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GESELLSCHAFT<br />
WIR BEWEGEN UNS<br />
SEHR VIEL AUF DEM<br />
ALLERWERTESTEN.<br />
Kathrin Bonelli<br />
Karstgebiet um Triest, aber auch bei den<br />
Nachbarn in Trient sind sie oft unterwegs.<br />
Ihre Höhlengänge sind keine Spaziergänge,<br />
im Gegenteil. Sie erfordern eine hohe körperliche<br />
Fitness und eine lückenlose Vorbereitung.<br />
Fragt man Kathrin, Roland und<br />
Benjamin nach dem wichtigsten Element bei<br />
einem Höhlengang, kommt die Antwort wie<br />
aus der Pistole geschossen: „Der Kopf “. Ihr<br />
Respekt vor den Höhlen ist groß, sie wissen<br />
bei Expeditionen in neue Gebiete nicht, was<br />
sie erwartet. Deshalb wird jede Tour genauestens<br />
geplant und damit die Risiken auf ein<br />
Minimum reduziert. Aber selbst in bereits<br />
bekannten Höhlen stoßen sie immer wieder<br />
auf neue Voraussetzungen, es wäre nicht das<br />
erste Mal, dass sie ehemals offene Gänge<br />
mit bloßen Händen freigraben müssen. Im<br />
Vordergrund steht für alle drei die Sicherheit,<br />
denn sie wissen, dass eine eventuelle<br />
Rettung sehr aufwendig ist. Deshalb gilt es<br />
immer einen kühlen Kopf zu bewahren und<br />
Notsituationen zu vermeiden. „Steckt ein<br />
Höhlenforscher irgendwo fest, muss ein Begleiter<br />
beim Verunfallten bleiben,<br />
zwei andere holen Hilfe. In dieser<br />
Tiefe greift kein Funksystem, bis<br />
dann die Retter im Höhlensystem<br />
an die entsprechende Stelle vorgedrungen<br />
sind, kann es Stunden<br />
dauern“, gibt Benjamin zu bedenken.<br />
Er und Roland sind auch<br />
ausgebildete Höhlenretter und<br />
wissen, wie schwierig sich eine<br />
Bergung gestalten kann. Alle drei<br />
waren noch nie in dieser brenzligen<br />
Situation, Roland bewertet einzig einen<br />
33-stündigen Aufenthalt in einer Höhle als<br />
grenzwertig. „Und wenn wir einmal nicht<br />
mehr können, dann schlafen wir halt in der<br />
Höhle“, lacht Kathrin.<br />
HÖHLEN ALS RUHEPOLE<br />
Zartbesaitete haben in Höhlen nichts<br />
zu suchen, auch nicht Sandalenträger. Wie<br />
auch auf dem Berg, schleichen sich unerfahrene<br />
Besucher mit unzureichender<br />
Ausrüstung in Höhlen ein. Kathrin, Roland<br />
und Benjamin schütteln diesbezüglich nur<br />
den Kopf: „Bei den ersten Höhlengängen<br />
haben die meisten mit Schwindel zu kämpfen,<br />
da sie durch das Abschalten des Lichts<br />
in der Finsternis die Anhaltspunkte für das<br />
Räumliche verlieren. Ohne Ausbildung,<br />
entsprechende Ausrüstung und Vorbereitung<br />
raten wir strengstens ab, sich in<br />
horizontalen oder gar vertikalen Höhlen<br />
fortzubewegen“, unterstreichen alle drei.<br />
Vor allem vertikale Höhlen erfordern eine<br />
genaue Einschätzung, selbst bei erfahrenen<br />
Höhlenforschern, denn einem leichteren<br />
Abstieg folgt immer ein schwierigerer<br />
Aufstieg. Deshalb investiert die Höhlengruppe<br />
des CAI Branzoll auch viel in die<br />
Jugend- und Aufklärungsarbeit, organisiert<br />
Einsteigerkurse in Zusammenarbeit mit<br />
dem CAI Bozen und auch begleitete Höhlengänge<br />
für Interessierte. Besonders stolz<br />
sind sie auf das Projekt „Montagna terapia“,<br />
das vom CAI Bozen organisiert wird und<br />
bei dem sie seit fünf Jahren Menschen mit<br />
psychischen Problemen durch horizontale<br />
Höhlen begleiten. <strong>Die</strong> Stille wirkt therapeutisch<br />
auf die Menschen, sie müssen mit der<br />
Gruppe zusammenarbeiten, in einem für<br />
sie unbekannten Ambiente und gewinnen<br />
dadurch an Selbstvertrauen. „<strong>Die</strong>se Zeit<br />
ist auch für uns<br />
wichtig und gibt<br />
uns viel, vor allem<br />
aber bestä-<br />
WASSER UND LUFT<br />
tigt sie unsere<br />
HABEN BEI UNS FAST<br />
Annahme, dass<br />
KEINE CHANCE, HÖHLEN INS Höhlen unsere<br />
GESTEIN ZU FRESSEN<br />
schnelllebige<br />
Zeit entschleunigen<br />
und Men-<br />
Roland Wenter<br />
schen zur Ruhe<br />
kommen lassen“,<br />
unterstreicht Kathrin. In ihren Köpfen<br />
stehen schon die nächsten Touren fest,<br />
Kathrin träumt irgendwann von einem<br />
Abstieg in die einzigartige Naica-Höhle<br />
in Mexiko. Normalerweise steht sie unter<br />
Wasser, muss für Erkundungen extra ausgepumpt<br />
werden. In ihr verbergen sich bis<br />
zu zwölf Meter hohe Selenit-Kristalle, mit<br />
einem Durchmesser von vier Metern und<br />
einem Gewicht von 55 Tonnen. Höhlen<br />
ˆ<br />
ˆ<br />
Benjamin Eccli, Roland Wenter und Kathrin<br />
Bonelli (v.l.n.r) widmen ihrem Hobby jede<br />
freie Minute<br />
Foto: Barbara Franzelin<br />
Platzangst sollte man bei Höhlengängen nicht<br />
unbedingt haben<br />
Foto: Benjamin Eccli<br />
sind Naturschätze, geformt von Wasser<br />
und Luft, erzählen Geschichten aus Jahrmillionen.<br />
Kathrin, Roland und Benjamin<br />
wollen ihre Geheimnisse entziffern und<br />
neue Kapitel in das große Buch der Höhlenforschung<br />
schreiben. Ein Ende ist noch<br />
lange nicht in Sicht.<br />
Barbara Franzelin<br />
barbara.franzelin@dieweinstrasse.bz<br />
39 // DIEWEINSTRASSE.BZ