Heimat-Rundblick 128
Magazin mit kulturellen und historischen Bezügen zum Elbe-Weser-Raum
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ahn gebracht“. Das Paar hatte u. a. einen<br />
Sohn Hans-Lüder, der Bluter war und zeit<br />
seines Lebens kränkelte und nur 25 Jahre<br />
alt wurde (1920-1945). Die Erbkrankheit<br />
war mütterlicherseits bedingt.<br />
Der Sohn Wilhelm<br />
Tidemann, ein bekannter<br />
Bremer Dichter<br />
Wilhelm Tideman wurde ein bekannter<br />
Bremer Dichter, Lyriker, Philosoph und<br />
Poet, der mit seiner schriftstellerischen<br />
Art, seinen tiefsinnigen Gedankengängen<br />
und seinem außergewöhnlichem Vokabular<br />
auf seine Zeit eingewirkt hat. Mit den<br />
folgenden Zeilen soll auf diesen herausragenden<br />
Bremer Schriftsteller eingegangen<br />
werden. Die Gründung der „Literarischen<br />
Privatkurse“ durch Wilhelm und Wera Tideman<br />
1919 ging 1924 über in die „Neue<br />
Vortragsgesellschaft“ (1924-1934), eine<br />
besondere Art der Volkshochschule: Schaffung<br />
einer Stätte geistigen Lebens, Gegengewicht<br />
zur geistigen Inanspruchnahme<br />
des Berufslebens zur geistigen-sittlichen<br />
Not. Sein kleines Buch „Erinnerungen“<br />
spiegelt bremische Kultur wider, die auf<br />
Haus „Windeck“ um die Jahrhundertwende<br />
bis zum 1. Weltkrieg gelebt wurde, es zeigt<br />
seinen bremischen Charakter: eine Verbindung<br />
des Kaufmanns mit dem Reeder:<br />
Hanseat genannt. Er zitiert einen großen<br />
Gelehrten, nachdem Bremen „die Stadt<br />
war, in der man Sonntags eine gute Predigt<br />
hören und einen guten Braten essen müsste“.<br />
Das sei bremische Art und Sitte. Dieser<br />
bremische Stil lehrt uns: „Nüchternheit<br />
des Urteils, Wille zur Tat, Echtheit der Gesinnung,<br />
Prunklosigkeit der Lebensführung<br />
und jene Freiheit, in der die in sich selbst sichere<br />
Persönlichkeit gedeiht; er zeigt, dass<br />
Innerlichkeit notwendiger und stärker ist<br />
als äußerer Reichtum“. Sein Hauptaugenmerk<br />
zielte auf das Erfragen der Existenz.<br />
Hölderlin und Kierkegaard bestimmten<br />
seinen Weg. In seinem nicht mehr abgeschlossenen<br />
Werk „Philosophie des Schicksals“<br />
begegnen sich östliche Weisheit und<br />
westliche Tragik. Die Vorträge von ihm<br />
und vielen anderen Mitgliedern sind noch<br />
heute zugänglich, befassen sich hauptsächlich<br />
mit philosophischen Fragen. Andreas<br />
Gildemeister hat 1927 in der „Weser<br />
Zeitung“ über ihn geschrieben: „Eine fest<br />
ausgeprägte, oft schroffe und schwierige<br />
Individualität, furchtlos im Ausdruck seiner<br />
Überzeugung, ehrlich und leidenschaftlich<br />
in Neigung und Abneigung, an Güte und<br />
Treue für seine Freunde unübertroffen.“<br />
Zum Schluss der Ausführungen über seine<br />
schriftstellerische Tätigkeiten zitiere ich<br />
einen Absatz aus den „Erinnerungen“: „Du<br />
Garten der Freude, der Jugendlust, du Haus<br />
der zarten Menschen, der edlen, hochgestimmten<br />
Festlichkeit! Du warst die <strong>Heimat</strong>,<br />
über der der Abendwind, von der sinkenden<br />
Sonne vergoldet, die Flagge der Freiheit<br />
wehte“. Wilhelm Tideman wurde auf<br />
dem Waller Friedhof beerdigt. Die Grabstelle<br />
von Wilhelm und Wera Tidemann<br />
hat die Lage Nr. Y96. Insgesamt kann man<br />
sagen, dass sein Leben nicht leicht war, er<br />
hat es sich aber auch nicht leicht gemacht.<br />
Schinkel hat einmal zur Aussicht auf die<br />
Landschaft gesagt: „Landschaftliche Aussichten<br />
gewähren ein besonderes Interesse,<br />
wenn man die Spuren des menschlichen<br />
Daseins dar innen wahrnimmt. Der Reiz<br />
der Landschaft wird erhöht, indem man die<br />
Spuren des Menschlichen recht entschieden<br />
darin hervortreten lässt…“ Begehrte<br />
Plätze in der Landschaft werden als „points<br />
de vue“ bezeichnet. Das Haus wird an den<br />
höchsten Punkt gelegt, darunter breiten<br />
sich Garten und Park aus, über sie hinweg<br />
sieht man in die ideale Landschaft, sprich<br />
Lesum- und Weser-Niederung.<br />
Castle Style<br />
Wappen Tideman<br />
Das im „castle style“ (Burgenstil) errichtete<br />
Haus weist eine Reihe Baukörpergruppierungen<br />
in der Wandarchitektur auf, die<br />
dem großen Baublock Leben verleihen, als<br />
da sind eine turmartige Erhöhung, Arkadengalerien<br />
längs der Dachgesimse in der<br />
Horizontalen und natürlich, sehr wichtig,<br />
Zinnen auf Dachrändern und Türmen. Sowohl<br />
in Bremen wie auch in Hamburg ist<br />
ein ausgeprägtes Interesse an Häusern im<br />
„castle style“ zu finden, welches hauptsächlich<br />
durch die traditionellen und jahrzehntelangen<br />
Handelsbeziehungen zu<br />
England vermittelt wurde. Der Wunsch<br />
nach Präsentation führte dazu, dass die<br />
Eingangsfront monumental-symmetrisch<br />
(englisch) gebaut wurde, während die Gartenseite<br />
verspielter und freier (italienisch)<br />
gestaltet wurde.<br />
Ehemaliger Eingangsbereich von „Windeck“<br />
Die Villa „Windeck“ ist das früheste Beispiel<br />
einer Reihe vom „castle style“ beeinflussten<br />
Gebäude. Aus diesem Grund ist die<br />
typische Formenvielfalt dieser englischen<br />
Bauform noch nicht so ausgeprägt, es ist<br />
viel eher noch eine „normännische“ Formensprache<br />
verbaut. Spätere Bauwerke wie<br />
das Schloss in Wätjens Park in Blumenthal<br />
(1858-1864 erbaut), das Landgut Albrecht<br />
in Leuchtenburg (1868 erbaut) oder Schloss<br />
Mühlenthal des Baron Knoop in St. Magnus<br />
(1868-1871 erbaut) zeigen einen reicher<br />
werdenden Stil in allen Detailformen.<br />
Die zweigeschossige Villa wurde im Stil<br />
der Romantik mit gelben Klinkersteinen<br />
erbaut und ähnelt mit seinem Zinnen<br />
bewehrten Turm entfernt einer Burg am<br />
Rhein. Die „alten Grohner“ sprachen früher<br />
immer von ihrem Schloss „Windeck“.<br />
Der gesamte Hauptbaukörper und die<br />
Türmchen an den Ecken waren früher mit<br />
Zinnen bekrönt. Zur Westseite hin führt<br />
eine breite Freitreppe zu einer vorgelagerten<br />
italienisch geprägten Loggia. Zwei<br />
romantische Säulen stützen die Vorderseite<br />
der Loggia, zwischen denen drei Rundbögen<br />
die Loggia überwölben. Auf einem<br />
alten Foto erkennt man, dass die Loggia<br />
mit Glastüren teilverschlossen war. Der<br />
Söller über der Loggia wurde begrenzt von<br />
einem Vegesacker Eisengussgitter. Heute<br />
sind rotgefärbte, verzierte Betongitter eingesetzt.<br />
Die Hausecken sind allesamt verstärkt<br />
und enden in kleinen Ecktürmchen.<br />
Aneinander gereihte, vorgemauerte Dreiecksspitzen<br />
verbinden die Hausecken unter<br />
dem von Konsolen gestützten Hauptgesims.<br />
Neben der beschriebenen westlichen<br />
Loggia gibt es eine Südveranda sowie eine<br />
heute nicht mehr vorhandene Nordveranda.<br />
Diese Nordveranda, die nur von außen<br />
zugänglich war, wurde in den 1930er Jahren<br />
zusammen mit einem Teil des nördlichen<br />
Hauptbaukörpers abgerissen. Dieser<br />
nördliche Teil wurde um ca. 4 m entfernt,<br />
die beiden Fenster links der Loggia fehlen<br />
heute, die vier Fenster an der nördlichen<br />
Wand im 1. Stock sind jetzt auf zwei Fenster<br />
reduziert worden. Der Dacherker ist<br />
ebenfalls entfernt worden. Man kann nur<br />
vermuten, warum man das Haus so stark<br />
verändert hat; wollte man den großen<br />
Festsaal auf diese Weise verkleinern? Seitdem<br />
fehlt dem Bau die Harmonie; die Veränderungen<br />
kann man noch heute gut<br />
an dem etwas veränderten gelben Backstein<br />
erkennen. An dieser nördlichen Seite<br />
steht heute der Kita-Anbau. Ein großer<br />
Störfaktor stellt seit drei Jahren die an der<br />
Rückwand rechts neben der Loggia angebrachte<br />
Feuerleiter mit hässlicher Holzverkleidung<br />
dar. Früher wurde unterschieden<br />
zwischen einem Ober- und Untergarten.<br />
Beide Gärten waren verbunden mit einer<br />
„Brücke“ genannten steinernen Treppe,<br />
welche im Winkel mit Brückenbögen<br />
die Straße „Am Wasser“ überquerte und<br />
durch verschieden größere und kleine Ab-<br />
RUNDBLICK Frühjahr 2019<br />
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