STADTMAGAZIN Bremen August 2020
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LOKALES<br />
Ein modischer Gefallen<br />
Fotoshooting im Fedelhören: Die Brüder Tim und Denis Fischer unterstützen Boutique „Kontrast“<br />
Posen aus Solidarität: Die Künstler Denis (links) und Tim Fischer in der Boutique „Kontrast“ im Fedelhören. <br />
Fotos: Marco Meister<br />
10<br />
Florales Hemd neben kariertem Blazer, gepunktete Krawatte<br />
zur unifarbenen Baskenmütze: Es ist nicht nur der modische<br />
Auftritt von Denis und Tim Fischer, der an diesem Samstagvormittag<br />
Mitte Juli für ein ungewöhnliches Bild sorgt. Die beiden<br />
Brüder Seite an Seite beim selben Termin – das gibt es selten.<br />
„Corona macht es möglich“, erklärt Denis Fischer schmunzelnd<br />
bevor er sich wieder auf die Kamera konzentriert, die der Fotograf<br />
auf ihn richtet. Im Hintergrund beobachtet Holger Mertins das Geschehen.<br />
Er steht im Türrahmen seiner Boutique „Kontrast“, ein Geschäft<br />
für Männermode im Fedelhören. Mertins ist in der Bremer<br />
Veranstaltungsszene bekannt, vor seiner Tätigkeit als Einzelhändler<br />
leitete er einige Jahre den Club Moments, auch die Schauburg verantwortete<br />
er ehemals. Der Kontakt zu den Musikern und Schauspielern<br />
Denis und Tim Fischer stammt ebenso aus dieser Zeit. „Wir<br />
haben ein sehr freundschaftliches Verhältnis“, so Mertins. Die Bilder<br />
des Shootings möchte er vielfältig einsetzen. Ein paar sollen für die<br />
Website, andere für den Newsletter genutzt werden, sagt er. Für die<br />
Künstler ist die Aktion ein Zeichen der Solidarität, ein modischer<br />
Gefallen, wenn man so will. „Genauso, wie es für die Kulturszene<br />
gerade schwer ist, haben auch viele Einzelhändler zu kämpfen“, sagt<br />
Denis Fischer. „Die Leute sind ängstlich und shoppen lieber online<br />
als analog vor Ort einzukaufen.“<br />
Die kulturelle Durststrecke der Pandemie ist auch an den gebürtigen<br />
Delmenhorstern nicht spurlos vorbeigegangen. „Mir<br />
sind drei große Projekte weggebrochen, für mich hieß es erst einmal<br />
Zwangsspause“, erzählt Schauspieler und Chansonnier Tim<br />
Fischer. Sein ehrliches Fazit: „Einnahmen hatte ich in den letzten<br />
Monaten eigentlich keine. Ich bin froh, dass ich auf Rücklagen zurückgreifen<br />
kann. Dieses Privileg ist nicht selbstverständlich.“ Untätig<br />
waren die Brüder während des Lockdowns jedoch keinesfalls.<br />
Zwei Tonträger hat Denis Fischer zu Hause aufgenommen, „Home<br />
Recording“, heißt es im Fachjargon. Bei seinem Bruder hat die Krise<br />
ebenfalls kreativen Input hervorgebracht. „Mein musikalischer<br />
Leiter Oliver Potratz hat mich animiert, die Zeit zu nutzen, um ins<br />
Studio zu gehen und eine CD aufzunehmen.“<br />
Wie das beruflich sonst so durchgetaktete Leben der zwei in der<br />
nächsten Zeit verlaufen wird, ist noch unklar. Denis Fischer spielt<br />
aktuell in der Produktion „Die Falle“ des Bremer Kriminal Theaters<br />
auf dem Hof des Union-Brauerei-Geländes. „Damit bin ich<br />
erst einmal bis Ende <strong>August</strong> beschäftigt“, sagt er. Welches Projekt<br />
danach seinen Terminkalender füllt, steht noch nicht fest. „Große<br />
Vorlaufzeiten, wie sie eigentlich üblich sind, gibt es aktuell einfach<br />
nicht.“ Ähnlich stellt sich die Situation seines Bruders dar. Mitte<br />
Juli trat Tim Fischer beim diesjährigen „Oldenburger Kultursommer“<br />
auf. „Es ist verrückt, wie aufgeregt ich war“, sagt der 47-Jährige.<br />
„Man muss tatsächlich erst einmal wieder reinkommen.“ Einen<br />
nächsten Auftrag gibt es noch nicht.<br />
Obwohl das kulturelle Leben im Zuge der Lockerungen langsam<br />
wieder Fahrt aufnimmt – eine gewisse Besorgnis bleibt dennoch.<br />
„Ich habe die dumpfe Befürchtung, dass uns das bei unserer<br />
Arbeit noch lange begleiten wird“, sagt Denis Fischer. Sein Bruder<br />
nickt und ergänzt: „Es ist wichtig, dass es für uns Künstler weitergeht.<br />
Kultur ermöglicht eine Flucht aus dem Alltag. In Zeiten<br />
von Corona brauchen Menschen das wahrscheinlich mehr als jemals<br />
zuvor.“ Denis Fischer zieht seine Baskenmütze zurecht. Es ist<br />
modisches Statement und Geste der Zustimmung zugleich (JF)