ZETT-2
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#2 ∙ JULI 2019 ∙ KOSTENLOS<br />
Das Kulturmagazin für Freiburg<br />
Foto: Martin Koswig<br />
Aus dem ZYPRESSE VERLAG<br />
www.zett-magazin.de<br />
MYTHOS<br />
Schwarzwaldmädel<br />
Der Sinn des Lebens<br />
Gela Samsonidse<br />
Eine Seilbahn für Dietenbach?<br />
uniCROSS<br />
Literatur<br />
Musik<br />
Theater
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2 <strong>ZETT</strong>. JULI 2019
Auch haben wir dem ma-<br />
gischem Waldkirch einen Be-<br />
such abgestattet, werfen<br />
einen<br />
Blick auf das bevorstehende<br />
37. Zelt-Musik-Festival,<br />
präsentieren<br />
Lesenswertes von Freiburger<br />
Autorinnen und Autoren und<br />
berichten von einem Besuch<br />
im fast schon unheimlich agilen<br />
Medienzentrum der Universität.<br />
Ausgelutscht, verkitscht,<br />
sagen die einen, einfach geil<br />
und Kult die anderen – die<br />
Rede ist vom Bollenhut. Die<br />
Drei-Dörfer-Kopfbedeckung<br />
aus dem Schwarzwald hat<br />
das Zeug zum Mythos. Denn<br />
vierzehn dicke Bollen auf einem<br />
eingegipsten Strohhut<br />
scheinen irgendwie so gar<br />
keinen Sinn zu machen. In<br />
Verbindung mit den urigen<br />
Landschaften des Schwarzwaldes<br />
und dem Interesse<br />
der Touristen hat sich der<br />
sagenhafte Bollenhut dennoch<br />
zum Statussymbol des<br />
Schwarzwalds schlechthin hthin<br />
gemausert.<br />
Die Kuckucksuhr geht<br />
vorläufig als zweiter<br />
Sieger durchs Ziel –<br />
man kann sie sich einfach<br />
schlecht aufsetzen.<br />
Für das Kulturmagazin<br />
Zett. ist der kulturelle Siegeszug<br />
des Bollenhuts Anlass,<br />
sich eingehender mit diesem<br />
schwäbischen Symbol der<br />
Unterdrückung zu beschäftigen.<br />
Denn schwäbisch ren die drei Ach-Orte Gutach,<br />
Kirnbach und Reichenbach,<br />
als dort der Hut vor über 222<br />
wa-<br />
Jahren erfunden wurde; und<br />
ohne es zu wollen unterdrückt<br />
der Bollenhut heute<br />
in Bekanntheit und Pracht<br />
die vielen anderen, traditionellen<br />
Kopfbedeckungen des<br />
Schwarzwaldes. Oder wissen<br />
Touristen auf Anhieb, wie ein<br />
Schnapphut, ein Schäppel<br />
oder eine Schlupfkappe aussieht?<br />
Der 2015 verstorbene Max<br />
Köhler und der Offenburger<br />
Stefan Strumbel sind bekannte<br />
Pioniere der künstlerischen<br />
Überführung traditioneller<br />
Schwarzwaldbilder in<br />
die Moderne. Doch was haben<br />
andere, zeitgenössische<br />
Künstler drauf? Wohin lassen<br />
sie Schwarzwaldmädel und<br />
Bollenhut in ihren Fantasien<br />
fliegen? Einige herausragende<br />
Antworten auf diese Frage<br />
finden Sie hier, in der zweiten<br />
Ausgabe des Freiburger Kulturmagazins<br />
Zett.<br />
Bild: Heinz Wendling<br />
Außerdem nehmen wir<br />
uns in diesem Sommer 2019<br />
die Zeit, uns mit der Frage<br />
nach dem Sinn des Lebens zu<br />
beschäftigen. Viele sind überzeugt,<br />
dass sich diese tiefste<br />
aller Sinnfragen im sonnigen<br />
und weitgehend industriefreien<br />
Freiburg weniger stellt<br />
als anderswo. Ist das so? Wir<br />
haben Bächleputzer, Oberbürgermeister,<br />
Fußballtrainer<br />
und andere Freiburger<br />
befragt – das Ergebnis finden<br />
Sie im Heft. Vielleicht werden<br />
ja auch Sie erfasst von<br />
jener kleinen Welle tiefer Reflektionen<br />
und Diskussionen,<br />
die unsere Umfrage überraschenderweise<br />
ausgelöst hat.<br />
GEILER KITSCH<br />
Daneben erzählen wir die<br />
Geschichte eines Freiburger<br />
Unternehmers, der den<br />
neu zu bauenden Stadtteil<br />
Dietenbach mit<br />
einer urbanen Seilbahn<br />
an das Freiburger<br />
Verkehrsnetz<br />
anschließen<br />
will, nachdem sein<br />
zehnjähriger Sohn<br />
die Idee dazu hatte. Und<br />
wir zeigen die Bilder eines<br />
Vierjährigen, der seine ganz<br />
eigene Kunst auf Leinwände<br />
bannt.<br />
Lassen Sie sich inspirieren!<br />
Herzlichst<br />
Arne Bicker<br />
Redaktionsleiter Zett.<br />
EDITORIAL<br />
Impressum<br />
„<strong>ZETT</strong>. – Das Kulturmagazin für<br />
Freiburg“ ist eine Magazinpublikation<br />
der Zypresse Verlags GmbH,<br />
Brunnenstraße 6, 79098 Freiburg.<br />
redaktion@zett-magazin.de<br />
www.zett-magazin.de<br />
www.zypresse.com<br />
Geschäftsführung:<br />
Dr. Manfred Kross<br />
Gestaltung: Schleiner & Partner<br />
Grafik, Layout: Frank Reder<br />
Redaktionelle Leitung: Arne Bicker<br />
Titelfoto: Martin Koswig<br />
Fotografie: Fabrizio Galuppi, Janine<br />
Machiedo, Martin Koswig, Arne<br />
Bicker<br />
Illustration: Jonatan Alcina<br />
Cartoon: Klaus Karlitzky<br />
Für Druckfehler keine Haftung.<br />
Das Copyright für Texte und Fotos<br />
liegt beim Verlag und den Autoren<br />
/ Fotografen. Nachdruck, Vervielfältigungen<br />
und elektronische<br />
Speicherung nur mit schriftlicher<br />
Genehmigung des Verlages.<br />
<strong>ZETT</strong>. JULI 2019<br />
3
INHALT<br />
30<br />
LITERATUR<br />
das schöne bild<br />
34<br />
DENNYS ART<br />
Kleinkunst<br />
MYTHOS SCHWARZWALDMÄDEL<br />
ab Seite 8<br />
EDITORIAL<br />
Geiler Kitsch 3<br />
LEITKULTUR<br />
Bröckelt da was? 7<br />
MYTHOS SCHWARZWALDMÄDEL<br />
Black Forest Supergirl 8<br />
Siegfried Knittel – Schwarzwald mondän 10<br />
Florian Tröger – Jagdglück 12<br />
Marco Sorrentino – Erleuchtet 13<br />
Oliver Lucht – Bollen im Weltall 13<br />
Michael Meier – Pin Up 14<br />
Janine Machiedo – Bollenzauber 16<br />
Fabrizio Galuppi – Blackforest 17<br />
Betty BBQ & Roman Zaytsev – Klein und groß 18<br />
Gerhard Völkle – Zeitenwende 19<br />
Hanna Thienel – Rauchzeichen 20<br />
Tina Necker – Stichtag 21<br />
MEDIEN<br />
uniCROSS – Mediennachwuchs 22<br />
DER SINN DES LEBENS<br />
Der Sinn des Lebens – Im Kernfragennebel 24<br />
Freiburger Zitate 26<br />
Herausgeputzt – Alain Stockmayr 28<br />
LITERATUR<br />
Piotr Iwicki – das schöne bild 30<br />
Der Turm der blauen Pferde 31<br />
Freiburger Autoren 32<br />
KUNST<br />
Dennys Art – Kleinkunst 34<br />
Die Mona Lisa vom Schwarzwald 35<br />
Gela Samsonidse 36<br />
KULTUR AM START<br />
Schöner fliegen 38<br />
Auf Entdeckungsfahrt 40<br />
Fritz‘ Galerie 40<br />
Museumsnacht 41<br />
Parkside Festival 41<br />
Kokosnuss und Meeresmüll 42<br />
Stadtwandforschung 42<br />
18<br />
38<br />
KLEIN UND GROSS<br />
Betty BBQ & Roman Zaytsev<br />
THE MAGIC MAN<br />
Schöner fliegen<br />
DER SINN DES LEBENS<br />
ab Seite 24<br />
4 <strong>ZETT</strong>. JULI 2019
61<br />
52<br />
DAMENWAHL<br />
Siegfried Zey<br />
MUSIK<br />
And the Beat goes on<br />
36<br />
KUNST<br />
Gela Samsonidse<br />
GESELLSCHAFT<br />
Holbeinpferd – Der Lack ist ab 43<br />
Schöner Schweben – Eine Seilbahn für Dietenbach? 44<br />
Grüße von Karl May 46<br />
Zaubertrank 46<br />
Schmachtvergleich – Quartett 47<br />
Retro Cruiser 48<br />
MUSIK<br />
Elisabeth Bereznicki – Frank Vincent Zappa 50<br />
Konzerttipps 51<br />
And the Beat goes on – Das 37. ZMF 52<br />
Musik aus Freiburg 54<br />
KRIMINALSZENE<br />
Kuriose Polizeimeldungen 55<br />
BOLLENKULT<br />
222 Jahre Bollenhut – eine bebilderte Festschrift 56<br />
Milch trifft Mehl – Schwarzwaldmuffin 58<br />
Sebastian Wehrle – Erleuchtet 58<br />
Sarah von der Geest – Die Fotozeichnerin 59<br />
Anne Mary Deutsch – Big Bang 59<br />
Jochen Scherzinger – Im tiefen Walde 60<br />
Selina Haas – Neustart 60<br />
Siegfried Zey – Damenwahl 61<br />
Birgit Hepting – Bollengut 62<br />
Uwe Merz – Trotzköpfe 62<br />
Ruth Gast – Huckepack 63<br />
Hansjörg Kleiser – Bollero 64<br />
Silke Gerfen – Bollenquader 65<br />
Michaela Kindle – Overflow 66<br />
Silke Gerfen – Bollenquader 66<br />
Heinz Wendling – Im Letterwald 67<br />
Simon Stiegeler – Im Unterholz 67<br />
Thomas Zipfel – Und Action! 68<br />
Josef Weis – Bollyhood 68<br />
Klaus Karlitzky – Schwarzwald oh Heimat 69<br />
STIMMEN...<br />
zur ersten Ausgabe Zett. 70<br />
59<br />
DIE ZEICHNERIN<br />
Sarah von der Geest<br />
59<br />
Anne Marie Deutsch<br />
Dame von Welt.<br />
BIG BANG<br />
Anne Mary Deutsch<br />
BOLLENKULT<br />
ab Seite 56<br />
<strong>ZETT</strong>. JULI 2019<br />
5
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<br />
6 <strong>ZETT</strong>. JULI 2019
LEITKULTUR<br />
von Arne Bicker<br />
BRÖCKELT DA WAS?<br />
Trump-Brexit-AfD – ich kann es nicht<br />
mehr hören. Hat diese nicht enden wollende<br />
Nachrichtenflut von Hasspolitikern<br />
wie Donald Trump, den Brexitiers<br />
oder den AfDlern überhaupt etwas Gutes?<br />
Aber ja doch: Etablierte Regierungspolitiker<br />
können sich besser, ehrlicher,<br />
ja, überlegen fühlen. Das bisschen Waffenexporte<br />
oder Verschleppung einer<br />
zeitgemäßen Klima-, Energie- und Sozialpolitik<br />
ist doch ein Klacks im Vergleich<br />
zu jenen irrwitzigen Hetzkampagnen,<br />
die einen Giftcocktail aus Informationen<br />
und Desinformationen ins Volk injizieren.<br />
Trotzdem hat der Aachener Profi-Youtuber<br />
‚Rezo‘, bürgerlich Yannick (Quelle:<br />
NOZ), im Mai mal eben so mit einem Video<br />
die deutsche Regierungs-Koalition<br />
aufgemischt. Kurz vor der Europawahl<br />
stellte der 26-Jährige Musikvideoblogger<br />
eine Suada zur deutschen Regierungspolitik<br />
online (provokanter Titel:<br />
„Die Zerstörung der CDU“) – eine Abrechnung,<br />
die nicht in allen Details akkurat<br />
war, aber viele Nägel auf die Köpfe<br />
traf.<br />
Rund 15 Millionen Menschen hatten<br />
sich das Video bis Pfingsten angeschaut.<br />
Die Reaktionen aus der Politik waren<br />
vorhersehbar selbstherrlich. Doch Rezos<br />
Kritik an den Regierungsparteien wie<br />
auch an der FDP und AfD war hart und<br />
in vielen Punkten gerechtfertigt. Und es<br />
war, indirekt, zugleich ein In-Frage-Stellen<br />
der Arbeit unserer etablierten Medien,<br />
die sich vielleicht zu oft im Abglanz<br />
der Mächtigen im Lande sonnen und<br />
nicht intensiv und ausdauernd genug<br />
mit diesen so hart ins Gericht gehen,<br />
wie sie es sollten.<br />
Um es klar zu sagen: Deutscher Journalismus<br />
ist nicht gleichgeschaltet, er<br />
ist per se keine Lügenpresse und verbreitet<br />
keine vorsätzlichen Fake-News.<br />
Aber werden die seriösen deutschen<br />
Medien in ausreichendem Maße ihrer<br />
ureigensten Aufgabe gerecht, die vierte<br />
Macht im Staate zu sein und den Mächtigen<br />
akribisch auf die Finger zu schauen?<br />
Oder höhlen sie sich selbst aus, lassen<br />
sich von Regierung, Opposition und<br />
Wirtschaft umkuscheln und sich mal<br />
mehr, mal weniger in deren Interessen<br />
weichspülen?<br />
Die Antwort kann und darf jede Leserin,<br />
jeder TV-Zuschauer selbst herausfinden.<br />
Zum Glück gibt es noch sehr<br />
guten, investigativen Journalismus.<br />
Nur: Unternehmer und Politiker, die<br />
sich Übles haben zu Schulde kommen<br />
lassen, wissen, dass sie selten erwischt<br />
werden, und wenn, dann mit Abwiegeln,<br />
Abwarten und Teetrinken meist<br />
locker aus allem herauskommen. Diese<br />
passive Kommunikationstaktik wird<br />
perfiderweise gern „brutalstmögliche<br />
Aufklärung“ genannt.<br />
Eine echte ‚brutalstmögliche Aufklärung‘<br />
und Gemahnung an besseres Wirken<br />
in alle Richtungen ist die eigentliche<br />
Kernaufgabe des Journalismus. Wird<br />
er dem in dem nötigen Maße gerecht?<br />
Oder bröckelt da was? Ließ das Strache-<br />
Video nur erahnen, wie viele derart miese<br />
Machtgespräche wohl undokumentiert<br />
in Hinterzimmern stattfinden?<br />
Das Rezo-Video lehrt uns: Wir sollten<br />
all jenen, die Mist bauen und die<br />
Gemeinschaft schädigen, egal unter<br />
welcher Fahne, noch viel unnachgiebiger<br />
auf die Füße treten. Und wir sollten<br />
Spitzenpolitiker einfordern, die nicht<br />
nur von Parteiproporz auf ihre Posten<br />
gespült werden, sondern die wirklich<br />
Spitze sind, in dem, was sie tun, im Sinne<br />
echter Kompetenz, mit der sie ihre<br />
Aufgaben zu allererst im Interesse der<br />
Summe aller Bürgerinnen und Bürger<br />
meistern. Wir sollten nicht länger mit<br />
Bruchteilen hiervon oder gar offenem<br />
Dilettantentum zufrieden sein.<br />
Lassen wir uns nicht länger ruhig stellen<br />
mit heiligen Versprechungen für<br />
Neustarts und Umdenken – wenn danach<br />
mit ewig-gestrigen Köpfen doch<br />
wieder alles so weiter geht wie bislang.<br />
Der großartige Essayist Stéphane Hessel<br />
hat das vor neun Jahren mit seinem<br />
Aufruf auf den Punkt gebracht: Empört<br />
Euch! Hinzuzufügen wäre heute: …<br />
durch Abgrenzung, konstruktive Kritik<br />
und Engagement – aber bitte nicht anonym<br />
oder vulgär.<br />
<strong>ZETT</strong>. JULI 2019<br />
7
MYTHOS SCHWARZWALDMÄDEL<br />
1<br />
BLACK FOREST<br />
SUPERGIRL<br />
von Arne Bicker<br />
Vierzehn Bollen auf dem fast zwei Kilogramm schweren<br />
Hut, eine züchtig hochgeschlossene Tracht auf dem Leib und<br />
ein zartes Lächeln im Gesicht – das ist das Schwarzwaldmädel.<br />
Die Frage „Wer kennt sie nicht?“ ist zunehmend schwer<br />
zu beantworten, denn das Abbild dieser ewig jungen Dame<br />
aus dem südwestlichen Tann vermehrt sich rasant.<br />
Kurzum: Das Schwarzwaldmädel<br />
rockt. Als Kult-Ikone ist die junge<br />
Frau längst ein gefragter Werbeträger<br />
für die unterschiedlichsten Unternehmen,<br />
Verbände und Produkte. Und immer<br />
mehr gestaltende Künstler pusten<br />
den Staub von der kreuzbraven Kitschfigur<br />
und arbeiten sich an ihr ab, indem<br />
sie sie in andere Welten, Erscheinungsformen<br />
und Seinszustände versetzen.<br />
Eine schillernde Auswahl präsentieren<br />
wir Ihnen auf den folgenden Seiten in<br />
unserem Kulturmagazin „Zett.“<br />
Schwarzwaldmädel – „der Begriff<br />
meint Eine und Alle. Er vereint Landschaft<br />
und Mädchen, was es beides schon gibt<br />
seit Menschengedenken“, heißt es in dem Buch „Schwarzwaldmädel<br />
– Ansichten einer Bilderbuchschönheit“ (herausgegeben<br />
vom Schwarzwälder Freilichtmuseum Vogtsbauernhof<br />
anlässlich einer Ausstellung zum Thema im Jahr<br />
2007). Dabei hatte es die historisch verbriefte Trachtendame<br />
als hart arbeitende Dorfschönheit alles andere als leicht, wie<br />
es die aktuelle Ausstellung „Schwarzwald-Geschichten“ im<br />
2<br />
Freiburger Augustinermuseum unter Beweis stellt. Ihr Urvater<br />
ist wohl der Heimatdichter Berthold Auerbach (1812 –<br />
1882) aus Horb am Neckar. Ein Schwabe, ausgerechnet. Auerbach<br />
gelang ab 1843 mit seinen 27 Erzählungen umfassenden<br />
„Schwarzwälder Dorfgeschichten“ der große literarische<br />
Wurf.<br />
Runderneuert und ins echte Leben berufen<br />
wurde der Geist aus dem Brauchtum 1917 im<br />
Preußischen, an der Komischen Oper in Berlin:<br />
Hier wurde das Singspiel „Schwarzwaldmädel“<br />
uraufgeführt. Den Text zum Stück hatte<br />
der Librettist August Neidhardt (1867 – 1934)<br />
aus Wien geschrieben. Ein Österreicher, ausgerechnet.<br />
Das erklärt, warum das Schwarzwaldmädel<br />
nicht mundartgerecht „Maidli“<br />
heißt. Eine Petitesse damals, mit völkerverbindender<br />
Wirkung heute.<br />
Der Refrain „Mädle aus dem schwarzen<br />
Wald, die sind nicht leicht zu habe!<br />
Nur ein Schwabe, hat die Gabe, stiehlt ins<br />
Herz sich bald“ ist gleichwohl ein Stich in<br />
die badische Seele. Die Musik hatte der aus Stettin<br />
stammende Leon Jessel komponiert, wie Auerbach jüdischen<br />
Glaubens. 1942 starb Jessel an den Folgen schwerster Misshandlungen<br />
durch die Machthaber. Die Nazis verehrten das<br />
Schwarzwaldmädel – nicht aber dessen Komponisten.<br />
Die zweite Wiedergeburt der Unschuld vom Lande fiel ins<br />
Jahr 1950. Der Berliner Regisseur Hans Deppe (1897 – 1969)<br />
8 <strong>ZETT</strong>. JULI 2019
3<br />
verfilmte das Singspiel, wenn auch nicht zum ersten und nicht<br />
zum letzten Mal. Insgesamt gab es sechs Verfilmungen, die<br />
erste davon 1920 als Stummfilm. Aber Deppes de Verfilmung mit Sonja Ziemann<br />
als Schwarzwald-<br />
bunt-schillernmädel<br />
Bärbele, Rudolf<br />
Prack als Hallodri Hans<br />
Hauser und Paul Hörbiger<br />
als Domkapellmeister<br />
Blasius Römer im fiktiven<br />
Schwarzwaldörtchen St.<br />
Christof (tatsächlich heißt<br />
so ein Skiort am Arlberg)<br />
ging ab wie ein Zäpfle: Mit<br />
16 Millionen Kinobesuchern<br />
ist das „Schwarzwaldmädel“<br />
der erfolgreichste deutsche<br />
Film bis heute.<br />
4<br />
Seither emanzipierte sich<br />
das als schwäbisch-österreichisch-preußische<br />
Konproduktion<br />
entstandene<br />
Schwarzwaldmädel vom Postkartenmotiv<br />
zur Kunstikone<br />
und Werbeträgerin weit über<br />
die Grenzen<br />
des Schwarzwalds hinaus. Aus dem bescheidenen, fleißigen,<br />
tapferen und tugendhaften Dorfmaidle ist eine urbane,<br />
selbstbewusste und moderne junge Frau geworden, die ihre<br />
Zeitgenossen intellektuell locker in die Tasche steckt. Man<br />
sieht es ihr nur nicht immer gleich an.<br />
1 Berthold Auerbachs „Barfüßele“<br />
erzählt Heimatgeschichte aus dem<br />
Schwarzwald.<br />
2 Diese Europa-Briefmarke der<br />
deutschen Bundespost aus dem Jahr<br />
1981 zeigt einen Folklore-Tanz aus<br />
dem Schwarzwald.<br />
3 Das Buch „Schwarzwaldmädel<br />
– Ansichten einer Bilderbuchschönheit“<br />
von Thomas Hafen, Jürgen<br />
Weisser und Ansgar Barth erschien<br />
2007.<br />
4 Das Schwarzwaldmädel auf<br />
einer Vinyl-Single von Philips.<br />
<strong>ZETT</strong>. JULI 2019<br />
9
MYTHOS SCHWARZWALDMÄDEL<br />
SCHWARZWALD MONDÄN<br />
www.siegfried-knittel.com<br />
10 <strong>ZETT</strong>. JULI 2019<br />
Und ewig ruft der Wald:<br />
Siegfried Knittel (69) lebt<br />
seit zwanzig Jahren in Berlin,<br />
übersiedelte 1999 aus<br />
Bonn dorthin mit der Bundestagsverwaltung,<br />
für die<br />
er an Rhein und Spree tätig<br />
war. Seine Heimat St. Blasien<br />
im Schwarzwald reiste<br />
im Seelenkoffer des leidenschaftlichen<br />
Malers mit. Erst<br />
seit 2012 jedoch flossen ihm<br />
auch visuelle Heimatklänge<br />
aus dem Handgelenk. „Ich<br />
habe das Thema Schwarzwald<br />
viele Jahre mit mir herumgetragen“,<br />
erzählt Knittel<br />
am Telefon. Hilfestellung bot<br />
ein weiterer Geist: „Die Berliner<br />
sind so offen und unverstellt.“<br />
Das befreite den Schwarzwald<br />
endlich aus Knittels<br />
Seele und lies das unbedarfte<br />
Schwarzwaldmädel zur<br />
kosmopolitischen Dame von<br />
Welt erwachsen. So haben<br />
jetzt auch die Preußen etwas<br />
davon, durch deren Kehlen<br />
schon längst in unzähligen<br />
Lokalen badisches Tannenzäpfle<br />
gurgelt. Knittels eleganten<br />
Damen der Serie<br />
„Chic Charme & Chapeau“<br />
sind oftmals Ehefrau Selini<br />
oder Tochter Artemis nachempfunden.<br />
Und Knittel liebt,<br />
was er tut, streut teils mehrfach<br />
und in vielen Schichten<br />
Farbpigmente in Acryl- oder<br />
Nitrolacke.<br />
Ein Laudator bestätigte<br />
ihm einst, der Bollenhut habe<br />
„über Artikel 2 des Grundgesetzes<br />
Verfassungsrang“<br />
– nicht weniger als „die freie<br />
Entfaltung der badischen Persönlichkeit“<br />
stehe auf dem<br />
Spiel. Und die lässt sich Siegfried<br />
Knittel nicht nehmen –<br />
sein Hutportfolio wächst und<br />
gedeiht.<br />
Siegfried Knittel<br />
Foto: privat
<strong>ZETT</strong>. JULI 2019<br />
11
MYTHOS SCHWARZWALDMÄDEL<br />
JAGDGLÜCK<br />
www.florian-troeger-art.com<br />
Foto: Arne Bicker<br />
Florian Tröger (28) möchte<br />
am liebsten alle künstlerischen<br />
Ketten sprengen.<br />
Vielleicht ist das in familiärer<br />
Hinsicht kein Wunder, wurde<br />
Vater Michael doch seinerzeit<br />
aus der DDR ausgewiesen, weil<br />
er auf seinen Druckmaschinen<br />
in Weimar mindestens einen<br />
antikommunistischen Flugzettel<br />
zu viel aus der Presse<br />
laufen ließ. Über den Umweg<br />
Gießen gelangten die Trögers<br />
nach Freiburg, wo Florian an<br />
der Akademie für Kommunikation<br />
Grafikdesign studierte.<br />
2016 folgte er seiner studierenden<br />
Freundin nach Köln.<br />
Im rheinischen Laissez-faire<br />
wechselte er vom Logogestalter<br />
ins künstlerische Fach, weil<br />
er hier „endlich auch mal verrückt<br />
sein“ durfte. Seine Bilder,<br />
u.a. von einem ziemlich wilden<br />
Schwarzwald, malt er Kunden<br />
inzwischen auch als Tattoos<br />
auf die Haut. Noch in diesem<br />
Jahr möchte Florian Tröger<br />
mit seinem Vater in Freiburg<br />
„einen kleinen Laden“ aufmachen<br />
für Kunst, Drucke und<br />
Tattoos. So viel Freiheit muss<br />
sein, meinen die beiden.<br />
12 <strong>ZETT</strong>. JULI 2019
MYTHOS SCHWARZWALDMÄDEL<br />
ERLEUCHTET<br />
Marco Sorrentino hat eine rauhe Stimme, ein warmes Herz<br />
und macht tausend Dinge gleichzeitig. Der in Baden-Baden<br />
geborene Sohn eines Italieners und einer Deutschen kann fast<br />
alles, außer italienisch sprechen. Sorrentino ist im Hauptberuf<br />
Medizintechniker in der Strahlentherapie, verkauft nebenher<br />
„Heavy-Metal-Gartenzwerge“ (rockzwerge.com), spielt<br />
Schlagzeug, singt und betreibt seit 2010 ein eigenes Fotostudio,<br />
in erster Linie für Porträtaufnahmen. Als Schwarzwaldmodel<br />
mit zwei Hutvarianten hat Sorrentino das Modell Lisa Sbikowski<br />
abgelichtet, weil ihn „der Hype inspiriert“ habe. „Eine<br />
Lampe, ein bisschen Reflektor“ und zwei coole Frisuren später<br />
waren die Bilder im Kasten.<br />
www.marcossorrentino.de<br />
BOLLEN IM WELTALL<br />
Das Schwarzwaldmädel ist längst eine international bekannte<br />
Figur. Für das Plakat des Ebneter Kultursommers 2019<br />
hat Mitbegründer Oliver Lucht die Dame mit dem Bollenhut<br />
kurzerhand sogar auf den Mond geschossen (unser Bild zeigt<br />
einen Plakatausschnitt). Man könnte auch sagen: Böse Mädels<br />
kommen schnell an ihre Grenzen, Schwarzwaldmädels überall<br />
hin.<br />
<strong>ZETT</strong>. JULI 2019<br />
13
MYTHOS SCHWARZWALDMÄDEL<br />
PIN UP<br />
Der Illustrator Michael Meier lebt in<br />
Oberndorf am Neckar und bezeichnet sich<br />
selbst als Halbschwabe. Die andere Hälfte<br />
entstammt der väterlichen Linie aus Waldshut.<br />
Unter dem Titel „Secret Schwarzwald<br />
Affairs“ wirft Meier einen lasziv-intimen Blick<br />
hinter die Fassaden der Schwarzwaldbauernhöfe.<br />
Was geht da wohl vor? Und wenn eine<br />
Dame mit rotem Bollenhut zur Brautschau<br />
geschickt wird, dann machen sich die Herren<br />
eben manchmal so richtig zum Affen – „ein<br />
Sinnbild für den ganzen Irrsinn mit uns Männern“,<br />
wie Meier meint.<br />
www.michaelmeier-illustrator.com<br />
Foto: privat<br />
14 <strong>ZETT</strong>. JULI 2019
MYTHOS SCHWARZWALDMÄDEL<br />
BOLLENZAUBER<br />
„Roots in Red“ nennt Janine Machiedo ihre surreale Fotoserie,<br />
in der sie den Schwarzwald auf ihre ganz eigene Weise in<br />
den Blick nimmt. Jedes Bild der Freiburger Fine-Art-Fotografin<br />
ist ein Selbstporträt. Sie fotografiert, also ist sie. Machiedos<br />
Konzeptfotografien erzählen uns surreal-skurrile und märchenhafte<br />
Geschichten.<br />
www.janine-machiedo.de<br />
Foto: Arne Bicker<br />
16 <strong>ZETT</strong>. JULI 2019
MYTHOS SCHWARZWALDMÄDEL<br />
BLACKFOREST<br />
© 2019 Fabrizio Galuppi<br />
Fabrizio Galuppi ist ein waschechter Römer, lebt aber seit<br />
zehn Jahren in Freiburg. In seinem Bild „Blackforest“ zeigt er<br />
uns seinen Blick auf die Schönheit eines nackten Körpers, der<br />
zugleich mit einem Kleid zu sehen ist. Alles ist Farbe und Komposition.<br />
Galuppi: „Ich fotografiere seit 30 Jahren und habe<br />
schon viele Bereiche der Fotografie erforscht. Erst in Freiburg<br />
habe ich mit der Aktfotografie begonnen. Nacktheit provoziert<br />
verschiedene Reaktionen: Speziell viele Frauen verlieben sich,<br />
in was sie sehen.“<br />
www.fabrizio-foto.de<br />
<strong>ZETT</strong>. JULI 2019<br />
17
MYTHOS SCHWARZWALDMÄDEL<br />
KLEIN UND GROSS<br />
Eine Kunstfigur in vielerlei<br />
Hinsicht ist Betty BBQ: Über<br />
zwei Meter groß, (Unterkante<br />
High Heels bis Oberkante<br />
Bollenhut), Stadtführerin,<br />
Travestie-Künstler, Moderatorin,<br />
DJ – ein Freiburger<br />
Leuchtturm. Wer als „lustiger<br />
schwuler Mann“ (Betty<br />
BBQ) im oberen Elztal aufgewachsen<br />
ist, dem – sagen<br />
wir es vorsichtig – wurde<br />
nicht gleich alles geschenkt.<br />
Nach einer Übergangszeit<br />
als „glitzernde 80er-Jahre-Tante“<br />
warf sich Betty<br />
BBQ zum ersten Freiburger<br />
'Ball Verqueer' in eine<br />
schnell auf ebay geschossene<br />
Dirndl-Tracht. Und obwohl<br />
für Betty inzwischen<br />
auch allerfeinste Stoffe<br />
erschwinglich sind, blieb<br />
es dabei: „Sonst sieht man<br />
doch das Dekolleté nicht!“<br />
Neben der Grande Dame<br />
auf der Rathaustreppe<br />
zum Trauzimmer steht die<br />
39 Zentimeter hohe Holzskulptur<br />
„Xenia“ des in<br />
St. Petersburg geborenen<br />
Bildhauers Roman Zaytsev<br />
stramm. Der 36-Jährige lebt<br />
seit 1999 in Freiburg und<br />
erschafft gefühlvoll-rauhe<br />
Lindenholzskulpturen mit<br />
viel Charme und Witz.<br />
Foto: Arne Bicker<br />
Roman Zaytsev<br />
18 <strong>ZETT</strong>. JULI 2019
MYTHOS SCHWARZWALDMÄDEL<br />
Foto: privat<br />
ZEITENWENDE<br />
www.atelier-voelkle.de<br />
Der gebürtige Lörracher<br />
und bekennende SC-Freiburg-<br />
Fan Gerhard Völkle (65) lebt in<br />
Binzen und ist der „Sehnsucht<br />
Heimat“ auf der Spur. Seine<br />
schattenrissigen Figurenbilder<br />
legen gern auch mal Rost<br />
an. Völkle begreift das als eine<br />
„ästhetische Oberfläche“, die<br />
für „Natürlichkeit, Verwitterung,<br />
Korrosion und Verfall“<br />
stehe. Seine Bilder zeigen indes:<br />
Gerade das Fehlen eines<br />
Gesichtsausdrucks kann eine<br />
besondere Ausdrucksstärke<br />
hervorrufen. Und das historisch-moderne<br />
Pärchen aus<br />
Schwarzwaldmädel und Yuppie<br />
scheint nur so vor Leben<br />
zu sprühen.<br />
<strong>ZETT</strong>. JULI 2019<br />
19
MYTHOS SCHWARZWALDMÄDEL<br />
RAUCHZEICHEN<br />
Hanna Thienel ist 22 Jahre jung. Die gelernte Fotografin lebt<br />
in ihrer Geburtsstadt Baden-Baden, fühlt sich aber, wie sie<br />
sagt, zugleich ihrer Berufsschulstadt Freiburg sehr verbunden.<br />
Die Fotografie entdeckte sie als Leidenschaft im Alter von 14<br />
Jahren. Ihr Spezialgebiet? „Inszenierte Portraits, die provokativ<br />
und kontrastreich sind“, so Thienel. Und sie fragt sich: „Wie<br />
würde ein Schwarzwaldmädel heutzutage aussehen?“ Hanna<br />
Thienels Bilder werden im 2016 von Anja Catil und Barbara<br />
Jüngst eröffneten Laden „Schwarzwaldmädels“ in Baden-Baden<br />
vertrieben.<br />
www.schwarzwaldmaedels.com<br />
Das WIR<br />
schafft<br />
Energie<br />
#ischso<br />
20 <strong>ZETT</strong>. JULI 2019
MYTHOS SCHWARZWALDMÄDEL<br />
Tina Necker (42) ritzt ihren Kunden mit Vorliebe<br />
Schwarzwaldmädels in die Haut. Schon<br />
mit acht Jahren<br />
verkaufte<br />
sie selbstgemalte<br />
Bilder<br />
für Pfennigbeträge<br />
zur Aufbesserung<br />
des<br />
Taschengeldes.<br />
Heute<br />
betreibt<br />
die gelernte<br />
Apothekenhelferin ihr eigenes Tattoo-Studio<br />
„Nadelwald“ in der Freiburger Schwarzwaldstraße,<br />
auf Höhe des Einkaufszentrums 'ZO'.<br />
Zu ihren Kunden gehört auch die Zahnarzthelferin<br />
Vanessa (38), für die das 30 Zentimeter<br />
hohe Schwarzwaldmädel auf dem linken<br />
Oberschenkel Tattoo Nr. 18 ist. Bei Gesundheitsberater<br />
Sascha (36) setzte die Bollen dame<br />
auf dem rechten Unterarm zur Landung an.<br />
Ehefrau Simone meint: „Am Anfang war das<br />
für mich gewöhnungsbedürftig, dass mein<br />
Mann Malerei trägt wie sie bei meiner Oma in<br />
der Stube hängt. Wichtig ist mir, dass die Figur<br />
keine Augen hat; ich möchte nicht von einer<br />
anderen Frau angeschaut werden, wenn mein<br />
Mann mich in den Arm nimmt.“<br />
www.tattoo-nadelwald.de<br />
STICHTAG<br />
<strong>ZETT</strong>. JULI 2019<br />
21
MEDIEN<br />
Katja Hackmann, Vinnie Richter und Gregor Lischka (v.l.)<br />
im Sendestudio des Freiburger Uni-Radios „uniFM“<br />
MEDIENNACHWUCHS<br />
uniCROSS<br />
Kennen Sie ‚Brunch Break‘, ‚Soundcheck‘ oder ‚Krachschicht‘?<br />
Das sind Sendungen des Freiburger Uni-Radios ‚uniFM‘ (früher<br />
‚echoFM‘). Vor den Mikrofonen stehen Freiburger Studenten;<br />
sie machen auf der 88,4 ein 24-Stunden-Radioprogramm für<br />
ihre Kommilitonen und andere Zeitgenossen, die sich für die<br />
junge Musikauswahl sowie Campus- und Forschungsthemen<br />
interessieren. Das Kulturmagazin Zett. durfte sich im Medienzentrum<br />
der Universität, das im dritten Stock der Uni-Bibliothek<br />
beheimatet ist, umsehen.<br />
Gründer und Chef der 19 Jahre alten Einrichtung mit zwölf<br />
hauptamtlichen Mitarbeitern und zehn Tutoren ist Franz Leithold<br />
(62), Doktor der Slawistik und Germanistik. Seit 2014<br />
nennt sich die nach außen sichtbare Plattform für Inhalte<br />
„uniCROSS“. Das steht für den medienübergreifenden – eben<br />
crossmedialen – Mix aus uniFM, uniTV und uniONLINE.<br />
Einzelne Themenschwerpunkte wie ‚68er Kulturrevolution‘,<br />
‚Völkerstrafrecht‘, ‚Heideggers schwarze Hefte‘ oder ‚Soziale<br />
Marktwirtschaft‘ tauchen manchmal in nur einem, manchmal<br />
in allen drei Kanälen auf – je nach Gewichtung und Darstellbarkeit.<br />
Produziert wird alles von Studenten verschiedenster<br />
Fakultäten, unter Anleitung erfahrener Redaktionsleiter und<br />
Tutoren.<br />
Drei Standbeine habe das Medienzentrum, das man auf gar<br />
keinen Fall mit der dem Rektorat angeschlossenen Pressestel-<br />
22 <strong>ZETT</strong>. JULI 2019
Uni-TV-Studio mit Crew.<br />
Fotos: Arne Bicker<br />
le der Universität verwechseln dürfe, erklärt Leithold: „Wir bieten<br />
einen Medienservice für Studierende und Wissenschaftler,<br />
produzieren verschiedenste Medien und fördern Medienkompetenz“.<br />
Im Klartext heißt das: Hier werden 1.) Medien-Produktionsmöglichkeiten<br />
und -technik wie Kameras oder Schnittplätze<br />
bereitgestellt, 2.) Imagefilme für Uni-Institute, Vorlesungsmitschnitte<br />
und E-Learning-Inhalte produziert und 3.) Einsteigerkurse<br />
in journalistisches Arbeiten, multimediale Darstellung<br />
von Forschungsthemen und Moderationstraining<br />
angeboten sowie Kenntnisse in Audio- und Videoschnitt vermittelt.<br />
Im Medienzentrum ist auch ein praktischer Teil des Master-Studiengangs<br />
für Deutsch-Französische Journalistik angesiedelt<br />
– eine Kooperation des Frankreich-Zentrums der Uni<br />
mit der Université de Strasbourg. Auch für andere Fächer bietet<br />
das Medienzentrum regelmäßig Kurse an.<br />
Dr. Franz Leithold, Leiter des Medienzentrums (rechts)<br />
und Themenkoordinator Wolfgang Krause.<br />
Das Interesse der Studierenden an all diesen Angeboten<br />
ist groß – wer einmal eine Radiosendung moderiert oder ein<br />
TV-Interview geführt hat, vergisst das so schnell nicht. Auch<br />
wenn nicht jeder Student später Journalist wird. „Die Studenten<br />
suchen sich ihre Themen selber aus“, betont Franz Leithold.<br />
„Und wir wollen, dass sie durch die praktische Medienarbeit<br />
einen kritischen Blick entwickeln und ruhig auch mal die<br />
Kontroverse suchen.“<br />
Insgesamt seien ihm viele Studenten journalistisch „noch zu<br />
brav“, so Leithold. Sein Credo: „Wir diskutieren viel zu wenig in<br />
diesem Land.“<br />
www.unicross.uni-freiburg.de<br />
Masterstudiengang Deutsch-Französische Journalistik mit den Dozenten<br />
Karsten Kurowski (hinten links) und Wolfgang Krause (Mitte rechts).<br />
<strong>ZETT</strong>. JULI 2019<br />
23
DER SINN DES LEBENS<br />
Heinrich Heine – Fragen<br />
Am Meer, am wüsten, nächtlichen Meer<br />
Steht ein Jüngling-Mann,<br />
Die Brust voller Wehmut, das Haupt voll Zweifel,<br />
Und mit düstern Lippen fragt er die Wogen:<br />
DER SINN DES LEBENS<br />
Im Kernfragennebel<br />
Grafik: Andreas Verstappen<br />
von Arne Bicker<br />
„O löst mir das Rätsel des Lebens,<br />
Das qualvoll uralte Rätsel,<br />
Worüber schon manche Häupter gegrübelt,<br />
Häupter in Hieroglyphenmützen.<br />
Häupter im Turban und schwarzem Barett,<br />
Perückenhäupter und tausend andre<br />
Arme, schwitzende Menschenhäupter -<br />
Sag mir, was bedeutet der Mensch?<br />
Woher ist er kommen? Wo geht er hin?<br />
Wer wohnt dort oben auf goldenen Sternen?“<br />
Es murmeln die Wogen ihr ewges Gemurmel,<br />
Es wehet der Wind, es fliehen die Wolken,<br />
Es blinken die Sterne, gleichgültig und kalt,<br />
Und ein Narr wartet auf Antwort.<br />
2<br />
1<br />
Auf dieses Thema kam ich beim Lesen einiger Nachrufe auf<br />
den am 1. Oktober letzten Jahres in Folge eines Verkehrsunfalls<br />
auf Sizilien verstorbenen Boxers Graciano Rocchigiani.<br />
Etliche Medien ließen in den folgenden Tagen das Leben<br />
des schillernden Sportlers Revue passieren und übermittelten<br />
gleich mehrfach dieses Zitat von ihm: „Wat braucht der<br />
Mensch außer Glotze gucken, een bisschen bumsen und een<br />
bisschen Anerkennung.“<br />
Wow, der traute sich was,<br />
dachte ich. Aber was ist eigentlich<br />
mein Lebensmotto, fragte<br />
ich mich plötzlich. Die Frage<br />
nach dem Sinn des Lebens<br />
steckte latent in mir drin; der<br />
Tod Rocchigianis hatte eine<br />
Tür aufgestoßen. Eine schnel-<br />
le Antwort fand ich nicht.<br />
Nachdem am 16. Februar<br />
Bruno Ganz verstorben war,<br />
fand ich in einem Interview<br />
in dem evangelischen Magazin<br />
‚Chrismon‘ einen Absatz,<br />
in dem der großartige<br />
Schauspieler die explizite<br />
Frage beantwortet hatte, ob<br />
das Leben einen Sinn habe.<br />
Ganz: „Nein. Aber mich beschäftigt das auch nicht so. Ich frage<br />
mich eher: Was machst du mit der Zeit, die dir gegeben ist<br />
von Geburt bis Tod? Was machst du mit deiner Begabung? […]<br />
Ich bin froh, wenn ich sagen kann: Ich habe wirklich getan,<br />
was ich konnte, mehr war nicht drin.“<br />
Und wieder fragte ich mich: Was wäre meine Antwort<br />
gewesen? Ich fand die Antwort wieder nicht, dafür ein verständliches<br />
Taschenbuch des<br />
renommierten, britischen Gegenwarts-Philosophen<br />
Julian<br />
Baggini (50) mit dem Titel „Der<br />
Sinn des Lebens“. Die Frage<br />
nach dem Sinn sei eigentlich ein<br />
Platzhalter für mehrere Fragen,<br />
schreibt Baggini, nach dem Warum,<br />
dem Glück, einem höheren<br />
Zweck, dem Eigensinn oder der Hilfe für andere, unter anderem.<br />
Das klingt zumindest nicht allzu geheimnisvoll. Worum<br />
geht es also? Um Erfolg, Glück, Reichtum? Für mich oder ein<br />
paar oder alle Menschen oder auch für andere Lebewesen?<br />
Oder vielleicht um Selbständigkeit oder das Streben nach<br />
Wahrheit? Oder ergibt sich der Sinn allein aus einem gesunden<br />
Selbstvertrauen? Geht es um einen schönen Körper, tollen<br />
Sex? Oder ist das Leben per se sinnlos, weil wir ja eh alle<br />
irgendwann sterben?<br />
Je länger ich las, desto mehr entfernte ich mich von einer<br />
einfachen Antwort. Die Frage lasse sich nicht durch die Entdeckung<br />
neuer Fakten beantworten, so Baggini, vielmehr durch<br />
pures Nachdenken. Und der französische Philosoph Jean-Paul<br />
Sartre meinte, dem menschlichen Leben wohne nicht per se<br />
ein im Voraus festgelegter Sinn inne. Deshalb müsse sich jeder<br />
einzelne der Verantwortung stellen, sich einen Sinn zu<br />
schaffen.<br />
Ist es vielleicht das, was die vielen Flüchtlingshelfer in<br />
Deutschland antreibt? Aber was ist dann der Lebenssinn radikaler<br />
Nationalisten ?<br />
Und was wäre mit einer Maxime, frei nach Kant: Tu, was zu<br />
einem besseren Leben für alle führt? – der maximale Anspruch.<br />
Er ließe sich problemlos in eine Säulenhalle einsortieren zwi-<br />
24 <strong>ZETT</strong>. JULI 2019
4<br />
1 Erhellend: Julian Bagginis „Der<br />
Sinn des Lebens – Philosophie im<br />
Alltag“ (Piper-Verlag 2005)<br />
2 Alain de Botton – Kluge Ideen für<br />
ein gutes Leben (SZ-Edition / 480 S.<br />
/ 28 Euro)<br />
Foto: Arne Bicker<br />
3 Das Magazin „GEO kompakt“<br />
Nr. 58/2019 (10 Euro) bietet<br />
Informationen rund um „das<br />
höchste der Gefühle“.<br />
4 Das Leben, ein Mischpult:<br />
Der Sinn lässt sich einpegeln.<br />
schen Artikel 14 unseres Grundgesetzes,<br />
dem Gebot der Nächstenliebe<br />
und etlichen anderen wohlmeinenden<br />
Anregungen.<br />
Der Glaube an einen höheren Zweck<br />
jedenfalls sei wohl vergebens, wenn<br />
auch verführerisch, schreibt Baggini.<br />
Und auch mit Blick in die Niederungen<br />
des Alltags hält er fest: „Für die meisten<br />
von uns verbessert sich das Leben nicht<br />
wesentlich, wenn wir unsere CDs mit<br />
einer besseren Stereoanlage abspielen<br />
oder statt eines Ford einen Jaguar fahren.“<br />
Der altgriechische Philosoph Aristoteles<br />
betonte den Unterschied zu anderen n<br />
Lebewesen: Der Sinn des menschlichen n<br />
Lebens sei es, Mensch zu sein und seine e<br />
Vernunft auszubilden. In eine ähnlich h<br />
Richtung dachte auch der niederländi-ische<br />
Philosoph Baruch de Spinoza: „Sein,<br />
was wir sind, und werden, was wir werden en<br />
können, das ist das Ziel unseres Lebens.“<br />
Schon sehr viel früher hatte der Römer<br />
Seneca den zeitlichen Aspekt der Fragestellung<br />
untersucht: „Wir haben nicht zu wenig Zeit,<br />
wir verschwenden zu viel davon. Auch zur Vollbringung der<br />
größten Dinge ist das Leben lang genug, wenn es nur gut<br />
angewendet wird.“ Wie zeitgemäß! Die durchschnittliche Lebenserwartung<br />
seiner Zeit lag deutlich unter fünfzig Jahren.<br />
Dafür gab es damals weder Fernsehen noch Handys.<br />
Als am 19. Februar dieses Jahres der Modezar Karl Lagerfeld<br />
85-jährig das Zeitliche segnete, fand ich in einem älteren Interview<br />
des ‚Tagesspiegels‘: „Es wird Milliarden von Leuten vor<br />
uns oder Milliarden nach uns geben, man soll seinen persönlichen<br />
Fall nicht so dramatisieren. Denn der Sinn des Lebens ist<br />
das Leben, und damit hat sich‘s.“ So ähnlich hatte sich schon<br />
Goethe geäußert.<br />
3<br />
Zuletzt zog ich noch den dänischen<br />
Philosophen Søren Kierkegaard<br />
zu Rate. Er soll gesagt<br />
haben: „So viel ich das Leben betrachte,<br />
ich kann keinen Sinn hineinbringen.<br />
Ich glaube, mir hat<br />
ein böser Geist eine Brille auf die<br />
Nase gesetzt, von deren Gläsern<br />
das eine in ungeheurem Maßstab<br />
vergrößert, während das<br />
andere im selben Maßstab verkleinert.“<br />
Mein Fazit: Es bleibt schwierig.<br />
Wenn ich sage, der Sinn<br />
des Lebens sei es, ein erfülltes<br />
Leben zu haben oder zu tun,<br />
was mir wirklich wichtig ist,<br />
dann druckse ich nur rum. Der<br />
Sinn des Lebens ist vielleicht<br />
am Ende so etwas wie eine<br />
Matrix, ein Puzzle, das ich mir<br />
selbst aus fast unendlich vielen<br />
Faktoren in individueller<br />
Gewichtung zusammensetze<br />
in einem mir persönlich menschenwürdig<br />
erscheinenden Wertesystem.<br />
Dazu können gehören: Glück- und Freiheitssuche, Hedonismus<br />
und Altruismus, Fortpflanzung, Verantwortung, göttliche<br />
Bestimmung. Meine Mischpultregler kann ich einstellen zwischen<br />
Großzügigkeit und Gier, Engstirnigkeit und Toleranz,<br />
Verzicht und Konsum, Ehrlichkeit und Desinformation, Hass<br />
und Liebe, Wissenschaft und Transzendenz, E-Batterie und<br />
Diesel usw.. Mein Mastersinn ist dann ein Sinnbündel, wie ein<br />
Überseekabel mit unterschiedlich dicken Teilfasern.<br />
Den mutigen Versuch einiger Freiburgerinnen und Freiburger,<br />
die Frage nach dem Sinn des Lebens in nur wenigen<br />
Worten zu beantworten, haben wir auf den folgenden Seiten<br />
dokumentiert. Ihnen gilt unser herzlicher Dank!<br />
<strong>ZETT</strong>. JULI 2019<br />
25
WAS IST FÜR SIE DER SINN DES LEBENS?<br />
Ellen Pieper (50)<br />
Physiotherapeutin<br />
„Für mich ist das Wichtigste, Menschen zu entdecken.<br />
Im Leben geht es für mich um eine innerliche<br />
Fortbewegung durch Beziehungen zu anderen.“<br />
„Ich möchte mich persönlich dafür einsetzen,<br />
dass die Welt ein besserer Ort ist,<br />
wenn ich wieder weg bin.“<br />
Graham Smith (46)<br />
Leiter Junges Theater Tanz Freiburg<br />
Martin Horn (35)<br />
Oberbürgermeister<br />
„Neben meiner christlichen Sichtweise ist für mich ein<br />
erfülltes Leben vor allem ein individuell erfülltes Leben.<br />
Und dafür gibt es keinen Masterplan. Meine maßgeblichen<br />
Pfeiler sind Lebensfreude, Dankbarkeit und Freiheit.“<br />
„Die Frage sollte man sich jeden Morgen neu stellen,<br />
weil die Gefahr sehr groß ist, dass das Leben ins Sinnlose abrutscht.<br />
Wir sollten das Leben einfach als ein Geschenk annehmen<br />
und ehrfurchtsvoll und dankbar damit umgehen.“<br />
Pál Mathias (68)<br />
Bildhauer<br />
Josephine Ganswindt (41)<br />
Selbständige Sportwissenschaftlerin<br />
„In der kurzen Vorstellung,<br />
die wir hier auf Erden geben dürfen,<br />
geht es mir persönlich vor allem darum,<br />
Liebe zu geben und zu empfangen.“<br />
26 <strong>ZETT</strong>. JULI 2019
„Der Sinn des Lebens ist zu leben,<br />
der Moment, die Existenz an sich.<br />
Ich glaube, es gibt keinen tieferen Sinn.“<br />
Christian Streich (54)<br />
Fußballtrainer<br />
Simone Harrer (47)<br />
Glücksforscherin und Schriftstellerin<br />
„Ich denke, wir sind alle auf der Welt, weil wir die Aufgabe haben,<br />
etwas Positives zu bewegen.<br />
Auch müssen wir das Unglück akzeptieren, dann sind wir<br />
schon nahe am Glück dran, und das ist in uns selbst.“<br />
„Wir Menschen sind halt da, das hat keinen bestimmten Zweck.<br />
Der Sinn liegt für mich darin, wie man sein Leben lebt,<br />
womit man es füllt. Wichtig ist mir, dass ich für etwas brenne.“<br />
Dr. Anja Agyemang (45)<br />
Psychiatrie-Oberärztin<br />
„Neugier!“<br />
Peter Carp (63)<br />
Theaterintendant<br />
„Der Sinn des Lebens ist für mich,<br />
wirklich in einem klaren Bewusstsein, im Hier und Jetzt zu leben,<br />
seinen eigenen Körper, die Seele und den Geist wahrzunehmen und<br />
in der Umgebung und Umwelt gut zu sein.“<br />
Hanna Böhme (42)<br />
FWTM-Geschäftsführerin<br />
Porträtfotos: Arne Bicker<br />
Hintergrundbild: Johannes Plenio, Pixabay<br />
<strong>ZETT</strong>. JULI 2019<br />
27
DER SINN DES LEBENS<br />
HERAUSGEPUTZT<br />
Alain Stockmayr (52)<br />
Bächleputzer<br />
„Der Sinn des Lebens liegt für mich in Gesundheit,<br />
Sport und Spaß am Leben und einem guten Arbeitsplatz.<br />
Man sollte Anstand, Respekt und einen guten Willen haben<br />
und seine Chancen nicht verstreichen lassen.“<br />
Vier hauptberufliche Bächleputzer gibt es in Freiburg und,<br />
wenn man so will, als fünften noch eine gleichnamige Narrenzunft.<br />
Doch die Narren sind der jüngste Faktor in dieser<br />
Rechnung, wurden sie doch erst 1935 gegründet – da waren<br />
die Bächle schon rund 750 und die echten Bächleputzer über<br />
200 Jahre alt.<br />
Einer der modernen Stadtwassermänner ist Alain Stockmayr<br />
(52), den es als zweijährigen Bub vom lothringischen Sarreguemines<br />
in den Breisgau verschlug. Mit einem langen Stahlbesen<br />
und einem Haken zum Öffnen von Gitterabdeckungen<br />
patrouilliert der Mitarbeiter der ‚Abfallwirtschaft und Stadtreinigung<br />
Freiburg‘ (ASF) durch die Altstadt und sorgt für einen<br />
guten Durchfluss in den markanten Steinrinnen.<br />
„Es wird von Jahr zu Jahr mehr“, sagt Stockmayr und meint<br />
damit vor allem Scherben und Kartonagen, die er zuhauf aus<br />
dem 10,5 Kilometer langen Bächlenetz pflückt. Und das liegt<br />
nicht allein daran, dass die Stadt auf mittlerweile 230.000<br />
Einwohner angewachsen ist und mit dem neu gestalteten<br />
Rotteck- und Friedrichring 600 Meter offener Plätscherkanäle<br />
hinzugewonnen hat.<br />
„Die Leute werden nachlässiger“, hat der ASF-Mann beobachtet.<br />
„Gerade junge Betrunkene laufen oft noch nicht mal<br />
zwei Meter bis zum nächsten Abfalleimer. Die lassen ihre<br />
Flaschen einfach stehen, werfen sie fort oder platzieren sie<br />
absichtlich auf Brunnenrändern.“ Besonders schlimm sei es<br />
traditionell im Bermudadreieck zwischen Kaiser-Joseph- und<br />
Niemensstraße sowie am Augustinerplatz.<br />
Und jetzt ist noch der 100 x 60 Meter große Platz der alten<br />
Synagoge hinzugekommen: „Wenn wir morgens zwischen<br />
5 und 6 Uhr unsere Schicht beginnen, ist das oft eine halbe<br />
Müllhalde, speziell am Wochenende.“ Trotzdem macht ihm<br />
der Job Spaß, auch, weil er so vielen, freundlichen Menschen<br />
begegne.<br />
Rund 50 Geldbeutel hat Alain Stockmayr in den neun Jahren<br />
seiner Arbeit als Bächleputzer gefunden, 15 Handys, einen echten<br />
Ferkelkopf, eine luftlose Gummipuppe und eine lebende<br />
Forelle. Von den Touristen, die der Legende nach eine Freiburgerin<br />
oder einen Freiburger heiraten müssen, wenn sie in ein<br />
Bächle treten, wird er mehrmals am Tag fotografiert, gefilmt<br />
und angesprochen.<br />
Unfreundlich seien, wenn, dann vor allem Einheimische,<br />
meint Stockmayr: „Manchmal beschimpfen mich Radfahrer,<br />
weil ich ihnen angeblich im Weg bin, oder Betrunkene bringen<br />
dumme Sprüche“. All das erträgt Alain Stockmayr mit<br />
stoischer Ruhe, denn er weiß genau: Morgen früh geht alles<br />
wieder von vorn los.<br />
28 <strong>ZETT</strong>. JULI 2019
Leckerer Hauswein<br />
von Fritzi53<br />
Toller Service<br />
von Helmex1<br />
Handgemachte Pasta<br />
von Steini71<br />
Jetzt mit Bewertungen für Unternehmen<br />
aus allen Branchen.<br />
Das Örtliche<br />
Ohne Ö fehlt Dir was<br />
Eine Marke Ihres<br />
Ihr Verlag Das Örtliche<br />
<strong>ZETT</strong>. JULI 2019<br />
29
LITERATUR<br />
das schöne bild<br />
Der in Freiburg lebende Künstler Piotr Iwicki erinnert mit<br />
seiner Arbeit „das schöne bild“ an das gleichnamige Gedicht<br />
Ernst Jandls aus dem Jahr 1979. Technik: Diasec. Format: 67,5<br />
x 50 cm. Sein Atelier mit fantastischen, fesselnden, rhythmischen<br />
und zumeist an „der Maschine Computer“ generierten<br />
Bildern hat der im polnischen Gdynia geborene Iwicki im Freiburger<br />
E-Werk.<br />
www.iwicki.com<br />
30 <strong>ZETT</strong>. JULI 2019
LITERATUR<br />
Es ist stark anzunehmen,<br />
dass Franz Marcs Ölbild ‚Der<br />
Turm der blauen Pferde‘ irgendwo<br />
bei einem Sammler<br />
versteckt gehalten wird. Das<br />
weltberühmte Bild mit den<br />
vier blauen Rössern entstand<br />
1913 – und verschwand 1945,<br />
gegen Ende des zweiten Weltkriegs.<br />
Wo steckt dîeses immerhin<br />
zwei Meter hohe Bild?<br />
Foto: Heike Bogenberger<br />
Rund um diese reale Ausgangslage entwickelte der Autor<br />
Bernhard Jaumann (62) eine spannende, vertrackte Geschichte<br />
um einen Kunstraub, der dem Leser den Atem verschlägt. Das<br />
Buch ‚Der Turm der blauen Pferde‘ erschien im Februar und<br />
bereichert auf spektakuläre Weise das dünn gesäte Genre des<br />
Kunstkrimis.<br />
Neben einer spannenden Kriminalgeschichte um Kunstraub,<br />
Fälscher und Mörder erfährt der Leser sehr viele Details über<br />
Abläufe und Mechanismen der internationalen Kunstszene.<br />
Wie entstehen Echtheitszertifikate, wie bemisst sich der Wert<br />
eines Kunstwerks und was ist das überhaupt, Authentizität?<br />
Der mit mehreren Krimipreisen ausgezeichnete Autor Jaumann<br />
versteht sein Handwerk: Die furiose Jagd seiner Münchner<br />
Kunstdetektei von Schleewitz nach verschollener Nazi-Beutekunst<br />
vermischt packende Zeitgeschichte mit einer<br />
frei erfundenen Wiederentdeckung, die diverse Tücken in sich<br />
birgt. Freiburger Leser erinnert das vielleicht an die Geschichte<br />
des hier einige Jahre lang beheimateten Meisterfälschers Wolfgang<br />
Beltracchi.<br />
In Jaumanns Story entdecken zwei Jungen in den letzten Tagen<br />
des Zweiten Weltkriegs in einem verlassenen Tunnel im<br />
bayerischen Hinterland einen Zug voller Kunstschätze, darunter<br />
Franz Marcs ‚Der Turm der blauen Pferde‘ – und dann verschwindet<br />
das Bild für Jahrzehnte.<br />
1913 malte Franz Marc den „Der Turm der blauen Pferde“.<br />
Das 2 x 1,3 Meter große Bild gilt seit 1945 als verschollen.<br />
Quelle: Wikipedia<br />
DER TURM DER BLAUEN PFERDE<br />
In der Gegenwart beginnen drei Münchner Detektive mit<br />
Nachforschungen. Sie finden falsche und echte Spuren, und am<br />
Ende gibt es gleich mehrere Exemplare des gesuchten Bildes.<br />
Doch ist das echte darunter?<br />
Und welches ist es? Nicht nur<br />
für Kunstfreunde entwickelt<br />
diese Mischung aus Spannung<br />
und Hintergrundinformationen<br />
ein intensives Prickeln.<br />
von Arne Bicker<br />
Bild: Screenshot BR<br />
336 S., 15 Euro,<br />
Galiani Verlag Berlin<br />
In der TV-Doku „Wo ist der Turm der blauen Pferde“<br />
geht der Bayerische Rundfunk auf Spurensuche.<br />
Mediathek-Abruf über unseren QR-Code.<br />
<strong>ZETT</strong>. JULI 2019<br />
31
FREIBURGER AUTOREN<br />
Simone Regina Adams<br />
Flugfedern<br />
Simone Regina Adams, 1967 im Saarland geboren, lebt in Freiburg als Schriftstellerin<br />
und Psychotherapeutin mit eigener Praxis. In ihrer Novelle „Flugfedern“<br />
schickt sie ihren Protagonisten Thibaut auf eine lange Reise zu sich<br />
selbst. Als junger Mann rettet Thibaut die junge Sophie aus einer Vergewaltigungssituation<br />
nach einem Sommerfest. Jahre später – Thibaut ist verheiratet<br />
und wie Sophie Vater einer Tochter – will diese ihn wiedersehen. Schreibt sich<br />
die schicksalhafte Amour fou hier fort oder ist alles doch nicht so einfach?<br />
[160 Seiten, 20 Euro, Verlag Klöpfer & Meyer]<br />
Thomas Erle<br />
Das Lied der Wächter / Das Erwachen<br />
Thomas Erle arbeitete 30 Jahre als Lehrer, zuletzt als Inklusionspädagoge. In<br />
seiner Freizeit erkundet er mit Vorliebe den Schwarzwald; 2010 gehörte er zu<br />
den Preisträgern beim Freiburger Krimipreis, 2011 folgte die Nominierung zum<br />
Agatha-Christie-Krimipreis. In seiner neuen Romantrilogie „Das Lied der Wächter“<br />
beschwört der Emmendinger Autor die geheime Kraft des Schwarzwaldes.<br />
Der erste Teil der Reihe, „Das Erwachen“, beschreibt ein Reaktorunglück, das<br />
den Schwarzwald seit 16 Jahren unbewohnbar macht – die Bevölkerung wurde<br />
evakuiert und die gesamte Region zur Sperrzone erklärt…<br />
[380 Seiten, 15 Euro, Verlag Gmeiner]<br />
Mad Köninger<br />
My hort will go on<br />
Mad Köninger ist 31 Jahre alt und lebt in einer WG in Freiburg, „der Stadt in<br />
Deutschland mit der höchsten Therapeutendichte pro Kopf“ wie er sagt. Als<br />
Kind wollte Köninger Polizist werden, später Meisterdieb, und nun macht er<br />
folgerichtig eine Ausbildung zum Erzieher. Sein Hobby: Galgenhumor. „My<br />
hort will go on” ist der Nachfolger seines Erstlingswerks „Ich bin dann mal was<br />
Blödes tun“. Auch diesmal zieht Köninger die ganze Welt um ihn herum durch<br />
den Kakao. Egal ob im Kinderhort, in der Straßenbahn oder beim Fernsehen,<br />
seinen urwitzigen Gedanken zu folgen ist schlicht und einfach ein Riesenspaß.<br />
Humor auf 200 Seiten, für 10.90 Euro im Verlag Telegonos.<br />
Ulrich Land<br />
Krätze eiskalt<br />
Ulrich Land stammt aus Köln und arbeitet seit 1987 als freier Autor. Der<br />
Wahl-Freiburger ist zudem Dozent für „Creative Writing“ an den Unis Witten /<br />
Herdecke und Freiburg. „Krätze eiskalt“ ist sein achter Roman, in dem es einen<br />
reichen Fabrikantenspross in die Einsamkeit der Blockhütte seines Großonkels<br />
nach Finnland verschlägt. Wo sonst kann man sich besser auf eine Magisterarbeit<br />
über Stuhldesign konzentrieren? Aber nein, dort nicht, solange man als<br />
Entführer des Großonkels von Interpol gesucht wird – ein veritables Drama,<br />
welches ab Seite 269 Nachschlag in Form von 13 Rezepten erfährt. Denn wer<br />
würde sich nicht bei PimPam Nakkit, Poromkäristys oder Kalakukko bestens<br />
erholen? [301 Seiten, 16.90 Euro, Oktober Verlag]<br />
Annette Pehnt<br />
Café Augenblick<br />
Annette Pehnt studierte und arbeitete in Irland, Schottland, Australien und<br />
den USA. Heute lebt sie mit ihrer Familie in Freiburg. An der Universität Hildesheim<br />
lehrt sie Kreatives Schreiben. Ihre psychologischen Texte wurden<br />
bekannt durch die Kolumne „Pehnts Alltag“ in der Zeitschrift „Psychologie<br />
Heute“. In „Café Augenblick“ erzählt sie 40 kurze, psychologisch-literarische<br />
Geschichten „über das Leben im Hier und Jetzt“. Es geht um kleine und große<br />
Glücksmomente im Alltag ebenso wie um Momente des Scheiterns. Ein Buch<br />
zum In-die-Tasche-Stecken und Zwischendurch-Lesen im Café oder auf einer<br />
Parkbank in der Sonne. [169 Seiten, 14,95 Euro, Beltz Verlag]<br />
32 <strong>ZETT</strong>. JULI 2019
DAS UC CAFÉ BEFINDET SICH IM HERZEN<br />
DER STUDENTENSTADT FREIBURG<br />
UND IST MIT SEINER LAGE EINMALIG!<br />
Mit seinen 160 Sitzplätzen auf der wunderschönen Außenterrasse<br />
und 120 Sitzplätzen im Cafe bietet das UC Café<br />
alles, was das Herz begehrt. Egal ob nach einer anstrengenden<br />
Shopping-Tour, Unistress oder einfach nur so.<br />
Genieße unsere große Auswahl an leckeren Speisen und<br />
Getränken. Unsere Kaffeespezialitäten werden von unserem<br />
ausgebildeten Barista mit Liebe zubereitet, aber auch<br />
unsere Cocktails werden alle frisch für jeden Gast zubereitet<br />
und liebevoll dekoriert! Überzeuge dich selber von<br />
unserem freundlichen Personal und hole dir etwas Urlaub<br />
in den Alltag!<br />
WIR FREUEN UNS AUF DICH!!<br />
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Exzellenter italienischer Kaffeegenuss<br />
Reichhaltiges Angebot an Frühstück, Crêpes, frischen Salaten u.v.m.<br />
Flammenkuchen<br />
Der berühmte UC-Toast<br />
Durchgehend warme Küche bis 23 Uhr<br />
Niemensstr. 7 . 79098 Freiburg<br />
Tel. 0761 38 33 55<br />
Öffnungszeiten:<br />
Mo - Do 09.00 - 01.00 Uhr<br />
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<strong>ZETT</strong>. JULI 2019<br />
33
KUNST<br />
Foto: Arne Bicker<br />
Aufgeweckt, mit größter Freude am Malen:<br />
Der kleine Denny verzaubert Leinwände.<br />
Dennys Pferd<br />
Dennys Taube<br />
Dennys Oma<br />
KLEINKUNST<br />
Dennys Blumen<br />
www.dennys-art.com<br />
Lisa Gross weiß, was sie an ihrem Jungen hat: „Der Denny<br />
malt halt gerne, immer schon. Vor allem, wenn wir unterwegs<br />
waren, dann greift er nach der Rückkehr gleich zu seinen Malsachen.“<br />
Die Malsachen sind: Hunderte Farbtuben, mehrere<br />
Behälter mit Pinseln, bespannte Leinwände. Das große Besteck<br />
also, und dabei ist Denny gerade mal vier Jahre alt. Und er malt<br />
beidhändig, im Alter von zwei Jahren meist sogar gleichzeitig.<br />
Und dann geht’s los: Farben, Formen, Kompositionen – alles<br />
scheint zu fließen, wenn Denny malt. Auf den Leinwänden in<br />
einer Wohnung im ersten Stock im Freiburger Stadtteil St. Georgen<br />
finden sich inzwischen auch Tiere und Blumen als Elemente<br />
in den abstrakten Farbexplosionen des jungen Malers<br />
ein. Da werden Eindrücke verarbeitet und festgehalten, verformt<br />
und ausgedrückt. „Dennys Art“ eben.<br />
Soll man diesen Jungen überhaupt medial darstellen? „Zett.“<br />
meint, solange das mit Augenmaß und mit Zustimmung von<br />
Mutter und Sohn geschieht – warum nicht? Die Freiheit der<br />
Kunst gilt auch für Kinder. „Solange es ihn glücklich macht,<br />
soll er ruhig malen“, sagt Mutter Lisa. „Und die Bilder zeigen<br />
wir gern her. Wir haben das Malen aber inzwischen auf etwa<br />
zwei Stunden am Tag beschränkt – sonst reichen die Leinwände<br />
nicht.“<br />
34 <strong>ZETT</strong>. JULI 2019
KUNST<br />
DIE<br />
MONA LISA<br />
vom Schwarzwald<br />
Foto: Arne Bicker<br />
Joseph Henri François van Lerius, Mädchen aus dem Hotzenwald, 1852/53.<br />
© Augustinermuseum – Städtische Museen Freiburg.<br />
Da hängen sie, die Schwarzwälder<br />
Schinken: Das Augustinermuseum<br />
in Freiburg<br />
zeigt bis Sonntag, 6. Oktober<br />
2019, die Ausstellung<br />
„Schwarzwald-Geschichten“<br />
inklusive einer digitalen Instagram-Schau<br />
„#blackforeststories“.<br />
70 Gemälde von der<br />
Landschaft, den Menschen<br />
und ihren Traditionen sowie<br />
unzählige vom Publikum<br />
eingereichte Instagram-Fotos<br />
zeichnen ein Bild vom<br />
Schwarzwald. Besucherinnen<br />
und Besucher sind eingeladen,<br />
die Schau zu entdecken<br />
und eigene Fotos zu posten.<br />
Ins Auge sticht das faszinierende<br />
Öl-auf Holz-Gemälde<br />
„Junges Mädchen aus<br />
dem Hotzenwald“ (1952/53)<br />
des Belgiers Josef Henri<br />
François van Lerius (1823 –<br />
1876), das frappant an Leonardo<br />
da Vincis Mona Lisa<br />
aus der italienischen Renaissance<br />
des 16. Jahrhunderts<br />
erinnert. Auch Wilhelm Hasemanns<br />
zwangsverheiratete<br />
„Magdalena unter dem<br />
Kreuz“ (1905) und Franz Xaver<br />
Winterhalters „Briefleserin“<br />
(1860-65) fesseln den Blick.<br />
Und so scheinen es neben<br />
den Landschaften vor allem<br />
die Bildnisse starker Frauen<br />
zu sein, die diese Schwarzwaldausstellung<br />
dominieren.<br />
„Wir haben versucht,<br />
die Bilder zum Sprechen zu<br />
bringen“, sagte Tilmann von<br />
Stockhausen, Leitender Direktor<br />
der Städtischen Museen<br />
Freiburg. (Eintritt 5 – 7<br />
Euro)<br />
<strong>ZETT</strong>. JULI 2019<br />
35
Foto: Arne Bicker<br />
Gela Samsonidse stammt<br />
aus Georgien. „Face to Face“<br />
nennt der Maler seine streng<br />
inszenierten Doppelporträts<br />
im Vis-à-vis-Modus. Seit<br />
1994 lebt Samsonidse (53) in<br />
Merzhausen bei Freiburg. Ab<br />
2011 entstand die inzwischen<br />
gut 20 Werke umfassende<br />
Face-to-Face-Serie, darunter<br />
auch ein Doppel-Selbstporträt.<br />
Die Bilder sind allesamt<br />
lebensgroß im Format 2 x 2,4<br />
Meter. ‚Wer bin ich und was<br />
passiert gerade‘ scheinen<br />
sich Samsonidses Figuren zu<br />
fragen. Der Künstler lässt die<br />
Antwort offen, verrät aber:<br />
„Zufälle gibt es in meinen Bildern<br />
nicht.“ Kunst ist für den<br />
Merzhauser „eine Art zu leben,<br />
Forschung zu betreiben,<br />
Dinge anders zu betrachten<br />
und sie dabei auch mal umzudrehen.“<br />
www.gela-samsonidse.de<br />
36 <strong>ZETT</strong>. JULI 2019
KUNST<br />
SCHAU‘<br />
MIR IN<br />
DIE AUGEN<br />
<strong>ZETT</strong>. JULI 2019<br />
37
KULTUR AM START<br />
Foto: Herbert Mark<br />
SCHÖNER FLIEGEN<br />
von Jennifer Reyes<br />
Wie ist das möglich?<br />
Auerbach schwebt auf diesem Probenfoto durch die Luft.<br />
Willi Auerbach aus Kollnau ist<br />
„The Magic Man“.<br />
www.magic-man.de<br />
Foto: Jennifer Reyes<br />
Freiburg | Stadttheater | So., 15.9.2019 | 18 Uhr<br />
Die Magie kommt aus dem Elztal: Willi<br />
Auerbach (38) nennt sich „The Magic Man“.<br />
Er ist Zauberer, Magier, Illusionist – und das<br />
im Hauptberuf. Sein Lieblingseffekt ist das<br />
Schweben. Wenn Auerbach nicht gerade<br />
Schmuck verschwinden lässt, gleiten in seinen<br />
Shows Tische und andere Gegenstände<br />
durch die Luft. Besonders gern hebt der Magier<br />
auch selbst auf der Bühne ab.<br />
Der Waldkircher ist ein Allroundtalent, das<br />
nicht nur seine Zaubertricks selbst kreiert, die<br />
Installationen dafür baut und als Entertainer<br />
sein Publikum begeistert. Er nutzt seine magischen<br />
Fähigkeiten auch, um als Botschafter<br />
der Afrika-Organisation „Menschen für Menschen“<br />
Benefiz-Veranstaltungen zu organisieren<br />
und den Leuten für eine gute Sache Geld<br />
aus der Tasche zu ziehen – Moment – natürlich<br />
zu zaubern.<br />
Seit über zehn Jahren steht Willi Auerbach<br />
als „The Magic Man“ erfolgreich auf Bühnen<br />
in Deutschland, der Schweiz und in Italien. Er<br />
lebt mit seiner Frau Elena in Kollnau bei Waldkirch.<br />
Dort ist Willi Auerbach auch aufgewachsen.<br />
Elena ist Tänzerin und unterstützt<br />
Willi bei den Choreographien für die Shows<br />
und als Assistentin.<br />
Im Wohnzimmer der Auerbachs liegt zwar<br />
ein silberner Zauberkoffer auf dem Sofa, aber<br />
sonst ist weit und breit nichts von Zauberumhängen,<br />
weißen Kaninchen oder Zaubertrophäen<br />
zu sehen.<br />
Dabei hat Willi 2018 bei den Weltmeisterschaften<br />
in Südkorea mit der Großillusion eines<br />
schwebenden Würfels, in dem eine seiner<br />
Assistentinnen auftauchte, teilgenommen.<br />
Qualifiziert hatte er sich hierfür mit einem<br />
zweiten Platz in der Sparte ‚Großillusion‘ bei<br />
den Deutschen Meisterschaften der Zauberkunst<br />
im Mai 2017 in Saarbrücken.<br />
38 <strong>ZETT</strong>. JULI 2019
KULTUR AM START<br />
Foto: Tom Lichtenwalter<br />
Willi Auerbachs zauberhafte Show.<br />
Seither kennt Auerbach keine Lücken im Terminkalender. Es<br />
gibt Wochen, in denen er mit seiner Show-Crew mehrere Auftritte<br />
hat. Mal sind es große Firmenevents, mal die Geburtstagsfeier<br />
von Oma Hilda. „Durch meine Projekte als Großillusionist<br />
trauen sich viele gar nicht, mich anzusprechen. Dabei<br />
mache ich wirkliche gerne auch kleinere Auftritte“, sagt Willi.<br />
Auf dem Teppich ist er trotzdem geblieben: Als gelernter Industriemechaniker<br />
baut er die Materialien für seine oder die<br />
Tricks anderer Zauberer in seiner eigenen Werkstatt zusammen.<br />
Das Einmaleins der Zauberei beherrscht Auerbach, seit<br />
er als 15-Jähriger bei einem Besuch seines Onkels in Florida<br />
eine Zaubervideokassette geschenkt bekommen hat. Die Faszination<br />
blieb.<br />
Während seines Studiums zum Medieningenieur verdiente<br />
er sich mit der Zauberei das nötige Kleingeld dazu und machte<br />
seine Leidenschaft schließlich zum Beruf. Sein großes Zaubervorbild<br />
ist: Tataaa – David Copperfield natürlich; wer auch<br />
sonst? Hier im Ländle kennt man auch die Ehrlich Brothers.<br />
Diese schätzt Willi sehr: „Die beiden haben die Zauberei wieder<br />
richtig salonfähig gemacht.“<br />
Eine weitere Person inspiriert ihn sehr: Karlheinz Böhm. Der<br />
2014 verstorbene Schauspieler ist vielen noch als Kaiser Franz<br />
in der Sissi-Film-Reihe mit Romy Schneider in glänzender Erinnerung.<br />
Neben seiner Karriere als Schauspieler rief Böhm 1981<br />
die Organisation „Menschen für Menschen“ ins Leben, die<br />
durch Hilfe zur Selbsthilfe Projekte in Äthiopien unterstützt.<br />
Seit 2017 ist Willi Auerbach für die Organisation als Botschafter<br />
tätig: „Ich finde es wichtig, dass jeder in seinem Rahmen<br />
irgendwas auf dieser Welt bewegt. Sei es auch einfach nur für<br />
jemanden da zu sein.“<br />
Dieses Potenzial der Zauberei nutzt Willi gerne, und so hat<br />
er auch schon Menschen in Äthiopien mit seinen Zauberkünsten<br />
beeindruckt: „Durch die Zauberei schaffe ich es, Menschen<br />
mitzureißen und dass sie einfach eine gute Zeit haben.“. Um<br />
gerade diese Menschen zu unterstützen und Gelder für die<br />
Organisation zu sammeln, plant Willi Auerbach neben seinen<br />
vielen anderen Auftritten im Herbst eine zweite große Benefiz-Gala<br />
in Freiburg, die elfte insgesamt.<br />
Die Varieté-Benefiz-Gala „Menschen für Menschen“ findet<br />
am Sonntag, 15. September 2019, ab 18 Uhr, im Großen Haus<br />
des Freiburger Stadttheaters statt. Der gesamte Erlös fließt in<br />
die Karl-Heinz-Böhm-Stiftung. Das Programm besteht aus einer<br />
bunten Mischung aus Akrobatik, Zauberei, Tanz und Musik.<br />
Dieses Mal gilt es die Spendenmarke von 11.111 Euro von der<br />
Premiere am 17. September 2017 zu knacken. Vielleicht wird es<br />
wieder eine magische Zahl?<br />
<strong>ZETT</strong>. JULI 2019<br />
39
KULTUR AM START<br />
Foto: Bálint Rádóczy<br />
Blanka Rádóczy Christina Tscharyiski Ewelina Marciniak Miriam Götz<br />
Foto: William Minke<br />
Foto: Bartosz Barczyk<br />
Foto: Theater Freiburg<br />
AUF ENTDECKUNGSFAHRT<br />
Das Theater Freiburg versteht sich als „Weltempfänger“. Das<br />
zeigt sich zum Beispiel darin, dass Künstler aus verschiedensten<br />
Ländern und Theatertraditionen dazu eingeladen werden,<br />
mit den Freiburger Theaterensembles zu arbeiten. Im Freiburger<br />
‚Haus für Entdeckungen‘ dürfen sich in dieser Spielzeit besonders<br />
viele junge Regisseurinnen austoben.<br />
Bereits im Mai stand die junge Polin Malgorzata Warsicka<br />
einer Schauspielproduktion mit Musik vor. Am 29. September<br />
steht die Premiere des Horvath-Stücks „Kasimir und Karoline“<br />
unter der Leitung der 30-jährigen Wienerin Christina<br />
Tscharyiski an. Miriam Götz wiederum war bereits von 2016<br />
bis 2019 Regieassistentin am Theater Freiburg und bringt am<br />
24. November das Paul-Maar-Weihnachtsstück „In einem tiefen,<br />
dunklen Wald…“ auf die Bühne.<br />
Die in Ungarn geborene und in der Schweiz aufgewachsene<br />
Blanka Rádóczy führt Regie bei Luis Buñuels „Der Würgeengel“<br />
(Premiere am 24. Januar 2020), und die in Polen gefeierte Regisseurin<br />
Ewelina Marciniak leitet ab der Premiere am 13. März<br />
2020 Shakespeares „Der Widerspenstigen Zähmung“ an.<br />
Schauspiel-Fans können in Freiburg also gleich mehrere ästhetisch<br />
ungewöhnliche Arbeiten junger Regisseurinnen entdecken.<br />
Mit „Wut und Wahn“ überschreibt das Theater Freiburg<br />
derweil seine neue Spielzeit – in Anlehnung an aktuelle<br />
Zeitgeistphänomene.<br />
FRITZ‘ GALERIE<br />
Raum für Kunst, Events<br />
und Biergarten<br />
Freiburg, Bahnweg 4<br />
(hinter der Schwarzwaldmilch)<br />
• 13. – 27.07.2019<br />
Yana Ilieva (Bulgarien)<br />
art naïve | Illustrationen<br />
• 24.08. – 07.09.2019<br />
Eva Kneipp | Afrikanische<br />
Schönheiten | Malerei<br />
• 05. – 26.10.2019<br />
Jindra Čapek | Märchen |<br />
Illustrationen<br />
• 16.-30.11.2019 |<br />
Ina Krotz | Ansichten von<br />
Empfindsamkeiten |<br />
Acrylspachtel-Malerei<br />
Die Galerie ist geöffnet während der Ausstellungszeiten<br />
dienstags, donnerstags und samstags<br />
17 – 20 Uhr.<br />
Biergarten und Galerie sind geöffnet bei schönem<br />
Wetter von Mai bis Oktober mittwochs bis<br />
sonntags 17 – 22 Uhr.<br />
40 <strong>ZETT</strong>. JULI 2019
KULTUR AM START<br />
MUSEUMSNACHT<br />
SAMSTAG,<br />
20. JULI 2019<br />
18 – 1 UHR<br />
Foto: Rita Eggstein<br />
Unter dem Motto „anders“ öffnen die Städtischen Museen<br />
Freiburg am 20. Juli ihre Türen zur ungewöhnlichen Nachtzeit.<br />
Das jährliche Event für entdeckungsfreudige Nachtschwärmer<br />
verspricht eine einmalige Atmosphäre mit in buntes Licht<br />
getauchten Museen. Zahlreiche Live-Acts von Jazz bis Klassik,<br />
von Breakdance bis Lindy Hop warten auf die Besucher ebenso<br />
wie die Möglichkeit, Streifzüge durch Geschichte, Kunst und<br />
Naturwissenschaften zu unternehmen oder persönliche Begegnungen<br />
mit den Museumsmachenden zu haben.<br />
Mit dabei sind in diesem Jahr auch das Adelhauser Kloster,<br />
das Uniseum, der Kunstverein, das Fasnetmuseum, die Münsterbauhütte<br />
und das Planetarium – inspirierende Momente<br />
sind garantiert. Dazu hat diese besondere Freiburger Sommernacht<br />
auch kulinarisch einiges zu bieten: Bei Schwarzwälder<br />
Flammkuchen oder türkischen Delikatessen kommen auch<br />
Gaumengenussmenschen auf ihre Kosten.<br />
Tickets im Vorverkauf für 10, an der Abendkasse für 12 Euro.<br />
Unter 18 Jahren Eintritt frei.<br />
PARKSIDE FESTIVAL<br />
Niederrimsingen | Birkenmeier Forum | Sa., 13.07.2019 | 19 Uhr<br />
Im Ausstellungspark „Birkenmeier Forum“ am ‚Niederrimi‘<br />
genannten Baggersee Niederrimsingen steigt am Samstag, 13.<br />
Juli, ein abendliches ‚Parkside-Festival‘ unter dem Motto ‚Musik<br />
und Tanz im Park‘ mit verschiedenen Live-Bands und dem<br />
‚Brooklyn Burger Foodtruck‘ aus Bad Krozingen.<br />
Aus Köln kommt die angesagte Funk-Soul-Pop-Formation<br />
Pimpy Panda (unser Foto) und aus Hamburg wird das deutsche<br />
Blues-Urgestein Abi Wallenstein erwartet. Dazu treten<br />
die beiden Freiburger Bands Blossbluez und Gangster of Love<br />
auf.<br />
RADIO-SENDUNG<br />
Moderner Blues bei<br />
Radio Dreyeckland / Freiburg 102,3<br />
Immer donnerstags von 23.30 bis 0.30 Uhr<br />
und 7-Tage-Download im Internet:<br />
www.bluesclubradio.de<br />
★ Nominiert für den »German Blues Award 2019« ★<br />
„Pimpy Panda“<br />
Foto: Simona Klimpke<br />
<strong>ZETT</strong>. JULI 2019<br />
41
KULTUR AM START<br />
KOKOSNUSS<br />
UND MEERESMÜLL<br />
8.6.2019 bis 2.2.2020<br />
AUSSTELLUNG<br />
„SÜDSEE – TRAUM UND WIRKLICHKEIT“<br />
MUSEUM NATUR UND MENSCH<br />
Vaka Moanas (Boote des Ozenas) vor Bora Bora.<br />
Foto: Natalia Tsoukala / Okeanos Foundation für the Sea<br />
Sonne, palmengesäumte Strände und azurblaues Meer: Reiseberichte<br />
und Gemälde prägen bis heute unsere Vorstellung<br />
von der Südsee als Paradies auf Erden. Ein Klischee? Wie erleben<br />
die Bewohner ihre Inselwelt und die Folgen von Kolonialismus<br />
und Globalisierung? Die interdisziplinäre Ausstellung<br />
„Südsee – Traum und Wirklichkeit“ vermittelt ein vielfältiges<br />
Bild Ozeaniens und eines fragilen Ökosystems.<br />
Ethnologische Objekte geben Einblicke in die komplexe Geschichte<br />
und die Kulturen der Region. Naturkundliche Exponate<br />
dokumentieren die Herausforderungen durch global verursachte<br />
Umweltprobleme. Aktuelle Themen wie Klimawandel,<br />
Vermüllung der Meere oder Korallensterben sind gerade in<br />
der Südsee von hoher Brisanz. Durch die Erderwärmung steigt<br />
der Meeresspiegel und bedroht die Lebensgrundlage der Menschen.<br />
Begleitend gibt es Tanz-Workshops, Theater,<br />
Abendvorträge und die Aktion „Plastikfasten“<br />
– wer mag, kann seine Ideen und<br />
persönlichen Strategien zur Plastikmüllvermeidung<br />
vom 1. bis 31. August 2019 auf der<br />
Facebook-Seite des Museums teilen.<br />
STADTWANDFORSCHUNG<br />
‚Stadtwandforschung‘ nennt sich ein Experiment, dass die<br />
Uni Freiburg zusammen mit dem Freiburger Künstlerkollektiv<br />
„kulturaggregat e.V.“ im Zeitraum von Juni bis November 2019<br />
anstößt. Im Geiste Leonardo da Vincis werden in Freiburg Kunst<br />
und Forschung verknüpft.<br />
Beheimatet ist das Projekt im Bereich „Nexus Experiments“<br />
der „Brainlinks-Braintools“ an der Freiburger Uni – es geht darum,<br />
das Thema Künstliche Intelligenz (KI) im öffentlichen Raum<br />
zu visualisieren. Bekannte Streetart-Künstler bilden Tandems<br />
mit KI-Forschern; sie lassen ihre Ideen großformatig zum Beispiel<br />
auf einer Straßenbahn, im Durchgang der Fabrik in der<br />
Habsburgerstraße, oder auf dem Sonnensegel der UB in vertikale<br />
Flächen fließen – immer versehen mit einem QR-Code für diejenigen<br />
Passanten, die ihrerseits selbst weiterforschen wollen.<br />
Gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung<br />
(BMBF) und immer begleitet von namhaften KI-Forschern nehmen<br />
sich die Sprayer Smy und<br />
Fritz Boogie eine ‚KI-Straßenbahn‘<br />
vor. Den Wänden widmen<br />
sich Innerfields, Marc C.<br />
Woehr, Mr. Woodlands und<br />
Sare. Dazu gibt es ‚Wandgespräche‘,<br />
einen ‚Graffiti- und<br />
KI-Workshop‘, ‚Wandexpeditionen‘<br />
und eine Ausstellung im<br />
‚kulturaggregat‘, Hildastraße<br />
5, vom 14. September bis 12.<br />
Oktober.<br />
Foto: minz und kunst<br />
42 <strong>ZETT</strong>. JULI 2019
GESELLSCHAFT<br />
Fotos: Arne Bicker<br />
HOLBEINPFERD<br />
Nur kurz nach<br />
seiner Aufstellung<br />
schaute das<br />
Holbeinpferd in<br />
seinem originalen<br />
Betonblick<br />
nach vorn.<br />
Nach dreieinhalbmonatigen Restaurierungsarbeiten<br />
kehrte Anfang<br />
Juni das Freiburger Stadtwahrzeichen<br />
„Holbeinpferd“ auf seinen angestammten<br />
Platz im Freiburger<br />
Stadtteil Wiehre an der Günterstalstraße<br />
zurück.<br />
180 Kilogramm an Farb- und Gipsschichten<br />
waren abgekratzt, Risse<br />
im Betonkörper geflickt worden.<br />
Das stehende Fohlen wurde 1936<br />
von dem Bildhauer Werner Gürtner<br />
geschaffen und wird seit den 70er<br />
Jahren regelmäßig und meist nachts<br />
von verschiedenen Unbekannten bemalt<br />
und umdekoriert, zum Beispiel<br />
zu einem Zebra oder Einhorn – was<br />
die Skulptur zu einem beliebten Postkartenmotiv<br />
machte. Unser Grafiker<br />
hat das Fohlen mit einem Zett.-Motiv<br />
versehen – tagsüber, und zeitgemäß<br />
rein digital.<br />
<strong>ZETT</strong>. JULI 2019<br />
43
GESELLSCHAFT<br />
SCHÖNER SCHWEBEN<br />
Eine Seilbahn für Dietenbach?<br />
Vater und Sohn Joachim und Hans Brinkmeier<br />
träumen von einer urbanen Seilbahn in Freiburg.<br />
Foto: Arne Bicker<br />
„Ich habe einen Traum“, sagt der Freiburger Unternehmer Joachim<br />
Brinkmeier (55): Als Verkehrsanbindung für den neu zu bauenden<br />
Freiburger Stadtteil Dietenbach wünscht sich der studierte<br />
Wirtschaftswissenschaftler eine urbane Seilbahn. Auslöser für die<br />
Idee war Sohn Hans (11), ein großer Seilbahnfan und kleiner Experte<br />
im Thema.<br />
Nicht viele Dinge tut Hans lieber, als mit Seilbahnen zu fahren und<br />
neue zu entdecken. Im Mai dieses Jahres besuchten Vater und Sohn<br />
zum zweiten Mal die ‚Seilbahnmesse‘ INTERALPIN in Innsbruck. Das<br />
österreichische Unternehmen Doppelmayr baute z.B. im bolivianischen<br />
La Paz ein Nahverkehrsnetz aus zehn Seilbahnlinien auf.<br />
In Deutschland gibt es bislang erst drei urbane Seilbahnen in Berlin,<br />
Koblenz und Köln. In Hamburg wurde eine geplante Elbseilbahn<br />
im August 2014 per Bürgerentscheid mit 63,4 Prozent der Stimmen<br />
abgelehnt. Die ZDF-Reportage „planet e: Seilbahn und Flugtaxi –<br />
Wege aus dem Verkehrskollaps?“ listet derweil weitere Planungen<br />
in Bonn, Bremen, Düsseldorf, München, Reutlingen, Siegen, Stuttgart<br />
und Wuppertal auf.<br />
44 <strong>ZETT</strong>. JULI 2019
Heimatgemeinde Merzhausen hatte der Medizintechnik-Unternehmer<br />
bereits 2017 die Idee seines Sohnes für eine urbane Seilbahn<br />
als Nahverkehrskonzept für das Hexental geprüft. Dort waren die<br />
Rahmenbedingungen allerdings ungeeignet. Jetzt kommt ihm der<br />
neue Stadtteil Dietenbach wie gerufen, denn dort stimmten die<br />
Rahmenbedingungen perfekt.<br />
Mit ihrer Idee wollen Joachim Brinkmeier und sein Sohn Hans nun<br />
die Freiburger anstecken: „Eine Seilbahn ist das umweltfreundlichste<br />
und energiesparendste Verkehrsmittel überhaupt. Sie ist schnell<br />
und einfach baubar, verkehrsabhängig, ein flexibles, elegantes und<br />
leises System – und man braucht noch nicht mal einen Fahrplan.“<br />
„Kommt die Seilbahn im Stadtverkehr?“ fragt die ZDF-Reportage „planet e“.<br />
Über den QR-Code im Bild gelangen Sie direkt zur TV-Doku (28 Min.).<br />
Bild: Sreenshot ZDF-Mediathek.<br />
Und jetzt Freiburg? „Wenn man auf der grünen Wiese einen<br />
neuen Stadtteil anlegt, wäre eine gleich mit eingeplante Seilbahn<br />
die beste Anbindung“, schwärmt Joachim Brinkmeier. Er schätzt,<br />
dass eine 2,5 Kilometer lange Seilbahnlinie zwischen den Straßenbahn-Endhaltestellen<br />
Rieselfeld und Paduaallee (Linien 5 und 1)<br />
über den neuen Stadtteil Dietenbach, die Dreisam und den Zubringer<br />
Mitte ab 30 Millionen Euro realisierbar wäre.<br />
„Kostengünstig, platzsparend und beispielgebend“, wäre das, so<br />
Brinkmeier. Als beratendes Mitglied im Haushaltsausschuss seiner<br />
Illustration: Jonatan Alcina Segura.<br />
<strong>ZETT</strong>. JULI 2019<br />
45
GESELLSCHAFT<br />
ZAUBERTRANK<br />
Eine Mischung aus Wein und Bier –<br />
geht das überhaupt? Etwas skeptisch trudelte<br />
unsere kleine Mittagspausen-Verkostungsrunde<br />
in der Alten Wache am<br />
Münster ein. Hier sollte es ein noch junges<br />
Hexengebräu namens „Wier“ geben.<br />
Die Wache-Geschäftsführerin und<br />
Wier-Miterfinderin Alixe Winter blickte<br />
fröhlich in die Runde: „Denken Sie bloß<br />
nicht, wir hätten uns das nur aus Jux und<br />
Tollerei ausgedacht!“<br />
Tatsächlich ist „Wier“ kein Mischgetränk,<br />
sondern Traubenmost und Stammwürze<br />
– die Ausgangsprodukte von Wein<br />
und Bier – zusammen vergoren, hergestellt<br />
im Badischen Winzerkeller Breisach<br />
und vertrieben von der Ganter-Brauerei.<br />
Das Ergebnis ist mit 6.000 Flaschen 2018<br />
das meistverkaufte Einzelgetränk der Alten<br />
Wache. „Ein super-spannendes Produkt“,<br />
nennt das Winter, da es besser den<br />
Durst lösche als Wein und „gefährlich<br />
süffig“ sei.<br />
Unsere Verkostungsrunde war nach<br />
Geruchs- und Geschmackstest positiv<br />
überrascht. „Es riecht zunächst wie ein<br />
Pale Ale, ist aber süffig wie eine Weinschorle“,<br />
meinte jemand in der Runde,<br />
„fruchtig und prickelnd, mit einem Hauch<br />
von Hugo, nur nicht so süß“ ein anderer.<br />
Fazit: „Wier“ ist ein sorgfältig erprobtes<br />
Sommergetränk ‚Made in Freiburg‘ und<br />
verdient doppelt Beachtung: Mit 12 Prozent<br />
Alkoholgehalt hat „Wier“ deutlich<br />
mehr Dampf unter der Haube als ein Freiburger<br />
Pils. www.alte-wache.com<br />
GRÜSSE VON KARL MAY<br />
Ein Hauch von Karl May erfasste unsere<br />
kleine Mittagspausen-Verkostungsrunde,<br />
als wir den „Black Forest Concept<br />
Store“ in der Konviktstraße 10 betraten.<br />
Hier sollte es jenes legendäre Trockenfleisch<br />
geben, das einst Old Shatterhand<br />
aus seiner Satteltasche zog, um im wilden<br />
Westen Amerikas nicht zu verhungern.<br />
Black Forest Beef Jerkey heißt die<br />
Rindfleisch-Spezialtität, die der Gundelfinger<br />
Metzger Christian Rückert komplett<br />
von Hand herstellt.<br />
46 <strong>ZETT</strong>. JULI 2019<br />
Geschäftsführerin Alexandra Iannotti<br />
bat unsere Runde an die speziell<br />
eingerichtete Verkostungstheke: „Wir<br />
verwenden nur natürliche Zutaten. Das<br />
Rouladenfleisch stammt vom Weiderind,<br />
wird getrocknet, mariniert und<br />
noch kurz geräuchert.“ Die Runde war<br />
sich schnell einig: Es schmeckt. Das Geheimnis<br />
war wohl in den selbstgemachten<br />
Marinaden zu suchen.<br />
Jeder fand schnell seinen Favoriten,<br />
von „Classic BBQ“ über „Magic Mustard“<br />
und „Dazling Blonde“ bis „Supreme Pepper“.<br />
Keiner kannte die Spezialität bis dahin,<br />
aber einen erinnerte es an das südafrikanische<br />
Trockenfleisch „Biltong“.<br />
Seit 2016 gibt es das „Black Forest Beef<br />
Jerkey – den ältesten Snack der Welt“.<br />
Inzwischen klopfen viele Fitness-Studios<br />
an; kein Wunder, der Snack ist proteinreich<br />
und kalorienarm. Das wusste<br />
schließlich schon Karl May.<br />
www.blackforestsnacks.com
GESELLSCHAFT<br />
Fotos: Beta Film / Deutsches Filminstitut, Frankfurt-KINEOS Sammlung<br />
Wiederaufführungsplakat des US-Films „Gone With The Wind“<br />
Wiederaufführungsplakat des erfolgreichsten deutschen Films aller Zeiten.<br />
SCHMACHTVERGLEICH<br />
Spielen wir eine Runde Quartett. Der<br />
Film „Schwarzwaldmädel“ gegen den<br />
Streifen „Vom Winde verweht“. Sonja<br />
Ziemann und Rudolf Prack gegen Vivien<br />
Leigh und Clark Gable. Der US-Streifen<br />
stammt aus dem Jahr 1939, kam aber<br />
erst 1953 in deutsche Kinos, und ist 220<br />
Minuten lang. Der deutsche Berolina-Film<br />
wurde 1950 gedreht und läuft<br />
nur 104 Minuten. Erster Punkt für Scarlett<br />
O’Hara und Rhett Butler.<br />
Im fiktiven Ort Tara bei Atlanta /<br />
Georgia weht der Wind allerdings nicht<br />
halb so stark wie auf den Höhen des<br />
Schwarzwaldes, weshalb hier ja auch<br />
Windräder stehen: 1:1. Kategorie Tugendhaftigkeit:<br />
Die Figur Scarlett war<br />
schon zwei Mal verheiratet, bevor sie<br />
vom Butler geehelicht wurde; Bärbel<br />
hingegen sitzt als Unverheiratete, weithin<br />
erkennbar am roten Bollenhut, auf<br />
der Wiese und wehrt zunächst neckisch<br />
gleich mehrere Annäherungsversuche<br />
ihres Zukünftigen ab. Das ist zwar halbherzig,<br />
dennoch: 2:1 für das Schwarzwaldmädel.<br />
Kommen wir zum Schmachtfaktor.<br />
Bei den Amis herrscht im Film Bürgerkrieg,<br />
da wird geheiratet und gestorben,<br />
dass sich die Balken biegen. Und es gibt<br />
kein Happy-End. Im Schwarzwaldmädel<br />
hingegen wird fortdauernd getanzt, es<br />
gibt lediglich eine kleinere Volksfestschlägerei,<br />
und die Männer spazieren in<br />
Schlips und Kragen wie Pfaue und noch<br />
dazu Pfeife rauchend durch die Landschaft,<br />
was leidenschaftliche Kussszenen<br />
immens erschwert. Auch, wenn sich<br />
die beiden am Ende hier doch kriegen.<br />
Aber: Der Schmachtwinkel auf dem<br />
Filmplakat ist beim verwehten Wind<br />
deutlich steiler als beim Mädel, weil<br />
Gable, mit weit offenem Hemd, die fast<br />
halbnackte Leigh auf Händen trägt,<br />
während der ungleich steifere Prack<br />
Ziemann bestenfalls anlächelt wie ein<br />
Staubsaugervertreter. 2:2, der Wind<br />
gleicht aus.<br />
Jetzt zur letzten, alles entscheidenden<br />
Kategorie: Die selbstgerühmte<br />
Berühmtheit der Wiederaufführungsplakate.<br />
Das Filmplakat des Schwarzwaldmädels<br />
wirbt mit: „Unübertroffen!<br />
Weltbekannte Melodien – Farbenprächtige<br />
Ausstattung – Ein volkstümlicher<br />
Farbfilm.“ Bei „Gone With The Wind“<br />
heißt es: „In new screen splendor…The<br />
most magnificent picture ever! Winner<br />
of Ten Academy-Awards“, sprich:<br />
Oskars. Es hilft alles nichts: 2:3, Scarlett<br />
schlägt Bärbel. Aber nur knapp,<br />
und deshalb steht fest: Der deutsche<br />
Schmachtfetzen ist zwar kulturbedingt<br />
etwas leidenschaftsreduziert, aber beziehungswindmäßig<br />
doch mehr als nur<br />
ein Pups im schwarzen Walde.<br />
<strong>ZETT</strong>. JULI 2019<br />
47
GESELLSCHAFT<br />
Foto: Martin Koswig.<br />
RETRO CRUISER<br />
Der Stromverteiler<br />
Ganz schön flott: Grafiker Sören Comes cruiste für Zett. über den Rotteckring.<br />
www.stromrider.de<br />
48 <strong>ZETT</strong>. JULI 2019<br />
Als mich kürzlich ein auf alt getrimmter<br />
Fahrrad-Chopper, offensichtlich mit Elektromotor,<br />
am Schlossbergring überholte, staunte<br />
ich nicht schlecht. Eine schnelle Online-Suche<br />
führte mich zu einem Bikedealer namens<br />
Sven Venohr (37). “Fahrräder mit Elektromotor<br />
müssen nicht hässlich sein”, sagte mir der gelernte<br />
Fertigungsmechaniker aus Buggingen.<br />
Seit 2017 verkauft Venohr hauptberuflich Vintage-Pedelecs,<br />
sogenannte ‚Retro-Cruiser‘.<br />
Diese auf Oldstyle getrimmten Fahrräder<br />
mit Elektrohilfsmotor heißen “Ariel Rider”,<br />
“The Ruffian“ oder „Bad Bike“ und sehen aus<br />
wie eine Mischung aus Moped und Fahrrad.<br />
Ich bat den Freiburger Profi-Fotografen Martin<br />
Koswig und Grafikdesigner Sören Comes<br />
um Unterstützung für ein Fotoshooting für<br />
das Zett.-Magazin.<br />
Große Scheinwerfer, breite Reifen, der Akku<br />
in einem tankähnlichen Gehäuse oder sogar<br />
mit Seitenwagen für Kinder – es ist der Look,<br />
der Retro-Cruiser deutlich von herkömmlichen<br />
Pedelecs unterscheidet. „Ich suche<br />
weltweit nach Bikes, die ich dann zum Teil<br />
ins Blaue hinein für meine Kunden bestelle“,<br />
erzählte Sven Venohr. In seinem ungewöhnlichen<br />
Bikegeschäft namens ‚stromRider‘ in<br />
Freiburg St. Georgen bietet er die zweirädrigen<br />
Blickfänge an – und findet immer mehr<br />
Kunden.<br />
Zwischen 1.300 („BAT Bike“ für Kinder)<br />
und 10.600 Euro (schweizer Speed-Pedelec<br />
„Stromer ST5“) kosten seine Räder mit einem<br />
E-Motor, der den Fahrer entweder bis 25 km/h<br />
(fahrradähnliches Pedelec mit 250-Watt Leistung)<br />
oder bis 45 km/h (S-Pedelec mit Helmund<br />
Versicherungspflicht, 500-Watt-Motor<br />
und Straßenpflicht) beim Pedalen unterstützt.<br />
Rund 100 Retro-Bikes verkauft Sven Venohr<br />
im Jahr und das meist ins Freiburger Umland<br />
oder in andere Städte. Mehr als 15 bis 20 solcher<br />
Cruiser seien in Freiburg noch nicht unterwegs,<br />
schätzt er. Der vom Zett. ausgeliehene<br />
und in Regensburg handgefertigte ‚Ruffian‘<br />
sorgte beim Fotoshooting vor dem Theater für<br />
einige Aufmerksamkeit. „Wenn man damit<br />
zum Kaffeetrinken fährt, bleibt man nicht<br />
lange allein“, schmunzelt Venohr. Deshalb<br />
hat er mit einigen Kunden eine samstägliche<br />
Ausflugsrunde gegründet: „Eine bessere Werbung<br />
gibt’s nicht.“ Fotos auf Insta gram unter<br />
„Stromrider_“.
MUSIK<br />
FRANK VINCENT ZAPPA<br />
Sehenswert:<br />
Link zur SWR-TV-<br />
Doku über Frank<br />
Zappa „Eat That<br />
Question“.<br />
Elisabeth Bereznicki stammt<br />
aus Warschau und lebt seit<br />
1990 in Freiburg. An einem<br />
Tag voller strahlenden Sonnenscheins<br />
sitzt die Malerin<br />
und PH-Dozentin in ihrem<br />
Atelier im Freiburger E-Werk<br />
und zeigt ihre Bilder: „Mich interessiert<br />
Malerei pur. Die Frage,<br />
ob figürlich oder abstrakt,<br />
interessiert mich gar nicht<br />
so sehr; ich lasse Farben die<br />
wichtigste Rolle spielen und<br />
schaue dann, was passiert.“<br />
Man könnte also sagen,<br />
Bereznickis Bilder entstehen,<br />
während sie entstehen. Ihre<br />
Porträts, wie das von Frank<br />
Zappa, malt sie zwischendrin,<br />
„zur Erholung“. Den 1993 verstorbenen<br />
US-Musiker hat sie<br />
auf eine Alu-Dibond-Platte<br />
(60 x 50 cm) gebannt, weil<br />
diese „dem Pinsel mehr Widerstand“<br />
böte als weiche<br />
Leinwand. Zappas Gesicht ist<br />
hier absolut fotorealistisch,<br />
während man Haare und Jackett<br />
auch mit den Fingern<br />
ertasten kann.<br />
Elisabeth Bereznicki liebt<br />
Zappas Klangwerke: „Seine<br />
Musik schöpft sich aus vielen<br />
Quellen, sie ist für mich<br />
wie eine Collage.“ Die Zappa-Scheibe<br />
„The Yellow Shark“<br />
und andere hätten sie „ständig<br />
begleitet“, so die Malerin,<br />
da sei eine unglaubliche Nähe<br />
entstanden und ein intensiver<br />
Einblick in die Details der<br />
akustischen Schöpfungen der<br />
Musik-Ikone.<br />
www.elisabeth-bereznicki.de<br />
Lesenswert:<br />
Britta Boerdner -<br />
Am Tag, als<br />
Frank Z. in den<br />
Grünen Baum<br />
kam.<br />
50 <strong>ZETT</strong>. JULI 2019
MUSIK<br />
Foto: Sara Bertschinger<br />
Foto: Philipp Gladsome<br />
FREIBURG | WALDSEE | DONNERSTAG, 03.10.2019 | 20 UHR<br />
Antiheld<br />
Henry (Tasten), Luca (Gesang), Arne (Schlagzeug), André (Gitarre)<br />
und Matze (Bass) nennen sich Antiheld, und zusammen<br />
fabrizieren die fünf Stuttgarter Jungs waschechten „Straßenköterpop“.<br />
Der CD „Keine Legenden“ (2017) folgten die drei<br />
Singles „Ficken für den Weltfrieden“ (2018), „Berlin am Meer“<br />
(2017) und „Hey Du“ (2018). Jetzt erscheint das neue Album<br />
„Goldener Schuss“, und die zugehörige Tour führt das schwäbische<br />
Quintett auch ins Freiburger Waldsee. Die zunehmend<br />
persönlichen Texte brächten die Stimmung einer beziehungsunfähigen,<br />
politisch brüchigen Generation auf den Punkt. Jeder<br />
Song sei dabei wie ein Schlag ins Gesicht mit Zungenkuss<br />
und jede Zeile eine Umarmung mit Messer im Rücken.<br />
FREIBURG | JAZZHAUS | MONTAG, 04.11.2019 | 20 UHR<br />
Madeline Juno<br />
Madeline Juno steht für beste Singer-Songwriter-Mukke.<br />
Die 23-jährige Sängerin aus Offenburg<br />
erzählt Geschichten und Gefühle so, dass<br />
es leichtfällt, darin einzutauchen: Eindringlich,<br />
natürlich, sprachgewandt – in starken Bildern<br />
und Songs. Ihr Album „DNA“ bescherte Madeline<br />
Juno millionenfache Views und Streams.<br />
Jetzt steht das vierte Studio-Album „Was<br />
bleibt“ an. “Es fühlt sich an, als wäre das noch<br />
mal mehr ich“, sagt Juno über ihre neue Scheibe.<br />
In Freiburg wird sie die Bühne mit ihrer<br />
kompletten Live-Band teilen.<br />
18. – 25.10.2019<br />
6. Freiburger Blues-Festival<br />
Die Bluesfreunde Freiburg e.V., haben für das<br />
für 6. Freiburger das 6. Freiburger Blues-Festival Blues-Festival Ende Oktober Ende 2019 ein paar<br />
Oktober herausragende 2019 ein Musiker paar ganz und dicke Bands Fische<br />
an Land gezogen:<br />
an Land gezogen:<br />
• Fr., 18.10.2019, 20 Uhr, Jazzhaus:<br />
Henrik Freischlader Band (D)<br />
• Sa., 19.10.2019, 20 Uhr, Schloss Reinach:<br />
Ramon Goose (UK)<br />
• So., 20.10.2019, 20 Uhr, Jazzhaus:<br />
Brian Auger’s Oblivion Express (UK)<br />
• Mo., 21.10.2019, 20 Uhr, Wodan Halle:<br />
Dr. Feelgood (UK) / Victor Wainwright & The Train (USA)<br />
• Mo., 21.10.2019, 20 Uhr, Jazzhaus:<br />
John Mayall (UK)<br />
• Di., 22.10.2019, 20 Uhr, Wodan Halle:<br />
Black Cat Biscuit (BEL) / Kyla Brox Quartet (UK)<br />
• Mi., 23.10.2019, 20.30 Uhr, ChaBah Kandern:<br />
Ulrich Ellison & Tribe (A/USA) Eintritt frei<br />
• Do., 24.10.2019, 20 Uhr, Wodan Halle:<br />
Mick Kolassa (USA) / Archie Lee Hooker & The Coast to Coast Blues<br />
Band (USA)<br />
• Fr., 25.10.2019, 20 Uhr, Markthalle Freiburg:<br />
Williams Wetsox (D) Eintritt frei<br />
• Fr., 25.10.2019, 20 Uhr, Birkenmeier Forum, Niederrimsingen:<br />
T.B.A.<br />
Kyla Brox<br />
Foto: Phil Melia<br />
<strong>ZETT</strong>. JULI 2019<br />
51
MUSIK<br />
AND THE BEAT GOES ON<br />
Das 37. ZMF<br />
Chick Corea<br />
Foto: Mikolaj Rutkowski<br />
Madeleine<br />
Peyroux<br />
Foto: Yann Orhan<br />
Mine<br />
Foto: Simon Hegenberg<br />
Igor Andreev<br />
Foto: Daniil Rabovsky<br />
Lea<br />
Foto: Jens Koch<br />
52 <strong>ZETT</strong>. JULI 2019<br />
Das Freiburger Zelt Musik Festival (ZMF) geht<br />
in seine 37. Runde: Vom 17. Juli bis zum 4. August<br />
2019 steht auf dem Freiburger Mundenhofgelände<br />
alles im Zeichen des Storchs – diese Tierfigur<br />
hat sich das Kultfestival im Staub vor den Toren<br />
Freiburgs neuerdings als Wappentier angelacht.<br />
Musikalische Highlights werden wohl etliche geboren,<br />
wenn auch die Künstler mutmaßlich nicht<br />
aus dem Himmel fallen.<br />
Mittelfristig will ZMF-Chef Marc Oßwald Gelänge,<br />
Zelte und Nahverkehr erweitern, sprich wachsen,<br />
„um unsere Programmmöglichkeiten zu öffnen“.<br />
Das große Viermast-Zirkuszelt fasst bislang<br />
unbestuhlt 2.800 Menschen; in einen größeren<br />
Sechs- oder Achtmaster mit bis zu 5.000 Plätzen<br />
würde er auch Namen wie Tears for Fears, George<br />
Ezra oder Iggy Pop locken können, glaubt Oßwald.<br />
Noch aber bleibt das 37. ZMF, erstmals ohne<br />
den langjährigen Sponsor Mercedes, mit einem<br />
1,7-Millionen-Euro-Etat. Eröffnet wird der Konzertreigen<br />
von der Kanadierin Loreena McKennitt –<br />
oder auch nicht, denn erstmals gibt es in diesem
Foto: Klaus Polkowski<br />
Wolfgang Niedecken<br />
Foto: Photogroove<br />
Namika<br />
Foto: David Daub<br />
Gisbert zu Knyphausen<br />
Foto: Dennis Williamson<br />
John Butler<br />
Foto: Promo<br />
Loreena McKennitt<br />
Foto: Richard Haughton<br />
Joris<br />
Foto: Klaus Sahm<br />
Jahr ein Pre-Opening: Am Montag, 15. Juli, steigt<br />
im Zirkuszelt ein Doppelkonzert mit dem Ausnahmesaxofonisten<br />
Kamasi Washington und<br />
der Samtstimme von Madeleine Peyroux, was<br />
die Zeltdorf-Erbauer um Technikchef Dieter Pfaff<br />
massiv unter Zeitdruck setzt.<br />
Ansonsten geben sich mit Chick Corea (18. Juli),<br />
Max Herre (19. Juli), Samy Deluxe (26. Juli), BAP (27.<br />
Juli), Sophie Hunger (1. August), Namika (4. August)<br />
und dem unvermeidlichen Dieter Thomas<br />
Kuhn (24. Juli und 3. August) äußerst arrivierte<br />
Ton artisten die Zeltleinen in die Hand. Die ebenso<br />
unvermeidliche Großeltern-Reihe des ZMF setzen<br />
in diesem Jahr die Beach Boys (22. Juli) fort; als<br />
lokaler Statthalter geht die Freiburger Funk- und<br />
Soul-Band FATCAT (3. August) ins Rennen. Und<br />
hier noch vier ungemein ungeheime Geheimtipps<br />
der Zett.-Redaktion: Wir freuen uns auf die Konzerte<br />
vom John Butler Trio (17. Juli), auf Curtis Harding<br />
(21. Juli), Laing (22. Juli) und Lea (29. Juli).<br />
Das komplette Programm finden Sie auf<br />
www.zmf.de.<br />
Max Herre<br />
Foto: Mika Väisänen<br />
<strong>ZETT</strong>. JULI 2019<br />
53
MUSIK AUS FREIBURG<br />
Leopold Kraus Wellenkapelle<br />
So geht Musik<br />
Die Legende lebt: Die Leopold Kraus Wellenkapelle<br />
hat nach „No Parking On The Dancefloor“<br />
und „Schwarzwaldfieber“ ihr drittes<br />
Ding gedreht, denn so geht Musik, und nicht<br />
anderst! Torpedo Tom, Manni Mabuse, Willi<br />
del Mare und Bröngo sind die ‚Kings of Black<br />
Forest Surf‘ – und die sind „zu klein, um zu<br />
Scheitern“, denn „nach Berlin, Turin, Paris und<br />
Wien kann jeder, aber dieser Hidden Champion<br />
kann eben auch Titisee, Oslip, Frick und<br />
Lütschenbach!“ Ungeniert spielt die Wellenkapelle<br />
seit zwei Jahrzehnten abseits der Metropolen<br />
ihre eigene Version der Teenager-,<br />
Halbstarken- und sonstiger Außenseiter-Musik<br />
des letzten Jahrhunderts, nun auch mit 13<br />
brandneuen Tracks. Und jetzt kommst du.<br />
Otto Normal<br />
Puls<br />
Vier Freiburger, drei Alben in acht Jahren,<br />
hunderte Live-Shows und immer noch unendlich<br />
viel Bock: Otto Normal haben das verflixte<br />
siebte Jahr ihrer Bandgeschichte hinter<br />
sich gebracht und stellen nun ihre EP „Puls“<br />
vor: Sechs Tracks mit satten Beats und klugen<br />
Texten warten auf dem Silberling. Besonders<br />
tanzbar kommen die Songs „Eins Eins Null“<br />
und „Und dann kommst du“ daher. Otto Normal<br />
gibt es in diesem Jahr häppchenweise,<br />
denn mit „Lava“ wollen Sänger Peter Stöcklin<br />
und seine musikalischen Mitstreiter noch<br />
in diesem Jahr eine weitere EP an den Start<br />
schieben – und dann geht es im Dezember<br />
wieder mal ab auf große Tour.<br />
Michael Oertel Band<br />
A Little Faith<br />
Nach „Soul Sailor“ präsentiert der Freiburger<br />
Michael Oertel seine zweite CD „A Little<br />
Faith“ (Artfarm Records, Köln / Roughtrade<br />
Publishing). Gnadenlos guter Blues-Soul<br />
und elf überwiegend einfühlsame Songs hat<br />
der 31-jährige Ausnahmemusiker hier versammelt.<br />
„Think Of You“, „Aunt Leonie“ und<br />
„Stormy Weather Blues“ tropfen gefällig ins<br />
Ohr, während “Shoe Store Man” und “All Gonna<br />
Be Better” beweisen, was Oertel von einem<br />
seiner Vorbilder namens Jimi Hendrix gelernt<br />
hat. Das fast durchweg analog und live aufgenommene<br />
Album zeigt die Vielseitigkeit der<br />
Michi-Oertel-Band, die mit echter handgemachter<br />
Musik ein ständig wachsendes Publikum<br />
erobert.<br />
Seven Purple Tigers<br />
Seven Purple Tigers<br />
Seven Purple Tigers nennt sich eine neue<br />
Freiburger Indie-Rock-Band. Ende 2015 prallten<br />
der US-Sänger Austin Horn (24) aus Ann<br />
Arbor / Michigan und der deutsche Gitarrist<br />
Philip Dyszy (24) im polnischen Krakau als<br />
Erasmus-Studenten aufeinander – es war<br />
eine musikalische Liebe auf den ersten Ton.<br />
„Wir sind wie Brüder“, nannte das Dyszy gegenüber<br />
‚Zett.‘. „Das war wie der Schlüssel zu<br />
einer Tür, die sich öffnet“. Nun legen die Seven<br />
Purple Tigers mit Felix Schär (Drums) und<br />
Sebastian Heyeck (Bass) ihr gleichnamiges<br />
Debütalbum vor: Mit elf meist sehr tanzbaren<br />
Tracks beweisen Sie eine ungewöhnliche Reife<br />
– unser Geheimtipp!<br />
Bernadette La Hengst<br />
Wir sind die Vielen<br />
Mit „Wir sind die Vielen“ legt die Wahl-Freiburgerin<br />
Bernadette La Hengst ihr sechstes<br />
Studioalbum vor. Die 13 Songs heißen „I Need<br />
Air“, „Der Affe fällt nicht weit vom Stamm“<br />
oder „Das Leben muss Scheitern“ – die 1967 in<br />
Bad Salzuflen geborene Sängerin bewegt sich<br />
diesmal zwischen Songwriting und Elektropop<br />
mit arabischen Einflüssen. Der Titelsong<br />
„Wir sind die Vielen“ entstand 2018, als sie<br />
zusammen mit anderen Berliner Künstlern<br />
in der Gruppe „Die Vielen“ Strategien gegen<br />
Rechts entwickelte. Bernadette La Hengst beschreibt<br />
das so: „Raus aus den Komfortzonen,<br />
rein in die Welt, lasst uns viele sein, nur so<br />
können wir gewinnen gegen Populismus, Rassismus,<br />
die Beschneidung der Kunstfreiheit,<br />
den Klimawandel, eine Welt ohne gute Musik<br />
und im besten Falle gegen den Tod.“<br />
54 <strong>ZETT</strong>. JULI 2019
KRIMINALSZENE SÜDBADEN<br />
KURIOSE<br />
POLIZEIMELDUNGEN<br />
aus Südbaden<br />
Rund 600 Polizeimeldungen<br />
veröffentlicht die Polizeidirektion<br />
Freiburg – pro<br />
Monat. Für all jene, die gerade<br />
keine Lust auf Mord und<br />
Totschlag haben, fischt die<br />
Zett.-Redaktion kuriose Geschehnisse<br />
heraus zum Staunen<br />
und Schmunzeln. Hier<br />
eine Auswahl – alle Meldungen<br />
finden Sie online unter<br />
„www.zett-magazin.de“<br />
Tote schlafen fest<br />
Ach, waren das Zeiten…<br />
Kennen Sie den Film „Tote<br />
schlafen fest“ mit Lauren<br />
Bacall und Humphrey Bogart,<br />
die damals, 1946,<br />
frisch verheiratet waren?<br />
Der Film basiert auf einem<br />
Raymond-Chandler-Krimi<br />
mit dem Titel „Der große<br />
Schlaf“. Wiederholung offenbar<br />
nicht ausgeschlossen:<br />
Ein angeblicher Toter in<br />
einem Linienbus hatte am<br />
Abend des Freitag, 15. März,<br />
in Weil am Rhein einen Einsatz<br />
ausgelöst: Rettungsdienst<br />
und Polizei eilten<br />
gegen 19.30 Uhr schnell zu<br />
einem stehenden Bus in<br />
die Steinackerstraße. Nur<br />
durch die Setzung eines<br />
‚Schmerzreizes‘ erwachte<br />
dort ein Fahrgast aus<br />
seinem Tiefschlaf. Er war<br />
wohlauf. Der Bus konnte<br />
seine Fahrt fortsetzten,<br />
die Rettungskräfte rückten<br />
wieder ein.<br />
Frau rammt Auto<br />
Es gibt Polizeimeldungen,<br />
die sind auch für phantasiebegabte<br />
Menschen schwer<br />
im kopfeigenen Heimkino<br />
zu visualisieren. Angesichts<br />
des fraglichen Tatdatums<br />
stellt sich hier gar die Frage,<br />
ob es sich um einen Aprilscherz<br />
handelte? Lesen Sie<br />
bitte selbst:<br />
Erst nachträglich erfuhr<br />
die Polizei von einem doch<br />
etwas ungewöhnlichen<br />
Verkehrsunfall, was die<br />
Ermittlungen deutlich erschwerte.<br />
Am Montag, 1.<br />
April, gegen 19.45 Uhr, fuhr<br />
ein Autofahrer auf der Langestraße<br />
in Waldkirch in<br />
Richtung Kollnau. Etwa in<br />
Höhe der Einmündung Bismarckstraße<br />
rannte eine<br />
Frau, die vermutlich am<br />
Joggen war, zwischen den<br />
parkenden Autos hindurch<br />
von rechts auf die Langestraße<br />
und prallte seitlich<br />
gegen das Heck des vorbeifahrenden<br />
Autos. Weil die<br />
Frau angab, dass ihr nichts<br />
geschehen war, verabschiedete<br />
man sich voneinander,<br />
ohne die Polizei zu rufen.<br />
Zuhause stellte der Autofahrer<br />
jedoch einen erheblichen<br />
Sachschaden an seinem<br />
Subaru fest. Die Polizei<br />
war daraufhin bemüht, die<br />
Personalien der Unfallverursacherin<br />
herauszufinden.<br />
Sie wurde als ca. 50<br />
Jahre alt, eher von kleinerer<br />
Statur und schlank beschrieben.<br />
EISIG & SINNLICH<br />
Veranstaltungshinweise unter<br />
www.kalte-sofie.de und Alte Wache Freiburg<br />
Münsterplatz 38, 79098 Freiburg<br />
<strong>ZETT</strong>. JULI 2019<br />
55
BOLLENKULT<br />
Obwohl der Bollenhut ein wenig<br />
aus der Mode gefallen ist, müssen<br />
junge Schwarzwälderinnen wie<br />
Lena und Jenny nicht auf die<br />
Signalwirkung der Bollen (schwarz<br />
= verheiratet, rot = unverheiratet)<br />
verzichten. Moderne Wollmützen<br />
mit multiplen Bommeln wie diese<br />
vom Friesenheimer Unternehmen<br />
„Schneewolle“ erfüllen heute den<br />
gleichen Zweck wie die traditionellen<br />
Hüte vor über 200 Jahren.<br />
www.schneewolle.de<br />
WOLLE ROSEN?<br />
222 Jahre Bollenhut – eine bebilderte Festschrift<br />
von Arne Bicker<br />
Foto: Martin Koswig<br />
„Die Zeiten waren schlecht im<br />
Schwarzwald…“ – Mit diesen Worten leitete<br />
ARD- Tagesthemen-Moderator Ingo<br />
Zamperoni am 18. Februar<br />
dieses Jahres einen Bericht<br />
mit dem Titel „222<br />
Jahre Bollenhut – Spurensuche<br />
im Schwarzwald“<br />
ein. Der ursprünglich rund<br />
500 Gramm, heute aus Stabilitätsgründen<br />
eingegipste und deshalb bis zu zwei<br />
Kilogramm schwere Strohhut mit seinen<br />
vierzehn ovalen Bollen ist neben dem<br />
amerikanischen Cowboyhut, der britischen<br />
Melone, der Krankenschwesternhaube, Safarihelm<br />
und Bärenfellmütze eine der bekanntesten<br />
Kopfbedeckungen der Welt.<br />
In Freiburg stülpen sich Hobbysportler eine einfache Strohvariante<br />
mit tennisballgroßen Ultraleichtbommeln über und<br />
laufen den Halbmarathon. Touristen sacken den Kugeldeckel<br />
in Plastiktüten ein; er ziert Werbegrafiken für Milch, Gin oder<br />
Schinken. Der Bollenhut ist heute das Sinnbild schlechthin für<br />
den Schwarzwald. Warum?<br />
56 <strong>ZETT</strong>. JULI 2019<br />
Da ist Musik drin: Alte Polydor-Single.<br />
„Das ist einfach der geilste Hut der<br />
Welt“, sagt die Freiburger Künstlerin<br />
Anne Deutsch, die auch für den Tagesthemen-Bericht<br />
befragt wurde.<br />
Als gebürtige Engländerin ist Anne<br />
Deutsch Hutfachfrau per se. Ihre Arbeiten<br />
zeigen wir, neben vielen anderen,<br />
hier im Kulturmagazin Zett.<br />
Überhaupt scheinen die künstlerischen<br />
Hutnachmacher das Bommelwerk<br />
förmlich zu verehren – wie<br />
unsere Bilderstrecke anschaulich<br />
zeigt.<br />
Die ollen Bollen haben es weit<br />
gebracht. Dabei entsprang der ausdrucksstarke<br />
Kopfschmuck einer von oben verordneten Arbeitsbeschaffungsmaßnahme<br />
im bitterarmen Schwarzwald<br />
des 18. Jahrhunderts. 1797 wurde durch einen württembergischen<br />
Handstreich verfügt, dass die Dekoration der Strohhüte<br />
rot und schwarz zu sein habe. Das ist jetzt 222 Jahre her. Die<br />
drei Heimatdörfer des Hutes, Gutach, Kirnbach und Reichenbach,<br />
waren seinerzeit noch schwäbisch. Vielleicht war das ein<br />
Glück, weil die jungen Damen sonst vielleicht 27 Bowlingku-
geln auf einem Hut in mexikanischen<br />
Dimensionen mit sich herumschleppen<br />
müssten?<br />
Doch vorurteilsbeladene Revanchegedanken<br />
wie dieser sind kaum angebracht.<br />
Ohne Schwaben keine Bollenhüte<br />
– so sieht’s aus. Die Badener<br />
dürfen dafür heute Ruhm und Reichtum<br />
einheimsen für eine Kopfbedeckung,<br />
die aussieht wie ein schockgefrosteter<br />
Billardtisch. Tatsächlich erinnern die roten<br />
Pompons an rote Rosen, die einen<br />
Vorgänger des Hutes schmückten. Nur leisten konnte sich das<br />
seinerzeit kaum einer.<br />
Schwarzwaldente mit Hut von badenova<br />
Foto: Arne Bicker<br />
In der Tracht stehen die roten Bommeln für unverheiratete,<br />
der schwarzen für verheiratete Schwarzwalddamen. Einheimische<br />
fassen die Dinge gern<br />
griffig zusammen; sie sprechen<br />
vom „verheirateten Hut“ und vom<br />
„unverheirateten Hut“. Unseren<br />
modernen Zeiten wird das natürlich<br />
nicht mehr gerecht. Abhilfe<br />
schafft die Kunst. Vielleicht<br />
steht ja der türkisfarbene Hut<br />
für gleichgeschlechtlich orientierte<br />
Damen und der bunte für<br />
eine grundsätzliche Offenheit<br />
in alle Richtungen?<br />
Denkbar auch, die Bommeln grundsätzlich rot zu belassen<br />
und für jede begonnene Ehe einen schwarzen reinzutauschen<br />
– vierzehn Versuche dürften ausreichen. In der Esoterik steht<br />
die Zahl „14“ übrigens für Disziplin, Zuverlässigkeit, Geduld,<br />
Güte und Barmherzigkeit. Wer wollte da widersprechen?<br />
Bild: Bild: Josef Marco Weis Sorrentino<br />
Bild: Petra Kneipp<br />
Bild: Sarah von der Geest – Eiszeit<br />
Bild: Siegfried Zey<br />
<strong>ZETT</strong>. JULI 2019<br />
57
BOLLENKULT<br />
ERLEUCHTET<br />
Sebastian Wehrle ist selbst<br />
fast schon eine Kultfigur.<br />
Dem gelernten Kachelofenbaumeister<br />
aus Freiamt, dem<br />
der Zeitenwandel in seinen<br />
Fotografien so locker von<br />
der Hand zu gehen scheint,<br />
widmete „Zett.“ schon in<br />
seiner Erstausgabe eine ausführliche<br />
Bilderstrecke. Aber<br />
auch hier darf der 33-Jährige<br />
nicht fehlen: Seine Damen in<br />
Tracht sind stets eine Wucht.<br />
www.sebastian-wehrle.de<br />
SCHWARZWALDMUFFIN<br />
Fotos: Arne Bicker<br />
Konditorin Deborah Kuevi (33) und Gastro-Wissenschaftler<br />
Leonhard Reindl (35) backen Hüte zum Essen. Nach langen<br />
Experimenten liegt nun ein Mini-Bollenhut gut auf der Hand.<br />
Der Biss in den verlockend duftenden Hut zaubert einen käsekuchenerdbeerfruchtigen<br />
Geschmack auf den Gaumen.<br />
„Wir verwenden nur rein natürliche Zutaten“, erklärt Reindl.<br />
Gefriergetrocknete Erdbeeren geben dem Minikuchen in Bollenhutform<br />
die leuchtend-rote Farbe; das Innere besteht aus<br />
Käsekuchenteig.<br />
Die beiden Startupper haben zu ihrem Geschäftsstart mal<br />
eben einen Schwarzwaldmuffin erfunden. „Unser Kuchenhut<br />
hat aber gar nichts mit der Kirschtorte zu tun“, so Kuevi. Das<br />
Gebäckstück sei alkoholfrei und auch als kleine Nascherei für<br />
Kinder bestens geeignet. Ihren Bollenhutmuffin wollen die<br />
beiden Freiburger über Gastronomie und Handel vertreiben,<br />
aber auch in einem eigenen Foodtrailer. Unter der Marke<br />
„Milch trifft Honig“ wollen sie vor allem frische Kuchen und<br />
Pizza unters Volk bringen. www.milch-trifft-mehl.de<br />
58 <strong>ZETT</strong>. JULI 2019
BOLLENKULT<br />
Sarah von der Geest ist ausgebildete Fotografin und hat zudem<br />
ein Grafik-Design-Studium in Freiburg absolviert. In ihren<br />
Designs spielen traditionelle, folkloristische Motive eine<br />
wichtige Rolle; ihre Fotografien entstehen zumeist bei rein<br />
natürlichem Licht. In der Weiterverarbeitung verwendet die<br />
Künstlerin Tinte, Bleistift, Aquarell oder Vektorgrafiken; so<br />
entstehen mit viel Gespür für das Besondere modern-freche<br />
oder verträumt-melancholische Bilder. Mit ihrer Mutter Gloria<br />
betreibt Sarah von der Geest das Kunsthandwerk-Atelier „papercutdesign“<br />
in Titisee-Neustadt.<br />
www.papercutdesign.de<br />
DIE ZEICHNERIN<br />
„Uff gohts“<br />
Anne Mary Deutsch hat den Schwarzwald<br />
mit ihrer jungen poppigen Kunst bereichert.<br />
Die Malerin, Fotografin, Illustratorin und Designerin<br />
beschäftigt sich mit Themen wie<br />
Heimat, Ankommen und Abreisen. „Originalität<br />
und eine Message braucht ein gutes Bild“<br />
und „Eine Idee haben und umsetzen ist meine<br />
Herausforderung an ein Werk“, sagt die in<br />
Freiburg arbeitende Künstlerin. Zum Thema<br />
„222 Jahre Bollenhut“ berichteten die ARD-Tagesthemen<br />
am 18. Februar 2019 über Anne<br />
Deutschs Arbeiten. „Ein tolles Ding“ sei der<br />
Bollenhut, so die Freiburger Künstlerin. Ihre<br />
Begründung: „Dieser Hut mit seinen roten<br />
Kugeln ist einfach der geilste Hut der Welt“.<br />
www.planet-schwarzwald.de<br />
„Big Bang Black Forest“<br />
BIG BANG<br />
<strong>ZETT</strong>. JULI 2019<br />
59
BOLLENKULT<br />
NEUSTART<br />
„Große Berge, feuchte Täler<br />
und jede Menge Wald“ – wer<br />
hat’s erfunden? Selina Haas<br />
(29). 2014 hatte die waschechte<br />
Schwarzwälderin aus<br />
Schonach mit diesem sexistisch<br />
angehauchten Schwarzwald-Werbeclaim<br />
für mächtigen<br />
Medienwirbel gesorgt.<br />
Doch die ehemalige Studentin<br />
der HKDM-Grafikschule<br />
in Freiburg bereut das nicht:<br />
„Ach was, ich war zwar etwas<br />
überrascht über die vielen Reaktionen,<br />
aber die allermeisten<br />
waren ja positiv, auch die<br />
von meinen Eltern.“<br />
Und Conny und Ingolf Haas<br />
verstehen einiges vom Thema,<br />
stellen in langer Familientradition<br />
Kuck ucksuhren<br />
her und suchen auch hier den<br />
Spagat in die Moderne.<br />
„Frisch, lebhaft und Freude<br />
ausstrahlend“, so sieht die<br />
junge Mutter Selina Haas ihren<br />
künstlerischen Ansatz,<br />
für den sie auch schon mal<br />
eine Kuckucksuhr oder ein<br />
Baby unter den berühmten<br />
Bollenhut steckte. Wir zeigen<br />
hier im Zett.-Magazin Ihre<br />
Fotografie „Kriegsbemalung<br />
I“ aus der Serie „Neustart<br />
Schwarzwald“ – eine Arbeit,<br />
mit der Haas den kriegerischen<br />
Stolz afrikanischer<br />
Ureinwohner in den Schwarzwald<br />
überträgt. Mit neongrellen<br />
Fingerfarben bemalt<br />
sie ihr Modell und löst dann<br />
die Kamera bei Schwarzlicht<br />
aus. Heraus kommt eine<br />
schwarz wilde Arbeit mit prallen<br />
Leuchtfarben.<br />
www.selina-haas.de<br />
IM TIEFEN WALDE<br />
Foto: Arne Bicker<br />
Jochen Scherzinger (37) ist<br />
ein waschechter Schwarzwaldbub.<br />
Um mit dieser kernigen<br />
Geburtsbiographie<br />
Modedesign in Mannheim zu<br />
studieren, braucht es schon,<br />
sagen wir: Tannenzapfen in<br />
der Hose. Inzwischen macht<br />
die Mode nur noch einen kleinen<br />
Teil von Scherzingers Arbeit<br />
aus. Ein Kunstatelier mit<br />
Werbeagentur in Gütenbach<br />
bei Furtwangen ist jetzt das<br />
Maß der Dinge. Ein wachsendes<br />
Renomee und gefragte<br />
Ausstellungen geben ihm<br />
Recht. Unter dem Titel „Artwood“<br />
wirft Scherzinger ein<br />
kunstvoll-düsteres Bild auf<br />
seinen „nasskalten“ Schwarzwald:<br />
„Ich bin aufgewachsen<br />
wie Mogli im Wald. Mit einem<br />
halben Jahr Schnee und<br />
einem halben Jahr Nebel.“<br />
Kein Wunder, dass es ihm<br />
das Mythische besonders angetan<br />
hat: „Als Kind habe ich<br />
beim Spiel Gut gegen Böse<br />
immer das Böse gewählt – das<br />
hat mehr Hintergrund und<br />
Tiefe.“ Scherzingers Bilder,<br />
die er gern auch auf Wandverschalungsbretter<br />
aus der<br />
Räucherkammer des Hofs<br />
seines Großvaters druckt, erstrahlen<br />
umso mehr. Sein Geheimnis:<br />
„Der Schwarzwald<br />
ist alles für mich.“<br />
Info: www.artwood.de<br />
60 <strong>ZETT</strong>. JULI 2019
BOLLENKULT<br />
Siegfried Zey (67) ist seit langem im Schwarzwaldverein aktiv.<br />
Und natürlich haben es ihm die Schwarzwaldmädle mit<br />
Bollenhut als Motive angetan, zumal der Hut ganz in der Nähe<br />
seiner Heimatgemeinde Lauterbach erfunden wurde. Der pensionierte<br />
Berufsschullehrer malt schon seit seiner Jugendzeit<br />
unterschiedliche Motive mit verschiedenen Techniken. Zey ist<br />
Mitglied in den Kunstvereinen „Art Baden-Baden“ und „Wilhelm<br />
Kimmich“ in Lauterbach. „Ich habe mich ganz bewusst<br />
für die romantischen Schwarzwaldmädels entschieden“, so<br />
Zey. „Malen ist für mich sich zurücknehmen, entspannen, ein<br />
Ausgleich mit Spaßfaktor.“<br />
www.zey-art.de<br />
DAMENWAHL<br />
Original<br />
INDIANERSCHMUCK<br />
aus Nordamerika der Indianerstämme:<br />
NAVAJO, HOPI, ZUNI in reinem Sterlingsilber<br />
Seit 1993 in Freiburg<br />
Mit großer Auswahl an original Indianerschmuck der HOPI-,<br />
ZUNI- UND NAVAJO Indianer in Sterling Silber<br />
sowie: Pendleton-Wolldecken<br />
T-Shirts »The Mountain«<br />
Original Indianermusik CD’s<br />
Moccasins aus Hirschleder<br />
indianische Postkarten/Poster<br />
ORIGINAL INDIANERSCHMUCK<br />
Erika Wehrle<br />
Konviktstraße 13<br />
79098 Freiburg<br />
Telefon (0761) 22849<br />
Täglich ab 10.00 durchgehend<br />
geöffnet<br />
Montag - Freitag bis 19.00 Uhr<br />
Samstag bis 18.00 Uhr<br />
<strong>ZETT</strong>. JULI 2019<br />
61
BOLLENKULT<br />
TROTZKÖPFE<br />
Uwe Merz (56) stammt aus Recklinghausen im Ruhrgebiet. Nachdem er sich und seinen Humor<br />
vor nunmehr 29 Jahren freiwillig ins badische Exil versetzte, entsprudeln dem gelernten<br />
Grafikdesigner, Musiker und Lebenshilfetherapeuten kreative Ideen am laufenden Band. „Der<br />
Schwarzwald darf auch mal unkonventionell, humorvoll, lebendig und etwas selbstironisch<br />
sein“, sagt Merz, wenn er mal wieder einen seiner Trotzköpfe zu Papier bringt. Die „Grätige<br />
Bolle“ aus dem Atelier auf dem Schenkenzeller Fräulinsberg versprühen launiges Temperament<br />
mit Augenzwinkern und spiegeln dabei zutiefst menschliche Gemütszustände wider. „Mir persönlich<br />
ist eine Immer-gut-drauf-Mentalität suspekt“, sagt Merz. „Mal so richtig grätig zu sein<br />
hat auch etwas befreiendes, wenn wir sagen oder zeigen was uns ärgert.“ Auf eine Idee ist Merz<br />
indes noch nicht gekommen: Einen „Grätie“, wie er sie nennt, auf eine gelbe Karte zu drucken.<br />
Für das nächste Foulspiel des Lebens und den Schiedsrichter in uns allen. www.merzolio.com<br />
BOLLENGUT<br />
„Komm‘ auf die dunkle Seite des Waldes“ lockt Birgit Hepting mit ihrer Marke Bollengut.<br />
Doch Kinder müssen sich nicht unterm Bett verstecken, denn hier geht es fröhlich und bunt<br />
und tierlieb zu: Die 29-jährige Grafikdesignerin betreibt mit ihrem Partner Lutz Augspurger in<br />
Furtwangen eine Werbeagentur, aus deren Zwängen sie gerne mal abtaucht, um ihre Heimatverbundenheit<br />
künstlerisch auszuleben. So entstehen Schwarzwaldgiraffen, Wassernixen, Titiseepferdchen<br />
oder ein Schwarzwaldmädel mit den Worten „Mir könne des!“ auf den Lippen.<br />
Chapeau!<br />
www.bollengut.de<br />
62 <strong>ZETT</strong>. JULI 2019
BOLLENKULT<br />
Ruth Gast malt. Und spielt<br />
Trompete. Die Freiburger<br />
Künstlerin stammt aus<br />
Gehrden bei Hannover, studierte<br />
bei den Professoren<br />
Hans-Jürgen Diehl und Herbert<br />
Kaufmann in Berlin freie<br />
Malerei.<br />
Seit 1997 lebt die Malerin<br />
und Musikerin in Freiburg,<br />
fertigt in ihrem Atelier in der<br />
Basler Straße Bilder, Grafiken<br />
und Skulpturen. Die hier gezeigte<br />
Arbeit „Huckepack“ ist<br />
ein neueres Bild. Es zeige „das<br />
Gegenteil eines Schwarzwaldmädels“,<br />
kommentiert<br />
Ruth Gast.<br />
Das Bild ist förmlich geladen<br />
mit Figuren, Formen, Farben,<br />
Energie und Sarkasmus.<br />
Gast zeigt auf die Leinwand:<br />
„Die Frau sieht einen gar<br />
nicht.“ Tatsächlich hat die Figur<br />
mit dem Bollenhut keine<br />
Pupillen, wirkt entfremdet,<br />
scheint sich selbst zu verhöhnen,<br />
während sie den Herrn<br />
ihrer Wahl huckepack mit<br />
sich herumschleppt.<br />
HUCKEPACK<br />
www.atelier-gast.de<br />
<strong>ZETT</strong>. JULI 2019<br />
63
BOLLENKULT<br />
Hansjörg „Hardy“ Kleiser<br />
ist ein echter Schwarzwälder:<br />
Als Kind fuhr der gebürtige<br />
Titiseer auf Skiern zur Schule;<br />
heute lebt Kleiser in Staufen,<br />
wo er eine kleine Galerie betreibt.<br />
Seine Quadriga „Bollero“<br />
entstand als Geschenk<br />
zum 21. Geburtstag seiner<br />
Tochter; Andy Warhol und<br />
Maurice Ravel standen Pate.<br />
Seine Arbeiten druckt Kleiser<br />
auf Leinwand oder – wunderschön<br />
exzentrisch – auf Glas.<br />
www.hardy-pop-art.de<br />
BOLLERO<br />
64 <strong>ZETT</strong>. JULI 2019
BOLLENKULT<br />
Würfelspiele<br />
BOLLENQUADER<br />
Maidli mit Geranie<br />
Silke Gerfen (50) malt Menschen, die sie wie durch ein Prisma<br />
zu betrachten scheint. Mit ihrer Vorliebe zu Geometrie und<br />
Kubismus scheint die ausgebildete Textilveredlerin ihre Motive<br />
erst zu zerlegen und dann wieder zusammenzusetzen, wobei<br />
spannende Verschiebungen, neue Formen, Flächen und Strukturen<br />
entstehen. Dies entspringe ihrem „Gefühl von Freiheit“,<br />
so Gerfen. Seit 2013 widmet sich die im Glottertal aufgewachsene<br />
und in Freiburg lebende Künstlerin verstärkt ihrer Heimat,<br />
dem Schwarzwald, der Glottertäler Tracht und dem Bollenhut,<br />
der in ihren Arbeiten seine kraftvolle Wiedererkennbarkeit voll<br />
zur Entfaltung bringen darf.<br />
www.ars-matrona.de<br />
<strong>ZETT</strong>. JULI 2019<br />
65
BOLLENKULT<br />
OVERFLOW<br />
Foto: privat<br />
Je weiter man sich wegbewegt,<br />
desto schärfer wird der<br />
Blick auf die Heimat. Diese<br />
Erfahrung machte die Freiburger<br />
Künstlerin und Fotografin<br />
Michaela Kindle (44).<br />
Sie verbrachte zwölf Jahre im<br />
Schmelztiegel USA. Oktoberfest<br />
mit Bollenhut? Black Forest<br />
mit Cinderella Castle?<br />
Das Leben in Los Angeles<br />
habe ihr „im positivsten Sinne<br />
künstlerischen Anlass geboten,<br />
ihre Heimat mal von<br />
einer anderen Seite zu betrachten“,<br />
sagt sie. Seit ihrer<br />
Rückkehr ordnet Kindle die<br />
Dinge diesseits des großen<br />
Teichs neu: „Schwarzwald.<br />
Anders.“ heißt ihr Mashup.<br />
Kindles Kollagen erzählen<br />
märchenhafte Geschichten<br />
und schlagen Brücken von<br />
der Historie zur Moderne.<br />
Die Künstlerin vermischt<br />
(links die Werke „Bounce“,<br />
oben, und „All Together“,<br />
unten) das mystische Narrativ<br />
mit einer Liebe zum Kontrastreichtum.<br />
Man könnte<br />
auch sagen: Da ist Bewegung<br />
drin.<br />
www.kindle-photography.de<br />
66 <strong>ZETT</strong>. JULI 2019
BOLLENKULT<br />
IM LETTERWALD<br />
Der Grafik-Designer, Illustration<br />
und Maler Heinz Wendling<br />
(68) lebt in Ottersweier.<br />
Nach Jahren der Werbearbeit<br />
fokussiert sich Wendling nun<br />
auf freie künstlerische Arbeiten.<br />
Einen besonderen Raum<br />
widmet er dabei dem Entdecken<br />
und Zusammenfügen<br />
verschiedenster Motive unter<br />
anderem zur „Freiwildzone<br />
Schwarzwald“. So entstehen<br />
universelle Monotypien in<br />
Acryl und zeitgemäße Arbeiten<br />
mit Hilfe modernster<br />
Computer-Technik wie diese<br />
maskierte Bollendame im<br />
Letterwald.<br />
www.galerie-wendling.de<br />
IM UNTERHOLZ<br />
Eigentlich erweckt der Holzbildhauer Simon Stiegeler Figuren<br />
und Masken aus seinem Lieblingswerkstoff zum Leben.<br />
Doch nachdem Anfang 2015 zunächst aus privatem Spaß das<br />
Label „[:blackest-forest:]“ entstand, entwickelte sich im beschaulichen<br />
Grafenhausen schnell ein Hype um eine Vielzahl<br />
neuer Produkte im ‚Schwarzwald Underground Style‘, wobei<br />
man Underground in diesem Fall sehr frei wohl auch mit Unterholz<br />
übersetzen darf. Neben dem Künstlerpaar Lillian und<br />
Simon Stiegeler strickt auch der Waldshuter Fotograf Michael<br />
Steck an der Legende mit.<br />
www.blackest-forest.de<br />
<strong>ZETT</strong>. JULI 2019<br />
67
BOLLENKULT<br />
Schneiderei: Manado / Indonesien; Model: Kuci Rino (41).<br />
Reisfeld: Bohol / Philippinen; Model: Lorina Riess, (23).<br />
BOLLYHOOD<br />
Die Biologin und Kognitionwissenschaftlerin<br />
Flora Wenczel (30) und der selbständige<br />
Schreinermeister Josef Weis (36) aus Simonswald<br />
haben einem original Kirnbacher Bollenhut<br />
vierzehn Monate lang auf einer Asienreise<br />
die halbe Welt gezeigt. Als „kulturübergreifendes<br />
Fotoprojekt“ beschreibt Weis seine in<br />
weiter Ferne entstandenen Bilder, die zeigen,<br />
dass Heimat einfach überall sein kann und ist.<br />
Der „Bollyhood“ repräsentiert hier nicht eine,<br />
sondern verbindet viele Kulturen. Weitere tolle<br />
Fotos finden sich auf der Webseite.<br />
www.bolly-hood.com<br />
UND ACTION!<br />
Der Schwarzwälder Thomas<br />
Zipfel, geboren 1955 in Freiburg,<br />
war jahrelang aktiver<br />
Leistungssportler und mehrfacher<br />
Deutscher Meister im<br />
Skilanglauf. Heute widmet<br />
er sich neben dem Sport und<br />
der Musik vor allem seiner<br />
großen Begeisterung fürs<br />
Zeichnen und Malen. Seit<br />
1980 fertigt der in Kirchzarten<br />
wohnhafte Künstler vielfach<br />
veröffentlichte Cartoons,<br />
Karikaturen, Zeichnungen<br />
und Aquarelle.<br />
www.thomaszipfel.de<br />
68 <strong>ZETT</strong>. JULI 2019
BOLLENKULT<br />
Bollizei<br />
Bollywood<br />
Bollonese<br />
Bollympisch<br />
Bollwerk<br />
Bollwerk<br />
SCHWARZWALD<br />
Oh Heimat<br />
Bollimie<br />
Bollen<br />
<br />
Bollitik<br />
<br />
(Rotkappe)<br />
<br />
Bollero<br />
Bolli + Stan<br />
Klaus Karlitzky malt schlitzohrige<br />
Cartoons und betreibt<br />
ein virtuoses Spiel mit<br />
Heimatbegrifflichkeiten. Sein<br />
Poster stöhnt förmlich auf:<br />
„Schwarzwald, Oh Heimat…“,<br />
denn alles ist denkbar und<br />
nichts zu absurd. Der Kunsthistoriker<br />
und Diplom-Designer<br />
Karlitzky lebt im Örtchen<br />
Freiamt, das offensichtlich<br />
vor allem eines zu bieten hat:<br />
Die Freiheit zu denken, und<br />
zwar in alle Richtungen. Von<br />
Karlitzky stammt das launige<br />
Buch „Schwarzwälder<br />
Hirschwasser“.<br />
www.kk-cartoon.de<br />
<strong>ZETT</strong>. JULI 2019<br />
69
„Kompliment! Zett ist ein modernes und offensives<br />
Magazin. Ein wenig frech und bohrend in der<br />
Fragesetzung; genau das erwartet man von einem<br />
Magazin über Kunst und Kultur.“<br />
- S.K.<br />
„Echt gut gemacht!<br />
Tolle Stories, Klasse Layout, gutes Verhältnis<br />
von Text und Bildern und schöne Hinweise<br />
auf Veranstaltungen in der Region.“<br />
– M.L.<br />
STIMMEN ZUR ERSTEN AUSGABE<br />
<strong>ZETT</strong>. Das Kulturmagazin für Freiburg<br />
„Gut geschrieben, tolle Fotos, super Cartoons,<br />
informativ und unterhaltsam, zum Lächeln<br />
und auch ernsthafte Themen,<br />
interessante Interviews und Gastbeiträge.<br />
Das Zett. ist ein echter Hingucker.“<br />
– B.F.<br />
1.2018<br />
Sehr engagiert,<br />
aber leider verdeckt das<br />
nervöse Layout einige der<br />
entdeckungswürdigen Artikel.“<br />
– T.F.<br />
„Das Zett Magazin habe ich durchgelesen.<br />
Es gefällt mir sehr gut, ich finde es informativ<br />
und auch sehr erfrischend geschrieben.“<br />
– S.K.<br />
„Zett kommt ganz anders daher,<br />
nicht im Schmeichel-Look, raus aus der<br />
Komfortzone, eher städtisch-plakativ<br />
mit ein bisschen Zypresse-Style.<br />
Freiburg ist eine tolle Stadt und sie<br />
hat eine Stadtkultur, die zu entdecken<br />
sich lohnt. Und so etwas braucht<br />
Entdecker, Mittler, Medien!“<br />
– K.K.<br />
Das Kulturmagazin für Freiburg<br />
„Das ist ein sehr gelungenes<br />
Magazin! Nicht nur interessante<br />
Beiträge sondern auch gelungenes<br />
Layout, tolle Bilder, hochwertiges<br />
Papier. Die Trennung von Werbung<br />
und Information ist super.“ – P.H.<br />
„Gute Fotos. Formate und Gewichtung gefallen<br />
mir sehr gut. Während des Lesens der zunächst<br />
herausgesuchten Artikel wuchs das Interesse<br />
an den nicht zum sofortigen Verzehr<br />
bestimmten Beiträgen. Die Folge war<br />
die komplette Lektüre. Als absoluten<br />
Gewinn sehe ich die Darstellung der<br />
Autoren und Künstler. Das kann sehr gerne<br />
so fortgesetzt werden.“<br />
– M.K.<br />
Danke für die erste Ausgabe, die Artikel rund um Kultur<br />
und Kunst im Freiburg sind sehr ansprechend und machen<br />
Spaß zu lesen. Die Artikel zusammen mit den ausdrucksstarken<br />
Fotografien lassen einen immer wieder in neue<br />
Kosmen der kulturell so vielfältigen Stadt Freiburg blicken.<br />
Das kunterbunte Magazin bildet die lebendigen<br />
Szenen treffend und auch sehr persönlich ab – toll!<br />
Hoffentlich gibt es bald weitere Auflagen.“<br />
– A.V.<br />
EMPÖRUNG<br />
Nackte Kunst in Freiburg<br />
LEIDKULTUR<br />
Integration paradox<br />
JUBILÄUM<br />
50 Jahre Kulturrevolution<br />
utio<br />
SATIRE<br />
Freiburger er Gipfelstürmer<br />
+ Literatur + Musik + Theater er +K<br />
Kriminalszene<br />
inalsz<br />
Aus dem Zypresse-Verlag<br />
www.zett-magazin.de<br />
Das sieht ja nun mal<br />
wirklich wie eine richtig<br />
erwachsene Zeitschrift aus.<br />
Kultur kann man nun mal<br />
nicht im Billigkleid verkaufen.<br />
Habe nur eine Kritik: Der Abgang:<br />
Es fehlt der sanfte oder elegante Ausstieg<br />
mit Hinweis auf ein nächstes Heft.“<br />
– G.B.<br />
Ein tolles Magazin. Sehr schönes Layout,<br />
sehr hochwertig, gut geschriebene Artikel,<br />
auch mit etwas Ironie gewürzt.<br />
Nicht zu lang und dröge. Weiter so!<br />
Wäre ja schön, wenn sich das in<br />
Freiburg institutionalisiert.“<br />
– W.D.<br />
<strong>ZETT</strong>. #3 erscheint im November 2019<br />
70 <strong>ZETT</strong>. JULI 2019
Freiburgs<br />
schönste Farben *<br />
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Farben Tapeten Lacke<br />
Dreisam Ufer Grün *<br />
Schwarzwälder Kirsch Rot *<br />
Feldberg Himmel Blau *<br />
Ihr Fachhandel<br />
im Herzen Freiburgs<br />
Farben Thon<br />
Wentzinger Str. 36<br />
79106 Freiburg<br />
Mo - Fr 8.00 - 18.00 Uhr<br />
Sa 9.00 - 13.00 Uhr<br />
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im Hof.