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4_2019 Leseprobe

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www.biogas.org Fachverband Biogas e.V. | ZKZ 50073 | 22. Jahrgang 4_<strong>2019</strong><br />

BI<br />

GAS Journal<br />

Das Fachmagazin der Biogas-Branche<br />

Bezugsstrom aus Wind- und<br />

Solarenergie S. 36<br />

Gasaufbereitung mit ionischen<br />

Flüssigkeiten S. 60<br />

Kleinbiogasanlagen<br />

für Nepal S. 70<br />

TOPTHEMA:<br />

Alternativer<br />

Ackerbau<br />

Adressfeld


INHALT<br />

BIOGAS JOURNAL | 4_<strong>2019</strong><br />

16<br />

EDITORIAL<br />

3 Ihre Verkehrswende?<br />

Von Dipl.-Ing. (FH) Hendrik Becker,<br />

Vizepräsident des<br />

Fachverbandes Biogas e.V.<br />

AKTUELLES<br />

6 Meldungen<br />

8 Termine<br />

9 Biogas-Kids<br />

10 Innovationen aus Werkstatt<br />

und Labor<br />

Von Dipl.-Ing. agr. (FH) Martin Bensmann<br />

14 Finanzierungs- und Fördertage am<br />

25. und 26. September in Berlin<br />

TOPTHEMA<br />

Alternativer Ackerbau<br />

16 Systemwechsel: Nicht öko, aber<br />

alternativ – mit Flächenrotte,<br />

Fermentbrühe und Komposttee<br />

Von Dipl.-Ing. agr. (FH)<br />

Martin Bensmann<br />

22 Direktsaat: weniger Erosion,<br />

mehr verfügbares Bodenwasser,<br />

vitalerer Boden<br />

Von Dipl.-Journ. Wolfgang Rudolph<br />

26 Grün in Grün: Nachhaltiger und<br />

klimaschonender Ackerbau<br />

Von Thomas Gaul<br />

PRAXIS<br />

32 Pflanzenkohle im Fermenter<br />

Von Thomas Gaul<br />

36 Wind- und Sonnenstrom für den<br />

eigenen Bedarf<br />

Von Dipl.-Ing. agr. (FH) Martin Bensmann<br />

40 Biogas mit Kleinwind<br />

Von Dierk Jensen<br />

44 Strom, Wärme und Eiweißfutter<br />

Von Dipl.-Ing. Heinz Wraneschitz<br />

48 Anlagen des Monats<br />

50 Wegweisende Kooperation für<br />

sauberere Müllfahrzeuge<br />

Interview:<br />

Erdgas-Lkw konkurrenzfähig zum<br />

Dieselantrieb<br />

Von Eur Ing Marie-Luise Schaller<br />

54 Herstellermeinung<br />

Rührwerksvergleich nach ISO 21630:<br />

2007-08 bietet Bewertungsmöglichkeit<br />

Von Thomas Stemmer und<br />

Paul Thürwächter<br />

56 Land erwärmt Stadt<br />

Von Dierk Jensen<br />

4


BIOGAS JOURNAL | 4_<strong>2019</strong><br />

INHALT<br />

TITELFOTO: CARMEN RUDOLPH I FOTOS: CARMEN RUDOLPH, MARTINA BRÄSEL, GLS ZUKUNFTSSTIFTUNG ENTWICKLUNG<br />

60 76<br />

WISSENSCHAFT<br />

60 Rohgasreinigung mit ionischen<br />

Flüssigkeiten<br />

Von Dipl.-Ing. · Dipl.-Journ. Martina Bräsel<br />

INTERNATIONAL<br />

Frankreich<br />

64 Biomethan: feste Vergütung für 15 Jahre<br />

Von Dipl.-Ing · Dipl.-Journ. Martina Bräsel<br />

Nepal<br />

70 Mit Biogas gegen die Abholzung<br />

Von Dipl.-Ing · Dipl.-Journ. Martina Bräsel<br />

76 Stiftungen als Akteure im Biogassektor<br />

Von Dr. Katharina Franziska Braig,<br />

Dr. Bernhard von der Haar, Kathrin Stangl<br />

VERBAND<br />

Aus der Geschäftsstelle<br />

80 Deutsche wollen mehr Klimaschutz,<br />

aber ...<br />

Von Dr. Stefan Rauh und<br />

Dipl.-Ing. agr. (FH) Manuel Maciejczyk<br />

84 Aus den Regionalgruppen<br />

85 Aus den Regionalbüros<br />

90 Mehr Flexibilität wagen!<br />

Von Dr. Stefan Rauh<br />

92 Sechs Jahre EZ-Scout beim Fachverband<br />

Biogas e.V.: Eine Erfolgsgeschichte<br />

Von Markus Fürst<br />

94 Dreharbeiten mit dem Hackl Schorsch<br />

96 Politik muss verlässlichere Signale<br />

ausstrahlen<br />

Von Dipl.-Ing. agr. (FH) Manuel Maciejcyk<br />

97 20. Treffen der AG Öffentlichkeitsarbeit<br />

98 Impressum<br />

Beilagenhinweis:<br />

Das Biogas Journal enthält Beilagen<br />

der Firmen agrikomp, Bayernwerk,<br />

HR-Energiemanagement, Orts GmbH<br />

Maschinenfabrik, PRONOVA Analysetechnik<br />

und UNION Instruments.<br />

5


PRAXIS / TITEL<br />

BIOGAS JOURNAL | 4_<strong>2019</strong><br />

BODEN VITALISIERENDER ACKERBAU<br />

Systemwechsel:<br />

Nicht öko, aber alternativ – mit<br />

Flächenrotte, Fermentbrühe und<br />

Komposttee<br />

Ein Feld mit Grünroggen, der<br />

als Ganzpflanzensilage geerntet<br />

werden soll. Der plattgefahrene<br />

Streifen ist ein Versuch, um<br />

zu schauen, mit welcher Saattechnik<br />

die nächste Hauptfrucht<br />

direkt in den niedergedrückten<br />

Pflanzenbestand gesät werden<br />

könnte. In den USA forscht unter<br />

anderem die Universität von Wisconsin<br />

zu diesen sogenannten<br />

Cover-Crop-Systemen und erzielt<br />

damit interessante Ergebnisse.<br />

Dort wird die grüne Vorfrucht mit<br />

Messerwalzen in der Fronthydraulik<br />

des Schleppers niedergewalzt,<br />

was die Austrocknung der<br />

Vorfrucht begünstigt.<br />

FOTOS: MARTIN BENSMANN<br />

16


BIOGAS JOURNAL | 4_<strong>2019</strong><br />

PRAXIS / TITEL<br />

Immer mehr Landwirte denken über die Art und Weise, wie sie ihren Boden bewirtschaften, nach. Die Gründe<br />

dafür sind vielfältig. So zwingen lokale, regionale oder großräumige Wetterextreme mit ausgeprägten Trockenphasen<br />

ohne Niederschlag beziehungsweise im Gegensatz dazu Starkregenereignisse zum Umdenken.<br />

Des Weiteren bringen humuszehrende Fruchtfolgen die Böden an die Grenzen der Ertragsfähigkeit. Darüber<br />

hinaus erschweren Restriktionen vom Gesetzgeber hinsichtlich der Nährstoffversorgung und zunehmend<br />

auftretende Resistenzen von Kulturbegleitpflanzen, die mit chemischen Pflanzenschutzmitteln nur schwer<br />

bekämpft werden können, die ackerbauliche Praxis. So ist es kein Wunder, dass Landwirte ihr jahrzehntelang<br />

praktiziertes System infrage stellen und beginnen, über den Tellerrand zu schauen.<br />

Von Dipl.-Ing. agr. (FH) Martin Bensmann<br />

Ein solcher Landwirt, der über<br />

den Tellerrand schaut und einen<br />

Systemwechsel vollzogen hat,<br />

ist auch Michael Reber, der mit<br />

seiner Familie einen landwirtschaftlichen<br />

Betrieb in Schwäbisch Hall<br />

(Baden-Württemberg) bewirtschaftet. Seit<br />

er 1997 den elterlichen Hof übernahm, hat<br />

er viele Wendepunkte in seinem Betriebsleiterleben<br />

bewältigen müssen. 2009 war<br />

zum Beispiel ein solches Jahr: „Aufgrund<br />

der Neueinteilung von Flächen im Rahmen<br />

der Flurneuordnung mussten wir auf 75<br />

Prozent der Ackerflächen bei null anfangen,<br />

was die Bodenfruchtbarkeit anging.<br />

Und das, obwohl wir bis dahin schon über<br />

20 Jahre lang pfluglosen Ackerbau gemacht<br />

hatten. Wir hatten damit gute Erfolge<br />

bezüglich Erosionsschutz, Tragfähigkeit<br />

der Böden und Bodenfruchtbarkeit insgesamt“,<br />

erklärt Reber.<br />

Im gleichen Jahr ging die Biogasanlage<br />

in Betrieb mit ursprünglich 400 Kilowatt<br />

(kW) installierte elektrische Leistung. Inzwischen<br />

verfügt die Anlage über 750 kW<br />

Bemessungsleistung. Mit der Aufnahme<br />

der Biogasproduktion und der gleichzeitigen<br />

Aufgabe der Schweinehaltung habe<br />

sich auch die Fruchtfolge auf dem Acker<br />

verändert. Von Winterraps, Winterweizen,<br />

Hafer und Wintergerste hin zu Mais, Weizen<br />

und Gerste hintereinander. Die Ernte von<br />

Silomais im Herbst unter zu nassen Bodenbedingungen<br />

sowie die Abfuhr der organischen<br />

Substanz hätten sich weiter negativ<br />

auf die Ackerflächen, bei denen es sich von<br />

der Bodenart her um lehmigen Ton und Ton<br />

handelt, ausgewirkt. Die aktuelle Fruchtfolge<br />

2018/19 als Konsequenz: Triticale-<br />

GPS – Zwischenfruchtanbau – Silomais –<br />

Roggen-GPS/Triticale-GPS mit Sorghum<br />

und Sudangras als Zweitfrucht – (Kleegras,<br />

mehrjährig) – Silomais. Um die Arbeitsspitzen<br />

zu verteilen und auch aus Kostengründen<br />

trat Reber 2010<br />

einer Ackerbau-Kooperation<br />

bei, die er<br />

jedoch schon 2015<br />

wieder verließ. Die<br />

erhofften Synergien<br />

blieben aus und die<br />

Bodenfruchtbarkeit<br />

hatte sich weiter verschlechtert,<br />

sodass<br />

beispielsweise der<br />

Getreideertrag in einem<br />

Jahr nur noch<br />

70 Dezitonnen pro<br />

Hektar erreichte, was einen Rückgang von<br />

rund 20 Prozent bedeutete.<br />

Die ackerbauliche Entwicklung veranlasste<br />

den im positiven Sinne querdenkenden<br />

Landwirt, sich im Jahr 2013 auf die Suche<br />

nach neuem Wissen über Bodenfruchtbarkeit<br />

zu begeben. „Ich habe dann gezielt<br />

Biobetriebe mit erfolgreichem pfluglosem<br />

Ackerbau gesucht, um zu lernen, wie die<br />

ihre Bodenfruchtbarkeit aufrechterhalten.<br />

Dabei habe ich Friedrich Wenz kennengelernt,<br />

der Feldtage und Seminare zum<br />

Thema Bodengesundheit und -fruchtbarkeit<br />

durchführt. Schon der erste Informationstransfer<br />

war so intensiv, dass ich mich<br />

entschloss, am ‚Bodenkurs im Grünen‘ von<br />

September 2014 bis Juli 2015 teilzunehmen.<br />

Dietmar Näser und Friedrich Wenz<br />

(mit Wissen von Dr. Ingrid Hörner) gaben<br />

während dieser Fortbildung und auch darüber<br />

hinaus weitere entscheidende Impulse.<br />

Die Seminarreihe war eine ‚Wissensdruckbetankung‘<br />

zum Thema Bodenfruchtbarkeit“,<br />

blickt Reber zurück.<br />

Näser und Wenz definieren den Begriff<br />

„Regenerative Landwirtschaft“ neu im Zusammenhang<br />

mit Bodenfruchtbarkeit und<br />

dem alternativen Ackerbausystem. Sie verstehen<br />

darunter die Wiederherstellung des<br />

lebend verbauten Kohlenstoffs im Boden<br />

FOTO: MICHAEL REBER<br />

Biogasanlage Reber in<br />

Schwäbisch-Hall.<br />

durch Humusaufbau. Aber auch die Wiederherstellung<br />

der mikrobiellen Prozesse<br />

im Boden durch die Förderung der Interaktion<br />

Pflanzen – Bodenleben. Ferner geht es<br />

um die Verhinderung von Nährstoffmangelerscheinungen<br />

in pflanzlichen Produkten.<br />

In dem Verfahren dieser „Regenerativen<br />

Landwirtschaft“ sind folgende fünf Maßnahmen<br />

zur Wiederherstellung der Bodenfruchtbarkeit<br />

und zum Bodenaufbau zu<br />

beachten:<br />

1. Die Nährstoffe im Boden ins Gleichgewicht<br />

bringen und den Boden belebend<br />

düngen (Bodenchemie).<br />

2. Den Unterboden (biologisch und mechanisch<br />

wenn nötig) lockern und mit<br />

Wurzeln stabilisieren.<br />

3. Die Böden dauerhaft und vielfältig begrünen,<br />

um die Organismen im Boden<br />

ernähren zu können und deren Vielfalt<br />

und Anzahl zu fördern.<br />

4. Den lebenden Bewuchs in eine sogenannte<br />

Flächenrotte bringen, die aerob<br />

abläuft. Die Rotte sollte mit Fermenten<br />

gelenkt werden.<br />

5. Die Kulturpflanzen durch stressvermeidende,<br />

vitalisierende Behandlungen zur<br />

maximalen Syntheseleistung bringen.<br />

17


PRAXIS / TITEL<br />

BIOGAS JOURNAL | 4_<strong>2019</strong><br />

FOTOS: MARTIN BENSMANN<br />

Das Foto links zeigt ein Stoppelfeld nach der Ernte von Roggen-Ganzpflanzensilage. Foto Mitte: Mit dem Spaten ausgehobenes Bodenstück auf dem Roggen-GPS-Feld<br />

Mitte Mai. Der Boden ist feucht, dunkel gefärbt, gut durchwurzelt und krümelig. Foto rechts: Diese Bodenprobe wurde mit dem Spaten aus einer Fahrspur entnommen.<br />

Hier ist der Boden zwar auch feucht, dunkel gefärbt und gut durchwurzelt. Aber er ist etwas weniger krümelig und dafür zeigen sich aufgrund der Verdichtung<br />

Bodenplättchen.<br />

Flach abgefräster<br />

grüner Pflanzenbestand<br />

mit Erde vermischt<br />

locker auf dem Boden<br />

aufliegend. Vor der<br />

Fräse werden spezielle<br />

Fermente eingespritzt,<br />

die den aeroben Rotteprozess<br />

fördern sollen.<br />

Im Abstand von sieben<br />

bis zehn Tagen wird<br />

die Fläche ein zweites<br />

Mal mit der Fräse 3<br />

bis 5 Zentimeter flach<br />

bearbeitet.<br />

Spatendiagnose – wichtig für die<br />

Bodenansprache<br />

Kernpunkt aller Bemühungen sollte laut Reber sein, die<br />

Huminstoff bildenden Prozesse optimal zu unterstützen.<br />

Vor dem Systemwechsel sei aber eine Bestandsaufnahme<br />

zu machen. Mit der Spatendiagnose und<br />

der Bodensonde ist der Boden anzusprechen. Der Bodenzustand<br />

ist schriftlich festzuhalten und am besten<br />

mit Fotos zu dokumentieren. Dann sollten Bodenproben<br />

gezogen werden. Reber empfiehlt die besten und<br />

schlechtesten Schläge mit den besten und schlechtesten<br />

Bodenverhältnissen zu beproben.<br />

Die Bodenuntersuchung erfolge nach William Albrecht.<br />

Kinsey in den USA führe solche Analysen durch, die je<br />

Probe rund 120 Euro kosten. Rebers Ackerböden weisen<br />

mit 7,8 einen hohen pH-Wert auf. Obwohl nach der<br />

Analytik keine Kalkdüngung empfohlen werde, hätten<br />

die Pflanzen dennoch einen Calciumbedarf. „Der hohe<br />

pH-Wert resultiert bei uns aus einem natürlich hohen<br />

Magnesiumgehalt im Boden. Möglich wäre eine Gipsdüngung.<br />

Diese Variante ist aber recht teuer. Mit Naturgips<br />

haben wir gute Effekte<br />

erzielt, mit Gips<br />

aus der Rauchgasreinigung<br />

jedoch nicht“,<br />

informiert Reber.<br />

Neben den Nährstoffen<br />

und der Organik<br />

sind Sauerstoff und Wasser für einen vitalen Boden<br />

unerlässlich. Regelmäßige Kontrollen auf Bodenverdichtungen<br />

sind vorzunehmen. Spätestens nach der<br />

Ernte sollten diese durchgeführt werden. Auf Basis der<br />

gewonnenen Erkenntnisse sollte die Bodenbearbeitung<br />

geplant werden. Wenn gelockert werden muss, sollte<br />

die natürliche Schichtung im Boden beibehalten werden.<br />

Der Boden sollte aufgebrochen, aber nicht tief gemischt<br />

werden. Die anschließende Rückverfestigung<br />

des Bodens erfolgt am besten mit der Aussaat der Folgekultur<br />

in einem Arbeitsgang.<br />

Grüne Pflanzen bringen mehr Kohlenstoff<br />

in den Boden<br />

Reber, der sich als Ackerbauer aus Leidenschaft bezeichnet,<br />

empfiehlt, einen möglichst dauergrünen<br />

Anbau zu praktizieren. Das sei wichtig für die Humusbildung,<br />

zudem könnten Zwischenfrüchte nach der<br />

Hauptfruchternte in den Sommermonaten die Sonneneinstrahlung<br />

in Ertrag (und Kohlenstoff aus der<br />

Photosynthese) umsetzen. Laut australischen Untersuchungen<br />

würden grüne Pflanzen fünf- bis sechsmal<br />

mehr Kohlenstoff in den Boden bringen, als über tote<br />

organische Substanz, wie zum Beispiel Stroh, Mist oder<br />

Gülle, möglich sei.<br />

Aber auch auf die Winterbegrünung legt der Landwirt<br />

wert. Sein Credo lautet, dass keine Fläche schwarz,<br />

also ohne Bewuchs, über den Winter daliegt. So kam<br />

FOTOS: MICHAEL REBER<br />

Bodenfräse mit spezieller<br />

Messeranordnung,<br />

um einen ganzflächigen<br />

Schnitt für die Flächenrotte<br />

zu erreichen.<br />

Hier im Bild ein Gerät<br />

der Firma Vortex aus<br />

Österreich.<br />

18


BIOGAS JOURNAL | 4_<strong>2019</strong><br />

PRAXIS / TITEL<br />

in 2017 auf den Greeningflächen die Saatmischung<br />

von DSV TerraLife MaisPro TR Greening zur Aussaat.<br />

Die darin enthaltenen Wintererbsen sowie der Inkarnatklee<br />

überwintern. Im vergangenen Jahr hat Reber<br />

auf den Greeningflächen eine von der DSV speziell zusammengestellte<br />

Sondermischung ausgesät, um saatzeitflexibel<br />

sein zu können. Auf den restlichen Flächen<br />

hat er ein Gemenge aus Grünroggen, Winterwicken und<br />

Winterrübsen gesät.<br />

Die Winterzwischenfrüchte bieten Schutz vor Wind- und<br />

Wassererosion, sie binden Nährstoffe, liefern Futter für<br />

das Bodenleben und der Aufwuchs ist als Futterreserve<br />

für die Biogasanlage geeignet. Allerdings bedeutet<br />

nach Rebers Ausführungen die Einarbeitung im Frühjahr<br />

Mehrarbeit. Die Einarbeitung beziehungsweise die<br />

Bodenbearbeitung im Frühjahr geschieht nicht unter 6<br />

Grad Celsius Bodentemperatur.<br />

Neben den Zwischenfrüchten spielen auch Untersaaten<br />

im Ackerbausystem eine Rolle. Im Mais sät er in<br />

diesem Jahr erstmals keine Gräser mehr aus, sondern<br />

reine Sommer-Leguminosen, weil in drei von vier Jahren<br />

zur Maisernte keine Gräser mehr zu sehen waren.<br />

Die Saat ist die Mischung viterra® Bodengare Öko von<br />

der Saaten Union. „Untersaaten in Getreide-GPS sind<br />

auch machbar. In 2017 hatten wir beispielsweise auf<br />

30 Prozent der Fläche die Mischung DSV M2 stehen“,<br />

erklärt der Landwirt.<br />

Flächenrotte muss ohne Fäulnis ablaufen<br />

Wenn Zwischenfrüchte oder Untersaaten in den Boden<br />

eingearbeitet werden müssen, dann wird dies nach dem<br />

Prinzip der Flächenrotte praktiziert. Hierbei geht es darum,<br />

ein möglichst homogenes Pflanzen-Erde-Gemisch<br />

an der Bodenoberfläche in 3 bis 5 Zentimeter zur erreichen<br />

ohne eine sofortige Rückverfestigung. „Das<br />

Gemisch sollte locker oben auf dem Boden liegen“,<br />

rät Reber. Eine besondere Herausforderung sei die<br />

Flächenrotte bei Gras- beziehungsweise Kleegrasbeständen.<br />

Es komme dabei auf einen flachen, möglichst<br />

ganzflächigen Schnitt an mit guter Einmischung in die<br />

oberste Bodenschicht.<br />

„Bei der Flächenrotte ist es wichtig, dass es nicht zu<br />

Zersetzungsprozessen kommt, die unter Fäulnis ablaufen.<br />

Wir wollen eine aerobe Umsetzung der Pflanzenmasse<br />

in den Boden, die sauerstoffgeführt ist. Den<br />

aeroben Prozess unterstützen wir, indem wir Fermente<br />

bei der Einarbeitung der Pflanzenmasse in den Boden<br />

einsprühen. Bei den Fermenten handelt es sich um<br />

eine Flüssigkeit, in der sogenannte Effektive Mikroorganismen<br />

(EM-A) enthalten sind. Die Fermente stellen<br />

wir nach einer bestimmten Rezeptur in IBC-Containern<br />

selber her“, so der Betriebsleiter.<br />

In 2017 und 2018 wurde für die Einarbeitung des<br />

Pflanzenaufwuchses eine spezielle Fräse mit optimierten<br />

Werkzeugen verwendet. 2017 war das ein Gerät von<br />

Valentini und in 2018 von Vortex. Andere Praktiker, die<br />

die Flächenrotte in ihren Betrieb etablieren, setzen<br />

Ein gesunder Boden ist die Basis<br />

Unsere Sommer werden immer heißer und trockener. Die Konsequenzen daraus spüre auch<br />

ich als Hobbygärtner. Umso wichtiger ist eine gute Bodenkultur. Das musste ich in den letzten<br />

Jahren auch erst lernen. Ein gesunder Boden ist das Nonplusultra! Der Unterschied im<br />

Pflanzenwachstum ist enorm.<br />

Für die Landwirte ist dies ja noch viel bedeutsamer. Und damit auch für die Betreiber von<br />

Biogasanlagen, die Energiepflanzen anbauen. Alternative Ackerbaumethoden sind ein wichtiger<br />

Schlüssel zum Erfolg. Mit einer schonenden und konservierenden Bodenbearbeitung<br />

lässt sich die Verdunstung reduzieren und durch den gleichzeitigen Aufbau von Humus die<br />

Speicherfähigkeit von Wasser im Boden erhöhen. Eine tiefe Durchwurzelung in Kombination<br />

mit vielen Regenwurmröhren verbessert die Aufnahmekapazität von großen Niederschlagsmengen<br />

und reduziert damit auch die Gefahr der Bodenerosion. Und nicht zu vergessen:<br />

weniger Bodenbearbeitung schont die<br />

Bodenlebewesen. Regenwürmer, Asseln,<br />

Spinnen und auch Pilze fördern die<br />

Vitalität eines Bodens und damit seine<br />

Fruchtbarkeit. Es gibt viele Möglichkeiten,<br />

die Landwirtschaft immer noch ein<br />

Stück naturverträglicher zu gestalten.<br />

Viele Landwirte und Biogasanlagen-<br />

Betreiber gehen hier schon mit gutem<br />

Beispiel voran. Das ist eine erfreuliche<br />

Entwicklung.<br />

Pfiat euch, Euer<br />

zum Beispiel auf den sogenannten Geohobel von der<br />

Firma Rath aus Österreich. Die Fermente wurden vor<br />

der Fräse über Düsen mit einer Menge von 100 Liter<br />

pro Hektar appliziert. Zwischen dem ersten und dem<br />

zweiten Fräseinsatz liegen etwa zehn Tage. Nach dem<br />

zweiten Fräsen kann im Grunde gleich gesät werden.<br />

Kurzscheibenegge statt Fräse<br />

„Wir haben im Frühjahr 2017 nach dem Rotteprozess<br />

eine hervorragende Bodengare vorgefunden. Die nachfolgende<br />

Maissaat zeigte einen zügigen Feldaufgang,<br />

weil der Boden unten noch feucht war. 2018 verzögerte<br />

die Flächenrotte die Maisaussaat gegenüber den<br />

Kollegen um die für die Rotte notwendigen 10 bis 14<br />

Tage. Aufgrund der zu geringen Flächenleistung pro<br />

Stunde mit der 3-Meter-Fräse haben wir in diesem Jahr<br />

eine Kurzscheibenegge von Väderstad angeschafft, die<br />

mit gewellten Scheiben (CrossCutterDisc) ausgerüstet<br />

ist. Mit dem Gerät fahren wir ein- bis zweimal diagonal<br />

zueinander über das zu bearbeitende Feld – je nach<br />

Aufwuchssituation. Mit mindestens 15 km/h Arbeitsgeschwindigkeit<br />

erreichen wir ein gutes Pflanzen-Boden-<br />

Gemisch“, führt Reber weiter aus.<br />

Die Kurzscheibenegge arbeitet ebenfalls 3 bis 5 Zentimeter<br />

tief und schafft bei einer Arbeitsbreite von<br />

4,25 Metern bis zu 7 Hektar pro Stunde. Die Fermente<br />

werden separat vor dem ersten CrossCutter-Einsatz<br />

mit der Feldspritze ausgebracht. Zwischen den ersten<br />

beiden Arbeitsgängen liegen in der Regel ebenfalls bis<br />

19


PRAXIS / TITEL<br />

BIOGAS JOURNAL | 4_<strong>2019</strong><br />

„Ein Prozent mehr Humus im Boden<br />

speichert rund 400.000 Liter Wasser<br />

mehr pro Hektar“<br />

Michael Reber<br />

zu zehn Tage. Das Väderstadgerät kann sich aufgrund<br />

der einzeln aufgehängten Scheibensegmente gut an<br />

den Boden anpassen und somit auch Fahrspuren gut<br />

egalisieren.<br />

Komposttee für Boden und Pflanze<br />

Eine weitere Innovation neben der Fermentherstellung<br />

ist im Betrieb Reber die Produktion und der Einsatz<br />

von Komposttee. Dieser wird nach Bedarf mit Spurennährstoffen<br />

versetzt. Mit diesem Produkt soll die<br />

Photosyntheseleistung maximiert und gleichzeitig die<br />

Kohlenstoffspeicherung im Boden erhöht werden. Der<br />

Komposttee wird im Verhältnis 1:4 bis 1:5 mit Wasser<br />

verdünnt und nach vorherigem Filtern mit der Feldspritze<br />

ausgebracht. Das Wasser für den Komposttee,<br />

aber auch für die EM-A, wird in einem speziellen Behälter<br />

mindestens 24 Stunden vorher umgewälzt und<br />

dabei belüftet. Dadurch wird die Wasserqualität verbessert.<br />

Auf das Getreide gibt Reber etwa 30 Liter Komposttee<br />

pro Hektar zum Feldaufgang im zeitigen Frühjahr<br />

sowie nochmals 20 Liter zum Schossen – später nicht<br />

mehr. Zum Mais bringt er zweimal 30 Liter pro Hektar<br />

aus. Wobei die zweite Behandlung so spät wie möglich<br />

geschehen sollte – also bei maximal 50 Zentimeter<br />

Wuchshöhe. Die Blattbehandlung sollte aus hygienischen<br />

Gründen auf Salat und Blattgemüse unterbleiben<br />

beziehungsweise 90 Tage vor der Ernte abgeschlossen<br />

sein (ausführliche Infos zum Thema Komposttee finden<br />

Sie unter https://www.komposttee.at/komposttee-1).<br />

In den ausgegorenen Gärdünger aus der Biogasanlage<br />

mischt er im Winter 2 Liter Sauerkrautsaft pro Kubikmeter<br />

unter, den er zukauft, um den Gärdünger mit<br />

Milchsäurebakterien anzureichern. Bei der Fütterung<br />

der Biogasanlage setzt er pro Tonne Frischmasse auch<br />

2 Kilogramm Pflanzenkohle ein. Diese wirkt sich positiv<br />

auf den Gärprozess aus und gelangt später mit dem<br />

Gärdünger auf die Felder, wo sie ebenfalls auf Dauer<br />

vitalisierend auf das Bodenleben einwirken soll.<br />

Reber betont: „Ein Prozent mehr Humus im Boden<br />

speichert rund 400.000 Liter Wasser mehr pro Hektar.<br />

Wir müssen das Ackerbausystem so verändern, dass der<br />

Niederschlag in den Boden einsickern kann und dort<br />

pflanzenverfügbar bleibt. Das heißt, dass die Verdunstungsrate<br />

minimiert werden muss.“ Im Oktober 2017<br />

hat er zahlreiche Felder durch die CarboCert GmbH<br />

aus Bodnegg (Baden-Württemberg) beproben lassen.<br />

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BIOGAS JOURNAL | 4_<strong>2019</strong><br />

PRAXIS / TITEL<br />

Hintergrund: Durch den Humusaufbau im Boden wird<br />

CO 2<br />

aus der Atmosphäre gebunden. Diese CO 2<br />

-Bindung<br />

durch Aufbau und Erhaltung des Humusgehaltes lässt<br />

sich in Form von Zertifikaten verkaufen. CarboCert kümmert<br />

sich um die GPS-gestützte Probennahme und wickelt<br />

dabei als Partner auch den Geldtransfer ab.<br />

„Wir haben die Bodenproben zum Labor von Levende<br />

Jord (Dänemark) geschickt, die ebenfalls nach<br />

der Methode Albrecht die Analysen durchführen. Ist<br />

der Humusgehalt der Ausgangsprobe bestimmt, wird<br />

nach drei bis fünf Jahren erneut an derselben Stelle<br />

im Feld eine Bodenprobe gezogen und der Humusgehalt<br />

erneut bestimmt. Wenn ich beispielsweise 0,2<br />

Prozent Humusaufbau pro Jahr schaffe, dann bekomme<br />

ich etwa 200 Euro pro Hektar über den Zertifikatehandel“,<br />

hebt Reber hervor (weitere Infos dazu unter<br />

https://www.carbocert.de/humuszertifikate).<br />

Fazit: Die positiven Veränderungen, die sich am Boden<br />

ablesen lassen, geben Michael Reber in seinem Handeln<br />

recht. Und das, obwohl er alle Hauptfrüchte als Ganzpflanzen<br />

erntet und in der Biogasanlage vergärt. Die<br />

schließt den Nährstoffkreislauf im System Acker-Energie-Acker<br />

und auch ein Teil des geernteten Kohlenstoffs<br />

gelangt mit dem Gärdünger zurück aufs Feld. Spannend<br />

ist die Frage, wie viel Humus er tatsächlich in den nächsten<br />

Jahren auf seinen Feldern anreichern kann.<br />

Autor<br />

Dipl.-Ing. agr. (FH) Martin Bensmann<br />

Redakteur Biogas Journal<br />

Fachverband Biogas e.V.<br />

0 54 09/90 69 426<br />

martin.bensmann@biogas.org<br />

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21


PRAXIS<br />

BIOGAS JOURNAL | 4_<strong>2019</strong><br />

Anlagen des Monats<br />

Im April haben wir mit der Bio Komp-SAS GmbH aus<br />

Weißenfels in Sachsen-Anhalt erstmals eine „Anlage<br />

des Monats“ gekürt. Dies war der Startschuss für<br />

eine Kampagne, mit der der Fachverband Biogas e.V.<br />

über die sozialen Netzwerke dokumentieren will, wie<br />

wichtig und vielfältig die Biogasbranche ist. Die Abfallvergärungsanlage<br />

in Weißenfels erzeugt aus biogenen<br />

Haushaltsabfällen Energie, Kompost und flüssiges<br />

Gärprodukt.<br />

Unsere Mai-Anlage aus der Lüneburger Heide vergärt<br />

hingegen nachwachsende Rohstoffe und baut konsequent<br />

auf mehr als 10 Prozent der Maisflächen Blühpflanzen<br />

an. Und für den Juni haben wir eine bayerische<br />

Anlage ausgewählt, die bereits seit 20 Jahre am<br />

Netz ist und mittlerweile komplett flexibel und bedarfsgerecht<br />

Strom und Wärme liefert.<br />

Passend zur Europawahl gab es eine Sonder-Auszeichnung:<br />

Zur „Biogasanlage der EU“ wurde die Biogas<br />

Wipptal aus Südtirol, die Gülle und Mist der Bergbauernhöfe<br />

verwertet und damit einen Beitrag zur ökologischen<br />

Bewirtschaftung dieser Höfe leistet.<br />

Seit 20 Jahren am Netz ist unsere Juni-Anlage der Bioenergie<br />

Hölzl GbR. Mit einer installierten Leistung von<br />

1.700 Kilowatt (kW) läuft die Anlage komplett flexibel<br />

und wird bedarfsgerecht nach Wärmeverbrauch und<br />

Strom gesteuert.<br />

Weitere Anlagen des Monats folgen und sie alle werden<br />

via Facebook, Twitter und Homepage die Vielfalt und<br />

die Bedeutung von Biogas für so viele verschiedene Lebensbereiche<br />

darstellen.<br />

Im Mai wurde die Biogasanlage der Bioenergie Stoetze GmbH &<br />

Co.KG in Stoetze im Kreis Uelzen in der Lüneburger Heide zur Anlage<br />

des Monats gewählt. Die elf Landwirte der Gemeinschaftsanlage<br />

haben sich freiwillig verpflichtet, auf mindestens 10 Prozent ihrer<br />

Flächen Blühpflanzen anzubauen, die Insekten und Wildtieren<br />

Lebensraum und Nahrung bieten. Damit leistet die Anlage einen<br />

wichtigen Beitrag für mehr Biodiversität und Artenschutz – und<br />

spart darüber hinaus durch die klimafreundliche Erzeugung von<br />

Strom und Wärme 6.420 Tonnen CO 2<br />

pro Jahr ein.<br />

Michael Borgard und Thomas Meyer.<br />

Bioenergie Hölzl GbR: Biogasanlage des Monats<br />

Juni. Die Biogasanlage ging 1999 mit einer Leistung<br />

von 160 Kilowatt ans Netz. Mittlerweile hat die Anlage<br />

1.700 kW installierte Leistung und wird komplett<br />

flexibel und bedarfsgerecht nach Wärmeverbrauch<br />

und Strom von den Stadtwerken Rosenheim gesteuert.<br />

30 Wohnhäuser und 4 kleine Werkstätten sind<br />

an das Fernwärmenetz angeschlossen. Foto unten:<br />

Die Betreiber Klaus (Junior, links) und Klaus Hölzl<br />

(Senior).<br />

48


BIOGAS JOURNAL | 4_<strong>2019</strong><br />

PRAXIS<br />

Sonderauszeichnung zur<br />

Europawahl: „Biogasanlage<br />

der EU“. Die Biogasanlage<br />

Wipptal aus Südtirol verarbeitet<br />

mit anaerober Fermentation<br />

ausschließlich Mist,<br />

Gülle und Jauche aus der<br />

Rindertierhaltung im Wipptal.<br />

Die Bauern nehmen jenen Teil<br />

der Nährstoffe zurück, die laut<br />

vorgegebenen Düngerplänen<br />

für die landwirtschaftlichen<br />

Flächen erforderlich sind. Der<br />

überschüssige Anteil, der der<br />

Biogas Wipptal verbleibt, wird<br />

in einem hochtechnischen<br />

Verfahren zu einem Dünger<br />

in Form von Konzentrat<br />

und Pellets verarbeitet und<br />

vermarktet.<br />

Die von der Biogasanlage<br />

Wipptal produzierten Düngepellets<br />

werden beispielsweise im<br />

Weinbau eingesetzt.<br />

Biogasanlage der<br />

Bio Komp-SAS GmbH<br />

in Weißenfels,<br />

Sachsen-Anhalt.<br />

Die Trockenfermentationsanlage vergärt Biogut aus<br />

Privathaushalten des gesamten Burgenlandkreises.<br />

Die Endprodukte sind Energie, Kompost und flüssiges<br />

Gärprodukt. Durch die deutschlandweite Aktion<br />

Biotonne ist es den Betreibern gelungen, den Störstoffanteil<br />

im Bioabfall von ungefähr 10 Prozent auf<br />

1 Prozent zu senken.<br />

Anlagenbetreiber<br />

Holger Kahnt.<br />

49


INTERNATIONAL<br />

BIOGAS JOURNAL | 4_<strong>2019</strong><br />

FRANKREICH<br />

Der Blick in die Zukunft ist für die französischen Biogasbetreiber<br />

unsicher. Ein großes Problem sind die Planungsunsicherheiten<br />

bezüglich der Einspeisevergütung, Genehmigung und<br />

Förderung. Für die Gesellschafter ist nicht klar, wie hoch die<br />

Vergütung in Zukunft sein wird. Von links: Dr. Simone Besgen<br />

(Rytec), Bertrand, Yannick und Vincent Utard (Gesellschafter).<br />

FRANKREICH<br />

Paris<br />

Biomethan: feste<br />

Vergütung für 15 Jahre<br />

Der politische Wille zum Zubau von Biogasanlagen ist in Frankreich deutlich spürbar. So stellte Ende<br />

März 2018 das Ministerium für Energetischen und Solidarischen Wandel Maßnahmen für eine stärkere<br />

Biogasnutzung vor. Sie sind Teil des Regierungsprogramms zur Förderung Erneuerbarer Energien.<br />

Von Dipl.-Ing. · Dipl.-Journ. Martina Bräsel<br />

Die vom Gasnetzbetreiber RDF verschuldete Verspätung<br />

von einem Monat ging zu Lasten des Anlagenbetreibers.<br />

„Man hat leider nichts in der Hand. Es<br />

blieb uns nichts übrig, als das Gas abzufackeln“,<br />

bedauert Dr. Simone Besgen.<br />

In unserem Nachbarland gibt es zurzeit<br />

rund 600 Biogasanlagen. Mehr<br />

als zwei Drittel von ihnen produzieren<br />

Biogas aus landwirtschaftlichen Rückständen<br />

und Bioabfällen, der Einsatz<br />

von nachwachsenden Rohstoffen ist auf 15<br />

Prozent begrenzt. Bei den Anlageprojekten<br />

wird auf eine Verwertung mit hoher Energieausnutzung<br />

gesetzt. Zudem wird Biogas in<br />

Frankreich vorzugsweise in Biomethan umgewandelt<br />

und ins Erdgasnetz eingespeist.<br />

Von der selbstgesteckten Zielmarke, einem<br />

Anteil von 10 Prozent am Gasverbrauch bis<br />

2030, ist das Land bislang aber noch weit<br />

entfernt.<br />

Die Förderung in Frankreich unterscheidet<br />

sich deutlich von der in Deutschland. „In<br />

Frankreich sind die Vergütungen momentan<br />

sehr gut“, weiß Dr. Simone Besgen von<br />

der Firma Rytec. Zudem gebe es neben attraktiven<br />

Biomethan- oder Stromvergütungen<br />

auch Unterstützung bei der Investition.<br />

„Die staatliche Förderorganisation ADEME<br />

vergibt Darlehen, die nicht zurückgezahlt<br />

werden müssen“, so Besgen. Diese würden<br />

derzeit maximal 20 Prozent der Investitionssumme<br />

betragen, die Höhe werde sich<br />

aber künftig reduzieren.<br />

Die Firma Rytec ist seit über 20 Jahren in<br />

den Bereichen Biogas, Deponiegas und<br />

Erneuerbare Energien tätig. Das Unternehmen<br />

hat sich auf den französischen Markt<br />

ausgerichtet und bedient dabei vor allem<br />

das Elsass und Lothringen. „Genehmigt<br />

und gefördert werden nur Anlagen, die<br />

vornehmlich Reststoffe aus der Landwirtschaft,<br />

der Lebensmittelproduktion und<br />

der Industrie einsetzen“, berichtet die Agraringenieurin.<br />

Damit wollen die Behörden<br />

eine sinnvolle und nachhaltige Biogasproduktion<br />

erzielen.<br />

Kleine Einspeiseanlagen sind<br />

schon lohnend<br />

Vor allem die Konkurrenz zur Produktion<br />

von Nahrungs- und Futtermitteln soll ausgeschlossen<br />

werden. Zudem wollen die<br />

Behörden eine hohe Anlagendichte, wie<br />

es sie in Deutschland in einigen Regionen<br />

gibt, verhindern. In unserem Nachbarland<br />

64


BIOGAS JOURNAL | 4_<strong>2019</strong><br />

INTERNATIONAL<br />

Biogasanlage<br />

im Nachbardorf<br />

oder außerhalb?<br />

FOTOS: MARTINA BRÄSEL<br />

Die Anlage in Scherwiller besitzt, im Vergleich zu einer deutschen Biogasanlage, gleich mehrere Besonderheiten:<br />

Sie wird ausschließlich mit Reststoffen gefüttert, dazu gehört auch Maisstroh. Das entstehende<br />

Biogas wird zum größten Teil in Biomethan umgewandelt.<br />

„Maisstroh wird hier<br />

im Elsass gerne als<br />

Substrat genutzt“<br />

Dr. Simone Besgen<br />

wird die Biomethaneinspeisung momentan<br />

besonders stark unterstützt. Anders als<br />

in Deutschland ist dafür ein eigenes Vergütungsmodell<br />

geschaffen worden. Biomethanprojekte<br />

erhalten momentan eine<br />

feste Einspeisevergütung für 15 Jahre. Die<br />

Höhe hängt von der Größe des Projekts und<br />

dem verwendeten Substratmix ab. „Anlagen,<br />

die mindestens 100 Kubikmeter Biomethan<br />

pro Stunde produzieren, rechnen<br />

sich schon“, weiß die Fachfrau.<br />

Im Elsass gibt es 19 Biogasanlagen. Eine<br />

von ihnen realisierte die Firma Rytec im<br />

Mai 2018 in Scherwiller. „Wir haben sie<br />

schlüsselfertig für die Gesellschaft ‚SAS<br />

Méthaniseur de deux Vallées‘ geliefert“,<br />

sagt Projektleiterin Besgen. Die Gesellschaft<br />

setzt sich vor allem aus Landwirten<br />

und den Straßburger Stadtwerken (R-GDS)<br />

zusammen. Präsident Bernhard Winterhalter<br />

nennt die Gründe, warum ein deutsches<br />

Unternehmen den Auftrag erhielt: „Wir<br />

waren von dem Anlagenkonzept begeistert<br />

und hatten ein sehr gutes Gefühl“, sagt er.<br />

Das Vertrauen sei nicht enttäuscht worden:<br />

„Wir sind sehr zufrieden mit der Zusammenarbeit<br />

und auch mit der Anlagentechnik.“<br />

Die Anlage in Schwerwiller besitzt im Vergleich<br />

zu einer deutschen Biogasanlage<br />

gleich mehrere Besonderheiten: Sie wird<br />

ausschließlich mit Reststoffen gefüttert,<br />

dazu gehört auch Maisstroh. Anders als<br />

in Deutschland werden hier in Scherwiller<br />

weder Strom noch Wärme verkauft. Das<br />

entstehende Rohbiogas wird zum größten<br />

Teil zu Biomethan aufbereitet. Dieses wird<br />

fast ausschließlich für die Einspeisung in<br />

das Erdgasnetz verwendet. „Da eine zusätzliche<br />

Holzfeuerung verboten ist, wird<br />

ein kleiner Teil des Rohgases zur Beheizung<br />

der Anlage genutzt“, erklärt die Projektleiterin.<br />

Durch die solide Sandwichbauweise der<br />

Behälter von Drössler, die mit einer zusätzlichen<br />

Isolierung von 15 Zentimeter<br />

ausgestattet ist, sei dieser Anteil gering:<br />

„Lediglich 3,5 Prozent des Biogases werden<br />

im Jahresmittel für die Beheizung<br />

verbraucht“, so die Agraringenieurin. Die<br />

Aufreinigung des Rohbiogases geschieht<br />

mittels Druckwechseladsorption, und auch<br />

das ist unüblich: „Von den französischen<br />

Biomethananlagen verwenden fast alle<br />

Membrantechnik zur Aufbereitung“, weiß<br />

die Projektleiterin.<br />

„Unsere Biogasanlage verwertet pro Jahr<br />

rund 11.000 Tonnen landwirtschaftliche<br />

Reststoffe“, erklärt Winterhalter. Vergoren<br />

werden Maisstroh, Traubentrester und<br />

Mist, aber auch überlagerte Zwiebeln, Karotten<br />

und Ähnliches. Die Anlage wird mit<br />

allen organischen Restoffen gefüttert, die<br />

regional anfallen. „Maisstroh wird hier im<br />

Elsass gerne als Substrat genutzt“, verdeutlicht<br />

Besgen. Der Nachteil ist, dass die<br />

strukturreichen Substrate einen Zerkleinerer<br />

und eine aufwendigere Einbringtechnik<br />

erforderlich machen. Mit einer Leistung<br />

von 55 Kilowatt (kW) fällt der Zerkleinerer<br />

relativ groß aus.<br />

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INTERNATIONAL<br />

BIOGAS JOURNAL | 4_<strong>2019</strong><br />

Aus der näheren Umgebung werden pro Jahr rund 11.000 Tonnen landwirtschaftliche<br />

Reststoffe angeliefert. Geliefert werden Maisstroh, Traubentrester und Mist, aber<br />

auch Zwiebeln und Karotten und Ähnliches.<br />

Das entstehende Biogas wird zum größten Teil in Biomethan umgewandelt.<br />

Die PSA-Anlage wurde vom Energieanlagenbauer ETW Energietechnik<br />

aus Moers gebaut. Mit einer zugeschnittenen Aufbereitungskapazität von<br />

stündlich 230 bis 385 Normkubikmeter Rohbiogas ist dieses Anlagenmodell<br />

speziell für den französischen Markt entwickelt worden.<br />

Obwohl ein Flüssigeintrag für eine homogene<br />

Mischung sorgt, kommt es häufiger<br />

zu Verstopfungen: „Mehr als 20 Prozent<br />

Maisstroh können wir dem Substratmix<br />

nicht beigeben“, so Besgen. Im vergangenen<br />

Betriebsjahr wurden 1.200 Tonnen<br />

eingebracht. Zukünftig soll der Anteil noch<br />

weiter verringert werden. „Die Methanausbeute<br />

pro Kubikmeter ist gering“, bestätigt<br />

Winterhalter. Zudem gebe es in der Nähe<br />

genügend Alternativen.<br />

Außerdem erhöhe die Verwendung von<br />

Maisstroh den Stromverbrauch. Dieser ist<br />

aber laut Besgen insgesamt gering. „Wir<br />

haben sehr viele Frequenzumrichter eingebaut“,<br />

erklärt die Fachfrau, zudem würden<br />

Gasaufbereitung und Rührwerke sehr wenig<br />

Strom benötigen. Die Rührwerke mit<br />

dem Namen Mammut, die das schwierige<br />

Substrat bewegen, stammen von der Firma<br />

Paulmichl. „Dieses Fermenterrührwerk besitzt<br />

einen 22-kW-Motor, der Rührflügel ist<br />

etwa 1,8 Meter lang“, sagt Eugen Schmidinger<br />

von der Firma Paulmichl.<br />

Wegen seiner „großen Stabilität“ würde es<br />

„weltweit stark nachgefragt“. „Das Rührwerk<br />

wird auf einem gelagerten Schwingungsrahmen<br />

aufgebaut, der mit speziellen<br />

Kompensatoren ausgerüstet ist“, so Schmidinger.<br />

Der Einbau erfolge ohne verschleißanfällige<br />

Boden- oder Gegenlager. „Gerade<br />

bei Maisstroh ist eine gute Durchmischung<br />

und Rezirkulation wichtig“, fügt die Projektleiterin<br />

hinzu. Verklumpungen seien<br />

nicht selten, und durch sie würde manchmal<br />

Luft ins System eingetragen.<br />

„Wenn dann nicht genug rezirkuliert wird,<br />

kann der Stickstoffanteil zu hoch werden“,<br />

so die Agraringenieurin. Zudem seien die<br />

Heizleitungen in Boden und Wand einbetoniert.<br />

Jedes Fertigteil habe seinen eigenen<br />

Heizkreislauf. Besonders bei der Maisstrohnutzung<br />

könnten sonst die Heizschlangen<br />

im Innenraum sich mit Stroh zusetzen.<br />

Die Biomethan-Anlage wurde vom Energieanlagenbauer<br />

ETW aus Moers gebaut.<br />

„Frankreich ist in Europa aktuell einer<br />

der wichtigsten Märkte für Biomethananlagen“,<br />

bestätigt Marco Weiss, Geschäftsführer<br />

der ETW Energietechnik GmbH. Aus<br />

der Sicht von ETW ist Biomethan derzeit<br />

im Nachbarland auf dem Vormarsch. Auf<br />

der Anlage in Scherwiller hat das Unternehmen<br />

ein Kompaktmodell errichtet. Es<br />

handelt sich dabei um das Biogasaufbereitungs-System<br />

ETW SmartCycle ® PSA. Das<br />

Anlagenmodell ist laut ETW speziell für den<br />

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BIOGAS JOURNAL | 4_<strong>2019</strong><br />

INTERNATIONAL<br />

Mehr als 20 Prozent Maisstroh kann dem Substratmix nicht beigegeben werden.<br />

Im vergangenen Betriebsjahr wurden 1.200 Tonnen eingebracht. Zukünftig<br />

soll der Anteil noch weiter verringert werden, denn die Methanausbeute pro<br />

Kubikmeter ist gering.<br />

Die Rührwerke, die das schwierige Substrat bewegen,<br />

stammen von der Firma Paulmichl.<br />

französischen Markt entwickelt worden.<br />

Die Aufbereitungskapazität liege bei stündlich<br />

230 bis 385 Normkubikmeter (Nm³)<br />

Biogas. Die Biomethan-Erzeugung mittels<br />

Druckwechseladsorption könne zwischen<br />

120 und 210 Nm 3 je Stunde variiert werden.<br />

„Die Anlage überzeugt vor allem durch<br />

eine höhere Toleranz gegenüber Störstoffen<br />

im Biogas und einen sehr geringen Stromverbrauch<br />

von 0,24 kWh/m 3 Biogas inklusive<br />

Nachverdichter“, fügt die Projektleiterin<br />

hinzu. Der Eigenstromverbrauch liege für<br />

die Gasaufbereitung bei einer Produktion<br />

von 120 Nm 3 pro Stunde Biomethan bei<br />

4,5 Prozent, für die gesamte Anlage bei<br />

6,9 Prozent.<br />

Das erzeugte Biomethan wird mit einem<br />

Druck von 4 bar in das Erdgasnetz des<br />

französischen Energieversorgers GRDF<br />

„Frankreich ist in Europa aktuell einer der<br />

wichtigsten Märkte für Biomethananlagen“<br />

eingespeist. „Leider haben wir vom Energieversorger<br />

eine Auflage erhalten, die<br />

energetisch sehr aufwendig ist“, so Besgen.<br />

Nach der Gasaufbereitung muss der Druck<br />

zunächst auf 6 bar erhöht, um danach erneut<br />

auf Netzdruck von 4 bar entspannt zu<br />

werden. Aus Sicht von Rytec macht das wenig<br />

Sinn. „Für diese Auflage haben wir extra<br />

einen Verdichter installieren müssen“,<br />

bedauert die Fachfrau. Diese zusätzliche<br />

Anschaffung habe die Anlagenkosten um<br />

über 100.000 Euro erhöht, zudem kämen<br />

noch Kosten für Betrieb, Wartung und einen<br />

größeren Container hinzu.<br />

Marco Weiss<br />

Erschwerende Regularien<br />

„Gerne hätten wir diese und anderen<br />

Themen mit dem Energieversorger GRDF<br />

besprochen“, bedauert die Projektleiterin.<br />

„Aus unserer Sicht sind manche Regularien<br />

nicht nachvollziehbar“, doch der<br />

„übermächtige“ Gasnetzbetreiber habe<br />

wenig Gesprächsbereitschaft gezeigt. So<br />

gebe es Probleme mit dem Retourgas. Das<br />

ist das Gas, das aus verschiedenen Gründen<br />

manchmal zurückgeschickt wird. „Das<br />

Retourgas ist leider odorisiert“, berichtet<br />

Besgen. Die Odorisierung dient dazu, dass<br />

man das Gas riechen kann. Für die Zuga-<br />

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67


INTERNATIONAL<br />

BIOGAS JOURNAL | 4_<strong>2019</strong><br />

Trotz Zerkleinerung und<br />

Flüssigkeitseintrag<br />

kommt es immer wieder<br />

zu Verstopfungen.<br />

Verklumpungen dieser<br />

Art sind nicht selten.<br />

Dadurch wird manchmal<br />

Luft ins System<br />

eingetragen und der<br />

Stickstoffanteil kann zu<br />

hoch ansteigen.<br />

Die Anlage wird mit<br />

allen organischen<br />

Restoffen gefüttert, die<br />

regional anfallen. Gerade<br />

wurde Maismehl<br />

angeliefert, dass Simone<br />

Besgen durch ihre<br />

Hände rieseln lässt.<br />

be wird THT (Tetrahydrothiophen) genommen, das auf<br />

jeden Fall Schwefel enthält. „Wir wollten das System<br />

damit aber nicht belasten“. In Deutschland geschehe<br />

die Geruchsanreicherung meist an der Stelle, an der<br />

das Gas tatsächlich ins Netz geht. Leider sei das bei<br />

GRDF nicht der Fall.<br />

Simone Besgen erinnert sich auch noch gut an die erste<br />

Einspeisung am 28. April 2018. „An diesem Tag<br />

mussten von unserer Seite alle Anforderungen erfüllt<br />

sein und wir waren pünktlich fertig“, sagt sie. Wenn die<br />

Anlage den Test nicht bestanden hätte, wären dem Betreiber<br />

für einen weiteren Probelauf Kosten von 10.000<br />

Euro entstanden. Allerdings sei die Verspätung von<br />

GRDF auch zu Lasten des Anlagenbetreibers gegangen.<br />

„Man hat leider keine Regressansprüche gegenüber<br />

dem Gasnetzbetreiber. Es blieb uns nichts übrig, als<br />

das Gas abzufackeln“, so die Agraringenieurin.<br />

Stark variierende Genehmigungszeiträume<br />

Je nach Anlagengröße und Substrat sind Genehmigungszeiten<br />

zwischen drei Monaten bis zu einem Jahr<br />

vorgesehen. „Es kann aber auch deutlich länger dauern“,<br />

weiß die Projektleiterin. Die Formalien könnten<br />

zudem nur mit französisch sprechenden Mitarbeitern<br />

gelöst werden. Problematisch sei auch die Mehrwertsteuerrückerstattung,<br />

hierzu gebe es „Unkenntnis an<br />

vielen Stellen“.<br />

Für Bauprojekte dieser Art ist in Frankreich eine „Decennal“<br />

gefordert. Das ist eine vom Gesetzgeber vorgeschriebene<br />

zehnjährige Gewährleistungsversicherung.<br />

In Deutschland sind maximal fünf Jahre üblich. „Wenn<br />

etwas ist, kümmert sich die Versicherung nicht um den<br />

Schaden, sondern prüft, wer verantwortlich ist, und reguliert<br />

den Rechtsstreit“, berichtet die Projektleiterin.<br />

Insgesamt sei der Verwaltungsaufwand in den Unternehmen<br />

zur Erfüllung der Vorgaben hoch und würde<br />

Zeit und Geld kosten. Aufgrund dessen sehen deutsche<br />

Unternehmen nicht selten davon ab, ihre Dienstleistungen<br />

anzubieten oder stellen diese zusätzlich in<br />

Rechnung. Besgen nennt ein Beispiel: „Für den Einsatz<br />

von Angestellten ausländischer Unternehmen gilt<br />

in Frankreich die Entsenderichtlinie. Jeder ausländische<br />

Betrieb müsse vorher Formulare ausfüllen, um für<br />

einen Mitarbeiter eine BTP-Karte zu bekommen.<br />

„Daran sind schon Baustellentermine gescheitert“,<br />

weiß die Projektleiterin. „Einige deutsche Firmen haben<br />

uns deswegen abgesagt“, so Besgen. Zudem hatte<br />

die Anlage Scherwiller vor allem am Anfang mit starken<br />

Spannungsschwankungen bei der Stromzufuhr vom<br />

Stromversorger zu kämpfen. „Die Lage hat sich gebessert,<br />

wir wissen aber nicht genau warum“, so Besgem.<br />

Vor allem in der französischen Landwirtschaft steigt<br />

das Interesse an Biogasanlagen. Dabei spielen unter<br />

anderem die strengeren Vorgaben für den Einsatz von<br />

Dünger im Rahmen der europäischen Nitratrichtlinie<br />

eine Rolle. Da die Ausbringung von Dünger zunehmend<br />

eingeschränkt wird, müssen viele Landwirte Auffangbecken<br />

und Speicher bauen. Wirtschaftlicher ist da oft ein<br />

Gemeinschaftsprojekt auf lokaler Ebene zum Bau einer<br />

Biogasanlage. „Viele Landwirte zeigen Interesse“, so<br />

Simone Besgen. Ein Problem sei aber die Planungsunsicherheit<br />

bezüglich der Einspeisevergütung, Genehmigung<br />

und Förderung, die sich ständig ändern könnten.<br />

„Es ist nicht klar, wie hoch die Vergütung in Zukunft<br />

sein wird“, bestätigt auch Anlagenbetreiber Winterhalter,<br />

doch er ist sich sicher: „Die Landwirte hier sind<br />

begeistert von Biogasanlagen und würden gerne welche<br />

bauen.“ Simone Besgen stimmt zu, denn trotz aller<br />

Unsicherheiten hat Rytec schon zwei neue Aufträge für<br />

Komplettanlagen im französischen Nachbarland in der<br />

Tasche.<br />

Autorin<br />

Dipl.-Ing. · Dipl.-Journ. Martina Bräsel<br />

Freie Journalistin<br />

Hohlgraben 27 · 71701 Schwieberdingen<br />

0 71 50/9 21 87 72<br />

braesel@mb-saj.de<br />

www.mb-saj.de<br />

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