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Dr. Georg Doerr: Johann Jakob Bachofens "Entdeckung" des Mutterrechts -- Vortrag

Vortrag bei dem Symposion "Antike Heute" (1986) an der Evangelischen Akademie in Loccum (Niedersachsen) -- (Der mündliche Charakter des Vortrages ist beibehalten, die Zitatnachweise finden sich in meinem Buch „Muttermythos und Herrschaftsmythos ...“, siehe dazu unten!) In diesem Vortrag wird Bachofens vermeintliche, aber folgen-reiche ‚Entdeckung’ des ‚Mutterrechts’ aus religionsgeschicht-licher Perspektive nachgezeichnet. Bachofen schrieb dieses Werk, nachdem er sich auf Grund eines Bekehrungserlebnisses in Rom von der historisch-kritischen Methode der Altertums-wissenschaft (Th. Mommsen) abgewandt hatte. Bachofen glaubte danach, nur durch religiöses Nachempfinden die von ihm intuitiv entdeckte 'Urreligion' historisch rekonstruieren zu können. -- Nahezu rätselhaft bleibt Bachofens bis heute anhal-tende Rezeption -- von F. Engels bis zum aktuellen Feminismus, mit Zwischenstationen bei den Münchener Kosmikern und im George-Kreis, in den 20-er Jahren (Th. Mann und A. Bäumler) bis zu Adornos und Horkheimers „Dialektik der Aufklärung“ (1944/47). Die, wissenschaftlich abgesicherte, Rezeption von Bachofens 'Mutterrecht' (u.a. in der Ethnologie, bei W. Benjamin ...) ist (u.a.) Gegenstand meines Buches: Muttermythos und Herrschaftsmythos -- Zur Dialektik der Aufklärung um die Jahrhundertwende bei den Kosmikern, Stefan George und in der Frankfurter Schule. K & N: Würzburg 2007 (s. dort zum Bachofenvortrag von 1986: S. 45-64 u. passim). Die Verlagsan-kündigung dieses Buches und die seit seiner ersten Publikation erschienenen Rezensionen sind unter: Georg Doerr - Academia.edu - books und bei Yumpu nachzulesen; die zweite, verbesserte und ergänzte Auflage (siehe jetzt auch bei Yumpu) des vergriffenen Buches (von 2007) ist als eBook 2019 mit dem geänderten (Unter-)Titel: "– Zur Dialektik der Aufklärung bei den Kosmikern, Stefan George, Walter Benjamin und in der Frank-furter Schule“ im selben Verlag erschienen. Siehe dort zum Thema des Bachofen-Vortrages von 1986: S. 48-67 u. passim; dieser Text ist in der 2. Auflage bei YUMPU nachzulesen. -- Eine italienische Übersetzung des Vortrages wurde in Rom publiziert: " J. J. Bachofen: La ‚scoperta’ del matriarcato [Die ‚Entdeckung‘ des Mutterrechts]“. Erschienen in: „Mondo Operaio“, 7, 1989. Zuerst Vortrag in italienischer Sprache im Jahre 1988 im „Dipartimento di Studi Storico-Religiosi“ an der Università degli studi "la Sapienza" in Rom.

Vortrag bei dem Symposion "Antike Heute" (1986) an der Evangelischen Akademie in Loccum (Niedersachsen) --
(Der mündliche Charakter des Vortrages ist beibehalten, die Zitatnachweise finden sich in meinem Buch „Muttermythos und Herrschaftsmythos ...“, siehe dazu unten!)

In diesem Vortrag wird Bachofens vermeintliche, aber folgen-reiche ‚Entdeckung’ des ‚Mutterrechts’ aus religionsgeschicht-licher Perspektive nachgezeichnet. Bachofen schrieb dieses Werk, nachdem er sich auf Grund eines Bekehrungserlebnisses in Rom von der historisch-kritischen Methode der Altertums-wissenschaft (Th. Mommsen) abgewandt hatte. Bachofen glaubte danach, nur durch religiöses Nachempfinden die von ihm intuitiv entdeckte 'Urreligion' historisch rekonstruieren zu können. -- Nahezu rätselhaft bleibt Bachofens bis heute anhal-tende Rezeption -- von F. Engels bis zum aktuellen Feminismus, mit Zwischenstationen bei den Münchener Kosmikern und im George-Kreis, in den 20-er Jahren (Th. Mann und A. Bäumler) bis zu Adornos und Horkheimers „Dialektik der Aufklärung“ (1944/47). Die, wissenschaftlich abgesicherte, Rezeption von Bachofens 'Mutterrecht' (u.a. in der Ethnologie, bei W. Benjamin ...) ist (u.a.) Gegenstand meines Buches: Muttermythos und Herrschaftsmythos -- Zur Dialektik der Aufklärung um die Jahrhundertwende bei den Kosmikern, Stefan George und in der Frankfurter Schule. K & N: Würzburg 2007 (s. dort zum Bachofenvortrag von 1986: S. 45-64 u. passim). Die Verlagsan-kündigung dieses Buches und die seit seiner ersten Publikation erschienenen Rezensionen sind unter: Georg Doerr - Academia.edu - books und bei Yumpu nachzulesen; die zweite, verbesserte und ergänzte Auflage (siehe jetzt auch bei Yumpu) des vergriffenen Buches (von 2007) ist als eBook 2019 mit dem geänderten (Unter-)Titel: "– Zur Dialektik der Aufklärung bei den Kosmikern, Stefan George, Walter Benjamin und in der Frank-furter Schule“ im selben Verlag erschienen. Siehe dort zum Thema des Bachofen-Vortrages von 1986: S. 48-67 u. passim; dieser Text ist in der 2. Auflage bei YUMPU nachzulesen. -- Eine italienische Übersetzung des Vortrages wurde in Rom publiziert: " J. J. Bachofen: La ‚scoperta’ del matriarcato [Die ‚Entdeckung‘ des Mutterrechts]“. Erschienen in: „Mondo Operaio“, 7, 1989. Zuerst Vortrag in italienischer Sprache im Jahre 1988 im „Dipartimento di Studi Storico-Religiosi“ an der Università degli studi "la Sapienza" in Rom.













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Über die Besichtigung der Mauern Mykenes während seiner griechischen Reise<br />

schreibt er:<br />

„So gewaltig wirkt die Anschauung auf die Kraft unseres Geistes, daß die früheste<br />

Vergangenheit zur Gegenwart wird. Große reiche Augenblicke, jene, in denen der<br />

Althertumsforscher mit seinem Gegenstande sich eins fühlt. Nur eine kleine Weile<br />

können sie dauern; aber das Bild, das zurückbleibt, erblaßt nicht wieder.“<br />

Bachofen glaubt also, durch die Anschauung mit den Gegenständen zu<br />

verschmelzen. Die Zeit wird aufgehoben, zum reichen Augenblick -- nunc stans --<br />

verdichtet. Auch die für die Mystik kennzeichnende Aufgabe <strong>des</strong> eigenen Ichs wird<br />

zumin<strong>des</strong>t gefordert: „Darin eben liegt die Schwierigkeit, jene Zeit zu erfassen.<br />

Denn wir müssen uns selbst aufgeben, um in sie zurückzukehren." Bachofen ist<br />

davon überzeugt, daß ihm durch solche Erfahrungen „das Wahre“ vermittelt wird.<br />

Dieses bildet die Grundlage seiner Forschungen. Auf diesem Fundament<br />

konstruiert er mit romantischen und neuplatonischen Vorstellungen ein System,<br />

das er im Nachhinein durch die Anhäufung von Beweismaterial zu unterstützen<br />

sucht. Für das Mutterrecht heißt das, Bachofen stützt sich auf eine ganz geringe<br />

Zahl historischer Fakten, so z.B. auf Herodots Hinweise über die Lyker und auf<br />

das metronymische System in den etruskischen Grabinschriften. Sein eigentliches<br />

Material liefern ihm jedoch Symbole und Mythen. Von deren Geschichtlichkeit im<br />

höheren Sinne ist er überzeugt. Sie sind ihm -- auch das romantisch --<br />

Gestaltungen der Volksseele, denen wirkliche Ereignisse zugrunde liegen. Sein<br />

wichtigstes methodisches Mittel besteht im Suchen von Mythenparallelen. Er geht<br />

davon aus, daß Übereinstimmungen in der Mythologie auch bei weit auseinanderliegenden<br />

Völkern auf eine gemeinsame Geschichte verweisen. Bei der<br />

Interpretation der Mythen stützt er sich auf das neuplatonische Mythenverständnis<br />

und auf Etymologie. Auch hier geht er den „Weg der Phantasie“. Mit Hilfe von<br />

Mythen schafft er so einen neuen Mythos. Durch die unzähligen Verweise und<br />

Belege werden die Werke oft fast unlesbar. Vor allem seine Etymologien sind<br />

nicht zu halten. Der sonst Bachofen wohlgesonnene Herausgeber seiner Werke<br />

Meuli schreibt dazu: „<strong>Bachofens</strong> Etymologien sind wirklich schauderhaft und<br />

geben den verwegensten Behauptungen antiker Mythographen nichts nach.“<br />

Bachofen nennt seine Methode „naturforschend“, auch „empirisch“. Er sieht sich<br />

in der Rolle <strong>des</strong> Sammlers, der Beweismaterial für eine offenkundige Tatsache<br />

beiträgt. Er füllt sein System mit Beweisen, ohne zu sehen, daß es sich nicht<br />

beweisen läßt. Thomas Gelzer bezeichnet diese Vorgehensweise als eine<br />

„unbewußte Vermengung der verschiedenen Realitätsstufen“.<br />

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