07.10.2019 Aufrufe

Spielspaß '19 – Das Jahrbuch für Spielbegeisterte

90 Seiten voller Storys und Service! Alles über die aktuellen Brett- und Kartenspieltrends. Extra: Die "Rote Liste" für Schnäppchenjäger.

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TRENDS 2019<br />

MEINUNG<br />

re Schachtel gegangen, schaut aber weniger<br />

gut aus. Bei einem Yeah können<br />

die Mitspieler noch zusätzliche Punkte<br />

erzielen, wenn sie mit den übrigen<br />

Aussage-Kärtchen zu der Behauptung<br />

nachstoßen.<br />

Vom Material weniger aufgeladen ist<br />

So typisch! von Schmidt. Es ist vergleichsweise<br />

harmlos und bereits mit<br />

8-jährigen Kindern spielbar. Hier geht<br />

es nicht um konkrete Taten, Vorlieben<br />

<strong>Das</strong> Meme-<br />

Phänomen<br />

oder Eigenschaften der Spieler am<br />

Tisch. Vielmehr spielen Stereotypen<br />

und Klischees die große Rolle und die<br />

Mitspieler müssen richtig einschätzen,<br />

ob der Spieler an der Reihe diese<br />

Der Begriff hat nichts mit der Bezeichnung von verweichlichten Mitmenschen<br />

zu tun, sondern rührt ursprünglich aus dem Griechischen und bedeutet<br />

„etwas Nachgeahmtes“. Heute bezeichnet ein Meme eine Kombination<br />

aus Bild und Text, die sich rasend schnell im Internet verbreiten. Ein Online-Hype,<br />

der sich großer Beliebtheit erfreut. Und irgendwo taucht immer<br />

wieder ein Name auf: Fuckjerry.<br />

Hinter dem amerikanischen Unternehmen Fuckjerry stehen die Geschäftsführer<br />

Elliot Tebele, Ben Kaplan und Elie Ballas. Elliot Tebele suchte gerne<br />

witzige Fotos im Internet, dachte sich Kommentare dazu aus. Als er sich bei<br />

Tumblr anmeldete, lief im Hintergrund die Sitcom „Seinfeld“ und aus einer<br />

Laune heraus benannte Elliot den Kanal „FuckJerry“, angelehnt an Jerry,<br />

einen der Protagonisten aus „Seinfeld“. <strong>Das</strong> war im Jahr 2011.<br />

Instagram wurde immer bekannter und Elliot meldete sich auch auf dieser<br />

Social-Media-Plattform an. 2014 hatte sein Kanal über 100.000 Follower und<br />

es schien an der Zeit sich ein Geschäftsmodell <strong>für</strong> diesen florierenden Kanal<br />

zu überlegen. Im Sommer 2014 veröffentlichte „Fuckjerry“ im Auftrag von<br />

Burger King das erste gesponserte Meme <strong>für</strong> Pommes frites und erhielt<br />

da<strong>für</strong> 3000 $. Sie können sich denken, wie die Geschichte weiterging?<br />

„Fuckjerry“ hat seit dem ersten bezahlten Posting eine Vielzahl von namhaften<br />

Kunden wie Captain Morgan, Tinder, Universal Studios, Subway<br />

oder auch Stars wie Justin Bieber. Aus einem Hobby eines gelangweilten<br />

Mittzwanziger entstanden rund 20 unterschiedliche Kanäle mit über 40 Millionen<br />

Follower.<br />

An dieser Stelle könnte sich Elliot entspannt zurücklehnen und das Wachstum<br />

seiner Kanäle beobachten. Ihn beschäftigte in der Zwischenzeit aber<br />

eine ganz andere Frage: Memes sind insbesondere bei Jugendlichen sehr<br />

beliebt, deren Eltern wiederum nichts mit Memes anfangen können. Wie<br />

könnte man das Konzept von Memes aus der digitalen Welt auf den Tisch<br />

zurückholen und trotzdem, unabhängig von WLAN und Datenübertragung,<br />

neue Memes erschaffen? Die Idee zu einem Meme-Kartenspiel war geboren!<br />

2016 veröffentlichte „Fuckjerry“ auf der Plattform Kickstarter das Spielkonzept<br />

What Do You Meme? 5753 Unterstützer trugen fast 230.000 $<br />

zusammen, um das Kartenspiel Wirklichkeit werden zu lassen. Noch im gleichen<br />

Jahr erschien die erste Auflage auf dem amerikanischen Markt. Es folgten<br />

seither mehrere Themenausgaben.<br />

<strong>Das</strong> Kartenspiel ist mittlerweile weltweit verfügbar. Die amerikanische<br />

Ausgabe hat sich bereits fast fünf Millionen Mal verkauft. Die deutsche Ausgabe<br />

(Beispiele oben) ist seit dem Frühjahr 2019 verfügbar.<br />

ebenfalls so sieht. In zwei Reihen legt<br />

der Spieler am Zug je vier Personenund<br />

vier Objektkarten aus. Geheim,<br />

mit Zahlenchips, entscheidet er dann<br />

<strong>für</strong> sich, inwieweit die Objekte seiner<br />

Meinung nach zu den abgebildeten<br />

Personen passen. <strong>Das</strong> Fahrrad zur Köchin<br />

oder zum Punk oder gar die Pantoffeln<br />

zum Rocker? Einer seiner fünf<br />

Zahlenchips bleibt dabei stets übrig.<br />

Dann sind die Mitspieler an der Reihe,<br />

Sie versuchen nach gemeinsamer<br />

Diskussion mit ihren Zahlenchips die<br />

„Wertung“ möglichst genau zu treffen.<br />

Für Übereinstimmungen sammelt man<br />

auch hier Punkte.<br />

Zu guter Letzt ein (Ein-)Schätzspiel,<br />

das das Internetphänomen der Memes<br />

(siehe Kasten) aufgreift: What do you<br />

Meme? (Huch). Wie schon bei Yeah/<br />

Nope handelt es sich um die deutsche<br />

Ausgabe eines amerikanischen Spiels.<br />

Und da<strong>für</strong> ist es extrem zotig und vulgär!<br />

Immerhin: Für Zartbesaitete sind<br />

die ärgsten Karten mit dem Hinweis<br />

18+ versehen, um sie auszusortieren.<br />

Was sind überhaupt Memes? Sie sind<br />

eine originelle Verbindung von Bild und<br />

Text und verbreiten sich rasend schnell<br />

im Internet. What Do You Meme? beinhaltet<br />

72 großformatige Bildkarten<br />

mit bekannten Memes aus dem weltweiten<br />

Netz und über 300 Textkarten.<br />

Jeder Spieler hat fünf Textkarten auf<br />

der Hand. In jeder Runde ist einer aus<br />

der Runde der Punktrichter. Er wählt<br />

eine der großformatigen Bildkarten aus<br />

und zeigt sie seinen Mitspielern. Diese<br />

wählen dann passend zum Bild eine<br />

ihrer Textkarten aus und schieben diese<br />

verdeckt dem Punktrichter zu. Der<br />

Text, der am besten, lustigsten oder<br />

einfach am verrücktesten zum ausliegenden<br />

Bild passt, punktet und kreiert<br />

damit ein neues Meme. Also: Es geht<br />

auch hier darum einzuschätzen, womit<br />

man den Nerv des Mitspielers, der gerade<br />

Punkterichter ist, am besten trifft.<br />

Reden wir von Begriffen. Computerspiel<br />

<strong>–</strong> digital. Klar. Oder doch<br />

nicht? Und ist das gute alte Brettund<br />

Kartenspiel dann zwangsläufig<br />

analog?<br />

UNGEWOHNT. In letzter Zeit wird häufiger<br />

der Oberbegriff „analoge Spiele“ als Differenzierung<br />

zu den „digitalen Spielen“ benutzt.<br />

Nicht jedem gefällt das. Mag sein, denn es<br />

klingt ungewohnt. „Brettspiele“ klingt so<br />

schön heimelig, diesen Begriff kennen alle<br />

und benutzten ihn auch als Oberbegriff <strong>für</strong><br />

die analoge Spielewelt. Warum also „analog“?<br />

pro<br />

1. Ganz einfach: Wir brauchten eine grundsätzliche<br />

Differenzierung zu den digitalen<br />

Spielen. Hier haben sich eine Branche und<br />

ein Markt aufgetan, die sehr stark dominieren<br />

und sich in vielen Facetten vom klassischen<br />

Spielemarkt unterscheiden.<br />

2. Die Lobby der digitalen Games-Branche<br />

hat insbesondere in der deutschen Kulturpolitik<br />

den Begriff „Kulturgut Digitale Spiele“ geprägt<br />

und dominiert damit in den Medien das<br />

Kulturgut Spiel. Hier war und ist es notwendig,<br />

den abgrenzenden Begriff der „analogen“<br />

Spiele zu verwenden, um ihnen als jahrtausendealtem<br />

Kulturgut eine entsprechende<br />

Anerkennung und Förderung zu verschaffen.<br />

UNTERSCHEIDUNGSMERKMAL. Als Oberbegriff<br />

sind „analoge Spiele“ als Unterscheidungsmerkmal<br />

zur digitalen Spielewelt gut<br />

einsetzbar, praxiserprobt und verständlich.<br />

Wer weiterhin von Brettspielen, Kartenspielen,<br />

Tabletop-Spielen, Gesellschaftsspielen<br />

etc. sprechen möchte, kann das ja gerne tun.<br />

Aber als Oberbegriff <strong>für</strong> alle hat noch keiner<br />

davon gestimmt <strong>–</strong> auch schon vor der Geburt<br />

der digitalen Spiele.<br />

Christian Beiersdorf ist<br />

seit 2015 Geschäftsführer<br />

der Spiele-Autoren-Zunft<br />

e.V. (SAZ) und Inhaber der<br />

Spiele- und Autorenagentur<br />

„Projekt Spiel“<br />

Arno Miller ist Journalist<br />

in Bregenz und Senatsmitglied<br />

des Österreichischen<br />

Presserates, schreibt unter<br />

anderem <strong>für</strong> verschiedene<br />

Wirtschaftsmagazine und<br />

ist Herausgeber der Service-Plattform<br />

spielwiese.at<br />

contra<br />

alles nicht den Kern.<br />

Was ist deine Meinung?<br />

Schreib uns an info@<br />

spielwiese.at<br />

ERNSTHAFT? Die Game-Industrie setzt<br />

mittlerweile mehr um als Hollywood. Und<br />

einzelne Games ziehen mehr mediale Aufmerksamkeit<br />

auf sich als alle Spiele aus<br />

Karton, Plastik und Holz zusammen. Ich<br />

verstehe schon: Die Fans (und Macher) wollen<br />

unsere Lieblinge von der Welt der Computerspiele<br />

unterschieden wissen. Sie wollen<br />

die originären Seiten, das unmittelbare, das<br />

gemeinsame Spiel von Angesicht zu Angesicht,<br />

hervorheben. Aber „analog“? Im Ernst?<br />

Schauen wir uns das Wort digital an. Es<br />

bedeutet „in Form von Ziffern“. Denn so funktionieren<br />

Computer. Auch Smartphones und<br />

Spielkonsolen sind nichts anderes als Computer.<br />

Darauf gespielte Games sind nicht digtal,<br />

sondern, wenn schon, virtuell. Man kann<br />

sie nicht angreifen, sie bekommen auch keine<br />

Flecken, wenn man Kaffee darüber schüttet.<br />

Ein Brett- oder Kartenspiel hingegen ist<br />

physisch vorhanden. Man muss es sogar<br />

angreifen und es wird garantiert Flecken<br />

bekommen, ist aber nicht analog. Da bin<br />

ich empfindlich. Ich verdiene mein Brot mit<br />

Schreiben. Analog bedeutet „verhältnismäßig“<br />

oder in der Physik auch „stufenlos“. Trifft<br />

PUNZIERT. Neben der vermeintlichen Wortklauberei<br />

aber zum Wichtigsten. Heute redet<br />

alles von Digitalisierung. Damit wird analog<br />

zur abwertenden Metapher <strong>für</strong> rückständig.<br />

<strong>Das</strong> traditionelle Gesellschaftspiel hat es<br />

nicht verdient, ohne Not mit „analog“ punziert<br />

zu werden.<br />

18<br />

spielwiese.at <strong>Jahrbuch</strong> 2019<br />

19<br />

spielwiese.at <strong>Jahrbuch</strong> 2019

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