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Heimat-Rundblick 128

Magazin mit kulturellen und historischen Bezügen zum Elbe-Weser-Raum

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100 Jahre Ende des 1. Weltkrieges<br />

Aus der Ausstellung im Kreisarchiv Osterholz<br />

Der 1. Weltkrieg dauerte vier Jahre. Er<br />

gilt als der erste „moderne“ Krieg, ein sogenannter<br />

industrieller Massenkrieg. Zum<br />

Einsatz kamen neu entwickelte Waffen, wie<br />

Maschinengewehre und Giftgas. Wurden<br />

Kriege bisher als Bewegungskriege geführt,<br />

wurde im 1. Weltkrieg zunehmend<br />

aus Stellungen heraus gekämpft. Diese<br />

Stellungen waren weder baulich noch hygienisch<br />

für die Soldaten erträglich. In den<br />

vier Jahren wurden etwa zehn Millionen<br />

Soldaten getötet und ca. 20 Millionen verwundet.<br />

Die Anzahl der zivilen Opfer wird<br />

auf 7 Millionen geschätzt.<br />

Das „Märchen vom lieben<br />

Gott“ oder „Der Brief an<br />

den Kaiser“<br />

20. Januar 1918 Auszug:<br />

„Die Götzen aber führten das Volk immer<br />

tiefer ins Elend und erweckten weiter<br />

Hass, Bitternis, Zerstörung und Tod und wie<br />

sie nichts mehr hatten außer blechernen<br />

Schmucksternen und Kreuzen, verschenkten<br />

sie das gestohlene Gut ihrer Völker. Da ging<br />

Gott zu denen die zusammengebrochen waren<br />

unter der Bürde ihrer Leiden, unter Hass<br />

und Lüge: es giebt über euren Götzen einen<br />

„Gott“, es gibt über euren Fahneneid meine<br />

ewigen Gesetze. Es gibt über dem Hass<br />

die „Liebe“. Da gaben die Krüppel ihre blutstinkenden<br />

grauen Kleider, ihre Orden und<br />

Ehrenzeichen zurück an den Gott des Mammons.<br />

Gingen unter das Volk und entheiligten<br />

die Mordwaffen und vernichteten sie.<br />

– Gott aber ging zum Kaiser: „Du bist der<br />

Sklave des Scheins; werde Herr des Lichtes<br />

indem Du der Wahrheit dienst und die Lüge<br />

erkennst! Vernichte die Grenzen, sei der<br />

Menschheit Führer. Erkenne die Eitelkeit des<br />

„Wirkens“ – Sei! – Friedenfürst! Setze an die<br />

Stelle des Wortes die Tat! Demut anstatt Siegereitelkeit<br />

– Wahrheit anstatt Lüge! Aufbau anstatt<br />

Zerstörung. In die Knie vor der Liebe Gottes,<br />

sei Erlöser, habe die Kraft des Dienens. Kaiser!<br />

Unteroffizier Heinrich Vogeler – Worpswede<br />

Kunstmaler“<br />

Die sieben Schalen<br />

des Zorns<br />

Heinrich Vogeler hatte nach dem Absenden<br />

seines Briefes an den Kaiser mit seiner<br />

Erschießung gerechnet, stattdessen wurde<br />

er in die Bremer Psychatrie eingewiesen<br />

und schuf dort die Radierung „Die sieben<br />

Schalen des Zorns“.<br />

„Ich begann zu zeichnen, und zwar<br />

mußte ich mir die Zerstörungen des Krieges<br />

von der Seele malen. Ich malte ein<br />

Heinrich Vogeler<br />

Die sieben Schalen des Zorns, Radierung, 1918<br />

Original im Barkhoff, Worpswede<br />

mystisches Bild mit zerstörten Kirchen,<br />

Leichenfeldern... und alles endete im Himmel,<br />

in den sieben Schalen des Zorns Gottes.“<br />

H. Vogeler, 1918.<br />

APOKALYPSE DES<br />

JOHANNES, 16. Kapitel<br />

Ausgießung der sieben Zornschalen<br />

2.) Und der erste ging hin und goß seine<br />

Schale auf die Erde; und es ward eine böse<br />

und arge Drüse an den Menschen, die das<br />

Malzeichen des Tiers hatten und die sein Bild<br />

anbeteten.<br />

3.) Und der andere Engel goß aus seine<br />

Schale in Meer; und es ward Blut wie eines<br />

Toten, und alle lebendigen Seelen starben in<br />

dem Meer.<br />

Der Niedersachsenstein<br />

Der Niedersachsenstein wurde von 1915<br />

bis 1921 geplant und 1922 gebaut. Als<br />

Bernhard Hoetger 1915 von Professor Fritz<br />

Mackensen gefragt wurde, ein Kriegerdenkmal<br />

für die Gefallenen des 1. Weltkrieges<br />

für das Kirchspiel Worpswede zu<br />

entwerfen, schrieb er an Ludwig Roselius:<br />

„Nur um zu verhüten, dass der Weyerberg<br />

mit dem sogenannten Kriegerdenkmal verunziert<br />

werden sollte, habe ich einen Entwurf<br />

gemacht.“<br />

Die ersten Planungen gingen von einem<br />

siegreichen Kriegsende für Deutschland<br />

aus. Das Denkmal sollte einen Vogel mit<br />

Niedersachsenstein im Heldenhain<br />

ausgestreckten Flügeln zeigen und in dessen<br />

Mitte einen Jüngling als Symbol für die<br />

Auferstehung. Dieser Jüngling ist heute<br />

über dem Eingang zur Bremer Böttjerstraße<br />

zu sehen.<br />

Erinnerungszeichen<br />

Für den Begriff „Erinnerungszeichen“<br />

gibt es keine feste Definition. Es wir unterschieden<br />

zwischen den „sichtbaren“ und<br />

„unsichtbaren“ Erinnerungszeichen.<br />

Zu den für jedermann „sichtbaren“ Erinnerungszeichen<br />

zählen die Denkmäler,<br />

Mahnmale, Monumente und Gedenktafeln.<br />

Sie stehen für das kollektive Erinnern<br />

der Gesellschaft. In fast jeder Gemeinde<br />

des Landkreises Osterholz findet sich ein<br />

Kriegerdenkmal, das an die Gefallenen<br />

des Ortes erinnert. 1926 wurde zum Gedenken<br />

an alle Opfer des 1. Weltkriegs der<br />

Volkstrauertag eingeführt.<br />

Zu den „unsichtbaren“ Erinnerungszeichen<br />

zählen Briefe, Fotos, Kriegtagebücher<br />

und Erinnerungsstücke für das individuelle<br />

Erinnern. Sie machen das Andenken an<br />

die gefallenen Familienmitglieder möglich<br />

und geben ihnen ihren Platz im Familiengedächtnis.<br />

Die Erinnerungszeichen sollen<br />

erlebte Geschichte für jede Generation<br />

erfahrbar machen. Der Brief von Heinrich<br />

Vogeler befindet sich im Haus im Schluh,<br />

Heinrich-Vogeler-Sammlung, Im Schluh<br />

35-37, 27726 Worpswede. Die Originalradierung<br />

von Heinrich Vogeler „Die sieben<br />

Schalen des Zorns“ befindet sich im Barkenhoff<br />

Heinrich-Vogeler-Museum, Ostendorfer<br />

Str. 10, 27726 Worpswede.<br />

Impressum: Das Kreisarchiv Osterholz befindet<br />

sich im Medienhaus im Campus, Am<br />

Barkhof 10 A, 27711 Osterholz-Scharmbeck.<br />

Das Kreisarchiv Osterholz wird von Gabriele<br />

Jannowitz-Heumann geleitet. Sie hatte<br />

mit viel Wissen und Fingerspitzengefühl die<br />

Ausstellung, „100 Jahre Ende des 1. Weltkrieges<br />

1914-1918“ Erinnerungszeichen in<br />

Worpswede, zusammengestellt.<br />

RUNDBLICK Frühjahr 2019<br />

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