Brainstorm 2019
rlc | packaging magazin deutsch
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VISION<br />
11<br />
„DIE DIGITALISIERUNG BIETET NATÜRLICH<br />
AUCH ZAHLREICHE MÖGLICHKEITEN<br />
FÜR DIE VERPACKUNG VON<br />
PHARMAPRODUKTEN, VOR ALLEM<br />
IN SACHEN PATIENTENSICHERHEIT.“<br />
Sie beschreiben die Digitalisierung als<br />
große unternehmerische Aufgabe. Welchen<br />
Umfang hat das Thema und können Sie ein<br />
Beispiel geben, um die Entwicklungen zu<br />
verdeutlichen?<br />
In den Bereichen Forschung und Entwicklung<br />
arbeiten wir seit den frühsten Anfängen mit Datenbanken<br />
und auch die Pharmaproduktion ist<br />
weitgehend digitalisiert. Durch Künstliche Intelligenz<br />
(KI) oder Deep Learning tun sich hier ganz<br />
neue Möglichkeiten auf: Eines unserer Mitgliedsunternehmen<br />
überwacht beispielsweise<br />
sämtliche klinischen Studien weltweit in Echtzeit<br />
über eine zentrale Plattform, in der alle Daten<br />
zusammenlaufen und ausgewertet werden. Ein<br />
weiteres Unternehmen in den USA wertet Daten<br />
aus Behandlungen von Krebspatienten aus und<br />
erstellt auf Basis dieser Daten Vergleichsgruppen.<br />
In bestimmten Fällen können dann Pharmaunternehmen<br />
für ihre klinischen Studien auf<br />
diese Daten zugreifen und benötigen dadurch<br />
keine neue Vergleichsgruppe herkömmlich behandelter<br />
Patienten. Die Digitalisierung bietet<br />
natürlich auch zahlreiche Möglichkeiten für die<br />
Verpackung von Pharmaprodukten, vor allem in<br />
Sachen Patientensicherheit – Stichwort Smart<br />
Packaging. Diese intelligenten Verpackungen<br />
der Zukunft kennen beispielsweise die individuelle<br />
Dosierung pro Patient oder schlagen Alarm,<br />
wenn das Arzneimittel nicht eingenommen wird.<br />
Sehen Sie im Zusammenhang mit Smart<br />
Packaging noch Zukunftspotential für die<br />
klassische Packungsbeilage aus Papier?<br />
Wir arbeiten in der Tat bereits an Alternativen<br />
zum Beipackzettel aus Papier. Mittelfristig sollte<br />
man hier umwelt- und anwenderfreundliche<br />
Lösungen finden. Deshalb hat der vfa 2016<br />
mit Partnern das Pilotprojekt „Gebrauchsinformation<br />
4.0“ gestartet, das sich aktuell in der<br />
Testphase befindet. Unser Ziel ist es, die klassische<br />
Packungsbeilage zu einer digitalen und<br />
mobilen Information weiterzuentwickeln und<br />
so klare Vorteile für den Patienten zu schaffen:<br />
über eine App immer verfügbar und stets auf<br />
dem aktuellsten Stand. Auch an Patienten ohne<br />
Smartphone haben wir dabei gedacht – sie<br />
können sich die Informationen in der Apotheke<br />
ausdrucken lassen. Allerdings sind Packungsbeilagen<br />
aus Papier zurzeit noch auf EU-Ebene<br />
gesetzlich vorgeschrieben. Wir bringen unsere<br />
Projektergebnisse aber bei der europäischen<br />
Arzneimittel-Agentur EMA ein und tragen hoffentlich<br />
dazu bei, dass die Gesetzeslage langfristig<br />
angepasst wird.<br />
Diese Materialeinsparungen unterstützen<br />
ja auch allgemeine Nachhaltigkeitsbestrebungen.<br />
Hat das Thema Umweltbewusstsein<br />
durch die starke, gesellschaftliche Diskussion<br />
auch in der Pharmabranche an Relevanz<br />
gewonnen?<br />
Arzneimittelhersteller müssen ihre Verantwortung<br />
in Sachen Nachhaltigkeit und Umwelt<br />
wahrnehmen, dabei geht es auch um Arbeitssicherheit<br />
und Produktionsabläufe. Die Optimierung<br />
entlang der gesamten Lieferkette ist<br />
ein großer Hebel, hier können wir an diversen<br />
Punkten ansetzen: Beispielsweise kann die Kartondicke<br />
reduziert und das Packaging dadurch<br />
leichter gemacht werden. Pharmaunternehmen<br />
sollten zudem möglichst wenig vorbedruckte<br />
Verpackungen lagern, da sich Zulassungsbestimmungen<br />
oft so ändern, dass die bereits bedruckten<br />
Packungen entsorgt werden müssen.<br />
Viel nachhaltiger ist es hingegen, Pharmaverpackungen<br />
zum letztmöglichen Zeitpunkt, also<br />
„Just-in-time“, bedrucken zu lassen.<br />
Diese Optimierungen tragen zu einer sicheren<br />
Zukunft der Pharmabranche bei. Wie wird<br />
diese Ihrer Meinung nach aussehen? Welche<br />
Entwicklungen gibt es auf dem Pharmamarkt<br />
in 30 Jahren?<br />
Wir bekommen spannende neue Behandlungsmöglichkeiten<br />
dazu, etwa Gentherapien, die<br />
mit nur einer Anwendung dauerhaft heilen. Aber<br />
insgesamt ist der Pharmamarkt nach meiner<br />
Einschätzung relativ konservativ und entwickelt<br />
sich eher langsam. Bestimmte Massenarzneimittel<br />
wie Paracetamol oder Ibuprofen aus dem<br />
OTC-Bereich wird es auch in 30 Jahren noch<br />
geben. Aspirin beispielsweise existiert ja schon<br />
seit 130 Jahren. Auch im verschreibungspflichtigen<br />
Bereich veralten Generika und Biosimilars<br />
so schnell nicht. Mehr Bewegung erwarten wir<br />
im Angebot personalisierter Medizin: Die Chargen<br />
werden daher immer kleiner. Das ist auch<br />
eine große Herausforderung für den Verpackungsbereich,<br />
wo immer mehr multifunktionale<br />
Linien benötigt werden, die einfach und schnell<br />
umzurüsten sind.<br />
Vielen Dank für das Gespräch!<br />
OTC-Arzneimittel: „Over-the-counter”-<br />
Arzneimittel, zu dt. “über die Ladentheke”,<br />
sind Medikamente, die rezeptfrei<br />
in der Apotheke gekauft werden<br />
können.<br />
Biosimilars: Biosimilars sind Biologika,<br />
also Kopien endogener menschlicher<br />
Proteine. Sie sind einem Originalpräparat<br />
ähnlich, aber nicht identisch,<br />
da sie u.a. durch andere Zelllinien und<br />
andere Herstellungsprozesse generiert<br />
werden.<br />
Der vfa<br />
Der vfa ist der Verband der forschenden Pharma-Unternehmen<br />
in Deutschland. Er vertritt die Interessen von 45 weltweit<br />
führenden forschenden Pharma-Unternehmen und über<br />
100 Tochter- und Schwesterfirmen in der Gesundheits-,<br />
Forschungs- und Wirtschaftspolitik. Die Mitgliedsunternehmen<br />
repräsentieren mehr als zwei Drittel des gesamten deutschen<br />
Arzneimittelmarktes. Sie gewährleisten den therapeutischen<br />
Fortschritt bei Arzneimitteln und sichern das hohe Niveau der<br />
Arzneimitteltherapie.