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GESELLSCHAFT<br />

Fotos: Beta Film / Deutsches Filminstitut, Frankfurt-KINEOS Sammlung<br />

Wiederaufführungsplakat des US-Films „Gone With The Wind“<br />

Wiederaufführungsplakat des erfolgreichsten deutschen Films aller Zeiten.<br />

SCHMACHTVERGLEICH<br />

Spielen wir eine Runde Quartett. Der<br />

Film „Schwarzwaldmädel“ gegen den<br />

Streifen „Vom Winde verweht“. Sonja<br />

Ziemann und Rudolf Prack gegen Vivien<br />

Leigh und Clark Gable. Der US-Streifen<br />

stammt aus dem Jahr 1939, kam aber<br />

erst 1953 in deutsche Kinos, und ist 220<br />

Minuten lang. Der deutsche Berolina-Film<br />

wurde 1950 gedreht und läuft<br />

nur 104 Minuten. Erster Punkt für Scarlett<br />

O’Hara und Rhett Butler.<br />

Im fiktiven Ort Tara bei Atlanta /<br />

Georgia weht der Wind allerdings nicht<br />

halb so stark wie auf den Höhen des<br />

Schwarzwaldes, weshalb hier ja auch<br />

Windräder stehen: 1:1. Kategorie Tugendhaftigkeit:<br />

Die Figur Scarlett war<br />

schon zwei Mal verheiratet, bevor sie<br />

vom Butler geehelicht wurde; Bärbel<br />

hingegen sitzt als Unverheiratete, weithin<br />

erkennbar am roten Bollenhut, auf<br />

der Wiese und wehrt zunächst neckisch<br />

gleich mehrere Annäherungsversuche<br />

ihres Zukünftigen ab. Das ist zwar halbherzig,<br />

dennoch: 2:1 für das Schwarzwaldmädel.<br />

Kommen wir zum Schmachtfaktor.<br />

Bei den Amis herrscht im Film Bürgerkrieg,<br />

da wird geheiratet und gestorben,<br />

dass sich die Balken biegen. Und es gibt<br />

kein Happy-End. Im Schwarzwaldmädel<br />

hingegen wird fortdauernd getanzt, es<br />

gibt lediglich eine kleinere Volksfestschlägerei,<br />

und die Männer spazieren in<br />

Schlips und Kragen wie Pfaue und noch<br />

dazu Pfeife rauchend durch die Landschaft,<br />

was leidenschaftliche Kussszenen<br />

immens erschwert. Auch, wenn sich<br />

die beiden am Ende hier doch kriegen.<br />

Aber: Der Schmachtwinkel auf dem<br />

Filmplakat ist beim verwehten Wind<br />

deutlich steiler als beim Mädel, weil<br />

Gable, mit weit offenem Hemd, die fast<br />

halbnackte Leigh auf Händen trägt,<br />

während der ungleich steifere Prack<br />

Ziemann bestenfalls anlächelt wie ein<br />

Staubsaugervertreter. 2:2, der Wind<br />

gleicht aus.<br />

Jetzt zur letzten, alles entscheidenden<br />

Kategorie: Die selbstgerühmte<br />

Berühmtheit der Wiederaufführungsplakate.<br />

Das Filmplakat des Schwarzwaldmädels<br />

wirbt mit: „Unübertroffen!<br />

Weltbekannte Melodien – Farbenprächtige<br />

Ausstattung – Ein volkstümlicher<br />

Farbfilm.“ Bei „Gone With The Wind“<br />

heißt es: „In new screen splendor…The<br />

most magnificent picture ever! Winner<br />

of Ten Academy-Awards“, sprich:<br />

Oskars. Es hilft alles nichts: 2:3, Scarlett<br />

schlägt Bärbel. Aber nur knapp,<br />

und deshalb steht fest: Der deutsche<br />

Schmachtfetzen ist zwar kulturbedingt<br />

etwas leidenschaftsreduziert, aber beziehungswindmäßig<br />

doch mehr als nur<br />

ein Pups im schwarzen Walde.<br />

<strong>ZETT</strong>. JULI 2019<br />

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