Probeausgabe Bildung in der Kita

Pädagogisches Fachwissen
WIE SIE KINDER
UNTERSTÜTZEN ZU TEILEN
Max hortet mehr Sandschaufeln, als er Hände hat,
und Mia braucht dringend alle Glitzerstifte gleichzeitig:
Teilen ist für Kinder nicht immer leicht.
Heimat
in Ihrer Kita
Liebe Kollegin,
Kindern gelingt Großes oft mit Leichtigkeit.
Das wurde mir erst heute wieder
bewusst, als wir gemeinsam das wunderbare
Herbstlied „Bunt sind schon
die Wälder“ gesungen haben. Ich ließ
meine Blicke schweifen, während eine
bunt gemischte Kindergruppe voller
Inbrunst sang: 3 Kinder aus Syrien,
daneben ein Junge aus Tschetschenien,
andere Kinder wurden schon hier geboren,
darunter 2 türkische Mädchen. Alle
singen zusammen ein deutsches Volkslied,
das schon 1782 verfasst und 1816
von Franz Schubert vertont wurde. Was
arbeiten sich Menschen aus Politik und
Gesellschaft ab am Heimatbegriff und
der Brauchtumspflege. Hier in unserer
Kita braucht sich keiner zu mühen. Die
Kinder tun es einfach, weil sie Spaß miteinander
und Freude am Singen haben.
Großes kann manchmal so leicht sein!
Und darin sind uns Kinder immer wieder
Vorbild.
Ich wünsche Ihnen viele bunte Augenblicke
in der Arbeit mit den Kindern,
Ihre
Claudia Hupp
Chefredakteurin
Claudia Hupp ist seit 25 Jahren als Erzieherin
in verschiedenen Kindergärten
tätig gewesen, u. a. in Einrichtungen im
sozialen Brennpunkt. Viereinhalb Jahre
leitete sie eine große Kindertageseinrichtung.
Jetzt arbeitet sie mit Kindern
und Jugendlichen in einer großen
Tageseinrichtung in Würzburg.
Es ist sicher auch in Ihrer Kita
ein ewiger Streitpunkt zwischen
den Kindern: „Max gibt mir keine
Schaufel ab!“ oder „Mia ist
gemein, sie behält alle Stifte für sich!“
heißt es dann und Sie sind gefragt,
die Kinder dabei zu unterstützen, den
Ärger zu regeln. Aus unserer Erwachsenensicht
wäre es auch ganz einfach:
Teilen ist die Lösung. Doch das entspricht
der Logik Erwachsener, Kinder
sehen die Situation völlig anders.
Warum viele Kinder noch
nicht teilen können
Es liegt in der kindlichen Entwicklung
und Weltsicht, dass vor allem jüngere
Kinder bis zum 3. Lebensjahr noch
nicht teilen können, wenn sie dazu
aufgefordert werden. Bevor Kinder aktiv
etwas abgeben können, müssen sie
zunächst wissen, dass es überhaupt ein
„mein“ und „dein“ gibt. Das ist vor allem
für Ihre Jüngsten gar nicht so einfach.
Ältere Kinder ab etwa 5 Jahren
sind in einem gewissen Umfang in
der Lage, sich in andere hineinzuversetzen,
in der Psychologie „Theory of
Mind“ genannt. Diese Fähigkeit muss
sich jedoch entwickeln und hängt von
der individuellen emotionalen Entwicklung
des jeweiligen Kindes ab.
Dazu trägt auch Ihre feinfühlige Unterstützung
bei.
Zwingen Sie Kinder nicht
zum Teilen
Wenn Kinder noch gar nicht erfahren
haben, dass die Schaufeln, die Puppe
oder die Stifte nicht zum eigenen
Selbst gehören, können sie nicht teilen.
Nähmen Sie ihm das Spielzeug
weg, würden Sie dem Kind gleichsam
einen Teil von ihm selbst wegnehmen
– mit entsprechender Gegenwehr ist
dann zu rechnen. Kindern in dieser
Entwicklungsstufe würden wir also
etwas abverlangen, was sie noch gar
nicht können.
Aber auch ältere Kinder sollten Sie
nicht zum Teilen zwingen oder die
Aufteilung des Spielzeugs über sie bestimmen
– auch wenn so die Lösung
des Konfliktes auf der Hand liegt. Denn
es steckt ein für das Kind wichtiges
Bedürfnis dahinter, wenn es Spielzeug
oder Material so vehement verteidigt.
In der Tabelle finden Sie einige Beispiele
dargestellt.
Kinder, die nicht teilen, handeln also
in der Regel nicht aus dissozialen oder
egozentrischen Gründen oder sind gar
„böse“. Die Beispiele zeigen, dass Kinder
meist noch mitten in ihrem Spiel
feststecken und deshalb nicht teilen.
Wenn Sie in dieser Situation ein
Kind zum Teilen zwingen, wird es sich
unverstanden, verletzt und hilflos fühlen.
Und die Folge davon: Es wird sein
Spielzeug das nächste Mal nur umso
vehementer verteidigen. Das Teilen
lernen Kinder damit nicht und der entstandene
Konflikt ist nur auf der Oberfläche
und mit viel Frust gelöst. Doch
wer keine Angst davor haben muss,
dass ihm etwas gegen seinen Willen
entrissen wird, kann auf Dauer großzügiger
sein.
Das sagen wissenschaftliche
Studien dazu
Die beiden Entwicklungspsychologinnen
Nadia Chernyak und Tamar
Kushnir von der Cornell University
fanden in einer Studie heraus: Kinder
teilen lieber, wenn sie sich freiwillig
dazu entschlossen haben, statt nur der
elterlichen Ermahnung zu folgen. Sie
teilten ihre Sticker auch in einem zwei-
WICHTIG: Die Aussicht auf
Belohnung steigert die Motivation
zum Teilen nicht. Fällt
die Belohnung weg, ist die
Motivation vorbei.
2
Starke Bildung in der Kita
www.pro-kita.com