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AUSSERDEM BEI PANINI ERHÄLTLICH<br />
<strong>Firefly</strong> – Großer, verdammter Held<br />
Roman – ISBN 978-3-8332-3771-3<br />
Serenity – Zwischen den Welten: Bessere Zeiten<br />
Comicband 1 – ISBN 978-3-86607-984-7<br />
Serenity – Zwischen den Welten: Blätter im Wind<br />
Comicband 2 – ISBN 978-3-95798-228-5<br />
Serenity – Zwischen den Welten: Shepards Geschichte<br />
Comicband 3 – ISBN 978-3-95798-716-7<br />
Serenity – Zwischen den Welten: Keine Macht im Universum<br />
Comicband 4 – ISBN 978-3-7416-0282-5<br />
Nähere Infos und weitere Bände unter:<br />
www.paninibooks.de
DIE GLORREICHEN NEUN<br />
VON JAMES LOVEGROVE
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek<br />
<strong>Die</strong> Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in<br />
der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische<br />
Daten sind im Internet über hiip://dnb.d-nb.de abrufbar.<br />
Titel der Amerikanischen Originalausgabe:<br />
„FIREFLY: THE MAGNIFICENT NINE“ by James Lovegrove,<br />
published by Titan Books, UK, März 2019<br />
FIREFLY TM AND © 2019 TWENTIETH CENTURY FOX FILM<br />
CORPORATION. ALL RIGHTS RESERVED.<br />
Deutsche Ausgabe 2019 by Panini Verlags GmbH, Rotebühlstraße 87,<br />
70178 Stuttgart. Alle Rechte vorbehalten.<br />
Geschäftsführer: Hermann Paul<br />
Head of Editorial: Jo Löffler<br />
Head of Marketing: Holger Wiest (E-Mail: marketing@panini.de)<br />
Presse & PR: Steffen Volkmer<br />
Übersetzung: Claudia Kern<br />
Lektorat: Mathias Ulinski<br />
Umschlaggestaltung: tab indivisuell, Stuttgart<br />
Satz: Greiner & Reichel, Köln<br />
Druck: GGP Media GmbH, Pößneck<br />
Printed in Germany<br />
<strong>YDFFLY002</strong><br />
1. Auflage, Oktober 2019, ISBN 978-3-8332-3780-5<br />
Auch als E-Book erhältlich: ISBN 978-3-7367-9910-3<br />
Findet uns im Netz:<br />
www.paninibooks.de<br />
PaniniComicsDE
Anmerkung des Autors<br />
<strong>Die</strong> Ereignisse in diesem Roman spielen zwischen<br />
der Fernsehserie <strong>Firefly</strong> und dem Film Serenity.
Am kostbarsten ist das, was am schnellsten vergeht.<br />
Altes Sprichwort von der Erde-von-einst
<strong>Die</strong> Sache mit der Mütze<br />
Ein kleines Schiff flog durch die endlose Weite des Universums.<br />
Der Mittelklasse-Transporter aus der 03-Serie der <strong>Firefly</strong>-<br />
Klasse, der von den beiden Standard-Radeon-Antriebskernen<br />
seiner Strahlenkompressionsblock-Maschine mit Energie versorgt<br />
wurde, glitt mit einem Viertel der Maximalgeschwindigkeit<br />
an ruhig leuchtenden Sternen vorbei. Das Schiff schien<br />
mühelos dahinzuschweben. <strong>Die</strong> Brücke und das Vorderdeck erinnerten<br />
an den Kopf und den Hals eines fliegenden Schwans,<br />
der das Vakuum sauber durchtrennte. Das rundliche Heck pulsierte<br />
sanft.<br />
Es wirkte wie ein Sinnbild für Gelassenheit.<br />
Zumindest von außen.<br />
Drinnen sah es anders aus.<br />
„<strong>Die</strong>ses Mädchen geht mir echt auf den Zeiger“, knurrte Jayne<br />
Cobb. „Sie soll sie nicht haben. Bring sie dazu, sie mir zurückzugeben!“<br />
Bei dem „Mädchen“ handelte es sich um River Tam und bei<br />
„sie“ um eine Strickmütze mit einem Bommel und Ohrenklappen.<br />
Das Garn, aus dem die Mütze gestrickt worden war, hatte<br />
drei gleichermaßen unappetitliche Farbtöne, so in etwa wie Imbissbudensenf,<br />
verfaulte Aprikose und verschimmelter Kürbis.<br />
Der Bommel vereinte alle drei.<br />
9
Das war keine schöne Mütze, aber sie gehörte Jayne, und sie<br />
war ihm wichtig. Sie auf dem Kopf einer anderen Person zu sehen,<br />
verärgerte ihn zutiefst, vor allem, weil es sich um den Kopf<br />
einer jungen Frau handelte, die er für gorramn verrückt hielt.<br />
„Mal, wenn du sie nicht dazu bringst, mir die Mütze zu geben“,<br />
erklärte Jayne, „dann werde ich rübergehen und sie ihr<br />
vom Kopf reißen. Vielleicht reiße ich ihr auch gleich den Kopf<br />
ab, wenn ich schon dabei bin.“<br />
Jaynes aufbrausendes Knurren war so laut, dass es durch den<br />
ganzen Frachtraum hallte. Es war so laut, dass es durch das<br />
ganze Schiff hallte. Doch River, die sich auf dem Laufsteg am<br />
anderen Ende des Frachtraums aufhielt, schien es nicht zu hören.<br />
River tanzte. Gefangen in einer Musik, die nur sie hören<br />
konnte, drehte und streckte sie sich. <strong>Die</strong> fließenden Bewegungen<br />
ihrer Arme und Beine verwoben sich zu einer Symphonie<br />
aus Eleganz und Präzision. In Verbindung mit dieser Anmut<br />
wirkte die Mütze noch unangebrachter. River war geschmeidig<br />
und biegsam, die Mütze verbeult und hässlich. Und doch<br />
stimmte das Gesamtbild irgendwie, denn die Mütze betonte<br />
durch diesen Kontrast die überirdische Schönheit von Rivers<br />
Tanz. Sie passte zu River.<br />
Ob der eigentliche Besitzer der Mütze diese seltsame Symbiose<br />
aus Kopfbedeckung und Choreografie zu schätzen wusste,<br />
ließ sich nicht erkennen. Er hätte es auch nie zugegeben.<br />
„Mal“, flehte Jayne. „Zum letzten Mal. Wenn sie nicht mit<br />
dem Herumgehopse aufhört und mir meine Mütze gibt …“<br />
Mal Reynolds seufzte schwer. Er war einmal ein Krieger gewesen.<br />
<strong>Die</strong> Rolle des Friedensstifters fiel ihm schwer. Doch<br />
auf der Serenity musste er oft genau das sein. <strong>Die</strong> achtköpfige<br />
Gruppe, die er als Besatzung bezeichnete, bestand aus Außenseitern<br />
und Ausgestoßenen und stritt sich gern. Sein Job als ihr<br />
Anführer bestand nicht so sehr daraus, ihnen Befehle zu geben,<br />
sondern eher daraus, Feuer zu löschen. Obwohl er sich nicht<br />
darum bemüht hatte und es auch nicht wirklich wollte, war Mal<br />
10
zum Familienoberhaupt geworden, allerdings zu dem einer sehr<br />
zerrütteten Familie.<br />
„Das ist nur eine Mütze“, sagte er zu Jayne, „und eine, die<br />
auch noch ziemlich armselig aussieht. Ich glaube nicht, dass<br />
River ihren Zustand verschlechtern wird.“<br />
Jayne schnaubte. „Das Mädchen hat sich in meine Kabine geschlichen.<br />
Hat meinen rattigen Besitz geklaut! Für so was gibt<br />
es Regeln, und wenn nich, dann sollte es sie geben. Wirst du<br />
dich jetzt wie ein Captain benehmen oder muss ich das Gesetz<br />
in die eigene Hand nehmen?“<br />
Mal seufzte noch schwerer. Er mochte Jayne. Bewunderte ihn<br />
sogar, weil er listig war, immer sagte, was er dachte, und sich<br />
nichts gefallen ließ. Aber der Kerl war manchmal schon ein bèn<br />
tiān sheng de yī duī ròu.<br />
Mal wollte gerade zu River gehen, als Zoë Alleyne Washburne,<br />
der die Diskussion nicht entgangen war, den Frachtraum betrat.<br />
Jayne drehte sich enthusiastisch zu ihr um. „Zoë, du bist doch<br />
eine Frau.“<br />
„Klingt so, als fändest du das schlecht.“<br />
„Nein, ich finde das nicht schlecht. Sondern gut. Du musst<br />
mit dem Mädchen reden.“ Jayne zeigte auf die immer noch tanzende<br />
River. „Überzeuge sie. Sozusagen von Frau zu Frau.“<br />
Zoë hob eine Augenbraue. „Wieso, Jayne? Fürchtest du dich<br />
etwa vor ihr? Ein großer, kräftiger Ex-Söldner wie du gegen so<br />
ein zerbrechliches Ding?“<br />
„Ich habe keine Angst vor niemandem!“, sagte Jayne und<br />
plusterte sich auf, aber um ehrlich zu sein, River Tam hatte etwas<br />
an sich, das er gruselig fand. Das lag nicht nur daran, dass<br />
sie nicht ganz dicht war. Es steckte mehr dahinter. Sie verbarg<br />
etwas. Im tiefsten Inneren. Etwas Gefährliches. Etwas, in das<br />
man sich besser nicht einmischte, wenn einem sein Leben lieb<br />
war.<br />
Aber man musste sich auch nicht unbedingt einmischen.<br />
11
Manchmal ging River einfach hoch, obwohl sie niemand provoziert<br />
hatte, wie Jayne nur zu gut wusste. Wie damals, als sie<br />
ihn grundlos mit einem Tranchiermesser angegriffen hatte.<br />
An Bord der Serenity tickte eine Zeitbombe und ihr Name<br />
war River Tam.<br />
„Hier ist ja einiges los“, sagte Shepherd Book, als er den Frachtraum<br />
betrat. Kaylee Frye und Rivers Bruder Simon waren bei<br />
ihm. Eben noch hatten die drei im Speiseraum Hohe Karte gespielt<br />
und Simon hatte ständig verloren. Für einen heiligen<br />
Mann war Derrial Book ein bemerkenswert guter Bluffer, und<br />
hinter Kaylees gefälligem, herzförmigem Gesicht verbarg sich<br />
eine Heimtücke, die sie nur zu ihrem Vorteil einsetzte, wenn es<br />
um etwas so Harmloses wie ein Kartenspiel ging. Es half Simon<br />
auch nicht – Kaylee schon –, dass er in sie verliebt war. Er hatte<br />
einige Male absichtlich verloren, damit sie ihn vielleicht ein<br />
bisschen mehr mochte.<br />
„Was gibt es denn für ein Problem?“, fuhr Book fort. Seine<br />
warme, tiefe Stimme klang so gelassen und verständnisvoll,<br />
dass man sich hätte vorstellen können, aufmerksam in der Kirche<br />
zu sitzen und seiner Predigt nicht nur zuzuhören, sondern<br />
sie zu genießen.<br />
„Sie“, sagte Jayne. „Mütze.“ Er war so aufgebracht, dass er<br />
die Worte kaum hervorbringen konnte.<br />
„Jayne hat einen Dorn unterm Sattel, weil River seinen Chapeau<br />
trägt“, erklärte Mal.<br />
„Du bist ihr gorramn Bruder“, fuhr Jayne Simon an. „Du<br />
weißt besser als wir, wie sie funktioniert. Kannst du sie nicht,<br />
keine Ahnung, abschalten oder so?“<br />
„Sie ist keine Maschine, Jayne“, wies Zoë ihn zurecht.<br />
„Wenn sie eine wäre, hätten wir ihr schon längst den Saft abgedreht“,<br />
murmelte Jayne.<br />
„River? River?“ Simon Tam näherte sich seiner Schwester,<br />
die Hände beruhigend ausgestreckt. Er liebte River, aber er<br />
traute ihr nicht. Seit man River an der Akademie – einer an-<br />
12
geblichen Allianzschule für hochbegabte Kinder, aus der Simon<br />
sie gerettet hatte – grausamen medizinischen Experimenten<br />
unterzogen hatte, war sie nicht mehr das Mädchen, mit dem<br />
er aufgewachsen war. Manchmal erkannte er sie kaum wieder.<br />
Manchmal jagte sie ihm sogar Angst ein.<br />
River hielt kurz in ihrem Tanz inne und starrte Simon durchdringend<br />
an. Ihre großen braunen Augen sahen ihn nicht nur an.<br />
Sie sahen in ihn hinein, so als würde sie all seine Geheimnisse<br />
kennen. Dann wirbelte sie herum und setzte ihre Bewegungssequenzen<br />
fort, die so geschmeidig und athletisch waren, dass<br />
die Balletttruppen auf den zentralen Planeten sie vom Fleck<br />
weg engagiert hätten.<br />
„River!“, rief Simon, jedoch vergeblich. Seine Schwester war<br />
in einer Art Trance versunken, die sich seinem Einflussbereich<br />
entzog.<br />
Er drehte sich um und sah Jayne unglücklich an. Dessen Finger<br />
zuckten. Er schien kurz davor zu sein, den Laufsteg zu betreten<br />
und die Angelegenheit mit den Fäusten zu klären. Simon<br />
schluckte, als er daran dachte, dass im Falle eines Faustkampfs<br />
zwischen ihm und Jayne einer von ihnen blutend und wahrscheinlich<br />
bewusstlos am Boden liegend enden würde und dass<br />
das nicht Jayne sein würde.<br />
Zu Simons Erleichterung traf nun auch Inara Serra am Tatort<br />
ein. Anscheinend hatte sie das Theater im Frachtraum sogar in<br />
ihrem Shuttle gehört, das an der Steuerbordseite der Serenity<br />
hing.<br />
Simon glaubte, dass Inara, die als Companion Taktgefühl<br />
und Selbstbeherrschung verkörperte, die angespannte Lage im<br />
Frachtraum entschärfen könnte. Nicht umsonst hatte die Besatzung<br />
ihr den Spitznamen „die Botschafterin“ gegeben. Sie<br />
verstand es nicht nur, andere Menschen körperlich zu erfreuen,<br />
sondern durchschaute sie auch auf subtile Weise.<br />
Inara schätzte die Lage auf den ersten Blick richtig ein.<br />
„River, mein Schatz“, sagte sie, und River hielt sofort inne.<br />
„<strong>Die</strong>se Mütze passt nicht zu deinem Kleid.“<br />
13
„Das hätte ich ihr auch sagen können“, meinte Kaylee.<br />
Book sah sie an.<br />
„Was ist?“, protestierte Kaylee. „Dass ich den ganzen Tag<br />
Overalls trage, heißt nicht, dass ich keine Ahnung von Mode<br />
habe.“<br />
„Warum nimmst du sie nicht ab?“, fuhr Inara fort. „In meinem<br />
Shuttle finden wir bestimmt etwas Angemesseneres für dich.“<br />
River legte den Kopf zur Seite und lächelte. „Sie können sich<br />
manchmal nicht einmal ansehen. Das geht so weit, dass das,<br />
was sie nicht sagen, wichtiger ist als das, was sie tun. Sie sind<br />
zwei Sonnen in einem Binärsystem, die umeinander kreisen.<br />
Beide sind hell, beide erstrahlen. Aber sie werden einander verbrennen,<br />
wenn sie nicht zusammenkommen, und dafür ist es<br />
vielleicht eh schon zu spät.“<br />
River neigte zu solch kryptischen Aussagen. Inara runzelte<br />
die Stirn, als würde sie nicht verstehen, worauf River hinauswollte.<br />
Doch der kurze, reflexartige Blick, den sie Mal zuwarf,<br />
ließ vermuten, dass sie es doch wusste.<br />
„<strong>Die</strong> Mütze, River“, sagte sie. „Jayne gefällt es nicht, dass du<br />
sie hast. Gib sie ihm zurück, dann kannst du weitertanzen, solange<br />
du willst.“<br />
River dachte über dieses Angebot nach. Dann ergriff sie das<br />
Geländer des Laufstegs, sprang darüber und landete so leichtfüßig<br />
wie eine Katze auf dem Boden des Frachtraums. Sie<br />
schlenderte zu Jayne und zog sich währenddessen die Wollmütze<br />
vom Kopf. Sie hielt sie ihm hin.<br />
Jayne zögerte und musterte River misstrauisch, weil er einen<br />
Trick vermutete. Er riss ihr die Mütze aus der Hand und presste<br />
sie sich an die Brust.<br />
„Danke“, sagte River wie eine Lehrerin, die ihrer Klasse Manieren<br />
vermitteln wollte.<br />
„Danke“, wiederholte Jayne mürrisch, fragte sich aber, weshalb<br />
er derjenige war, der sich bedanken sollte.<br />
„Das passiert, wenn wir zu lange im All unterwegs sind und<br />
nur wenig zu tun haben“, sagte Inara zu Book.<br />
14
„Captain Reynolds sagt, dass wir gerade eine ‚Jobpause‘ machen“,<br />
erwiderte Book.<br />
„<strong>Die</strong> meisten Leute würden das als ‚arbeitslos‘ bezeichnen.“<br />
Book nickte. „Bleiben wir bei ‚Jobpause‘. Wir sollten ihm<br />
nicht auch noch das letzte bisschen Würde nehmen.“<br />
River stand immer noch vor Jayne und sah zu ihm hinauf.<br />
Dann sagte sie scheinbar unzusammenhängend: „Sie war nie<br />
deins.“<br />
„Wer war nie meins?“, fragte Jayne verwirrt.<br />
Rivers Stimme war leise und monoton, als würde sie im Halbschlaf<br />
sprechen. „Sie hat dir nie gehört.“<br />
„Mal“, sagte Jayne aus dem Mundwinkel. „Das Mädchen redet<br />
wirres Zeug. Schon wieder. Das gefällt mir nicht.“<br />
River streckte die Hand aus und strich sanft über Jaynes Wange.<br />
„Aber du solltest sie behandeln, als wäre es so.“<br />
Dann wirbelte sie herum und glitt in Richtung der Passagierkabinen<br />
davon.<br />
<strong>Die</strong> Stille, die darauf folgte, wurde von einer Stimme, die aus<br />
dem Schiffsinterkom drang, durchbrochen.<br />
„Ich wünsche all meinen fröhlichen Kameraden einen guten<br />
Tag. Hier spricht Hoban Washburne, euer unheimlich gut aussehender,<br />
aber erstaunlich bescheiden gebliebener Pilot. Wir<br />
haben eine Wave erhalten. Sie wurde aus einer privaten Sourcebox<br />
auf Thetis versandt. Wenn ich mir den Nachrichtenverlauf<br />
so ansehe, springt sie schon seit einer Weile von Knotenpunkt<br />
zu Knotenpunkt durch den Cortex. Der Empfänger ist ein gewisser<br />
Jayne Cobb.“<br />
„Jayne?“, sagte Mal. „Erwartest du eine Wave?“<br />
„Soweit ich weiß, nicht.“<br />
„Der Sender“, fuhr Wash fort, „ist eine gewisse Temperance<br />
McCloud.“<br />
„Temperance wer? Ich kenne keine …“ Dann wurde Jayne<br />
blass. „Nee. Nee, das kann nicht sein.“<br />
„Du siehst aus, als wärst du einem Geist begegnet“, bemerkte<br />
Zoë.<br />
15
Jayne nickte, schien ihr aber nicht zugehört zu haben.<br />
„Du willst sie bestimmt gerne in deiner Kabine ansehen“,<br />
sagte Wash. „Und zack, schon ist sie dort. Danke für die Nutzung<br />
des Telekommunikationskonzerns Washburne. Ihre Zufriedenheit<br />
liegt uns am Herzen.“<br />
Jayne, der immer noch die Mütze umklammerte, verließ hastig<br />
den Frachtraum.<br />
„Sir, haben Sie irgendeine Ahnung, wer Temperance<br />
McCloud ist?“, fragte eine verwirrte Zoë Mal.<br />
Der Captain der Serenity schüttelte den Kopf. „Nicht die geringste<br />
Ahnung, aber der Name hat Jayne offenbar so verstört,<br />
dass ich das unbedingt ändern will.“<br />
16
Drohungen sind nicht erwünscht<br />
Huckleberry U. Gillis schwitzte.<br />
Stark.<br />
Was, da er auf dem vielleicht trockensten Planeten im ganzen<br />
Universum lebte, einer Welt, auf der Wasser so wertvoll wie<br />
Gold war, nicht sonderlich klug war.<br />
Aber nachvollziehbar.<br />
Denn unmittelbar neben seiner Kehle befand sich ein Messer<br />
mit einer äußerst scharfen Klinge.<br />
Und der schrecklich vernarbte Mann, der das Messer in der<br />
Hand hielt, sah nicht nur so aus, als wüsste er, wie man es<br />
einsetzt, sondern auch so, als würde er es einsetzen.<br />
Es war nicht leicht, Bürgermeister von Coogan’s Bluff zu sein,<br />
aber Huckleberry Gillis glaubte, dass er seine Sache ganz gut<br />
machte.<br />
Coogan’s Bluff war eine winzige Stadt, eine von einigen Hundert<br />
Siedlungen, die man verstreut auf der trockenen Oberfläche<br />
von Thetis errichtet hatte. Der Planet lag zwischen der Grenze<br />
und den äußeren Randgebieten, allerdings näher an Letzteren.<br />
Thetis war ein ironischer Name. <strong>Die</strong> ursprüngliche Thetis war<br />
eine Meeresnymphe aus der griechischen Mythologie der Erde-von-einst.<br />
Nur jemand mit einem seltsamen Sinn für Humor<br />
– oder großem Optimismus – hätte sich diesen Namen für<br />
17
einen Planeten ausgeliehen, dessen Landmassen größtenteils<br />
aus Wüsten bestanden und dessen kleine Ozeane so salzhaltig<br />
waren, dass es kaum Leben darin gab.<br />
Manchmal funktionierte Terraforming, manchmal nicht. Das<br />
hing von Umweltfaktoren und der recht wankelmütigen Technologie<br />
ab, die ihm zugrunde lag. Im Fall von Thetis hatte es keine<br />
großen Auswirkungen gehabt und nur die härtesten Kolonisten<br />
suchten sich diese Welt aus. Es waren Leute, die so wenig wie<br />
möglich mit der Allianz und dem Kern zu tun haben wollten.<br />
Nicht unbedingt Unruhestifter, aber der Typ Mensch, der sich<br />
nicht gerne den Herrschenden unterwarf, der Typ, der glaubte,<br />
dass Leute sich durchwursteln konnten, ohne dass ihnen irgendein<br />
Bürokrat sagte, wie sie sich durchwursteln sollten, und ohne<br />
viele Steuern auf den Ertrag ihres Durchwurstelns zu zahlen.<br />
Bürgermeister Gillis mischte sich so wenig wie möglich in<br />
das Leben der Stadtbewohner ein. Er beschränkte seine Pflichten<br />
darauf, Streitigkeiten zu schlichten, Gemüter zu besänftigen<br />
und in Billys Bar am Rand des Marktplatzes, wo die Hauptstraße<br />
auf die Two-Mile-Road traf, herumzuhängen. <strong>Die</strong> Bar war praktisch<br />
sein zweites Büro, und dort verbrachte er seine Zeit verdammt<br />
noch mal lieber als in seinem eigentlichen Büro, das eher<br />
an einen Kuhstall erinnerte. <strong>Die</strong> Stammgäste in Billys Bar kamen<br />
oft zu Gillis, gaben ihm ab und zu einen Drink aus, quatschten<br />
ein bisschen, redeten sich etwas von der Seele oder beides.<br />
Wenn jemand sich über etwas beschwerte, murmelte Gillis<br />
verständnisvoll und versprach, sich der Sache anzunehmen.<br />
Manchmal hielt er dieses Versprechen sogar, was für einen gewählten<br />
Volksvertreter ungewöhnlich war. Er war auch beliebt,<br />
was für einen gewählten Volksvertreter noch ungewöhnlicher<br />
war.<br />
Er führte also kein schlechtes Leben und Gillis war mit seinem<br />
Los zufrieden.<br />
Oder war es zumindest, bis Elias Vandal auftauchte.<br />
Derselbe Elias Vandal, der ihn gerade mit einem Messer bedrohte.<br />
18
Vandal und seine Scourer hatten Gillis und den restlichen<br />
Einwohnern von Coogan’s Bluff so ziemlich alles verdorben.<br />
Elias Vandal hatte ein Gesicht wie eine halb aufgegessene<br />
Mahlzeit. <strong>Die</strong> rechte Seite war frei von Makeln, auf eine markante<br />
Weise fast schon attraktiv. Leider war die linke Seite so<br />
verunstaltet, dass man die intakte kaum bemerkte.<br />
Etwas hatte sich durch die linke Seite von Vandals Gesicht gekaut,<br />
gegraben, gebrannt oder etwas anderes damit getan. Nun<br />
bestand sie von der Schläfe bis zum Kinn aus einem wachsähnlichen<br />
Gewebe, das aussah wie erkaltete Lava. Sein linkes Auge<br />
verbarg sich zur Hälfte unter einem Hautlappen, und das Weiße<br />
darin war so blutunterlaufen, dass es unpassend erschien, es als<br />
„das Weiße“ und nicht als „das Rote“ zu bezeichnen. Vandals<br />
linker Mundwinkel war nach oben verzogen, sodass er ständig<br />
höhnisch zu grinsen schien. Das Nasenloch darüber war breiter<br />
als sein Gegenstück und so runzelig wie der Anus eines alten<br />
Hundes.<br />
Seltsamerweise war Vandals linkes Ohr von dem schrecklichen<br />
Missgeschick, das ihm unterlaufen sein musste, verschont<br />
geblieben. Sein einziger Makel war der Ohrring, der an<br />
ihm hing. Ein Ohrring, der aus einem menschlichen Fingerknöchel<br />
zu bestehen schien oder zumindest so aussah.<br />
<strong>Die</strong>ses Gesicht hing nun über Gillis, während das Messer<br />
auf den kleinen Hautsack unter dem Kinn des Bürgermeisters<br />
drückte. Ein Blutstropfen klebte an der Messerspitze, aber Gillis<br />
fühlte den Schmerz kaum. Zu sehr zog ihn Vandals Gesicht<br />
in seinen furchterregenden Bann – und die Vorstellung, dass es<br />
vielleicht das Letzte sein würde, was er je sah.<br />
„Nur zur Klarstellung“, knurrte Vandal. „Wir sind wann hierhergekommen?<br />
Vor einem Monat? So was in der Art. Und da<br />
haben wir uns unterhalten, oder? Oder?“<br />
Gillis, der erkannte, dass eine Reaktion von ihm erwartet<br />
wurde, nickte. <strong>Die</strong> Position der Klinge sorgte jedoch dafür, dass<br />
dieses Nicken nur andeutungsweise ausfiel.<br />
19
„Genau“, sagte Vandal. „Und was war die Quintessenz von<br />
besagter Unterhaltung? Helfen Sie mir mal auf die Sprünge, Mr<br />
Bürgermeister.“<br />
„Ich sagte …“ Gillis’ Mund war ausgedörrt und seine Zunge<br />
fühlte sich wie ein trockener Schwamm an. Währenddessen<br />
floss ihm der Schweiß aus allen Poren und sorgte dafür, dass<br />
sein Hemdkragen und die Achselhöhlen feucht wurden. „Ich<br />
sagte, dass ich Zeit brauche. Dass ich so eine Entscheidung<br />
nicht übers Knie brechen kann. Ich sagte, dass ich mir anhören<br />
würde, was man in der Stadt davon hält. Dass ich Ihnen Bescheid<br />
sagen würde.“<br />
„Bescheid sagen.“ Vandal sprach die Worte langsam aus.<br />
„Und jetzt bin ich hier, damit Sie mir Bescheid sagen können.<br />
Ich hab Ihnen doch viel Zeit gelassen, oder? Sie hatten alle Zeit<br />
der Welt, um sich mit den netten Leuten hier zu beraten.“<br />
Vandal machte eine Geste, die alle Gäste in Billys Bar, rund<br />
zwanzig Personen, einschloss. Sie alle starrten ihn und Gillis<br />
an. Seit Vandal und ein halbes Dutzend Mitglieder seiner Scourer-Gang<br />
ein paar Minuten zuvor in die Bar marschiert waren,<br />
hatte niemand auch nur an seinem Drink genippt. Alle sahen zu,<br />
wie sich Gillis in Vandals Griff wand, und dankten dem Herrn,<br />
dass sie nicht an seiner Stelle waren.<br />
„Sie und ihre ganzen Sippschaften“, sagte Vandal. „So langsam<br />
sollten Sie das unter Dach und Fach gebracht haben. Was<br />
gibt’s daran zu deuteln? Ihr habt Brunnen, Aquifere kreuz und<br />
quer im Boden. Eine vernünftige Wasserversorgung. Genug, um<br />
eure Felder zu bewässern und euren Durst zu stillen. Es wäre<br />
nett – richtig und anständig –, wenn ihr dieses Geschenk mit<br />
anderen teilen würdet, die weniger Glück gehabt haben. Und in<br />
diese Kategorie fallen meine Jungs und ich definitiv.“<br />
<strong>Die</strong> Scourer johlten zustimmend. Einer von ihnen hatte den<br />
Platz hinter der Theke eingenommen. Dort stand normalerweise<br />
der Barbesitzer Billy Kurosawa, der nun hilflos mit ansehen<br />
musste, wie der Scourer sich seinen besten Bourbon direkt aus<br />
der Flasche einverleibte. Ein anderer Scourer saß zwischen Jake<br />
20
und Sally Buchholz, einem älteren Ehepaar. Er hatte die Arme<br />
um deren Schultern gelegt, als wäre er ihr seit Langem verschollener<br />
Sohn oder so. Mr und Mrs Buchholz saßen erstarrt<br />
und mit entsetztem Gesichtsausdruck da.<br />
„So“, sagte Vandal zu Gillis. „Ich habe euch ein sehr ordentliches<br />
Angebot für das alleinige Besitzrecht an den Brunnen<br />
von Coogan’s Bluff gemacht. Was war das noch mal für ein Angebot?“<br />
„Dass wir es Ihnen für null Credits verkaufen könnten“, sagte<br />
Gillis.<br />
„Korrekt. <strong>Die</strong> fürstliche Summe von null Credits. Und im Gegenzug<br />
würdet ihr mir euer Wasser abkaufen, Tropfen für Tropfen.<br />
Aber das ist nicht alles, oder?“<br />
„Nein.“ Gillis schüttelte den Kopf und nutzte die Bewegung,<br />
um die Entfernung zwischen der Klinge und seinem Hals ein<br />
winziges bisschen zu vergrößern. „Nein, Sie haben gesagt, dass<br />
wir auch unser Leben behalten würden.“<br />
Vandal grinste. In seinem Mund fehlten einige Zähne und die<br />
verbliebenen waren krumm und gelbbraun. Sie ragten wie Stalaktiten<br />
aus seinem Zahnfleisch. Sein Atem hätte einen Kanalarbeiter<br />
würgen lassen.<br />
„Wenn Sie mich fragen, ist das ein sehr fairer Handel“, sagte<br />
er. „Was gibt es daran zu feilschen?“<br />
„Nichts. Aber … Manche Dinge brauchen nun mal Zeit, Mr<br />
Vandal. So wichtige Entscheidungen muss man sorgfältig abwägen.<br />
An ihnen feilen. Ich konnte noch nicht mit allen reden.<br />
Einige Farmer leben weit draußen im Ödland oder oben in den<br />
Hügeln. Da kommt man nicht so leicht hin. Ich brauche etwas<br />
mehr Zeit. Nur ein paar Tage.“<br />
Vandals Grinsen wurde breiter und verschwand dann abrupt.<br />
Da war Gillis klar, dass er sterben würde. Er betete um einen<br />
schnellen Tod. Vandal behauptete jedoch, dass er einmal ein<br />
Reaver gewesen war, und die waren berüchtigt dafür, dass sie<br />
ihre Opfer auf langsame und widerwärtig erniedrigende Weise<br />
umbrachten.<br />
21
Vandal wandte sich an seine Scourer. „Hört ihr das, Jungs?<br />
Mr Bürgermeister braucht noch ein paar Tage. Nach all den vielen<br />
Tagen, die wir ihm bereits gewährt haben. Klingt das für<br />
euch nach einer Verzögerungstaktik? Für mich schon.“<br />
„N-nein“, stammelte Gillis. „Das schwöre ich. Das muss nur<br />
vernünftig geregelt werden.“<br />
Vandal lehnte sich zurück. Gillis verzog das Gesicht und wartete<br />
auf den Todesstoß.<br />
Auf einmal befand sich das Messer nicht mehr an seiner Kehle.<br />
Vandal hob es hoch, sodass es neben seinem eigenen Kopf<br />
hing. <strong>Die</strong> Waffe hatte eine ungewöhnliche Form. <strong>Die</strong> Klinge<br />
war sichelförmig. Der Griff aus poliertem Holz, der kaum breiter<br />
als die Klinge war, vervollständigte den Halbkreis.<br />
„Wissen Sie was?“, sagte Vandal. „Drei Tage. Mehr nicht.<br />
Noch drei Tage. Dann kommen wir bei Sonnenaufgang zurück,<br />
und Sie sollten einen Vertrag dabeihaben, der die Wasserrechte<br />
an mich überträgt. Wenn nicht, werden Sie eine Menge Flüssigkeit<br />
sehen, Mr Bürgermeister, aber kein Wasser, wenn Sie verstehen,<br />
was ich meine.“<br />
„Blut“, sagte einer der Scourer, ein großer Kerl, der wie ein<br />
Oger aussah. „Er meint Blut.“<br />
Vandal verdrehte die Augen. „Das gorramn weiß er, Shem, du<br />
Nachgeburt. Das musst du ihm nicht erklären.“<br />
„Oh! Okay.“ Man musste sagen, dass Shem wohl nicht der<br />
Hellste war. Seine Augen standen zu eng beisammen, seine Ohren<br />
waren zu weit voneinander entfernt. „Kapiert, Boss.“<br />
Vandal schwang seinen Arm durch die Luft und die Scourer<br />
gingen zur Tür.<br />
Vandal wollte sich ihnen gerade anschließen, als ein Stadtbewohner<br />
aufstand und sein Stuhl dabei über den Boden kratzte.<br />
Es handelte sich um einen gebrechlichen alten Mann über<br />
siebzig und dürr wie ein Zweig. Seine Haut war so ausgetrocknet<br />
wie die Landschaft, die Coogan’s Bluff umgab.<br />
„Jetzt hörst du mir zu, du Bastard“, sagte der alte Mann, der<br />
Cecil Hanratty hieß. Er war der älteste Einwohner der Stadt.<br />
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Manche hielten ihn für mürrisch, andere einfach nur für direkt.<br />
Er lebte schon seit der Gründung des Orts in Coogan’s Bluff.<br />
Seine durch das Alter verblassten Augen funkelten. „Du kannst<br />
dir nicht nehmen, was dir nicht gehört. Das ist unser Wasser. Es<br />
gehört uns. Gott hat uns dieses Geschenk gemacht und wir werden<br />
es nich’ mit so ’nem Möchtegern-Tyrannen teilen.“<br />
Vandal war mit zur Seite geneigtem Kopf stehen geblieben,<br />
um zuzuhören. Sein Blick war fragend, beinahe resigniert.<br />
„Bist du fertig, alter Mann?“, sagte er.<br />
„Nein, bin ich nicht“, sagte Hanratty. „Wenn die Allianz erfährt,<br />
was du hier abziehst, Vandal, dass du die Hälfte der Siedlungen<br />
auf Thetis so eingeschüchtert hast, dass sie dir die Wasserrechte<br />
überlassen haben, dann wird man Truppen schicken,<br />
die dich und deine Bande Schwachsinniger zerquetschen werden<br />
wie Insekten.“<br />
Vandal drehte sich um. „Ist das eine Drohung?“<br />
„Nein, eine Tatsache.“<br />
„Klingt aber wie eine Drohung. Und Drohungen sind hier<br />
nicht erwünscht. Ich werde dir gleich zeigen, wie unerwünscht<br />
sie sind, aber lass mich erst auf dein Allianz-Argument eingehen.<br />
<strong>Die</strong> Allianz interessiert sich einen Scheiß für einen Hinterwäldlerplaneten<br />
wie diesen. <strong>Die</strong> Allianz wird keinen Kreuzer<br />
nach Thetis schicken, kein Shuttle, keinen Hubschrauber,<br />
gar nichts. Du kannst schreien, so laut du willst, es wird nichts<br />
passieren. Dein Bürgermeister weiß das genau, deshalb hat er<br />
auch keine Wave geschickt. Ebenso gut könntest du Gott um<br />
Hilfe bitten. Dass das passiert, ist genauso wahrscheinlich.<br />
So …“<br />
Er warf das Messer hoch, sah zu, wie es sich überschlug, und<br />
fing es wieder.<br />
„Was die Drohung angeht …“<br />
Das Messer überschlug sich erneut.<br />
Hanratty starrte ihn trotzig an.<br />
Vandal schwang seinen Arm zur Seite und ließ das Messer<br />
los. Wie ein Bumerang flog es in einem perfekten Halbkreis<br />
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durch die Luft. Und wie ein Bumerang kehrte es in die Hand des<br />
Werfers zurück. Vandal fing es geschickt am Griff.<br />
Hanratty stand noch da. Das Messer war unmittelbar vor ihm<br />
vorbeigeflogen und schien ihn nur um Haaresbreite verfehlt zu<br />
haben.<br />
Doch es hatte ihn nicht verfehlt.<br />
Hanratty griff sich mit zitternder Hand an den Hals. Ein spitzwinkliger<br />
schmaler Streifen aus Blut war dort entstanden. Sein<br />
Gesichtsausdruck wirkte schockiert und ungläubig. Er wusste,<br />
dass ihm etwas angetan worden war, aber er verstand nicht, was.<br />
Dann rutschte sein Kopf seitlich vom Hals. Er fiel mit einem<br />
dumpfen Fump auf den von Sägespänen bedeckten Boden. Seine<br />
Beine gaben nur einen Sekundenbruchteil später nach. Sein<br />
kopfloser Körper fiel nach hinten und aus den durchtrennten<br />
Arterien spritzte Blut. <strong>Die</strong> Einheimischen schrien und keuchten<br />
entsetzt.<br />
Vandal schüttelte das Blut von der Messerklinge ab. Drei<br />
Stadtbewohner, die in der Nähe standen, wurden davon getroffen.<br />
Sie zuckten zusammen und verzogen das Gesicht.<br />
„Ich verabschiede mich jetzt“, sagte Vandal mit einer höflichen<br />
Verbeugung. „Drei Tage. Sie sollten dann besser alles<br />
haben, was ich will, sonst … nun, manche haben Drohungen<br />
nicht nötig, richtig?“<br />
Er nickte Hanrattys zweigeteilter Leiche zu und schlenderte<br />
aus der Bar.<br />
Niemand sagte etwas. Niemand musste etwas sagen. Alle wandten<br />
sich Bürgermeister Gillis zu.<br />
„Miss McCloud wird das für uns regeln“, murmelte Huckleberry<br />
zu sich selbst. „Das muss sie.“<br />
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