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The Sisters of Mercy sind den meisten bekannt für<br />
Underground-Hits der 80er wie Temple Of Love<br />
oder This Corrosion. Die Band um Frontmann<br />
Andrew Eldritch hatte von einer hauptsächlich in<br />
Schubladen denkenden Musikpresse früh ein "düsteres"<br />
Image weg und galt vielen als "Kultband".<br />
Mit beidem hatten die Schwestern nie viel am<br />
Hut: Andrew bezeichnet die Band lieber als "industrial<br />
groove machine", irgendwo zwischen Pet<br />
Shop Boys und Motörhead, und die Texte strotzten<br />
oft nur so vor Witz, Sarkasmus und bissigen<br />
Kommentaren zum Zustand der Welt: Realität<br />
statt Eskapismus! Seit dem letzten Album sind 30<br />
Jahre vergangen; trotzdem touren die Jungs immer<br />
noch regelmäßig auf zum Teil ausverkauften<br />
Bühnen. Vor Ihrem ersten Besuch in Saarbrücken<br />
haben sich die Sisters letztes Jahr ordentlich renoviert.<br />
popscene hat Leadgitarrist Ben Christo<br />
getroffen, der seit 2006 an Bord ist.<br />
Ben, 2019 war ein aufregendes Jahr für die Band<br />
und ihre Fans. Ihr wart in vielerlei Hinsicht so aktiv<br />
wie schon lange nicht mehr, und es gab einige<br />
große Veränderungen: Ihr habt beispielsweise<br />
einen neuen Gitarristen. Was war denn da los?<br />
Oh ja, da hat sich viel getan (lacht): Wir hatten<br />
unsere Tour für den Herbst 2019 geplant, aber<br />
dann gab es Terminschwierigkeiten bei unserem<br />
langjährigen Rhythmusgitarristen Chris Catalyst,<br />
also musste ein neuer her. Das war gar nicht so<br />
einfach: Wir brauchten jemanden, der schon einige<br />
Erfahrung hat, natürlich gut Gitarre spielen kann,<br />
aber auch der Hintergrundgesang war ein wichtiges<br />
Kriterium. Außerdem sollte die Person zu uns<br />
passen. Also habe ich drei Leute vorgeschlagen, die<br />
ich bereits kannte und mit denen ich schon vorher<br />
zusammengearbeitet habe. Geworden ist es dann<br />
schließlich der Australier Dylan Smith, mit dem ich<br />
früher in einer Band namens “I Nation” gespielt<br />
habe. Dann haben wir angefangen, für die Tour<br />
zu proben, und über den Sommer spielten wir die<br />
ersten Shows auf Festivals in neuer Besetzung. Es<br />
wurde schnell klar, dass die Chemie noch besser<br />
stimmte als gedacht und dass Dylan einen ganz<br />
neuen Schwung und Begeisterung mitbrachte, was<br />
den Rest der Band völlig mitgerissen hat.<br />
Ist das mit der Grund dafür, dass Ihr nach Ewigkeiten<br />
mit “Show Me” und “Better Reptile” wieder<br />
ein paar neue Songs am Start habt?<br />
Es hat auf jeden Fall eine Rolle gespielt. Wir haben<br />
früher immer wieder mal was neues geschrieben<br />
und gespielt, aber momentan haben wir tatsächlich<br />
die produktivste Phase seit Jahren. Wir sitzen<br />
auf einem riesigen Haufen Material! (lacht) Es<br />
war gar nicht unbedingt geplant, sondern hat<br />
sich ganz natürlich ergeben, weil plötzlich alles<br />
gepasst hat. Dylan war vorher nicht nur ein Fan<br />
der Band, sondern maßgeblich von ihr beeinflusst.<br />
Als wir dann beschlossen hatten, was Neues auszuprobieren,<br />
waren wir uns schnell einig, wie die<br />
Sisters heute klingen sollten, ohne das Erbe der<br />
Band zu “verraten”. So begannen dann die Ideen<br />
zu sprudeln.<br />
Wie läuft das in der Praxis? Kannst Du Eure<br />
Arbeitsweise ein bisschen beschreiben?<br />
(lacht) Das lief irgendwann wie am Fließband,<br />
ohne dass wir das geplant hatten. Ganz unterschiedlich:<br />
Manchmal habe ich ein Riff im Kopf,<br />
und wir bauen den Song drum rum. Ein andermal<br />
sitzen alle zusammen, wir lassen Doktor Avalanche<br />
(ehemals nur Drumcomputer, mittlerweile<br />
auch für Bass und Synths zuständig) einen Beat<br />
in einer bestimmten Geschwindigkeit spielen und<br />
Andrew summt oder singt ein Riff drüber. Ich<br />
“übersetze” das dann auf die Gitarre und schmiede<br />
mit Dylan und Dave eine rohe Songstruktur<br />
mit allem Drum und Dran. Dann kommt Andrew<br />
wieder in’s Spiel und wir reden über Texte, wobei<br />
jeder seine Ideen einbringt. Auf diese Art haben<br />
wir teilweise sechs oder sieben neue Songideen<br />
an einem Tag auf den Weg gebracht. Jetzt haben<br />
wir fast zu viel neues Zeug. (lacht). Jeder von uns<br />
hat seine eigenen Talente, die er einbringen kann.<br />
Ich kann gut Ideen auf der Gitarre umsetzen,<br />
während Dylan und vor allem Dave sich um die<br />
“Produktion” kümmern. Was wir letzten endes mit<br />
dem Material machen, müssen wir mal sehen. Natürlich<br />
werden wir einiges live spielen.<br />
Interview: Thomas Mang | Bild: Thomas Vanderstappen<br />
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