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Kirchenzeitung Nr 14 2020

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28 Kultur 2. April <strong>2020</strong> KirchenZeitung Diözese Linz<br />

Zur Sache<br />

Glocken in Rom<br />

und Hubai<br />

Künstlerische Gestaltung der Glocken für Perg und Rainbach kurz vor Fertigstellung<br />

Begleiterinnen für die Seele<br />

Ab dem Gloria des Abendgottesdienstes<br />

am Gründonnerstag<br />

schweigen die Glocken und<br />

die Orgel. Der Verzicht auf Glocken<br />

und Orgel wird als „Fasten<br />

der Ohren“ bezeichnet. Dem<br />

Volksglauben zufolge fliegen die<br />

Glocken nach Rom und kehren<br />

erst zur Auferstehungsfeier in<br />

der Osternacht zurück. Ob wegen<br />

des päpstlichen Segens, der<br />

Beichte, einer Mahlzeit im Vatikan<br />

oder um Kraft zu tanken,<br />

darüber ist sich der Volksglaube<br />

uneinig. Für die Menschen<br />

des Mittelalters war das Schweigen<br />

der Glocken besonders auffällig,<br />

denn das Stundengeläut<br />

der Kirchen bestimmte ihren Tages-<br />

und Arbeitsablauf. Deswegen<br />

behalf man sich damit, dass<br />

Jugendliche mit Holzinstrumenten,<br />

den Ratschen, die Stunden<br />

signalisierten. Auch heute ist<br />

es noch mancherorts Tradition,<br />

Ratschen zu verwenden.<br />

Musikinstrument. Glocken<br />

laden nicht nur zum Gottesdienst<br />

ein, sie sind ein Zeichen<br />

der Verbundenheit, der Erinnerung,<br />

des Aufrufs und bilden<br />

einen Teil der kulturellen<br />

Identität. Glocken sind Musikinstrumente.<br />

Besonders jetzt<br />

fehlt vielen das Glockengeläut<br />

zur üblichen Zeit. In manchen<br />

Gegenden werden nun abends<br />

um 20 Uhr die Glocken geläutet,<br />

um Christ/innen im Gebet<br />

zu vereinen.<br />

Glockenspiel in China. Das<br />

vermutlich älteste Glockenspiel<br />

wurde übrigens nicht in Europa<br />

gefunden, sondern in der Provinz<br />

Hubai. Noch vor einigen<br />

Wochen hätten wohl nur wenige<br />

gewusst, wo diese chinesische<br />

Provinz liegt. Hier wird<br />

nicht nur der Ursprung des Corona-Virus<br />

vermutet: Dort wurde<br />

1978 ein Glockenspiel als<br />

Grabbeigabe gefunden, das ca.<br />

3.500 Jahre alt ist.<br />

Heiligenfiguren oder ihre Botschaft finden<br />

sich auf den neuen Glocken für Rainbach<br />

und Perg. Die künstlerische Gestaltung ist<br />

so unterschiedlich wie die Künstler/innen<br />

selbst. „Keine Glocke gleicht der anderen“,<br />

erzählt Glockengießer Rudolf Perner.<br />

Elisabeth Leitner<br />

Für die Kalvarienbergkirche in Perg hat Manfred<br />

Wakolbinger zwei Glocken gestaltet.<br />

Eine Glocke ist für ihn „eine Begleiterin der<br />

Seele“. Zwei Sätze aus dem Sonnengesang<br />

des Franz von Assisi zum Thema Schöpfung<br />

und Vollendung hat er künstlerisch umgesetzt.<br />

Die Form der Sätze ist nach oben strebend<br />

und aufsteigend. – Die Glockengestaltungen<br />

in der Pfarrkirche Rainbach tragen<br />

die Handschrift von Irene und Christine<br />

Hohenbüchler. Stifter der Glocke „Ton e2“<br />

sind die Feuerwehren aus sieben benachbarten<br />

Gemeinden. Deshalb findet sich auch<br />

der Hl. Florian auf dieser Glocke. Die kleinere<br />

„cis3“-Glocke wird von der Goldhaubengruppe<br />

Rainbach gestiftet und zeigt die Hl.<br />

Notburga und Hl. Barbara. „Auf die Kostbarkeit<br />

des Dienstes von Frauen wird mit den<br />

Heiligen, die die Goldhaube tragen, verwiesen“,<br />

erklären dazu die Künstlerinnen Irene<br />

und Christine Hohenbüchler.<br />

Eine Glocke für Perg. Manfred Wakolbinger orientierte sich<br />

am Sonnengesang des Hl. Franz von Assisi. Privat<br />

Entwurf der<br />

künstlerischen<br />

Gestaltung<br />

für die Glocke<br />

„Ton e2“ in<br />

Rainbach mit<br />

dem Hl. Florian.<br />

Die Künstlerinnen<br />

Irene und<br />

Christine Hohenbüchler<br />

sind noch<br />

in der Feinabstimmung.<br />

privat<br />

Unverwechselbar. Glockengießer Rudolf<br />

Perner von der gleichnamigen Glockengießerei<br />

in Passau arbeitet schon seit über 30<br />

Jahren mit Künstler/innen zusammen. Es<br />

gilt, das künstlerische Konzept glockengerecht<br />

umzusetzen: Form, Inhalt und Technik<br />

müssen zusammenpassen. An der Zusammenarbeit<br />

mit Künstler/innen schätzt er<br />

ihre unkonventionellen Ideen. „Keine Glocke<br />

gleicht der anderen“, erzählt er aus seiner<br />

beruflichen Praxis. Die Proportionen<br />

einer Glocke, bei der – vereinfacht gesagt –<br />

„alles windschief“ ist, müssen erst einmal<br />

erfasst werden. Zahlreiche Glockengestaltungen<br />

hat er mit Künstler/innen bereits<br />

umgesetzt und erinnert sich: „Die Glockengestaltungen<br />

von Kollerschlag und Altmünster<br />

sind wunderschön geworden.“ An die 100<br />

Glocken gießt er jährlich. Zur Zeit arbeitet er<br />

an den Glocken für Perg und Rainbach.<br />

Geschichte. Inschriften auf Glocken sind<br />

schon früh belegt. Im 11. Jahrhundert weisen<br />

Inschriften im christlichen Kontext zumeist<br />

auf die Gießer bzw. den Auftraggeber,<br />

die Funktion der Glocke und ihr Gussjahr<br />

hin. Nach der Änderung des Glockenherstellverfahrens<br />

konnten im Mittelalter Glocken<br />

viel aufwändiger gestaltet werden. Oftmals<br />

bildeten Glockengießer damals schon<br />

Heilige auf den Glocken ab, in der Hoffnung,<br />

dass sich ihr Schutz über die gesamte<br />

Hörweite der Glocke erstrecke. Manche<br />

nehmen jetzt das Glockenläuten bewusster<br />

wahr: „Besonders jetzt haben Glocken wieder<br />

eine wichtige Funktion. Sie laden zum<br />

Innehalten und zur Wachheit ein: Wohin<br />

geht unser Weg mit Gott?“, fragt Glockengießer<br />

Perner. Der Klang der Glocke vermittelt<br />

ein Stück Normalität und Sicherheit,<br />

während die Welt stillzustehen scheint. «

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