2019_08_impuls
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KAUNERTAL<br />
Karges Bauernleben zwischen Lawinenstrichen<br />
Die 600 Jahre alten Ögghöfe in Feichten erinnern neu saniert an alte Zeiten<br />
Ein ganz besonderes Baudenkmal<br />
ziert die steilen Hänge oberhalb<br />
des Kaunertaler Hauptortes<br />
Feichten. Die Ögghöfe, wo<br />
einst drei Familien im klammen<br />
Hang auf 1.440 Meter Seehöhe<br />
unter schwierigsten Bedingungen<br />
ihren Alltag meisterten, waren<br />
bis 1978 besiedelt. Die drei<br />
Besitzer des Adlerhorstes retteten<br />
zuletzt mit Hilfe des Denkmalamtes<br />
ihre Gebäude vor dem<br />
Zerfall. Stilvoll renoviert, dient<br />
das Gehöft jetzt für Seminare<br />
und die Vermietung an geschichtsbewusste<br />
Gäste.<br />
Die Ögghöfe oberhalb von Feichten<br />
wurden vor 600 Jahren gebaut und<br />
zählen zu den ältesten bäuerlichen<br />
Gehöften in Tirol.<br />
Foto: Eiter<br />
Gertrud Praxmarer, die Tochter<br />
des ehemaligen Bürgermeisters<br />
Meinrad Lentsch, macht für ihren<br />
Sohn Georg, den Obmann des Sanierungsvereines,<br />
gerne Führungen.<br />
„Schau, das sind die Eltern<br />
meines Vaters, Johanna und Tobias<br />
Lentsch“, zeigt die 79-Jährige<br />
auf zwei Schwarz-Weiß-Portraits,<br />
die in der getäfelten Stube hängen.<br />
„Da ist auch mein Mann aufgewachsen.<br />
In der Zeit zwischen den<br />
beiden Weltkriegen haben hier auf<br />
engstem Raum 54 Leute gelebt.<br />
Von den jungen Männern sind<br />
viele im Krieg gefallen“, erzählt<br />
Gertrud, die mehrmals pro Woche<br />
mit ihren Wanderstöcken hinauf<br />
zu den Ögghöfen steigt. „Im Sommer<br />
ist das hier eine Idylle. Im<br />
Winter kommt man oft gar nicht<br />
hin, weil die gewaltigen Staublawinen<br />
beim Huiselers Loch und der<br />
Bäcke Lahn meterhoch den Zugang<br />
versperren“, verrät Praxmarer.<br />
Großer Zusammenhalt<br />
Heute gehören die drei Höfe den<br />
Familien von Georg Praxmarer,<br />
Hermann Mair und Wolfgang<br />
Moritz. Sie alle sind Nachkommen<br />
der einstigen Bewohner.<br />
„Schön ist, dass der Zusammenhalt<br />
geblieben ist. Früher haben<br />
sich die Familien beim Heumahd<br />
gegenseitig geholfen. Jetzt kümmern<br />
sich alle gemeinsam um den<br />
Erhalt und die Sanierung der<br />
Höfe“, zeigt sich Gertrud Praxmarer<br />
stolz und führt Gäste gerne<br />
durch die alten Räume, die mittlerweile<br />
großteils mit modernen<br />
Mitteln originalgetreu saniert<br />
sind.<br />
Rauchkuchl & Tonnenöfen<br />
Die Ögghöfe wurden erstmals<br />
1420 erwähnt. Traditionelle<br />
Rauchkuchl, Tonnenöfen und gemütliche<br />
Stuben mit Herrgottswinkeln<br />
erlauben einen Blick zurück<br />
in eine bäuerliche Kultur, die<br />
kaum mehr irgendwo zu erleben<br />
ist. In den historischen Gemäuern<br />
der Ögghöfe haben Generationen<br />
ihre Spuren hinterlassen. Sie haben<br />
die steilen Hänge in traditioneller<br />
Weise gepflegt und von der<br />
Landwirtschaft gelebt. Als 1978<br />
In der alten Stube zeigt Gertrud Praxmarer die Fotos ihrer Großeltern Johanna und Tobias Lentsch. Zu deren Zeit lebten<br />
noch mehr als 50 Menschen auf den Ögghöfen. Die alte Rauchkuchl wurde originalgetreu belassen. Laut Gertrud Praxmarer<br />
hat ihre Oma Johanna Lentsch hier einst täglich für 12 Kinder gekocht.<br />
Foto: Eiter<br />
der letzte Bewohner ins Tal zog,<br />
wurde es still auf der Ögg. Der<br />
Verein Kulturdenkmal Ögghöfe<br />
möchte diesen ganz besonderen<br />
Ort erhalten. Das Bundesdenkmalamt<br />
hat das rund 600 Jahre<br />
alte Ensemble – drei Höfe sind<br />
teilweise ineinander verbaut – unter<br />
Schutz gestellt. Nun wird es<br />
nach und nach behutsam renoviert<br />
und einer neuen Nutzung zugeführt.<br />
Seminare und Kurse<br />
Der Hof mit der Nummer 221<br />
wurde von Georg Praxmarer zu einem<br />
Seminarhof ausgebaut, der<br />
für Mitarbeiterschulungen, Seminare<br />
für Manager, Kreativ-Kurse<br />
oder Gesundheitsvorsorge ein optimales<br />
Umfeld bietet. Der Hof<br />
mit der Nummer 222 ist von Familie<br />
Mair liebevoll als Ferienapartment<br />
renoviert worden. Der<br />
Verein Kulturdenkmal Ögghöfe<br />
wurde im Frühjahr 2015 gegründet.<br />
Obmann Georg Praxmarer<br />
freut sich mittlerweile über zirka<br />
50 Mitglieder, die mithelfen, das<br />
wertvolle Erbe zu erhalten. Gemeinsam<br />
mit engagierten Mitstreitern<br />
will er den Ögghöfen<br />
neues Leben einhauchen. Der Verein<br />
organisiert Veranstaltungen,<br />
die zu einer Belebung führen. Er<br />
macht aber auch Bewusstseinsarbeit.<br />
Und kümmert sich laufend<br />
um konkrete Sanierungsmaßnahmen,<br />
die immer mit den Verantwortlichen<br />
des Bundesdenkmalamtes<br />
abgesprochen sind. Nähere<br />
Infos unter www.oegghof.at<br />
(me)<br />
38 7. Mai <strong>2019</strong>