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Interview<br />
„Es zeigt sich immer stärker die Versuchung zur Euthanasie, das heißt, sich zum<br />
Herrn über Leben und Tod zu machen, indem man ihn vorzeitig herbeiführt und<br />
so dem eigenen oder dem Leben anderer ‚auf sanfte Weise‘ ein Ende bereitet. In<br />
Wirklichkeit stellt sich, was logisch und menschlich erscheinen könnte, wenn man<br />
es zutiefst betrachtet, als absurd und unmenschlich heraus.“<br />
Papst Johannes Paul II.<br />
die christliche Auferstehungshoffnung<br />
hat, ist klar, doch auch allen anderen<br />
Menschen kann man mit Geduld und<br />
Liebe den Trost spenden, der nötig<br />
ist, um weiterzuleben. Ich kann keinen<br />
Menschen von seinem Leid befreien,<br />
das kann niemand, aber ich kann versuchen,<br />
ihm die Verzweiflung zu nehmen.<br />
Ich würde ihm konkret raten, alle<br />
Möglichkeiten auszuschöpfen, die die<br />
Palliativmedizin heute bietet.<br />
Sie merken: Mein Programm kostet Zeit<br />
und Geld. Und das ist der Punkt: Sind<br />
wir bereit, diese Zeit und dieses Geld<br />
zu investieren? Oder suchen wir nach<br />
schnelleren, billigeren Lösungen?<br />
De facto ist Abtreibung straffrei, die<br />
Präimplantationsdiagnostik ist zulässig<br />
und auch für Sterbehilfe gibt es breites<br />
Verständnis. Wie passt Ihre Haltung noch in<br />
die heutige Zeit?<br />
Ich glaube nicht, dass die Achtung der<br />
Würde des Menschen und der Schutz<br />
des Lebens etwas ist, das „unmodern”<br />
werden könnte, wie Sie mit der Frage<br />
suggerieren. Das wäre ja schlimm!<br />
Zudem glaube ich nicht, dass die<br />
Behauptung, etwas „passe nicht in die<br />
heutige Zeit” oder sei „nicht mehrheitsfähig”<br />
für sich genommen ein gutes<br />
ethisches Argument darstellt. Ich glaube,<br />
dass die Würde und das Leben des<br />
Menschen kein Verfallsdatum haben<br />
– weder im Einzelfall noch als Themen<br />
des Diskurses – und auch nicht einfach<br />
dadurch bedeutungslos werden, dass<br />
Abstimmungen oder Umfragen in einer<br />
bestimmten Weise ausfallen. Das<br />
gilt übrigens auch für andere Fragen<br />
des Lebensschutzes, die sich aus dem<br />
Konzept der Würde eindeutig beantworten<br />
lassen, wie die Todesstrafe oder<br />
die Rettungsfolter, für deren Zulassung<br />
sich auch Mehrheiten organisieren ließen.<br />
Dennoch wäre eine solche aus<br />
meiner Sicht moralisch falsch.<br />
Welche Folgen hätte es, wenn es jedermann<br />
erlaubt wäre, Sterbehilfe zu leisten?<br />
Das weiß ich nicht. Das ist ja gerade<br />
das Problem: Dass aus einer bestimmten<br />
Norm, die mit durchaus guten<br />
Absichten gemacht wird, letztlich ein<br />
nicht zu kontrollierendes gesellschaftliches<br />
Klima erwächst, in dem unerwünschte<br />
Effekte eintreten, die – und<br />
das ist entscheidend – normativ nicht<br />
einzuholen sind. Die Folgen zeigen<br />
sich in der Alltagsmoral, im Umgang<br />
mit kranken und alten Menschen und<br />
vor allem auch mit deren Angehörigen,<br />
die ja schließlich „etwas tun” könnten.<br />
Das sind Ebenen, die sich selbst nicht<br />
rechtlich regeln lassen, gleichwohl aber<br />
Frucht einer Rechtsnorm sein könnten.<br />
Ich fürchte, dass mit der Akzeptanz von<br />
nicht-gewerblicher Sterbehilfe in Form<br />
eines Gesetzes der Druck auf kranke<br />
und alte Menschen, doch bitte „sozialverträglich”<br />
aus dem Leben zu scheiden,<br />
beziehungsweise auf Angehörige,<br />
ihnen dabei zu helfen, immer mehr<br />
zunehmen wird. Mit dem Recht,<br />
Sterbehilfe beanspruchen beziehungsweise<br />
leisten zu können, korrespondiert<br />
nämlich die Pflicht zur Rechtfertigung,<br />
warum man dies dann nicht tut.<br />
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<strong>LEBE</strong> <strong>113</strong>/2013<br />
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