30Zoom„Geht’s no mit Dir?“Eine Reise in die Vergangenheit mit Günter JachmanoskyErkundigt man sich bei den Augsburgern, ob sie einen gewissen Günter Jachmanoskykennen, wird man zunächst eher ein ratloses Kopfschütteln ernten. Bei den dreiBuchstaben SUZ hingegen erhellen sich die Mienen schnell, besonders bei denen, die sichmit Gastro, Fußball oder Punkmusik auskennen. SUZ stammt aus der kleinen GemeindeWörleschwang, später führte ihn sein beruflicher Weg für eine Zeit lang nach Berlin, vonwo er viele gute und neue Ideen für die Augsburger Gastroszene mitbrachte.Von Markus Krapf„Augsburg ist ein echtschwieriges Pflaster!“Foto: Markus Krapf
Zoom31SUZ, jetzt kennen wir uns schon über 20 Jahre und ich habe immer nochkeinen Schimmer, für was dein Spitzname steht. Kannst du mich bitteaufklären?Das rührt aus einer Zeit, als ich in meinem Heimatdorf Wörleschwang aufder Wiese gebolzt habe. Jeder hat sich damals einen prominenten Spielernamenverpasst und ich habe mich für Zocco von Real Madrid entschieden. InUnkenntnis der richtigen Aussprache wurde aus Zocco dann Suzzo. Am Endeblieb nur noch SUZ übrig. Bis zum heutigen Tag!Du hast deine letzte Kneipe, das nach dir selbst benannte SUZ in derBillerstraße, im Jahre 2006 geschlossen und bist seitdem von der gastronomischenGetränkekarte verschwunden. Wie verdienst du denn heutedein Geld?SUZ sollte damals für Sport, Unterhaltung und Zinnober stehen. Aberes gab einfach zu wenig davon, der Laden lief nicht richtig. Mir wurde klar,dass es so nicht weitergehen konnte, aber mit Anfang 50 den Sprung inein normales Angestellten-Leben zu schaffen, war echt hart. Durch meinenFührerschein blieb mir dann eigentlich nur die Prekariats-Branche Logistikund so beliefere ich Ford-Werkstätten in München mit den benötigten Autoteilen.Das passt soweit, aber ich muss zugeben, dass ich deutliche Verschleißspurenhabe.Dafür siehst du aber wie das blühende Leben aus. Doch zurück ins letzteJahrtausend, wie man hört, warst du Anfang der Achtziger ein Trendsetterin Sachen Mode und Musik. Schwer vorstellbar bei einem Jungenvom Land.Als kleiner Maurer-Sohn aus Wörleschwang mit polnischem Nachnamenhatte ich es tatsächlich nicht leicht am Gymnasium in Neusäß (Abiturdurchschnitt4,0). Aber eine BEAT-Club-Sendung 1970 im Ersten Programm hatmich dann echt umgeworfen, seitdem bin ich Fan der anglo-amerikanischenPop- und Rockkultur.War das ein Grund dafür, dass du nach Berlin gegangen bist?Nein! Ich habe damals eine Ausbildung zum Substitut gemacht. Irgendwannhat man mir eröffnet, dass das 2. Lehrjahr bei Hertie-Steglitz in West-Berlin stattfinden sollte. Einen Tag lang war ich am Boden zerstört, aber dannbegann ein großes Abenteuer.In deiner Zeit dort hast du Ende der 70er die absolute Hochphase desPunk miterlebt. Wie erinnerst du dich an diese Jahre?Von meinem ersten Monatsgehalt in Berlin habe ich mir ein gebrauchtesSaxophon gekauft und schon eine Woche später war ich stolzes Mitgliedder „Rucki-Zucki-Stimmungskapelle“ aus Britz Süd. Die waren damals sogarschon auf einer Schallplatte mit drauf! Das war gelungene Integration, dennWest-Berlin war schon eine komplett andere Welt, in die übrigens auch vieleandere „Auxbürger Punx“ mit ausgewandert sind. Ich habe jedenfalls in Berlinalle angesagten Punk- und Wave-Bands dieser Zeit live gesehen, warum genauwir aber immer in den „Dschungel-Club“ reingelassen wurden, ist mir ehrlichgesagt bis heute ein Rätsel (lacht).Warum bist du dann überhaupt wieder in die schwäbische Provinzzurückgekommen?Irgendwie und sowieso hat sich in Berlin alles ein wenig zerlaufen und ichhabe tatsächlich Heimweh bekommen.Zurück in Augsburg hast du zusammen mit Kuno Fettinger und Johann„Pulle“ Pupeter bei der Punkband „Stalinorgel“ gespielt. Hattet ihrdamals eigentlich Konkurrenz in der eigenen Stadt?Konkurrenz-Denken war uns absolut fremd. Mit „Stalinorgel“ waren wirsogar Mitveranstalter des 1. Augsburger Punk-Festivals in der Dorfschenke zuBachern. Mein Bandkollege Pulle hatte damals den Schlüssel für das Etablissement.Er hat als erster auf - und nach einem legendären Festival auch als letzterwieder zugesperrt. Dazwischen waren Leute aus ganz Süddeutschland da, soetwas hatte man in unserer Region tatsächlich zuvor so noch nie gesehen.Hast du heute noch Kontakt zu deinen beiden Bandkollegen?Bei Kuno und Inge vom Fettinger-Klan schaue ich noch regelmäßigvorbei, Sohn Lukas wurde übrigens 2014 wegen seiner Verdienste beim TVA-Skaterhockey als Augsburger Sportler des Jahres ausgezeichnet. Pulle betriebEnde der Achtziger zusammen mit seiner Frau Angela und Peter Bommas denabsoluten Kultschuppen „Bootleg“ in Oberhausen. Jetzt hat er als Bassist der„Creeping Candies“ seine musikalische Erfüllung gefunden und ist hier nebenseinem Job als Techniker bei der Stadthalle Gersthofen immer noch aktiv.In welchen Kneipen hat sich die Szene denn damals bewegt?Da gab es eine richtig gute Auswahl. Im Subway oder im Ice-Club imCurt-Frenzel-Stadion, im legendären Siedlerhof im Bärenkeller natürlich, aufden Parties im Fabrikschloss oder bei den „Schiemännern“ in Wellenburg.Oder auch im Odeon und im Loch am Königsplatz.Auch du selbst hast 25 Jahre lang die Augsburger Club- und Kneipenszenemit dem Blue Note, dem Vega oder auch dem Kerosin aufgemischt.Stimmt. Blaues Neonlicht, Cocktails statt Pils-Gläser, Kaffee aus eineritalienischen Siebträger-Maschine, US-Bands für 10 Mark Eintritt. Das sind dieDinge, die neu waren und die mir positiv in Erinnerung geblieben sind. Abereben auch der ständige Ärger mit den Augsburger Ordnungsbehörden. Heutewird die Club-Szene mit Steuergeldern subventioniert, mir hat man insgesamt18 Ordnungswidrigkeits-Bescheide aufgebrummt und sogar mit Berufsverbotgedroht.Klingt ja nicht so, als würdest du den alten Zeiten nachtrauern?Im Kerosin war ich von 1993 bis 1997 Mitbetreiber und Wirt, danachbegann der ganze Techno- und Kommerzscheiß, das war nicht mehr meineWelt. Außerdem ist Augsburg ein echt schwieriges Pflaster! Ich trauere alsonicht, träume aber heute öfter noch von irgendwelchen Szenen aus den diversenLokalen, die dann irgendwann unschön werden. Dann wache ich auf.Deine „Pele“- Sportbar, die du nach dem Kerosin gemacht hast, gilt bisheute als die Mutter aller Sportbars. Hatte nicht sogar die Fanszene desFC Augsburg bei dir in der Klinkertorstraße ihren absoluten Ursprung?Samstag Nachmittag nach den Heimspielen des FCA im Rosenaustadionsind immer alle in die „Pele-Bar“ gekommen, um Bundesliga zu schauen. Mitdabei war auch oft der damalige FCA-Präsident Walther Seinsch. Hier hat sichdann auch der erste „neue“ FCA-Fanclub „Augsburger Jungs“ gegründet unddas Wunder nahm seinen Lauf.Warst du vielleicht mit dieser Idee in Augsburg ungefähr zehn Jahre zufrüh dran? Damals kamen noch keine FCA-Spiele live im TV und auchPremiere sendete noch nicht in dem Umfang, wie wir es heute von SKYoder DAZN gewohnt sind.Augsburg ist nicht Philadelphia! Ich war tatsächlich etwas zu früh mit diesemKonzept und das hat mich zunächst auch eine ganze Stange Geld gekostet.Am Anfang kam kaum jemand, erst die WM 1998 brachte die Rettung. Außerdemwar ich als bekennender Bayern-Hasser auf die Live-Übertragungen derSpiele des FCB angewiesen. Eine Schande eigentlich!Legendär bis heute ist deine, sagen wir mal, rustikale Art, mit den Gästenumgegangen zu sein.Meine Gäste, die sich überwiegend in der alternativen Szene bewegten,hatten meist die Vorstellung, dass es von allem immer das Beste geben müsse,dies aber praktisch nichts kosten dürfe. Da war dann sogar ich oft sprachlosund mir blieb als Antwort oft nur das berühmte: „Geht’s no mit Dir?!“