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KAHN, Waldluft web

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Die Schnitzel sind fertig, der Salat ist’s auch. Aus der Speisekammer<br />

holt sie die Preiselbeermarmelade und aus dem Keller<br />

den Wein. Sie öffnet das Fenster: „Waldemar!“ Er hört es<br />

nicht. Noch einmal: „Waldemar!“ Er schaut auf, dreht den<br />

Kopf in ihre Richtung. Sie deutet mit der Hand zum Mund. Er<br />

kennt sich aus, nickt. Sie reden oft, immer öfter mehr mit Gesten<br />

als mit Worten. Es wird noch ein bisschen dauern, bis er<br />

am Tisch sitzt. Er wird sich die Stiefel und den Overall vor der<br />

Haustür ausziehen, Waldemar hat Manieren. Das war nicht<br />

immer so. Sie hat ihm viel beibringen müssen. Und manchmal<br />

hat er auch heute noch seinen Sturschädel.<br />

Jetzt kommt er, sie hört die Haustür. Sie haben sich beide<br />

schon gut eingelebt im neuen Haus. Neu ist das Haus nicht,<br />

es ist sogar uralt, aber sie haben es renovieren lassen. Vor einem<br />

Jahr haben sie es gekauft vom alten Haselschmid. Der<br />

lebt im Altersheim, hat das Haus also nicht mehr gebraucht.<br />

Sein Sohn hätte es schon brauchen können, dem hat er es aber<br />

nicht gegeben. Die beiden leben im Krieg miteinander – schon<br />

länger. Auch andere Kaufinteressenten hätte es gegeben.<br />

„Erna, ich hätte doch einen kleinen Bagger anstellen sollen.“<br />

„Du hättest das Ganze gar nicht anfangen sollen!“<br />

„Schon wieder die gleiche Leier.“<br />

„Was hast du gesagt?“<br />

„Gut hast du gekocht.“ Aber zuerst hat er etwas anderes gesagt.<br />

Schweigend essen sie nun. „Pute“, sagt er nach einem<br />

Weilchen.<br />

„Ja, Pute. Passt etwas nicht?“<br />

„Alles in Ordnung!“ Dann steht er auf.<br />

„Was ist jetzt?“<br />

„Die Nachrichten!“ Er schaltet das Radio ein. „Herrgott na,<br />

schon vorbei! Dann stimmt aber die Uhr nicht.“<br />

Erna schaut auf ihre Armbanduhr, dann auf die Küchenuhr.<br />

Tatsächlich – die ist drei Minuten hinten. Wie er sie schon wieder<br />

anschaut! Vorwurfsvoll und merklich angefressen. „Ja,<br />

bin jetzt vielleicht ich schuld, dass die Uhr ein bisschen hinten<br />

ist?“<br />

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