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ZETT-2

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MYTHOS SCHWARZWALDMÄDEL<br />

1<br />

BLACK FOREST<br />

SUPERGIRL<br />

von Arne Bicker<br />

Vierzehn Bollen auf dem fast zwei Kilogramm schweren<br />

Hut, eine züchtig hochgeschlossene Tracht auf dem Leib und<br />

ein zartes Lächeln im Gesicht – das ist das Schwarzwaldmädel.<br />

Die Frage „Wer kennt sie nicht?“ ist zunehmend schwer<br />

zu beantworten, denn das Abbild dieser ewig jungen Dame<br />

aus dem südwestlichen Tann vermehrt sich rasant.<br />

Kurzum: Das Schwarzwaldmädel<br />

rockt. Als Kult-Ikone ist die junge<br />

Frau längst ein gefragter Werbeträger<br />

für die unterschiedlichsten Unternehmen,<br />

Verbände und Produkte. Und immer<br />

mehr gestaltende Künstler pusten<br />

den Staub von der kreuzbraven Kitschfigur<br />

und arbeiten sich an ihr ab, indem<br />

sie sie in andere Welten, Erscheinungsformen<br />

und Seinszustände versetzen.<br />

Eine schillernde Auswahl präsentieren<br />

wir Ihnen auf den folgenden Seiten in<br />

unserem Kulturmagazin „Zett.“<br />

Schwarzwaldmädel – „der Begriff<br />

meint Eine und Alle. Er vereint Landschaft<br />

und Mädchen, was es beides schon gibt<br />

seit Menschengedenken“, heißt es in dem Buch „Schwarzwaldmädel<br />

– Ansichten einer Bilderbuchschönheit“ (herausgegeben<br />

vom Schwarzwälder Freilichtmuseum Vogtsbauernhof<br />

anlässlich einer Ausstellung zum Thema im Jahr<br />

2007). Dabei hatte es die historisch verbriefte Trachtendame<br />

als hart arbeitende Dorfschönheit alles andere als leicht, wie<br />

es die aktuelle Ausstellung „Schwarzwald-Geschichten“ im<br />

2<br />

Freiburger Augustinermuseum unter Beweis stellt. Ihr Urvater<br />

ist wohl der Heimatdichter Berthold Auerbach (1812 –<br />

1882) aus Horb am Neckar. Ein Schwabe, ausgerechnet. Auerbach<br />

gelang ab 1843 mit seinen 27 Erzählungen umfassenden<br />

„Schwarzwälder Dorfgeschichten“ der große literarische<br />

Wurf.<br />

Runderneuert und ins echte Leben berufen<br />

wurde der Geist aus dem Brauchtum 1917 im<br />

Preußischen, an der Komischen Oper in Berlin:<br />

Hier wurde das Singspiel „Schwarzwaldmädel“<br />

uraufgeführt. Den Text zum Stück hatte<br />

der Librettist August Neidhardt (1867 – 1934)<br />

aus Wien geschrieben. Ein Österreicher, ausgerechnet.<br />

Das erklärt, warum das Schwarzwaldmädel<br />

nicht mundartgerecht „Maidli“<br />

heißt. Eine Petitesse damals, mit völkerverbindender<br />

Wirkung heute.<br />

Der Refrain „Mädle aus dem schwarzen<br />

Wald, die sind nicht leicht zu habe!<br />

Nur ein Schwabe, hat die Gabe, stiehlt ins<br />

Herz sich bald“ ist gleichwohl ein Stich in<br />

die badische Seele. Die Musik hatte der aus Stettin<br />

stammende Leon Jessel komponiert, wie Auerbach jüdischen<br />

Glaubens. 1942 starb Jessel an den Folgen schwerster Misshandlungen<br />

durch die Machthaber. Die Nazis verehrten das<br />

Schwarzwaldmädel – nicht aber dessen Komponisten.<br />

Die zweite Wiedergeburt der Unschuld vom Lande fiel ins<br />

Jahr 1950. Der Berliner Regisseur Hans Deppe (1897 – 1969)<br />

8 <strong>ZETT</strong>. JULI 2019

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