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[t]akte<br />

2I20<strong>19</strong><br />

„Faust est ressuscité!<br />

Faust vient de renaître!“<br />

Die Wiederentdeckung der Dialogfassung von<br />

Gounods „Faust“ auf der Bühne und auf CD<br />

Nach der konzertanten Erstaufführung der Dialogfassung<br />

von Charles Gounods „Faust“ ist nun<br />

die CD der Pariser Premiere erschienen, und in den<br />

USA hat die szenische Erstaufführung stattgefunden.<br />

Nicht immer nur die<br />

„Danse macabre“<br />

Die symphonischen Dichtungen<br />

von Camille Saint-Saëns<br />

Mit seinen vier symphonischen Dichtungen stellt<br />

sich Camille Saint-Saëns entschieden in die Tradition<br />

von Hector Berlioz und Franz Liszt. Die kritischen<br />

Erstausgaben bieten Gelegenheit für neue<br />

Interpretationen auf verlässlicher Quellengrundlage,<br />

nicht nur im Gedenkjahr 2021 (100. Todestag).<br />

Die konzertante Erstaufführung von Gounods Faust<br />

in seiner frühen, 1859 für das Pariser Théâtre-Lyrique<br />

entstandenen Fassung, mit wunderbaren, bislang unbekannten<br />

Melodramen und Rezitativen war eines der<br />

Präsente zu Gounods 200. Geburtstag. Inzwischen<br />

ist die Einspielung der Erstaufführung<br />

vom 14. Juni 2018 mit Véronique<br />

Gens (Marguerite), Benjamin Bernheim<br />

(Faust), Andrew Foster-Williams (Méphistophélès),<br />

dem Flemish Radio Choir<br />

und den Talens Lyriques unter der Leitung<br />

von Christophe Rousset auf CD in<br />

der Reihe Opéra français des Palazzetto<br />

Bru Zane erschienen. Auch die szenische<br />

Erstaufführung der Neuausgabe von Paul<br />

Prévost fand am 14. April 20<strong>19</strong> in Omaha<br />

(Nebraska) statt.<br />

Pressestimmen<br />

„Faust est ressuscité! Faust vient de renaître! – „Faust ist<br />

auferstanden! Faust ist wiedergeboren! Die Unterschiede<br />

gegenüber der üblicherweise aufgeführten Fassung<br />

sind zahlreich, vor allem ist es die Anwesenheit der<br />

gesprochenen Dialoge und der Mélodrames, die den<br />

generellen Tonfall des Werks verändern. Entsprechend<br />

den Prinzipien des Cromwell-Vorworts schrieben die<br />

Librettisten Jules Barbier und Michel Carré ein romantisches<br />

Drama, in dem das Groteske an das Erhabene<br />

grenzt, in dem sich Katholizismus mit französischem<br />

Witz mischt. Das Wort überlassen sie vor allem zwei<br />

Charakteren, die in der Fassung von 1869 eher diskret<br />

bzw. fast ganz gestrichen wurden: Wagner, ein Schüler<br />

Fausts, und Marthe, Marguerites Nachbarin. Beide sind<br />

Rollen der ,Opéra-comique‘, und wenn Méphisto noch<br />

mit teuflischem Schalk hinzukommt, so sind etliche<br />

Lacher sicher – was in der späteren Fassung eher nicht<br />

der Fall ist. […] Akt I, Bild 1 enthält ein substantielles<br />

Trio Faust-Siebel-Wagner. Im zweiten Bild bietet der<br />

Abschied von Marguerite und Valentin Anlass für ein<br />

kleines Duo. Während der Kirchweih singt Méphisto die<br />

,Chanson de Maître Scarabée‘ (die 1869 durch das ,Ronde<br />

du Veau d’or‘ ersetzt wurde). Im Garten-Akt sind Siebels<br />

Couplets mit gesprochenen Passagen durchsetzt. Und<br />

im Bild in Marguerites Kammer singt der junge Student<br />

nicht ,Si le bonheur à sourire t’invite‘, sondern die sehr<br />

schöne Arie ,Versez vos chagrins dans mon âme‘. In der<br />

Szene in der Kirche unterbricht der Chor mehrmals; und<br />

als Valentin aus dem Krieg heimkehrt, stürzt er, ein<br />

weit größerer Haudegen als in der bekannten Fassung,<br />

sich in martialische Couplets (die später der berühmte<br />

Soldatenchor ersetzt). Die Apothéose schließlich ist<br />

weit mehr ausgearbeitet und gibt dem Orchester deutlich<br />

mehr Gewicht.“<br />

Jacques Bonnaure, Opéra Magazine September 2018<br />

„Prévosts Arbeit ist unter musikologischem Gesichtspunkt<br />

faszinierend, aber, wichtiger noch, sie ist<br />

auch theatralisch nutzbar, wie diese berauschende<br />

Erstaufführung mit Christophe Rousset und den Talens<br />

Lyriques demonstriert, die mit der ihr eigenen<br />

Leichtigkeit und Präzision und einer toll schroffen<br />

Bläserabteilung auf zeitgenössischen Instrumenten<br />

spielen. Die traditionelle Eichen-Mahagoni-Orchestrierung<br />

des Werks macht lichteren Farben und klareren<br />

Linien Platz. Mit neuer Energie tanzt es in neuem<br />

Geist – nicht als die bekannte Tragödie, sondern mit der<br />

sprunghaften Energie einer Opéra demi-caractère. […]<br />

Vielleicht noch bemerkenswerter als die neue Musik<br />

aber ist der neue Geist, den diese Änderungen dem<br />

Werk einhauchen. Méphistophélès wird beinahe eine<br />

komische Rolle – ein städtischer, witziger Lebemann,<br />

der mit zahlreichen Spötteleien das Publikum umwirbt<br />

– assistiert von der aufgepeppten Rolle der geschwätzigen<br />

Nachbarin Dame Marthe. […] Dieser „neue“ Faust<br />

ist eine Offenbarung – eine faszinierende Ergänzung<br />

der bekannten Fassung von 1869 und zugleich eine<br />

aufregende Alternative.“<br />

Alexandra Coghlan, Opera September 2018<br />

Charles Gounod<br />

Faust. Oper in 5 Akten. Erstfassung 1859 mit Dialogen.<br />

Hrsg. von Paul Prévost. L’Opéra français.<br />

Verlag: Bärenreiter, BA 8714 (Aufführungsmaterial<br />

leihweise)<br />

„Die Opera Omaha gab der wiederhergestellten Fassung von ,Faust‘ ein himmlisches<br />

Debüt“ (World Herald 13.4.20<strong>19</strong>). Szenenfoto aus der szenischen Erstaufführung am 12.<br />

April 20<strong>19</strong> (Musikalische Leitung: Steven White, Inszeneriung: Lileana Blain-Cruz)<br />

In den 1870er Jahren ging es Camille Saint-Saëns im<br />

Umfeld der gerade gegründeten „Société nationale de<br />

musique“ darum, in der Instrumentalmusik Anschluss<br />

an die großen deutschen romantischen Orchesterwerke<br />

zu finden und für Frankreich ein genuines Repertoire<br />

zu entwickeln. Mit der Wahl der Gattung positionierte<br />

sich der Komponist zugleich musikpolitisch, nämlich<br />

auf der Seite der Neudeutschen, der „Zukunftsmusiker“,<br />

gegen reaktionäre Haltungen – und schürte damit,<br />

wie die frühen Presseberichte dokumentieren, in Paris<br />

damals gerade antideutsche Ressentiments. Diesen<br />

so spannenden wie kontroversen Prozess beschreibt<br />

ein spezielles Essay zur Rezeption des Editionsleiters<br />

Michael Stegemann im Gesamtausgaben-Band.<br />

Le Rouet d‘Omphale (Das Spinnrad der Omphale) war<br />

zunächst als ein Werk für zwei Klaviere konzipiert, und<br />

auch eine Fassung für Klavier solo erschien im Druck,<br />

bevor Saint-Saëns sein „Scherzo“ im März 1872 orchestrierte.<br />

Bereits am 14. April brachte es Jules Pasdeloup<br />

zur Aufführung. In einer der gedruckten Partitur vorangestellten<br />

Notiz erläutert der Komponist: „Sujet ist<br />

die weibliche Verführungskraft, der triumphierende<br />

Sieg der Schwäche über die Stärke. Das Spinnrad ist nur<br />

ein Vorwand, gewählt aus rhythmischen Überlegungen<br />

und wegen der grundsätzlichen Bewegtheit des Stückes.<br />

Wer sich für solche Details interessiert, kann<br />

beobachten, wie Herakles unter den Fesseln, die er<br />

nicht zerreißen kann, ächzt, und wie Omphale über die<br />

verzweifelten Versuche des Helden spottet.“<br />

Phaéton hob Édouard Colonne am 7. Dezember 1873<br />

im Théâtre du Châtelet aus der Taufe. „Der Kerngedanke<br />

von Phaéton ist der Hochmut, so wie der Kerngedanke<br />

von Le Rouet d’Omphale die Wollust ist“, erklärte<br />

Saint-Saëns. Als Quelle diente Saint-Saëns wohl der<br />

Phaeton-Mythos aus Ovids Metamorphosen. Phaeton<br />

war es gestattet, im Wagen seines Vaters, des Sonnengottes,<br />

durch den Himmel zu fahren. Doch verloren<br />

seine ungeübten Hände die Kontrolle über die Pferde.<br />

Der brennende Wagen kam vom Kurs ab und stürzte<br />

beinahe auf die Erde. Das gesamte Universum hätte in<br />

Flammen aufgehen können, hätte Zeus nicht den leichtsinnigen<br />

Phaeton mit seinem Blitz niedergestreckt.<br />

Die Danse macabre, heute wohl das bekannteste<br />

musikalische Totentanzstück überhaupt, hat ihren<br />

Ursprung in einem gleichnamigen Lied, das Saint-Saëns<br />

im August 1872 auf ein Gedicht mit dem Titel „Égalité –<br />

Fraternité“ von Henri Cazalis komponiert hatte. Nach<br />

dem Erfolg seiner beiden früheren symphonischen<br />

Dichtungen komponierte Saint-Saëns 1874 diese dritte<br />

als Erweiterung des Liedes. Der Partitur stellt er einen<br />

Ausschnitt aus dem Gedicht voran:<br />

Zig et zig et zag, la mort en cadence / Frappant une<br />

tombe avec son talon, / La mort à minuit joue un air<br />

de danse, / Zig et zig et zag, sur son violon.<br />

Édouard Colonne dirigierte,<br />

von der Presse<br />

wenig enthusiastisch<br />

aufgenommen, die erste<br />

Aufführung am 24.<br />

Januar 1875 im Concert<br />

du Châtelet sowie die<br />

Wiederholung am 7. Februar.<br />

Als Pasdeloup das<br />

Werk am 24. Oktober<br />

1875 dirigierte, reagierte<br />

das Publikum gar mit<br />

Pfiffen und Buhs; vielleicht<br />

dachte das Publikum<br />

schlicht, dass die<br />

verstimmte Geige falsch<br />

spielte? Die E-Saite der<br />

Solovioline nämlich, die<br />

die teuflische Seite der<br />

Musik verkörpert, ist auf<br />

Es heruntergestimmt und<br />

bildet so mit der leeren<br />

A-Saite das „diabolische”<br />

Intervall des Tritonus; an<br />

„Danse macabre“. Titelseite der Ausgabe für<br />

keiner Stelle geht der Solopart<br />

höher als bis zum<br />

Singstimme und Klavier (Paris, Énoch 1873)<br />

es 2 , so dass die Saite nur leer angespielt wird. Besonders<br />

ist auch der erstmalige Einsatz eines Xylophons<br />

im Orchester, das zu der ganz spezifischen Klangfarbe<br />

beiträgt.<br />

Saint-Saëns komponierte La Jeunesse d‘Hercule im<br />

Winter 1876/77 und am 28. Januar 1877 fand die Uraufführung<br />

unter der Leitung von Édouard Colonne<br />

statt. Die Xenophons Memorabilia entnommene Fabel<br />

erzählt, wie Herakles sich am Anfang seines Lebens<br />

zwischen zwei Wegen entscheiden muss: demjenigen<br />

der Lebensfreude und demjenigen der Tugend. Den<br />

Verführungskünsten der Nymphen und Bacchantinnen<br />

gegenüber unempfänglich, macht der Held sich<br />

auf seinen Lebensweg voller Kämpfe und Herausforderungen,<br />

an dessen Ende ihm durch die Flammen des<br />

Scheiterhaufens als Lohn die Unsterblichkeit winkt.<br />

Hugh Macdonald / Annette Thein<br />

Camille Saint-Saëns<br />

Le Rouet d’Omphale, op. 31, Phaéton, op. 39, Danse<br />

macabre, op. 40, La Jeunesse d’Hercule, op. 50.<br />

Édités par Hugh Macdonald. Œuvres instrumentales<br />

complètes I/4.<br />

Verlag: Bärenreiter. BA 10307-01, Aufführungsmaterial<br />

käuflich (Danse macabre), leihweise<br />

(op. 31, 39, 50)<br />

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