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BOLLENKULT<br />
NEUSTART<br />
„Große Berge, feuchte Täler<br />
und jede Menge Wald“ – wer<br />
hat’s erfunden? Selina Haas<br />
(29). 2014 hatte die waschechte<br />
Schwarzwälderin aus<br />
Schonach mit diesem sexistisch<br />
angehauchten Schwarzwald-Werbeclaim<br />
für mächtigen<br />
Medienwirbel gesorgt.<br />
Doch die ehemalige Studentin<br />
der HKDM-Grafikschule<br />
in Freiburg bereut das nicht:<br />
„Ach was, ich war zwar etwas<br />
überrascht über die vielen Reaktionen,<br />
aber die allermeisten<br />
waren ja positiv, auch die<br />
von meinen Eltern.“<br />
Und Conny und Ingolf Haas<br />
verstehen einiges vom Thema,<br />
stellen in langer Familientradition<br />
Kuck ucksuhren<br />
her und suchen auch hier den<br />
Spagat in die Moderne.<br />
„Frisch, lebhaft und Freude<br />
ausstrahlend“, so sieht die<br />
junge Mutter Selina Haas ihren<br />
künstlerischen Ansatz,<br />
für den sie auch schon mal<br />
eine Kuckucksuhr oder ein<br />
Baby unter den berühmten<br />
Bollenhut steckte. Wir zeigen<br />
hier im Zett.-Magazin Ihre<br />
Fotografie „Kriegsbemalung<br />
I“ aus der Serie „Neustart<br />
Schwarzwald“ – eine Arbeit,<br />
mit der Haas den kriegerischen<br />
Stolz afrikanischer<br />
Ureinwohner in den Schwarzwald<br />
überträgt. Mit neongrellen<br />
Fingerfarben bemalt<br />
sie ihr Modell und löst dann<br />
die Kamera bei Schwarzlicht<br />
aus. Heraus kommt eine<br />
schwarz wilde Arbeit mit prallen<br />
Leuchtfarben.<br />
www.selina-haas.de<br />
IM TIEFEN WALDE<br />
Foto: Arne Bicker<br />
Jochen Scherzinger (37) ist<br />
ein waschechter Schwarzwaldbub.<br />
Um mit dieser kernigen<br />
Geburtsbiographie<br />
Modedesign in Mannheim zu<br />
studieren, braucht es schon,<br />
sagen wir: Tannenzapfen in<br />
der Hose. Inzwischen macht<br />
die Mode nur noch einen kleinen<br />
Teil von Scherzingers Arbeit<br />
aus. Ein Kunstatelier mit<br />
Werbeagentur in Gütenbach<br />
bei Furtwangen ist jetzt das<br />
Maß der Dinge. Ein wachsendes<br />
Renomee und gefragte<br />
Ausstellungen geben ihm<br />
Recht. Unter dem Titel „Artwood“<br />
wirft Scherzinger ein<br />
kunstvoll-düsteres Bild auf<br />
seinen „nasskalten“ Schwarzwald:<br />
„Ich bin aufgewachsen<br />
wie Mogli im Wald. Mit einem<br />
halben Jahr Schnee und<br />
einem halben Jahr Nebel.“<br />
Kein Wunder, dass es ihm<br />
das Mythische besonders angetan<br />
hat: „Als Kind habe ich<br />
beim Spiel Gut gegen Böse<br />
immer das Böse gewählt – das<br />
hat mehr Hintergrund und<br />
Tiefe.“ Scherzingers Bilder,<br />
die er gern auch auf Wandverschalungsbretter<br />
aus der<br />
Räucherkammer des Hofs<br />
seines Großvaters druckt, erstrahlen<br />
umso mehr. Sein Geheimnis:<br />
„Der Schwarzwald<br />
ist alles für mich.“<br />
Info: www.artwood.de<br />
60 <strong>ZETT</strong>. JULI 2019