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1 Erhellend: Julian Bagginis „Der<br />
Sinn des Lebens – Philosophie im<br />
Alltag“ (Piper-Verlag 2005)<br />
2 Alain de Botton – Kluge Ideen für<br />
ein gutes Leben (SZ-Edition / 480 S.<br />
/ 28 Euro)<br />
Foto: Arne Bicker<br />
3 Das Magazin „GEO kompakt“<br />
Nr. 58/2019 (10 Euro) bietet<br />
Informationen rund um „das<br />
höchste der Gefühle“.<br />
4 Das Leben, ein Mischpult:<br />
Der Sinn lässt sich einpegeln.<br />
schen Artikel 14 unseres Grundgesetzes,<br />
dem Gebot der Nächstenliebe<br />
und etlichen anderen wohlmeinenden<br />
Anregungen.<br />
Der Glaube an einen höheren Zweck<br />
jedenfalls sei wohl vergebens, wenn<br />
auch verführerisch, schreibt Baggini.<br />
Und auch mit Blick in die Niederungen<br />
des Alltags hält er fest: „Für die meisten<br />
von uns verbessert sich das Leben nicht<br />
wesentlich, wenn wir unsere CDs mit<br />
einer besseren Stereoanlage abspielen<br />
oder statt eines Ford einen Jaguar fahren.“<br />
Der altgriechische Philosoph Aristoteles<br />
betonte den Unterschied zu anderen n<br />
Lebewesen: Der Sinn des menschlichen n<br />
Lebens sei es, Mensch zu sein und seine e<br />
Vernunft auszubilden. In eine ähnlich h<br />
Richtung dachte auch der niederländi-ische<br />
Philosoph Baruch de Spinoza: „Sein,<br />
was wir sind, und werden, was wir werden en<br />
können, das ist das Ziel unseres Lebens.“<br />
Schon sehr viel früher hatte der Römer<br />
Seneca den zeitlichen Aspekt der Fragestellung<br />
untersucht: „Wir haben nicht zu wenig Zeit,<br />
wir verschwenden zu viel davon. Auch zur Vollbringung der<br />
größten Dinge ist das Leben lang genug, wenn es nur gut<br />
angewendet wird.“ Wie zeitgemäß! Die durchschnittliche Lebenserwartung<br />
seiner Zeit lag deutlich unter fünfzig Jahren.<br />
Dafür gab es damals weder Fernsehen noch Handys.<br />
Als am 19. Februar dieses Jahres der Modezar Karl Lagerfeld<br />
85-jährig das Zeitliche segnete, fand ich in einem älteren Interview<br />
des ‚Tagesspiegels‘: „Es wird Milliarden von Leuten vor<br />
uns oder Milliarden nach uns geben, man soll seinen persönlichen<br />
Fall nicht so dramatisieren. Denn der Sinn des Lebens ist<br />
das Leben, und damit hat sich‘s.“ So ähnlich hatte sich schon<br />
Goethe geäußert.<br />
3<br />
Zuletzt zog ich noch den dänischen<br />
Philosophen Søren Kierkegaard<br />
zu Rate. Er soll gesagt<br />
haben: „So viel ich das Leben betrachte,<br />
ich kann keinen Sinn hineinbringen.<br />
Ich glaube, mir hat<br />
ein böser Geist eine Brille auf die<br />
Nase gesetzt, von deren Gläsern<br />
das eine in ungeheurem Maßstab<br />
vergrößert, während das<br />
andere im selben Maßstab verkleinert.“<br />
Mein Fazit: Es bleibt schwierig.<br />
Wenn ich sage, der Sinn<br />
des Lebens sei es, ein erfülltes<br />
Leben zu haben oder zu tun,<br />
was mir wirklich wichtig ist,<br />
dann druckse ich nur rum. Der<br />
Sinn des Lebens ist vielleicht<br />
am Ende so etwas wie eine<br />
Matrix, ein Puzzle, das ich mir<br />
selbst aus fast unendlich vielen<br />
Faktoren in individueller<br />
Gewichtung zusammensetze<br />
in einem mir persönlich menschenwürdig<br />
erscheinenden Wertesystem.<br />
Dazu können gehören: Glück- und Freiheitssuche, Hedonismus<br />
und Altruismus, Fortpflanzung, Verantwortung, göttliche<br />
Bestimmung. Meine Mischpultregler kann ich einstellen zwischen<br />
Großzügigkeit und Gier, Engstirnigkeit und Toleranz,<br />
Verzicht und Konsum, Ehrlichkeit und Desinformation, Hass<br />
und Liebe, Wissenschaft und Transzendenz, E-Batterie und<br />
Diesel usw.. Mein Mastersinn ist dann ein Sinnbündel, wie ein<br />
Überseekabel mit unterschiedlich dicken Teilfasern.<br />
Den mutigen Versuch einiger Freiburgerinnen und Freiburger,<br />
die Frage nach dem Sinn des Lebens in nur wenigen<br />
Worten zu beantworten, haben wir auf den folgenden Seiten<br />
dokumentiert. Ihnen gilt unser herzlicher Dank!<br />
<strong>ZETT</strong>. JULI 2019<br />
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