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Bayreuth Evangelisch Juli-Aug-Sept 2019

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Bücher<br />

Hasnain Kazim: Post von Karlheinz.<br />

Wütende Mails von richtigen<br />

Deutschen – und was ich<br />

ihnen antworte, Penguin Verlag<br />

München 2018 (6. Auflage)<br />

Broschiertes Buch 10,00 Euro<br />

ISBN: 978-3-328-10272-4<br />

Hasnain Kazim erhält seit<br />

Jahren Hassbriefe: von AfD-<br />

Anhängern, Pegida-Fans und<br />

Erdogan-Freunden. Doch statt<br />

die Wutmails einfach wegzuklicken,<br />

hat er beschlossen zurückzuschreiben<br />

- schlagfertig,<br />

witzig und immer wieder überraschend.<br />

Er hat es faustdick<br />

hinter den Ohren und schreibt<br />

den Hassbriefschreiben auf <strong>Aug</strong>enhöhe,<br />

auch wenn er sich dabei<br />

auf den Bauch legen muss...<br />

Der Anlass ist ernst und traurig:<br />

Hasnain Kazim, geboren 1974<br />

als Sohn indisch-pakistanischer<br />

Einwanderer in Oldenburg, ist<br />

deutscher Staatsbürger, trägt<br />

aber keinen deutschen Namen.<br />

Der „besorgte“ Bürger ist alarmiert<br />

und lässt seinen Emotionen<br />

freien Lauf. Der Hass über<br />

Andersdenkende, den es schon immer gab, hat durch die moderne<br />

Kommunikation im Netz eine neue Dimension angenommen. Es<br />

ist leicht, seiner Wut Ausdruck zu verleihen und seine Meinung<br />

über das anonyme E-Mail-Postfach zu verbreiten. Kazim hat erlebt,<br />

dass seine Strafanzeigen selbst bei übelsten Beleidigungen<br />

und Bedrohungen niedergeschlagen wurden. Er stellt steigenden<br />

Hass im Netz und eine Erosion des Widerstandes gegenüber menschenfeindlichen<br />

Positionen fest. Es bleibt ihm daher nur übrig,<br />

den Schreibern persönlich auf all den wütenden, pöbelnden Unsinn<br />

zu antworten: „auf <strong>Aug</strong>enhöhe“.<br />

Es gibt ihn tatsächlich, den titelgebenden Karlheinz, von dem Kazim<br />

Post bekommen hat. Er schrieb im November 2016 eine Mail<br />

an den Journalisten, beschimpfte ihn als Schmierfinken und Ausländer,<br />

der „uns Deutsche“ belehren wolle. Karlheinz beendete sein<br />

Schreiben mit dieser Aufforderung: „Komm’ du Schreiberling zu<br />

mir, dann zeige ich dir, was ein echter Deutscher ist!!!“ Kazim lässt<br />

sich nicht zweimal bitten. Er dankt für die Einladung und kündigt<br />

an, mit „meiner Familie“ – also mit Großeltern, Eltern, Geschwistern,<br />

drei Ehefrauen, acht Kindern, 17 Cousinen, 17 Cousins und<br />

22 ihrer Kinder – Karlheinz zu besuchen „und mit Ihnen Advent zu<br />

feiern“. Man komme mit drei Ziegen, die man gedenke im Garten zu<br />

schächten. Ob man wohl einen Gartenschlauch bereitlegen könne,<br />

um nach der Schächtung das Grundstück reinigen zu können? Diese<br />

am Ende ins Absurde abgleitende Korrespondenz veranschaulicht<br />

die Vorgehensweise Kazims: Er bedient absichtlich jedes Klischee<br />

über „Moslems“ und Ausländer, er nutzt Ironie und Witz, um der<br />

Überheblichkeit und dem gelegentlich ausgemachten Schwachsinn<br />

seiner Leserbriefschreiber zu begegnen. Doch hinter allen irr-witzigen<br />

Dialogen steht der kluge Aufklärer, der den Unterschied zischen Islam<br />

und Islamismus deutlich macht oder der die Rolle der Frau im Koran<br />

mit einem Trick demonstriert, indem er Bibel-Zitate als Koran-Texte<br />

ausgibt, diesen „Irrtum“ später dem verblüfften Briefeschreiber offenbart.<br />

Seine Schlussfolgerung: „Religion ist nicht per se schlecht<br />

oder gut, sondern sie ist das, was Menschen aus ihr machen.“<br />

Dr. Jürgen Wolff<br />

Sina Trinkwalder, Zukunft ist<br />

ein guter Ort – Utopie für eine<br />

ungewisse Zeit, Droemer 18,00 €<br />

ISBN: 978-3-426-27784-3<br />

Wenn Sina Trinkwalder die Bühne<br />

betritt, stellt sie sich schwungvoll<br />

und voller Elan mit einer Vita vor,<br />

die einem den Atem verschlägt.<br />

Der Werdegang, die Erfolge und<br />

die vielen Auszeichnungen bis<br />

hin zum Verdienstorden der Bundesrepublik<br />

Deutschland lassen<br />

die Zuhörenden vor Ehrfurcht erblassen.<br />

Die Bühne gehört ihr, das<br />

Publikum gehört ihr, die Zukunft<br />

gehört ihr. Aber dann hält sie<br />

inne und erzählt ihre Vita noch<br />

einmal aus der Perspektive einer<br />

jungen Frau, die, eingeengt in<br />

Zwänge und Erwartungshaltungen,<br />

immer das gemacht hat, was<br />

andere von ihr wollten. Die, trotz<br />

ihres ungeheuren Erfolges schon<br />

in ganz jungen Jahren, nie richtig<br />

glücklich darüber war, weil immer etwas gefehlt hat. Und sie erzählt,<br />

welches Erlebnis sie dazu brachte, ihre glänzende Existenz über Bord zu<br />

werfen und alles ganz anders zu machen. Denn sie ist davon überzeugt,<br />

die Zukunft gehört ihr, aber auch allen anderen Menschen. Und sie ist<br />

davon überzeugt, dass die Zukunft gut sein kann. In ihrer Zukunftsutopie<br />

spielen Demokratie, Grundwerte, Berufung und Teilhabe ein Rolle.<br />

Sie fordert ein wirtschaftliches Konzept zwischen Planwirtschaft und<br />

freier Marktwirtschaft, das die Förderung einer ressourcenschonenden<br />

Lebensweise und nachhaltiges Handeln in der Wirtschaft belohnt. Sie<br />

fordert ein Umdenken in der Gesellschaft, was Status, Werte und Wertschätzung<br />

anbelangt und faire Rahmenbedingungen, die eine Umverteilung<br />

zugunsten derjenigen bedingt, die über die letzten Jahrzehnte<br />

hinweg den europäischen Wohlstand der westlichen Welt überhaupt<br />

erst möglich gemacht haben und klare Regeln für einen Klimaschutz,<br />

der nachfolgenden Generationen annähernd ein Leben in der Freiheit<br />

möglich macht, die wir im Übermaß genossen haben. Sie macht es uns<br />

vor: Ihre 2010 in <strong>Aug</strong>sburg gegründete Firma, in der sie hauptsächlich<br />

auf dem Arbeitsmarkt benachteiligte Menschen beschäftigt, produziert<br />

nachhaltige Textilien. Mit ihrem zweiten Unternehmen „BRICHBAG“<br />

hilft sie zahlreichen Obdachlosen. Sie handelt aus voller Überzeugung.<br />

Das merkt man ihr nicht nur auf der Bühne an, das spricht auch aus jeder<br />

Zeile ihres neuen Buches. „Zukunft für alle kann nur gestaltet werden<br />

durch alle“ – fangen wir heute damit an. Claudia Sommermann<br />

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<strong>Bayreuth</strong> <strong>Evangelisch</strong> | <strong>Juli</strong> - <strong>Sept</strong>ember <strong>2019</strong> 11

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