Loccumer Pelikan 1/2016
Religion und Musik
Religion und Musik
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6<br />
grundsätzlich<br />
Jürgen Born, Marcus Miller, 2015, Öl auf Leinwand, 120 x 160 cm<br />
Luthers Zeit waren es die Auftritte des Spielmanns, die<br />
das „Leitbild“ für die Kommunikation des Evangeliums<br />
im Alltag waren. Mit seinen Bänkelliedern zog er singend<br />
und sagend durch die Lande und brachte Neuigkeiten und<br />
Geschichten auf Plätze und Märkte. Aufmerksam lauschten<br />
die Leute und staunten über das Un-erhörte.<br />
Im übertragenen Sinne heißt das: Wer das Evangelium<br />
aufnehmen will, muss hören, vielleicht sogar sehen, fühlen<br />
und begreifen. Denn Gott schenkt sich sinnlich. Die<br />
geprägte Wendung von der „viva vox evangelii“ zielt jedenfalls<br />
genau darauf: Der Glaube kommt aus dem Hören<br />
des Wortes (vgl. Röm 10,17). Dieses Wort erklingt in einer<br />
lebendigen (persönlich vermittelten) Performance, deren<br />
Grundstimmung die Freude ist. Sie zielt auf Hoffnung und<br />
neue Zuversicht, auf Trost und Versöhnung.<br />
Betrachten wir dazu ein Beispiel aus dem Bereich des<br />
Neuen Geistlichen Liedes. Wichtig ist es, dass wir zunächst<br />
nur auf den Text sehen. Lothar Teckemeyer dichtete:<br />
1. Vorbei sind die Tränen, das Weinen der Schmerz.<br />
Vorbei sind das Elend, der Hass und der Streit …<br />
Das Neue wird sein, gibt uns neue Kraft,<br />
es ist da im Hier und im Jetzt.<br />
Refrain: Himmel und Erde werden neu,<br />
nichts bleibt, wie es ist.<br />
Himmel und Erde bekommen ein neues Gesicht.<br />
Aufregend ist, wie hier das Ende der Trauer bei den<br />
Menschen und das Neuwerden von Himmel und Erde zum<br />
Ereignis wird, ja förmlich in die Gegenwart hineinkommt.<br />
Zunächst ist von Gott nicht die Rede. Es passiert einfach.<br />
In der dritten Strophe heißt es dann deutlicher:<br />
Gott wohnt bei den Menschen,<br />
die Zeit ist erfüllt,<br />
Gott wischt ab die Tränen<br />
er tröstet, er lacht,<br />
Gott macht alles neu,<br />
gibt uns neue Kraft,<br />
er ist da im Hier und im Jetzt.<br />
Refr.: Himmel und Erde werden neu …<br />
Dieses wunderbare Gedicht ist für mich Evangelium<br />
pur. Es „inszeniert“ im Hier und Jetzt Gottes Zuwendung<br />
als Lachen und Trösten, als Abwischen aller Tränen. Die<br />
neue Schöpfung beginnt im Hier und Jetzt. Nun könnte<br />
man fragen: Braucht es zu einem so treffenden Text auch<br />
noch Rhythmus und Klang? Nicht zwingend. Und doch:<br />
Wenn dann auch noch die pulsierenden Rhythmen (Latin)<br />
und „nach oben ziehenden“ Klänge von W. Teichmann das<br />
Gedicht zum Lied der Freiheit und der Erlösung machen,<br />
zeigt sich, was passiert, wenn das Evangelium von einer<br />
Melodie getragen wird, ja einem Text geradezu Flügel gibt:<br />
Wer singt, verkündigt doppelt. 10<br />
<strong>Loccumer</strong> <strong>Pelikan</strong> 1/<strong>2016</strong>