BREMER-SPORT_Winter_2019-online
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AUSSERGEWÖHNLICHE <strong>SPORT</strong>ARTEN<br />
Das Duell<br />
Eine von drei Waffengattungen, die im Fechtsport genutzt werden: der Degen.<br />
hysterischen Lacher nicht verkneifen. Ich<br />
bin nicht aufgewärmt sondern jetzt schon<br />
fix und fertig. Wir machen noch ein paar<br />
Dehn- und Lockerungsübungen. Ich blicke<br />
in die Runde. Die etwa zehn Teilnehmer des<br />
Anfängerkurses, in dem ich mich befinde,<br />
bilden eine sehr gemischte Gruppe. Frauen<br />
und Männer sind etwa gleichermaßen vertreten.<br />
Auch die Altersspanne ist groß. Die<br />
jüngste Fechterin ist 27, der älteste Sportler<br />
82 Jahre alt. Im Fechtsport sind beide<br />
Geschlechter recht ausgeglichen vertreten,<br />
erklärt Sebastian mir. In den Wettkämpfen<br />
jedoch, den sogenannten „Duellen“, treten<br />
lediglich Fechter des gleichen Geschlechts<br />
gegeneinander an.<br />
Florett, Degen und Säbel<br />
Nachdem ich mich langsam von den Strapazen<br />
des Aufwärmtrainings erholt habe,<br />
geht es endlich ans Fechten. Sebastian kündigt<br />
an, mir die Grundlagen des Sports vermitteln<br />
zu wollen. Doch einfach loslegen<br />
können wir nicht. „Erst einmal müssen wir<br />
dich richtig ausstatten“, sagt er und führt<br />
mit zu einem großen Schrank. Als er die<br />
Tür öffnet, blicke ich auf eine Vielzahl von<br />
Schwertähnlichen Waffen. Der Trainer legt<br />
mir einige Exemplare in die Hand und erläutert<br />
ihre Eigenschaften. So unterscheidet<br />
man im Fechtsport drei verschiedene<br />
Waffengattungen: Florett, Degen und Säbel.<br />
Während man mit dem Säbel seinen Gegner<br />
auch seitliche Hiebe versetzt, sind Florett<br />
und Degen reine Stichwaffen. Treffer<br />
zählen also nur, wenn Sie stoßend erfolgen.<br />
Während man mit dem Degen den ganzen<br />
Körper des Konkurrenten treffen darf, beschränkt<br />
man sich beim Florettfechten lediglich<br />
auf den Rumpf als Angriffsfläche.<br />
Sebastian entscheidet, dass ich mit einem<br />
Degen fechten werde, und drückt mir noch<br />
einen Brustschutz, einen Handschuh, eine<br />
Fechtmaske sowie eine Fechtmaske in die<br />
Hand. Als ich fertig ausgestattet wieder die<br />
Halle betrete, werfe ich einen kurzen Blick<br />
in den Spiegel. „Hat was von einem Imker“,<br />
denke ich amüsiert.<br />
Die ersten Versuche<br />
Ich stelle mich an einer schwarzen Linie<br />
auf, die die sogenannte Fechtbahn symbolisieren<br />
soll. Dann zeigt Sebastian mir die<br />
Startposition beim Fechten: Während der<br />
Arm mit dem Degen nach vorne gestreckt<br />
ist, beuge ich mein rechtes Bein. Beide<br />
Füße stehen zueinander in einem rechten<br />
Winkel. „Wie ein Tiger, der gleich angreifen<br />
will“, beschreibt es der 31-Jährige. Ich muss<br />
lachen. Wir üben die Vor- und Rückwärtsbewegungen.<br />
Dann soll ich den Ausfall lernen:<br />
Eine Beinaktion, die einen typischen<br />
Angriff des Gegners beinhaltet, um einen<br />
Treffer zu erzielen. Zielen, Arm und Degen<br />
durchstrecken und ein großer Ausfallschritt<br />
nach vorne – die Abfolge klingt erst einmal<br />
simpel. Schnell machen sich bei mir jedoch<br />
die ersten koordinativen Hürden bemerkbar.<br />
Die Abfolge, erst die Armbewegung<br />
auszuführen und dann den Ausfallschritt zu<br />
vollziehen, erscheint meinem Gehirn zuwider.<br />
Eine Hürde, die scheinbar nicht nur ich<br />
zu meistern habe. „Diese Bewegungsabfolge<br />
ist für Anfänger das Schwierigste“, versichert<br />
mir Sebastian. Nach ein paar Versuchen,<br />
gelingt es mir immer besser. Doch<br />
der Trainer hat noch eine weitere Schwachstelle<br />
entdeckt. „Versuche, den Degen weiter<br />
durchzudrücken“, erklärt er „Schau, in<br />
etwa so.“ Ehe ich mich versehe, hat Sebastian<br />
mich mit dem Degen an der Schulter<br />
getroffen. „Aua!“, beschwere ich mich. Trotz<br />
abgerundeter Spitze, die alle Waffengattungen<br />
aufweisen, hat dieser Stoß gesessen.<br />
Während ich meine ersten sportlichen Versuche<br />
tätige, treten die anderen Mitglieder<br />
der Gruppe nacheinander im Freifechten<br />
gegeneinander an. Zum Abschluss meines<br />
Selbstversuches soll auch ich zeigen, was<br />
ich gelernt habe. Sebastian teilt mich einem<br />
anderen Fechter zu. Bevor wir loslegen,<br />
werde ich im wahrsten Sinne des Wortes<br />
verkabelt. Zwischenstand und Ergebnis<br />
eines Duells sind auf einer elektronischen<br />
Trefferanzeige sichtbar. Dafür sind sowohl<br />
in den Klingen als auch in der Kleidung<br />
kleine Litze eingearbeitet, sodass diese<br />
Strom leiten können. Bei jedem Treffer ertönt<br />
ein piepender Laut. Wir entscheiden,<br />
„auf fünf“ zu fechten. Als Gewinner geht<br />
folglich der Fechter hervor, der zuerst fünf<br />
Treffer erzielt hat. Diese Art des Duells ist<br />
sehr geläufig. „Bei Direktausscheidungen<br />
auf großen Wettkämpfen geht es dagegen<br />
meistens um 15 Treffer“, erklärt mir mein<br />
Mentor. Während meines ersten Duells bin<br />
ich konzentriert, erwische mich jedoch dabei,<br />
wie ich mich zur Hektik verleiten lasse.<br />
Mein Gegner dagegen vollzieht seine Bewegungen<br />
zwar schnell und präzise, strahlt<br />
dabei jedoch eine bewundernswerte Ruhe<br />
aus. Nach einigen Minuten ist unser Duell<br />
beendet. Ich habe zwar 5:2 verloren, bin<br />
jedoch stolz, überhaupt zwei Treffer erzielt<br />
zu haben. Da das Training nun für beendet<br />
erklärt wird, wage ich, nach einer kurzen<br />
Einschätzung zu fragen. „Und, habe ich<br />
mich sehr unbeholfen angestellt?“, richte<br />
ich mich an Sebastian. „Es ging eigentlich<br />
total“, antwortet er trocken. Wie ich das<br />
bewerte soll? Ich entscheide mich für ein<br />
Kompliment. (JF)<br />
Das Fazit nach dem Fechttraining: geschafft,<br />
aber dennoch zufrieden.<br />
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