Ennsthaler Magazin Sommer2019
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Alle Angst ist ihr fremd<br />
Sie spricht und schreibt im Namen der Unterdrückten und Randfiguren, sie wurde<br />
zur Leitfigur des Widerstands. Elif Shafak kennt weder Angst noch Tabus.<br />
Dies belegt sie auch mit ihrem neuen, grandiosen Roman „Unerhörte Stimmen“.<br />
Ihr eigenes Leben sei doch viel zu unbedeutsam, um<br />
darüber ein Buch zu schreiben, sagt Elif Shafak. Es ist<br />
so ziemlich die einzige Aussage von ihr, die einer glatten<br />
Lüge gleichkommt. Denn mit all ihren Werken begab und<br />
begibt sich die türkische Autorin auf höchst gefährliches<br />
Terrain, jede ihrer Äußerungen hält die Behörden und die<br />
Zensoren auf Trab. Und die Gehasste des schier allmächtigen<br />
türkischen Sultans ist sie seit bald zwei Jahrzehnten.<br />
Als 2006 in ihrer Heimat der Roman „Der Bastard“ erschien,<br />
der von den Vertreibungen und Massakern an den<br />
Armeniern handelt, musste sich die Literatin vor Gericht<br />
verantworten. Aus „Mangel an Beweisen“ wurde sie freigesprochen.<br />
Damals galt das als Zeichen einer politischen<br />
Öffnung und als deutliches Signal für mehr Meinungsfreiheit;<br />
ein großer Irrtum, wie sich alsbald zeigte.<br />
Mit ihren mittlerweile rund fünfzehn Werken, die in<br />
rund 40 Sprachen übersetzt wurden, hat die Tochter einer<br />
Diplomatin und eines Soziologieprofessors längst einen<br />
Stammplatz in der Weltliteratur inne, Werke wie „Der<br />
Bonbonpalast“ oder „Der Geruch des Paradieses“ zählen<br />
zu Gegenwartsklassikern. Der Name Shafak gilt als Synonym<br />
für den Widerstandskampf, für das Aufbegehren<br />
gegen jede Art der Unterdrückung, für die Forderung<br />
nach Gleichberechtigung. Natürlich stehen dabei die politischen<br />
Ereignisse in der Türkei im Mittelpunkt, aber sie<br />
liefern nur das Basismaterial für globale Unterdrückungsmechanismen.<br />
„Ich mag keine Identitäten, und ich mag<br />
keine Identitätspolitik, die uns auf eine einzige Identität<br />
reduziert“, sagte Elif Shafak vor zwei Jahren, als sie den<br />
Ehrenpreis des Österreichischen Buchhandels erhielt.<br />
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