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Inge Becher | Lautlose Stufen

Deutschland, 1939. Hella Arnold ist 10 Jahre alt, als sie eine rätselhafte Krankheit bekommt. Immer wieder muss sie für lange Zeit ins Krankenhaus, sie fehlt in der Schule und kann auch nicht, wie ihre Freundinnen, den Jungmädeln beitreten. Hella wird zur Außenseiterin, immer stärker wird ihre Lebenswelt eingeschränkt. Dabei möchte sie doch nur eines: dazugehören wie alle anderen. Mit 14 erfährt Hella von speziellen Kliniken, in denen schwerkranken Kindern wie ihr geholfen werden kann. Sie bittet den Chef­arzt des Krankenhauses um eine Überweisung dorthin. Als ihr Hausarzt und ihre Eltern davon hören, sind sie entsetzt: Denn aus diesen Kinderfachkliniken kam noch kein Kind lebendig zurück …

Deutschland, 1939. Hella Arnold ist 10 Jahre alt, als sie eine rätselhafte Krankheit bekommt. Immer wieder muss sie für lange Zeit ins Krankenhaus, sie fehlt in der Schule und kann auch nicht, wie ihre Freundinnen, den Jungmädeln beitreten. Hella wird zur Außenseiterin, immer stärker wird ihre Lebenswelt eingeschränkt. Dabei möchte sie doch nur eines: dazugehören wie alle anderen.
Mit 14 erfährt Hella von speziellen Kliniken, in denen schwerkranken Kindern wie ihr geholfen werden kann. Sie bittet den Chef­arzt des Krankenhauses um eine Überweisung dorthin. Als ihr Hausarzt und ihre Eltern davon hören, sind sie entsetzt: Denn aus diesen Kinderfachkliniken kam noch kein Kind lebendig zurück …

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»Wir haben davon gehört. Auch dass die Synagoge gebrannt<br />

hat und niemand löschen wollte. Lehrer Saller hat<br />

es in der Wirtschaft erzählt. Er war noch stolz darauf, dass<br />

man die Juden verprügelt hat, die versucht haben, den<br />

Brand zu löschen. Du hast doch hoffentlich nichts von<br />

Goldmanns Stoffen gekauft?«, will Hellas Vater wissen.<br />

»Nein!« Tante Frieda nimmt einen Schluck aus ihrem<br />

Glas, um sich für den nächsten Satz Mut anzutrinken.<br />

»Doch, Goldmann hat sie mir gebracht. Aber ich habe<br />

ihm den regulären Preis bezahlt. Er will nach Amerika<br />

auswandern, da braucht er Geld. Und anders wird er seine<br />

Stoffe nicht los.«<br />

»Die jüdischen Geschäftsleute sind wirklich in Not.<br />

Scharenweise müssen sie alles verkaufen, was sie besitzen,<br />

und wandern nach Amerika aus«, bemerkt Onkel<br />

Peter.<br />

»Das ist ja unglaublich. Das habe ich noch gar nicht<br />

mitbekommen. In Waldheim gibt es ja keine Juden. Und<br />

wir sind alle evangelisch. Da kann uns nichts passieren.«<br />

Hellas Mutter reicht einen Teller mit Gebäck herum.<br />

»Bist du da so sicher? Wer weiß, was den Nazis noch<br />

alles so einfällt. Heute die Juden, morgen die Brillenträger.«<br />

Hella hört, wie Onkel Peter krachend in einen Keks<br />

beißt.<br />

Auf den Fliesen bekommt Hella kalte Füße. Auf Zehenspitzen<br />

zieht sie sich am Geländer von der zweiten auf die<br />

fünfte, über die achte und zwölfte und schließlich über<br />

die fünfzehnte Stufe nach oben.<br />

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