Kral Magazin Sommer 2020
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Francesca Melandri<br />
Alle, außer mir<br />
Übers. v. Esther Hansen<br />
btb, 608 Seiten<br />
Euro 12,40<br />
ISBN 978-3-442-71686-9<br />
Niemand bleibt verschont<br />
Geraume Zeit glaubte die vierzigjährige<br />
Ilaria, Lehrerin von Beruf, in einer halbwegs<br />
intakten Familie zu leben. Ehe eines<br />
Tages ein junger Afrikaner vor ihrer Wohnung<br />
in Rom auftaucht und behauptet, mit<br />
ihr verwandt zu sein. Er zeigt ihr seinen<br />
Ausweis – darin steht Attilio Profeti, das ist<br />
der Name ihres Vaters. Der ist zu alt, um<br />
noch Auskunft geben zu können. Hier beginnt<br />
in „Alle, außer mir“ von Francesca<br />
Melandri die Entdeckungsreise von Ilaria,<br />
von hier aus entfaltet die Autorin aber<br />
auch eine schier unglaubliche Familiengeschichte<br />
über drei Generationen und ein<br />
schonungsloses Porträt der italienischen<br />
Gesellschaft.<br />
Mut macht Beine<br />
Paris im Jahr 1885. Die gesamte Stadt will<br />
das Paar sehen: Im berühmten Krankenhaus<br />
Salpêtrière sollen Louise und Eugénie<br />
in einer Ballnacht glänzen. Ob die Hysterikerinnen<br />
nicht gefährlich seien, raunt sich<br />
die versammelte Hautevolee zu und bewundert<br />
ihre Schönheit gerade dann, wenn<br />
sie die Kontrolle verlieren. Für Louise und<br />
Eugénie aber steht an diesem Abend alles<br />
auf dem Spiel: Sie wollen aus ihrer Rolle<br />
ausbrechen, wollen ganz normale Frauen<br />
sein. Mit verblüffender Lebendigkeit<br />
erzählt Victoria Mas in „Die Tanzenden“<br />
vom Aufbruch derer, die sich nicht zufriedengeben,<br />
von berührender Solidarität<br />
und unbeirrbarem Mut.<br />
Imposantes Wetterleuchten<br />
Das Literaturland Österreich ist um einen<br />
Autor reicher, der in seinem Debüt-Roman<br />
„Vom Land“ durch archaische Wucht, aber<br />
auch seelische Tiefenbohrungen überzeugt.<br />
Wobei Dominik Barta recht riskantes<br />
Terrain betritt, denn an exzellenten<br />
Provinz- und Anti-Heimatromanen besteht<br />
wahrlich kein Mangel. Aber er bereichert<br />
das Genre durch radikale sowie auch<br />
empathische Einschübe. Zentrale Figur ist<br />
die Bäuerin Theresa, runde sechzig Jahre<br />
alt. Eine Krankheit setzt ihr massiv zu, sie<br />
fordert alle Familienmitglieder auf, heimzukehren<br />
und alle Rivalitäten zu vergessen.<br />
Famoses literarisches Wetterleuchten, politisch<br />
brisant aufgeladen.<br />
Victoria Mas<br />
Die Tanzenden<br />
Übers. v. Julia Schoch<br />
Piper, 240 Seiten<br />
Euro 20,60<br />
ISBN 978-3-492-07014-0<br />
ET: 6.7.<strong>2020</strong><br />
Dominik Barta<br />
Vom Land<br />
Zsolnay, 176 Seiten<br />
Euro 18,50<br />
ISBN 978-3-552-05987-0<br />
E-Book 978-3-552-05990-0<br />
„Ich schreibe mit einem kühlen Kopf und<br />
einem pochenden Herzen.“<br />
Dominik Barta<br />
Foto: unsplash<br />
Buchmedia <strong>Magazin</strong> 41<br />
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