Hausgeschichten aus dem Zelgli - Stadtmuseum Schlössli Aarau
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spiel mit Zyklamen, hinstellen. Ab und zu konnte man<br />
auch Eisblumen bewundern. Mit dieser heimeligen<br />
Herrlichkeit hatte es ein Ende, als die Eltern doppeltverglaste<br />
Fenster montieren liessen.<br />
Nach <strong>dem</strong> unerwarteten und frühen Tod meines<br />
Vaters im Jahre 1975 wollte meine Mutter nicht mehr in<br />
ihrem H<strong>aus</strong> wohnen bleiben. Sie zog <strong>aus</strong>, das H<strong>aus</strong> wurde<br />
vermietet. Eine junge Musikerfamilie genoss H<strong>aus</strong><br />
und Garten. Bei dieser Gelegenheit wurden einige kleinere<br />
Renovationen vorgenommen. Nach <strong>dem</strong> Auszug<br />
dieser dreiköpfigen Familie beschloss meine Mutter zurückzukommen.<br />
Jetzt wurde gründlich renoviert. Die<br />
Heizung wurde auf Gas umgestellt und die Aussenwände<br />
bekamen einen neuen Anstrich: Die Fassade rosa, die<br />
Fensterläden sollten nach den Wünschen unserer geschmackssicheren<br />
Mutter auf jeder der drei Seiten eine<br />
andere Farbe erhalten. Der Maler konnte dann allerdings<br />
Mutter davon überzeugen, dass zwei Farben genug seien.<br />
So bekamen zwei Seiten, die südliche und die östliche<br />
blaue – und die dritte nördliche Fassade violette<br />
Fensterläden. Die H<strong>aus</strong>türe wurde lila gestrichen.<br />
Mutter, die <strong>aus</strong> einer Familie von Theaterspielern<br />
stammt, hatte offenbar das Wandern im Blut. Jedenfalls<br />
entschloss sie sich bald, nochmals <strong>aus</strong>zuziehen. Diesmal<br />
wurde das H<strong>aus</strong> an das theologische Seminar vermietet.<br />
Dieses baute sein Wohnh<strong>aus</strong> im Binzenhof um und suchte<br />
Unterkunft für sechs junge Frauen. Für die nächste<br />
Zeit beherbergte also das H<strong>aus</strong> so etwas wie eine WG.<br />
Jede der Frauen hatte ihr Zimmer. Zusammen benützten<br />
sie die Stube mit <strong>dem</strong> erwähnten Kachelofen. Nach <strong>dem</strong><br />
Auszug der sechs Frauen wurde eine Familie mit zwei<br />
Kindern einquartiert. Sie hatten einige Wünsche. So wurden<br />
alle Zimmer frisch gestrichen. Vor allem wurde auf<br />
<strong>dem</strong> Parterre die Mauer zwischen <strong>dem</strong> Ess- und Wohnzimmer<br />
her<strong>aus</strong>gebrochen. Dadurch entstand ein recht<br />
grosser Raum – worüber auch wir heute noch froh sind.<br />
Doch auch diese Aera kam zu einem Ende. Und<br />
jetzt darf man raten, was geschah. Mutter kam ein drit-<br />
12 <strong>Stadtmuseum</strong> <strong>Schlössli</strong> <strong>Aarau</strong><br />
Rütliweg 2<br />
tes Mal zurück an den Rütliweg! Im Jahre 2000 übernahmen<br />
mein Mann und ich das H<strong>aus</strong>. Was war diesmal<br />
passiert? Mutter hatte sich von einem Tag auf den andern<br />
entschlossen, ins Altersheim zu ziehen. Meine andern<br />
drei Geschwister lebten in der Nähe von <strong>Aarau</strong> in<br />
eigenen Häusern und waren an der Übernahme des Elternh<strong>aus</strong>es<br />
nicht interessiert. Wir selber hatten insgesamt<br />
gegen vierzig Jahre an zahlreichen Orten im In-<br />
und Ausland gelebt, zuletzt in einem Paradiesli im solothurnischen<br />
Bucheggberg, und planten, unseren grossen<br />
H<strong>aus</strong>halt zu verkleinern und zu vereinfachen. So kamen<br />
wir auf die Idee, nach <strong>Aarau</strong> zu ziehen, wo ich seit Geburt<br />
und auch mein Mann (als Kantonsschüler) schöne<br />
Jugendjahre erlebt hatten.<br />
Im «Stift» residiert meine Mutter heute noch, mittlerweile<br />
96-jährig, zufrieden, und ohne erkennbaren<br />
Drang, ein viertes Mal an den Rütliweg zurückzukommen.<br />
(…) Die schönsten Erinnerungsstücke – neben<br />
meiner unbeschwerten Kindheit natürlich – in und um<br />
das H<strong>aus</strong> sind erstens die beiden von meinem Vater bemalten<br />
Wände im H<strong>aus</strong>, Vaters zahlreiche Bilder, die<br />
unser H<strong>aus</strong> schmücken, der mehrfach erwähnte grüne<br />
Kachelofen, und ein schöner, mittlerweile grosser Apfelbaum,<br />
den meine Mutter 1986 vom WWF für ihren<br />
Einsatz für die Natur geschenkt bekam. (…) Wir sind<br />
glücklich und zufrieden im H<strong>aus</strong> am Rütliweg. Wir<br />
schätzen die Ruhe, den Klang des Glöckleins vom <strong>Zelgli</strong>schulh<strong>aus</strong>,<br />
das gute Verhältnis zu den Nachbarn (von<br />
den Nachbarn <strong>aus</strong> meiner Jugendzeit lebt allerdings<br />
kaum jemand hier), unseren kleinen Garten, der uns beinahe<br />
zu Selbstversorgern macht, den nahen Quartierladen,<br />
wo man nicht nur einkaufen, sondern auch einmal<br />
einen Schwatz machen kann, den Busanschluss, die<br />
Nähe zum Bahnhof und zur Altstadt, und natürlich die<br />
kurze Distanz zum Wald, zu «Amerika» und zum Roggenh<strong>aus</strong>er<br />
Täli als Naherholungsgebiet. Kurz: Es stimmt<br />
für uns einfach alles.<br />
Gisela Keller-Becke — Für Herrn C. Pletscher, Bankdirektor<br />
zu Turin, wurden am 4. Oktober 1924 die präzisen,<br />
noch erhaltenen Baupläne für ein Einfamilienh<strong>aus</strong><br />
von Herrn Architekt E. Wessner beim Gemeinderat<br />
<strong>Aarau</strong> eingereicht und bereits am 24. Oktober 1924 genehmigt.<br />
Der Architekt baute damals im <strong>Zelgli</strong> mehrere<br />
Häuser im ähnlichen, klassizistisch angelehnten Stil.<br />
Unterschrieben sind diese Pläne von Lisa Pletscher,<br />
der ledigen Schwester des Auftraggebers, welche<br />
das neu erstellte H<strong>aus</strong> im Jahr darauf bezog. Die Grösse<br />
des Objektes führte dazu, dass sie verschiedene Räume<br />
an <strong>aus</strong>wärtige Töchter vermietete, welche das nahe gelegene<br />
Lehrerinnenseminar an der Schanzmättelistrasse<br />
absolvierten. H<strong>aus</strong> und Garten mit Gemüse, Obst und<br />
Blumen wurden durch sie aufs Beste gepflegt. Fräulein<br />
Pletscher lebte im H<strong>aus</strong>, bis sie 1961 ins Altersheim Golatti<br />
zog, also mehr als 35 Jahre.<br />
Im Jahr 1961 kauften Max und Liseli Erb-Locher<br />
die Liegenschaft und zogen mit ihren Töchtern Silvia<br />
und Doris hier ein. Herr Erb betrieb – schon wie die<br />
Vorfahren – eine Hufschmiede in <strong>Aarau</strong> neben <strong>dem</strong> Regierungsgebäude<br />
(wo heute das Restaurant Rendez-vous<br />
und die Drogerie Bützberger sind). Später dann verlegte<br />
er die Werkstatt an die Bachstrasse.<br />
Aus Gesundheitsgründen musste Max Erb schon<br />
früh die schwere Arbeit als Schmied aufgeben. Als grosser<br />
Pferdefreund richtete er einen Stall ein (jetzt Wohnh<strong>aus</strong><br />
Heroséstift) und erteilte Reitunterricht. Das Wohnen<br />
im <strong>Zelgli</strong> war für die Familie ideal und sie verlebte<br />
hier glückliche Jahre. Als die Töchter erwachsen wurden<br />
und <strong>aus</strong>zogen, wollten sich auch die Eltern verän-<br />
8. <strong>Zelgli</strong>strasse 39<br />
Über den blühenden Garten, den einst die erste H<strong>aus</strong>herrin<br />
Fräulein Pletscher anlegte, legen sich lange Schatten.<br />
<strong>Zelgli</strong>strasse 39<br />
dern und zogen in eine der pflegeleichteren, bequemen<br />
und schönen Etagenwohnungen, welche damals neu im<br />
Quartier angeboten wurden.<br />
Im Jahre 1972 stand die Liegenschaft wiederum<br />
zum Verkauf. Sie wurde durch Robert und Gisela Keller-<br />
Becke erworben, welche nach erfolgter Auffrischung<br />
hier mit ihren Kindern Urs und Doris einzogen. Die<br />
Nähe zum Betrieb einerseits (Druckerei Keller am Rain)<br />
und die Nähe zu den Schulen war für den Familienalltag<br />
ideal. Das <strong>Zelgli</strong>quartier war damals überaltert. Nach<br />
und nach kamen junge Familien, renovierten die Häuser<br />
und es entwickelten sich langsam Begegnungen zur<br />
Nachbarschaft. Eine schöne Zeit für die heranwachsenden<br />
Kinder, welche die Gärten und auch Strassen benutzten<br />
und bevölkerten im wahrsten Sinne des Wortes.<br />
Viele glückliche und intensiv gelebte Jahre folgten.<br />
H<strong>aus</strong> und Garten sahen viele Verwandte, Freunde<br />
und Kollegen ein- und <strong>aus</strong>gehen. Es wurden grosse Feste<br />
gefeiert und liebe Menschen beherbergt. Raum war ja<br />
genügend vorhanden. Der Garten speziell war für die<br />
H<strong>aus</strong>frau und gelernte Gärtnerin immer eine Quelle der<br />
Freude. So wurden Gemüse und Rosen gepflanzt. Mit<br />
den Jahren wurde dies eingestellt, denn die Bäume in<br />
den Nachbargärten wurden hoch, höher und noch höher.<br />
Heute sind sie ca. 25 Meter hoch, eine im Westen Licht<br />
und Sonne schluckende Wand entstand. Leider. So ist<br />
denn der einstmals blühende Garten zum Schattendasein<br />
verdammt. Auf der Südseite der Liegenschaft soll in<br />
nächster Zukunft eine grosse Überbauung realisiert werden,<br />
12 Meter hoch reicht wohl das Attikageschoss. Das<br />
H<strong>aus</strong> <strong>Zelgli</strong>strasse 39 als Lebensmittelpunkt für eine<br />
<strong>H<strong>aus</strong>geschichten</strong> <strong>aus</strong> <strong>dem</strong> <strong>Zelgli</strong> 13