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Biowerkstoff-Report - nova-Institut GmbH

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Standpunkt<br />

VON DER ROHSTOFFKRISE ZUR WIRTSCHAFTSKRISE<br />

Alles nur Spekulation?<br />

Die weltweite wirtschaftliche Lage verschlechtert sich weiter und jeder neue negative Effekt wird schnell<br />

Spekulanten zugeschrieben. Tatsächlich sind die Auswirkungen der Spekulationen geringer, als in der Öffentlichkeit<br />

diskutiert wird, und keine Krisenauslöser. Verantwortlich für die aktuelle Krise sind alle: von Privaten,<br />

die bei der Kreditaufnahme drastisch steigende Lebenshaltungskosten nicht einschätzen konnten über<br />

Unternehmen, die auf Basis falscher Rohstoffpreise ihre Entscheidungen trafen, bis hin zu Politikern, die an<br />

Kräfte freier Märkte glaubten. Die Verknüpfungen zwischen verschiedenen Wirtschaftssektoren sind komplex.<br />

Will man die Wirtschaft künftig stabiler gestalten, muss man diese verstehen. Ein wichtiger Beitrag zur<br />

Stabilisierung ist die Sicherstellung einer langfristigen Versorgung der Industrie mit Rohstoffen – ein effizientes<br />

Ressourcenmanagement.<br />

Die amerikanischen Baufinanzierer waren<br />

zu optimistisch bei den Kreditvergaben an<br />

Private, die Investmentbanker verspekulierten<br />

sich an den Finanzmärkten, der Ölpreis<br />

wurde von Spekulationen nach oben<br />

getrieben. Spekulanten waren – neben Biokraftstoffen<br />

– auch für die steigenden Preise<br />

an Agrarmärkten und damit für die weltweiten<br />

Hungersnöte verantwortlich. Selbst<br />

für den aktuellen Preisverfall auf breiter<br />

Front werden Spekulanten, die das sinkende<br />

Schiff verlassen, schuldig gemacht. Regieren<br />

Spekulanten die Welt oder lassen sich<br />

diese Argumente der Öffentlichkeit am einfachsten<br />

verkaufen und geben den Entscheidungsträgern<br />

die Möglichkeit, sich der<br />

Verantwortung zu entziehen?<br />

Ein Handel mit Erwartungen ist ein fester<br />

Bestandteil der Wirtschaft und berührt alle<br />

ihre Bereiche. Wie stark die Auswirkungen<br />

sein können, zeigt die jüngste Kursentwicklung<br />

der VW-Aktie. Jedoch sind diese<br />

Effekte vorübergehend und keine Trendsetzer.<br />

Für eine langfristige Entwicklung sind<br />

fundamentale Daten maßgeblich. Die Abschwächung<br />

der Konjunktur und die jetzige<br />

Wirtschaftskrise wurden von der<br />

Finanzkrise und die letztere wiederum von<br />

der Krise am amerikanischen Immobilienmarkt<br />

– Hypo thekenkrise – ausgelöst. Und<br />

was war ursächlich für die Hypothekenkrise?<br />

Spekulationen am Immobilienmarkt?<br />

Will man die Zusammenhänge wirklich<br />

verstehen, muss man genauer hinschauen.<br />

Die relativ lockeren Bedingungen der Kreditvergabe<br />

führten zu einem Boom der<br />

Baubranche, eines wichtigen Wirtschaftssektors.<br />

Es spielt kaum eine Rolle, ob die<br />

Bauherren Immobilien zur Selbstnutzung<br />

oder zum Weiterverkauf errichteten. Denn<br />

bis zur Veräußerung und danach müssen<br />

42 <strong>Biowerkstoff</strong>-<strong>Report</strong>, Okt. / Nov. / Dez. 2008<br />

Kredite von den Eigentümern getilgt und<br />

die Zinsen gezahlt werden, unabhängig<br />

vom Zweck des Objektes. Anzumerken ist,<br />

dass der Case-Shiller-Immobilienpreis-<br />

Index von Standard & Poor’s seit Ende<br />

2004 fallende Preise zeigt. Das heißt, dass<br />

spätestens seit 2005 die Gewinnerwartungen<br />

durch Verkauf nicht der Hauptgrund<br />

für die Neubauten gewesen sein können.<br />

Kalkuliert wurde bei der Finanzierung mit<br />

den gegebenen Kosten, für welche die Rohstoffpreise<br />

wesentlich sind. Die rasant steigende<br />

Nachfrage nach Rohstoffen und ihre<br />

begrenzte Verfügbarkeit ließ die Preise auf<br />

den Rohstoff- und besonders auf den Energiemärkten<br />

explodieren. In der Folge stiegen<br />

die Neben- bzw. Lebenshaltungskosten<br />

dramatisch an, die Margen und damit Gewinne<br />

der Unternehmen schrumpften. Den<br />

Privaten blieb weniger Geld für Neuinvestitionen.<br />

Auch bei Unternehmen saß das<br />

Geld weniger locker. Der Preisverfall am<br />

Immobilienmarkt begann. Wegen immer<br />

weiter zunehmenden Kosten wurden die<br />

Kreditrückzahlungen für viele schwieriger.<br />

Im Sommer 2007 war es dann so weit: Die<br />

Hypothekenkrise brach aus.<br />

Letztendlich verspekulierte sich auch die<br />

Industrie. In der Hoffnung, konventionelle<br />

Rohstoffe stünden ausreichend zur Verfügung,<br />

wurde nicht oder nicht intensiv<br />

genug über die möglichen Alternativen<br />

nachgedacht. Niemand rechnete ernsthaft<br />

mit dem Preisniveau der letzten Jahre. Die<br />

von der Wirtschaft ausgelöste Rohstoffkrise<br />

führte über die Immobilien- und Finanzkrise<br />

zur Wirtschaftskrise.<br />

Dies ist aber nicht das Ende der Wirkungskette.<br />

Zunächst sorgten wachsende<br />

Energie- und Rohstoffpreise für weltweit<br />

steigende Inflationsraten. Die Wirtschaftskrise<br />

zwingt die Zentral banken zu Zinssenkungen<br />

und Geldmengenerhöhungen, was<br />

auch nicht gerade inflationsdämpfend<br />

wirkt. Dass die Rohstoffkrise auch eine<br />

Währungskrise auslösen kann, bekommt<br />

als erstes Russland zu spüren. Fallende<br />

Rohstoffpreise setzen den Rubel massiv<br />

unter Druck. Das sinkende Vertrauen in<br />

die Währung verstärkt die Abwertung.<br />

Um die Währung zu stabilisieren, interveniert<br />

die Zentralbank Russlands im großen<br />

Stil am Devisenmarkt. Die Kosten solcher<br />

Aktionen sind enorm. Wie lange sich das<br />

Land gegen die Abwertung des Rubels verteidigen<br />

kann, hängt von den Devisen -<br />

reserven ab. Diese wurden hauptsächlich<br />

durch die Einnahmen aus den Rohstoff -<br />

exporten gefüllt. Aufgrund geringerer<br />

Einnahmen aus Exporten und des Ka pi -<br />

talabflusses droht der russischen Volkswirtschaft<br />

ein Außenhandelsdefizit. In<br />

einer globalisierten Welt verbreiten sich<br />

destabilisierende Effekte weit über die<br />

Grenzen des betroffenen Landes hinaus.<br />

Für eine stabile Weltwirtschaft ist ein<br />

effizientes Ressourcenmanagement unverzichtbar.<br />

Reflexartige Aktionen, einseitige<br />

Förderungen und populistische Diskussionen<br />

wie „Food or Fuel“ sind keine Lösung.<br />

Die Politik muss Verantwortung übernehmen<br />

und Rahmenbedingungen schaffen,<br />

die eine effiziente Versorgung der Wirtschaft<br />

mit Ressourcen und langfristi ge<br />

Planungssicherheit gewährleisten. Mit<br />

einem umfassenden Ressourcenmanagement<br />

sollte man indes nicht warten. Bis die<br />

Weltwirtschaft wieder anzieht und die<br />

Rohstoffpreise aufgrund der neuen Nachfrage<br />

wieder explodieren, sollten wir besser<br />

aufgestellt sein als heute. �<br />

Anatoli Pauls (<strong>nova</strong>-<strong>Institut</strong>)

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