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Ein Geschenk Gottes<br />
von Gisela Müller Rödental<br />
Mein Name ist Maria. Vor 2005 Jahren wurde ich schwanger.<br />
Alles begann mit einer Erscheinung, die mir mein Gott schenkte:<br />
Dass gerade ich von Gott dafür auserwählt wurde, ist mir<br />
heute noch ein Rätsel. Ich war doch gar nichts Besonderes.<br />
Jung war ich, eine einfache Frau von Nazareth. Ich stand kurz<br />
vor der Hochzeit mit meinem Bräutigam Joseph, als mir ein<br />
Engel erschien. Im ersten Moment war ich natürlich sehr<br />
erschrocken.<br />
Er sagte zu mir:<br />
„Sei gegrüßt, Maria! Gott will dich beschenken. Er hat dich<br />
unter allen Frauen ausgewählt. Hab keine Angst, Maria. Du<br />
wirst ein Kind erwarten und einen Sohn zur Welt<br />
bringen. Jesus soll er heißen. Er wird heilig<br />
sein, und man wird ihn Gottes Sohn nennen“.<br />
Ich fragte ihn, wie das geschehen kann,<br />
wo ich doch nicht verheiratet bin,<br />
und er antwortete mir: „Der Heilige<br />
Geist wird über dich kommen und<br />
die Kraft Gottes wird sich an dir<br />
zeigen“.<br />
Ich wurde tatsächlich schwanger,<br />
wie der Engel vorhergesagt<br />
hatte. Nicht von Joseph<br />
meinem Bräutigam, denn ich<br />
war mit ihm noch nie zusammen.<br />
Schwanger vor der Hochzeit<br />
zu sein, war zu meiner Zeit<br />
sehr schwer. Alle hielten mich<br />
für eine untreue Frau. Auch<br />
Joseph belastete das Gerede.<br />
Joseph hat mir später einmal<br />
gesagt, dass er nahe daran war,<br />
das Verlöbnis in aller Stille zu lösen<br />
und mich zu verlassen. Gott hatte<br />
ihm aber im Traum die Wahrheit über<br />
meine Schwangerschaft mitgeteilt. Er<br />
stand zu mir und heiratete mich. Dafür bin<br />
ich ihm sehr dankbar.<br />
Ich ließ mich auf alles ein, was auch auf mich<br />
zukommen würde, denn ich vertraute meinem Gott. Kurz<br />
vor der Geburt von Jesus mussten wir uns – trotz meiner fortgeschrittenen<br />
Schwangerschaft – wegen dieser Volkszählung<br />
auf die beschwerliche Wanderung nach Betlehem machen. Die<br />
Stadt war voller Menschen und wir fanden dort nur in einem<br />
kleinen Stall Unterkunft. Nicht gerade der Ort, wo ein Ehepaar<br />
und vor allem eine hochschwangere Frau die Nacht gerne verbringt.<br />
Mit der Hilfe Gottes brachte ich dann – in dem kleinen<br />
Stall, zwischen Kuh und Esel – meinen Sohn zur Welt. Mein<br />
Kind, für das ich so dankbar bin.<br />
Die Engel sangen. Hirten kamen. Vergessen war der beschwerliche<br />
Weg und der schmutzige Stall. Eine ganz besondere Nacht<br />
war das. Sie wird immer in meinem Herzen bleiben.<br />
Maria, heute im Jahr 2005<br />
Mein Name ist Maria und ich lebe im Hier und Heute: 2005. Ich<br />
bin schwanger und hin- und hergerissen.<br />
Ich hatte letzte Nacht einen Traum.<br />
Ich sehe darin meine Freundinnen, wie sie auf mich einreden.<br />
Sie, die unabhängig und frei leben wollen, fragen mich, ob<br />
denn das Kind zum jetzigen Zeitpunkt nicht meine Ziele und<br />
Träume störe. Sie erklären mir, wie ich gebunden sein würde,<br />
und wie ein Kind mich bremsen würde in meinem Fortkommen.<br />
Und ich sehe Josef, meinen Freund, wie er sich bemüht,<br />
sich über die Nachricht meiner Schwangerschaft zu freuen,<br />
sehe jedoch vor allem seine Skepsis. Skepsis darüber,<br />
ob es führ ihn und mich zum jetzigen Zeitpunkt<br />
richtig ist, das Kind zu behalten. Wird<br />
er auch weiterhin zu mir stehen, wenn ich<br />
mich für die Geburt des Kindes entscheiden<br />
sollte?<br />
Eine Spirale aus Worten kreist nun<br />
vor mir: Der richtige Zeitpunkt?<br />
Gebunden sein? Abschied von<br />
Lebensträumen? Wie geht es<br />
weiter? Plötzlich höre ich aus<br />
dem Hintergrund eine mir<br />
unbekannte liebevolle Stimme<br />
sagen: „Ein Kind ist Leben.<br />
Ein Kind ist Freude und Glück,<br />
auch inmitten aller Probleme<br />
und Schwierigkeiten“. Und<br />
die Spirale löst sich nun auf,<br />
bis der Klang der Stimme verhallt.<br />
Meine Eltern tauchen nun im<br />
Traum auf. Ich sehe Papa, der es<br />
immer gut meint. Wie er, mit seiner<br />
besser wissenden Art mit Josef<br />
spricht, von dem er ja nicht viel hält,<br />
wie es nun weitergehen soll. Ach,<br />
wenn er doch einmal auf mich und das<br />
Baby eingehen würde! Dann wechselt das<br />
Bild und ich stehe mit Mutti in der Küche. Sie<br />
redet über ihre Schwangerschaft mit mir. Wie sie<br />
sich entschieden hatte, zuhause zu bleiben, um sich genügend<br />
um mich kümmern zu können. Sie legt den Arm um mich<br />
und hatte ein Lächeln auf ihrem Gesicht.<br />
Und dann, dann sehe ich mich im Traum. Als stolze Mutter mit<br />
dem Kind im Arm, wie es auf meinem nackten Bauch liegt und<br />
meine Brust sucht. So hilfsbedürftig so klein und so lebendig.<br />
Da erklingt erneut leise im Hintergrund die unbekannte Stimme:<br />
„Ein Kind ist ein Geschenk Gottes! Ein Geschenk, eine<br />
Bereicherung für dich!“<br />
Ich wache schweißgebadet auf. Der Traum lässt mich seitdem<br />
nicht mehr los und ich finde heute kaum einen anderen Gedanken.<br />
Was will mir dieser Traum sagen? Was ist die richtige Entscheidung!<br />
Was soll ich tun?<br />
Ich schlage die Zeitung auf, wie ich es jeden Abend mache,<br />
wenn ich heimkomme, und mein erster Blick fällt auf eine<br />
Anzeige: Schwanger - ratlos - wir helfen!, heißt es da. Ist es<br />
Zufall oder ein Wink?<br />
■<br />
<strong>LEBE</strong> <strong>75</strong>/2005<br />
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