab dort partielle Verbote<br />

aussprechen, muss dann aber diese<br />

auch durchsetzen. Ein generelles Verbot<br />

im gesamten Stadtgebiet lehnen die Freien<br />

Demokraten (FDP) allerdings ab. Möglich<br />

wäre jedoch das Zeitfenster, in dem Feuerwerkskörper<br />

gezündet werden dürfen,<br />

zum Wohle von Mensch und Tier stärker<br />

einzuschränken. Der Jahreswechsel findet<br />

schließlich erst um Mitternacht statt und<br />

nicht bereits Stunden davor.<br />

Andreas Thimm<br />

Linksfraktion<br />

Prosit Neujahr!? Wovon reden wir? Konkret:<br />

bundesweit 4500 Tonnen(!) Feinstaub oder<br />

15,5 Prozent der jährlichen Feinstaub-Belastung,<br />

die durch Straßenverkehr entsteht,<br />

in einer einzigen Nacht. Von menschenunwürdigen<br />

Arbeitsbedingungen in der<br />

Produktion, hohem Gesundheitsrisiko, von<br />

Toten und Verletzten, Kinderarbeit. Von<br />

Ausbeutung, weil die Menschen von ihrer<br />

Arbeit nicht leben können in Ländern, in<br />

denen es keinen Arbeitsschutz und Tarifverträge<br />

gibt. Wir reden von Menschen, die<br />

in der Silvesternacht ihre Wohnung nicht<br />

verlassen, weil sie sich von freifliegenden<br />

Böllern bedroht fühlen, von verängstigten<br />

Kindern, von traumatisierten Haustieren.<br />

Von einer Stadt, die regelmäßig noch 2,<br />

3 Tage in Dunst und Nebel gehüllt, länger<br />

noch vermüllt ist.<br />

Wer braucht das alles? Wozu soll das gut<br />

sein? Wem dient es? Seit 2004 ist der Umsatz<br />

beim Verkauf von Feuerwerkskörpern<br />

um 60 Prozent gestiegen und liegt bei<br />

mittlerweile 137 Millionen Euro im Jahr.<br />

Was könnte man mit diesem Geld alles wirklich<br />

Gutes machen? Bei einem Verbot der<br />

privaten Böllerei hätten wir vielleicht auch<br />

wieder staunende Augen für die zentralen<br />

und wirklich schönen Feuerwerke.<br />

Hans-Walter Krause<br />

Weitere Informationen zur BVV und<br />

den Sitzungsterminen finden Sie<br />

unter www.berlin.de/ba-steglitzzehlendorf/<br />

politik-und-verwaltung/<br />

bezirksverordnetenversammlung/

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