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Neue Szene Augsburg 2020-08

Stadtmagazin für Augsburg

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Im Juli startete in einem der Augsburger Wahrzeichen die Perlach Tankstelle, ein hell erleuchteter Kiosk

direkt in dem 70 Meter hohen Turm im Herzen unserer Stadt. Das neue Konzept des Ladens soll dem Betreiber

dabei helfen, bessere Umsätze zu generieren und ist nur eine von vielen Ideen, die aus dem Mind des

Projektmanagers Harry Winderl stammen. Mit nicht wenigen davon hat der 52-jährige Kreativkopf unsere

Stadt in den letzten 30 Jahren lebendiger und lebenswerter machen und ihr damit auch ein Stück weit seinen

Stempel aufdrücken können. Von Markus Krapf

Die Perlachtankstelle erinnert ein bisschen

an die Spätis, Büdchen oder Trinkhallen in

deutschen Großstädten ...

... die dort ja auch prima funktionieren. In

Augsburg funktioniert übrigens auch alles, was

woanders auf dieser Welt funktioniert, wenn es

gut und mit Herzblut gemacht ist. Die Nachfrage

der Augsburger ist größer als man glaubt, aber

das Angebot ist in gewissen Bereichen einfach

zu schwach, gerade im Einzelhandel und in der

Gastronomie.

In den vergangenen Jahren haben tatsächlich

viele Firmen und Geschäfte zugemacht, einige

gastronomische Betriebe sind von der Bildfläche

verschwunden. Woran liegt‘s?

Es gibt einen konsequenten Niedergang von

Augsburg als Stadt. Große Firmen, Industriebetriebe,

einflussreiche Leute und Persönlichkeiten

aus Kultur und Gesellschaft sind weniger geworden.

Führende Köpfe mit Ideen und Weitblick in

Politik und Wirtschaft sind meiner Meinung nach

nicht gut genug vertreten.

Was muss sich ändern?

Die Stadt muss den Menschen einfach mehr

das Gefühl vermitteln, dass sie in Augsburg

willkommen sind, dass sie hier Geschäfte machen

und einkaufen können. Man muss positiv und

offen sein, denn die Leute sind bereit, dies auch

anzunehmen. Das hat man bei vielen Eröffnungen

in den letzten Jahren gesehen. Die Augsburger

gehen hin, wenn es interessante und gut umgesetzte

Konzepte gibt.

Hast du ein Beispiel?

Das Côcô in der Kapuzinergasse. Zuvor war

in diesem Laden wenig los, weil der Katzelmacher,

der dem Milano folgte, einfach am Markt vorbei

ging. Das Côcô verfolgt ein Konzept mit asiatischem

Essen, das sich in anderen großen Städten

wie Berlin oder Nürnberg bereits bewährt hat. Der

Laden ist voll, obwohl es dort keine Parkplätze

gibt und wir durch Corona schwierige Zeiten

erleben. Es muss einfach Interessantes angeboten

werden, die Menschen müssen sehen, dass sich

jemand Mühe macht, eine vernünftige Gestaltung

präsentiert und etwas anbietet, das seinen Preis

wert ist. Es gibt viele Startups, die funktionieren,

weil sie einfach gut gemacht sind, wie auch der

Beißer Burger in der Dominikanergasse oder die

Alte Liebe im Bismarckviertel.

Die Stadt hat sich in den letzten Jahren sehr

wohl auf ihre Fahnen geschrieben, Augsburg

so gestalten zu wollen, dass sich die Menschen

willkommen und wohl fühlen. Wurde dieser

Plan nicht ausreichend umgesetzt?

Lass es mich so sagen: Augsburg Marketing

zum Beispiel ist eine gute Sache. Hier wird viel

Geld ausgegeben, es wurden viele neue Stellen

besetzt. Die Mitarbeiter wollen sicher nur das

Beste für die Stadt, aber es fehlt eine Stadtplanung,

die über allem steht, die insgesamt Dinge

ändert. Wir sind viel zu sehr Betonstadt mit viel

zu wenig Grün und Gefühl. Mir fehlen Herz und

Selbstbewusstsein. Nur damit kann man auch

Menschen von außerhalb nach Augsburg bringen,

die hier einkaufen, weggehen, konsumieren. Dann

können auch die Pachten bezahlt werden, es wird

Gewerbesteuer generiert und die wunderschönen

Augsburger Häuser können erhalten werden.

Glaubst du, dass es die Anwohner im Innenstadtbereich

überhaupt mögen würden, wenn

dort mehr geboten wäre?

Sie wären jedenfalls gut beraten, das geschäftige

Treiben in der Stadt zu unterstützen, daran

teilzunehmen und anzuerkennen, dass man im

Sinne der Gemeinschaft auch einmal Lärm- oder

auch andere Emissionen ertragen muss.

Könnte es durch die neue Konstellation im

Stadtrat eine Verbesserung der Situation in

Augsburg geben? Stichwort mehr Grün, mehr

Herz, mehr Selbstbewusstsein.

Es ist gut so, dass die Grünen erstmals in

der Verantwortung stehen, weil sie einen nicht

unerheblichen Teil der Augsburger Bevölkerung

repräsentieren und sicher neue Elemente mitbringen

werden. Weniger Verkehr, Klimaschutz, mehr

Natur, das sind Themen, die uns alle betreffen.

Und wenn sie mit Kompetenz herangehen werden,

dann kommen wir als Stadt auch weiter. Was

die CSU angeht, habe ich tatsächlich Bedenken,

weil die massive Schuldenpolitik weiter vertuscht

wird oder es immer noch keine wirklichen

Parkraumkonzepte gibt. Da bin ich eher skeptisch

und die ersten Monate der neuen Regierung fand

ich ehrlich gesagt erschreckend, insbesondere die

Absage des Kulturausschusses.

„Es gibt einen

konsequenten Niedergang

von Augsburg als Stadt!”

Lass uns über dich reden. Zum ersten Mal

habe ich dich in den Achtzigern bewusst

wahrgenommen. Aber nicht in einer Kneipe,

sondern auf dem Pausenhof des Gymnasiums

bei St. Stephan. Diese Schule klingt eigentlich

erst einmal nicht nach dem Berufsziel

Gastronomie.

Das stimmt, eigentlich wollte ich damals

immer Biochemiker werden. Ich fand die Mendelsche

Vererbungslehre spannend und habe viele

Bücher darüber verschlungen. Aber ich bin als

Jugendlicher in der Schule gescheitert, hatte kein

einfaches Elternhaus und eine schwierige Pubertät.

Dadurch bin ich dann eben in andere Bereiche

geflüchtet.

Kam so dein Einstieg in die Gastronomie?

Ich habe 1984, also mit 16, meinen ersten

Ferienjob in der Forelle in der Altstadt hinter

der Theke gemacht. Meine nächsten Jobs waren

im Altstadtcafé und in der Disco Christians am

Zeugplatz. Auch im Jerome in der Philippine-

Welser-Straße habe ich damals gearbeitet. Diese

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