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recke:in - Das Magazin der Graf Recke Stiftung Ausgabe 2/2018

Beständig im Wandel! In der dieser recke:in geht es um wichtige Entwicklungen in unserer Arbeit & deren Hintergründe, es kommen erfahrene Fachleute ebenso zu Wort wie eine junge FSJ'lerin, die einen Jungen mit Autismus an seiner Schule begleitet.

Beständig im Wandel!

In der dieser recke:in geht es um wichtige Entwicklungen in unserer Arbeit & deren Hintergründe, es kommen erfahrene Fachleute ebenso zu Wort wie eine junge FSJ'lerin, die einen Jungen mit Autismus an seiner Schule begleitet.

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6 Erziehung & Bildung<br />

»Man weiß nie,<br />

was als nächstes passiert«<br />

Seit fast e<strong>in</strong>em Jahr begleitet Jenni Nawrat e<strong>in</strong>en neunjährigen<br />

Jungen mit Autismus durch den Tag an e<strong>in</strong>er Kölner För<strong>der</strong>schule.<br />

Für Ihr Freiwilliges Soziales Jahr hatte die 19-Jährige eigentlich<br />

an<strong>der</strong>e Pläne. Doch nicht nur ihr Schützl<strong>in</strong>g hat <strong>in</strong> den wenigen<br />

Monaten e<strong>in</strong>e Entwicklung durchlaufen. Für Jenni selbst steht nun<br />

fest: Die Arbeit mit K<strong>in</strong><strong>der</strong>n mit Beh<strong>in</strong><strong>der</strong>ungen ist genau ihr D<strong>in</strong>g.<br />

Von Achim <strong>Graf</strong><br />

Jenni Nawrat mag Struktur <strong>in</strong> ihrem<br />

Leben. Sie weiß gerne frühzeitig, woh<strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> nächste Urlaub führt, wen sie am<br />

Wochenende treffen wird, auch was es<br />

am Abend zum Essen gibt. In diesem S<strong>in</strong>ne<br />

hat sich das Leben <strong>der</strong> 19-Jährigen sehr verän<strong>der</strong>t,<br />

seit sie ihr Freiwilliges Soziales Jahr<br />

(FSJ) antrat. Seit August ist sie im Auftrag<br />

<strong>der</strong> <strong>Graf</strong> <strong>Recke</strong> <strong>Stiftung</strong> Schulbegleiter<strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>es Jungen mit Autismus an <strong>der</strong> För<strong>der</strong>schule<br />

Redwitzstraße <strong>in</strong> Köln-Sülz. Und wie<br />

sich <strong>der</strong> Tag mit <strong>in</strong>sgesamt elf K<strong>in</strong><strong>der</strong>n im<br />

Klassenraum entwickeln wird, ist niemals<br />

vorhersehbar. Doch was Jenni Nawrat selbst<br />

e<strong>in</strong> wenig überrascht: »Ich f<strong>in</strong>de das großartig«,<br />

sagt sie mit e<strong>in</strong>em Strahlen.<br />

<strong>Das</strong>s sich die junge Frau nach ihrem<br />

Abitur im sozialen Bereich wie<strong>der</strong>f<strong>in</strong>den<br />

wird, das war allerd<strong>in</strong>gs abzusehen. Aufgewachsen<br />

ist Jenni <strong>in</strong> Hennef mit e<strong>in</strong>em<br />

fünf Jahre jüngeren Bru<strong>der</strong>, um den sie sich<br />

als fürsorgliche große Schwester liebend<br />

gerne gekümmert hat. Recht bald habe<br />

sie dann auch noch die Nachbarsk<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

betreut, erzählt sie. »Ich habe mir nichts<br />

dabei gedacht, die K<strong>in</strong><strong>der</strong> s<strong>in</strong>d von sich aus<br />

auf mich zugekommen. Und mir hat das<br />

Spaß gemacht.«<br />

Schon mit 13 hat sich das Naturtalent<br />

professionalisiert und e<strong>in</strong>en Babysitter-<br />

Kurs gemacht. »So richtig mit Ausweis, ich<br />

war auch <strong>in</strong> <strong>der</strong> Kartei e<strong>in</strong>er Vermittlungsagentur«,<br />

er<strong>in</strong>nert sich Jenni Nawrat. Für<br />

sie war das <strong>der</strong> erste Schritt <strong>in</strong> Richtung<br />

ihres beruflichen Ziels. <strong>Das</strong> e<strong>in</strong>zige Praktikum<br />

während <strong>der</strong> Schulzeit führte sie <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> sechsten o<strong>der</strong> siebten Klasse <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e<br />

Parfümerie. »Da war aber schnell klar, dass<br />

das nichts für mich ist«, erzählt sie und<br />

lacht. Den Gedanken, nach dem Abitur 2017<br />

sofort zu studieren, hat Jenni Nawrat dann<br />

auch schnell verworfen. Sie habe ja nie die<br />

Möglichkeit gehabt, berufliche Erfahrungen<br />

zu sammeln, me<strong>in</strong>t sie.<br />

Glücklicherweise aber hatte Jennis Mutter<br />

Kontakt zur <strong>Graf</strong> <strong>Recke</strong> <strong>Stiftung</strong>, die<br />

Idee für e<strong>in</strong> FSJ war schnell geboren. Klar<br />

sei ihr nur gewesen, dass sie an e<strong>in</strong>e Inklusionsschule<br />

wollte, erzählt sie. Den langen<br />

Weg jeden Morgen alle<strong>in</strong>e von Hennef mit<br />

dem Zug nach Köln, empfand die damals<br />

18-Jährige als Herausfor<strong>der</strong>ung genug. Die<br />

Arbeit mit beh<strong>in</strong><strong>der</strong>ten K<strong>in</strong><strong>der</strong>n hätte sie<br />

sich vor wenigen Monaten nicht zugetraut.<br />

Doch es kam an<strong>der</strong>s: Jenni Nawrat wurde <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>er För<strong>der</strong>schule für geistige Entwicklung<br />

e<strong>in</strong>gesetzt – und dafür ist sie bis heute ausgesprochen<br />

dankbar.<br />

Klar, noch immer f<strong>in</strong>de sie es sehr<br />

anstrengend, wenn morgens um halb sechs<br />

<strong>der</strong> Wecker kl<strong>in</strong>gelt. »Da frage ich mich<br />

schon manchmal: Warum machst Du das?«,<br />

räumt sie e<strong>in</strong>. Wenn sie dann aber an <strong>der</strong><br />

Schule ankommt, ist dieser Gedanke schnell<br />

verflogen. Dann holt die 19-Jährige zunächst<br />

den ihr anvertrauten neunjährigen Jungen<br />

vom Bus ab, geht mit ihm <strong>in</strong> die Klasse und<br />

sofort stelle sich »e<strong>in</strong> richtig gutes Gefühl<br />

e<strong>in</strong>«, erzählt sie. Zwischen sechs und zehn<br />

Jahren alt seien die K<strong>in</strong><strong>der</strong>, dazu kämen<br />

zwei Lehrer<strong>in</strong>nen, e<strong>in</strong>e weitere Schulbegleiter<strong>in</strong><br />

sowie e<strong>in</strong> männlicher Kollege. »Und<br />

ich mag alle richtig gerne.«<br />

Im Schulalltag s<strong>in</strong>d Jenni Nawrats Aufgaben<br />

im Pr<strong>in</strong>zip recht klar – von <strong>der</strong> Hilfe<br />

beim Jacke aufhängen über die Begleitung<br />

beim Essen bis h<strong>in</strong> zur Unterstützung im<br />

Unterricht und <strong>in</strong> den Pausen. <strong>Das</strong>s <strong>der</strong><br />

Junge aufgrund se<strong>in</strong>er Autismus-Spektrum-<br />

Störung nicht spreche, obwohl er das <strong>in</strong> den<br />

ersten Lebensjahren getan habe, war für die<br />

Freiwillige nur am Anfang e<strong>in</strong>e Herausfor<strong>der</strong>ung.<br />

»Jetzt ist es für mich ganz normal«,<br />

sagt sie.<br />

Denn die beiden verstehen sich auch<br />

ohne Worte. Längst hat Jenni erkannt, dass<br />

ihr Schützl<strong>in</strong>g auch gerne e<strong>in</strong>mal für sich<br />

ist. Zuweilen halte sie sich deshalb bewusst<br />

zurück, ihm etwas anzubieten, sagt sie,<br />

<strong>recke</strong>: <strong>in</strong> 2/<strong>2018</strong>

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