Sicherheitspaket NRW
Dieser Sonderartikel aus der VDP-Fachzeitschrift Polizei - Studium - Praxis 2/2019 erläutert die wesentlichen Inhalte des "Sicherheitspaket I", das Ende 2018 in Nordrhein-Westfalen in Kraft getreten ist. Autor des Artikel ist Dr. Dr. Markus Thiel, der als Universitätsprofessor an der Deutschen Hochschule der Polizei in Münster-Hiltrup lehrt.
Dieser Sonderartikel aus der VDP-Fachzeitschrift Polizei - Studium - Praxis 2/2019 erläutert die wesentlichen Inhalte des "Sicherheitspaket I", das Ende 2018 in Nordrhein-Westfalen in Kraft getreten ist. Autor des Artikel ist Dr. Dr. Markus Thiel, der als Universitätsprofessor an der Deutschen Hochschule der Polizei in Münster-Hiltrup lehrt.
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Beilage PSP 2/2019 • Markus Thiel, „Das Sechste Gesetz zur Änderung des PolG <strong>NRW</strong> (‚<strong>Sicherheitspaket</strong> I‘)“<br />
Dr. Dr. Markus Thiel<br />
Universitätsprofessor an der Deutschen Hochschule der<br />
Polizei in Münster-Hiltrup und Leiter des Fachgebiets III.4 –<br />
Öffentliches Recht mit Schwerpunkt Polizeirecht<br />
Das Sechste Gesetz<br />
zur Änderung des<br />
Polizeigesetzes des Landes<br />
Nordrhein-Westfalen<br />
(„<strong>Sicherheitspaket</strong> I“)<br />
Am 20. Dezember 2018 ist in Nordrhein-Westfalen<br />
das Gesetz zur Stärkung der Sicherheit in<br />
Nordrhein-Westfalen – Sechstes Gesetz zur Änderung<br />
des Polizeigesetzes des Landes Nordrhein-<br />
Westfalen vom 13. Dezember 2018 1 in Kraft getreten.<br />
Die vorgenommenen Änderungen und<br />
Ergänzungen bilden das sog. <strong>Sicherheitspaket</strong> I,<br />
dem weitere, teilweise deutlich umfangreichere<br />
Novellen folgen sollen. Nahezu parallel hat das<br />
am 29. Dezember 2018 in Kraft getretene Gesetz<br />
zur Anpassung des Polizeigesetzes des Landes<br />
Nordrhein-Westfalen und des Gesetzes über Aufbau<br />
und Befugnisse der Ordnungsbehörden vom<br />
18. Dezember 2018 2 einige (in diesem Beitrag<br />
nicht dargestellte) Anpassungen bei den Vorschriften<br />
zum polizeilichen Umgang mit Daten<br />
vorgenommen; Hintergrund sind die europäischen<br />
Vorgaben zum Datenschutz (Datenschutz-<br />
Grundverordnung und sog. JI-Richtlinie) sowie<br />
die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts aus<br />
seiner Entscheidung zum BKA-Gesetz. 3 Dieser<br />
Beitrag erläutert die wesentlichen neuen Inhalte<br />
des „<strong>Sicherheitspaket</strong>s I“ im Überblick.<br />
1 GV. <strong>NRW</strong>. Nr. 31 v. 19.12.2018, S. 684 ff.; redaktionelle Berichtigungen<br />
in GV. <strong>NRW</strong>. Nr. 2 v. 4.2.2019, S. 23.<br />
2 GV. <strong>NRW</strong>. Nr. 32 v. 28.12.2018, S. 741 ff.<br />
3 BVerfGE 141, 220 ff.<br />
I. § 8 Abs. 4 PolG <strong>NRW</strong> – Definition<br />
der „terroristischen Straftat“<br />
Der nordrhein-westfälische Gesetzgeber hat mit<br />
dem „<strong>Sicherheitspaket</strong> I“ aus seiner Sicht dringend<br />
erforderliche neue Eingriffsbefugnisse zur Bekämpfung<br />
des Terrorismus schaffen wollen, wobei sich die<br />
Neuregelungen nicht auf dieses Handlungsfeld beschränken<br />
(s. z.B. §§ 34b Abs. 1 Satz 3, 34c Abs. 2<br />
PolG <strong>NRW</strong>). Der Gesetzentwurf 4 hatte noch Legaldefinitionen<br />
der „drohenden“ und der „drohenden<br />
terroristischen Gefahr“ vorgesehen und die Begriffsbestimmungen<br />
an die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts<br />
in seiner BKAG-Entscheidung angelehnt.<br />
Angesichts der vehementen Kritik an diesen<br />
(als neuartig wahrgenommenen) „Gefahrenkategorien“<br />
in der Bevölkerung, in den Medien und in Teilen<br />
des fachwissenschaftlichen Schrifttums, die auch im<br />
Rahmen der ersten der beiden im Gesetzgebungsverfahren<br />
durchgeführten Sachverständigenanhö rungen<br />
zum Ausdruck gekommen ist, wurde mit dem ersten<br />
Änderungsantrag 5 der Regierungsfraktionen zum <strong>Sicherheitspaket</strong><br />
auf die beiden Gefahrenbegriffe verzichtet<br />
und stattdessen ein anderes Regelungskonzept<br />
verfolgt.<br />
§ 8 hat nunmehr einen neuen Abs. 4 erhalten, der<br />
den Begriff der „terroristischen Straftat“ mit einer<br />
recht komplexen Legaldefinition handhabbar machen<br />
soll. Die Gefahr der Begehung einer solchermaßen<br />
qualifizierten Straftat dient dann in einigen der neuen<br />
Ermächtigungsgrundlagen als tatbestandliche Voraussetzung.<br />
So findet sich die „terroristische Gefahr“ z.B.<br />
in Tatbestandsvarianten der polizeilichen Anhalte- und<br />
Sichtkontrolle (§ 12a Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 PolG <strong>NRW</strong>,<br />
s.u. II.), der Datenerhebung durch die Überwachung<br />
der laufenden Telekommunikation (§ 20c Abs. 1 Nr. 2<br />
PolG <strong>NRW</strong>, s.u. IV.), der Aufenthaltsvorgabe (§ 34b<br />
Abs. 1 PolG <strong>NRW</strong>, s.u. V.) und der elektronischen<br />
Aufenthaltsüberwachung (§ 34c Abs. 1 PolG <strong>NRW</strong>,<br />
s.u. VI.). Damit Straftaten „terroristische“ sind, müssen<br />
sie zunächst einen der in § 8 Abs. 4 Nrn. 1–4 PolG<br />
<strong>NRW</strong> genannten Straftatbestände erfüllen. Nr. 1 zählt<br />
eine Reihe von Strafnormen aus dem StGB auf, Nr. 2<br />
Vorschriften aus dem Völkerstrafgesetzbuch, Nr. 3<br />
Bestimmungen aus dem Kriegswaffenkontrollgesetz<br />
und Nr. 4 Regelungen aus dem Waffengesetz. Aus der<br />
Aufzählung in Nr. 1 wurden im Verlauf des Gesetzge-<br />
4 LT-Drs. 17/2351 v. 11.4.2018.<br />
5 LT-Drs. 17/3865 v. 10.10.2018; weitere Änderungsanträge: LT-Drs.<br />
17/4466 v. 5.12.2018; 17/4507 v. 6.12.2018; 17/4508 v. 6.12.2018;<br />
LT-Drs. 17/4541 v. 11.12.2018; LT-Drs. 17/4542 v. 11.12.2018; LT-Drs.<br />
17/4563 v. 12.12.2018; LT-Drs. 17/4565 v. 12.12.2018.<br />
2<br />
2/2019<br />
P S P